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925,3 kB - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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AnwBl 11/98 557<br />

Forum „Zukunft der Anwaltschaft“ l<br />

mit zielbewußter Schnelligkeit, ohne auf seine Lehrlinge zu<br />

achten. Wer sich nicht schnell genug vordrängen konnte,<br />

hatte auch nach Jahren nicht verstanden, wie man die richtigen<br />

Schnitte legen mußte: Die wurden dann zum Bodenputzen<br />

abkommandiert. So ganz entfernt von der Wirklichkeit<br />

unserer heutigen Anwaltsausbildung ist das alles nicht.<br />

Die Anwaltsausbildung hat auch nur sehr mittelbar etwas<br />

mit der juristischen Ausbildung auf den Universitäten<br />

oder der Anwaltsstation im Referendariat zu tun. Sie beschäftigt<br />

sich vielmehr mit dem Berufsrecht, den Regeln<br />

der Kollegialität, dem Umgang mit den Mandanten, Behörden<br />

und Gerichten, den Fragen, die das Honorarsystem aufwirft,<br />

der Werbung, dem Marketing etc. Die vom DAV und<br />

der Hans-Soldan Stiftung mitfinanzierten Universitätsinstitute<br />

– allen voran das von Henssler geleitete Institut in<br />

Köln – haben hier Pionierarbeit geleistet, deren Früchte<br />

sich gewiß entwickeln werden.<br />

Natürlich sollte die Anwaltsausbildung in einer sinnvollen<br />

Beziehung zur Ausbildung an den Universitäten stehen.<br />

46 Ich will nur drei Ideen dazu beisteuern, die im Laufe<br />

von mehreren Jahren, in denen ich an der Humboldt Universität<br />

in Berlin Workshops über Vertragsverhandlungen<br />

gemacht habe, aus Gesprächen mit Professoren und Studenten<br />

entstanden sind:<br />

1) Die Universitätsausbildung sollte von einer Universitätsprüfung<br />

abgeschlossen werden, die von den Professoren abgehalten<br />

wird. Die Prüfungshoheit wurde den Universitäten<br />

nämlich seinerzeit nur deshalb weggenommen, weil der Staat,<br />

der in erster Linie der künftige Arbeitgeber der Juristen war,<br />

sich (wohl berechtigt) um die Qualität der Ausbildung sorgte<br />

und durch die Prüfung auf sie Einfluß nehmen wollte. Das ist<br />

heute nicht mehr nötig, denn der Ausbildungsstand auf den<br />

Universitäten befindet sich auf hohem Niveau.<br />

2) Wer die Ausbildung an der Universität bestanden hat,<br />

sollte, wie jeder Betriebs- oder Volkswirt, dafür auch einen<br />

Titel bekommen. Er kann dann nämlich nach außen hin unzweideutig<br />

belegen, daß er eine erfolgreiche akademische<br />

Ausbildung hinter sich hat und gilt nicht als „abgebrochener<br />

Volljurist“ oder Halbjurist etc.<br />

Bereits diese beiden einfachen Maßnahmen, die zudem<br />

nicht einmal Geld kosten, würden den Juristen im Arbeitsmarkt<br />

eine Chance neben den Betriebs- und Volkswirten eröffnen und<br />

den Anwaltsmarkt sofort erheblich entlasten. Allerdings werden<br />

die Kammern dann weniger zahlende Mitglieder haben.<br />

3) Jede Universität kann sich dann frei entscheiden, ob<br />

sie in bezug auf den Anwaltsmarkt ein eigenen Qualitätsprofil<br />

entwickeln will. Neben der Kooperation mit den Anwaltsinstituten<br />

würde dazu die Förderung von studentischen<br />

Praktika bei Anwälten, die Jobvermittlung und viele andere<br />

Ideen gehören, die schon diskutiert werden. 47<br />

Wir sollten die Universitätsausbildung dort konzentrieren,<br />

wo sie am leistungsfähigsten ist: Das ist die Erarbeitung<br />

der juristischen Grundlagen und nicht die Beherrschung<br />

von Spezialgebieten oder das Büffeln von Klausurlösungsschemata,<br />

die mit wissenschaftlicher Ausbildung<br />

nicht viel zu tun haben. 48<br />

Das Qualitätsprofil der interessierten Universitäten würde<br />

noch erheblich steigen, wenn sie gemeinsam mit den<br />

Anwaltsinstituten Postgraduate-Ausbildungen anbieten, die<br />

ggf. auch berufsbegleitend absolviert werden können. 49 In<br />

einem solchen Modell könnte man sich auch eine engere<br />

Verbindung zwischen der Anwaltakademie, die die Hauptlast<br />

der Weiterbildung trägt und den Universitätsinstituten 50<br />

vorstellen, um so eine kontinuierliche Fortbildung 51 besser<br />

abzusichern, die außerhalb der Fachanwaltschaften derzeit<br />

ausschließlich dem Problembewußtsein und dem guten<br />

Willen der einzelnen überlassen bleibt.<br />

Die Zeit reicht nicht, um den Einheitsjuristen – die heilige<br />

Kuh der Ausbildungsdiskussion – auch noch zu schlachten.<br />

Ich wage allerdings die These, daß es den Einheitsjuristen<br />

bereits heute nicht mehr gibt, denn selbst Gerichte und<br />

Verwaltungen erhalten nach dem 2. Staatsexamen keinen Juristen<br />

des Typs, den sie haben wollen: Anders ist es kaum erklärbar,<br />

