Recht und Urteile - WMD Brokerchannel
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+ Kapitalanlage + Vertrieb + Investment + Finanzierung +<br />
<strong>Recht</strong> & <strong>Urteile</strong><br />
Überblick über aktuelle <strong>Urteile</strong> zum <strong>Recht</strong><br />
der Kapitalanlagen <strong>und</strong> ihres Vertriebs<br />
durch die <strong>Recht</strong>sanwälte Werner Klumpe <strong>und</strong> Ulrich Nastold<br />
www.wmd-brokerchannel.de<br />
Stand März 2013<br />
Ausgabe März 2013 - 7,50 €
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
2<br />
Ulrich Nastold<br />
<strong>Recht</strong>sanwalt<br />
<strong>Recht</strong>sanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR<br />
Quelle: © Andrey Burmakin - Fotolia.com<br />
Autoren:<br />
Werner Klumpe<br />
<strong>Recht</strong>sanwalt<br />
<strong>Recht</strong>sanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR<br />
"Die <strong>Recht</strong>sanwälte<br />
Klumpe <strong>und</strong> Nastold<br />
sind auf die Bereiche<br />
des Kapitalanlage- <strong>und</strong><br />
Immobilienrechts spezialisiert.<br />
Sie befassen sich<br />
mit allen Facetten dieser<br />
<strong>Recht</strong>sgebiete, begleiten<br />
Projektentwicklungen<br />
<strong>und</strong> die Konzeption von<br />
Beteiligungsprojekten.<br />
Außerdem unterstützen<br />
sie bei der Durchsetzung<br />
vorhandener Ansprüche<br />
wie auch der Abwehr<br />
unberechtigter<br />
Forderungen."
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
<strong>und</strong> Leser,<br />
wer Kapitalanlagen konzipiert, vertreibt oder erwirbt,<br />
sollte über die <strong>Recht</strong>sfolgen seines Handelns<br />
genau im Bilde sein. Dabei fällt es selbst<br />
Experten nicht selten schwer, einen Überblick zu<br />
behalten. So umfassend sind die Themenbereiche,<br />
so schnelllebig auch das ein oder andere Gesetz<br />
<strong>und</strong> so vielfältig die <strong>Recht</strong>sprechung der Instanzgerichte<br />
<strong>und</strong> vor allem auch des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.<br />
Die bisher vom wmd-Verlag herausgegebenen<br />
<strong>Recht</strong>sprechungsübersichten stießen auf sehr reges<br />
Interesse. Mit diesem dritten Magazin stellen<br />
wir Ihnen erneut einen Mix aus der <strong>Recht</strong>sprechung<br />
zu Haftungsfragen, zu Aufklärungs- <strong>und</strong><br />
Informationspflichten, aber auch zu Anlegerpflichten<br />
vor. Abger<strong>und</strong>et wird der Überblick durch<br />
ausgewählte <strong>Recht</strong>sprechungsbeispiele zu den<br />
Bereichen Immobilien <strong>und</strong> Finanzierung, zum Vermittler-<br />
<strong>und</strong> Maklerrecht <strong>und</strong> - nicht zuletzt wegen<br />
des aktuellen Gesetzesvorhabens zur Honoraranlageberatung<br />
- zu Fragen der Wirksamkeit von<br />
Vergütungsvereinbarungen beim Angebot von<br />
Versicherungs-Nettoprodukten.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Auch bei diesem Überblick wird kein Anspruch auf<br />
Vollständigkeit erhoben. Nicht wenige Entscheidungen<br />
lassen sich verschiedenen <strong>Recht</strong>sbereichen<br />
zuordnen. Wenn es um Fragen der Prospekthaftung<br />
im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinne geht, geht<br />
es zugleich immer um Aufklärungs- <strong>und</strong> Informationspflichten,<br />
die gegenüber Anlageinteressenten<br />
zu beachten sind, also um Vertriebspflichten<br />
im weiteren Sinn. Wichtig ist hier nicht zuletzt der<br />
Zeitpunkt, zu welchem die Beratung geschuldet<br />
wird oder auch, ob <strong>und</strong> wie häufig eine ggf. erfolgte<br />
Aufklärung zu wiederholen ist.<br />
Wir hoffen, dass Sie die eine oder andere Erkenntnis<br />
dazugewinnen können, sei es als Konzeptionär,<br />
als Finanzintermediär, als Darlehensgeber oder last<br />
but not least als Anleger.<br />
Falls Sie Anregungen oder Kritik im positiven wie<br />
negativen Sinn haben, werden wir dies in der<br />
nächsten Ausgabe gern berücksichtigen.<br />
Ihr Team vom wmd-brokerchannel<br />
<strong>und</strong> die <strong>Recht</strong>sanwälte Werner Klumpe<br />
<strong>und</strong> Ulrich Nastold,<br />
Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR, Köln<br />
Täglich aktuelle Informationen, Fachartikel <strong>und</strong> Video-Interviews<br />
unter www.wmd-brokerchannel.de<br />
3
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Inhaltsverzeichnis<br />
4<br />
<strong>Recht</strong>sprechung aktuell<br />
Ausgewählte Entscheidungen der Jahre 2011 <strong>und</strong> 2012<br />
aus den Bereichen Kapitalanlagen, Vertrieb, Finanzierung<br />
<strong>und</strong> Versicherungen<br />
Unsere Themen im Überblick:<br />
I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />
1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn,<br />
Prospektverantwortung<br />
2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />
3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />
4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem<br />
Anlageinteressenten geschuldet wird<br />
5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />
6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />
7. Schadensumfang<br />
8. Verjährung<br />
II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />
(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />
III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen <strong>und</strong> Finanzierung<br />
IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />
V. Versicherung
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />
Geschlossene Fonds sind seit 01.06.2012 Finanzinstrumente.<br />
Für diese Produktkategorie gelten<br />
seit jeher bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen.<br />
Speziell für geschlossene Fonds wird nun ab<br />
22.07.2013 ein neues Zeitalter beginnen, wenn in Umsetzung<br />
der AIFM-Richtlinie das Kapitalanlagegesetzbuch<br />
in Kraft treten wird. Dennoch wird die <strong>Recht</strong>sprechung<br />
weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt sowohl für<br />
Alt-Fälle, also Fälle vor Inkrafttreten der spezialgesetzlichen<br />
Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG bei unrichtigen<br />
oder unvollständigen Prospektangaben bzw. gem.<br />
§ 13a VerkProspG bei einem fehlenden Prospekt <strong>und</strong> seit<br />
01.06.2012 für die Haftung aus §§ 20, 21 VermAnlG.<br />
Die <strong>Recht</strong>sprechung liefert die Beispiele dafür, wann<br />
Prospekte unrichtig oder unvollständig sind, in welchen<br />
Fällen eine Aufklärung mittels Prospektes erfolgen kann<br />
<strong>und</strong> welche einzelnen Pflichten der Absatzmittler (Anlageberater,<br />
Anlagevermittler, Haftungsdach, Poolgesellschaft<br />
usw.) zu erfüllen hat. Die aktuelle <strong>Recht</strong>sprechung<br />
zu kennen ist deshalb für Konzeptionäre <strong>und</strong> Vermittler,<br />
KLUMPE+SCHROEDER & PARTNER GbR<br />
R E C H T S A N WÄ LT E<br />
Luxemburger Str. 282e · 50937 Köln · Tel.: 0221/942094-0 · Fax: 0221/942094-25<br />
AIFM, FinVermV, PRIPs,<br />
KIDs <strong>und</strong> VIBs ...<br />
Sie kennen das alles? Glückwunsch!<br />
Sie wollen es verstehen?<br />
Wir helfen Ihnen gerne weiter!<br />
Ihr Draht zu uns: info@rechtsanwaelte-klumpe.de oder Tel.: 0221/942094-0<br />
aber auch für den K<strong>und</strong>en selbst, von großer Wichtigkeit.<br />
Wir haben nachfolgend - ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />
- wieder einige wichtige Entscheidungen aus diesem<br />
Bereich für Sie zusammengefasst. Wie schon im letzten<br />
Heft haben wir wiederum dem Bereich der Kick-Backs<br />
<strong>und</strong> Rückvergütungen ein eigenes Kapitel gewidmet.<br />
Auch wenn die <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätze inzwischen<br />
als gefestigt angesehen werden können <strong>und</strong> wenn mit<br />
Inkrafttreten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung<br />
am 01.01.2013 im Hinblick auf die Offenlegung von Zuwendungen<br />
ohnehin ein neues Zeitalter begonnen hat,<br />
ging <strong>und</strong> geht es immer wieder um Detailfragen. Es ist<br />
über Interessenkonflikte aufzuklären. Ein Interessenkonflikt<br />
ist ein per se aufklärungspflichtiger Umstand. Nur<br />
durch die Aufklärung über einen solchen Konflikt wird ein<br />
Anleger in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der ihm<br />
gegenüber sitzenden <strong>und</strong> eine Beteiligung anbietenden<br />
Person einzuschätzen. Bisher wurde hier unterschiedlich<br />
gewürdigt, ob es sich beim Berater um einen Bankberater<br />
handelt oder einen freien <strong>und</strong> bankunabhängigen Finanzdienstleister.<br />
Fragen Sie uns <strong>und</strong> abonieren kostenlos unseren RECHTSNEWSLETTER unter: www.rechtsanwaelte-klumpe.de 5
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
6<br />
Bildquelle: © Fineas - Fotolia.com
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn,<br />
Prospektverantwortung<br />
1.1 Zur Prospekthaftung von Prominenten<br />
bei Werbung für eine Kapitalanlage<br />
(BGH, Urt. v. 17.11.2011, III ZR 103/10)<br />
Sachverhalt<br />
Für eine Kapitalanlage war mittels Emissionsprospektes<br />
geworben worden. Neben dem Emissionsprospekt<br />
gab es eine Werbebroschüre, die ebenfalls<br />
Produktinformationen enthielt. Außerdem wurden<br />
in der Werbebroschüre Personen vorgestellt, die<br />
den Vorstand <strong>und</strong> den Aufsichtsrat der Emittentin<br />
sowie den Aufsichtsrat <strong>und</strong> Beirat der einzigen Gesellschafterin<br />
der Emittentin bildeten. Ein früherer<br />
Spitzenpolitiker (Herr Rupert Scholz) wurde als Beiratsvorsitzender<br />
der Gesellschafterin der Emittentin<br />
vorgestellt <strong>und</strong> mit positiven Äußerungen zitiert.<br />
Der Emissionsprospekt wies Fehler auf. Im Jahr 2005<br />
untersagte die BaFin die geschäftliche Tätigkeit der<br />
Beteiligungsgesellschaft, weil es sich bei dieser um<br />
ein erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft<br />
im Sinne des § 32 KWG handele. Anleger erhoben<br />
Schadenersatzansprüche u.a. gegen den früheren<br />
Spitzenpolitiker Scholz. Das OLG Karlsruhe als Vorinstanz<br />
hatte Herrn Scholz nicht für eintrittspflichtig<br />
erachtet.<br />
Bildquelle: © AllebaziB - Fotolia.com<br />
Entscheidung<br />
Der BGH hielt es für nicht ausgeschlossen, dass der<br />
Beklagte nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung<br />
im engeren Sinn zum Schadenersatz verpflichtet ist.<br />
Nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung des BGH haften<br />
für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in<br />
dem Emissionsprospekt einer Kapitalanlage neben<br />
dem Herausgeber des Prospektes die Gründer, Ini-<br />
tiatoren <strong>und</strong> Gestalter der Gesellschaft, soweit sie<br />
das Management bilden oder beherrschen. Darüber<br />
hinaus haften als sog. Hintermänner alle Personen,<br />
die hinter der Gesellschaft stehen <strong>und</strong> auf ihr Geschäftsgebaren<br />
oder die Gestaltung des konkreten<br />
Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben <strong>und</strong><br />
deshalb Mitverantwortung tragen (ständige <strong>Recht</strong>sprechung,<br />
vgl. BGH, Urt. v. 06.10.1980, II ZR 60/80<br />
oder v. 06.03.2008, III ZR 298/05).<br />
Maßgeblich für die Haftung des Hintermanns ist<br />
sein Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung<br />
des Projekts. Er muss eine Schlüsselposition besitzen,<br />
die mit derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar<br />
ist.<br />
Allein die Position eines Beiratsmitglieds oder Beiratsvorsitzenden<br />
lässt ohne Hinzutreten weiterer<br />
Umstände regelmäßig nicht den Schluss auf einen<br />
solchen maßgeblichen Einfluss zu (vgl. BGH, Urt. v.<br />
22.10.1984, II ZR 2/84).<br />
Allerdings unterliegen der Prospekthaftung im engeren<br />
Sinn auch diejenigen, die mit Rücksicht auf<br />
ihre allgemein anerkannte <strong>und</strong> hervorgehobene<br />
berufliche <strong>und</strong> wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft<br />
als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung<br />
einnehmen, sofern sie durch ihr außen<br />
in Erscheinung tretendes Mitwirken am Emissionsprospekt<br />
einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand<br />
schaffen <strong>und</strong> Erklärungen abgeben. Der<br />
Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt<br />
ergeben, sofern die Mitwirkung an der Prospektgestaltung<br />
nicht auf andere Weise nach außen hervorgetreten<br />
ist.<br />
Zu den berufsmäßigen Sachkennern, denen eine<br />
Garantenstellung zukommen kann, gehören z.B.<br />
<strong>Recht</strong>sanwälte, die gutachtliche Stellungnahmen abgeben,<br />
Wirtschaftsprüfer, die den Prospekt geprüft<br />
haben <strong>und</strong> Steuerberater.<br />
Der hier in Anspruch genommene Spitzenpolitiker<br />
hatte in einer Werbebroschüre darauf hingewiesen,<br />
dass er gefordert habe, für jeden einzelnen Anleger<br />
7
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
8<br />
müsse es eine durchgehende Qualitätssicherung geben,<br />
dazu Kompetenz, Kontrolle <strong>und</strong> Transparenz.<br />
Dies sei geschafft worden.<br />
Damit hatte ein prominenter Spitzenpolitiker sich<br />
seines Einflusses auf die Gestaltung des Anlagekonzeptes<br />
berühmt. Mit diesen Aussagen wurde Vertrauen<br />
in Anspruch genommen, wobei auch erkennbar<br />
war, dass dies Investitionsentscheidungen potenzieller<br />
Anlageinteressenten beeinflussen konnte.<br />
Auch ein körperlich vom Emissionsprospekt getrenntes<br />
Schriftstück, welches zusammen mit diesem<br />
vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung<br />
Bestandteil eines Anlageprospektes im<br />
<strong>Recht</strong>ssinn sein.<br />
Wenn eine Person keinerlei Einfluss ausübt <strong>und</strong> keinerlei<br />
Prüfungen vorgenommen haben sollte, darf sie<br />
nicht - wie im vorliegenden Fall geschehen - werben<br />
oder müsste ihr in den M<strong>und</strong> gelegten Äußerungen<br />
widersprechen.<br />
Da noch einige Tatsachen aufgeklärt werden mussten,<br />
hob der BGH die die Klage abweisende Entscheidung<br />
des OLG Karlsruhe auf <strong>und</strong> verwies den <strong>Recht</strong>sstreit<br />
zur erneuten Verhandlung zurück.<br />
1.2 Zur Haftung im Konzernverb<strong>und</strong> für<br />
fehlerhafte Prospekte<br />
(BGH, Urt. v. 18.09.2012, XI ZR 344/11)<br />
Sachverhalt<br />
Die Wohnungsbau Leipzig-West AG (nachfolgend:<br />
Emittentin) legte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt<br />
