Download Vortrag - 470 KB - Evangelische Bildungswerk im Landkreis
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aber eine solche Seelenlehre? - Nein, Herr! - Wohl, ihr Mönche, auch ich kenne keine solche<br />
Seelenlehre, deren Annahme die Entstehung von Sorge, Wehklage, Leiden, Not und Trübsal<br />
ausschließt.“ Damit gibt es Erlösung nur durch Überwindung einer solchen Basis individuellen<br />
Lebens.<br />
Als Johannes Paul II. anlässlich seines Besuchs in Sri Lanka 1991 den Buddhismus als „atheistisches<br />
System“ kennzeichnete, gab es einen Sturm der Entrüstung, bei dem hohe buddhistische<br />
Würdenträger die Begegnung mit ihm verweigerten. Aber da geht es um ein typisches<br />
Missverständnis auf beiden seiten, etwa der Missdeutung des Buddhismus als „negative Soteriologie“,<br />
der Darstellung des Nirwana als „Zustand völliger Indifferenz gegenüber der<br />
Welt“. Was der Papst problematisierte, war eine angebliche Abkehr von der Welt ohne Du –<br />
denn es soll jede Abkehr von der Welt nur erlaubt sein, „um die Einheit mit dem zu ermöglichen,<br />
was außerhalb der Welt ist: Und dabei handelt es sich eben nicht um das Nirwana,<br />
sondern um einen personalen Gott. Die Einheit mit ihm verwirklicht sich nicht auf dem Weg<br />
der Reinigung, sondern durch die Liebe. [...] Die christliche Mystik aller Zeiten [...] entsteht<br />
nicht aus einer reinen „Erleuchtung“, die dem Menschen das Böse bewusst werden lässt, das<br />
aus seinem Festhalten an der Welt mittels der Sinne, des Intellekts und des Geistes hervorgeht,<br />
sondern sie entsteht aus der Offenbarung des lebendigen Gottes.“<br />
Auf den ersten Blick ist die buddhistische Lehre vom Nichtselbst tatsächlich befremdlich, und<br />
die buddhistischen Erklärungen helfen wegen ihrer fremden Terminologie nicht jedem weiter.<br />
Aber umgekehrt: wenn wir die Begriffe „Selbst“, „Individuum“ oder „Ich“ reflektieren,<br />
dann gerät auch die abendländische Vorstellung vom Selbst ins Wanken. Denn personale<br />
Identität ist keineswegs so sicher, wie man es meint behaupten zu dürfen. Man ist nicht ein<br />
Selbst, und man hat nicht ein Selbst. Wer könnte es denn sein, und wer könnte es haben?<br />
Das Selbst selbst? Und was könnte dieses Selbst denn anderes sein als das, womit es benannt<br />
wird, wodurch es charakterisiert ist? In der abendländischen Philosophie hat man diesem<br />
Selbst aber eine Substanz oder Essenz zugeschrieben. Solche Setzungen haben die für<br />
das Abendland typischen Dichotomien ermöglicht: Geist-Materie, Subjekt-Objekt, Mensch-<br />
Natur, Freiheit-Determination, die aber <strong>im</strong> Buddhismus nur wenig Sinn machen. Denn dort<br />
gehört auch das Selbst bzw. die Seele zur Veränderlichkeit des Körpers. Dies beruht weitgehend<br />
auf der Vorstellung, dass die Seele eine feinstoffliche Substanz hat. Sobald man aber<br />
die Seele nicht mehr der Endlichkeit des Körpers gegenüberstellt, sondern zu ihm rechnet, ist<br />
einleuchtend, dass sie (als Selbst) nicht das Heil sein kann, wenn dieses als unvergänglich<br />
und unsterblich aufgefasst wird.<br />
Eine solche buddhistische Auffassung vom Selbst führt zu grundlegenden Divergenzen gegenüber<br />
dem Christentum. Nicht nur ist eine personale und persönliche Beziehung zwischen<br />
Gott und dem einzelnen, der Gottesglaube also, undenkbar, nicht nur müssen zwangsläufig<br />
Schöpfung, Reich Gottes und Jenseitigkeit geleugnet werden, es entstehen auch ethische<br />
Fragen in Bezug auf Willensfreiheit und Sünde.<br />
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