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Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum

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<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 3<br />

durchschnittliche Reifegrad eines 14jährigen genannt. 30<br />

Mitunter wird vorgeschlagen, diesen Maßstab auch bei<br />

erwachsenen Personen an<strong>zu</strong>legen. 31 Die Einwilligungsfähigkeit<br />

ist jedenfalls stets auf die konkreten Umstände<br />

des Einzelfalles bezogen fest<strong>zu</strong>stellen, was eine solch<br />

pauschale und starre Definition der Einsichtsfähigkeit<br />

wohl eher untauglich erscheinen lässt.<br />

III. Vorausset<strong>zu</strong>ngen für die Errichtung eines Patiententestaments<br />

1. Einwilligungsfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung<br />

Mitunter wird vertreten, dass <strong>zu</strong>r wirksamen Errichtung<br />

einer Patientenverfügung der Verfasser geschäftsfähig<br />

sein müsse. 32 Überwiegend wird jedoch das Vorliegen<br />

der Einwilligungsfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung<br />

als ausreichend betrachtet. 33 Es besteht Einigkeit darüber,<br />

dass für eine wirksame Einwilligung des Patienten in<br />

eine konkrete unmittelbar bevorstehende Heilbehandlung<br />

dessen Einwilligungsfähigkeit ausreichend ist. 34<br />

Es ist aber nicht ein<strong>zu</strong>sehen, warum an die Wirksamkeit<br />

einer solchen antizipiert abgegebenen Einwilligung<br />

bzw. Verweigerung derselben höhere Anforderungen <strong>zu</strong><br />

stellen sein sollten. Andernfalls wären beschränkt Geschäfts-<br />

aber Einwilligungsfähige von der autonomen<br />

Planung ihrer höchstpersönlichen Angelegenheiten<br />

ausgeschlossen. Ausreichend ist daher, dass der Verfügende<br />

35 im Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung<br />

einwilligungsfähig ist.<br />

2. Vorherige ärztliche Aufklärung<br />

Die Frage, ob eine Patientenverfügung den Nachweis<br />

enthalten solle, dass sie auf der Grundlage eines ausführlichen<br />

fachlichen Gesprächs mit einem Arzt erstellt<br />

wurde, und ob an diesen Nachweis ihre Wirksamkeit gebunden<br />

werden solle, ist strittig.<br />

Die Aufklärung soll – ganz generell – die freie, selbstverantwortliche<br />

Entscheidung des Patienten ermöglichen,<br />

ihn also in die Lage versetzen, das Für und Wider seiner<br />

Entscheidung ab<strong>zu</strong>wägen und auf dieser Basis eine informiert<br />

eigenverantwortliche Entscheidung <strong>zu</strong> treffen. 36<br />

Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Arzt im Rahmen<br />

des Aufklärungsgesprächs auch die Einwilligungsfähigkeit<br />

des Patienten <strong>zu</strong> prüfen, und Anzeichen für äußeren<br />

Druck in Form familiärer oder sonstiger Fremdbestimmungsversuche<br />

nach<strong>zu</strong>gehen. 37 Demgegenüber soll er<br />

beim Patiententestament einer Erklärung folgen, bei der<br />

die äußeren Umstände des Zustandekommens und die<br />

Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen <strong>zu</strong>m Zeitpunkt<br />

der Erklärung völlig unbekannt sind.<br />

Im Schrifttum wird teilweise eine ärztliche Aufklärung<br />

als Vorausset<strong>zu</strong>ng der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung<br />

