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Sinn und Möglichkeiten der Prävention bei psychischen Erkrankungen

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Sollten wir uns <strong>der</strong> Gefahr, Menschen sehr fr¸hzeitig dem Stigma auszusetzen, stellen ñ<br />

angesichts unseres Wissens, dass fast alle Psychiatrie-Erfahrenen <strong>und</strong> ihre Familien zumeist<br />

jahrelange Odysseen hinter sich bringen mussten, bevor sie hilfreiche Hilfe erhielten?<br />

Sollten wir so weit gehen, Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, Nachbarn darin zu schulen, wie man<br />

Menschen erkennen kann, die mˆglicherweise psychisch zu erkranken drohen o<strong>der</strong> es ggf.<br />

schon sind, um diesen Leidenden mˆglichst fr¸hzeitig ad‰quate Hilfen zuteil werden zu<br />

lassen?<br />

Das WPA-Konsensuspapier for<strong>der</strong>t dies im Rahmen <strong>der</strong> Aktivit‰ten f¸r Sek<strong>und</strong>‰rpr‰vention,<br />

aber ist Fr¸herkennung Sek<strong>und</strong>‰rpr‰vention?<br />

Die WPA for<strong>der</strong>t jedenfalls die Erhˆhung <strong>der</strong> ˆffentlichen Wahrnehmung f¸r fr¸he<br />

Symptomwahrnehmung <strong>und</strong> prompte Interventionen - Ñthe individuals and their families, and<br />

community at large should be helped in learning how to regonice mental disor<strong>der</strong>sì (S. 7)<br />

Ist <strong>der</strong> Eingriff in die Lebenswelt, die potentielle Klientifizierung von Menschen gestattet?<br />

Kˆnnen wir ad‰quate Unterst¸tzung bieten, wenn Eltern o<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber z.B. aufgr<strong>und</strong> eines<br />

Themenabends im ZDF o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ARD eine beginnende Erkrankung erahnen, <strong>der</strong> Sohn o<strong>der</strong><br />

die Tochter bzw. die Mitar<strong>bei</strong>terin sich aber ganz an<strong>der</strong>s selbst verstehen?<br />

Wie kann das Dilemma zwischen dem Eingriff in die Autonomie <strong>der</strong> Lebenswelt <strong>und</strong><br />

Lebensf¸hrung auf <strong>der</strong> einen ñ <strong>und</strong> von wissentlicher Hinnahme eines mit Leid <strong>und</strong> sozialem<br />

Abstieg verb<strong>und</strong>enen Risikos psychischer Erkrankung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aufgelˆst<br />

werden?<br />

Allerdings wird auch die Begr¸ndung <strong>der</strong> Fr¸herkennungsprojekte, wonach die Erkrankung<br />

<strong>bei</strong> Menschen mit einer lange unbehandelten Schizophrenie zu einem schlechteren Outcome<br />

f¸hre, angezweifelt. Nahezu 50 % aller Schizophrenien enden mit einer guten Remission;<br />

diese Personen werden zwangsl‰ufig (da sie inzwischen wie<strong>der</strong> ges<strong>und</strong> sind) in den<br />

Untersuchungen zur unbehandelten Krankheitszeit ausgeschlossen.<br />

Wie kann fr¸hzeitige Hilfe <strong>und</strong> Unterst¸tzung erfolgen - ohne Ñblaming the victimì?<br />

(Sachverst‰ndigenrat 2000/2001, RZ 278)<br />

Der Gespr‰chskreis ÑAr<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Sozialesì <strong>der</strong> Friedrich-Ebert-Stiftung, an dem auch <strong>der</strong><br />

ges<strong>und</strong>heitspolotische Sprecher <strong>der</strong> SPD-b<strong>und</strong>estagsfraktion MdB Klaus Kirschner teilnimmt,<br />

hat zu begrenzenden Normen aufgerufen<br />

ÑDer mˆgliche Gewinn von Pr‰vention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsfˆr<strong>der</strong>ung ist stets mit den<br />

Einschr‰nkungen privater Freiheit auszubalancierenì (in: Gelbe Pl‰tter vom 12.03.04, S. 5)<br />

Wir wissen doch: jede Form von Hilfe macht den Hilfeempf‰nger immer auch ein wenig<br />

unselbst‰ndig <strong>und</strong> entzieht ihm ggf. Selbstheilungskr‰fte; wie kann Fr¸he Hilfe gegeben<br />

werden, in <strong>der</strong> diese Nebenwirkungen <strong>der</strong> fr¸hen Hilfe die Wirkungen <strong>der</strong> fr¸hen Hilfe nicht<br />

¸bersteigen?<br />

Klaus Dˆrner hat erst k¸rzlich den Nutzen des medizinischen Krankheitsbegriffs<br />

herausgestellt, u.a. mit dem Argument, dass er gegen die uferlose Ausdehnung psychischer<br />

Stˆrungsvarianten <strong>und</strong> gegen Ñunsere Aneignungssuchtì, die kaum Ñnoch irgendeine Norm<br />

<strong>der</strong> Selbstbegrenzungì kenne, sch¸tzen w¸rde. (Dˆrner in: Bock et al. 2004, S. 20).<br />

Ist es uns gelungen, mit unserer Benennung unspezifischer Merkmale als Prodromalsymtome<br />

die von Dˆrner behauptete Schutzfunktion des medizinischen Krankheitsbegriffes zu<br />

umgehen - indem wir den Begriff selbst ausgeweitet haben?<br />

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