4/06 - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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Tatsache ist: es gibt keinen einzigen<br />
Toten. „Diese Art von Journalismus<br />
lässt jedes Verantwortungsgefühl vermissen“,<br />
sagt die Berliner Journalistin.<br />
„Was wir eigentlich brauchen, ist ein<br />
Weltpresseabkommen.“ Sie macht sich<br />
aber keine Illusionen über die Machbarkeit<br />
eines solchen globalen Medienkodex.<br />
Auf der anderen Seite will sie öffentliche<br />
Aufmerksamkeit erzeugen – das<br />
funktioniert nur mit Bildern und Berichten<br />
über das Grauen. Gaus sieht<br />
aber auch die Gefahr der Abstumpfung.<br />
Oft habe sie sich in Ruanda gefragt:<br />
„Wie oft kann ich das beschreiben?<br />
Was ist dem Publikum zumutbar?“<br />
Ihre Konsequenz: „Was ich noch<br />
beschreiben kann, können andere auch<br />
lesen.“ In der Ruanda-Berichterstattung<br />
sieht sie auch den Grund, warum<br />
jetzt der aktuelle Kongo-Krieg so wenig<br />
Beachtung findet. Internationale<br />
Beobachter hätten ihr gesagt: „Ruanda<br />
is hard to beat“ – Ruanda sei einfach<br />
an Grausamkeit nicht zu überbieten.<br />
Bilder als Waffe<br />
Abgerundet wurden die Expertengespräche<br />
mit zwei Arbeitskreisen. Der<br />
Flensburger Historiker Gerhard Paul<br />
thematisierte „Bilder des Krieges“. Für<br />
ihn gilt der Satz: „Je mehr du siehst,<br />
um so weniger weißt du.“ Er spannte<br />
einen großen Bogen vom Beginn der<br />
modernen Kriegsberichterstattung<br />
und -propaganda im Krim-Krieg bis zu<br />
den Konflikten der jüngsten Gegenwart.<br />
Er sieht die inszenierten Bilder<br />
vom Krieg als eigenständige Waffen.<br />
Linktipps:<br />
http://www.reporter-ohne-grenzen.de<br />
http://www.journalistenhelfen.org/home.htm<br />
www.freemedia.at<br />
Heidelberger Konfliktbarometer: http://www.hiik.de<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 4/20<strong>06</strong><br />
Das reale Gesicht des Krieges verschwinde<br />
allmählich. Höhepunkt dieser<br />
De-Realisierung seien die von<br />
Waffen selbst gemachten Fotos, auf<br />
denen der Tod abstrakt wird und keine<br />
Opfer mehr zu sehen sind. Ein Bombeneinschlag<br />
erscheint wie ein präziser<br />
chirurgischer Schnitt.<br />
Paul analysierte eine Hygienisierung<br />
und Entdramatisierung des Krieges<br />
durch Aufnahmen, auf denen Tod und<br />
Vernichtung nur noch als technische<br />
Arbeit zu sehen seien. Der Historiker<br />
sieht eine „visuelle Rüstungsspirale“,<br />
deren Entwicklung noch nicht am Ende<br />
Arbeitsstelle Kriegsursachenforschung Uni Hamburg: www.akuf.de<br />
sei. Die letzten Tabus seien noch nicht<br />
gebrochen. Gefährliche Entwicklungen<br />
sieht er hier bei einer möglichen<br />
Verknüpfung von Kriegsbildern und<br />
Pornografie im Internet. Seine Konsequenz<br />
und Forderung: Erziehung zur<br />
weitreichenden Medienkompetenz in<br />
Schule und Vorschule. Sie sei hierzulande<br />
unterentwickelt und könne gar<br />
„Nicht mehr über Kriege berichten,<br />
sondern klüger.“<br />
Der Historiker Gerhard Paul sieht<br />
eine „visuelle Rüstungsspirale“.<br />
Christoph Reuter<br />
nicht früh genug beginnen: „Diese<br />
Kulturtechnik muss erlernt werden wie<br />
Lesen und Schreiben.“<br />
Auf das Internet verwies auch Mahmoud<br />
Tawfik von der Deutschen Welle.<br />
Er lenkte den Blick auf die „neue<br />
Al-Qaida“, die sich mit Hilfe moderner<br />
Medientechnik professionalisiere,<br />
dezentralisiere und öffne. Das Internet<br />
potenziere die Wirkung von Terrorzellen.<br />
Es sei immer weniger Aufwand<br />
nötig, um Schrecken und Tod zu<br />
verbreiten. Inzwischen reichten Puppen,<br />
die im Internet US-Soldaten in<br />
Geiselhaft darstellen. Videobotschaften<br />
sind in jedem Keller mit entsprechender<br />
Maskierung zu drehen und<br />
weltweit zu verbreiten. Und filmische<br />
Anleitungen zum Bombenbau lassen<br />
sich in jedem Kleinstlabor fälschen.<br />
Die durch die Tagung hochsensibilisierten<br />
Teilnehmer jedenfalls waren<br />
äußerst skeptisch geworden und beschlossen<br />
bis auf weiteres, zumindest<br />
den Bildern nicht mehr zu trauen und<br />
sich wieder mehr auf Radio und Zeitung<br />
zu verlassen. �<br />
Michael Schröder<br />
(siehe Pressestimmen Seite 33)<br />
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