Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Eine solche Beratungspflicht erscheint gerechtfertigt,<br />
wenn die Beratung durch den behandelnden Arzt erfolgt<br />
und der Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong> einer bestimmten Krankheit, <strong>zu</strong>m Beispiel<br />
dem frühen Stadium einer chronisch verlaufenden<br />
Erkrankung, bereits vorhanden ist. Die Pflicht würde<br />
aber auch für den Regelfall des Patiententestaments gelten,<br />
mit dem in gesunden Tagen für Unfall oder plötzlich<br />
auftretende Krankheiten vorgesorgt werden soll. Hier ist<br />
eine ärztliche Information nur in sehr allgemeiner Form<br />
möglich.<br />
Dies käme einer Informationspflicht und Zwangsberatung<br />
gleich, die mit dem Selbstbestimmungsrecht des<br />
Patienten nicht vereinbar wären. Daher erscheint insgesamt<br />
jedwede Form einer Beratungspflicht, die mit der<br />
Sanktion verbunden ist, dass der Patientenwille bei ihrer<br />
Nichtbeachtung eine geringere Verbindlichkeit hat, vom<br />
Interesse des Patienten her gesehen sachlich nicht geboten<br />
und daher unverhältnismäßig. 45<br />
Die Beratungspflicht könnte daher allenfalls mit den<br />
Interessen des Arztes an einer Patientenverfügung, also<br />
dem zweiten Aspekt gerechtfertigt werden. So fordert<br />
die Bundesärztekammer die ärztliche Beratung und Information<br />
und deren nachvollziehbaren Nachweis vor<br />
dem Hintergrund der Erfahrung vieler Praktiker mit<br />
widersprüchlich ausgefüllten oder unanwendbar formulierten<br />
Patiententestamenten.<br />
Auf die Interessen des Arztes kommt es bei der Einwilligung<br />
aber generell nicht an, vielmehr ist allein der Wille<br />
des Patienten maßgeblich. Verzichtet er bewusst auf<br />
eine Beratung und nimmt damit das Risiko eines Missverständnisses<br />
durch den später behandelnden Arzt in<br />
Kauf, rechtfertigt das nicht, seine Erklärung nur einen<br />
geringeren Grad an Verbindlichkeit <strong>zu</strong><strong>zu</strong>billigen. 46<br />
Nach allem ist eine vorherige ärztliche Aufklärung bei<br />
der Errichtung eines Patiententestaments zwar <strong>zu</strong> empfehlen,<br />
sie ist aber nicht <strong>zu</strong>r Vorausset<strong>zu</strong>ng seiner rechtlichen<br />
Verbindlichkeit <strong>zu</strong> erheben.<br />
3. Form<br />
Umstritten ist, ob das Patiententestament einer Form<br />
bedarf. Ein Teil des Schrifttums setzt für die Wirksamkeit<br />
einer Patientenverfügung die Schriftform 47 voraus,<br />
ein anderer fordert gar eine notarielle Beurkundung. 48<br />
Ein Formerfordernis wird mit dessen Warnfunktion und<br />
dem Schutz des Betroffenen vor Übereilung begründet. 49<br />
Man könnte dahingehend argumentieren, dass wenn<br />
schon für vermögensrechtliche Verfügungen aus diesen<br />
Gründen eine Form vorausgesetzt wird, dies dann erst<br />
recht für eine das Leben des Betroffenen betreffende<br />
Verfügung gelten müsste.<br />
Zudem würden Beweisprobleme in Be<strong>zu</strong>g auf das Vorhandensein<br />
und den genauen Wortlaut einer Patientenverfügung<br />
vermieden. Diese wäre, da schriftlich niedergelegt,<br />
jederzeit einsehbar und nicht unter Umständen<br />
ungenau von nur einer Person mündlich überliefert.<br />
Damit würde im Regelfall auch die Sicherheit für Arzt<br />
und Betreuer im Umgang mit der Patientenanweisung<br />
erhöht.<br />
Eine notarielle Beurkundung würde gar Zweifel an der<br />
