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925,3 kB - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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AnwBl 11/98 575<br />

Aufsätze l<br />

Auch wenn diese Überlegungen einen Parteiverrat „untechnisch“<br />

verstanden nahelegen, so scheitert dessen Vorliegen<br />

doch jedenfalls am von § 356 StGB vorausgesetzten<br />

Parteibegriff. Parteien im Sinne des Tatbestandes des Parteiverrats<br />

sind alle Rechtssubjekte, die miteinander widerstreitenden<br />

Interessen an einer Rechtssache beteiligt sind. 163<br />

Die Staatsanwaltschaft zählt nun zwar zu den Verfahrensbeteiligten,<br />

weil sie durch eigene Willenserklärungen im<br />

prozessualen Sinne gestaltend am Verfahren mitwirkt. 164<br />

Sie ist jedoch nicht mit eigenen (widerstreitenden) Interessen<br />

an der Rechtssache beteiligt. Dies folgt daraus, daß sie<br />

nach § 160 II StPO auch die zur Entlastung des Beschuldigten<br />

beitragenden Umstände zu ermitteln hat. 165 Somit ist<br />

die Staatsanwaltschaft zur Objektivität verpflichtet und damit<br />

nicht Partei i. d. S. 166 Jedenfalls fehlt es aber im Verhältnis<br />

der Parteien, denen der Anwalt dient an einem lnteressengegensatz<br />

als entscheidendem Gesichtspunkt der von<br />

§ 356 geforderten Pflichtwidrigkeit. 167 Aus diesem für die<br />

Anwälte in § 45 Nr. 2 BRAO geregelten Grundsatz ist abzuleiten,<br />

daß sich ein lnteressengegensatz nur ergeben<br />

kann, wenn eine andere Partei den Anwalt zur Tätigkeit in<br />

der entsprechenden Rechtsangelegenheit beauftragt hatte.<br />

Hierzu fehlt es aber im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft. 168<br />

Das Gericht ist nicht Prozeßsubjekt, weil es als Träger<br />

des gerichtlichen Verfahrens den Verfahrensbeteiligten gegenüber<br />

als Nichtbeteiligter in Erscheinung tritt. 169 Dies<br />

läßt sich auch aus § 159 III GVG entnehmen. 170 Somit<br />

scheidet auch diesbezüglich eine Subsumtion unter den Parteibegriff<br />

aus.<br />

Zusammenfassend kommt daher eine Strafbarkeit der<br />

Anwälte wegen Parteiverrat nicht in Betracht.<br />

cc) § 203 I Nr. 3 StGB (Verletzung von<br />

Privatgeheimnissen/Verschwiegenheitspflicht)<br />

Nach § 203 I Nr. 3 StGB ist u. a. ein Rechtsanwalt strafbar,<br />

der unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm<br />

in seiner diesbezüglichen Eigenschaft anvertraut wurde.<br />

Rechtsgut des § 203 StGB ist die Privatsphäre 171 aber<br />

auch das Allgemeininteresse in die Verschwiegenheit der<br />

dort genannten Berufszweige. 172 Eine Verletzung dieser<br />

Norm durch eine Absprache kommt nun deshalb in Betracht,<br />

weil in der Praxis häufig eine Vereinbarung abgesprochen<br />

wird, ohne den Angeklagten hieran zu beteiligen.<br />

173 Gibt aber ein Verteidiger in einem Gespräch mit den<br />

anderen Verfahrensbeteiligten ihm bekanntgewordene, für<br />

seinen Mandanten ungünstige Umstände preis, so zerstört<br />

er damit die Grundlage des Vertrauensverhältnisses zu diesem.<br />

174 Andererseits haben solche Gespräche ja aber gerade<br />

den Sinn, daß die Beteiligten ihre Ansichten unverblümt<br />

austauschen können, was jedoch für den Verteidiger dann<br />

auch beinhaltet, eigene kritische Einschätzungen der Verteidigungssituation<br />