25 Inhaberschuldverschreibungen ohne<br />
Börsenzulassung auf. Dazu gehörte auch eine mit<br />
einem Prospekt „ausgewogene Konditionen“ beworbene<br />
Anleihe. Eine solche erwarb der klagende<br />
Anleger im April 2005. Er nimmt mit der Begründung,<br />
der Emissionsprospekt sei unvollständig, den<br />
Mehrheitsaktionär der Emittentin persönlich in Anspruch.<br />
Dieser sei wegen eines Gewinnabführungs-<br />
<strong>und</strong> Beherrschungsvertrages herrschender Unternehmer.<br />
Unstreitig erfolgten hohe Zahlungen von<br />
der Emittentin an den beklagten Mehrheitsaktionär.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob der<br />
Prospekt „ausgewogene Konditionen“ fehlerhaft<br />
ist. Bejaht wird eine Unvollständigkeit, weil aus dem<br />
Prospekt nicht ersichtlich ist, dass der Mehrheitsaktionär<br />
als Begünstigter des Gewinnabführungs- <strong>und</strong><br />
Fazit<br />
Zu Beginn der Beteiligungsmodelle (Bauherrnmodelle,<br />
geschlossene Fonds, Erwerbermodelle) war es<br />
weit verbreitet, Prospekte in verschiedene Teile zu<br />
unterteilen. In den letzten Jahren war - auch aus<br />
Haftungsgründen - das Beteiligungsangebot meist<br />
in einem umfangreichen Emissionsprospekt vorgestellt.<br />
Der BGH weist zum einen darauf hin, dass<br />
auch verschiedene getrennte Teile ungeachtet der<br />
körperlichen Trennung einen einheitlichen Anlageprospekt<br />
im <strong>Recht</strong>ssinn darstellen können. Eine Prospektverantwortung<br />
kann deshalb auch dann gegeben<br />
sein, wenn in einem vom eigentlichen Prospekt<br />
getrennten Druckwerk unzutreffende oder irreführende<br />
Aussagen getroffen werden. Des Weiteren<br />
sollten sich diejenigen, die einerseits im Rampenlicht<br />
stehen <strong>und</strong> andererseits aufgr<strong>und</strong> ihrer Stellung<br />
gerne als Werbeträger genommen werden, darüber<br />
bewusst sein, dass sie Mitverantwortung übernehmen<br />
<strong>und</strong> dadurch auch selbst zum Haftungsadressaten<br />
werden können.<br />
Bildquelle: © markus dehlzeit - Fotolia.com<br />
Beherrschungsvertrages dem Vorstand der Emittentin<br />
nachteilige Weisungen erteilen konnte. Die Möglichkeit,<br />
dass derartige nachteilige Weisungen durch<br />
eine beherrschende Konzern-Muttergesellschaft an<br />
eine beherrschte Konzern-Tochtergesellschaft erteilt<br />
werden, <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene erhöhte Gefahr<br />
für an die Konzern-Tochtergesellschaft gezahlte<br />
Anlegergelder, bei Fälligkeit keine Rückzahlung<br />
leisten zu können, ist ein Umstand, der richtig <strong>und</strong><br />
vollständig in einem Wertpapierverkaufsprospekt<br />
darzustellen ist. Hier wendet sich der Emissionsprospekt<br />
ausdrücklich auch an das unk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong><br />
börsenunerfahrene Publikum. An den Fähigkeiten<br />
<strong>und</strong> Erkenntnismöglichkeiten des angesprochenen<br />
Adressatenkreises bestimmt sich, welche Maßstäbe<br />
an Inhalt <strong>und</strong> Verständlichkeit eines Prospektes anzulegen<br />
sind.<br />
Im zweiten Schritt geht das Gericht der Frage nach,<br />
ob der Mehrheitsaktionär für den fehlerhaften Prospekt<br />
auch verantwortlich ist. Prospektveranlasser<br />
gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG in der zwischen<br />
Juli 2002 <strong>und</strong> Oktober 2007 geltenden Fassung sind<br />
Personen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse<br />
an der Emission der Wertpapiere haben <strong>und</strong> darauf<br />
hinwirken, dass ein unrichtiger oder unvollständiger
Prospekt veröffentlicht wird. Es gehe darum - so das<br />
Gericht weiter - mit dieser Regelung eine Lücke bei<br />
den Haftungsverpflichteten zu schließen. Insbesondere<br />
sollen auch Konzern-Muttergesellschaften in<br />
die Haftung einbezogen werden, wenn eine Konzern-Tochtergesellschaft<br />
Wertpapiere emittiert.<br />
Der Mehrheitsaktionär hatte als unmittelbar Begünstigter<br />
des Gewinnabführungs- <strong>und</strong> Beherrschungsvertrages<br />
ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse<br />
an der Einwerbung weiterer Anlegergelder. Er<br />
hatte durch Erteilung von Weisungen zu Zahlungsflüssen<br />
auch tatsächlich in das Geschäft der Emittentin<br />
eingegriffen. Das Gericht bejahte deshalb<br />
eine Schadenersatzpflicht des Mehrheitsaktionärs.<br />
Fazit<br />
Nach § 44 BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren<br />
von denjenigen, die für den Prospekt<br />
die Verantwortung übernommen haben <strong>und</strong> von<br />
denjenigen, von denen der Erlass des Prospektes<br />
ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen<br />
Erstattung des Erwerbspreises verlangen, wenn der<br />
Wertpapierprospekt unrichtig oder unvollständig<br />
ist. Nach § 13 VerkProspG gilt diese Vorschrift für<br />
die Haftung bei einem fehlerhaften Prospekt gem.<br />
§ 13 VerkProspG a.F. entsprechend. Die Schutzbedürftigkeit<br />
des Anlegers ist dieselbe wie in den<br />
Fällen, in denen der BGH die persönliche Prospektverantwortung<br />
<strong>und</strong> Haftung von Hintermännern<br />
bejaht hat.<br />
1.3 Zum Schadenersatzanspruch eines<br />
Treugebers gegen Gründungsgesell-<br />
schafter<br />
(BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger beteiligte sich mittelbar über eine Treuhandkommanditistin<br />
an einem geschlossenen Immobilienfonds.<br />
Mit seiner Klage unmittelbar gegen<br />
die geschäftsführende Gründungskommanditistin<br />
macht er eine Vielzahl von Prospektmängeln geltend<br />
<strong>und</strong> beruft sich auf eine Haftung nach den<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn.<br />
Der Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft sah<br />
vor, dass die Treugeber im Innenverhältnis den unmittelbaren<br />
Kommanditisten gleichgestellt sind.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bejahte zunächst die Eigenschaft der geschäftsführenden<br />
Gründungsgesellschafterin als<br />
möglichen Haftungsadressaten einer Prospekt-<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
haftung im weiteren Sinn. Es entspricht ständiger<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, dass bei einem Beitritt zu einer<br />
Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den<br />
übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen<br />
Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern<br />
<strong>und</strong> dem über einen Treuhänder beitretenden<br />
Kommanditisten jedenfalls dann bestehen,<br />
wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag<br />
wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt<br />
werden soll. Es spielt also keine Rolle, dass<br />
der Treugeber formalrechtlich nicht unmittelbar an<br />
der Gesellschaft beteiligt war.<br />
Einem Anleger muss vor seinem Beitritt ein richtiges<br />
Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden.<br />
Dazu gehört auch eine Aufklärung über Umstände,<br />
die den Vertragszweck vereiteln können. Beruht der<br />
wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen<br />
Immobilienfonds auf der nachhaltigen Erzielung von<br />
Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung, so<br />
ist in einem Anlageprospekt deutlich auf mögliche,<br />
der Erreichbarkeit der Einnahmen entgegenstehende<br />
Umstände hinzuweisen. Außerdem müssen die<br />
sich hieraus für einen Anleger erbebenden Risiken<br />
erläutert werden.<br />
Erweckt ein Prospekt den Eindruck, dass leerstandsbedingte<br />
Nebenkosten bei den einer Mietgarantie<br />
unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen,<br />
sondern vom Mieter bzw. Garanten zu tragen<br />
sind <strong>und</strong> ist dieser Eindruck unzutreffend, liegt ein<br />
Prospektfehler vor.<br />
Werden in einem Prospekt die Begriffe „Generalmietvertrag“<br />
<strong>und</strong> „Mietgarantie“ stets unterschiedslos<br />
nebeneinander verwendet, muss auch<br />
dies beim Anleger den Eindruck hervorrufen, dass<br />
die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit<br />
bei beiden Vertragsarten deckungsgleich ist. Kann<br />
entgegen diesem Eindruck ein Fonds mit leerstandsbedingten<br />
Nebenkosten belastet werden, weil der<br />
Mietgarant hierfür nicht einzustehen hat, ist dies<br />
ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender<br />
Faktor. Es entspricht der Lebenserfahrung,<br />
dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen<br />
nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen. Vom<br />
Anleger wird deshalb nicht gefordert, dass er näher<br />
darlegt, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der<br />
leerstandsbedingten Nebenkosten im Einzelnen zu<br />
bemessen ist.<br />
Sodann weist der BGH auf seine ständige <strong>Recht</strong>sprechung<br />
hin, dass ein Prospektfehler nach der Lebenserfahrung<br />
für die Anlageentscheidung ursächlich<br />
geworden ist. Die Vermutung aufklärungsrichtigen<br />
Verhaltens sichert das <strong>Recht</strong> des Anlegers, in eige-<br />
9
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
10<br />
ner Entscheidung <strong>und</strong> Abwägung des Für <strong>und</strong> Wider<br />
darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes<br />
Projekt investieren will oder nicht.<br />
Beim Schaden kommt es nicht darauf an, ob die<br />
Beteiligung werthaltig ist oder nicht. Gr<strong>und</strong> für die<br />
Haftung nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung<br />
ist der Eingriff in das <strong>Recht</strong> des Anlegers, nach<br />
zutreffender Information über die Verwendung seines<br />
Vermögens selbst zu bestimmen <strong>und</strong> sich für<br />
oder gegen die Anlage entscheiden zu können.<br />
Fazit<br />
Das Urteil fußt auf altbekannten Gr<strong>und</strong>sätzen. Es ist<br />
gleichwohl lesenswert, weil es die Voraussetzungen<br />
für die Prospekthaftung im weiteren Sinn einschl.<br />
des Kreises möglicher Haftungsadressaten noch<br />
einmal nahezu schulmäßig zusammenfasst.<br />
1.4 Falschberatung auch bei der Empfeh-<br />
lung einer Beteiligung am<br />
„Singapore-Flyer“<br />
(LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.07.2012,<br />
2-10 O 478/11, nrkr.)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger machte Schadenersatzansprüche wegen<br />
Falschberatung im Zusammenhang mit dem<br />
Erwerb einer KG-Beteiligung geltend. Investitionsgegenstand<br />
war insbesondere das Riesenrad „Singapore-Flyer“.<br />
Der Anleger stützte seine Vorwürfe<br />
auf Prospektfehler, aber auch auf individuelle<br />
Pflichtverletzungen aus einem Beratungsvertrag.<br />
Die in Anspruch genommene Bank war der Ansicht,<br />
keine Beratung, sondern bloße Vermittlungsleistungen<br />
erbracht zu haben. Entsprechend geringer<br />
sei ihr Pflichtenkatalog. Unstreitig hatte die Bank<br />
eine Vergütung erhalten. Sie war im Prospekt auch<br />
nicht als Provisionsempfängerin aufgeführt. Mit<br />
dem Einwerben von Anlegern war eine GmbH beauftragt.<br />
Sie durfte im Namen der Fondsgesellschaft<br />
aufgr<strong>und</strong> ihr erteilter Vollmacht „entsprechende<br />
Vereinbarungen mit geeigneten Kapitalanlageberatern<br />
(z.B. Privatbanken)“ abschließen. Diese sollten<br />
dann „jeweils eine individuell vereinbarte Provision“<br />
erhalten, die sich die GmbH auf ihre Vermittlungsvergütung<br />
anrechnen lassen musste.<br />
Entscheidung<br />
Die auf Rückzahlung der Einlagesumme zzgl. 3 %<br />
Zinsen gerichtete Klage Zug um Zug gegen Rückübertragung<br />
der Beteiligung hatte bis auf den entgangenen<br />
Gewinn Erfolg. Das Gericht fasste dabei<br />
noch einmal die Voraussetzungen für das Vorliegen<br />
einer Anlageberatung zusammen. In Abgrenzung<br />
zu einer bloßen Anlagevermittlung setze ein<br />
Beratungsvertrag voraus, dass die Bank unter fachk<strong>und</strong>iger<br />
Bewertung von Tatsachen <strong>und</strong> den aus<br />
ihnen zu ziehenden Schlüssen unter Berücksichtigung<br />
der besonderen Interessenlage des Anlegers<br />
eine konkrete Anlageempfehlung ausspricht. Für<br />
die Bank ist dabei regelmäßig erkennbar, dass die<br />
Beratung für den K<strong>und</strong>en von erheblicher Bedeutung<br />
ist, da er sie zur Gr<strong>und</strong>lage einer Kapitalanlageentscheidung<br />
machen will. Für eine Beratung<br />
spreche, wenn ein Bankmitarbeiter persönliches<br />
Vertrauen in Anspruch nehme <strong>und</strong> beispielsweise<br />
den Eindruck erwecke, die Anlage sei zuvor eingehend<br />
geprüft <strong>und</strong> deshalb erst in den Vertrieb<br />
aufgenommen worden. Gleiches gilt, wenn die<br />
Bank im Prospekt als Referenz genannt werde. Im<br />
Zweifel ist regelmäßig vom Vorliegen eines Beratungsvertrages<br />
<strong>und</strong> nicht nur eines Vermittlungsvertrages<br />
auszugehen.<br />
Ob noch weitere Aufklärungspflichtverletzungen<br />
<strong>und</strong> Prospektfehler vorlagen, ließ das Gericht offen.<br />
Die Bank habe jedenfalls bereits dadurch<br />
schuldhaft Pflichten verletzt, dass sie über von ihr<br />
vereinnahmte Provisionen nicht informiert hat. Auf<br />
die Prospektangaben konnte sie sich nicht berufen.<br />
Aus diesem ergab sich nicht, dass die Bank<br />
Empfängerin von Provisionen ist. Erst recht ergab<br />
sich nicht deren genaue Höhe. Nicht ausreichend<br />
ist es jedoch, wenn lediglich darauf hingewiesen<br />
wird, dass für die Eigenkapitalbeschaffung ein bestimmter<br />
Betrag aufgewendet wird.<br />
Fazit<br />
Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt bewegt<br />
sich auf inzwischen vertrauten Pfaden. Banken<br />
versuchen häufig, ihre Tätigkeit als bloße Vermittlungsleistung<br />
darzustellen, auch wenn sie seit<br />
Jahr <strong>und</strong> Tag K<strong>und</strong>en in Angelegenheiten der Vermögensvorsorge<br />
betreuen. Das Vorliegen eines Beratungsvertrages<br />
ist deshalb der Regelfall, die bloße<br />
Vermittlung die Ausnahme. Das Gericht hatte<br />
davon abgesehen, sich mit den Fragen des Vorliegens<br />
weitere Prospektfehler auseinanderzusetzen,<br />
auf die die Bank im Rahmen der von ihr zweifelsfrei<br />
geschuldeten Plausibilitätsprüfung, erst recht<br />
aber bei Prüfung des Angebots mit bankkritischem<br />
Sachverstand hätte hinweisen müssen. Dass kein<br />
entgangener Gewinn zugesprochen wurde, war<br />
offenbar noch dem Urteil des XI. Zivilsenats vom<br />
24.04.2012 geschuldet. Von dieser <strong>Recht</strong>sprechung<br />
ist der XI. Zivilsenat mittlerweile selbst wieder<br />
abgerückt (vgl. oben die Besprechung des Urteils<br />
vom 08.05.2012).
