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anders als erwartet

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Häufi g werde und wurde ich in den Jahren, die seit der<br />

Wiedervereinigung vergangen sind, von Wessis gefragt, wie<br />

das Leben in der DDR war. Anfangs haben mich diese Fragen<br />

genervt und mein Vorurteil vom ignoranten Wessi bestätigt.<br />

Mittlerweile stört es mich nicht mehr, weil ich erkannt habe,<br />

dass viele Leute ja nicht fragen, um ihre Vorurteile bestätigt zu<br />

bekommen, sondern aus echtem Interesse. So antworte ich<br />

mittlerweile auch gern und ehrlich auf diese Frage.<br />

Wie es auch nicht eine einzige BRD zu Zeiten des geteilten<br />

Deutschlands gab, so waren es auch viele verschiedene DDRs,<br />

die im realen Sozialismus nebeneinander existierten. Selbstverständlich<br />

sahen die verschiedenen Welten <strong>anders</strong> aus. Und<br />

ja, sie waren nicht nur in verschiedenen Grautönen schattiert,<br />

wie gern behauptet wird – sie waren bunt. Ich muss immer<br />

lachen über dieses Vorurteil, wir hätten im Osten keine Bananen<br />

gekannt. In Berlin hatten wir nicht nur Bananen, sondern<br />

auch Trauben und Orangen. Und die konnten sich auch alle<br />

leisten. Denn alle wesentlichen Dinge des Lebens waren für<br />

jeden erschwinglich. Meine Eltern zahlten für unsere 120<br />

Quadratmeter im Plattenbau 60 Ostmark Miete im Monat.<br />

Ein Brot kostete 60 Pfennig. Mein Vater verdiente 2500 Mark<br />

beim Verband. Bevor jetzt die Frage aufkommt, was wir mit all<br />

unserem Geld gemacht haben: Es waren die grundlegenden<br />

Güter des Lebens, wie Wohnung, Essen, öffentlicher Nahverkehr<br />

und Energie, die so günstig waren. Ein Farbfernseher<br />

beispielsweise kostete dagegen 6000 Mark.<br />

Nicht nur die Südfrüchte verliehen unserem Leben Farbe.<br />

Unsere Gesellschaft war kein Nebeneinander von Individuen,<br />

wir waren wirklich eine Gemeinschaft. Wenn ich heutzutage<br />

in der Zeitung lese, dass jemand ein Jahr lang unentdeckt tot<br />

in seiner Wohnung gelegen hat, dann schockiert mich das,<br />

und gleichzeitig fi nde ich es symptomatisch für die Verein-<br />

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