Z e i t s c h r i f t f ü r i n n o v a t i o n - Lemmens Medien GmbH
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Schwerpunkt Open Innovation: Wissensmanagement im Web 2.0 management 19<br />
Der Einsatz von Web 2.0 wirkt sich auf eine Vielzahl von Management- und Unternehmensbau-<br />
steinen aus, die teilweise auf den ersten Blick in keinem direkten Zusammenhang mit dieser<br />
technologischen Innovation zu stehen scheinen. Bereits das Zitat von Tim O‘Reilly – „Web 2.0 is<br />
an attitude, not a technology“ – deutet darauf hin, dass es sich bei Social Software nicht nur um<br />
eine IT-Innovation handelt. Im Gegensatz zu anderen Technology Push-Innovationen liegt hier<br />
eine enorme Breitenwirkung vor.<br />
Die Geschwindigkeit des Wandels wird maßgeblich durch bestehende Barrieren bestimmt. Im Rahmen<br />
der geschäftlichen Nutzung spielen die technologischen Barrieren von Web 2.0 keine größere<br />
Rolle, die Nutzerfreundlichkeit der Instrumente ist meist gegeben. Im Gegensatz dazu sind die<br />
Barrieren im Zusammenhang mit der Anpassung der nicht-technologischen Komponenten sehr viel<br />
relevanter. Die starke Betonung partizipativer Zusammenarbeit und das „Mitmach-Prinzip“ (z.B. im<br />
Wissensmanagement), die den Social Software-Konzepten inhärent sind, können unter Umständen<br />
als eine Bedrohung f<strong>ü</strong>r die Macht des Managements verstanden werden. Durch die weitgehend hierarchiefreie<br />
Konzeption von Wiki-basierter Kollaboration nimmt der Expertenstatus als Reputationsfaktor<br />
gegen<strong>ü</strong>ber der hierarchischen Position zu, was von den Managern als Machtverlust empfunden<br />
werden kann. Akzeptanzbarrieren können aber auch aus dem fehlenden Fit mit einem anderen<br />
Baustein resultieren. Die Forderung nach einer rezeptiven Unternehmenskultur (McAfee 2006), die<br />
also offen ist f<strong>ü</strong>r die Aufnahme von Neuerungen aus dem Umfeld, stellt eine große Herausforderung<br />
dar. Die Kultur eines Unternehmens hat nicht zuletzt einen identitätsstiftenden Effekt, indem sie eine<br />
Differenzierung gegen<strong>ü</strong>ber anderen Organisationen und deren Kulturen beabsichtigt. Damit entfaltet<br />
sie auch eine abgrenzende Wirkung gegen<strong>ü</strong>ber äußeren Einfl<strong>ü</strong>ssen und kann somit eine Diffusionsbarriere<br />
f<strong>ü</strong>r den Web 2.0-Einsatz darstellen. In Kombination mit der Breite des Wandels lassen diese<br />
Barrieren auf eine eher geringe Geschwindigkeit schließen, mit der sich das Enterprise 2.0-Konzept<br />
und mehr noch das Interprise 2.0 verbreiten.<br />
Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Diffusion von Hybrid-Konzepten wie Blended Enterprise<br />
oder Blended Interprise insofern mit weniger Barrieren zu kämpfen hat, als die Betroffenen in<br />
geringerem Umfang vertraute Verhaltensweisen entlernen m<strong>ü</strong>ssen, da diese ja im Hybridansatz<br />
„weiterleben“. Dieser Optimismus ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn das Zusammenspiel<br />
der Enterprise 1.0-Komponenten mit den Enterprise 2.0-Komponenten ohne Konflikte und Unverträglichkeiten<br />
bewerkstelligt wird.<br />
Fazit<br />
Der Einsatz von Web 2.0-Instrumenten f<strong>ü</strong>r das Wissensmanagement findet aktuell immer stärkere<br />
Verbreitung und firmiert häufig unter dem Schlagwort „Enterprise 2.0“. Dabei handelt es<br />
sich allerdings keineswegs um einen revolutionären Umbruch in Form einer Ablösung konventioneller<br />
Instrumente, Strategien und Organisationsformen des Wissensmanagements. Vielmehr<br />
mischen sich bestehende Elemente und Prinzipien des Wissensmanagements im Rahmen eines<br />
Hybridkonzepts, das als „Blended Enterprise“ bezeichnet werden kann. Eine solche Mischform<br />
stellt nicht nur eine Folge von Innovationsbarrieren und Beharrungstendenzen dar. Sie bietet<br />
vielmehr auch ein leistungsfähigeres Konzept f<strong>ü</strong>r das Wissensmanagement, indem sie einen<br />
Schwächenausgleich und eine Stärkenkoppelung aus alten und neuen Komponenten erlaubt.<br />
Web 2.0-Instrumente ermöglichen insbesondere auch die Einbeziehung unternehmensexterner<br />
Akteure in das Wissensmanagement und erweitern in netzwerkförmigen Interprises dessen Horizont<br />
im Hinblick auf die erzielbare Kreativität und Fundierung der Wissensgenerierung.<br />
summary<br />
The concept enterprise 2.0 stands for the<br />
enabling of new forms of knowledge management<br />
by utilizing internet technology. While<br />
web 2.0 focuses on tools for communication,<br />
relationship management and learning, i.e.<br />
weblogs, wikis, and social networking platforms,<br />
enterprise 2.0 also covers the strategy,<br />
structure, and culture of knowledge management,<br />
and thus encompasses the entire<br />
enterprise and often an “interprise” in terms<br />
of a network of numerous players. The authors<br />
argue that the vision of a blended enterprise<br />
is superior to existing non-hybrid enterprise<br />
2.0-visions in terms of both feasibility<br />
and performance.<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. Michael Reiss<br />
BWI, Abt. II, Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Organisation<br />
Universität Stuttgart<br />
Keplerstr. 17<br />
70174 Stuttgart<br />
Tel.: +49 711 / 6 85 - 8 31 56<br />
E-Mail:<br />
lehrstuhl.organisation@bwi.uni-stuttgart.de<br />
www.bwi.uni-stuttgart.de/lfo<br />
wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2010