1.5 OLG Frankfurt am Main verneint im<br />
KapMuG-Verfahren gegen die Telekom<br />
Prospektfehler<br />
(OLG Frankfurt am Main, Musterentscheid<br />
im KapMuG-Verfahren vom 16.05.2012,<br />
23 Kap 1/06)<br />
Sachverhalt<br />
Die Aktie der Deutschen Telekom war seit Sommer<br />
2000 auf r<strong>und</strong> 1/6 ihres damaligen Wertes<br />
gefallen. Knapp 17.000 Telekom-Aktionäre warfen<br />
der Telekom ein grob fahrlässiges Verhalten bei<br />
der Erstellung des Börsenprospektes für den dritten<br />
Börsengang vor. Die Hauptaspekte, mit denen<br />
Kläger Unrichtigkeiten des Prospektes gerügt hatten,<br />
waren der Erwerb des amerikanischen Mobilfunkunternehmens<br />
Voicestream, die Darstellung zu<br />
den Immobilien der Telekom, die Vorgänge um die<br />
konzerninterne Übertragung der Aktien an dem<br />
amerikanischen Telekommunikationsunternehmen<br />
Sprint, die Übernahme der Prospekthaftung durch<br />
die Telekom <strong>und</strong> schließlich das Bestehen einer<br />
sog. Eventualverbindlichkeit (hervorgerufen durch<br />
mögliche Ansprüche von Anlegern aus dem vorherigen<br />
Börsengang).<br />
Bildquelle: © Africa Studio - Fotolia.com<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Entscheidung<br />
Das sog. Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz<br />
ist extra zur Bewältigung der Massenklagen, die<br />
wegen des dritten Börsengangs gegen die Deutsche<br />
Telekom erhoben wurden, geschaffen worden.<br />
Das Gesetz trat im November 2005 in Kraft.<br />
Es soll ermöglichen, aus einer Vielzahl gleichgelagerter<br />
Schadenersatzprozesse wegen falscher<br />
Prospekte oder fehlerhafter Kapitalmarktinformationen<br />
auf Antrag ein Musterverfahren vor dem<br />
Oberlandesgericht zu bestimmen. Alle anderen<br />
Kläger können gr<strong>und</strong>sätzlich Beigeladene dieses<br />
Musterverfahrens werden <strong>und</strong> gem. § 8 KapMuG<br />
auf den Musterprozess Einfluss nehmen. Die Verhandlungen<br />
im jetzt durch Musterentscheid (vorläufig)<br />
entschiedenen <strong>Recht</strong>sstreit begannen im<br />
April 2008. Nach umfangreicher Beweisaufnahme<br />
mit Anhörung etlicher Zeugen kam das OLG Frankfurt<br />
zum Ergebnis, dass im Börsenverkaufsprospekt<br />
der Deutschen Telekom aus dem Jahr 2000 keine<br />
gravierenden Fehler enthalten seien. Der Erwerb<br />
von Voicestream habe zum Zeitpunkt des Börsengangs<br />
noch nicht festgestanden. Die Immobilien<br />
seien nicht unrichtig bewertet. Die angewandte<br />
Bewertungsmethode (das sog. Cluster-Verfahren)<br />
habe der damaligen Gesetzeslage entsprochen.<br />
Bei diesem Verfahren wird nicht jede einzelne von<br />
mehreren Tausend Immobilien bewertet. Vielmehr<br />
werden diese Immobilien zu Bewertungseinheiten<br />
zusammengefasst.<br />
Die konzerninterne Übertragung der Anteile an<br />
dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen<br />
Sprint wäre ebenfalls in hinreichender<br />
Deutlichkeit im Prospekt erläutert worden. Aus<br />
dem Prospekt wäre auch abzuleiten gewesen, dass<br />
die Telekom zunächst allein <strong>und</strong> in vollem Umfang<br />
haftet. Ob ein Rückgriffsanspruch gegen Dritte<br />
bestünde, müsse in den Prospekt nicht aufgenommen<br />
werden.<br />
Schließlich sei es auch nicht erforderlich gewesen, im<br />
Prospekt für den dritten Börsengang einen Hinweis<br />
auf etwaige Prospekthaftungsansprüche aufzunehmen,<br />
die Aktionäre aufgr<strong>und</strong> des zweiten Börsengangs<br />
der Deutschen Telekom haben könnten.<br />
Fazit<br />
Das KapMuG konnte seit seiner Einführung im Jahr<br />
2005 seine Praxistauglichkeit noch nicht überzeugend<br />
unter Beweis stellen. Zurzeit werden deshalb<br />
auch Pläne zur Reformierung des Gesetzes diskutiert.<br />
Der im vorliegenden Musterentscheid unterlegene<br />
Kläger hat nach Mitteilung der ihn vertretenden<br />
Anwälte auch sofort <strong>Recht</strong>sbeschwerde<br />
beim BGH eingelegt. Es wird deshalb noch eine<br />
11
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
12<br />
ganze Weile dauern, bis endgültig Klarheit herrscht,<br />
ob der von der Telekom zu verantwortende Prospekt<br />
ihres dritten Börsengangs vollständig <strong>und</strong> richtig ist<br />
oder Fehler enthielt.<br />
1.6 Ausnahme von der Prospektpflicht:<br />
Formale oder wirtschaftliche Betrach-<br />
tungsweise?<br />
(OLG München, Urt. v. 02.11.2011, 20 U<br />
2289/11; gegen die Entscheidung wurde<br />
Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein-<br />
gelegt, dortiges Aktenzeichen: II ZR 268/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin beteiligte sich im April 2006 als Kommanditistin<br />
einer GmbH & Co. KG. An dieser beteiligten<br />
sich nicht mehr als 20 Anleger. Daneben gab<br />
es einen zweiten <strong>und</strong> einen dritten Fonds desselben<br />
Emittenten mit ebenfalls weniger als 20 Anlegern.<br />
Unternehmensgegenstand aller drei Fondsgesellschaften<br />
war die Beteiligung an einer Holdinggesellschaft.<br />
Diese beteiligte sich an der Zielgesellschaft.<br />
Die Fonds unterschieden sich in ihrem Anlageverhalten<br />
<strong>und</strong> ihrem Investment nicht voneinander.<br />
Die Zielgesellschaft wurde im Jahr 2008 insolvent.<br />
Die Kommanditistin nahm die Initiatorin, die auch<br />
Komplementärin war, sowie deren Geschäftsführer<br />
<strong>und</strong> Gründungskommanditist auf Rückzahlung der<br />
Einlage Zug um Zug gegen Rückübertragung des<br />
Fondsanteils in Anspruch.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG München bejahte eine Haftung der Beklagten<br />
wegen fehlenden Prospektes. Das Gericht<br />
vertrat die Ansicht, die Haftungsadressaten könnten<br />
sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 8<br />
Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. VerkProspG berufen. Nach dieser<br />
Bagatellgrenze bedarf es keines Prospektes, wenn<br />
nicht mehr als 20 Anteile von derselben Vermögensanlage<br />
öffentlich angeboten werden. Die Vorschrift<br />
stelle auf dieselbe Vermögensanlage ab. Hier sei<br />
eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten,<br />
nicht eine rein formelle Betrachtungsweise. Für dasselbe<br />
Anlageobjekt könnten nicht mehrere Fondsgesellschaften<br />
aufgelegt werden, die jeweils nicht<br />
mehr als 20 Anteile begeben. Ansonsten würde der<br />
Schutzzweck der Prospektveröffentlichungspflicht<br />
umgangen werden. Das OLG München erachtete<br />
als unerheblich, dass sich die Fonds in unterschiedlichem<br />
Umfang an der Zielgesellschaft beteiligt hatten.<br />
Selbst eine - mündliche - Mitteilung der BaFin,<br />
dass keine Prospektpflicht bestünde, da auf die jeweilige<br />
Fondsgesellschaft <strong>und</strong> nicht das jeweilige<br />
Anlageobjekt abzustellen sei, konnte die Haftungsadressaten<br />
nicht entlasten. Obgleich ein Prospekt<br />
vorlag, bejahte das OLG München eine Haftung wegen<br />
fehlenden Prospektes, da der Prospekt nicht gestattet<br />
war. Daneben bejahte das Gericht auch eine<br />
vorvertragliche Haftung wegen falscher Prospektaussagen<br />
unter Verweis auf die Gr<strong>und</strong>sätze der allgemeinen<br />
bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung.<br />
Fazit<br />
Das OLG München setzt mit dieser Entscheidung<br />
einen - vorläufigen - Schlussstrich unter die in der<br />
Literatur kontrovers diskutierten Ansichten, ob im<br />
Hinblick auf die Bagatellgrenze eine formale oder<br />
wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist. Der<br />
Ausnahmetatbestand in § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG<br />
(künftig: § 2 Nr. 3 lit. a) VermAnlG) ist wirtschaftlich<br />
auszulegen, nicht formal. Damit scheidet<br />
die Möglichkeit aus, die Prospektpflicht dadurch<br />
zu umgehen, indem mehrere Kleinfonds mit identischem<br />
Investitionsvorhaben <strong>und</strong> unterschiedlicher<br />
Anlegerstruktur emittiert werden.<br />
1.7 VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig,<br />
unvollständig <strong>und</strong> irreführend<br />
(OLG München, Musterentscheid vom<br />
30.12.2011, Kap1/07)<br />
Sachverhalt<br />
Für die Beteiligung „VIP Medienfonds 4 GmbH &<br />
Co. KG“ wurde ab März 2004 mittels eines Prospektes<br />
geworben, der die Anlageinteressenten<br />
über Chancen <strong>und</strong> Risiken der Beteiligung aufklären<br />
sollte. Mittels dieses Prospektes wurden zahlreiche<br />
Anleger geworben. Das OLG München hatte<br />
in einem Kapitalanleger-Musterverfahren darüber<br />
zu befinden, ob der Prospekt den rechtlichen Anforderungen<br />
entsprach. Das Musterverfahren richtete<br />
sich zum einen gegen den Fondsinitiator <strong>und</strong> zum<br />
anderen eine Bank, der vorgeworfen wurde, dass<br />
die Gelder der Fondsgesellschaft abweichend von<br />
den Vorschriften des Prospektes an verschiedene<br />
Firmen überwiesen worden sind.<br />
Entscheidung<br />
Nach den Feststellungen des OLG München flossen<br />
nur ca. 20 % der Fondsgelder in die Filmproduktion.<br />
Mit den restlichen r<strong>und</strong> 80 % sollte hingegen<br />
ein reines Einlagengeschäft bei einer Bank getätigt<br />
werden. Im Jahr 2014 sollte die Fondsgesellschaft<br />
dann einen festen Betrag erhalten, der unabhängig<br />
von dem wirtschaftlichen Erfolg der Filme bezahlt<br />
werden sollte. Wäre dies im Prospekt offengelegt
worden, wäre eine solche Beteiligung nicht als unternehmerische<br />
Beteiligung mit einer großen Verlustzuweisung<br />
an die Anleger anerkannt worden.<br />
Tatsächlich liefen die Gelder deshalb zunächst über<br />
verschiedene Firmen, die sich mit der Produktion<br />
von Filmen befassten. Einen realistischen wirtschaftlichen<br />
Hintergr<strong>und</strong> hatte dies aber nicht. Steuerlich<br />
wurden die Vertragsgestaltungen deshalb nicht anerkannt.<br />
Das Gericht zog daraus die Schlussfolgerung, dass die<br />
gewählte vertragliche Gestaltung zur Erreichung des<br />
erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist<br />
<strong>und</strong> der Anleger darüber nicht informiert worden ist.<br />
Darüber hinaus wurde das tatsächlich bestehende<br />
Verlustrisiko verharmlost. Der Fonds wurde als „ein<br />
Garantiefonds“ bezeichnet, obwohl es keine Garantie<br />
gegenüber den Anlegern gab. In verschiedenen<br />
Textpassagen wurde darauf hingewiesen, dass das<br />
Kommanditkapital in Höhe von 115 % abgesichert<br />
sei. Eine derartige Absicherung existierte nicht.<br />
Schließlich stufte das Gericht auch die Prognoserechnung,<br />
die die Gewinnerwartung der Anleger<br />
beschreibt, als fehlerhaft ein. Die mit der Gewinnprognose<br />
verb<strong>und</strong>enen Risiken wurden nicht im erforderlichen<br />
Umfang dargelegt. Sie basierte darauf,<br />
dass Gewinne mehrfach reinvestiert werden sollten.<br />
Die erste Investition sollte aus dem Geld der Anleger<br />
erfolgen, weitere Reinvestitionen aus den am Anfang<br />
erzielten Gewinnen. Der Prospekt verschwieg,<br />
dass die Gewinnprognose in sich zusammenbricht,<br />
wenn die ersten Filmproduktionen floppen <strong>und</strong> kein<br />
Geld mehr für Reinvestitionen zur Verfügung steht.<br />
Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Fazit<br />
Durch diesen - noch nicht rechtskräftigen - Musterentscheid<br />
ist zunächst verbindlich für alle in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
bei unterschiedlichen Gerichten anhängigen<br />
Klagen um den Medienfonds VIP 4 geklärt,<br />
dass der Prospekt teilweise unrichtig, unvollständig<br />
<strong>und</strong> irreführend ist. Ebenfalls ist die Prospektverantwortung<br />
der Musterbeklagten geklärt. Sie haben<br />
schuldhaft gehandelt. Für Anleger ist dies ein großer<br />
Schritt in Richtung „Zuspruch eines Schadenersatzanspruchs“.<br />
Darüber muss nun im jeweiligen Einzelfall<br />
bef<strong>und</strong>en werden.<br />
1.8 Zur Frage von Prospekthaftungsan -<br />
sprüchen bei Vermittlung von Lehman-<br />
Zertifikaten<br />
(OLG München, Urt. v. 22.05.2012, 5 U<br />
1725/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin hatte im November 2006 Lehman-<br />
Zertifikate erworben, die inzwischen weitgehend<br />
wertlos sind. Dem Erwerb war ein seinem Inhalt<br />
nach streitiges Gespräch vorausgegangen, welches<br />
ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens<br />
mit der Anlegerin geführt hatte. Die<br />
Anlegerin brachte vor, es sei ein Beratungsvertrag<br />
zustande gekommen. Sie behauptete diverse Beratungsmängel<br />
<strong>und</strong> fehlerhafte Produktunterlagen.<br />
Eine schriftliche Produktbeschreibung wertete sie<br />
als Prospekt, für dessen Inhalt sie neben dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen<br />
auch die Prospektherausgeberin<br />
in Anspruch nimmt.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG München bejaht sowohl das Zustandekommen<br />
eines Beratungsvertrages als auch dessen<br />
Verletzung, weil die der Anlegerin mittels Emissionsunterlagen<br />
erteilten Informationen in einem für<br />
die Anlageentscheidung wesentlichen <strong>und</strong> daher<br />
aufklärungs- <strong>und</strong> prospektpflichtigen Punkt vom<br />
wahren Sachverhalt zum Nachteil des Anlegers abweichen.<br />
Der Anlageberater ist für eine solche Fehlinformation<br />
mit verantwortlich.<br />
Wird in einer schriftlichen Produktbeschreibung<br />
fälschlicherweise behauptet, hinter einem garantierten<br />
Finanzprodukt stehe die US-amerikanische<br />
Investmentbank als Garant <strong>und</strong> handelt es sich nur<br />
um eine Tochtergesellschaft dieser Investmentbank,<br />
die über keinen Bankenstatus verfügt, handelt es<br />
sich sowohl um einen für die Anlageentscheidung<br />
bedeutsamen Umstand als auch um einen unzutref-<br />
13
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
14<br />
fenden Hinweis, der - wenn er nicht richtiggestellt<br />
wird - Haftungsfolgen nach sich zieht. Der Schadenersatzanspruch<br />
war auch nicht verjährt. Prospekthaftungsansprüche<br />
im engeren Sinne wegen fehlerhafter<br />
Prospektangaben verjähren in einem Jahr<br />
seit dem Zeitpunkt, in dem der Anleger von dem<br />
Prospektfehler Kenntnis erlangt hat, spätestens<br />
aber drei Jahre nach Abschluss des Beitrittsvertrages.<br />
Maßgebend für<br />
den Beginn der Verjährungsfrist<br />
ist hierbei nicht<br />
das Datum der Zeichnungserklärung,<br />
sondern<br />
der Zeitpunkt des Zustandekommens<br />
eines bindenden<br />
Vertrages. Nachdem<br />
kein Verzicht der<br />
Anlegerin auf eine Annahmeerklärung<br />
erklärt<br />
wurde, kannte die Anlegerin<br />
das Zustandekommen<br />
eines Wertpapier-<br />
Kaufvertrages frühestens<br />
mit Unterrichtung über<br />
die Annahme des Zeichnungsangebotes.<br />
Die<br />
Klage war vor Ablauf des<br />
2.1 Neues zu Kick-Backs <strong>und</strong> verspäteter<br />
Prospektübergabe<br />
(BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger, der sich über seine Bank an einem<br />
Medienfonds beteiligt hatte, fühlte sich schlecht<br />
beraten <strong>und</strong> begehrte die Rückabwicklung der Beteiligung,<br />
weitergehenden Schaden (entgangenen<br />
Gewinn <strong>und</strong> vorgerichtliche Anwaltskosten) sowie<br />
noch zusätzliche Feststellungen Zug um Zug gegen<br />
Rückübertragung der Beteiligung. Die in Anspruch<br />
genommene Bank hatte dem Anleger ein Jahr zuvor<br />
eine andere Medienfondsbeteiligung empfohlen.<br />
Damals hatte sie auf die Tatsache hingewiesen, dass<br />
sie für die Einwerbung von Anlegergeldern an der<br />
Eigenkapitalvermittlungsvergütung partizipiert. Sie<br />
hatte auch die genaue Höhe der Vergütung offengelegt.<br />
Bei der zweiten Beteiligung unterzeichnete<br />
für die Verjährung maßgeblichen 3-Jahreszeitraums<br />
eingereicht worden.<br />
Fazit<br />
In inzwischen mehreren Entscheidungen hat der<br />
BGH Klagen von Anlegern, die über ihre Bank<br />
Lehman-Zertifikate erworben haben <strong>und</strong> von ihrer<br />
Bank Schadenersatz forderten, abgewiesen. MaßgeblicherGesichtspunkt<br />
war in diesen<br />
Entscheidungen regelmäßig,<br />
dass beim<br />
Verkauf von Indexzertifikaten<br />
im Wege des<br />
Eigengeschäfts keine<br />
Aufklärungspflicht einer<br />
beratenden Bank<br />
über ihre Gewinnspanne<br />
besteht. Die Haftung<br />
eines Anlagevermittlers<br />
<strong>und</strong> erst recht<br />
die eines Anlageberaters<br />
können aber unter<br />
dem Gesichtspunkt<br />
fehlerhafter Produktinformationsunterlagen<br />
in Betracht kommen.<br />
Bildquelle: © vege - Fotolia.com<br />
2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />
der Anleger einen Vermögensanlagebogen. Darin<br />
erklärte er sich einverstanden, dass der Bank im Zusammenhang<br />
mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften<br />
Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile<br />
durch Dritte gewährt werden. Der Prospekt wurde<br />
erst am Zeichnungstag übergeben. Er enthielt keinen<br />
Hinweis darauf, dass die vermittelnde Bank an<br />
Provisionen partizipiert.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH gibt zunächst einen Überblick über seine<br />
