Panorama 1/Februar 2010 - Erlebnisbank.ch
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Der Fa<strong>ch</strong>mann s<strong>ch</strong>ätzt jeweils den Wert des<br />
Haufens oder der Sammlung und zahlt (das<br />
Einverständnis des Kunden vorausgesetzt) 90<br />
Prozent davon glei<strong>ch</strong> in bar aus. Mit den rest-<br />
li<strong>ch</strong>en zehn Prozent bestreitet er seine Auslagen<br />
und hat eine bes<strong>ch</strong>eidene Ents<strong>ch</strong>ädigung für<br />
seine Arbeit. Händler müssten anders re<strong>ch</strong>nen,<br />
um existieren zu können, nämli<strong>ch</strong> ihre ganze Zeit<br />
in Re<strong>ch</strong>nung stellen. Das Sortieren na<strong>ch</strong> gültigen<br />
europäis<strong>ch</strong>en Münzen und Banknoten dauert<br />
oft tagelang und bis weit in die Na<strong>ch</strong>t hinein.<br />
Jedes Euro-Land hat beim Umtaus<strong>ch</strong> andere<br />
Vors<strong>ch</strong>riften, weil es diese Fristen selbst festsetzen<br />
konnte. In Grie<strong>ch</strong>enland zum Beispiel<br />
konnten die Münzen bloss ein Jahr lang na<strong>ch</strong> der<br />
Einführung des Euro zurückgegeben werden,<br />
die Noten indes no<strong>ch</strong> bis 2012. Dann läuft au<strong>ch</strong><br />
in etli<strong>ch</strong>en andern Ländern wie Italien, Frankrei<strong>ch</strong><br />
und Finnland die allerletzte Frist ab, um die<br />
ehemalige Landeswährung no<strong>ch</strong> in Euro we<strong>ch</strong>seln<br />
zu können. Deuts<strong>ch</strong>land, Österrei<strong>ch</strong> und<br />
Spanien hingegen haben keine sol<strong>ch</strong>e «Deadline»<br />
festgesetzt. «Das sollte man wissen, damit<br />
man keine wertlosen Währungen kauft.»<br />
Beim Sortieren werden Münzen aus Staaten<br />
ausges<strong>ch</strong>ieden, die ni<strong>ch</strong>t unbedingt grosse Reiseziele<br />
sind. Hier würde si<strong>ch</strong> ein spezielles Hinreisen<br />
wegen des Geldwe<strong>ch</strong>sels ni<strong>ch</strong>t lohnen.<br />
Die aussortierten Münzen kommen als «Kiloware»<br />
in einen Sack; sie werden, so Tagliavini,<br />
als Altmetall verkauft, was zwis<strong>ch</strong>en zwei und<br />
zehn Franken das Kilo einbringt.<br />
Das geübte Auge entdeckt hie und da au<strong>ch</strong><br />
«ein numismatis<strong>ch</strong>es Stück», eine Münze mit<br />
Sammlerwert, «meist eine ältere». Die wird dann<br />
separat bewertet. Und ausnahmsweise tau<strong>ch</strong>t<br />
au<strong>ch</strong> einmal ein Goldstück auf. «Dann zahle i<strong>ch</strong><br />
den aktuellen Goldpreis, also eher mehr als die<br />
Banken.» Ein Kenner stösst zudem immer wieder<br />
auf «wertvolle Noten». Ähnli<strong>ch</strong> wie die Brief-<br />
Alle diese noten sind no<strong>ch</strong> gültig und können umgetaus<strong>ch</strong>t werden,<br />
selbst die Dollarnote ganz re<strong>ch</strong>ts.<br />
Goldvreneli<br />
mens<strong>ch</strong><br />
Goldvreneli mit Frauenbüste na<strong>ch</strong> links, haar im Zopf aufgebunden, Kleid mit<br />
edelweiss bestickt. Die na<strong>ch</strong>kriegsprägungen haben ein «L» links der Jahreszahl.<br />
Jene mit den Jahrzahlen 1947 und 1949 haben anstelle der sterne die Rands<strong>ch</strong>rift<br />
«AD LeGem AnnI mcmXXXI».<br />
<strong>Panorama</strong> Raiffeisen<br />
| 49<br />
Ein spezielles Kapitel für einen Numismatiker ist das S<strong>ch</strong>weizer Goldvreneli (10, 20, 100<br />
Franken), wovon die 20-Franken-Variante wohl die bekannteste S<strong>ch</strong>weizer Goldmünze<br />
ist. An si<strong>ch</strong> hätte die Serie im Jahr 1935 (Prägeaufdruck «1935 B») abges<strong>ch</strong>lossen<br />
werden sollen. Dann aber wurden na<strong>ch</strong> dem zweiten Weltkrieg 1947/49 no<strong>ch</strong>mals<br />
Goldvrenelis geprägt. Die allerletzten 1955 geprägten «Goldvrenelis» – Münzen im<br />
Nominalwert von 25 (Wilhelm Tell) und 50 Franken (die drei Eidgenossen) – wurden<br />
aus währungs- und marktpolitis<strong>ch</strong>en Gründen nie ausgegeben. Neuerdings wurden<br />
