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Blitzeis machte die Straße spiegelglatt, meine Halbschwester<br />
verlor die Kontrolle über den Wagen, der direkt unter einen<br />
entgegenkommenden Lkw rutschte. Sie waren beide auf der<br />
Stelle tot.<br />
Als wir die Todesnachricht erhielten, war meinen Eltern sofort<br />
klar, dass wir den Kleinen zu uns nehmen würden. Rein<br />
juristisch war das ein enormer Aufwand, man kann nicht mal<br />
eben so ein Kind aufnehmen. Innerhalb der Familie wurde die<br />
Situation genau erörtert. Wir sind zu fünft, <strong>als</strong>o mit meiner<br />
sechs Jahre jüngeren Schwester Katharina und Felix, im Februar<br />
1988 nach Rabenberg ins Erzgebirge gefahren. Normalerweise<br />
bereiteten sich dort in der Sportschule die Eliteathleten<br />
der DDR auf große Wettkämpfe vor. Nun gingen wir in<br />
den Bergen in Klausur, um die Zukunft unserer Familie zu<br />
besprechen. Meine Eltern führten Katharina und mir ganz<br />
deutlich vor Augen, dass auch auf uns große Verantwortung<br />
und eine ganz neue Situation zukommen würde. Sie wollten<br />
Felix die Geborgenheit der Familie geben. Meine achtjährige<br />
Schwester und ich zögerten keine Sekunde: Wir erklärten uns<br />
sofort bereit, diese Verantwortung zu übernehmen – für unseren<br />
neuen Bruder.<br />
Heute sagen meine Eltern, dass wir beide für ihn Idole seien.<br />
Das macht mich irgendwie stolz. Das Verhältnis zwischen<br />
uns Geschwistern ist immer noch sehr eng – Katharina und<br />
Felix gehören zu meinem Leben wie meine Eltern und meine<br />
eigene Familie.<br />
Ich wollte, <strong>als</strong> wir diese Entscheidung trafen, dass Felix’<br />
Kindheitsjahre unbeschwert sein würden, so wie es meine bis<br />
dahin überwiegend gewesen waren. In Damsdorf blieb ich<br />
nicht nur, wenn meine Eltern berufl ich sehr eingespannt<br />
waren, sondern auch in sämtlichen Ferien. Das war wie in einem<br />
Siebzigerjahre-Heimatfi lm: Opa arbeitete den ganzen<br />
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