+ PDF (1) - Evangelische Kirche Saar
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J U G E N D H I L F E V E R B U N D<br />
8<br />
Die Mutter-Kind-Einrichtung hat in der<br />
<strong>Saar</strong>brücker Ursulinenstraße ein neues<br />
Domizil gefunden<br />
Muttersein muss<br />
man lernen<br />
<strong>Saar</strong>brücken, Ursulinenstraße.<br />
Nur ein paar Schritte von der<br />
Innenstadt und dem Hauptbahnhof<br />
entfernt hat das DIA-<br />
KONISCHE WERK AN DER<br />
SAAR (DWSAAR) für seine<br />
Mutter-Kind-Einrichtung ein<br />
ehemaliges Hotel angemietet.<br />
Drumherum Handwerksbetriebe,<br />
ein Autohaus, Banken<br />
und andere Dienstleister - eigentlich<br />
kein typisches Wohnviertel.<br />
Und doch hält Volker<br />
Bourgett, Abteilungsleiter des<br />
Jugendhilfeverbundes beim<br />
DWSAAR den neuen Standort<br />
für ideal: „Hier stören wir niemanden,<br />
wenn es auch mal etwas<br />
lauter wird.“ Außerdem sei<br />
eine gute Verkehrsanbindung<br />
vorhanden und zu den Lebensmittelgeschäften<br />
sei es nicht<br />
so weit. Und das ist für das<br />
Konzept der Mutter-Kind-Einrichtung<br />
sehr wichtig. Denn die<br />
Mütter, die hier mit ihren Kindern<br />
leben, sollen im Laufe der<br />
Zeit lernen, sich und den Nachwuchs<br />
selbständig zu versorgen.<br />
Die Mutter-Kind-Einrichtung in<br />
dieser Form gibt es seit 1 8 .<br />
Zuletzt war sie in Alt-<strong>Saar</strong>brücken<br />
in einem Haus in der Petersbergstraße<br />
untergebracht.<br />
Dort hatte es immer wieder mit<br />
den Nachbarn Ärger gegeben,<br />
wie Bourgett berichtet. Das<br />
ehemalige Hotel in der Ursulinenstraße<br />
biete Platz für<br />
mehr Wohnungen, was angesichts<br />
der steigenden Nachfrage<br />
wichtig ist.<br />
Rund 100 000 Euro hat das<br />
DWSAAR in den Ausbau des<br />
Hauses investiert. Möglich wurde<br />
dies durch einen Zuschuss<br />
der „Aktion Herzenssache“ des<br />
<strong>Saar</strong>ländischen Rundfunks.<br />
Wände mussten verschoben,<br />
das Treppenhaus<br />
um-, Bäder<br />
und Küchen eingebaut<br />
werden.<br />
„Wochenlang<br />
waren die Handwerker<br />
hier an<br />
der Arbeit“, berichtet<br />
Bourgett.<br />
Als letztes<br />
sind im Hof die<br />
Holzkästen zum<br />
Unterstellen der<br />
Kinderwagen<br />
fertig geworden,<br />
die wegen der<br />
Brandschutz-<br />
Vorschriften<br />
nicht im Eingangsbereich<br />
stehen dürfen.<br />
In den oberen<br />
Stockwerken<br />
sind sechs Zwei-Zimmer-Wohnungen<br />
entstanden, in denen<br />
jeweils eine Mutter mit ihrem<br />
Kind lebt. Weitere vier Frauen<br />
sind extern untergebracht. Aber<br />
auch sie haben die Einrichtung<br />
als feste Anlaufstelle und bekommen<br />
im Notfall rund um die<br />
Uhr Hilfe. Im ersten Geschoss<br />
des Hauses befinden sich das<br />
Büro für die neun Mitarbeiterinnen<br />
und die Gemeinschaftsräume,<br />
im Erdgeschoss eine<br />
Krippe. Bei gutem Wetter kann<br />
auch der Garten hinter dem<br />
Haus genutzt werden.<br />
In der Regel kommen die Mütter,<br />
die zwischen 1 und<br />
Jahre alt sind, sechs bis acht<br />
Wochen vor der Geburt in die<br />
Einrichtung. Etliche lebten<br />
bisher in Jugendhilfeeinrichtungen,<br />
etwa in Heimen<br />
oder Wohngruppen, andere<br />
stammten aus einem sozial<br />
schwierigen Milieu, in dem<br />
die neu geborenen Kinder besonderen<br />
Risiken ausgesetzt<br />
