925,3 kB - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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AnwBl 11/98 555<br />
Forum „Zukunft der Anwaltschaft“ l<br />
strukturieren und deren Ergebnisse wir unseren Mandanten<br />
und anderen verdolmetschen: Die Kommunikation in rechtlichen<br />
Konfliktfeldern ist die Basis unseres Berufes. Dieser<br />
Markt wird aus verschiedenen Gründen auch in der Zukunft<br />
erhebliche Zuwachsraten haben:<br />
– Die Wirtschaftsentwicklung und damit die Rechtsentwicklung<br />
in Deutschland, der EU und dem Ausland wird<br />
auch und gerade in Zeiten der Rezession eher komplexer<br />
– Die Information als solche und die technische Entwicklung<br />
um sie herum werden das 21. Jahrhundert noch<br />
deutlicher prägen als die letzten dreißig Jahre<br />
– Wir haben jetzt immerhin die Marketing-Werkzeuge,<br />
um den Wert unserer Dienstleistung verdeutlichen zu können<br />
und werden davon hoffentlich auch erfolgreich Gebrauch<br />
machen.<br />
Der Streit darüber, ob Rechtsanwälte auch „unabhängige<br />
Organe der Rechtspflege“ sind, ist nur ein Streit um Worte:<br />
Die Bindung der Anwälte an das Rechtssystem ist die wesentlichste<br />
Voraussetzung ihrer Tätigkeit. Anwälte sind<br />
keine Partisanen sondern Landsknechte, die mit der Position<br />
ihrer Mandanten zugleich auch das Recht sichern. Deshalb<br />
dürfen Rechtsanwälte nicht gleichzeitig gewerblich tätig<br />
sein, haben also keine Möglichkeit ihrerseits, in die<br />
Märkte der Berater einzubrechen, die ihnen Konkurrenz<br />
machen. 32<br />
Das geht auch aus haftungsrechtlichen und steuerrechtlichen<br />
Gründen nicht. 33<br />
Allerdings sehe ich viele Kollegen, die sich an gewerblichen<br />
Unternehmen beteiligen, deren Tätigkeit unserer<br />
Arbeit nahesteht, also an Unternehmensberatungen, Maklerfirmen<br />
oder einer Gesellschaft, die die Mandanten auf die<br />
Wiederholung ihrer Führerscheinprüfung psychologisch<br />
vorbereitet. Ich finde diese Tendenz absolut richtig, denn<br />
unsere Fachkenntnisse über die jeweiligen Problemlagen<br />
verbessern die Arbeit solcher gewerblichen Berater und die<br />
Rechtsprechung setzt uns klare Grenzen, die uns zwingen,<br />
beide Tätigkeiten auseinanderzuhalten.<br />
Während wir noch in der Zeit des fast ausschließlich<br />
forensisch tätigen Anwalts aufgewachsen sind, haben wir<br />
miterlebt, wie der beratende Anwalt sich entwickelt und<br />
wir werden auch den daneben gewerblich interessierten<br />
Kollegen näher kennenlernen.<br />
Wir sollten jeder dieser Entwicklungen den Raum geben,<br />
den der Markt zuläßt. Unser berufsrechtliches Gerüst<br />
wird schon dafür sorgen, daß der Anwaltstyp nicht in der<br />
Beliebigkeit der Postmoderne verkommt.<br />
Die Struktur des Marktes<br />
Um die Risiken und Chancen der Anwälte genauer zu<br />
analysieren, muß man den rechtlichen Dienstleistungsmarkt<br />
wie folgt aufgliedern:<br />
– Privatpersonen<br />
– Gewerbliche Mandanten in Handwerk, Produktion<br />
und Handel<br />
– Industrie<br />
– Multinationale Firmen<br />
Nach dem alten Grundsatz, daß jeder Mandant langfristig<br />
den Anwalt findet, der zu ihm oder seinem Unternehmen<br />
am besten paßt, kann es nicht überraschen, daß zum<br />
Beispiel der Markt für multinationale Firmen in Deutschland<br />
im wesentlichen von 25 Büros bedient wird, in denen<br />
ca. 2.800 Anwälte arbeiten. Das sind knapp 3 Prozent der<br />
95.000 Anwälte, die derzeit registriert sind. 34<br />
Nimmt man die zahlenmäßig größten 50 Büros in<br />
Deutschland, so beschäftigen sie ca. 3.400 Anwälte und danach<br />
kommt noch eine Gruppe von ca. zwanzig Büros, die<br />
zwischen zehn und fünfundzwanzig Partnern haben. 35 Alle<br />
diese Büros und weitere kleinere Sozietäten zusammengenommen,<br />
die den Bereich der Industrie beraten werden,<br />
machen mit Sicherheit nicht mehr als zehn Prozent aller<br />
Anwälte aus. Dieses Marktsegment ist harter Konkurrenz<br />
und höchsten Qualitäts- und Haftungsansprüchen 36 ausgesetzt.<br />
Dazu gehören vor allem:<br />
– Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die<br />
sich seit etwa zwei Jahren an vielen Standorten überörtliche<br />
Sozietäten hochziehen 37<br />
– Die international tätigen amerikanischen und englischen<br />
Sozietäten 38<br />
Gleichwohl wird man sich um die großen deutschen<br />
