Bulletin 2007 - SAKA-ASAC
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DIFFERENZ IM KONTAKT – KULTUR ALS PROZESS: EXEMPLA ZUM PTOLEMÄISCHEN ÄGYPTEN<br />
UNDINE STABREY, BASEL<br />
undine.stabrey@unibas.ch<br />
Interkulturelle Kontakte mit ihren mannigfaltigen Motiven, Mechanismen und Wirkungen sind im<br />
Globalisierungszeitalter in allen Kulturwissenschaften ein beliebtes Thema verschiedenster Herange-<br />
hensweisen geworden 1 . Dabei ist der Ansatz, sich interkulturellen Begegnungen aus der Perspektive<br />
ihrer Prozesshaftigkeit zu nähern 2 , insbesondere für die Untersuchung alter Kulturen sehr fruchtbar. So<br />
lässt sich die scheinbare Starre des Materiellen überwinden und als Materialisiertes von Begegnungen<br />
erfassen 3 . Im Folgenden werden exemplarisch sehr unterschiedliche Produkte kultureller Kontakte des<br />
ptolemäischen Ägypten im 3. und 2. Jh. v. Chr. einander gegenübergestellt. Aus der inhaltlichen und<br />
medialen Differenz ihrer Aussage(fähigkeit) lassen sich gattungsübergreifend Tendenzen konstatieren,<br />
die typische Charakteristika der graeco-ägyptische Kontaktsphäre dieser Zeit aufzeigen. Im Ergebnis<br />
lassen sich Momente direkter, situativer interkultureller Begegnungen (Papyri) fassen und solche, die<br />
als „ergebnishafte“ Manifestationen langfristiger Kulturkontakte (Skulptur) zu verstehen sind: Gerade<br />
unterschiedliche Gattungen mit ihren spezifischen Aussagemöglichkeiten sollten stärker als differente<br />
Modi kultureller Zeitlichkeit in den Blickwinkel der altertumswissenschaftlichen Vergangenheits(re)-<br />
konstruktion gerückt werden. So lassen sich solche Charakteristika kultureller Prozesse wie Innova-<br />
tion, Konflikt, Widerspruch und Widerstand in materialanalytischen Kulturwissenschaften besser her-<br />
auskristallisieren.<br />
Herondas, der hellenistische Poet kleiner Szenen des Alltags, beschreibt in den Mimiambi 4 um 270<br />
v. Chr. wie ein Mädchen zu Hause in einer griechischen Stadt über die lange Abwesenheit ihres<br />
Liebsten grübelt. Eine Kupplerin kommt vorbei und nutzt diesen Umstand, um sie für einen Kunden<br />
anzuwerben. Die Kupplerin: „Über 10 Monate ist es nun her, dass Mandris nach Ägypten ging, und<br />
Du hast kein einziges Lebenszeichen von ihm. Er ist trunken einer neuen Liebe und hat Dich ver-<br />
gessen. Aphrodites Hauptwohnsitz ist nun dort (unten). In Ägypten haben sie alles, was es gibt, sei es<br />
1<br />
u.a. H. Antor (Hrsg.), Inter- und Transkulturelle Studien. Theoretische Grundlagen und interdisziplinäre Praxis (Heidelberg<br />
2006).<br />
2<br />
Vgl. K. H. Hörning / R. Winter (Hrsg,), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung (Frankfurt am Main<br />
1999) 7-10.<br />
3<br />
Dies wird insbesondere deutlich in Anbetracht einer Fülle von Kulturbegriffen, die Kulturen, als Entitäten begreifen<br />
und/oder in binären Oppositionspaaren denken -pars pro toto: Natur versus Kultur, Kultur versus Kultur – so U. Gotter, „Akkulturation“<br />
als Methodenproblem der historischen Wissenschaften, in: S. Altekamp / M. Krumme / R. M. Hofter, Posthumanistische<br />
Klassische Archäologie. Historizität und Wissenschaft von Interessen und Methoden (München 2001) 255-286.<br />
Zugleich ist derzeit eine enorme Öffnung der einzubeziehenden Kategorien, insbesondere in den Sozial- und Kulturwissenschaften,<br />
positiv zu verzeichnen. Es ist m.E. in den Altertumswissenschaften für einen erweiterten Kulturbegriff zu plädieren,<br />
wie es auch in großen Bereichen der Kulturanthropologie und -philosophie inzwischen üblich ist. Siehe u.a. O. Schwemmer,<br />
Kulturphilosophie. Eine medientheoretische Grundlegung (München 2005) 22-44, oder: A. Davidovic, Kultur und Identität,<br />
in: Soziale Gruppen - kulturelle Grenzen. Die Interpretation sozialer Identitäten in der Prähistorischen Archäologie (Münster<br />
2006) 39-59. Dem erweiterten Kulturbegriff nach Davidovic impliziert sind im wesentlichen zwei Bedeutungen: 1. Formen<br />
menschlicher Lebensgestaltung in spezifischen Räumen und spezifischen Zeiten. Kultur bezeichnet damit, wie Menschen<br />
denken und handeln. 2. bezeichnet der Begriff die menschliche Kompetenz, sich vermittels Symbolfähigkeit eine physische<br />
und soziale Umwelt anzueignen.<br />
4<br />
I. C. Cunningham, Herodas, Mimiambi (Leipzig 1987) 28.<br />
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