eigenen <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätze der letzten<br />
Jahre. Bei nicht offengelegten Provisionen handele<br />
es sich um Rückvergütungen. Über Rückvergü-
tungen müsse aufgeklärt werden. Eine Aufklärung<br />
könne mittels Prospektes erfolgen, wenn der Prospekt<br />
rechtzeitig übergeben werde <strong>und</strong> im Prospekt<br />
die vermittelnde Bank als Provisionsempfängerin<br />
genannt ist <strong>und</strong> die Höhe der von der Bank zu beanspruchenden<br />
Vergütung genannt ist. Eine Prospektübergabe<br />
am Tag der Zeichnung ist zu spät. Wenn<br />
im Prospekt kein entsprechender Hinweis zu finden<br />
sei, sei die Offenlegung des Interessenkonfliktes auf<br />
anderem Weg geschuldet. Der Hinweis im Vermögensanlagebogen<br />
reiche nicht aus, denn ein Wertpapiergeschäft<br />
<strong>und</strong> der Erwerb einer Fondsbeteiligung<br />
seien zweierlei. Eine Pflichtverletzung war<br />
deshalb zu bejahen. Für den Anleger spricht die Vermutung<br />
aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dies führe<br />
zu einer Beweislastumkehr. Die sich verteidigende<br />
Bank müsse also darlegen <strong>und</strong> beweisen, dass auch<br />
bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Beteiligung<br />
gezeichnet worden wäre.<br />
An dieser Stelle entwickelt der BGH dann die bisherigen<br />
Gr<strong>und</strong>sätze weiter. Die Beweislastumkehr<br />
greife bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung<br />
ein. Es komme nicht darauf an, ob ein<br />
Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise<br />
nur eine Handlungsalternative gehabt hätte<br />
<strong>und</strong> er sich nicht in einem Entscheidungskonflikt<br />
bef<strong>und</strong>en hätte. Das Abstellen auf einen fehlenden<br />
Entscheidungskonflikt sei mit dem Schutzzweck der<br />
Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren.<br />
Gerade wenn sich für den Kapitalanleger mehrere<br />
Handlungsalternativen stellen würden, ist dessen<br />
Aufklärung <strong>und</strong> Beratung von besonderer Wichtigkeit,<br />
um seine Entscheidungsfreiheit zu wahren.<br />
Den Entlastungsbeweis könne die in Anspruch genommene<br />
Bank auch dadurch führen, dass sie sich<br />
auf die Aussage des Anlegers selbst beruft. Dieser<br />
ist dann als Partei oder - wenn er zuvor die Beteiligung<br />
abgetreten haben sollte - als Zeuge zu vernehmen.<br />
Im konkreten Fall sah der BGH ein Indiz darin,<br />
dass der Anleger ein Jahr zuvor eine Medienfondsbeteiligung<br />
erworben hätte <strong>und</strong> damals wusste, in<br />
welcher Höhe seine Bank an den Provisionen partizipierte.<br />
Der BGH hob deshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts,<br />
welches der Klage weitestgehend<br />
stattgegeben hatte, auf <strong>und</strong> verwies die Angelegenheit<br />
zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht<br />
zurück.<br />
Interessant <strong>und</strong> für die Praxis wichtig ist noch ein<br />
weiterer Hinweis des XI. Zivilsenats: Nachdem er<br />
genau zwei Wochen vor diesem Urteil entschieden<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
hatte, dass an die Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast eines<br />
Geschädigten, der entgangenen Gewinn geltend<br />
macht, hohe Anforderungen zu stellen sind, legte<br />
er die Messlatte nunmehr wieder zumindest etwas<br />
tiefer. Eingesetztes Eigenkapital bleibe erfahrungsgemäß<br />
nicht ungenutzt, sondern werde zu einem<br />
allgemein üblichen Zinssatz angelegt. Ein Zinssatz<br />
von 2 % p.a. als entgangenem Gewinn sei deshalb<br />
angemessen. Zur Feststellung der Höhe des allgemein<br />
üblichen Zinssatzes könne der Tatrichter von<br />
der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1<br />
ZPO Gebrauch machen.<br />
Fazit<br />
Die BGH-Entscheidung ist eine Weiterentwicklung<br />
der bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung des BGH zu Kick-<br />
Backs <strong>und</strong> zur Vermutung aufklärungsrichtigen<br />
Verhaltens. Man muss nun kein Prophet sein, um<br />
den Ausblick zu wagen, wie sich die Banken, die<br />
auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden,<br />
künftig verteidigen werden. Schon heute wird häufig<br />
der Zeugenbeweis oder die Parteivernehmung<br />
des Anlegers beantragt. Diesen Beweisantrag werden<br />
die Tatsachengerichte fortan nachzugehen haben.<br />
Erfreulich ist, dass der XI. Zivilsenat seine im<br />
Urteil vom 24.04.2012 getroffene Entscheidung<br />
wieder ein wenig revidiert hat. Sie stand auch im<br />
Widerspruch zur Entscheidung des II. Zivilsenats<br />
vom 23.04.2012. Dem Geschädigten bleibt es unbenommen,<br />
seinen konkreten Schaden geltend zu<br />
machen. Dann muss er allerdings darlegen <strong>und</strong> ggf.<br />
beweisen, welche Anlage er erworben hätte <strong>und</strong><br />
welchen Gewinn er aus dieser Anlage erzielt hätte.<br />
Bildquelle: © Fineas - Fotolia.com<br />
15
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
16<br />
2.2 Zur Frage der Aufklärungspflicht eines<br />
selbstständigen Unternehmens der<br />
„Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt<br />
über Provisionen aufzuklären<br />
(BGH, Urt. v. 19.07.2012, III ZR 308/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin beteiligte sich im Dezember 2003 an<br />
einem Medienfonds. Vermittelt hatte diesen eine<br />
Vertriebsgesellschaft, die zur Finanzgruppe einer<br />
Sparkasse gehörte, aber ein rechtlich selbstständiges<br />
Unternehmen war. Für diese Vertriebsgesellschaft<br />
war ein freier Handelsvertreter tätig. Zwischen den<br />
Parteien ist streitig, wer auf wen zugekommen ist.<br />
Unstreitig hat die Anlegerin eine Agio-Erstattung<br />
von 3 % auf das 5 %-ige Agio erhalten sollen. Über<br />
die Frage der Höhe von Provisionszahlungen, die die<br />
Vertriebsgesellschaft für die Vermittlung der Anlage<br />
erhielt, wurde nicht gesprochen.<br />
Die Anlegerin forderte Schadenersatz <strong>und</strong> stützte<br />
ihren Anspruch u.a. auf die mangelnde Aufklärung<br />
über die von der Vertriebsgesellschaft vereinnahmte<br />
Provision.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH führte zunächst aus, dass er im Rahmen<br />
des Revisionsverfahrens (nur noch) über den Vorwurf<br />
der unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung<br />
über die Provisionsoffenlegung zu befinden<br />
habe. Soweit ein behaupteter Pflichtverstoß<br />
von anderen Pflichtverstößen eindeutig abgegrenzt<br />
werden kann, kann er auch in tatsächlicher<br />
<strong>und</strong> rechtlicher Hinsicht selbstständig beurteilt<br />
werden.<br />
Der III. Zivilsenat verwies auf seine <strong>Recht</strong>sprechung,<br />
nach der ein freier <strong>und</strong> nicht bankmäßig<br />
geb<strong>und</strong>ener Anlageberater nicht verpflichtet ist,<br />
den Anleger ungefragt über den Umstand <strong>und</strong> die<br />
Höhe einer Provision aufzuklären (sc. jedenfalls<br />
wenn eine bestimmte Provisionshöhe nicht überschritten<br />
wird; Anm. des Verfassers). Da ein Anlageberater<br />
mit der Beratung als solcher sein Geld<br />
verdienen muss, könne berechtigterweise nicht<br />
angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt<br />
kostenlos erbringt. Regelmäßig sind die<br />
vertraglichen Beziehungen zwischen dem K<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> einem freien Anlageberater nicht in eine<br />
dauerhafte Geschäftsbeziehung eingebettet. Sind<br />
Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung<br />
deshalb offen ausgewiesen, besteht regelmäßig<br />
kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf,<br />
dass der Anlageberater keine Leistungen des<br />
Kapitalsuchenden erhält. Einem Anleger sind in<br />
diesem Fall sowohl die Provisionsvergütung des<br />
Beraters als auch der damit möglicherweise verb<strong>und</strong>ene<br />
Interessenkonflikt bewusst.<br />
Gleich betonte das Gericht, dass bezüglich der<br />
Aufklärungsbedürftigkeit eines Anlegers dahingehend<br />
differenziert werden müsse, ob die Beratung<br />
durch die (Haus-)Bank erfolgt oder durch<br />
einen freien <strong>und</strong> nicht an eine Bank geb<strong>und</strong>enen<br />
Anlageberater.<br />
Im konkreten Fall hatte die Anlegerin sogar über<br />
das Agio verhandelt <strong>und</strong> eine Rückerstattung von<br />
60 % vereinbaren können. Der Anlegerin wäre es<br />
unschwer möglich gewesen, die konkrete Höhe<br />
der Provision vom Anlageberater zu erfragen.<br />
Vom (freien) Anlageberater kann nicht verlangt<br />
werden, dass er seine K<strong>und</strong>en ohne Anlass oder<br />
Nachfrage über die Höhe ggf. sämtlicher Provisionen<br />
für die Vermittlung der in seinem Beratungsprogramm<br />
enthaltenen Anlagen aufklärt.<br />
Fazit<br />
Der III. Zivilsenat des BGH setzt damit seine eigene<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, insbesondere die <strong>Urteile</strong> vom<br />
15.04.2012 (III ZR 196/09), vom 03.03.2011 (XI ZR<br />
170/10) <strong>und</strong> vom 10.11.2011 (III ZR 245/10) fort.<br />
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2.3 Keine Aufklärungspflichten einer Bank<br />
bei Festpreisgeschäften<br />
(BGH, Urt. v. 26.06.2012, XI ZR 259/11, XI<br />
ZR 316/11, XI ZR 355/10 <strong>und</strong> XI ZR 356/10)<br />
Sachverhalt<br />
In den vier vom BGH am 26.06.2012 entschiedenen<br />
Verfahren ging es erneut um Schadenersatzklagen<br />
von Anlegern, die Zertifikate von Lehman-Brothers<br />
in unterschiedlicher Höhe erworben hatten. Die<br />
Schadenersatzklage richtete sich jeweils gegen dieselbe<br />
Bank. Die Anleger erwarben im Februar 2007<br />
die Zertifikate. Mit der Insolvenz der Emittentin im<br />
September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate<br />
weitgehend wertlos. In allen Fällen erhielt die in Anspruch<br />
genommene Bank von der Emittentin eine<br />
Vertriebsprovision von 3,5 %, die sie den Anlegern<br />
nicht offenbarte.<br />
Entscheidung<br />
Die Vorinstanzen hatten den jeweiligen Klagebegehren<br />
überwiegend stattgegeben. Sie hatten angenommen,<br />
dass es hierbei keine Rolle spiele, ob<br />
die Bank die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäftes<br />
oder eines Kommissionsgeschäftes angeboten<br />
habe. Bei einem Kommissionsgeschäft folge<br />
die Pflichtverletzung der Bank auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, die fordert, über Rückvergütungen<br />
aufzuklären. Beim Festpreisgeschäft hätte die Bank<br />
auf ihre Verkäuferstellung <strong>und</strong> einen daraus folgenden<br />
Interessenkonflikt hinweisen müssen.<br />
Der BGH folgte diesen Begründungen nicht. Bei<br />
Festpreisgeschäften (Eigengeschäften) müsse eine<br />
Bank weder über ihre Gewinnmarge noch über den<br />
Umstand, dass es sich um ein Eigengeschäft handelt,<br />
aufklären. Bei einem Kommissionsgeschäft bestehe<br />
keine Aufklärungspflicht über eine allein von<br />
der Emittentin an die Bank gezahlte Vergütung. Es<br />
fehle an dem Umstand, dass Vertriebsprovisionen<br />
offen ausgewiesen seien <strong>und</strong> aus diesen offen ausgewiesenen<br />
Vertriebsprovisionen eine Rückvergütung<br />
erfolge. Offen blieb die Frage, ob eine Aufklärungspflicht<br />
einer Bank besteht, wenn der K<strong>und</strong>e<br />
eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag<br />
an die Bank bezahlt <strong>und</strong> die Bank zusätzlich<br />
eine Vergütung von der Emittentin erhält.<br />
Weil die Anleger jeweils noch weitere Pflichtverletzungen<br />
behauptet hatten, über die die Vorinstanzen<br />
nicht entschieden hatten, wurden die den Klagen<br />
stattgebenden Berufungsurteile aufgehoben. Die<br />
Verfahren wurden zum Zwecke der weiteren Sachverhaltsaufklärung<br />
an die Vorinstanzen zurückverwiesen.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Fazit<br />
Der BGH bestätigt im Hinblick auf die Gr<strong>und</strong>sätze<br />
bei einem Festpreisgeschäft seine Entscheidungen<br />
vom 27.09.2011. Bei Kommissionsgeschäften, bei<br />
denen der K<strong>und</strong>e die Bank nicht extra bezahlt, muss<br />
eine Bank auch nicht über die Vergütung, die sie<br />
vom Emittenten erhält, aufklären. Es können sich<br />
aber in allen Fällen Schadenersatzansprüche ergeben,<br />
wenn der K<strong>und</strong>e nicht anlage- oder anlegergerecht<br />
beraten worden sein sollte. Über solche individuellen<br />
Beratungspflichtverletzungen war in den<br />
Vorinstanzen nicht entschieden worden.<br />
2.4 B<strong>und</strong>esverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde<br />
einer Bank, die wegen<br />
Kick-Backs zum Schadenersatz ver-<br />
urteilt wurde, zurück<br />
(BVerfG, Beschl. v. 08.12.2011, 1 BvR 2514/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Kreditinstitut war vom OLG Celle zur Leistung<br />
von Schadenersatz verurteilt worden, weil die Bank<br />
gegenüber einem Anleger, dem sie Fondsbeteiligungen<br />
vermittelt hatte, verschwieg, dass sie sich<br />
wegen an sie geflossener Rückvergütungen in<br />
einem Interessenkonflikt bef<strong>und</strong>en hat. Der BGH<br />
hatte die gegen die OLG-Entscheidung erhobene<br />
Revision zurückgewiesen. Die Bank erhob Verfassungsbeschwerde<br />
<strong>und</strong> rügte die Verletzung ihrer<br />
<strong>Recht</strong>e aus dem allgemeinen Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz,<br />
der Berufsausübungsfreiheit, ihrem <strong>Recht</strong> auf den<br />
gesetzlichen Richter <strong>und</strong> wegen Verletzung des Anspruchs<br />
auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde<br />
durch einstimmigen Beschluss nicht zur<br />
Entscheidung angenommen.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht verneinte eine gr<strong>und</strong>sätzliche verfassungsrechtliche<br />
Bedeutung, aber auch zugleich<br />
die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde.<br />
Eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit ist<br />
zu verneinen. Das Kick-Back-Urteil des BGH vom<br />
19.12.2006 (XI ZR 56/05) enthalte keine <strong>Recht</strong>sprechungsänderung,<br />
die unter dem Gesichtspunkt<br />
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes bedenklich<br />
sein könnte. Es gab zuvor keine höchstrichterliche<br />
<strong>Recht</strong>sprechung, die der neuen Entscheidung<br />
entgegenstünde. Der BGH habe vielmehr eine<br />
bereits angelegte <strong>Recht</strong>sprechungslinie fortgeführt.<br />
Schon in den Jahren 1989 <strong>und</strong> 1990 habe der BGH<br />
in zwei Entscheidungen bei Warentermingeschäften<br />
verheimlichte Kick-Back-Vereinbarungen zwischen<br />
17
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
18<br />
Anlagevermittler <strong>und</strong> Broker zu Lasten des Anlegers<br />
missbilligt <strong>und</strong> den Vermittler zur Herausgabe der<br />
Rückvergütungen an den Anleger für verpflichtet<br />
gehalten.<br />
Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht verweist des Weiteren<br />
auf das BGH-Urteil vom 19.12.2000 (XI ZR<br />
349/99). Damals hatte der BGH entschieden, dass<br />
eine Bank gegenüber ihrem K<strong>und</strong>en offenzulegen<br />
hat, wenn sie mit dessen Vermögensverwalter vereinbart,<br />
diesen an den von ihr vereinnahmten Provisionen<br />
<strong>und</strong> Depotgebühren des K<strong>und</strong>en zu beteiligen.<br />
Des Weiteren ist der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz nicht<br />
verletzt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,<br />
dass zwischen der Aufklärungspflicht eines<br />
Bankberaters <strong>und</strong> eines freien Anlageberaters differenziert<br />
wird. Das Abstellen auf die typischerweise<br />
bestehende Erwartungshaltung eines Anlegers ist im<br />
Rahmen der Festlegung von Aufklärungspflichten<br />
folgerichtig. Die Handhabung der Beweislastgr<strong>und</strong>sätze<br />
zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung <strong>und</strong><br />
Schaden ist von Verfassungswegen ebenfalls nicht<br />
zu beanstanden.<br />
Der BGH musste des Weiteren nicht den großen<br />
Senat für Zivilsachen anrufen, weil der III. Zivilsenat<br />
(für freie Anlageberater) <strong>und</strong> der XI. Zivilsenat<br />
(für Bankberater) unterschiedliche Gr<strong>und</strong>sätze zur<br />
Aufklärungspflicht von Rückvergütungen aufgestellt<br />
haben. Auch der III. Zivilsenat des BGH hält<br />
beratende Banken für verpflichtet, über Rückvergütungen<br />
aufzuklären. Im Übrigen kommt es nicht<br />
Bildquelle: © trotzolga - Fotolia.com<br />
darauf an, ob Rückvergütungen aus dem Agio oder<br />
aus anderen offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen<br />
geflossen sind.<br />
Am Ende seines Beschlusses geht das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
sodann noch kurz darauf ein, dass der<br />
Anspruch der Bank auf Verletzung rechtlichen Gehörs<br />
nicht verletzt ist.<br />
Fazit<br />
Die Bank wollte nichts unversucht lassen, um sich<br />
