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Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum

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8 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />

ent als Folge seiner als unerträgliche Qualen empfundenen<br />

Schmerzen um seine Tötung gebeten, machen sich<br />

Arzt und Pflegepersonal de lege lata nach ganz h. M.<br />

der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 I StGB schuldig.<br />

Teilweise wird zwar vertreten, dass unter engen<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen eine aktive Euthanasie <strong>zu</strong>lässig sein<br />

solle, etwa durch eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB 93<br />

oder eine Entschuldigung gem. § 35 StGB. 94 Eine solche<br />

Lockerung des Tötungsverbots würde jedoch <strong>zu</strong> einer<br />

Relativierung des Lebensschutzes führen, die Achtung<br />

vor dem Leben untergraben, reinen Nützlichkeitserwägungen<br />

Raum geben, erhebliche Missbrauchsgefahren<br />

bergen und das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten<br />

und Ärzteschaft erschüttern. 95 Aktive Sterbehilfe ist also<br />

stets strafbar. Der vom Patienten in einer Patientenverfügung<br />

geäußerte Wunsch einer aktiven Tötung seiner<br />

Person, stellt einen un<strong>zu</strong>lässigen Inhalt dar.<br />

2. Reine Sterbebegleitung<br />

Reine Sterbebegleitung liegt vor, wenn einem Sterbenden<br />

schmerzlindernde oder bewusstseinsdämpfende Mittel<br />

verabreicht werden, die jedoch keinerlei Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>zu</strong>r Folge haben. 97 Umfasst ist <strong>zu</strong>dem der psychologische<br />

ärztliche Beistand sowie die Basisbetreuung. 97<br />

Diese Form der Sterbebegleitung ist nicht nur unstreitig<br />

<strong>zu</strong>lässig. Es ist vielmehr Pflicht des Arztes bzw. Pflegepersonals,<br />

dem Patienten in der letzten Lebensphase<br />

seine Lage so erträglich und schmerzfrei wie möglich <strong>zu</strong><br />

gestalten. 98<br />

3. Indirekte Sterbehilfe<br />

Ist das Verabreichen der schmerzlindernden Medikamente<br />

nach Art und Dosierung mit einer Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />

verbunden, wird diese aber nur als unvermeidbare,<br />

unbeabsichtigte Nebenfolge der medizinisch gebotenen<br />

Schmerzbekämpfung in Kauf genommen, so liegt ein Fall<br />

der so genannten indirekten oder mittelbaren Sterbehilfe<br />

vor. Vorausset<strong>zu</strong>ng ist also, dass die Beschleunigung<br />

des Todeseintritts nicht angestrebtes Ziel des ärztlichen<br />

Handelns ist. 99 Die indirekte Sterbehilfe ist – wenn auch<br />

unter relativ engen Vorausset<strong>zu</strong>ngen 100 – nach ganz h.M.<br />

nicht strafbar. Dies wird nach t.v.A. damit begründet,<br />

dass schon der Tatbestand des § 212 StGB nicht gegeben<br />

sei, weil die Tötung hier nach ihrem sozialen Sinngehalt<br />

dem Schutzbereich der Vorschrift nicht unterfalle. 101<br />

A.A. nach stehe eine Tötungshandlung zwar außer Frage.<br />

Diese solle aber gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein,<br />

sofern das Handeln des Arztes nicht dem Willen des Patienten<br />

widerspreche. 102 Der in einer Patientenverfügung<br />

geäußerte Wunsch nach einer mit dem Risiko einer Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />

