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Rundbrief 2/2012 - Evangelische Akademikerschaft in Deutschland

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BEITRÄGE<br />

Leben aus dem Reagenzglas - Spielen wir jetzt Gott?<br />

Die ethischen, sozialen und theologischen Herausforderungen<br />

der synthetischen Biologie<br />

Dr. Lars H. Wegner, Heidelberg<br />

Als Kopernikus das ptolemäische Weltbild <strong>in</strong> Frage stellte und durch e<strong>in</strong>e physikalisch<br />

begründete Hirnmelsmechanik ersetzte, begann der sche<strong>in</strong>bar unaufhaltsame Siegeszug<br />

der Naturwissenschaften, der das ursprünglich religiös zentrierte Weltbild abgelöst<br />

und zu e<strong>in</strong>er „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) geführt hat. Nun rüttelt die naturwissenschaftliche<br />

Forschung auch am letzten großen Geheimnis: Dem Ursprung des<br />

Lebens und der Grenze, die belebte von unbelebter Materie trennt. Das Stichwort<br />

heißt „synthetische Biologie“ und me<strong>in</strong>t, verkürzt ausgedrückt, die gezielte Herstellung<br />

von Leben im Reagenzglas. Diese neue Diszipl<strong>in</strong> geht e<strong>in</strong>en Schritt über die Vorgehensweise<br />

der klassischen Gentechnologie h<strong>in</strong>aus: Es ist nicht mehr nur das Ziel,<br />

bereits vorhandene Erb<strong>in</strong>formationen neu zu komb<strong>in</strong>ieren und auf diese Art und<br />

Weise Merkmale von e<strong>in</strong>em Organismus auf e<strong>in</strong>en anderen zu übertragen (z.B. die<br />

Resistenz gegen e<strong>in</strong> Bakterium). In der synthetischen Biologie geht es darum, die chemische<br />

Masch<strong>in</strong>erie, die das Leben <strong>in</strong> Gang hält und die <strong>in</strong> großen Teilen entschlüsselt<br />

ist, nachzubauen und zu verändern, so dass Lebewesen mit ganz neuen Erb<strong>in</strong>formationen<br />

entstehen. Wie die Erfolge der Physik den Grundste<strong>in</strong> zum Aufschwung der<br />

Ingenieurwissenschaften legten, so könnte die Entschlüsselung der Grundlagen des<br />

Lebens (genetischer Code; Proteomik, also die Katalogisierung der Eiweißmoleküle<br />

e<strong>in</strong>er Zelle und ihrer Funktion) den Ausgangspunkt für e<strong>in</strong>e Ingenieurwissenschaft des<br />

Lebens bilden, die sich <strong>in</strong> den Konturen der „synthetischen Biologie“ unserer Tage<br />

bereits andeutet.<br />

Wie schon <strong>in</strong> früheren Fällen (Spaltung des Atoms), zeigt sich auch hier wieder die<br />

Ambivalenz des wissenschaftlichen Fortschritts für den Menschen, vielleicht aber<br />

<strong>in</strong> noch radikalerer Weise: Die gezielte Nutzung der Gesetzmäßigkeiten des Lebens<br />

eröffnet phantastische neue Möglichkeiten z.B. bei der Herstellung von Medikamenten,<br />

<strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> und <strong>in</strong> der Umwelttechnik. Enthusiasten wie der amerikanische<br />

Moralphilosoph Ronald Dwork<strong>in</strong> sehen schon den Menschen zum Gestalter se<strong>in</strong>es<br />

eigenen Schicksals werden (und brandmarken Kritiker, <strong>in</strong>sbesondere wenn sie aus e<strong>in</strong>er<br />

religiösen Haltung heraus argumentieren, als Reaktionäre). Den Vorteilen stehen aber<br />

auch erhebliche Risiken gegenüber, die sich - wie so oft am Anfang e<strong>in</strong>er technischen<br />

Entwicklung - nur schwer e<strong>in</strong>schätzen lassen. E<strong>in</strong>e der potentiellen Gefahren liegt <strong>in</strong><br />

der Entwicklung e<strong>in</strong>er neuen Generation von Biowaffen. Die geradezu revolutionären<br />

Fortschritte <strong>in</strong> der Analyse und Herstellung von Biomolekülen, der Bauste<strong>in</strong>e des<br />

Lebens, im letzten Jahrzehnt hat die Schwelle für den potentiellen Missbrauch s<strong>in</strong>ken<br />

lassen; mit vergleichsweise ger<strong>in</strong>gem Know how und technischem Aufwand (vergli-<br />

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