der drohenden Zahlungspflicht zu entziehen. Hierbei<br />
dürfte durchaus eine Rolle gespielt haben, dass<br />
sowohl auf die Bank, die diese Beteiligung anbot,<br />
als auch auf andere geschlossene Fondsbeteiligung<br />
empfehlende Banken eine Prozesslawine rollt <strong>und</strong><br />
sie Gefahr läuft, in Tausenden von Fällen verurteilt<br />
zu werden. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht greift in<br />
seinem Beschluss viele der in den jüngeren BGH-<br />
Entscheidungen zusammengetragenen Gesichtspunkte<br />
erneut auf. Sie können mithin als gefestigt<br />
angesehen werden.<br />
2.5 Rentabilität einer Fondsbeteiligung <strong>und</strong><br />
Interessenkonflikt durch Rückvergü-<br />
tung sind „zwei Paar Schuhe“<br />
(OLG Celle, Urt. v. 28.12.2011, 3 U 173/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger nimmt eine Sparkasse, die ihm 1994<br />
den Erwerb der Beteiligung an einem geschlossenen<br />
Immobilienfonds erworben hat, auf Schadenersatz<br />
wegen Verschweigung von Rückvergütungen in Anspruch.<br />
Das Besondere im konkreten Fall war, dass<br />
der Anleger schon im Jahr 2001 die ihn beratende<br />
Sparkasse auf Schadenersatz in Anspruch genommen<br />
hatte. Damals warf der Anleger der Sparkasse<br />
vor, sie habe ihn nicht über die Rentabilität der<br />
Fondsbeteiligung <strong>und</strong> die negativen Folgen einer<br />
teilweisen Darlehensfinanzierung des Anlagebetrags<br />
aufgeklärt. Diese Klage wurde - rechtskräftig<br />
- abgewiesen. Der Kläger wurde seinerzeit durch<br />
dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten, die<br />
auch jetzt für den Anleger den Schadenersatzanspruch<br />
mit der Begründung geltend machten, die<br />
Sparkasse habe Rückvergütungen erhalten <strong>und</strong> den<br />
Interessenkonflikt, der durch den Erhalt der Rückvergütungen<br />
begründet war, nicht offengelegt.<br />
Entscheidung<br />
Anders als die Vorinstanz bejahte das OLG Celle<br />
die Zulässigkeit auch der zweiten Klage. Der Streitgegenstand<br />
sei ein anderer. Bei der Frage der unzureichenden<br />
Aufklärung über die Rentabilität der
Fondsbeteiligung einerseits <strong>und</strong> über an die beratende<br />
Bank fließende Rückvergütungen andererseits<br />
handele es sich um unterschiedliche Aspekte,<br />
auch wenn sie im Zusammenhang mit ein- <strong>und</strong><br />
demselben Beratungsgespräch stehen. Durch die<br />
frühere Klage ist deshalb noch kein Klageverbrauch<br />
hinsichtlich eines anderen Aufklärungsfehlers eingetreten.<br />
Bildquelle: © apops - Fotolia.com<br />
Dem vom Anleger geltend gemachten Schadenersatzanspruch<br />
wurde sodann auch in der Sache<br />
stattgegeben. Die Bank ist ihrer Verpflichtung zur<br />
Offenlegung von Rückvergütungen nicht nachgekommen.<br />
Eine solche Aufklärung ist notwendig, um<br />
dem K<strong>und</strong>en den Interessenkonflikt der Bank offenzulegen.<br />
Nur bei Kenntnis über das Umsatzinteresse<br />
der Bank kann der K<strong>und</strong>e selbst einschätzen, ob die<br />
Bank wegen der mit den Rückvergütungen verb<strong>und</strong>enen<br />
Vertriebsanreize eine Empfehlung abgibt, die<br />
nicht allein nach den Kriterien der anleger- <strong>und</strong> objektgerechten<br />
Beratung im K<strong>und</strong>eninteresse erfolgt,<br />
sondern auch im eigenen Interesse, eine möglichst<br />
hohe Rückvergütung zu erhalten.<br />
Es war nicht ausreichend, dass im Prospekt der<br />
Hinweis enthalten war, dass ein Vertriebspartner<br />
beauftragt sei, gegen Zahlung einer Provision Anleger<br />
einzuwerben. Die Sparkasse war als Untervertriebspartner<br />
nicht genannt. Erst <strong>Recht</strong> ließ sich<br />
dem Prospekt nicht entnehmen, in welcher Höhe<br />
der Sparkasse eine Provision zufließen sollte <strong>und</strong> zugeflossen<br />
ist. Hierbei kommt es auch nicht darauf<br />
an, auf welchem Weg die Provision bezahlt wird<br />
<strong>und</strong> die Bank daran partizipiert. Die Provision muss<br />
nicht über die Bank an die Fondsgesellschaft bezahlt<br />
werden <strong>und</strong> von der Fondsgesellschaft an die Bank<br />
zurückfließen. Entscheidend kommt es darauf an,<br />
dass die Vergütung ohne Kenntnis des Erwerbers an<br />
eine anlageberatende Bank bezahlt wird.<br />
Sodann setzte sich das OLG Celle mit dem Einwand<br />
auseinander, ob die Prozessbevollmächtigten des<br />
Anlegers nicht bereits 2001 wussten oder hätten<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
wissen müssen, dass eine Bank, die eine Fondsbeteiligung<br />
vermittelt, eine Provision erhält. Schließlich<br />
habe der BGH ja geurteilt, von einer beratenden<br />
Bank hätte bereits Anfang der 90er Jahre erwartet<br />
werden dürfen, dass sie ihre K<strong>und</strong>en beim Erwerb<br />
von Fondsbeteiligungen über die ihr zufließenden<br />
Rückvergütungen aufklären musste. Ein <strong>Recht</strong>sanwalt,<br />
der im Jahr 2001 für seinen Mandanten einen<br />
Prospekt durchsieht, um Schadenersatzansprüche<br />
geltend zu machen, hätte diese Kenntnis entweder<br />
haben müssen oder hätte zumindest grob fahrlässig<br />
gehandelt, wenn er keine Kenntnis gehabt hätte.<br />
Das OLG Celle ging dieser Frage nicht näher nach,<br />
denn eine Zurechnung fremden Wissens komme<br />
nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 166<br />
BGB in Betracht, also nur, wenn bei Abgabe von<br />
Willenserklärungen bestimmte Kenntnisse des Vertretenen<br />
vorhanden sind. Die Prozessbevollmächtigten<br />
des Anlegers hatten im Jahr 2001 jedoch keine<br />
Willenserklärungen gem. § 166 BGB abgegeben.<br />
Fazit<br />
Die Frage der Rentabilität einer Fondsbeteiligung<br />
<strong>und</strong> die Frage eines Interessenkonflikts wegen<br />
nicht offengelegter Rückvergütungen sind „zwei<br />
Paar Schuhe“. Auch im Hinblick auf die Einrede der<br />
Verjährung gilt des Weiteren, dass sich ein Anleger<br />
die Kenntnis seiner Prozessbevollmächtigten nur in<br />
Ausnahmefällen zurechnen lassen muss, nämlich<br />
wenn diese für ihn Willenserklärungen innerhalb<br />
der ihnen zustehenden Vertretungsmacht abgeben.<br />
Bildquelle: © Bambory - Fotolia.com<br />
19
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
20<br />
2.6 Bankenhaftung wegen nicht offen<br />
gelegter Rückvergütung<br />
(VIP Medienfonds 4)<br />
(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.12.2011,<br />
9 U 112/09)<br />
Sachverhalt<br />
Auf Empfehlung einer Bank hatte sich eine Anlegerin<br />
mit 50.000,00 € zzgl. 5 % Agio an der VIP Medienfonds<br />
4 GmbH & Co. KG beteiligt. Die zu leistende<br />
Einlage war teilweise fremdfinanziert. Die Anlegerin<br />
forderte - im Wesentlichen unter Berufung auf nicht<br />
offengelegte Kick-Backs - die Rückzahlung der Einlage,<br />
soweit sie aus Mitteln der Anlegerin erbracht<br />
wurde, Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten,<br />
entgangenen Gewinn <strong>und</strong> Freistellung von<br />
allen steuerlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Nachteilen<br />
aus der Beteiligung.<br />
Bildquelle: © Aamon - Fotolia.com<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Frankfurt bejahte eine Pflichtverletzung,<br />
weil die beratende Bank nicht über die von ihr vereinnahmten<br />
Vergütungen aufgeklärt hat. Es war<br />
nicht ausreichend, dass der Prospekt zum VIP 4 einen<br />
Hinweis auf Vertriebsprovisionen enthielt. Selbst der<br />
Ausweis, dass der Provisionsempfänger <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong><br />
Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung „auf Dritte“<br />
übertragen konnte, war nicht ausreichend. Das Gericht<br />
sah es als erforderlich an, dass eine eine solche<br />
Beteiligung empfehlende Bank namentlich als Provisionsempfängerin<br />
genannt wird. Des Weiteren ist<br />
die Angabe zur genauen Höhe der an die beratende<br />
Bank fließenden Zahlungen anzugeben.<br />
Auf den konkreten Zahlungsfluss kommt es dabei<br />
nicht an. Entscheidend ist, ob ein direkt oder über<br />
die Bank gezahlter Betrag, der aus Sicht des Anlegers<br />
an die Fondsgesellschaft zu leisten ist, anschließend<br />
hinter seinem Rücken der Bank wieder zufließt.<br />
Die Nichtursächlichkeit einer Pflichtverletzung für<br />
die Anlageentscheidung muss der Aufklärungspflichtige<br />
beweisen. Der Umstand, dass ein Anleger<br />
eine steueroptimierte Anlage wünschte, reicht nicht<br />
aus, um die für ihn streitende Vermutung zu widerlegen.<br />
Ein unvermeidbarer <strong>Recht</strong>sirrtum lag ebenfalls<br />
nicht vor. Eine anlageberatende Bank kann sich<br />
jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer<br />
Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf<br />
einen unvermeidbaren <strong>Recht</strong>sirrtum berufen.<br />
Ebenso wenig kann sich die Bank darauf berufen,<br />
eine Verurteilung zum Schadenersatz Zug um Zug<br />
gegen Übertragung der <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten aus<br />
der Beteiligung ist deshalb unzureichend, weil die<br />
in diesem Fall geschuldete Übertragung des Anteils<br />
von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, insbesondere<br />
der Zustimmung der Treuhänderin <strong>und</strong><br />
der Komplementärin. Besteht eine Kapitalanlage<br />
in der Position als Treuhandkommanditist, genügt<br />
es, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend<br />
gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug-um-<br />
Zug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung<br />
sämtlicher <strong>Recht</strong>e aus dem Treuhandvertrag anbietet.<br />
Fazit<br />
Das OLG Frankfurt hat sich auch in dieser Entscheidung<br />
noch einmal mit allen denkbaren Einwendungen<br />
einer Bank, die wegen verschwiegener<br />
Rückvergütungen auf Schadenersatz in Anspruch<br />
genommen wird, auseinandergesetzt (keine Pflichtverletzung,<br />
Hinweis auf Provisionszahlungen im<br />
Prospekt, keine Kausalität, kein Verschulden, Schadensminderungspflicht<br />
eines Geschädigten, Vorteilsausgleichung).<br />
Die Einwendungen wurden allesamt<br />
als solche angesehen, die eine Schadenersatzpflicht<br />
nicht zu verneinen vermögen bzw. die neben der<br />
Sache liegen.<br />
2.7 Und noch einmal: Zur Aufklärungs-<br />
pflicht über Rückvergütungen beim<br />
geschlossenen Immobilienfonds<br />
(BGH, Urt. v. 11.09.2012, XI ZR 363/10)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin machte - in der Revisionsinstanz nur<br />
noch gegen die sie beratende Bank - Ansprüche<br />
wegen Verletzung eines Beratungsvertrages im Zusammenhang<br />
mit der Empfehlung einer Beteiligung<br />
an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend.<br />
Neben ihrer Beitrittserklärung unterzeichnete die<br />
Anlegerin einen Darlehensvertrag <strong>und</strong> übernahm -<br />
anteilig - ein bereits aufgenommenes Darlehen. Infolge<br />
ausbleibender Mietzahlungen kam die Fondsgesellschaft<br />
in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die<br />
Fondsobjekte wurden mit Verlust veräußert. Die
Anlegerin machte u.a. Prospektfehler wegen nicht<br />
ausreichender Information über das Totalausfallrisiko,<br />
die Kommanditistenhaftung <strong>und</strong> den Interessenkonflikt<br />
der Bank wegen an sie bezahlter Rückvergütungen<br />
geltend.<br />
Entscheidung<br />
Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zu geringer<br />
Aufklärung über die Kommanditistenhaftung<br />
nach § 172 Abs. 4 HGB <strong>und</strong> das Totalverlustrisiko<br />
sah das Gericht nicht. Auf das Totalverlustrisiko bei<br />
einem Immobilienfonds müsse gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />
gesondert hingewiesen werden. Anderes gelte bei<br />
besonderen gefahrerhöhenden Umständen, die<br />
aber nicht vorlägen. Die in Anspruch genommene<br />
Bank habe aber über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen<br />
nicht aufgeklärt. Sodann wird noch<br />
einmal definiert, was der BGH unter aufklärungspflichtigen<br />
Rückvergütungen versteht: Solche sind<br />
- regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im<br />
Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht<br />
aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen<br />
Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen<br />
<strong>und</strong> Verwaltungsvergütungen gezahlt werden,<br />
deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht<br />
offenbar wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers<br />
erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar<br />
keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der<br />
Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere<br />
Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung<br />
gerade dieser Anlage nicht erkennen.<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Um aufklärungspflichtige Rückvergütungen handelt<br />
es sich also auch dann, wenn diese nicht aus<br />
einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren bezahlt<br />
werden, sondern sie aus sonstigen offen ausgewiesenen<br />
Vertriebskosten fließen, wobei es nicht darauf<br />
ankommt, ob die Zahlung des Anlegers „über<br />
die Bank“ oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt.<br />
Da das Berufungsgericht, welches die Klage der Anlegerin<br />
abgewiesen hatte, keine Feststellungen zu<br />
den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1<br />
Nr. 2 BGB getroffen hat, wurde das die Klage abweisende<br />
Urteil aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten<br />
Verhandlung zurückverwiesen.<br />
Fazit<br />
Die <strong>Recht</strong>sprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs differenziert<br />
zwischen dem bankengeb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong><br />
dem bankenungeb<strong>und</strong>enen (freien) Anlageberater.<br />
Erstere sind - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen<br />
- Aufklärungspflichten, was den Umstand,<br />
dass eine Provision bezahlt wird, <strong>und</strong> deren Höhe<br />
anbelangt. Letztere waren - jedenfalls bis Ende<br />
2012 - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht aufklärungspflichtig, soweit<br />
bestimmte Provisionssätze nicht überschritten<br />
waren (bisher von der <strong>Recht</strong>sprechung bei 15 % Innenprovision<br />
angesehen). Ab 01.01.2013 hat eine<br />
neue Zeitrechnung begonnen. Nunmehr müssen<br />
alle Finanzdienstleister, die Fondsbeteiligungen vermitteln,<br />
ihre Zuwendungen offenbaren.<br />
21
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
22<br />
3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong><br />
Informationspflichten<br />
3.1 Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters<br />
(BGH, Urt. v. 01.12.2011, III ZR 56/11)<br />
Sachverhalt<br />
Zwei Anleger nehmen ihren Anlageberater auf<br />
Schadenersatz in Anspruch, nachdem sie auf dessen<br />
Empfehlung hin zwei Beteiligungen als atypisch stille<br />
Gesellschafter einer Aktiengesellschaft übernommen<br />
hatten. Sie warfen dem Anlageberater vor, keine<br />
genügende Plausibilitätsprüfung vorgenommen<br />
zu haben, die Risiken der Anlage verschwiegen oder<br />
verharmlost zu haben <strong>und</strong> eine Information über<br />
eine Gesetzesänderung (es ging um die 6. KWG-Novelle)<br />
sowie die damit für die atypisch stillen Beteiligungen<br />
verb<strong>und</strong>enen Risiken unterlassen zu haben.<br />
Entscheidung<br />
Zunächst nimmt der BGH einmal mehr zum unterschiedlichen<br />
Pflichtenkreis eines Anlageberaters im<br />
Vergleich zum Anlagevermittler Stellung. Ein Anlagevermittler<br />
schuldet dem Interessenten eine richtige<br />
<strong>und</strong> vollständige Information über diejenigen<br />
tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss<br />
von besonderer Bedeutung sind. Ein Anlagevermittler<br />
muss das Anlagekonzept wenigstens<br />
auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit<br />
hin überprüfen. Vertreibt ein Vermittler die<br />
Anlage anhand eines Prospektes, muss er, um seiner<br />
Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der<br />
geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls<br />
darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges<br />
Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt<br />
<strong>und</strong> die darin enthaltenen Informationen sachlich<br />
vollständig <strong>und</strong> richtig sind. Der dabei entstehende<br />
Aufwand darf einen Vermittler allerdings nicht übergebühr<br />
belasten. Er muss ihm zumutbar sein.<br />
Der Anlageberater muss eine Anlage, die er empfehlen<br />
will, mit üblichem kritischen Sachverstand<br />
prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches<br />
Unterlassen hinweisen. Ein Berater,<br />
der sich in Bezug auf die von ihm angebotene Beteiligungsmöglichkeit<br />
als kompetent geriert, hat<br />
sich auch aktuelle Informationen über das Objekt,<br />
welches er empfehlen will, zu verschaffen. Dazu<br />
gehört die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen<br />
in der Wirtschaftspresse.<br />
