+ PDF (1) - Evangelische Kirche Saar
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V O R W O R T<br />
Gott spricht: „Siehe ich will<br />
ein Neues schaffen, jetzt<br />
wächst es auf, erkennt Ihr<br />
es denn nicht?“ (Jes. 43,19) Jahreslosung 2007<br />
Liebe Freundinnen und Freunde<br />
der Diakonie,<br />
die Bereitschaft sich ständig neuen<br />
Herausforderungen zu stellen,<br />
ist mittlerweile zu einem Markenzeichen<br />
des DIAKONISCHEN<br />
WERKES AN DER SAAR geworden.<br />
Die sozialen Entwicklungen<br />
in unserem Land und die<br />
hektischen widersprüchlichen<br />
Reaktionen der Politik erzwingen<br />
die Bereitschaft zur ständigen<br />
Veränderung. Dies betrifft sowohl<br />
die Themen der Diakonie wie<br />
auch ihre Ziele, Inhalte und ihre<br />
Strukturen. Eine solche Dynamik<br />
führt aber zugleich auch zu erheblichen<br />
persönlichen Belastungen<br />
für Mitarbeitende im Diakonischen<br />
Werk.<br />
Unter diesem Signum der Veränderung<br />
stand der Zeitraum, über<br />
den wir in diesem Heft berichten.<br />
Ein zentrales Thema im DIAKO-<br />
NISCHEN WERK AN DER SAAR<br />
war im zurückliegenden Jahr die<br />
Rechtsformänderung, die aus<br />
dem unselbstständigen Werk<br />
der drei <strong>Kirche</strong>nkreise Ottweiler,<br />
<strong>Saar</strong>brücken und Völklingen am<br />
1.Januar 007 eine gemeinnützige<br />
GmbH der <strong>Kirche</strong>nkreise<br />
entstehen ließ. Ziel dieser Veränderung<br />
war die Schaffung einer<br />
flexiblen Struktur, die den ständig<br />
neuen Anforderungen der öffentlichen<br />
Hand sowie der notwendigen<br />
Vernetzung mit anderen<br />
helfenden Institutionen dienen<br />
kann. Daneben sollte weiterhin<br />
eine enge kirchliche Anbindung<br />
gewährleistet bleiben. Es gehört<br />
für uns deutlich zum Profil und<br />
Schwerpunkt des DIAKONI-<br />
SCHEN WERKES AN<br />
DER SAAR, dass es unbeschadet<br />
seiner Rechtsform Teil der<br />
Verkündigung der <strong>Kirche</strong>nkreise<br />
Ottweiler, <strong>Saar</strong>brücken und<br />
Völklingen in praktisch helfender<br />
Form ist. Nach vielen Beratungen<br />
wurde als angemessene neue<br />
Rechtsform eine gemeinnützige<br />
GmbH gewählt. Diese Gesellschaft<br />
ist eng an die <strong>Kirche</strong>nkreise<br />
gebunden, indem diese<br />
alle Organe der Gesellschaft<br />
bilden. Dadurch konnte auch die<br />
Beibehaltung der kirchlichen Tarifstrukturen<br />
zur Absicherung der<br />
Mitarbeitenden garantiert werden.<br />
Gleichzeitig bietet die GmbH die<br />
notwendige Beweglichkeit außerhalb<br />
der institutionellen Struktur<br />
der kirchlichen Verwaltungsordnung,<br />
um Arbeitsfelder und<br />
Arbeitsverhältnisse abzusichern<br />
und zukunftsfest zu machen.<br />
Es war ein langer Weg, bis die<br />
Neustrukturierung im Diakonischen<br />
Werk zustande kam.<br />
Ein wesentliches Element, das<br />
diesen Prozess erst möglich<br />
machte, war das Vertrauen der<br />
Kreissynoden und der Mitarbeitenden<br />
des Diakonischen Werkes<br />
in die Gremien, die dieses Verfahren<br />
steuerten. Nach langen<br />
Beratungen, Beschlussfassungen<br />
und Verabredungen konnte<br />
dann die Rechtsformänderung<br />
zum 1.Januar 007 umgesetzt<br />
werden. Dabei wurde allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern die<br />
Sicherung ihrer erworbenen arbeitsrechtlichen<br />
Besitzstände garantiert.<br />
An dieser Stelle gebührt<br />
der Mitarbeitervertretung und den<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
sowie der Verwaltung des<br />
Diakonischen Werkes, die einen<br />
großen Teil der notwendigen<br />
Arbeiten zusätzlich bewältigen<br />
musste, außerordentlicher Dank.<br />
Nur so konnte dieser sicher nicht<br />
einfache Weg miteinander gegangen<br />
werden. Den Kreissynoden<br />
Ottweiler, <strong>Saar</strong>brücken und Völklingen<br />
danken wir für das in ihren<br />
Beschlüssen bewiesene Vertrauen<br />
in ihr DIAKONISCHES WERK<br />
AN DER SAAR.<br />
Neben dieser großen strukturellen<br />