abzugeben, 175 zu denen er freilich, zumindest<br />

mittelbar, nur über die vom Angeklagten stammenden<br />

Informationen gelangt ist. 176 Somit können solche in diesem<br />

Zusammenhang preisgegebene Informationen durchaus,<br />

wenn schon nicht als anvertraut, so doch, da jedenfalls kraft<br />

Berufsausübung zur Kenntnis des Anwalts gelangt, 177 als<br />

sonst bekannt geworden i. S. d. § 203 StGB, eingeordnet<br />

werden. 178<br />

Klarer sind in diesem Zusammenhang dann die Fälle, in<br />

denen vom Verteidiger im Rahmen von Absprachen ohne<br />

Einverständnis des Angeklagten ein ihm anvertrautes Geständnis<br />

weitergegeben oder aber die Ablegung eines solchen<br />

in Aussicht gestellt wird. In einem solchen Falle<br />

könnte dann bei Scheitern der Verständigung im weiteren<br />

Verlauf der Verhandlung nur noch schwerlich eine auf Freispruch<br />

zielende Verteidigungsstrategie mit Aussicht auf Erfolg<br />

gewählt werden. 179 Auch wenn es von der jeweiligen<br />

Prozeßsituation abhängt und es in diesem Bereich doch<br />

auch entscheidend auf das Geschick des Verteidigers ankommt,<br />

so bietet die Absprache doch breiten Raum für einen<br />

Verstoß gegen den Tatbestand des § 203 StGB. 180 Dies<br />

insbesondere dann, wenn das Verteidigerverhalten nicht mit<br />

dem Mandanten abgestimmt wird. 181<br />

Zu bedenken ist, daß der Verteidiger bemüht ist, seinen<br />

Mandanten, insgesamt betrachtet, vorteilhaft zu vertreten.<br />

Die Frage ist somit, ob in einem solchen Falle dann noch<br />

ein unbefugtes Handeln i. S. d. § 203 StGB angenommen<br />

werden kann. Grundsätzlich ist verfügungsbefugt bezüglich<br />

des Geheimnisses nur der Geheimnisträger, also der Mandant.<br />

182 In Betracht käme aber eine Einwilligung des Angeklagten.<br />

Dies würde aber u. a. die Erklärung der Einwilligung<br />

im voraus erfordern. 183 Diese kann zwar auch<br />

konkludent erklärt werden, 184 trotzdem wird angesichts des<br />

Umstandes, daß der Angeklagte häufig gar nicht einbezogen<br />

wird, diese Erfordernis oft nicht gegeben sein. Schließlich<br />

könnte noch eine mutmaßliche Einwilligung vorliegen,<br />

wenn der Anwalt glaubt, im vermeintlichen Interesse und<br />

Einverständnis des Angeklagten zu handeln, 185 beziehungsweise<br />

trotz Möglichkeit der Nachfrage ohne weiteres davon<br />

ausgegangen werden kann, daß der Mandant auf die Wahrung<br />

des Geheimnisses keinen Wert legt. Dies wiederum<br />

setzt aber voraus, daß das mangelnde Interesse des Berechtigten<br />

offen zutage getreten ist. 186 Dies ist dann eine Frage<br />

des Einzelfalles.<br />

Da, wie ausgeführt, der Anwalt in der Regel im Interesse<br />

des Angeklagten handeln will, könnte so eine mutmaßliche<br />

Einwilligung durchaus angenommen werden. Insgesamt<br />

kommt es aber immer auf den Einzelfall an.<br />

Zusammenfassend besteht somit in diesem Bereich, wenn<br />

auch nur durch ungeschicktes Taktieren, so doch insgesamt<br />

betrachtet, die Gefahr einer Strafbarkeit gem. § 203 StGB.<br />

163 Vgl. SK-Rudolphi, § 356 Rdnr. 20.<br />

164 Kleinknecht/Meyer; Einl. Rdnr. 71/72.<br />

165 Vgl. Roxin, StrVerfR § 10 III 1.<br />

166 Vgl. Schäfer; StrVerfR, Rdnr. 29; Roxin, StrVerfR, § 10 III 1.<br />

167 Vgl. Sch/Sch-Cramer; § 356 Rdnr. 17.<br />

168 Vgl. Siolek, S. 222.<br />

169 Kleinknecht/Meyer; Einl. Rdnr. 71; BVerfGE 21, 139 (145); 30, 149 (153,<br />

160).<br />

170 Kleinknecht/Meyer; Einl. Rdnr. 71.<br />

171 Haft, BT § 13 I; Dreher/Tröndle, § 203 Rdnr. 1 a.<br />

172 Sch/Sch-Lenckner, § 203 Rdnr 3.<br />

173 Vgl. neben den Umfrageergebnissen auch z. B. Siolek, S. 222; Schünemann,<br />

Gutachten B 139.<br />

174 Dahs. Handbuch Rdnr. 43.<br />

175 Vgl. Schünemann, Gutachten B 139 m. w. N.<br />

176 Vgl. dazu Siolek, S. 222.<br />

177 Vgl. Dreher/Tröndle, § 203 Rdnr. 8; Sch/Sch-Lenckner; § 203 Rdnr. 15.<br />

178 Vgl. Schünemann, Gutachten B 140.<br />

179 Vgl. Siolek, S. 223; Dahs, NStZ 88, 153 (156); auch Rönnau, S. 241.<br />

180 So auch Rönnau, S. 241.<br />

181 Vgl. auch Kremer, S. 213.<br />

182 Vgl. Sch/Sch-Lenckner; § 203 Rdnr. 23 m. w. N.<br />

183 BGHSt 7, 295.<br />

184 Wessels, AT § 9 I 2.<br />

185 Dreher/Tröndle, § 203 Rdnr. 28.<br />

186 Sch/Sch-Lenckner; § 203 Rdnr. 27.

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