Einwilligungsfähigkeit des Verfassers im Zeitpunkt der<br />
Errichtung ausschließen können, da sich der Notar von<br />
dieser vorab überzeugen müsste. 50<br />
In der Tat besteht bei bloß mündlich abgegebenen Erklärungen<br />
die Gefahr, dass der Erklärende lediglich seine<br />
Ansichten im Zuge einer nur temporären Gefühlslage<br />
unüberlegt und unreflektiert einem Dritten gegenüber<br />
kundtut, ohne eine ernstliche und konkrete, antizipierte<br />
Behandlungsanweisung abgeben <strong>zu</strong> wollen.<br />
Ebenso ist der umgekehrte Fall denkbar, dass ein in voller<br />
„Bindungsabsicht“ mündlich erklärtes Patiententestament<br />
von den Beteiligten als unbeachtlich missverstanden<br />
wird. Eine Abgren<strong>zu</strong>ng ist mitunter nicht möglich,<br />
die Übergänge sind fließend.<br />
Es ist daher <strong>zu</strong>mindest dringend <strong>zu</strong> empfehlen, eine Patientenverfügung<br />
schriftlich ab<strong>zu</strong>fassen. 51 Würde man<br />
aber einer mündlichen Patientenverfügung generell, auch<br />
wenn sie ernstlich und unzweifelhaft abgegeben und der<br />
Wortlaut eindeutig wiedergegeben ist, keine Verbindlichkeit<br />
<strong>zu</strong>kommen lassen, so würde der Verfügende um<br />
sein mit dem mündlichen Patiententestament ausgeübtes<br />
Selbstbestimmungsrecht beraubt werden.<br />
Von Bedeutung wird diese Überlegung vor allem in Fällen,<br />
in denen der Betroffene überhaupt nicht mehr fähig<br />
ist, eine derartige Verfügung schriftlich <strong>zu</strong> fixieren. 52<br />
Droht dann noch der Verlust der Einwilligungsfähigkeit<br />
in Kürze ein<strong>zu</strong>treten, so erweist sich jede Art eines Formerfordernisses<br />
als eine den Betroffenen unverhältnismäßig<br />
beschwerende Last und Hindernis bei der Ausübung<br />
seines Selbstbestimmungsrechts. Die mitunter mit<br />
der Formlosigkeit verbundenen Risiken und Erschwernisse<br />
rechtfertigen daher keine Unbeachtlichkeit einer<br />
mündlich abgegebenen Patientenverfügung im Generellen.<br />
53<br />
Die Frage nach einem etwaigen Formerfordernis ist aber<br />
wohl ohnehin als „Scheinproblem“ <strong>zu</strong> betrachten. In der<br />
Regel wird der Betroffene aus eigenem Interesse daran,<br />
dass seinen Anweisungen im Bedarfsfall gefolgt wird,<br />
schon die Schriftform wählen.<br />
45 Lipp, Patientenautonomie, S. 30.<br />
46 Lipp, Patientenautonomie, S. 31.<br />
47 Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 36;<br />
Thias, Selbstbestimmtes Sterben, S. 102; Taupitz, Gutachten 63.<br />
DJT, A 118, jedoch nur, wenn die in § 1904 I BGB genannten<br />
Situationen Gegenstand der Verfügung sind.<br />
48 Seitz, ZRP 1998, 417 (420).<br />
49 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 118.<br />
50 Keilbach, FamRZ 2003, 969 (976); Laufs/Uhlenbruck, Handbuch<br />
des Arztrechts, § 132, Rn. 36; dies wäre etwa bei Demenzkranken<br />
vorteilhaft, bei denen der Zeitpunkt des Eintritt der<br />
Einwilligungsunfähigkeit im Nachhinein kaum noch <strong>zu</strong> bestimmen<br />
ist.<br />
51 So auch Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1620).<br />
52 Berger, JZ 2000, 797 (802).<br />
53 So auch Berger, JZ 2000, 797 (802); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1620); Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 7; Lipp, FamRZ<br />
2004, 317 (320); Uhlenbruck, AcP 193, 487 (491).