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AnwBl 11/98 567<br />

Aufsätze l<br />

Die Absprache im<br />

Strafverfahren<br />

– Blickwinkel: das materielle Strafrecht –<br />

Assessor Stefan Braun, Backnang<br />

Absprachen oder Deals oder wie immer man informelle<br />

Erledigungen im Strafverfahren, bei denen insbesondere<br />

die professionellen Akteure verfahrensrelevante Umstände<br />

(bes. Verfahrensergebnisse) „aushandeln“, auch bezeichnen<br />

möchte, werfen eine Vielzahl von Problemen auf.<br />

Diese sind hauptsächlich im Bereich des Strafverfahrensrechts<br />

angesiedelt und haben die Diskussion insbesondere<br />

zum Ende der 80iger und Beginn der 90iger Jahre beschäftigt.<br />

Auch der 58. DJT 1990 hatte sich mit dieser<br />

Problematik befaßt.<br />

Zu diesen strafprozessualen Problemstellungen existiert<br />

eine beachtliche Anzahl von entsprechenden Fachbeiträgen<br />

auf die an dieser Stelle verwiesen werden muß. 1<br />

Nur vereinzelt finden sich dagegen Beiträge, die sich<br />

mit den Deals unter dem Gesichtspunkt des materiellen<br />

Strafrechts befassen. Jedoch bestehen auch hierzu Beziehungspunkte.<br />

Auch das BVerfG hat in seiner zentralen Entscheidung<br />

zum Absprachebereich vom 21.7.1987 (2 BvR<br />

1133/86) 2 u. a. ausgeführt, daß einer Verständigung zwischen<br />

Gericht und Verfahrensbeteiligten auch schon durch<br />

das Strafrecht Grenzen gesetzt sind. Näher ausgeführt wurde<br />

dies jedoch nicht.<br />

Daß diese materiell-rechtlichen Problemstellungen kaum<br />

auftauchen liegt auch an den spezifischen Fallgestaltungen,<br />

auf die noch näher einzugehen sein wird.<br />

Gleichwohl können solche Probleme durchaus relevant<br />

werden. Daher soll im folgenden nun eine etwas nähere<br />

Betrachtung der Normen erfolgen, die durch die Dealpraxis<br />

verletzt oder tangiert werden können:<br />

a.) in bezug auf die Amtsträger:<br />

aa) § 336 StGB (Rechtsbeugung)<br />

(1.) Nach § 336 StGB wird u. a. ein Richter oder anderer<br />

Amtsträger, der dienstlich mit der Leitung oder Entscheidung<br />

einer Rechtssache betraut ist, bestraft, wenn er<br />

sich dabei einer Beugung des Rechts zugunsten oder zum<br />

Nachteil einer Partei schuldig macht. Dabei umfaßt der Begriff<br />

einer Rechtssache insbesondere auch die von einem<br />

Gericht zu entscheidenden Strafsachen. 3 Unter den Begriff<br />

der „anderen Amtsträger“ fallen in diesem Zusammenhang<br />

auch die Schöffen 4 sowie der Staatsanwalt, da dieser eine<br />

Strafsache leitet, solange sie in seinen Händen liegt. 5 So<br />

kann ein Staatsanwalt beispielsweise eine Rechtsbeugung<br />

als Leiter des Ermittlungsverfahrens 6 bezüglich eigenverantwortlicher<br />

Entscheidungen etwa im Bereich der §§ 153,<br />

170 II StPO, 45 JGG begehen 7 womit der hier in Betracht<br />

kommende Bereich in zeitlicher Hinsicht über die Hauptverhandlung<br />

hinaus ausgedehnt wird und sich damit auf<br />

den gesamten Absprachebereich erstreckt. 8<br />

(2.) Zentrale Frage ist nun, ob durch eine Absprache,<br />

insbesondere durch die der Angeklagte/Beschuldigte eine<br />

geringere Strafe als ohne die Absprache oder gar, bei Ablehnung<br />

der Verständigung, eine höhere Strafe als die „normale<br />