wären, berichtet Inge Wagner-Schock<br />
aus dem Mitarbeiterteam.<br />
Zunehmend seien<br />
es aber auch Jugendliche aus<br />
ganz normalen Familien, sogar<br />
aus der Mittelschicht, die<br />
einfach noch nicht in der Lage<br />
seien, die Verantwortung für<br />
den Nachwuchs zu übernehmen.<br />
Die Ursache dafür sieht<br />
sie in der abnehmenden Familienbindung<br />
in unserer Gesellschaft.<br />
Kommen die Frauen in die<br />
Mutter-Kind-Einrichtung, wird<br />
erst einmal die Wohnung gemütlich<br />
gestaltet. Die Mitarbeiterinnen<br />
unterstützen die<br />
Frauen bei Behördengängen<br />
und Arztbesuchen. Das ist besonders<br />
wichtig, denn gerade<br />
bei jugendlichen Müttern aus<br />
schwierigem sozialen Milieu<br />
kommt es vermehrt zu Risikoschwangerschaften,<br />
wie die<br />
Statistiken beweisen. Dann<br />
ist der Beistand der Mitarbeiterinnen<br />
besonders gefragt.<br />
Wenn gewünscht, begleiten<br />
sie die jungen Frauen natürlich<br />
auch während der Geburt im<br />
Krankenhaus.<br />
Ist das Baby auf der Welt,<br />
muss jede Mutter ihr Kind<br />
0 Stunden pro Woche in die<br />
Krippe bringen, deren Öffnungszeiten<br />
flexibel sind. Das<br />
sei eine feste Regel, sagt Inge<br />
Wagner-Schock. Denn im Mittelpunkt<br />
aller Bemühungen<br />
stehe das Wohl des Kindes.<br />
„Hier werden die Mütter bei der<br />
Säuglingspflege angeleitet und<br />
bekommen Hilfen im Umgang<br />
mit den Kindern“, erläutert die<br />
Beraterin. Das fängt ganz konkret<br />
bei der Wahl der Windeln<br />
an und geht bis zur richtigen<br />
Ernährung und Förderung der<br />
Babys. Die Krippe biete dem<br />
Kind Anregung und Zuwendung<br />
durch eine weitere feste<br />
Bezugsperson, sodass Fehlentwicklungen<br />
schnell bemerkt<br />
würden und rechtzeitig Fördermaßnahmen<br />
eingeleitet werden<br />
könnten.<br />
Gleichzeitig gewinnen die jungen<br />
Frauen aber so auch Zeit<br />
für die eigene Entwicklung. In<br />
der Regel stellt sich dann nach<br />
einiger Zeit die Frage nach einer<br />
beruflichen Zukunft. Etliche<br />
der jungen Mütter besuchen<br />
morgens die Schule oder eine<br />
Lehrstelle. Andere sind erst auf<br />
der Suche nach einer Perspektive.<br />
Auf dem Weg in die Selbständigkeit<br />
gehört es auch dazu,<br />
wieder Kontakt zur Herkunftsfamilie<br />
aufzunehmen. Und es<br />
geht um die Frage, wie die Zusammenarbeit<br />
mit dem Partner<br />
oder dem Kindesvater aus<br />
sieht. Sie dürfen am Wochenende<br />
in der Einrichtung übernachten,<br />
bei minderjährigen<br />
Müttern natürlich nur in Absprache<br />
mit dem Vormund. Doch all<br />
das muss thematisiert und eingeübt<br />
werden. Alleine seien die<br />
Frauen damit überfordert, sagt<br />
Wagner-Schock. Ziel sei es,<br />
ein tragfähiges soziales Netz<br />
aufzubauen für die Zeit da-<br />
nach, - wenn die jungen Mütter<br />
das Mutter-Kind-Haus wieder<br />
verlassen.<br />
Mindestens ein Jahr bleiben<br />
die Frauen nach der Geburt<br />
in der Einrichtung. „Viele auch<br />
länger, im Ausnahmefall bis<br />
zu drei Jahren“, sagt Wagner-<br />
Schock. Das sei angesichts der<br />
schwierigen Problemlage und<br />
des jugendlichen Alters, in dem<br />
sich viele der Mütter befinden,<br />
auch unbedingt nötig. Es brauche<br />
eben Zeit, bis es schließlich<br />
zu einer tragfähigen Mutter-Kind-Beziehung<br />
komme.<br />
(aus dem SONNTAGSGRUSS)