Büros die wenigsten Sorgen machen., denn obgleich sie<br />
schon aufgrund der historischen Entwicklung keine vergleichbare<br />
Chance zur Internationalität hatten, werden sie<br />
in diesem Wettbewerb entweder aus eigener Kraft oder<br />
über Kooperationen mithalten können. 39<br />
32 (BGH vom 21.7.1997 NJW-RR 1998, 571 – Versicherungsvermittlung).<br />
33 Haftungsrechtlich deshalb, weil die Berufshaftpflichtversicherung nur das<br />
Kernbild der anwaltlichen Tätigkeit abdeckt. Steuerrechtlich würde eine gewerbliche<br />
Tätigkeit zum Beispiel als Makler sofort zur Gewerbesteuer nicht<br />
nur für den Maklerlohn, sondern auch für die freiberuflich erwirtschafteten<br />
Umsätze führen.<br />
34 Stand vom 1.1.1998, BRAK Mitt. 1998, 86. Diese Zahl ist hochgerechnet aus<br />
den am 1.1.1998 zugelassenen 91.952 Anwälten unter Zugrundelegung der<br />
normalen Zuwachsrate, die wir in den letzten Jahren hatten. Eingerechnet sind<br />
die etwa 6.000 Syndikusanwälte (Hommerich/Prütting „Das Berufsbild des<br />
Syndikusanwalts“, Beilage zum AnwBl 11/1997, S. 15). Sie sind erfahrungsgemäß<br />
nur in geringem Umfang noch nebenher in freier Praxis tätig. Ferner<br />
wird man davon ausgehen können, daß weitere 10 – 12.000 Anwälte von ihrer<br />
Zulassung aus unterschiedlichen Motiven keinen oder nur geringen Gebrauch<br />
machen. Daß dies keine Liebhaberei ist, hat der Bundesfinanzhof erfreulicherweise<br />
jüngst entschieden (NJW 1998, 2471).Bemerkenswert ist der Anteil der<br />
Rechtsanwältinnen in Deutschland wie im Ausland. Bei uns sind es derzeit ca.<br />
22 %, also ähnlich hoch wie in Justiz und Verwaltung. Das entspricht einem<br />
allgemeinen, auch internationalen Trend (Ken Auletta „In the Company of<br />
Women“ The New Yorker vom 20.04.1998 S. 72); (Disterer „Amerikanische<br />
Großkanzleien: Die „Top 30“ BRAK-Mitt. 1998, 39: In den größten 30 Büros<br />
waren 1997 21.662 Anwälte tätig, in den größten 250 Büros insgesamt ca.<br />
56.000 Anwälte. Das sind etwa die 10 %, die den Schwerpunkt der wirtschaftsrechtlichen<br />
Beratung tragen und diese Zahl ist etwa zwei bis dreimal so<br />
hoch wie in Deutschland.<br />
35 Siehe European Counsel 3000 (1998, S. 167, 168). Oppenhoff hat schon 1967<br />
mit bemerkenswerter Genauigkeit die „mittelgroße Praxis der Zukunft“ mit 5<br />
– 20 Anwälten prognostiziert („Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck„<br />
AnwBl 1967, 267).<br />
36 Christoph Louven „Die Haftung des deutschen Rechtsanwalts im internationalen<br />
Mandat“ VersR 1997, 1050.<br />
37 So vor allem Anderson Freihalter als Teil von Anderson Legal International<br />
mit derzeit 1.500 Anwälten in 31 Ländern; KPMG Legal Services; Raupach +<br />
Wollert-Elmendorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, C + L Rechtsberatung<br />
GmbH. Sie sind die eigentlichen Konkurrenten der großen Anwaltsfirmen,<br />
denn hinter ihnen stehen riesige weltumspannende Organisationen, während<br />
das größte Anwaltsbüro der Welt Baker & McKenzie mit knapp 2.300 Anwälten<br />
weltweit und einem Honorarvolumen von 1,3 Milliarden DM (Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung vom 28.04.1998) erheblich kleiner als die kleinste weltweit<br />
tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist.<br />
38 Wie etwa Clifford Chance mit derzeit ca. 1.600 Anwälten und höchst dynamischer<br />
Entwicklung in Deutschland in Frankfurt und Düsseldorf; Linklaters &<br />
Alliance, ein Verbund, zu dem in Deutschland auch Openhoff & Rädler gehören.<br />
Er umfaßt weltweit 1.900 Anwälte, die sich auf 28 Büros in 16 Ländern<br />
verteilen und kontinuierlich ansteigend ihre Gewinne poolen, was am Ende zu<br />
einer vollen Fusion führen soll (JUVE Nr. 6/98) Freshfields in Kooperation<br />
mit Deringer Tessin, sowie über 15 US-amerikanische Büros, darunter Jones<br />
Day, Graham & James; aber auch das schwedische Büro Mannheimer Swartling.<br />
39 Ein Prognos-Bericht 1998 würde kaum mehr behaupten können, wir hätten<br />
uns „den Bedingungen der modernen Dienstleistungsgesellschaft nicht angepaßt“.<br />
Die Rechtsprechung versteht das langsam, auch wenn es immer wieder<br />
das Bundesverfassungsgericht sein muß, das die Pflöcke einschlägt (wie zuletzt<br />
in der Entscheidung zur Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern<br />
(BVerfG ZIP 1998, 1068).