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925,3 kB - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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AnwBl 11/98 583<br />

Editorial<br />

der aufgrund seiner hohen Sachkompetenz<br />

schlichtet oder entscheidet. Hier<br />

besteht die allzu menschliche und<br />

nicht ganz unberechtigte Befürchtung,<br />

daß der Mandant sich in Zukunft unmittelbar<br />

dem Kollegen anvertraut, der<br />

ihn durch seine Qualifikation und souveräne<br />

Schlichtungsverhandlung ihn<br />

beeindruckt hat.<br />

Aus beiden Erfahrungen müssen<br />

Lehren gezogen werden:<br />

Schlichter müssen Juristen sein,<br />

allerdings keine unmittelbaren Konkurrenten<br />

der Verfahrensbevollmächtigten.<br />

Anwaltliche Schlichtungsstellen<br />

oder Schiedsgerichte sollten daher nur<br />

mit Rechtsanwälten besetzt werden, die<br />

in anderen Gerichtsbezirken tätig sind.<br />

Trotz der nicht vorhandenen Prozeßflut<br />

und trotz der fehlenden Notwendigkeit<br />

der Entlastung der Richter<br />

scheinen die Justizminister von der<br />

Einführung einer obligatorischen<br />

Schlichtung nicht ablassen zu wollen.<br />

Die Anwaltschaft hat sich zwar bereiterklärt,<br />

diese Schlichtungsverfahren<br />

durchzuführen, allerdings nicht zu den<br />

Gebühren, die bislang im Gespräch<br />

waren. Wenn die Anwaltschaft sich<br />

nicht bewegt, muß befürchtet werden,<br />

daß gleichwohl Schlichtungsstellen<br />

eingerichtet werden, allerdings ohne<br />

Beteiligung der Anwaltschaft.<br />

Als nach der Wende 1989 Bundesrechtsanwaltskammer<br />

und <strong>Deutscher</strong><br />

<strong>Anwaltverein</strong> gemeinsam Rechtsanwälte<br />

in die neuen Bundesländer entsandt<br />

haben, die dort als Richter tätig<br />

waren und am Aufbau einer ordentlichen<br />

Justiz mitwirkten, war die<br />

Zustimmung in der Bevölkerung sehr<br />

groß, da vielen erstmalig bewußt wurde,<br />

daß auch alle Rechtsanwälte die<br />

Befähigung zum Richteramt haben.<br />

Dieser Vorgang war ein großer Prestigegewinn<br />

für die Anwaltschaft.<br />

Die Anwaltschaft sollte daher überlegen,<br />

von sich aus Schlichtungsstellen<br />

einzurichten und gemeinsam mit der<br />

Justiz zu finanzieren und zwar nicht<br />

fallbezogen, sondern orientiert an einem<br />

Richtergehalt.<br />

Es gibt eine Vielzahl junger Kolleginnen<br />

und Kollegen, die froh wären,<br />

an zwei Tagen in der Woche mit 2/5<br />

eines Richtergehalts als Schiedsrichter<br />

arbeiten zu können.<br />

Aber auch viele erfahrene Kollegen<br />

werden sicherlich zu gewinnen sein,<br />

das Amt eines Schlichters und<br />

Schiedsrichters auszuüben, selbst<br />

wenn die Bezahlung nicht den sonstigen<br />

Einkommensverhältnissen entspricht.<br />

Die Anwaltschaft sollte die Chance<br />

nutzen, sich als Organ der Rechtspflege<br />

zu präsentieren und deutlich zu<br />

machen, daß Rechtsanwälte keine<br />

schlechteren Juristen als Richter sind.<br />

Der irrationale Drang der Justizminister,<br />

im Justizhaushalt weitere Sparmaßnahmen<br />

durchzuführen, ist gerade<br />

im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit<br />

unverständlich, da in diesem Bereich<br />

angesichts der drastischen Gebührenerhöhungen<br />

im Jahre 1994 nahezu<br />