Nach diesem Vorspann führte das Gericht aus, dass<br />
der in Anspruch genommene Berater bei Empfehlung<br />
der streitgegenständlichen Beteiligungen<br />
Bildquelle: © Dimco - Fotolia.com<br />
diesen Pflichtenkreis nicht verletzt hat. Jedenfalls<br />
konnten die Anleger keine Pflichtverletzungen substantiiert<br />
beweisen. Durch die 6. KWG-Novelle habe<br />
zwar die Gefahr bestanden, dass die Aufsichtsbehörde<br />
eine ratierliche Auszahlung eines späteren<br />
Auseinandersetzungsguthabens der Anleger als ein<br />
erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ansehen könnte.<br />
Ein Emittent ist deshalb gehalten, die Anlageinteressenten<br />
darauf hinzuweisen, dass aufgr<strong>und</strong> einer<br />
Gesetzesänderung rechtliche Bedenken gegen die<br />
ratierliche Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens<br />
bestehen könnten. Eine entsprechende<br />
Aufklärungs- <strong>und</strong> Haftungspflicht eines Anlageberaters<br />
ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht<br />
ohne weiteres gegeben. Für den Anlageberater<br />
gelten zwar hohe Maßstäbe, allerdings nicht dieselben<br />
wie für die Anlagegesellschaft. Zu aufklärungspflichtigen<br />
Umständen eines Anlageberaters<br />
können auch Gesetzesänderungen gehören, sofern<br />
sie für die empfohlene Kapitalanlage erhebliche<br />
Auswirkungen haben können. Ein Anlageberater<br />
muss allerdings - anders als die Anlagegesellschaft
- nicht ohne besondere Anhaltspunkte <strong>Recht</strong>sfragen,<br />
die schwierig zu bewerten <strong>und</strong> ungeklärt sind<br />
<strong>und</strong> die sich infolge einer Gesetzesänderung ergeben<br />
können, nachgehen. Die Anleger konnten<br />
nicht nachweisen, dass ihr Berater über die mögliche<br />
Problematik der Gesetzesänderung schon aus<br />
der Wirtschaftspresse erfahren hätte oder jedenfalls<br />
hätte erfahren müssen. Da der Anlageberater<br />
im konkreten Fall zu entsprechenden Nachforschungen<br />
nicht verpflichtet war, konnten die<br />
Anleger auch nicht erwarten, dass der Anlageberater<br />
sie über die nicht erfolgte Überprüfung hätte<br />
informieren müssen.<br />
Fazit<br />
Der Pflichtenkreis eines Anlageberaters ist weitreichend<br />
<strong>und</strong> die Anforderungen werden immer<br />
weiter in die Höhe geschraubt. Der BGH stellt allerdings<br />
klar, dass ein Berater nicht gehalten ist,<br />
schwierige <strong>Recht</strong>sfragen durch Einholung eines<br />
<strong>Recht</strong>sgutachtens abzuklären. Dies würde den Bogen<br />
überspannen.<br />
3.2 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten<br />
auch über ein ihm<br />
bekanntes strafrechtliches Ermittlungs-<br />
verfahren aufklären<br />
(BGH, Urt. v. 10.11.2011, III ZR 81/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger hatte sich - mittelbar über einen Treuhänder<br />
- an einer Publikums-Personengesellschaft<br />
beteiligt. Wegen Verdachts diverser Verstöße gegen<br />
das Kreditwesengesetz waren schon geraume Zeit<br />
vor Erwerb der Beteiligung die Geschäftsräume der<br />
Komplementär-GmbH durchsucht worden, die auch<br />
Komplementär-GmbH früherer Gesellschaften war.<br />
Gegen den Geschäftsführer <strong>und</strong> Hauptgeschäftsführer<br />
der Komplementär-GmbH sowie gegen die<br />
Geschäftsführerin <strong>und</strong> Hauptgesellschafterin der<br />
Treuhandgesellschaft <strong>und</strong> Mittelverwendungskontrolleurin<br />
liefen Ermittlungsverfahren. Dem in Anspruch<br />
genommenen Anlageberater war das Ermittlungsverfahren<br />
bekannt.<br />
Entscheidung<br />
Ein Anlageberater hat die Pflicht, seinen K<strong>und</strong>en<br />
über alle Eigenschaften <strong>und</strong> Risiken richtig <strong>und</strong> vollständig<br />
zu informieren, die für die jeweilige Anlageentscheidung<br />
wesentliche Bedeutung haben oder<br />
haben können. Dies betrifft nicht nur Umstände, die<br />
sich auf das Anlageobjekt selbst beziehen, sondern<br />
auch solche die für die Seriosität <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
der Fondsverantwortlichen wichtig sind oder sein<br />
können. Dazu kann auch das Wissen um ein strafrechtliches<br />
Ermittlungsverfahren gegen Fondsverantwortliche<br />
gehören. Bei von vornherein erkennbar<br />
substanzlosen Vorwürfen mag zwar eine Aufklärungspflicht<br />
zu verneinen sein, nicht jedoch, wenn<br />
ein über bloße Vermutungen hinausreichender <strong>und</strong><br />
auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter<br />
Verdacht besteht. Mögliche datenschutzrechtliche<br />
Gründe treten in einem solchen Fall stets zurück.<br />
Fazit<br />
Schon ein konkreter Anfangsverdacht kann einen<br />
durchschnittlich vorsichtigen Interessenten davon<br />
abhalten, sein Vertrauen der oder den Personen<br />
entgegenzubringen, gegen die sich ein solcher<br />
Verdacht richtet. Menschlich mag es durchaus<br />
nachvollziehbar sein, wenn sich der in Anspruch<br />
genommene Anlageberater auf Gründe des Datenschutzes<br />
berufen wollte <strong>und</strong> der Ansicht war, bei<br />
Vornahme einer Güteabwägung wäre dem Persönlichkeitsrecht<br />
derer, gegen die sich die Ermittlungen<br />
richteten, Vorrang einzuräumen gewesen. Dies<br />
entspreche den Gr<strong>und</strong>sätzen zur sog. Verdachtsberichterstattung.<br />
Der BGH stellte den Anlegerschutz<br />
über diese Erwägungen. Er folgte damit der Entscheidung<br />
des Berufungsgerichts <strong>und</strong> eigentlich<br />
muss man sich w<strong>und</strong>ern, dass die Klage in erster<br />
Instanz noch keinen Erfolg hatte.<br />
Bildquelle: © wildworx - Fotolia.com<br />
23
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
24<br />
3.3 Zum Anspruch auf Schadenersatz<br />
wegen unterlassener unverzüglicher<br />
Veröffentlichung von Insider-Informa-<br />
tionen<br />
(BGH, Urt. v. 13.12.2011, XI ZR 51/10)<br />
Sachverhalt<br />
In diesem vom BGH entschiedenen Fall ging es um<br />
die Frage der Haftung der in Anspruch genommenen<br />
Bank, von der ein Privatanleger Aktien erworben<br />
hatte, deren Kurs nach Erwerb kräftig viel.<br />
Der Aktienkauf fand wenige Tage nach einer Presseerklärung<br />
statt, in der der Vorstandsvorsitzende der<br />
Bank - der Wahrheit zuwider - ein lediglich geringes<br />
Engagement der Bank auf dem Kapitalmarkt für<br />
strukturierte Forderungsportfolien behauptete.<br />
Einen Tag nach Aktienkauf schloss die Deutsche<br />
Bank AG gegenüber der in Anspruch genommenen<br />
Bank die Handelslinien im Interbankenverkehr. Andere<br />
Banken schlossen sich an. Im Ergebnis wurde<br />
ein Rettungsschirm zugunsten der Beklagten gespannt.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH hob die die Klage abweisende Entscheidung<br />
der Vorinstanz auf. Zwar scheide eine Haftung<br />
aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §<br />
20a WpHG aus, weil das in § 20h WpHG geregelte<br />
Verbot der Marktmanipulation nicht dem Schutz<br />
einzelner Anleger dient, sondern der Funktionsfähigkeit<br />
des Wertpapiermarkts. Die Vorschrift ist deshalb<br />
kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2<br />
BGB.<br />
Anders ist dies bei der Vorschrift des § 37b WpHG.<br />
Die Pflicht, unverzüglich Insiderinformationen zu<br />
veröffentlichen, anderenfalls Schadenersatz geschuldet<br />
wird, hat anlegerschützende Wirkung.<br />
Das Berufungsgericht hatte die Frage bislang offengelassen,<br />
ob die Aktien auch dann erworben<br />
worden wären, wenn die in Anspruch genommene<br />
Bildquelle: © Alex White - Fotolia.com<br />
Bank rechtzeitig darüber informiert hätte, wie stark<br />
sie auf dem Markt für strukturierte Forderungsportfolien<br />
engagiert war. Damit diese offene Frage geklärt<br />
werden konnte, verwies der BGH den <strong>Recht</strong>sstreit<br />
an das Berufungsgericht zurück.<br />
Fazit<br />
Da damit gerechnet werden kann, dass die bislang<br />
offene Frage bejaht wird, wird Schadenersatz gem.<br />
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 37b WpHG zuzusprechen<br />
sein. Der BGH hat bereits in seinem Urteil<br />
zum Umfang eines Schadenersatzanspruches Stellung<br />
genommen. Entweder kann die Erstattung des<br />
Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren<br />
Rückgabe gefordert werden, alternativ aber auch<br />
die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei<br />
Erwerb der Aktien <strong>und</strong> deren fiktiven Kurs bei Veröffentlichung<br />
einer unverzüglichen ad-hoc-Mitteilung.<br />
Bildquelle: © Alex White - Fotolia.com<br />
3.4 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters<br />
über eine mit der Fondsgesell-<br />
schaft bestehende Vertriebsvereinba-<br />
rung<br />
(BGH, Urt. v. 06.12.2012, III ZR 307/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger nimmt wegen fehlerhafter Anlageberatung<br />
im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung<br />
die Tochtergesellschaft einer Sparkasse in<br />
Anspruch. Diese Tochtergesellschaft wirbt mit einer<br />
sog. Imagebroschüre unter Verwendung des Firmenlogos<br />
der Sparkasse. Sie war Vertriebspartner<br />
für die Eigenkapitalvermittlung eines Medienfonds.<br />
Im Beratungsgespräch zwischen Anleger <strong>und</strong> Banktochter<br />
ging es auch um die Vergütung, die diese<br />
von der Fondsgesellschaft erhalten sollte. Der Anleger<br />
war davon ausgegangen, dass die Provisionszahlung<br />
an die Banktochter aus dem Agio in Höhe<br />
von 5 % der Zeichnungssumme gezahlt würde.<br />
Dazu war er nicht bereit. Mit dem K<strong>und</strong>enberater<br />
einigte er sich darauf, dass die Hälfte des von ihm zu<br />
entrichtenden Agios wieder zurückfließt. Das Beru-
fungsgericht (OLG Hamm) hatte die Banktochter für<br />
schadenersatzpflichtig gehalten, weil sie nicht über<br />
eine Provision oder Rückvergütung aufgeklärt habe,<br />
die sie zusätzlich zum Agio erhalten habe.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH verwies auf seine gefestigte <strong>Recht</strong>sprechung,<br />
nach der ein freier <strong>und</strong> nicht bankmäßig geb<strong>und</strong>ener<br />
Anlageberater nicht verpflichtet ist, den<br />
Anleger ungefragt über den Umstand <strong>und</strong> die Höhe<br />
seiner Provision aufzuklären. Da der Anlageberater<br />
mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen<br />
muss, könne berechtigterweise nicht angenommen<br />
werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos<br />
erbringt. Sind ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung<br />
ausgewiesen, so ist es für den Anleger<br />
klar erkennbar, dass aus diesen Mitteln auch<br />
Vertriebsprovisionen bezahlt werden, an denen<br />
sein Anlageberater partizipiert. Ein selbstständiges<br />
Unternehmen einer Sparkasse, das als 100 %-ige<br />
Tochtergesellschaft der Bank hauptsächlich auf dem<br />
Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich<br />
der Verpflichtung, seine K<strong>und</strong>en ungefragt über die<br />
von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision<br />
aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu<br />
behandeln. Auch ergebe sich allein aus dem Umstand,<br />
dass sich die Parteien über den Rückfluss des<br />
hälftigen Agio-Betrages geeinigt hätten, kein hinreichender<br />
Anhalt für die Annahme, dass der Sparkassentochter<br />
im Erfolgsfall allenfalls eine Provision in<br />
Bildquelle: © Ingo Bartussek - Fotolia.com<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
dieser Höhe zukommt. Ein Beratungsfehler ließ sich<br />
auch damit nicht begründen, dass der Anlageberater<br />
gehalten war, ausschließlich Informationsmaterialien<br />
der Fondsgesellschaft zu nutzen. Aus dieser<br />
internen Verpflichtung ergibt sich kein informationsbedürftiger<br />
Interessenkonflikt.<br />
Da das Berufungsgericht weitere vom Anleger geltend<br />
gemachte Aufklärungspflichtverletzungen<br />
<strong>und</strong> diesbezügliche Einwendungen nicht weiter geprüft<br />
hat, hob der BGH das Urteil auf <strong>und</strong> verwies<br />
die Sache an das Berufungsgericht zurück.<br />
Fazit<br />
Der BGH hält an seinen Gr<strong>und</strong>sätzen, dass für Banken<br />
<strong>und</strong> freie, nicht bankgeb<strong>und</strong>ene Anlageberater<br />
bezüglich der Aufklärungspflichten über Provisionen<br />
unterschiedliche Anforderungen bestehen,<br />
fest. Er wiederholt in der Entscheidung des Weiteren<br />
die vom Anlageberater generell zu beachtenden<br />
Gr<strong>und</strong>sätze. Die interne Vertriebsvereinbarung mit<br />
einer Fonds- oder Vertriebsgesellschaftet bedeutet<br />
nicht ohne weiteres einen aufklärungspflichtigen<br />
Interessenkonflikt bzw. eine Fehlerhaftigkeit der Beratung.<br />
Im Falle einer unrichtigen Anlageberatung<br />
haftet der Anlageberater unabhängig davon, ob er<br />
sich intern verpflichtet hat, nur die Informationsmaterialien<br />
der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft<br />
zu benutzen. Dies könnte sein Verschulden<br />
nicht ausschließen.<br />
25
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
26<br />
4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung<br />
gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird<br />
Zur Darlegungslast bei der Verletzung von<br />
Beratungspflichten eines Kapitalanlageberatungsvertrages<br />
(OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.07.2012, 17 U 36/12)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Zahnarzt im Ruhestand hatte auf Empfehlung<br />
des Anlageberaters seiner Hausbank, bei der er seit<br />
2005 K<strong>und</strong>e war, im April 2008 100 Lehman-Zertifikate<br />
zum Nennwert von je 1.000,00 € zzgl. 2 %<br />
Ausgabeaufschlag erworben. Der Auftrag wurde<br />
Anfang Mai 2008 abgerechnet. Über das Vermögen<br />
der Emittentin wurde im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren<br />
eröffnet. Die die Empfehlung aussprechende<br />
Bank hatte wiederholt ein Risikoprofil<br />
des Anlegers erstellt, zuletzt am Tag der Empfehlung<br />
der Lehman-Zertifikate.<br />
Der Zahnarzt trat seinen Anspruch ab. Der Zedent<br />
nimmt die Bank aus abgetretenem <strong>Recht</strong> auf Rückzahlung<br />
der Anlagesumme in Anspruch.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Karlsruhe verneinte einen Schadenersatzanspruch<br />
wegen des streitigen Wertpapiergeschäfts.<br />
Es bestünde zwar eine Pflicht zur vollständigen Risikodarstellung<br />
eines empfohlenen Anlageprodukts.<br />
Hierzu gehört bei einem Zertifikat auch die Aufklärung<br />
über das allgemeine Emittentenrisiko. Diese<br />
Pflicht besteht aber dann nicht mehr, wenn einem<br />
Anleger dieses Risiko aus seinem bisherigen Anlageverhalten<br />
geläufig war. Im konkreten Fall war es<br />
streitig, ob die Bank bei - unstreitig früheren Erwerben<br />
von Zertifikaten - über das Bonitätsrisiko des<br />
Emittenten aufgeklärt hat. Verbleiben trotz Beweisaufnahme<br />
Zweifel bezüglich eines solchen entscheidungserheblichen<br />
Umstandes, geht dies zu Lasten<br />
der darlegungsbelasteten Partei. Darlegungsbelastet<br />
ist der Anleger, soweit die Bank ihrer sek<strong>und</strong>ären<br />
Darlegungslast nachgekommen ist. Zur Frage der<br />
Verletzung der konkreten Beratungspflicht gehört<br />
auch die Darlegung, dass insoweit ein Aufklärungsbedarf<br />
noch bestand.<br />
Das OLG Karlsruhe verneint die Richtigkeit des vom<br />
erstinstanzlichen Gericht aufgestellten <strong>Recht</strong>ssatzes,<br />
dass jeder neu abgeschlossene Beratungsvertrag<br />
eine neue selbstständige Beratungsverpflichtung<br />
begründet. Ist ein Anleger über ein allgemeines<br />
Anlagerisiko informiert, ist der Schutzzweck des<br />
Beratungsvertrages erfüllt. Ein zur Aufklärung Verpflichteter<br />
muss diese Informationen bei einem konkreten<br />
Beratungsbedarf erteilen. Er darf sie nicht als<br />
„Vorrats-Information“ unabhängig von einer konkreten<br />
Beratungssituation erteilen. Die Aushändigung<br />
schriftlicher Basisinformationen bei Eröffnung<br />
eines Wertpapierdepots macht es deshalb erforderlich,<br />
beim Erwerb von Wertpapieren noch einmal gesondert<br />
auf dieses schon zuvor ausgehändigte Papier<br />
hinzuweisen.<br />
Bildquelle: © illmedia - Fotolia.com<br />
Ein Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten von<br />
Lehman Brothers war im April 2008 noch nicht erforderlich.<br />
Lehman musste erstmals im Juni 2008 einen<br />
Quartalsverlust bekanntgeben. Eine Bank durfte sich<br />
deshalb im April 2008 auf positive Bewertungen der<br />
Standardagenturen verlassen. Aus den Veröffentlichungen<br />
der Wirtschaftspresse im April 2008 waren<br />
noch keine Negativnachrichten über eine sich rapide<br />
verschlechternde wirtschaftliche Situation von Lehman<br />
bekannt, die einen Anlageberater verpflichtet<br />
hätten, konkrete Bedenken aufgr<strong>und</strong> aktueller Informationen<br />
gegenüber einem interessierten Anleger zu<br />
äußern.<br />
Da ein Festpreisgeschäft vorlag, musste auch nicht<br />
über die Gewinnspanne der Bank informiert werden.
