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4/06 - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Deutschland steuere einen Zick-Zack-<br />

Kurs, bei der Telekom gebe es eine<br />

noch schlechtere Bilanz. Der Medienjournalist<br />

Jakobs spürt „Ohnmacht bei<br />

den neuen Betreibern des Geister-Fernsehens.“<br />

Vor allem hätten sie bei den<br />

Verbrauchern <strong>für</strong> gehörige Verunsicherung<br />

und Verwirrung gesorgt. Sieger sei<br />

allein der Rechteverkäufer, die Deutsche<br />

Fußball-Liga. Sie konnte durch<br />

den Poker ihren Umsatz von 640 auf<br />

740 Millionen Euro steigern.<br />

Ein besonderes Schlaglicht auf medienmächtige<br />

Akteure im Hintergrund<br />

warf Jakob: Die drei größten deutschen<br />

Medienagenturen decken 90 Prozent<br />

der Fernsehwerbung ab und stellen<br />

damit eine Macht dar, die auch nicht<br />

davor zurückschreckt, unkontrolliert<br />

Einfluss auf Programminhalte zu nehmen.<br />

In der Schlussdebatte sprach der ZDF-<br />

Direktor <strong>für</strong> europäische Satellitenprogramme,<br />

Gottfried Langenstein, von<br />

der „digitalen Sprengung der Grenzen“.<br />

Die Globalisierung der Medien<br />

und das Internet ziehen Werbegelder<br />

aus dem deutschen Markt heraus.<br />

Der Münchner Rechtsprofessor Peter<br />

M. Huber ist Mitglied der Kommission<br />

zur Ermittlung der Konzentration im<br />

Rundfunk (KEK) und mitverantwortlich<br />

<strong>für</strong> das Scheitern der Übernahme<br />

der ProSiebenSat1 Media AG durch<br />

den Springer-Konzern. Für ihn ist das<br />

Massenmedium Rundfunk am Ende –<br />

die Zukunft sieht er in einer immer stärkeren<br />

Individualisierung der Kommunikation.<br />

Dazu müsse eine angepasste<br />

und funktionsfähige Kontrolle kommen,<br />

die der neuen Technik gerecht<br />

werde. Huber sieht „Medieninhalte zur<br />

Ware degradiert“ und gab daran auch<br />

der EU-Kommission, die nur auf Wettbewerb<br />

und Markt setze, die Schuld.<br />

Die Rundfunkanstalten sollten sich<br />

endlich auf die eigenen Kernaufgaben<br />

konzentrieren und nicht beim Haseund-Igel-Wettbewerb<br />

um die Fußballrechte<br />

mitbieten.<br />

Gegen die „schicken Diskussionen“<br />

über Deregulierung wandte sich der<br />

Präsident der Bayerischen Landeszentrale<br />

<strong>für</strong> Neue Medien, Wolf-Dieter<br />

Ring: „Die neuen Anbieter wie Mobilfunkunternehmen<br />

sind Regulierung<br />

14<br />

nicht gewohnt – die wollen Geld verdienen.“<br />

Er verlangte einen „breiteren<br />

Blick und neuen Mut zu Regelungen<br />

und Regulierungen. Statt Papier aus<br />

Brüssel sollte es endlich eine wirksame<br />

parlamentarische Kontrolle geben.<br />

Langenstein sprang ihm bei und sagte:<br />

„Die Deregulierungsforderung ist<br />

naiv – das angebliche Vorbild USA ist<br />

ein hoch regulierter Markt.“ Er sieht<br />

eine mögliche Renaissance des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks nur durch<br />

ein geschärftes Profil mit Selbstverpflichtung<br />

zur Qualität.<br />

Einen Verlust an Medienpolitik beklagte<br />

der Wiener Kommunikationswissenschaftler<br />

Wolfgang R. Langenbucher:<br />

„Medienpolitik ist out, weil damit nie-<br />

Wolfgang R. Langenbucher beklagte<br />

„mangelnde Qualität des Rundfunkmanagements.“<br />

mand heute mehr politische Karriere<br />

machen kann.“ Wenn heute die Bundeskanzlerin<br />

im Internet via „www.<br />

Bundesregierung.de“ auftrete, dann sei<br />

das nichts anderes als „Staatsfernsehen“.<br />

„Wo bleibt die Empörung?“ fragte der<br />

Medienexperte und beklagte die deutsche<br />

„Verlern-Kultur“ angesichts von<br />

knapp 50 Jahren deutscher Verfassungsrechtssprechung<br />

in Sachen Rundfunk.<br />

Affärengeplagte ARD<br />

Hans-Jürgen Jakobs sieht die ARD<br />

derzeit in einer schlechten Verfassung<br />

und von Affären geplagt. Seine Stichworte<br />

sind die Verflachung der Unter-<br />

haltungsprogramme, das nicht aufgearbeitete<br />

Problem der Schleichwerbung<br />

und die „skandalöse Personalpolitik“,<br />

wie die Vertragsverlängerung<br />

von Programmdirektor Struve zeige.<br />

Jakobs regte eine Bürgerinitiative<br />

„SOS ARD“ nach österreichischem<br />

Vorbild an, wo sich zahlreiche Bürger<br />

und Prominente gegen die Zustände<br />

beim ORF gewehrt hatten.<br />

Wolf-Dieter Ring: „Die neuen Anbieter<br />

sind Regulierung nicht gewohnt.“<br />

Langenbucher, der die österreichische<br />

Medienlandschaft aus eigener Anschauung<br />

gut kennt, zeigte sich <strong>für</strong><br />

Deutschland eher skeptisch, teilte aber<br />

Jakobs’ Kritik: „Wir haben eine mangelnde<br />

Qualität des Rundfunkmanagements.<br />

Struve weiß doch gar nicht, was<br />

öffentlicher Rundfunk ist.“<br />

„Meinungsstarke<br />

Überzeugungstäter“<br />

Langenbucher vermisste „meinungsstarke<br />

Überzeugungstäter in den Chefetagen<br />

der ARD“ und beklagte gleichzeitig<br />

eine schleichende Erosion der<br />

Inhalte des Artikel 5 des Grundgesetzes:<br />

„Dass wir stolz sein können auf<br />

unseren öffentlichen Rundfunk, das<br />

sollte eigentlich ins Wertgebäude der<br />

Bundesrepublik gehören!“ �<br />

Michael Schröder<br />

(Siehe Pressestimmen Seite 32-33)<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 4/20<strong>06</strong>

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