Strafe“ erhält, das Tatbestandsmerkmal der „Beugung<br />

des Rechts“ erfüllt wird.<br />

Da § 336 StGB im Bereich des Tatbestandsmerkmals<br />

des „Rechts“ nicht nur das materielle, sondern auch prozessuales<br />

Recht umfaßt, 9 sind darüber hinaus aber auch noch<br />

weitere Fallkonstellationen, die zu keiner anderen als der<br />

„normalen Strafe“ führen, aber sonstige Normen verletzen,<br />

denkbar.<br />

Weiterhin ist eine Rechtsbeugung auch im Bereich der<br />

Ermessensentscheidungen in Form des Ermessensmißbrauchs<br />

möglich, 10 was hier insbesondere Auswirkungen im<br />

Bereich der Strafzumessung 11 haben könnte.<br />

(3.) Das Recht ist gebeugt, wenn eine Entscheidung ergeht,<br />

die im Widerspruch zu Recht und Gesetz steht. 12 Dies<br />

kommt insbesondere in Betracht bei Sachverhaltsverfälschungen,<br />

13 falscher Rechtsanwendung, 14 Verfügung einer<br />

gesetzlich nicht vorgesehenen Maßnahme 15 sowie auch bei<br />

Unterlassungen, z. B. der Nichtstellung sachgemäßer Fragen.<br />

16 Dabei ist umstritten, ob das Vorliegen einer Rechtsbeugung<br />

insoweit objektiv, subjektiv oder unter Rückgriff<br />

auf die Pflichten des Amtsträgers zu bestimmen ist. 17<br />

Nach der subjektiven Theorie ist das Recht nur dann gebeugt,<br />

wenn die Rechtsanwendung in bewußtem Widerspruch<br />

zur Überzeugung des Amtsträgers steht. 18 Wäre danach<br />

ein Amtsträger von der Rechtmäßigkeit einer<br />

Absprache überzeugt, etwa weil er sich mit dem Befund begnügt,<br />

die Einzelergebnisse seien von der Aktenlage gedeckt,<br />

19 käme eine entsprechende Strafbarkeit hier nicht in<br />

Betracht. Dieser Ansicht steht jedoch entgegen, daß ein<br />

Amtsträger nicht schon deshalb „pflichtgemäß“ handelt,<br />

weil er von der Richtigkeit seiner Auffassung überzeugt ist.<br />

Maßgebend ist vielmehr, wie er zu dieser Überzeugung ge-<br />

1 Vgl. dazu z. B. (je m. w. N.): Denker/Hamm, Der Vergleich im Strafprozeß;<br />

Schünemann, Gutachten zum 58. DJT, 1990; Kremer, Absprachen zwischen<br />

Gericht und Verfahrensbeteiligten im Strafprozeß; Schmidt-Hieber, Verständigung<br />

im Strafverfahren; Rönnau, Die Absprache im Strafprozeß; Siolek, Verständigung<br />

in der Hauptverhandlung; Schumann, Der Handel mit Gerechtigkeit;<br />

Gerlach, Absprachen im Strafverfahren.<br />

2 BVerfGE NStZ 1987, 419 f. = Wistra 87, 134 ff. = DRIZ 87, 196 ff.<br />

3 Sch/Schr.-Cramer § 336 Rdnr. 3.<br />

4 Dreher/Tröndle. § 336 Rdnr. 4.<br />

5 BGHSt 12, 193; Dreher/Tröndle, § 336 Rdnr. 4.<br />

6 Wessels, StrR B T 1, § 26 I; BGHSt. 32, 357; Sch/Sch-Cramer; § 336 Rdnr. 9.<br />

7 Dreher/Tröndle, § 336 Rdnr. 4.<br />

8 Vgl. Schünemann, Gutachten 8 131/132.<br />

9 Dähn, StGB § 336, 3; Blei, Strafrecht II B T § 112 II; Welzel, Strafrecht<br />

S. 544; Wessels B T § 16 II 2.<br />

10 BGH NJW 71, 571; BGHSt. 3, 110/4, 66/10,300.<br />

11 Wessels BT 1 § 26 II 2; OGHSt 2, 29; Dreher/Tröndle, § 336 Rdnr. 5.<br />

12 Sch/Sch-Cramer; § 336 Rdnr. 5 a.<br />

13 BGH NJW 60, 253.<br />

14 Dreher/Tröndle, § 336 Rdnr. 5; Sch/Sch-Cramer, § 336 Rdnr. 4.<br />

15 BGHSt. 32 359.<br />

16 Sch/Sch aaO; Dreher/Tröndle aaO.<br />

17 Wessels, StrR B t 1, § 26 II 2.<br />

18 Wessels aaO m. w. N.<br />

19 Schünemann, Gutachten B 133.

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