Fazit<br />
Im Rahmen der allgemeinen Regeln trägt die Darlegungs-<br />
<strong>und</strong> Beweislast hinsichtlich früherer ordnungsgemäßer<br />
Aufklärungen ebenfalls der Anleger. Zur<br />
Darlegung der Verletzung der Beratungspflicht gehört<br />
auch der Umstand, dass insoweit noch ein Aufklärungsbedarf<br />
bestand. Ist eine Aufklärung zu einem<br />
früheren Zeitpunkt erfolgt <strong>und</strong> gibt es keine neueren<br />
aufklärungsbedürftigen Informationen (z.B. auf der<br />
Wirtschaftspresse), ist über Risiken, die einem Anleger<br />
bereits bekannt sind, nicht noch einmal aufzuklären.<br />
5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />
Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe<br />
einer unerlaubten Anlagevermittlung<br />
(BGH, Urt. v. 15.05.2012, VI ZR 166/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine GmbH betrieb ein Effekten- <strong>und</strong> Depotgeschäft.<br />
Sie vertrieb amerikanische Aktien <strong>und</strong> vermittelte<br />
sie an von ihr beratene K<strong>und</strong>en. Über eine Erlaubnis<br />
nach dem Kreditwesengesetz verfügte sie nicht. Ein<br />
Anleger wurde von dieser GmbH beraten <strong>und</strong> erwarb<br />
aufgr<strong>und</strong> deren Empfehlung bestimmte Aktien. Mit<br />
seiner Klage begehrte er Schadenersatz wegen einer<br />
fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Haftungsadressat<br />
war der Vater des Gesellschaftsgründers. Dieser war<br />
in den Anfangsjahren Geschäftsführer <strong>und</strong> später<br />
Prokurist. Der Anleger warf ihm vor, den unerlaubten<br />
Geschäftsbetrieb nicht unterb<strong>und</strong>en zu haben.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob ein<br />
Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.<br />
§ 32 KWG gegeben ist, weil die GmbH ohne die erforderliche<br />
Erlaubnis des B<strong>und</strong>esaufsichtsamtes eine<br />
erlaubnispflichtige Anlagevermittlung in Form der<br />
Nachweismakelei betrieben hat. § 32 Abs. 1 Satz 1<br />
KWG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB<br />
zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers.<br />
Die im Jahr 1998 bereits erlaubnispflichtige Anlagevermittlung<br />
ist von der damals noch erlaubnisfreien<br />
Anlageberatung abzugrenzen. Hierzu - so der BGH<br />
- seien aber noch keine ausreichenden Feststellungen<br />
getroffen worden. Eine erlaubnispflichtige Tätigkeit<br />
unterstellt, trifft die Verantwortlichkeit zivilrechtlich<br />
den Betreiber. Strafrechtlich trifft die Verantwortlichkeit<br />
denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für<br />
die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin<br />
den oder die Geschäftsführer. Das Berufungsgericht<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Bildquelle: © Africa Studio - Fotolia.com<br />
hatte nicht festgestellt, ob der Sohn des Beklagten im<br />
maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer war. Täter<br />
gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. kann neben<br />
dem vertretungsberechtigten Organ einer juristischen<br />
Person auch derjenige sein, der für den Betrieb in<br />
leitender Funktion tätig ist oder mit weitreichenden<br />
Befugnissen beauftragt ist. Insoweit wäre auch eine<br />
Haftung als Gehilfe denkbar. Allerdings besteht keine<br />
Verpflichtung eines Prokuristen, den Geschäftsführer<br />
dahingehend zu kontrollieren, ob dieser die ihm nach<br />
§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG obliegenden Pflichten erfüllt<br />
hatte. Schließlich muss auch der Schutzzweck der<br />
verletzten Norm erfüllt sein. Da diese erforderlichen<br />
Feststellungen vom Berufungsgericht allesamt nicht<br />
getroffen worden waren, hob der BGH die der Klage<br />
stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts<br />
auf <strong>und</strong> verwies die Sache zur erneuten Prüfung zurück.<br />
Fazit<br />
Dieser sicherlich nicht alltägliche Fall zeigt, wie umfangreich<br />
<strong>und</strong> schwierig Prüfungen sind, die im Bereich<br />
des Strafrechts anzusiedeln sind. Dies beginnt<br />
bei den Tatbestandsvoraussetzungen (hier Abgrenzung<br />
einer erlaubnispflichtigen Nachweismakelei<br />
oder einer nicht erlaubnispflichtigen Anlageberatung),<br />
führt weiter zum Vorsatz <strong>und</strong> zur Frage eines<br />
möglichen Verbotsirrtums über die Gehilfenhaftung,<br />
die wiederum eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt.<br />
Last but not least geht es um die Frage, ob der geltend<br />
gemachte Schaden bei wertender Betrachtung<br />
nach Art <strong>und</strong> Entstehungsweise unter den Schutzzweck<br />
der verletzten Norm fällt.<br />
27
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
28<br />
6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />
6.1 Zur Frage der Haftung einer GmbH für<br />
eine fehlerhafte Anlageberatung durch<br />
eine namensgleiche Einzelfirma<br />
(BGH, Urt. v. 05.07.2012, III ZR 116/11)<br />
Sachverhalt (vereinfacht)<br />
Eine Anlegerin beteiligte sich als atypisch stille Gesellschafterin<br />
an einer AG. Sie leistete eine Einmalanlage<br />
<strong>und</strong> sollte des Weiteren monatliche Raten<br />
erbringen. Die Beteiligung hatte ein Anlageberater<br />
empfohlen. Es war strittig, ob dieser Anlageberater<br />
im eigenen Namen aufgetreten ist oder als Mitarbeiter<br />
einer Einzelfirma mit deren Vertretungsbefugnis.<br />
Neben der Einzelfirma wurde eine GmbH gegründet.<br />
Zwischen der Einzelfirma <strong>und</strong> der GmbH bestand<br />
Namensgleichheit. Die Anlegerin forderte von<br />
der GmbH Schadenersatz unter den Gesichtspunkten<br />
der Firmenfortführung der Einzelfirma <strong>und</strong><br />
<strong>Recht</strong>sscheingesichtspunkten. Der Anlageberater<br />
hatte Visitenkarten, die das Logo <strong>und</strong> den Namen<br />
der Einzelfirma trugen. Im Zeichnungsschein ist in<br />
der Rubrik „Vermittler“ die Einzelfirma angegeben.<br />
Der Anlageberater hatte in seiner Befragung<br />
als Zeuge des Weiteren angegeben, sowohl für die<br />
Einzelfirma als auch für die GmbH tätig gewesen<br />
zu sein.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH hält eine Haftung der GmbH für denkbar.<br />
In Betracht kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt<br />
der Duldungs- <strong>und</strong> Anscheinsvollmacht<br />
sowie eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB<br />
unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung.<br />
Von einer Unternehmensfortführung geht der<br />
maßgebliche <strong>Recht</strong>sverkehr aus, wenn ein Betrieb<br />
von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen<br />
Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich,<br />
die innere Organisation <strong>und</strong> die<br />
Räumlichkeiten ebenso wie die K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Lieferantenbeziehungen<br />
jedenfalls im Kern beibehalten<br />
<strong>und</strong>/oder Teile des Personals übernommen werden.<br />
Unerheblich ist dabei die Hinzufügung oder Weglassung<br />
eines auf eine Gesellschaftsform deutenden<br />
Zusatzes. Der Anwendungsbereich für eine Haftung<br />
unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung<br />
wird auch eröffnet, wenn eine sukzessiv erfolgende<br />
Unternehmensübernahme vorliegt, also zeitweilig<br />
Alt- <strong>und</strong> Neu-Unternehmen nebeneinander existieren.<br />
Hier sprachen zahlreiche Indizien für eine Firmenfortführung<br />
der Einzelfirma durch die GmbH.<br />
Bildquelle: © FotolEdhar - Fotolia.com<br />
Das Betätigungsfeld beider Firmen war identisch,<br />
ferner die Firmierung, das Firmenlog, der Geschäftssitz,<br />
Telefon- <strong>und</strong> Telefaxnummer sowie auch die<br />
Selbstdarstellung der GmbH, die im Internet eine<br />
20 Jahre zurückreichende Unternehmensgeschichte<br />
schilderte. Dies spricht für eine nach außen in<br />
Erscheinung getretene Unternehmenskontinuität.<br />
Dass in der Firma der Zusatz „GmbH“ geführt wurde,<br />
sah das Gericht insoweit als belanglos an.<br />
Sodann ging es noch um die Frage, ob der Anlageberater<br />
in eigenem Namen oder für die zum Zeitpunkt<br />
der Zeichnung existente Einzelfirma gehandelt<br />
hat. Aufgr<strong>und</strong> der Visitenkarte <strong>und</strong> der Angabe<br />
im Zeichnungsschein sowie auch der Einladung der<br />
Anlegerin zu einer Informationsveranstaltung der<br />
Einzelfirma lag es nahe, von einem Handeln des Beraters<br />
für die Einzelfirma auszugehen. In Betracht<br />
kommt ein Handeln als Vertretet sowohl unter den<br />
Gesichtspunkten der Duldungs- als auch der Anscheinsvollmacht.<br />
Des Weiteren hatte der Anlageberater<br />
als Zeuge ausgesagt, für beide Gesellschaften<br />
tätig gewesen zu sein (sowohl für die Einzelfirma als<br />
auch für die GmbH).
Da noch Feststellungen tatsächlicher Art zu treffen<br />
waren, hob der BGH das die Klage abweisende<br />
Urteil des Berufungsgerichts auf <strong>und</strong> verwies den<br />
<strong>Recht</strong>sstreit an das Berufungsgericht zurück.<br />
Fazit<br />
Für die Frage, ob jemand im eigenen Namen oder als<br />
Vertreter eines Dritten handelt, kommt es darauf an,<br />
wie der Erklärungsempfänger die Erklärungen <strong>und</strong><br />
das Gesamtverhalten der handelnden Person verstehen<br />
<strong>und</strong> werten durfte. Entscheidend ist die objektivierte<br />
Empfängersicht. Diese Punkte sprachen für<br />
ein Handeln des Beraters als Bevollmächtigter der<br />
damals (nur) existenten Einzelfirma. Im konkreten<br />
Fall gab es auch zahlreiche Indizien dafür, dass die<br />
GmbH den wesentlichen Kern des Geschäftsfeldes<br />
der Einzelfirma übernommen hatte. Der Gründer<br />
der GmbH versuchte offensichtlich wieder einmal<br />
die Quadratur des Kreises. Einerseits wollte er die<br />
GmbH von Altlasten freihalten. Andererseits warb<br />
er mit einer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.<br />
6.2 Zur Haftung eines Gründungsgesell-<br />
schafters für Fehlverhalten von<br />
Erfüllungsgehilfen (hier: Aufklärungs-<br />
pflichtverletzungen durch eingeschaltete<br />
Untervermittler)<br />
(BGH, Urt. v. 14.05.2012, II ZR 69/12)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin nahm im Wege des Schadenersatzes<br />
den Gründungs- <strong>und</strong> Treuhandkommanditisten einer<br />
Kommanditgesellschaft auf Rückabwicklung einer<br />
KG-Beteiligung in Anspruch. Der Anleger war<br />
mittelbar beteiligt. Die Beteiligung zzgl. Agio wurde<br />
fremdfinanziert. Die Beteiligung wurde durch einen<br />
Untervermittler vermittelt. Nach den Angaben der<br />
Anlegerin wurde vom Untervermittler für die Beteiligung<br />
damit geworben, dass es sich um eine gute<br />
Rentenanlage, die totsicher eine gute Rendite erwirtschafte<br />
<strong>und</strong> keinerlei Risiken aufweise, geworben.<br />
Im Prospekt waren hingegen zahlreiche Risiken<br />
beschrieben.<br />
Entscheidung<br />
Ein Gründungsgesellschafter hat die Pflicht, einem<br />
Beitrittsinteressenten ein zutreffendes Bild über das<br />
Beteiligungsobjekt zu vermitteln <strong>und</strong> den Anlageinteressenten<br />
über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung<br />
von wesentlicher Bedeutung sind<br />
oder sein können, verständlich <strong>und</strong> vollständig aufzuklären.<br />
Ein Gründungsgesellschafter, der sich zu<br />
den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
eines Vertriebs bedient, haftet über § 278 BGB für<br />
unrichtige oder unzureichende Angaben des Vertriebs.<br />
Dies gilt auch, wenn der Vertrieb seinerseits<br />
Untervermittler einschaltet. Ein Gründungsgesellschafter<br />
muss sich das Fehlverhalten von Personen,<br />
die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des<br />
Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich kann eine Aufklärung mittels eines<br />
vollständigen <strong>und</strong> fehlerfreien Prospektes erfolgen.<br />
Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist<br />
dies allerdings, kein Freibrief, Risiken abweichend<br />
hiervon darzustellen <strong>und</strong> mit Erklärungen ein Bild zu<br />
zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung<br />
des Anlegers entwertet oder mindert. Ein<br />
Schuldner haftet für Pflichtverletzungen eines Erfüllungsgehilfen<br />
auch dann, wenn der Erfüllungsgehilfe<br />
von Weisungen abweicht, solange sein Handeln<br />
noch im Zusammenhang mit den ihm übertragenen<br />
Aufgaben steht. Ein Verschulden von Untervermittlern<br />
ist schon dann zuzurechnen, wenn mit ihrem<br />
Einsatz gerechnet werden musste.<br />
Fazit<br />
Wir hatten schon früher darauf hingewiesen, dass<br />
auch ein einwandfreier Prospekt kein Vermittlerfreibrief<br />
ist <strong>und</strong> eine Haftung des Vermittlers nach<br />
sich zieht, wenn er von Prospektaussagen abweicht.<br />
Dererlei „Unwahrheiten“ muss sich auch der Gründungsgesellschafter<br />
zurechnen lassen, mit dessen<br />
Wissen <strong>und</strong> Wollen Vertriebe <strong>und</strong> Untervertriebe<br />
eingesetzt werden. Diese werden im Pflichtenkreis<br />
eines Gründungsgesellschafters tätig, weil dieser<br />
bekanntlich den später beitretenden Gesellschaftern<br />
ein zutreffendes Bild von einer Gesellschaftsbeteiligung<br />
vermitteln muss. Umso wichtiger ist es,<br />
bei der Auswahl derjenigen, die im eigenen Pflichtenkreis<br />
tätig sein sollen, auf Kompetenz <strong>und</strong> Redlichkeit<br />
zu achten.<br />
Bildquelle: © Marius Graf - Fotolia.com<br />
29
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
30<br />
7. Schadensumfang<br />
7.1 Zu den Anforderungen, die an die<br />
Geltendmachung eines entgangenen<br />
Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu<br />
stellen sind<br />
(BGH, Urt. v. 24.04.2012, XI ZR 360/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin, die zuvor ihr Geld in Sparbüchern,<br />
Festgeldanlagen <strong>und</strong> Sparkassenbriefen angelegt<br />
hatte, zeichnete auf Empfehlung einer Sparkasse<br />
eine KG-Fondsbeteiligung. Sie nahm Jahre später<br />
die Sparkasse, die auch Gründungskommanditistin<br />
des Fonds war, wegen diverser Pflichtverletzungen<br />
in Anspruch. Sie begehrte u.a. die Erstattung entgangener<br />
Anlagezinsen in Höhe der damaligen Rendite<br />
von Sparbriefen oder B<strong>und</strong>eswertpapieren. Deren<br />
Rendite gibt die Anlegerin mit 5,8 % p.a. bzw.<br />
5,16 % p.a. an. Mindestens sei ihr aber ein Gewinn<br />
von 4 % p.a. zu erstatten. Das Berufungsgericht<br />
hatte Pflichtverletzungen der Sparkasse bejaht <strong>und</strong><br />
diese zur Rückabwicklung verpflichtet. Allerdings<br />
wurde die Klage in Bezug auf die geltend gemachten<br />
Anlagezinsen abgewiesen. Hierüber hatte nun<br />
der BGH zu befinden.<br />
Entscheidung<br />
Zunächst weist der XI. Zivilsenat des BGH auf die<br />
Norm des § 152 Satz 1 BGB hin. Hiernach ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
auch entgangener Gewinn geschuldet,<br />
wenn eine Schadenersatzpflicht feststeht. Zu ersetzen<br />
sei der Schaden, der sich typischerweise daraus<br />
ergebe, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser<br />
Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben<br />
wäre, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz<br />
angelegt worden wäre.<br />
Sodann weist der BGH darauf hin, dass nach allgemeinen<br />
Beweislastregeln der Geschädigte darlegungs-<br />
<strong>und</strong> beweisbelastet ist. Ein Anleger könne<br />
sich auch nicht auf § 252 Satz 2 Fall 1 BGB berufen,<br />
wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher<br />
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit<br />
erwartet werden konnte. Dies jedenfalls<br />
dann nicht, wenn nach einer durchgeführten<br />
Beweisaufnahme feststeht, dass die Anlegerin keinen<br />
Sparbrief oder kein B<strong>und</strong>eswertpapier erworben<br />
hätte, sondern eine andere Fondsbeteiligung<br />
gezeichnet hätte. Es gäbe auch keinen Gr<strong>und</strong>satz<br />
dahingehend, dass sich ein zur Verfügung stehender<br />
Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen<br />
Zinssatzes von 4 % p.a. verzinse.<br />
Fazit<br />
Die Ausführungen <strong>und</strong> Überlegungen des XI. Zivilsenats,<br />
die sich im Urteil vom 24.04.2012 wiederfinden,<br />
dürften sich inzwischen bereits wieder<br />
als überholt erweisen. Der II. Zivilsenat hatte nur<br />
einen Tag vorher noch zugunsten eines Anlegers<br />
entschieden <strong>und</strong> ausgeführt, es sei davon auszugehen,<br />
dass Eigenkapital erfahrungsgemäß nicht<br />
ungenutzt bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen<br />
Zinssatz angelegt worden wäre (vgl. BGH,<br />
Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09 Rn. 36). Der Streit<br />
dürfte sich deshalb künftig auf die Höhe eines entgangenen<br />
Gewinns fokussieren.<br />
7.2 Zur Frage der Anrechnung von Steuer-<br />
vorteilen bei Rückabwicklung eines<br />
Immobilienerwerbs im Wege des<br />
großen Schadensersatzes<br />
(BGH, Versäumnis- <strong>und</strong> Endurteil v.<br />
26.01.2012, VII ZR 154/10)<br />
Sachverhalt<br />
Anleger erwarben im Jahr 1999 eine Wohnungseinheit<br />
in einem vom Verkäufer zu sanierenden denkmalgeschützten<br />
Gebäude. Der Wohnungserwerb<br />
wurde voll fremdfinanziert. Steuerlich konnten die<br />
Anleger neben der normalen AfA die erhöhte Absetzung<br />
bei Baudenkmalen nach § 7i EStG geltend<br />
machen. Wegen Mängeln wurde der Verkäufer<br />
rechtskräftig verurteilt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung<br />
zu leisten <strong>und</strong> die Wohnung Zug um Zug<br />
gegen Freistellung der Anleger aus den Darlehensverbindlichkeiten<br />
zurückzunehmen. Jetzt begehren<br />
die Anleger im Wege des großen Schadenersatzes<br />
u.a. Steuernachbelastungen <strong>und</strong> in der Zukunft entgehende<br />
Steuervorteile.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH weist zunächst darauf hin, dass den Anlegern<br />
aufgr<strong>und</strong> der Rückabwicklung des Immobilienerwerbs<br />
Einnahmen aus Vermietung <strong>und</strong> Verpachtung<br />
dadurch zufließen, dass sich zuvor die
Anschaffungskosten aufgr<strong>und</strong> der Absetzbarkeit<br />
steuerrechtlich ausgewirkt haben. Steuerrechtlich<br />