sie sogar bis auf je 20 000 Stück wieder einges<strong>ch</strong>molzen. Weitere Infos unter www.<br />
swissmint.<strong>ch</strong> (>> Dokumentation >> numismatis<strong>ch</strong>e Beri<strong>ch</strong>te).<br />
marken dürfen sie ni<strong>ch</strong>t gefaltet sein und keine<br />
Risse aufweisen; dann sind sie für einen Sammler<br />
interessant.<br />
In der Regel bewährt si<strong>ch</strong> das 90-Prozent-Abkommen.<br />
«Aber i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ätzte eine Sammlung<br />
au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on zu ho<strong>ch</strong>; i<strong>ch</strong> zahlte Lehrgeld, wie<br />
jeder Sammler. In einem sol<strong>ch</strong>en Fall gebe i<strong>ch</strong><br />
den Enderlös bekannt, und dann redet man miteinander»<br />
– ausser bei gemeinnützigen Institutionen.<br />
Dort trägt er den Verlust selber.<br />
Fixe We<strong>ch</strong>selkurse<br />
Der We<strong>ch</strong>selkurs des Euro kann ihm nie einen<br />
Strei<strong>ch</strong> spielen, denn es gibt ihn nur mit Bezug<br />
zum S<strong>ch</strong>weizer Franken. Für die Währungen der<br />
Euro-Länder hingegen bestehen Fixkurse, die<br />
ni<strong>ch</strong>t veränderbar sind. So beläuft si<strong>ch</strong> der<br />
We<strong>ch</strong>selkurs für einen Euro auf 1.95583 D-<br />
Mark; «für 1000 Mark erhalte i<strong>ch</strong> also stets 511<br />
Euro», weiss der Fa<strong>ch</strong>mann auswendig. Währungen<br />
anderer EU-Länder wie Spanien oder<br />
England sind aufwändiger zum Umtaus<strong>ch</strong>en,<br />
weil die Nationalbanken weiter entfernt sind.<br />
Do<strong>ch</strong> da wird das Nützli<strong>ch</strong>e mit dem Angenehmen<br />
verbunden. «Die Reisen dorthin finanzieren<br />
wir uns mit dem Erlös des Geldwe<strong>ch</strong>selns und<br />
ma<strong>ch</strong>en dann einige Tage Ferien.» Die Reise wird<br />
jeweils mit s<strong>ch</strong>werem Gepäck angetreten, eben<br />
mit einem Rucksack oder gar einem Koffer voll<br />
Münzen – oder au<strong>ch</strong> beidem. Beim Rückflug ist<br />
das Gepäck dann wesentli<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>ter.<br />
Urs Tagliavini ist begeistert von seiner Tätigkeit,<br />
in die er einfa<strong>ch</strong> so hineingeruts<strong>ch</strong>t ist:<br />
«Geld zu sortieren ist faszinierend; das ist wie<br />
eine Wundertüte. I<strong>ch</strong> kaufe alles, habe aber<br />
meine Sammelgebiete. Ni<strong>ch</strong>t Passendes taus<strong>ch</strong>e<br />
i<strong>ch</strong> oder veräussere es im Verein weiter; i<strong>ch</strong><br />
kenne die Sammelgebiete eines jeden.» Zu seinen<br />
Kunden kommt er einerseits dur<strong>ch</strong> Mundzu-Mund-Propaganda,<br />
andererseits dur<strong>ch</strong> gezielt<br />
platzierte Inserate, etwa in der «Zeitlupe»<br />
(www.zeitlupe.<strong>ch</strong>), dem Magazin der Pro Senectute<br />
S<strong>ch</strong>weiz für Mens<strong>ch</strong>en mit Lebenserfahrung.<br />
Während unseres Gesprä<strong>ch</strong>s erkundigen<br />
si<strong>ch</strong> denn au<strong>ch</strong> zwei Neukunden per Telefon, die<br />
dur<strong>ch</strong> eben dieses Inserat auf Urs Tagliavini gestossen<br />
sind.<br />
Hat er keine Angst, einmal ein dubioses Angebot<br />
zu erhalten? «Wenn i<strong>ch</strong> Zweifel habe,<br />
frage i<strong>ch</strong> den Anbieter, woher er die Münzen<br />
habe: Eigene Sammlung oder geerbt? Allenfalls<br />
muss i<strong>ch</strong> die Hände davon lassen.» Denn die<br />
Strafparagraphen wegen Hehlerei sind ihm bekannt.<br />
Diskretion ist ni<strong>ch</strong>t nur für ihn wi<strong>ch</strong>tig;<br />
au<strong>ch</strong> von den Kunden sei sie erwüns<strong>ch</strong>t: «Es gibt<br />
wel<strong>ch</strong>e, die lieber zu mir kommen, als dass i<strong>ch</strong><br />
bei ihnen zuhause s<strong>ch</strong>ätze. Dann bringen sie ihr<br />
Angebot glei<strong>ch</strong> mit – in der Regel sind das kleinere<br />
Sa<strong>ch</strong>en.» L WeRneR KAmbeR<br />
1/<strong>2010</strong>