Veränderung sind natürlich<br />
auch im Berichtszeitraum die<br />
inhaltlichen Themen für die Arbeit<br />
bedeutend gewesen.<br />
Die Offene Soziale Arbeit hat<br />
sich weiterhin in besonderem<br />
Maße mit dem Thema Armut und<br />
soziale Ausgrenzung beschäftigen<br />
müssen. Dieses begegnet<br />
dort in vielen Beratungsstellen, in<br />
der Begründung neuer Tafelprojekte<br />
ebenso wie im Ringen um<br />
die Zukunft des Modellprojektes<br />
Kinderarmut in <strong>Saar</strong>brücken.<br />
Die Abteilung Jugendberufshilfe<br />
konnte ihren Qualitätsentwicklungsprozess<br />
abschließen mit<br />
einer Zertifizierung nach DIN ISO<br />
9001:2000. Diese Zertifizierung<br />
beinhaltet die Möglichkeit, sich<br />
auch in Zukunft um Maßnahmen<br />
der Agentur für Arbeit zu bewerben.<br />
Allen Beteiligten, die den<br />
erheblichen Aufwand im Zertifizierungsverfahren<br />
durch intensive<br />
Mehrarbeit getragen haben, sei<br />
ganz herzlich gedankt. Gleichzeitig<br />
muss sich die Abteilung immer<br />
wieder mit den Widersprüchlichkeiten<br />
der Arbeitmarktgesetzgebung<br />
auseinander setzen,<br />
die durch kurzfristige, oft nicht<br />
nachvollziehbare Verwaltungsentscheidungen<br />
in den verschiedenen<br />
ARGEn noch verschärft<br />
wird. So nimmt der bürokratische<br />
Aufwand, der selbst für kleinste<br />
Fördersummen gegenüber der<br />
europäischen Union oder der Verwaltung<br />
des Bundes geführt werden<br />
muss, unglaubliche Ausmaße<br />
an. Andererseits werden die Projektbewilligungen<br />
immer kurzfristiger,<br />
bis zu Laufzeiten von vier<br />
Wochen. Dies bedeutet für die<br />
betroffenen Mitarbeitenden eine<br />
ständige Unsicherheit bezüglich<br />
der Zukunft ihres Arbeitsplatzes.<br />
Es bedarf schon eines hohen<br />
Engagements für benachteiligte<br />
Jugendliche und eine hohe Loyalität<br />
zum Diakonischen Werk, um<br />
solche Arbeitsbedingungen über<br />
Jahre auszuhalten.<br />
Eine durch die Arbeitsrechtsregelung<br />
der evangelischen <strong>Kirche</strong><br />
entstandene kontroverse Situation<br />
bezüglich der Arbeitsverhältnisse<br />
in der Abteilung Jugendberufshilfe<br />
konnte in Folge der<br />
Rechtsformänderung im Sinne<br />
aller Beteiligten geklärt werden.<br />
Der Jugendhilfeverbund profiliert<br />
sich immer stärker durch eine<br />
Ausdifferenzierung seiner Angebote<br />
in ambulante, teilstationäre<br />
und stationäre Hilfeformen für<br />
Kinder, Jugendliche und ihre Familien.<br />
Dabei wird deutlich, dass<br />
die Problemlagen bei den Kindern<br />
und Jugendlichen sich ständig<br />
verschärfen. Zahlreiche In-Obhut-Nahmen<br />
im Berichtszeitraum<br />
verweisen darauf, dass es hier<br />
um die Abwehr akuter Gefährdungen<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
ging. Solche Aufnahmen unter<br />
großem aktuellem Druck stellen<br />
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des Jugendhilfeverbundes<br />
nahezu täglich neue große<br />
Herausforderungen dar. Wie im<br />
Bereich der Armutsbekämpfung<br />
und der Maßnahmen zu Gunsten<br />
Benachteiligter am Arbeitsmarkt,<br />
so wird auch im Jugendhilfeverbund<br />
immer deutlicher, dass gerade<br />
Kinder und Jugendliche zu<br />
den großen Verlierern der entsolidarisierenden<br />
Entwicklungen in<br />
unserer Gesellschaft gehören.<br />
Die Schaffung neuer Strukturen,<br />
die Veränderung in den aktuellen<br />
Arbeitsfeldern, die ständige Neuorientierung<br />
für Mitarbeitende in<br />
den Zielen ihrer Arbeit werden<br />
von manchen Politikern als Flexibilisierung<br />
und moderne Beweglichkeit<br />
in der Arbeitswelt begrüßt.<br />
Es ist aber deutlich darauf hinzuweisen,<br />
dass damit zum einen<br />
die soziale Absicherung des<br />
einzelnen auch im Stammbereich<br />
immer wieder gefährdet wird und<br />
zum anderen die Qualität sozialer<br />
Arbeit ständig mehr in Frage gestellt<br />
ist. Die Verunsicherung in<br />
der sozialen Arbeit nimmt deutlich<br />
zu. Es ist wesentliche Aufgabe<br />
