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anders als erwartet

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Ich war so wütend auf sie: Mein großer Tag und ihr dicker<br />

Bauch – das passte irgendwie nicht. Alle hatten sich so fein<br />

gemacht für die Schule. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass<br />

alle ihretwegen tuschelten. Erst Jahre später begriff ich, dass<br />

die Leute wahrscheinlich weniger wegen ihres dicken Bauchs<br />

getuschelt haben. Mutter war in der DDR einfach eine große<br />

Nummer. Weltmeisterin, Medaillengewinnerin bei Olympischen<br />

Spielen – sie war die beste Handballspielerin der Welt.<br />

Klar, dass die Leute da die Köpfe zusammensteckten.<br />

Als Schüler in der DDR gab es viele Möglichkeiten, sich zu<br />

engagieren – und ich ergriff sie alle: Ich war Wandzeitungsredakteur,<br />

Agitator, Milchgeldkassierer. Für diese Ämteranhäufung<br />

war ich prädestiniert. Meine Mutter meint, dass ich schon<br />

<strong>als</strong> Kind gern Verantwortung übernommen habe. Regelmäßig<br />

war ich auch in der »Straße der Besten«, einer Galerie im<br />

Schulfoyer mit den Fotos der jeweiligen Jahresbesten. Das hat<br />

meinen Ehrgeiz auf den Plan gerufen, da wollte ich hin. Natürlich<br />

war ich nicht der Einzige, der dieses Ziel verfolgte.<br />

Meine ärgste Widersacherin um einen Platz in der Ruhmesgalerie<br />

war Sophia. Jeder von uns beiden hatte den Ehrgeiz,<br />

die beste Klassenarbeit abzuliefern. War ihr Aufsatz besser, so<br />

konnte ich in Staatsbürgerkunde punkten. Hatte sie in Mathe<br />

alle richtigen Ergebnisse, so lieferte ich eine fehlerfreie Russischarbeit<br />

ab. So ging es die ersten vier Jahre, mal hing ihr<br />

Foto in der Straße der Besten ganz vorn, mal war meines in<br />

der Poleposition.<br />

Später, so viel kann ich vorwegnehmen, ließ mein Ehrgeiz<br />

im schulischen Bereich nach – mein Abitur habe ich dann mit<br />

einem Notendurchschnitt von 3,0 abgelegt. Damit ist man in<br />

der Straße der Besten kein Anwohner mehr.<br />

Meine Eltern erzogen mich streng, ohne hart zu sein. Es<br />

war aber auch so, dass ich alles andere <strong>als</strong> ein Problemkind<br />

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