kostendeckend gearbeitet wird. Während<br />

der Staat ständig nach neuen<br />

Arbeitsplätzen ruft, hat die Justiz<br />

nichts anderes im Sinn, als Arbeitsplätze<br />

abzubauen und zwar nicht nur<br />

bei den Richterstellen, sondern auch in<br />

den anderen Bereichen.<br />

Der immer wieder heraufbeschworene<br />

Justizbeamte, der mit seinem Karren<br />

die Akten transportiert, wird<br />

sicherlich nur das Heer der Arbeitslosen<br />

vergrößern, wenn sein Arbeitsplatz<br />

abgebaut wird, da er auf dem freien<br />

Markt kaum eine seine Fähigkeiten<br />

angemessene Stelle finden wird.<br />

Die Anwaltschaft darf nicht nur<br />

reagieren, sie muß agieren: Rechtsanwaltskammer<br />

und <strong>Deutscher</strong> <strong>Anwaltverein</strong><br />

sollten gemeinsam Schlichtungsstellen<br />

einrichten, die von den<br />

beiden Berufsorganisationen und der<br />

Justiz finanziert werden.<br />

Die Akzeptanz dieser Schlichtungsstellen<br />

kann nicht durch Zwang erzielt<br />

werden, vielmehr werden diese<br />

Schlichtungsstellen nur dann Erfolg haben,<br />

wenn sie gegenüber der ordentlichen<br />

Justiz Vorteile bieten: Die<br />

Schlichtungsstellen müssen mit qualifizierten<br />

Juristen besetzt werden, die<br />

schnell und sachkundig arbeiten. Ein<br />

zusätzlicher Anreiz könnte darin bestehen,<br />

daß bei einer Einigung vor dieser<br />

Schlichtungsstelle die Gerichtskosten<br />

erlassen werden, während die<br />

Rechtschutzversicherungen, wenn es<br />

zu einer Schlichtung kommt, auf die ansonsten<br />

zwischenzeitlich übliche<br />

Selbstbeteiligung an den Verfahrenskosten<br />

verzichten.<br />

Es erscheint wenig sinnvoll, die<br />

Inanspruchnahme der Schlichtungsstellen<br />

vom Streitwert abhängig zu<br />

machen. Vielmehr sollte den Richtern<br />

überlassen werden, die ihnen geeigneten<br />

Fälle an diese Schlichtungsstellen<br />

zu verweisen. Zwar wird auch hier<br />

sehr schnell die Sorge der Anwaltskol-<br />

legen zu hören sein, daß Richter dann<br />

die jeweils schwierigen und ihnen<br />

lästig erscheinenden Fällen „abwimmeln“.<br />

Warum nicht ?<br />

Zeigen wir der ordentlichen<br />

Justiz, daß die Anwaltschaft effizient<br />

auch im richterlichen Bereich arbeiten<br />

kann !<br />

Machen wir der ordentlichen Justiz<br />

Konkurrenz !<br />

Das Schlichtungsverfahren darf<br />

nicht mit dem Makel des „Armenrechts“<br />

belegt werden, weil dort nur<br />

Streitigkeiten mit geringem Gegenstandswert<br />

verhandelt werden.<br />

Wie im vergangenen Jahrhundert<br />

der Aufdruck „made in Germany“ zunächst<br />

als Diskriminierung gedacht<br />

und sich später als Markenzeichen entwickelt<br />

hat, so muß auch das Schiedsverfahren<br />

als sinnvolle und oft auch<br />

bessere Alternative zur ordentlichen<br />

Justiz Fuß fassen.<br />

Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit<br />

sagt man gelegentlich: Die erste Instanz<br />

entscheidet schnell, die zweite richtig.<br />

Die Anwaltschaft sollte Schiedsgerichte<br />

anbieten, von denen es dann<br />

heißt, sie entscheiden schnell und<br />

richtig.<br />

Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren,<br />

Köln<br />

Vorsitzender der DAV-<br />

Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht

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