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4/06 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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• Wenn man berichten soll, kann man<br />

nicht vor Ort sein, kann nicht liefern.<br />

• Wenn man liefern kann, ist die Konjunktur<br />

womöglich wieder vorbei.<br />

• Schnelligkeit geht vor Hintergrund.<br />

• Produzieren geht vor Recherchieren.<br />

• Mainstream geht vor Eigenrecherche.<br />

• Momentaufnahme und Exklusivität<br />

kommen vor Tiefgang.<br />

• Dabei sein ist alles.<br />

Morawski beklagte fehlende mediale<br />

Kontinuität: „Wir müssen mehrfach<br />

hinschauen, nachfragen, uns interessieren,<br />

mit anderen darüber reden,<br />

vielleicht sogar nachdenken.“ Kaum<br />

ein Konflikt sei eine historische Eintagsfliege.<br />

Einer solchen nachhaltigen Berichterstattung<br />

hat sich Christoph Maria Fröhder<br />

verschrieben. Der freie Fernsehdokumentarist<br />

hat seit den Tagen des Vi-<br />

TV-Dokumentarist Christoph Maria<br />

Fröhder erkennt ein „verflachtes<br />

und boulevardisiertes Programmangebot<br />

auch der öffentlich-rechtlichen<br />

Anstalten“.<br />

etnamkriegs Fronterfahrung und kennt<br />

fast alle Kriegsschauplätze der letzten<br />

vier Jahrzehnte. Er fordert Nachhaltigkeit<br />

auch von anderen Journalisten,<br />

sieht jedoch drastisch reduzierte Möglichkeiten<br />

auf immer weniger Sendeplätzen<br />

in einem „verflachten und boulevardisierten<br />

Programmangebot auch<br />

der öffentlich-rechtlichen Anstalten“.<br />

10<br />

Für Bettina Gaus, politische Korrespondentin<br />

der taz und vorher viele Jahre<br />

in Krisengebieten Afrikas unterwegs,<br />

ist das Ende der Kriegsberichterstattung<br />

erreicht: „Es gibt inzwischen<br />

Orte in der Welt, an die ich als Journalistin<br />

aus Sicherheitsgründen nicht<br />

Für Bettina Gaus, politische Korrespondentin<br />

der taz, ist das Ende der<br />

Kriegsberichterstattung erreicht.<br />

mehr hingehe. Und die sicheren Orte<br />

in diesen Regionen sind uninteressant<br />

<strong>für</strong> eine seriöse Berichterstattung.“ Die<br />

Öffentlichkeit kriege das leider nicht<br />

mit, „denn Bilder vom Krieg gibt es<br />

immer und trotzdem.“<br />

Auch „Stern“-Reporter Christoph<br />

Reuter, der sich auf seinen Reisen gelegentlich<br />

mit Vollbart, Kontaktlinsen,<br />

seinem fließenden Arabisch und gefälschten<br />

Papieren tarnt, geht nicht<br />

mehr nach Bagdad. Für ihn als Reporter<br />

eines Bildmediums wird der Voyeurismus<br />

des Publikums immer mehr<br />

Buchtipps:<br />

zum Problem: die Redaktionen wollen<br />

nur noch das große Massaker: „Ab 600<br />

Toten fängt man an zu überlegen, ob<br />

man berichtet.“ Reuter würde gern den<br />

„Wettlauf der Zahlen“ stoppen und<br />

statt das „Tagesranking der Bombenanschläge“<br />

zu bringen, lieber fragen:<br />

„Stern“-Reporter Christoph Reuter<br />

fordert: „Nicht mehr über Kriege<br />

berichten, sondern klüger.“<br />

„Was passiert da eigentlich?“ Seine<br />

Forderung lautet daher: „Nicht mehr<br />

über Kriege berichten, sondern klüger.“<br />

Fehlendes<br />

Verantwortungsgefühl<br />

Auch Bettina Gaus beobachtet weltweit<br />

einen zunehmenden „Voyeurismus“:<br />

Live wird von internationalen<br />

Nachrichtensendern weltweit über ein<br />

brennendes Flugzeugwrack berichtet,<br />

„in dem wohl niemand überlebt hat.“<br />

Bettina Gaus: Frontberichte. Die Macht der Medien in Zeiten des Krieges.<br />

Campus 2004<br />

Christoph M. Fröhder, Peter Graf: Ein Bild vom Krieg. Meine Tage in Bagdad.<br />

Hoffmann und Campe 2003<br />

Gerhard Paul: Bilder des Krieges - Krieg der Bilder. Fink 2004<br />

Christoph Reuter: Mein Leben ist eine Waffe. Selbstmordattentäter. Psychogramm<br />

eines Phänomens. Bertelsmann 2002<br />

Christoph Reuter/Susanne Fischer: Cafe Bagdad. Der ungeheure Alltag im<br />

neuen Irak. Goldmann 20<strong>06</strong><br />

�<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 4/20<strong>06</strong>

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