verlangt. 38<br />

Es wird auch vertreten, dass eine antizipative behandlungsablehnende<br />

Patientenverfügung in Anlehnung an<br />

die Wertung des § 1904 BGB dann, wenn die begründete<br />

Gefahr besteht, dass der Betroffene bei ihrer Befolgung<br />

stirbt oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden<br />

erleidet, nur unter der Vorausset<strong>zu</strong>ng als verbindlich<br />

an<strong>zu</strong>sehen ist, dass ein Arzt in der Verfügung bestätigt<br />

hat, den Betroffenen über die Bedeutung und Tragweite<br />

seiner Entscheidung aufgeklärt <strong>zu</strong> haben. 39<br />

Der 63. deutsche Juristentag hat einen Antrag für eine<br />

Aufklärung über Gehalt und Tragweite als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng<br />

für eine Patientenverfügung mit<br />

großer Mehrheit abgelehnt. 40<br />

Grundsatz V der Grundsätze der Bundesärztekammer<br />

für Sterbebegleitung sieht für die Verbindlichkeit von<br />

Patiententestamenten eine ärztliche Aufklärung nicht<br />

vor. 41<br />

Sternberg-Lieben hält die Befürchtung, ohne eine vorherige<br />

Aufklärung handele der Verfasser einer Patientenverfügung<br />

unüberlegt, durch die Lebenserfahrung<br />

für ausgeschlossen. Da die Entscheidung nicht leicht<br />

<strong>zu</strong> treffen sei, könne eher von einer gewissenhaften Beschäftigung<br />

mit der Problematik bei gesunden sowie<br />

Menschen mit einer ihnen bekannten fortschreitenden<br />

Krankheit ausgegangen werden. 42<br />

Im Fall des Abfassens eines Patiententestaments kann<br />

die vorherige ärztliche Aufklärung zweierlei erreichen:<br />

Zum einen kann sie wie jede ärztliche Aufklärung den<br />

Patienten über seine Krankheit und die möglichen Behandlungsalternativen<br />

informieren und ihn so in die<br />

Lage versetzen, sich <strong>zu</strong> entscheiden. Zum anderen kann<br />

sie den später behandelnden Arzt das Verständnis eines<br />

Patiententestaments erleichtern. Unter dem erstgenannten<br />

Gesichtspunkt dient die Aufklärung der Wahrnehmung<br />

des Selbstbestimmungsrechts des Patienten; auf<br />

sie kann der Patient deshalb verzichten. 43 Die Aufklärung<br />

als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng macht die Beratung<br />

<strong>zu</strong>r Pflicht und bedarf daher als Beschränkung des<br />

mit dem Verzicht auf Aufklärung ausgeübten Selbstbestimmungsrechts<br />

des Patienten der Rechtfertigung. 44<br />

30 Spickhoff, NJW 2000, 2297, 2299 f.<br />

31 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 509; Taupitz, Gutachten<br />

63. DJT, A 126.<br />

32 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 127 ff., 179; Harder, ArztR<br />

1991, 11, 13; Geschäftsfähigkeit entsprechend der Bevollmächtigung:<br />

Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 117.<br />

33 Alberts, BtPrax 2003, 139, 139; Hahne, FamRZ 2003, 1619,<br />

1621; Karliczek, Wille, Wohl und Wunsch, 140 ff.; Spickhoff,<br />

NJW 2000, 2297, 2302; auch der 63. Deutsche Juristentag hat<br />

sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, Einwilligungsfähigkeit<br />

ausreichen <strong>zu</strong> lassen, Beschluss III.2.1<br />

34 Vgl. oben B. II.<br />

35 Auch diese Bezeichnung ist entsprechend dem <strong>zu</strong>r „Verfügung“<br />

unter B. I. Gesagten <strong>zu</strong> verstehen.<br />

36 Laufs/Uhlenbruck – Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 63,<br />

Rn. 11; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 188 f.<br />

37 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 111 f.<br />

38 Tröndle/Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn.18.<br />

39 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 113.<br />

40 63. deutscher Juristentag, Beschluss III 2.3.<br />

41 Bundesärztekammer, NJW 1998, 3407, 3407.<br />

42 Sternberg-Lieben, NJW 1985, 2734, 2736.<br />

43 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 28.<br />

44 Lipp, Patientenautonomie, S. 30.

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