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Foto: Wil van Iersel<br />
kammer<br />
„Mitleid bringt nix!“<br />
Hans-Werner Kroesinger inszeniert in der Kammer des Theater Aachen nach dem Roman Albert<br />
Camus „Die Pest oder Menschen im Belagerungszustand“. Eine Dokumentation über Menschen im<br />
Ausnahmezustand:Voller Bitternis,Wahrheit und Humor.<br />
„Der Belagerungszustand ist verlängert!“ Vier Worte, die<br />
zum Beginn einer Katastrophe werden. Vier Worte, die<br />
über das Schicksal einer Stadt entscheiden sollen. Denn in<br />
der Stadt Oran ist die Pest ausgebrochen. Die Bevölkerung<br />
wird dadurch in einen Ausnahmezustand versetzt. Angst<br />
und Panik dehnen sich aus. Die schwarze Seuche fordert<br />
tausend Tote. Als die kleine Stadt auch noch von der Außenwelt<br />
abgeschottet wird, wird den Bewohnern erst das<br />
Ausmaß der Katastrophe bewusst. Die Pest bedroht jedes<br />
einzelne Leben auf ganz unterschiedliche Art. Dadurch<br />
wird die Pest zu ihrem gemeinsamen Gegner.<br />
Auf der Bühne der Kammer stehen sechs Personen. Drei<br />
Männer und drei Frauen, gespielt von Julia Brettschneider,<br />
Elisabeth Ebeling, Emilia Rosa de Fries, Rainer Krause, Philipp<br />
Manuel Rothkopf und Robert Seiler.<br />
Sie sitzen auf, zwischen oder in den fünf hellbraunen<br />
Särgen. Sie alle erzählen eine gemeinsame Geschichte. Berichten<br />
von der Erfahrung der Katastrophe „Pest“. Manchmal<br />
sind sie eine geschlossene Gruppe. Manchmal beschreibt<br />
einer seine eigene Geschichte, manchmal spricht<br />
nur ein nüchterner Erzähler. Während des Schauspiels<br />
wechseln die Erzähler-Figuren immer wieder. Für den Zuschauer<br />
ist es bis zur letzten Minute ein kniffeliges Unterfangen<br />
zu verstehen, wer spricht oder wer wen gerade<br />
spielt. Denn die einzelnen Charaktere sind nicht an eine<br />
Person gebunden. Wahrlich eine Herausforderung für das<br />
Publikum und die Schauspieler.<br />
Da ist man <strong>als</strong> Zuschauer fast genauso froh, wie die Menschen<br />
im Belagerungszustand, um jede kleine Albernheit,<br />
beispielsweise <strong>als</strong> schief und krumm „wir lagen vor Mada-<br />
gaskar“ angestimmt wird. Der letzte mögliche Ausweg<br />
oder die unumgängliche Konsequenz vor der kompletten<br />
Verzweiflung ist für die Bevölkerung von Oran ein bissiger<br />
Galgenhumor. Großartig wie sich die Darsteller in dieser<br />
Szene auf die Schultern klopfen für den nächsten schlechten<br />
Scherz und dann noch einen drauf setzten. Belohnt<br />
werden sie von lautem Lachen im Publikum und tosendem<br />
Applaus am Ende.<br />
Philipp Manuel Rothkopf, Emilia Rosa de Fries, Rainer Krause, Elisabeth Ebeling, Robert Seiler und Julia Brettschneider (v.l.)<br />
Die Krankheit „Pest“ ist, wie in der berühmten Vorlage<br />
Camus, nur eine der vielen Ebenen. Hier geht es um weit<br />
mehr <strong>als</strong> um eine Krankheit, die zum Tod führt. Die Pest<br />
steht <strong>als</strong> Synonym für politische Unterdrückung, die Untiefen<br />
der Persönlichkeit, die Bedrohung von außen.<br />
Kleine, erschreckende, persönliche und vor allem<br />
menschliche Momente in der weit reichenden Universalkatastrophe<br />
Pest werden vor dem Hintergrund Orans dokumentarisch<br />
dargestellt.<br />
Regisseur Hans-Werner Kroesinger gilt <strong>als</strong> einer der<br />
führenden Vertreter des Dokumentarischen Theaters in<br />
Deutschland. „Die Pest oder Menschen im Belagerungszustand“<br />
ist seine vierte Arbeit am Theater Aachen. Zusammen<br />
mit den Schauspielern ist ihm mit dieser Erzählweise<br />
ein tolles Stück Theater gelungen. /// kw<br />
8.,9. und 15.6.<br />
„Die Pest oder Menschen im Belagerungszustand“<br />
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen<br />
theater-aachen.de<br />
im Kapuziner Karree<br />
bühne<br />
kinderoper<br />
Wie im<br />
Märchen ...<br />
Das Theater Aachen zeigt „Pollicino“<br />
von Hans Werner Henze. Nach dem<br />
Tanzprojekt „inmotion“ im letzten<br />
Jahr, wurde 2011 eine Kinderoper<br />
inszeniert.<br />
Pollicino ist ein Projekt des Theater<br />
Aachen und des Sozialwerks Aachener<br />
Christen e.V. Mehr <strong>als</strong> 120 Kinder und<br />
Jugendliche aus verschiedenen Schulen<br />
in Aachen haben das Stück mitgestaltet.<br />
Ein wackliger Tisch mit Bank, ein<br />
kleiner roter Schuppen und eine rostige<br />
Mehr <strong>als</strong> 120 Kinder halfen auf und hinter<br />
der Bühne mit.<br />
Badewanne. Als der Vorhang der Bühne<br />
des Theater Aachen sich öffnet, sieht<br />
man gleich, dass Pollicino ärmlich aufwachsen<br />
muss.<br />
Zusammen mit seinen Geschwistern<br />
wird der kleine Junge Pollicino von den<br />
Eltern in größter Not in den Wald getrieben.<br />
Freundliche Waldtiere führen<br />
sie zum Haus der Familie Fürchterlich.<br />
Doch Vater Fürchterlich ist Menschenfresser<br />
von Beruf. In seinem schaurigroten<br />
Zuhause angekommen wittert er<br />
gleich die versteckten Kinder und ruft<br />
in freudiger Erregung : „Schnufti,<br />
Schnufti, Kinderfleisch liegt in der Lufti<br />
…“ , woraufhin die 200 Kinder im Publikum<br />
in ängstliches Lachen verfallen.<br />
Doch mithilfe von Fürchterlichs<br />
Tochter Clothilde nimmt die Geschichte<br />
doch noch ein gutes Ende. Das Stück<br />
endet mit tosendem Applaus und einer<br />
Zugabe des Schluss-Songs, in dem die<br />
Besetzung den Frühling und die<br />
Freundschaft besingt.<br />
Die personifizierten Waldtiere,<br />
und ein Menschenfresser, der sich für<br />
Kultur interessiert, verleihen dem<br />
Märchen eine moderne und witzige<br />
Note. /// sid<br />
theater-aachen.de<br />
Foto: Carl Brunn<br />
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