Download Vortrag - 470 KB - Evangelische Bildungswerk im Landkreis
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sprechendes »Woraufhin« hat, ist er dazu <strong>im</strong>stande. Nur das vollkommen Unendliche und in<br />
dieser Weise absolut Singuläre verleiht dem Menschen die Möglichkeit zu Freiheitsakten.<br />
Gott ist nicht Zweck für etwas anderes, sondern Zweck in sich selbst und um seiner selbst<br />
willen. Dieser Gott hat den Menschen – ich referiere <strong>im</strong>mer nur die biblische Auskunft - zu<br />
seinem »Bild« geschaffen hat (Gen 1,26), um ihm so seine Würde und Unantastbarkeit zu<br />
verleihen. Ausdrücklich wird das Tötungsverbot mit dieser Gottebenbildlichkeit begründet<br />
(Gen 9,6). Diese Unantastbarkeit ist aber auch realer Schutz, eben weil sie nicht nur von<br />
Menschen gemachtes Gesetz ist. Wer die Würde des Menschen antastet, hat nicht nur ein<br />
menschliches Gesetz und dessen Sanktionen gegen sich, sondern Gott selbst, den Unbedingten<br />
schlechthin, mit allen Folgen des Selbstwiderspruchs und der Selbstzerstörung. Man<br />
denke an Kain und Abel. Die Frage ist ja zuletzt nicht die, ob Kain ein Gebot übertritt. Kain<br />
wird zur Rechenschaft gerufen, und die Frage an ihn lautet: „Kain, wo ist dein Bruder?“ Da<br />
redet Kain sich heraus: „Was geht mich mein Bruder an? Bin ich denn der Hüter meines Bruders?<br />
Muss ich denn wissen, wo er ist? Was hab ich mit ihm zu schaffen?“ Genau das ist das<br />
Problem: würde Kain sich brüderlich kümmern, käme er erst gar nicht auf die Idee, den Brudermord<br />
zu begehen. Verantwortung ist dabei dreistellig zu denken: ich bin vor jemand für<br />
jemand (oder etwas) verantwortlich. Wäre die Verantwortung nur die für den Bruder vor<br />
dem Bruder, dann könnte man sich ja drücken. Der Verantwortung vor einem Menschen<br />
kann man sich durch dessen Tötung entledigen. Aber das Blut Abels schreit… zu Gott. Der<br />
Mord beseitigt deshalb nicht das Wovor der Verantwortung, weil dieses Wovor gar nicht<br />
beseitigt werden kann.<br />
Während sich das Judentum noch scheut, <strong>im</strong> Menschen mehr als das Ebenbild oder Abbild<br />
Gottes zu sehen, verdichtet sich der Gedanke, dass das Wort Gottes die menschliche Realität<br />
best<strong>im</strong>men soll, zu einer Wirklichkeit, in der das Wort Gottes die menschliche Natur ann<strong>im</strong>mt,<br />
um unter den Menschen da zu sein. Man muss sich <strong>im</strong>mer klar machen, dass das<br />
Wesen des Christentums nicht, wie viele meinen, irgendeine große Theorie, eine Weltanschauung,<br />
eine klug abgesichertes Gedankengebäude oder System ist. Christentum existiert<br />
zunächst so, dass es schlicht Person ist: Jesus der Christus. An der Stelle der allgemeinen<br />
Norm steht das geschichtliche Vorbild Jesus Christus. An der Moralauffassung seiner Zeit<br />
gemessen war er ein unmoralischer Mensch, ein Stein des Anstoßes…<br />
Daraus ergeben sich weittragende Probleme. Die Schwere der praktischen Zumutung, jene<br />
Freiheit aufzugeben, welche das Verhältnis zur Norm gewährt, und sich unter eine Person als<br />
letzte Gültigkeit zu stellen, kommt in der Gefahr des Ärgernisses zum Ausdruck; einer Gefahr,<br />
um die Christus selbst gewusst hat. Überall sonst heißt es: nicht auf die Person, sondern<br />
auf die Sache kommt es an. (Mohamed ist Prophet, Buddha lehrt das Wegsehen vom<br />
Individuellen, selbst in der Philosophie heißt es paradigmatisch bei Platon: Kümmert euch<br />
nicht um Sokrates, kümmert euch um die Wahrheit.) Wenn das Christentum die Religion der<br />
Liebe sein soll, dann kann das nur in dem Sinne zutreffen, dass es die Religion der sich auf<br />
Christus, durch Christus aber auf Gott sowohl wie auf den anderen Menschen richtenden<br />
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