4. Anhang (Marit Plohmann) - Eventkultur.lab
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Wenn man von der Sinnfrage spricht, dann meint man die Werteentwicklung<br />
generell. Das heißt, die Menschen eine Idee davon haben, wie ihr Leben<br />
begründet, also legitimiert wird.<br />
Bei den einzelnen Werten gibt es einen ständigen Wechsel. Heute ist Ökologie<br />
wichtig, danach könnte beispielsweise purer Gehorsam wichtig werden. Das kann<br />
als „Karriere von Werten“ bezeichnet werden und entspricht einer kurzfristigen<br />
Betrachtung. Zu jeder Epoche gibt es bestimmte Werte, die eine große Strahlkraft<br />
haben und andere Werte, die in der vorherigen Epoche Strahlkraft hatten,<br />
verlieren, möglicherweise nur kurzfristig, ihre Bedeutung. Pflichttugenden haben<br />
beispielsweise heute wieder eine sehr große Bedeutung, die sie vor zwanzig<br />
Jahren überhaupt nicht hatten. Diese hatten sie allerdings schon vor hundert<br />
Jahren, erleben also eine Renaissance, obwohl jeder dachte, Pflichttugenden sind<br />
für immer bedeutungslos geworden. Deshalb ist es falsch, zu sagen, früher gab es<br />
weniger Ethos und heute existiert der Ethos Solidarität, Fairness und Ökologie.<br />
Auch in den fünfziger und sechziger Jahren spielte Fairness eine große Rolle. Die<br />
Idee, einige Werte zu betrachten und als modernen Ethos zu bezeichnen, ist somit<br />
falsch. Zu allen Zeiten gibt es bestimmte Werte, die eine Ethos reflektieren und<br />
das man die jetzigen Werte für besonders gut und tragfähig hält, ist eher eine<br />
wenig umfassende Betrachtung derjenigen, die gerade die Gesellschaften<br />
beobachten.<br />
Frage 7: Für Sie als Soziologe mag es unmöglich erscheinen, das komplexe<br />
Gebilde einer Gesellschaft mit all seinen Facetten unter einem Schlagwort zu<br />
bezeichnen. Fällt Ihnen trotzdem eine Bezeichnung ein?<br />
Trotzdem das sehr schwierig ist, wäre hier das Schlagwort „Vertragsgesellschaft“<br />
sehr zutreffend. Das bedeutet, dass Menschen heute tendenziell eher geneigt<br />
sind, Bindungen zu dosieren und auch nur dann einzugehen, wenn Leistung und<br />
Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Man gibt nur soviel her,<br />
wie man von der Gegenseite bekommen kann. Die Ausbildung muss stimmen, das<br />
Gehalt muss stimmen, auch die sozialen Kontakte müssen da sein, sonst wird das<br />
Engagement reduziert. Auch in der Partnerschaft ist dies bemerkbar. Man ist nur<br />
bereit, mit dem anderen zusammenzuleben, solange die Bilanz des Gebens und<br />
Nehmens ausgeglichen ist. Befriedigt der andere die Bedürfnisse nicht mehr, weist<br />
der Mensch nicht die Ehe an sich, sondern den Partner zurück und lässt sich<br />
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