verbundenen Schmerztherapie ist daher<br />

<strong>zu</strong>lässiger Inhalt.<br />

4. Passive Sterbehilfe<br />

Die in der Praxis wichtigste aber auch die meisten Probleme<br />

und Unklarheiten bergende Kategorie, vor allem<br />

im Hinblick auf antizipiert geäußerte Patientenanweisungen,<br />

ist die der passiven Sterbehilfe. 103 Hierunter<br />

versteht man die Fälle, in denen bei einem Todkranken<br />

die Behandlung auf die Linderung von Beschwerden bei<br />

gleichzeitigem Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen<br />

beschränkt wird. 104 Dies umfasst sowohl die<br />

Unterlassung oder Beendigung der Medikation als auch<br />

technischer Maßnahmen wie Beatmung, Sauerstoff<strong>zu</strong>fuhr,<br />

Bluttransfusion und künstliche Ernährung. 105 Der<br />

Todeseintritt wird nicht mehr mit den Mitteln der Intensivmedizin<br />

verzögert. Die Krankheit nimmt ihren natürlichen<br />

Verlauf. 106 Geleistet werden muss jedoch stets die<br />

Basisversorgung. 107<br />

Zwar hält der BGH für Zivilsachen eine Anweisung gegen<br />

lebensverlängernde bzw. –erhaltende Maßnahmen<br />

in einem Patiententestament dann für un<strong>zu</strong>lässig, wenn<br />

diese schon vor Eintritt eines irreversiblen tödlichen<br />

Verlaufs verlangt werden. 108 Entsprechend dem oben<br />

Gesagten kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Der<br />

Wunsch einer passiven Sterbehilfe muss vielmehr stets<br />

einen <strong>zu</strong>lässigen Inhalt darstellen können. 109<br />

VI. Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments<br />

Beinhaltet eine Patientenverfügung <strong>zu</strong>lässige Behandlungsanweisungen,<br />

so ist darüber hinaus fraglich, welche<br />

Bindungswirkung eine solche Verfügung für die Beteiligten<br />

<strong>zu</strong> entfalten vermag. Streitpunkt ist also, inwieweit<br />

das Instrument Patientenverfügung tauglich ist, den Willen<br />

des Betroffenen in der aktuellen und konkreten Behandlungssituation<br />

wieder<strong>zu</strong>geben. Nur dieser aktuelle<br />

Wille des Betroffenen <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Eingriffs ist<br />

93 Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639 ff.).<br />

94 Im Ergebnis ablehnend Hirsch, FS Lackner, 597 (617 f.).<br />

95 Dölling, MedR 1987, 6 (8); Hirsch, FS Lackner, 597 (614);<br />

Tröndle/Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn. 14; Wessels/Hettinger,<br />

Strafrecht BT/1, § 1 III 1, Rn. 28.<br />

96 SK-StGB – Horn, § 212, Rn. 26; Wessels/Hettinger, Strafrecht<br />

BT/1, § 1 III 2, Rn. 31.<br />

97 Schreiber, FS Deutsch, 773 (776 f.).<br />

98 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 97; MüKo/StGB –<br />

Schneider, Vor §§ 211 ff., Rn. 90; NK – Neumann, Vor § 211,<br />

Rn. 91.<br />

99 BGHSt 42, 301 (305); Lackner/Kühl, Vor § 211, Rn. 7; MüKo/<br />

StGB – Schneider, Vor §§ 211 ff., Rn. 91; Schöch, NStZ 1997,<br />

409 (409); Sch/Sch – Eser, Vorbem §§ 211 ff.; Rn. 26.<br />

100 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, D Rn. 17.<br />

101 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT/1, § 1 III 2, Rn. 32; Tröndle/<br />

Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn. 18.<br />

102 Kutzer, NStZ 1994, 110 (114 f.); SK-StGB – Horn, § 212,<br />

Rn. 26e.<br />

103 Die passive Sterbehilfe ist hier nicht nur als „Hilfe beim Sterben“<br />

<strong>zu</strong> verstehen.<br />

104 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 23; Sch/Sch – Eser, Vorbem<br />

§§ 211 ff., Rn. 27; Tröndle/Fischer, Vor §§ 211 bis 216, Rn. 19.<br />

105 Schöllhammer, Rechtsverbindlichkeit PT, A III 4, S. 20.<br />

106 BGHSt 37, 376 (376); Kutzer, FPR 2004, 683 (685).<br />

107 Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1621).<br />

108 Dies folgt daraus, dass der BGH die Reichweite einer Patientenverfügung<br />

auf eben diese medizinischen Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

beschränkt, vgl. oben B. IV. 3.<br />

109 Vgl. oben B. IV. 4.

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