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Foto: Horst Müller<br />
sport ><br />
„Bübbes“ Kehr und<br />
notorische Schreihälse<br />
Spiel gegen Kassel 1964, Buch Seite 63<br />
Nachdem die Profis schon im Sommer 2009 ihren Abschied vom Tivoli gegeben hatten, ist mit der Partie von Alemannia<br />
Aachens Zweitvertretung am 7. Mai 2011 gegen Schwarz-Weiß Essen mittlerweile auch die wirklich allerletzte Partie im<br />
1908 eingeweihten „Kultkasten“ gespielt. Gemeinsam mit dem Aachener Autor Ralf Schröder werfen wir einen nostalgischen<br />
Blick zurück sowie in sein lesenswertes Buch „Der Tivoli“.<br />
Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch<br />
auf dem Tivoli erinnern?<br />
Das war im Juni 1967, ich war neun. Aachen<br />
spielte gegen Göttingen das entscheidende<br />
Match um den Bundesliga-Aufstieg.<br />
Es war ein sengend heißer Sommertag, <strong>als</strong><br />
ich mit meinem Vater die Stufen zum dam<strong>als</strong><br />
noch nicht überdachten Wall an der<br />
Krefelder Straße hoch hetzte, lief das Spiel<br />
seit fünf Minuten. Oben war kein Durchkommen,<br />
alles war total überfüllt, ich erinnere<br />
mich an Männer in weißen Sommerhemden,<br />
die auf Bäume geklettert waren –<br />
dam<strong>als</strong> waren fast nur Männer im Stadion.<br />
Vom Spiel habe ich, auf den Schultern meines<br />
Vaters platziert, nicht mal drei Minuten<br />
gesehen. Es gab einfach keinen Platz mehr,<br />
der eine ordentliche Sicht auf das Spielfeld<br />
erlaubt hätte. Aber es war laut und aufregend,Aachen<br />
siegte 3:0 und stieg auf.<br />
Was hat für Dich den alten Tivoli ausgezeichnet?<br />
Dass alles echt und unmittelbar schien, von<br />
oben geplanten Inszenierungen hat sich<br />
dieser Ort immer ein bisschen verweigert.<br />
Als Beispiel eine Szene, die ungefähr im<br />
Jahr 1980 spielte: Heinz-Josef Kehr, dam<strong>als</strong><br />
Mittelstürmer der Alemannia, wurde<br />
während eines Zweitligaspiels von den sehr<br />
mäßig besetzten Rängen der Gegentribüne<br />
herab von einem einzelnen, aber lautstarken<br />
Kritiker wüst und ziemlich grundlos beschimpft.<br />
Nach ungefähr 70 Minuten hatte<br />
Kehr genug, bei einer Spielunterbrechung<br />
kam er zum Zaun und antwortete dem<br />
Schreih<strong>als</strong> ganz persönlich: „Halt die<br />
Schnauze, Du Arsch“ – oder so ähnlich.<br />
Das Buch ist ja <strong>als</strong> Bildband aufgemacht –<br />
wo stöbert man unveröffentlichtes<br />
Material in dieser Menge auf?<br />
Für unsere Recherche hatten wir viele<br />
Adressen, auch private in der Aachener Region.<br />
Sehr ergiebig waren aber sieben oder<br />
acht Besuche in Düsseldorf. Dort im Bahnhofsviertel<br />
ist die Agentur Hortsmüller ansässig.<br />
Der Vater des heutigen Betreibers<br />
hat die Ruhrgebietsvereine über Jahrzehnte<br />
<strong>als</strong> Fotograf begleitet und war somit auch<br />
häufig zu Gast auf dem Tivoli. Der Mann<br />
konnte wirklich fotografieren. Allerdings<br />
war im Archiv fast nichts digitalisiert, der<br />
Fundus besteht aus ungefähr 800.000 Negativen,<br />
die sich in den engen Räumen in<br />
Regalen bis an die Decke stapeln. Das war<br />
ein ganz eigener und ebenfalls reizvoller<br />
Ausflug in eine andere Zeit.<br />
Nach welchen Kriterien sind die Fotos in<br />
das Buch gelangt?<br />
Natürlich sind viele wichtige und, wie der<br />
Fußballfan sagt, legendäre Spielszenen<br />
drin. Wir haben aber auch versucht, das<br />
Stadion <strong>als</strong> sozialen Ort, <strong>als</strong> Ort der Repräsentation<br />
und der Kommunikation zu zeigen.<br />
Dazu gehören die Aufmärsche der Karnev<strong>als</strong>vereine<br />
in der Halbzeitpause, die<br />
Outfits und das Equipment der Fans oder<br />
auch die Veränderungen in der Architektur<br />
des Ortes. Denn für Aachen war es sicherlich<br />
nicht untypisch, dass man so lange am<br />
Hergebrachten festhielt und den Erforderlichkeiten<br />
der Zeitläufe mit einer fortwährenden<br />
Renovierung des Vorhandenen begegnete.<br />
Woanders hatte man längst abgerissen<br />
und neu gebaut.<br />
Was wird dem Stadtbild am meisten<br />
fehlen, wenn der alte Tivoli bald endgültig<br />
weg ist?<br />
Die Flutlichtmasten mit ihrer Gitterkonstruktion<br />
aus Stahl. Das waren nicht nur Symbole<br />
einer so nicht mehr existenten Industriegesellschaft,<br />
die an ihnen hängenden Lampen<br />
haben auch Erik Meijers Kopfball zum 2:1<br />
gegen Bayern München im Februar 2004<br />
beleuchtet. /// Alexander Barth<br />
Ralf Schröder, Kolja Linden,Thorsten Pracht<br />
Der Tivoli<br />
160 Seiten mit 240 Abbildungen<br />
ISBN: 978-3-89533-599-0<br />
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