daß es Richter- und Verwaltungsakademien gibt. Als<br />

Anwalt will ich mich über das Referendariat, so wie es derzeit<br />

ist, nicht beschweren: Zwar wurde der Referendar nur<br />

deshalb erfunden, weil man sich in der Zeit alter Burschenherrlichkeit<br />

nur schwer vorstellen konnte, wie aus einem liederlichen<br />

Jurastudenten ohne vorherigen Behördenschliff ein<br />

preußischer Landrat werden könne. Die intelligenteren Referendare<br />

wissen aber, wie sie diese Zeit sinnvoll nutzen können,<br />

wenn sie später Anwälte werden wollen: Sie gehen früh<br />

genug in die Praxis, auch wenn das bei dem verschulten<br />

Lernplan im Referendariat viel Fleiß erfordert und lernen<br />

schon vor dem zweiten Examen all das, was man als Anwalt<br />

braucht, aber in den Büchern nicht nachlesen kann. 52<br />

Traditionen haben – auch wenn sie keinem praktischen<br />

Zweck mehr dienen – meist noch einen Erinnerungswert.<br />

Sie verkörpern eine Hülle, die sich manchmal wider Erwarten<br />

mit Leben erfüllt. Diejenigen aber, die – wie Goethe<br />

einmal gesprächsweise meinte – „nur aus Bequemlichkeit<br />

gern beim Herkömmlichen bleiben, halten ihr altes System<br />

noch mit den Zähnen, wenn ihnen schon beide Arme abgehauen<br />

sind. Aber natürlich ist dann der Sturz auch umso<br />

plumper und schneller“ 53 (J. W. v. Goethe cit. n. Böttiger<br />

„Literarische Zustände“ (1998) S. 71).<br />

46 Die Literatur zur Reform der Juristenausbildung ist wirklich unübersehbar geworden<br />

(s. zuletzt Redeker, AnwBl 1998, 225); Literaturübersicht: NJW 1998<br />

Beilage zu H. 23 S. 24; von Münch NJW 1998, 2324.<br />

47 Friedrichsmeier/Schmid „Praktische Studienzeit für Rechtsstudenten – Tübinger<br />

Modell“ AnwBl 1997, 614; Ahlers, „Zur Gestaltung der universitäten Juristenausbildung“<br />

AnwBl 1998 6; Steckler „Anwaltliche Berufspraxis in der<br />

universitären Lehre“, AnwBl 1997, S. 245. Dabei müssen wir aber sehr darauf<br />

achten, daß sich die anwaltlichen Lerninhalte nicht hinterrücks in den Prüfungskatalog<br />

einschleichen, denn sonst müssen wir uns nicht wundern, wenn<br />

die Umweltschützer, die Weltraumrechtler und tausend andere Spezialisten für<br />

ihre Fächer das gleiche Recht in Anspruch nehmen. Ich würde den Fächerkatalog<br />

des Universitätsexamens insgesamt drastisch beschränken, denn mir ist<br />

ein Student, der die Grundlagen des BGB beherrscht, bei weitem lieber als jemand,<br />

der statt der Grundlagen einen mixed-Grill aller möglichen Lerninhalte<br />

zu bieten hat, die darüber hinaus meist nur halb verdaut sind.<br />

48 Johann Braun´s Anmerkungen dazu in der Zeitschrift für Rechtspolitik 1998,<br />

S.41 kann man nur unterstreichen. Mit so einer Maßnahme machen wir allerdings<br />

alle Repetitoren arbeitslos, die es ja nur deshalb gibt, weil man derzeit<br />

die Differenz zwischen den universitären Lerninhalten und der staatlich organisierten<br />

Prüfung von irgend jemand lernen muß.<br />

49 Das Geld, das die Studenten sich beim Repetitor gespart haben, können sie<br />

dann dort sinnvoller investieren.<br />

50 Man wird die Gefahr sehen müssen, daß nicht alle Anwaltsinstitute hart am<br />

Wind unserer berufsspezifischen Themen segeln sondern – bedingt durch die<br />

Nähe zur Universität – Themen von allgemeinem wissenschaftlichen Interesse<br />

aufgreifen. Das Münchner Institut z. B. läßt Vorträge über „Entwicklung und<br />

Probleme des chinesischen Zivilrechts in der Gegenwart“ halten, die zweifellos<br />

hoch- interessant, für Anwälte aber nur dann von Wert sind, wenn es gerade<br />

um die chinesischen Anwälte und nicht im allgemeinen um das Rechtssystem<br />

ginge. Wir müssen uns in diesem Bereich bewußt beschränken, weil wir<br />

sonst die notwendige Konzentration auf unsere Anliegen nie erreichen werden.<br />

51 Die geplante alleinige Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammern für die Zulassung<br />

von Anwälten deutet eine zaghafte Bewegung in dieser Richtung an (BT-<br />

Drucks. 13/9610 und unveröffentlichte Stellungnahme des DAV hierzu vom<br />

April 1998.<br />

52 Außerdem wird die Entwicklung in Europa ungeduldigen jungen Kollegen andere<br />

Auswege bieten: Wer nach dem 1. Examen in England weiterstudiert und<br />

sich dort die Zulassung holt, braucht sie mit der entsprechenden Ergänzungsprüfung<br />

später nur noch umschreiben zu lassen und hat nebenbei noch perfekt<br />

Englisch gelernt. Viele werden sogar allein mit dem englischen Anwaltstitel<br />

hier genug zu tun finden. (Puel „Die Freizügigkeit der Rechtsanwälte in Europa“<br />

AnwBl 1998, 31).<br />

53 S. FN 51.

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