eines kirchlichen Trägers, dem<br />
nicht nur im Blick auf die Klienten,<br />
sondern auch auf die eigenen<br />
Mitarbeitenden offensiv zu begegnen.<br />
Neben den zahlreichen<br />
Veränderungen in der sozialen<br />
Wirklichkeit unseres Landes und<br />
der sozialen Gesetzgebung, steht<br />
darum immer wieder auch unsere<br />
Verantwortung für unseren Auftrag<br />
im Mittelpunkt unserer Planungen<br />
und Beratungen.<br />
Unser Auftrag, die Liebe Gottes<br />
zu den Menschen durch konkrete<br />
Maßnahmen und Projekte<br />
spürbar zu machen und dabei<br />
eine deutliche Option für Arme,<br />
Ausgegrenzte und Benachteiligte<br />
wahrzunehmen, muss allen aktuellen<br />
gesellschaftspolitischen<br />
Entwicklungen deutlich entgegen-<br />
gehalten werden. Für diese nicht<br />
immer einfache Position haben<br />
wir Partner und Freunde, die uns<br />
zur Seite stehen und für deren<br />
Unterstützung wir dankbar sind.<br />
Dabei gilt dieser Dank insbesondere<br />
den Ehrenamtlichen in den<br />
Gremien und Projekten des Diakonischen<br />
Werkes, wie auch den<br />
Spendern sowie den Sammlerinnen<br />
und Sammlern, die durch ihr<br />
Engagement vieles erst möglich<br />
machen, was die Diakonie auszeichnet.<br />
Es wäre zynisch, die Jahreslosung<br />
007 mit ihrem Verweis auf<br />
das entstehende Neue mit den<br />
ständigen Veränderungen der<br />
deutschen Sozialgesetzgebung<br />
und ihren Auswirkungen auf<br />
die Menschen gleichzusetzen.<br />
Solche Entwicklungen und Strukturveränderungen<br />
sind in der<br />
Formulierung des Losungstextes<br />
sicher nicht im Blick gewesen.<br />
Aber der Satz kann sehr wohl<br />
auch Signal der Hoffnung in<br />
wechselhaften Zeiten sein. Das<br />
Neue, das der Prophet Jesaja in<br />
diesem Satz ankündigt, ist das<br />
Reich Gottes als Perspektive<br />
unseres Lebens und unseres<br />
Handelns in der <strong>Kirche</strong> und der<br />
Diakonie. Dabei ist es tröstlich<br />
zu wissen, dass dieses Neue auf<br />
uns zu kommt und nicht von uns<br />
gemacht wird. Aber es ist bereits<br />
jetzt spürbar im Alltag, oftmals nur<br />
als ein kurzes Aufblitzen. Doch<br />
zuweilen genügt das, um Kraft zu<br />
geben für den weiteren Weg.<br />
Für die Menschen, die im Diakonischen<br />
Werk Hilfe suchen,<br />
mag dieses Neue spürbar sein<br />
in der Erfahrung, dass da auf<br />
einmal jemand da ist, der ihnen in<br />
Zeiten tiefster innerer Finsternis<br />
zuhört und mit ihnen geht und<br />
vielleicht sogar Rat weiß. Für die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
mag es das Lachen eines Kindes<br />
sein, dass nach Erfahrungen des<br />
Leidens wieder Zuwendung und<br />
Vertrauen spürt. Oder es ist das<br />
zunehmend sichere Auftreten<br />
eines Arbeitslosen, der nach Jahren<br />
der Vereinsamung und Verunsicherung<br />
in einer Maßnahme<br />
des Diakonischen Werkes wieder<br />
Struktur und Sinn findet und damit<br />
ein Stück seiner Würde wiedererlangt.<br />
Oder es mag im Aufatmen<br />
einer allein erziehenden<br />
Mutter geschehen, die angesichts<br />
der Übermacht von staatlicher<br />
Bürokratie in der Sozialberatung<br />
erfährt, dass sie ihren Weg nicht<br />
allein gehen muss und dieser<br />
auch nicht aussichtslos ist.<br />
Die Reihe der Beispiele lässt<br />
sich noch lang fortsetzen. Solche<br />
Erfahrungen machen uns im Diakonischen<br />
Werk Mut,andere des<br />
Misserfolges und des Scheiterns,<br />
trotz allem Engagement für die<br />
Menschen, wissen wir aufgehoben<br />
in der Verheißung, dass Gott<br />
uns auch in solchen Augenbli-<br />
cken nahe ist.<br />
Dies alles sind Erfahrungen, für<br />
die wir danken und die uns immer<br />
wieder ermutigen in unserer<br />
Arbeit. Wir sind im Diakonischen<br />
Werk darum bereit, uns auf Neues<br />
einzulassen und wissen uns<br />
dabei getragen, denn: es wächst<br />
Neues auf und Gott steht dahinter<br />
und wir alle in Diakonie und<br />
<strong>Kirche</strong> sind miteinander auf dem<br />
Weg, um dieses zu erkennen.<br />
Udo Blank, Diakoniepfarrer