medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios
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Medtropole | Ausgabe 20 | Januar 2010<br />
bei fast 15 Prozent <strong>der</strong> alkoholabhängigen<br />
Patienten eine Bor<strong>der</strong>line-Persönlichkeitsstörung,<br />
diese Quote beträgt bei Patienten<br />
mit Drogenproblemen 18 Prozent.<br />
Historisch nutzten schon die Menschen vor<br />
etwa 8.000 Jahren die ber<strong>aus</strong>chende Wirkung<br />
des Alkohols durch die Zubereitung<br />
von Bier o<strong>der</strong> Wein. Auch die Verwendung<br />
von R<strong>aus</strong>chdrogen existierte im arabischasiatischen<br />
Kulturkreis und im mittel- und<br />
südamerikanischen Raum (z. B. Opium).<br />
Heute gehören Drogen zum Alltag unserer<br />
Gesellschaft. So gibt es bei den 15-Jährigen<br />
in Hinblick auf Cannabis eine international<br />
vorhandene Baseline <strong>der</strong> Prävalenz von<br />
etwa 30 Prozent mit Probierkonsum. [7] In<br />
dieser Hinsicht bietet die aktuelle Musikszene<br />
mit Amy Winehouse ein instruktives<br />
klinisches Beispiel mit mutmaßlichem Bor<strong>der</strong>line-Verhalten<br />
und Drogen- und Alkoholexzessen,<br />
kombiniert mit einer Magersucht<br />
o<strong>der</strong> Bulimie. [8]<br />
Drogen als Mittel <strong>der</strong> Selbstbehandlung<br />
Drogenkonsum hat also grundlegend mit<br />
<strong>der</strong> erlebten Diskrepanz von realem und<br />
idealem Lebensgefühl zu tun, die vor<br />
allem in <strong>der</strong> Adoleszenz weit verbreitet ist.<br />
Erwünschte Effekte des Drogenkonsums<br />
sind unter an<strong>der</strong>en Entspannung, Euphorisierung,<br />
soziale Zuwendung, Stressmin<strong>der</strong>ung,<br />
allgemeine Anregung o<strong>der</strong> Minde-<br />
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rung von Ängsten, das Gefühl, produktiver<br />
o<strong>der</strong> kreativer zu sein, ein gehobenes<br />
Selbstwertgefühl. Daher ist es verständlich,<br />
dass Drogen bei Persönlichkeitsstörungshintergrund<br />
zur Befindens- bzw. Affektregulation<br />
genutzt werden. Dabei steht <strong>der</strong><br />
Schutz vor inneren und äußeren Reizen im<br />
Vor<strong>der</strong>grund. Vor allem die hohe Impulsivität<br />
wird durch Substanzkonsum als Form<br />
<strong>der</strong> Selbstbehandlung gedämpft, was ein<br />
exzessives Konsumverhalten, sowohl<br />
Hochdosis-Konsum als auch riskanten<br />
Konsum, begünstigt.<br />
Im Verlauf <strong>der</strong> Suchtentwicklung bekommen<br />
mit dem Suchtmittel assoziierte Reize<br />
gemäß <strong>der</strong> klassischen Konditionierung<br />
eine Auslöserqualität <strong>für</strong> das süchtige<br />
Konsumverhalten. Zusätzlich kommen<br />
allmählich Entzugssymptome auf, die den<br />
Drogenkonsum steigern. Die zwei Lernprinzipien<br />
– das Lernen am Erfolg (operantes<br />
Konditionieren) und das klassische<br />
Konditionieren – sind daher auch Leitkonzepte<br />
<strong>der</strong> klassischen verhaltenstherapeutisch<br />
orientierten Suchttherapie. Psychodynamisch<br />
betrachtet, beruht die Bor<strong>der</strong>line-<br />
Symptomatik im Wesentlichen auf unreifen<br />
Abwehrmechanismen in Form einer Ich-<br />
Schwäche mit primitiver Idealisierung und<br />
Spaltung (Es gibt nur Gut o<strong>der</strong> Böse). Periodische<br />
Omnipotenzgefühle wechseln sich<br />
rasch mit Ohnmachtsgefühlen ab. Diese<br />
bizarre Erlebnis- und Verhaltensweise<br />
beruht auf desintegrierten Selbst- und<br />
Objektrepräsentanzen. Das „harmonische“<br />
Selbst-Erleben im Intoxikationszustand ist<br />
deshalb <strong>der</strong> wesentliche Treiber in die<br />
Sucht. Der Drogenkonsum kann also als<br />
eine spannungsreduzierende, aber auch<br />
aktivierende Selbstmedikation verstanden<br />
werden.<br />
Bei ängstlich akzentuierten Syndromen<br />
wird häufiger Cannabis konsumiert, in seltenen<br />
Fällen auch Opioide, bei Selbstwertkrisen<br />
häufiger Kokain und Amphetamine.<br />
Ecstasy, wenngleich an Bedeutung verlierend,<br />
wird gelegentlich eingenommen, um<br />
das Gefühl <strong>der</strong> Nähe zu an<strong>der</strong>en Menschen<br />
zu bekommen. LSD wird selten eingenommen<br />
und hat dann häufig die Funktion, die<br />
Dissoziation des Erlebens zu steigern, d. h.<br />
einfach in eine an<strong>der</strong>e, bunte Welt einzutreten.<br />
Benzodiazepine und Alkohol werden<br />
am häufigsten eingenommen und zum<br />
Großteil episodisch konsumiert.