seien Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse<br />
von Aufwendungen, die zuvor bei der Ermittlung<br />
der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten<br />
abgezogen worden sind. Im Wege des<br />
sog. großen Schadenersatzes könnte der Anspruch<br />
auch in der Weise geltend gemacht werden, dass<br />
der Erwerber die Eigentumswohnung zurückgibt<br />
<strong>und</strong> Ausgleich dafür verlangt, dass nach Rückgabe<br />
der Wohnung seinen Aufwendungen kein entsprechender<br />
Gegenwert gegenübersteht.<br />
Infolge des Erwerbs einer Immobilie erzielte Steuervorteile<br />
sind nicht anzurechnen, wenn die Rückabwicklung<br />
des Erwerbs im Wege des Schadenersatzes<br />
zu einer Besteuerung führt, die die erzielten<br />
Steuervorteile wieder nimmt. Hierbei spielt keine<br />
Rolle, ob ein Steuerbescheid bestandskräftig ist. Ansprüche<br />
aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald<br />
der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz<br />
die Leistungspflicht knüpft. Die Belastung mit einer<br />
Steuerverbindlichkeit stellt einen ersatzfähigen<br />
Schaden dar.<br />
Soweit ein Anspruch auf Befreiung von einer Steuerverbindlichkeit<br />
gerichtet ist <strong>und</strong> der in Anspruch<br />
Genommene die Leistung endgültig <strong>und</strong> ernsthaft<br />
verweigert, wandelt sich der Freistellungsanspruch<br />
in einen Zahlungsanspruch um. Der Geschädigte<br />
kann dann unmittelbare Zahlung eines (konkret zu<br />
berechnenden) Schadens fordern.<br />
Fazit<br />
Bei der Berechnung eines Schadenersatzanspruchs<br />
ist die Steuerverbindlichkeit zu berücksichtigen, soweit<br />
der Geschädigte sich zuvor von ihm erzielte<br />
Steuervorteile auf den Schadenersatzanspruch anrechnen<br />
lässt.<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
7.3 Zur Frage der Anrechenbarkeit von<br />
Steuervorteilen bei Prospekthaftung<br />
(OLG München, Urt. v. 28.10.2011, 5 U<br />
5544/10)<br />
Sachverhalt<br />
Anleger nehmen Gründungsgesellschafter eines<br />
geschlossenen Immobilienfonds auf Schadenersatz<br />
in Anspruch <strong>und</strong> machen eine Reihe von Prospektfehlern<br />
geltend, u.a. eine irreführende Darstellung<br />
der Weichkostenquote. Auf die Schadenersatzforderung<br />
lassen sich die Anleger Ausschüttungen<br />
anrechnen, nicht jedoch Steuervorteile. Die Gründungsgesellschafter<br />
verneinen ihre Schadenersatzpflicht<br />
<strong>und</strong> sind des Weiteren der Ansicht, die<br />
Anleger müssten sich jedenfalls die Steuervorteile<br />
anrechnen lassen.<br />
Entscheidung<br />
Der Ausgangspunkt bewegt sich auf vertrauten<br />
Pfaden: Gründungsgesellschafter haben unter dem<br />
Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung (Verschulden<br />
bei Vertragsverhandlungen) für die Richtigkeit <strong>und</strong><br />
Vollständigkeit eines in den Verkehr gebrachten<br />
Prospektes einzustehen. Die Haftung besteht auch<br />
gegenüber Kapitalanlegern, die über einen Treuhandkommanditisten<br />
nur mittelbar beteiligt sind,<br />
wenn der Gesellschaftsvertrag der Fonds-KG mittelbar<br />
beteiligte Anleger im Innenverhältnis unmittelbaren<br />
Gesellschaftern gleichstellt.<br />
Das Gericht bejahte sodann das Vorliegen zumindest<br />
eines Prospektfehlers. Dieser war auch für die<br />
Anlageentscheidung ursächlich, denn nach ständiger<br />
<strong>Recht</strong>sprechung des BGH wird bei einem Beitritt<br />
zu einem geschlossenen Immobilienfonds die<br />
Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung<br />
aufgr<strong>und</strong> der allgemeinen Lebenserfahrung<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich vermutet. Bei Immobilien, bei<br />
denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit<br />
<strong>und</strong> Rentabilität geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten<br />
nach der ständigen <strong>Recht</strong>sprechung<br />
des BGH nicht geeignet, die auf der Lebenserfahrung<br />
beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit<br />
fehlerhafter Prospektdarstellungen für<br />
die Anlageentscheidung zu entkräften.<br />
Bei der Verletzung einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht<br />
ist ein Vermögensschaden des Anlegers,<br />
der sich bei zutreffender Unterrichtung nicht<br />
an dem Anlagemodell beteiligt hätte, schon immer<br />
dann zu bejahen, wenn die Anlage für ihn den gezahlten<br />
Preis nicht wert ist. Auf die Frage des Wertes<br />
oder der Wertgleichheit der Gegenleistung (hier<br />
also des Fondsanteils) kommt es deshalb nicht an.<br />
31
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
32<br />
Auch Steuervorteile sind nach Ansicht des Gerichts<br />
nicht schadensmindernd anzurechnen, weil der<br />
Schadenersatz (Rückerstattung der Beteiligungssumme<br />
abzüglich erlangter Ausschüttungen) als<br />
steuerpflichtige Rückerstattung von Werbungskosten<br />
zu qualifizieren ist. Erwirbt ein Anleger eine<br />
Fondsbeteiligung <strong>und</strong> erzielt hierbei Steuervorteile,<br />
resultieren diese aus geltend gemachten Verlusten<br />
für Vermietung <strong>und</strong> Verpachtung, also aus Werbungskosten.<br />
Steuervorteile, die sich zunächst aus<br />
Werbungskosten ergeben haben, werden jedoch<br />
bei einer Rückabwicklung im Wege des Schadenersatzes<br />
im Veranlagungszeitraum ihres Zuflusses<br />
als Einkünfte in derjenigen Einkunftsart qualifiziert,<br />
<strong>und</strong> damit der Steuer unterworfen, in der sie zuvor<br />
geltend gemacht wurden. Der Anleger muss sich<br />
deshalb Steuervorteile nicht auf seinen Schadenersatzanspruch<br />
anrechnen lassen.<br />
Fazit<br />
Die Frage der Anrechenbarkeit von Steuervorteilen<br />
ist bis in die jüngste Zeit hinein umstritten. Ein anderer<br />
Senat des OLG München hatte wenige Monate<br />
vor dem 22. Zivilsenat noch gegenteilig entschieden.<br />
Allerdings geht auch die jüngere <strong>Recht</strong>sprechung<br />
des II. Zivilsenats des BGH von der Steuerpflichtigkeit<br />
eines zugesprochenen Schadenersatzbetrages<br />
aus. Diese vom BGH entwickelten Gr<strong>und</strong>sätze über<br />
die Besteuerung der Schadensersatzleistung bei<br />
Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs sind auch<br />
bei der Rückabwicklung des Erwerbs einer treuhänderischen<br />
Beteiligung an einem Immobilienfonds<br />
anzuwenden.<br />
(Anmerkung: siehe dazu auch das BGH-Urteil vom<br />
18.12.2012, II ZR 259/11 nachfolgend I 7.4)<br />
7.4 Zur Anrechnung von Steuervorteilen<br />
auf den Schadenersatzanspruch des<br />
Anlegers bei Rückabwicklung einer<br />
Fondsbeteiligung<br />
(BGH, Urt. v. 18.12.2012, II ZR 259/11)<br />
Sachverhalt<br />
Bei diesem in der ersten <strong>und</strong> zweiten Instanz von unserem<br />
Kollegen RA. Dr. Sieprath geführten <strong>Recht</strong>sstreit<br />
ging es um die Frage, ob bei der Rückabwicklung<br />
einer Fondsbeteiligung Steuervorteile auf den<br />
Schadenersatzanspruch des Anlegers anzurechnen<br />
sind oder nicht. Unter Berufung auf verschiedene<br />
Prospektmängel wurden die Gründungskomplementärin<br />
<strong>und</strong> die Gründungskommanditistin in<br />
Anspruch genommen. Das OLG München als Vor-<br />
instanz hatte anders als das Landgericht die mit der<br />
Beteiligung verb<strong>und</strong>enen Steuervorteile nicht schadensmindernd<br />
angerechnet. Darum ging es in der<br />
Revisionsinstanz.<br />
Entscheidung<br />
Zunächst wies der BGH darauf hin, dass im Hinblick<br />
auf die Frage der Vorteilsanrechnung steuerliche<br />
Entlastungen eine typisierende Betrachtungsweise<br />
geboten ist. Eine Vorteilsanrechnung scheidet deshalb<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich aus, wenn die Schadenersatzleistung<br />
ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist.<br />
Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise<br />
kommt es nun nicht darauf an, ob der Anleger<br />
die Schadenersatzleistung tatsächlich versteuert.<br />
Deshalb sind die erzielten Steuervorteile nur dann<br />
anzurechnen, wenn Anhaltspunkte für derart außergewöhnliche<br />
Steuervorteile vorhanden sind,<br />
dass es unbillig wäre, einem Geschädigten diese<br />
zu belassen.<br />
Ausdrücklich weist der BGH darauf hin, dass die<br />
Absenkung des Einkommenspitzensteuersatzes<br />
von 53 % auf 45 % hierfür nicht ausreicht.<br />
Sodann ging es um die Frage der Steuerbarkeit der<br />
Schadenersatzleistung. Diesbezüglich wies der BGH<br />
darauf hin, dass Erstattungsbeträge, die Werbungskosten<br />
ersetzen, im Jahr ihres Zuflusses steuerpflichtige<br />
Einnahmen bei der Einkunftsart sind, bei der<br />
die Aufwendungen vorher als Werbungskosten<br />
abgezogen worden sind. Dies gilt auch für Absetzungen<br />
für Abnutzung (AfA) <strong>und</strong> nicht nur für Finanzierungskosten.<br />
Unerheblich wäre sogar, wenn<br />
ein Fonds Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz<br />
in Anspruch genommen hat.<br />
Fazit<br />
Ob der BGH mit dieser Entscheidung endgültig einen<br />
Schlussstrich unter eine sich seit vielen Jahren<br />
hinziehende Diskussion gesetzt hat, bleibt abzuwarten.<br />
Aktuell werden noch zahlreiche Verfahren<br />
geführt, bei denen die Frage der Anrechenbarkeit<br />
von Steuervorteilen auf den Schadenersatzanspruch<br />
eine wichtige <strong>Recht</strong>sfrage ist. Ein (bei Immobilienveräußerungen<br />
derzeit nach zehn Jahren<br />
steuerfreier) Kaufpreis ist jedenfalls etwas anderes<br />
als ein Schadenersatzanspruch. Da nach dieser<br />
Entscheidung Steuervorteile, die Werbungskosten<br />
sind, bei der Bemessung des Schadenersatzanspruchs<br />
nicht gegenzurechnen sind, stellt sich eher<br />
die weitere Frage, dass Schädiger noch zusätzlich<br />
etwaige Steuernachteile zu ersetzen haben, die<br />
beispielsweise aus der Steuerpflicht der Schadenersatzleistung<br />
resultieren, wenn Geschädigte in einer<br />
anderen (höheren) Steuerklasse sind.
8. Verjährung<br />
Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs<br />
nach § 37a WpHG<br />
(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.04.2011, 17 U<br />
128/10)<br />
Sachverhalt<br />
Anleger erwarben Ende 2006 Anteile an einer<br />
Hybrid-Anleihe. Der Auftrag zum Erwerb der Anleihe<br />
wurde von den Anlegern am 30.11.2006 im<br />
Anschluss an ein etwa 30 Minuten dauerndes Beratungsgespräch<br />
in einer Bankfiliale erteilt. Eine<br />
Abrechnung erfolgte am 14.12.2006. Der Inhalt<br />
des Beratungsgesprächs war streitig. Die Anleger<br />
behaupteten, ihnen wäre es nicht um Rendite,<br />
sondern um Sicherheit <strong>und</strong> auch mittelfristige Verfügbarkeit<br />
des Anlagebetrages gegangen. Auf ein<br />
Totalverlustrisiko sei nicht hingewiesen worden.<br />
Die in Anspruch genommene Bank trug hingegen<br />
vor, im Beratungsgespräch seien die mit der Hybrid-<br />
Anleihe verb<strong>und</strong>enen Chancen <strong>und</strong> Risiken erörtert<br />
worden einschl. des Kapitalverlustrisikos, Ausgabeaufschlag,<br />
Kostenstruktur sowie fehlende Einlagensicherung.<br />
Des Weiteren berief sich die beklagte<br />
Bank auf Verjährung.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Frankfurt am Main wies die Klage ab. Ein<br />
Schadenersatzanspruch scheiterte aber nicht an einer<br />
möglichen Verjährung. Die Verjährung begann<br />
nicht bereits mit Abschluss der Kaufverhandlungen<br />
<strong>und</strong> damit bereits am 13.11.2006, sondern erst mit<br />
dem 14.12.2006, denn an jenem Tage wurde die<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Order ausgeführt <strong>und</strong> die Hybrid-Anleihe gekauft.<br />
Die Klageerhebung am 14.12.2009 (exakt drei Jahre<br />
nach erfolgtem Kauf des Wertpapiers) war deshalb<br />
noch rechtzeitig. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt<br />
der Order an, sondern auf den Abschluss des<br />
Kaufvertrages.<br />
Das Gericht verneinte aber einen Anspruch wegen<br />
Pflichtverletzung des konkludent zustande gekommenen<br />
Beratungsvertrages. Dies wurde im Wesentlichen<br />
mit ungenügendem Beweisantritt bzw. verspätetem<br />
Vorbringen begründet.<br />
Fazit<br />
Die Entscheidung ist vor allem deshalb von Interesse,<br />
weil sie sich näher mit der Verjährungsvorschrift<br />
des § 37a WpHG befasst. Von einem Beginn der<br />
Verjährungsfrist ist dann auszugehen, wenn der Erwerb<br />
von Wertpapieren vorliegt. Dabei ist es nicht<br />
entscheidend, ob schon tatsächlich eine Vermögensminderung<br />
eingetreten ist. Selbst bei objektiver<br />
Werthaltigkeit von Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung<br />
kann ein zum Schadenersatz verpflichtender Vermögensschaden<br />
dadurch entstanden sein, dass die<br />
Leistung für Zwecke des Anlegers nicht voll brauchbar<br />
ist.<br />
33
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
34<br />
II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />
(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong><br />
Nachschusspflichten)<br />
Der Erwerb jeder Kapitalanlage ist mit dem<br />
Abschluss eines oder mehrerer Verträge verb<strong>und</strong>en.<br />
Aus deren Abschluss resultieren<br />
gleichermaßen <strong>Recht</strong>e wie Pflichten. Bestimmte<br />
Pflichten ergeben sich des Weiteren aus dem Gesetz.<br />
Hier muss ggf. die <strong>Recht</strong>sprechung darüber<br />
befinden, welche Pflichten im Einzelnen abdingbar<br />
sind <strong>und</strong> welche zwingendes <strong>Recht</strong> sind. Auch können<br />
verschiedene Klauseln als überraschende oder<br />
unangemessene Klauseln für unwirksam erklärt<br />
werden. Nach wie vor geht es des Weiteren um<br />
Fragen, unter welchen Voraussetzungen mittelbar<br />
beteiligte Gesellschafter Anspruch darauf haben,<br />
Namen <strong>und</strong> Anschriften ihrer Mitgesellschafter (der<br />
anderen Treugeber) zu erfahren. Schließlich ging es<br />
auch im Jahr 2012 wiederholt um die Frage, unter<br />
welchen Voraussetzungen ein Treuhänder Freistellung<br />
von seiner Haftung fordern kann oder ein<br />
Gläubiger den Treugeber auch unmittelbar in Anspruch<br />
nehmen kann.<br />
1. Zu Fragen der Rückabwicklung einer<br />
mittelbaren Medienfondsbeteiligung;<br />
hier: Was muss der Anleger tun?<br />
Wann beginnt der Annahmeverzug?<br />
(BGH, Urt. v. 10.07.2012, XI ZR 272/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger hatte sich auf Empfehlung seiner Bank<br />
an einem Medienfonds beteiligt. Die Beteiligung erfolgte<br />
mittelbar über eine Treuhandkommanditistin.<br />
Zur Übertragung der <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten aus der<br />
Beteiligung ist gem. § 6 des Gesellschaftsvertrages<br />
die Zustimmung der Komplementärin der Fondsgesellschaft<br />
<strong>und</strong> gem. § 7 des Treuhandvertrages die<br />
Zustimmung der Treuhandkommanditistin erforderlich.<br />
Außerdem bedarf es gem. einer Bestimmung<br />
der Anteilsübernahmeerklärung der Zustimmung<br />
der finanzierenden Bank. Die Haftung der Bank<br />
steht dem Gr<strong>und</strong>e nach nicht mehr im Streit. Anleger<br />
<strong>und</strong> Bank streiten insbesondere um die Frage,<br />
mit welchem Inhalt der Anleger die Übertragung<br />
der Fondsbeteiligung an die Bank vornehmen muss<br />
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<strong>und</strong> ob sich diese in Annahmeverzug befindet. Der<br />
Anleger hatte Schadenersatz <strong>und</strong> Freistellung von<br />
einer Finanzierung Zug um Zug gegen Abgabe eines<br />
Angebots auf Übertragung der von ihm gezeichneten<br />
Fondsbeteiligung <strong>und</strong> Abtretung aller <strong>Recht</strong>e<br />
aus dieser Beteiligung an die Bank gefordert.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bejahte diesen Anspruch auf Schadenersatz<br />
Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher <strong>Recht</strong>e<br />
aus der Beteiligung. Dies gelte auch dann, wenn<br />
die Übertragung der Fondsanteile von der Zustimmung<br />
Dritter abhängig ist. Etwaige Schwierigkeiten<br />
in diesem Bereich fallen in die Verantwortung der<br />
schadenersatzpflichtigen Bank. Das Gegenrecht<br />
eines Schädigers kann sich nur auf <strong>Recht</strong>spositionen<br />
beziehen, die der geschädigte Kapitalanleger aufgr<strong>und</strong><br />
der Zeichnung - hier der mittelbaren Fondsbeteiligung<br />
- erworben hat.<br />
Der Anleger hatte der Bank die Abtretung seiner<br />
<strong>Recht</strong>e aus der Fondsbeteiligung <strong>und</strong> dem Treuhandvertrag<br />
angeboten. Dies ist ausreichend.
Fazit<br />
Im Falle der schadensrechtlichen Rückabwicklung<br />
einer mittelbaren Fondsbeteiligung muss der geschädigte<br />
Kapitalanleger dem Schädiger als Zug um<br />
Zug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung<br />
seiner <strong>Recht</strong>e aus der Beteiligung bzw. dem<br />
Treuhandvertrag anbieten. Ist eine Übertragung von<br />
der Zustimmung Dritter abhängig, liegt es im Risikobereich<br />
des Schädigers, dass der Dritte die Zustimmung<br />
erteilt.<br />
2. Zur Frage, wann ein Treugeber einer<br />
Publikums-Personengesellschaft im<br />
Innenverhältnis die Stellung eines<br />
unmittelbaren Gesellschafters hat<br />
(BGH, Urt. v. 11.10.2011, II ZR 242/09)<br />
Sachverhalt<br />
Eine Anlegerin hatte sich - mittelbar über eine Treuhänderin<br />
- an einem geschlossenen Immobilienfonds<br />
in der <strong>Recht</strong>sform einer oHG beteiligt. Die<br />
Fondsgesellschaft befindet sich in Liquidation. Sie<br />
fordert von der (mittelbar beteiligten) Anlegerin die<br />
Zahlung eines Liquidations-Fehlbetrages. Die Anlegerin<br />
hat in der Beitrittserklärung bestätigt, sowohl<br />
den Gesellschafts- als auch den Treuhandvertrag für<br />
sich verbindlich anzuerkennen. Im Treuhandvertrag<br />
war u.a. geregelt, dass die Gesellschaftseinlage dem<br />
Treugeber gebührt <strong>und</strong> dieser wie ein unmittelbar<br />
beteiligter Gesellschafter zu behandeln sei.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH hob die die Klage der Fondsgesellschaft abweisende<br />
Entscheidung des Berufungsgerichts auf.<br />
Es entspreche der ständigen <strong>Recht</strong>sprechung des<br />
BGH, dass im Falle einer sog. offenen oder qualifizierten<br />
Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten<br />
ihr gesellschaftliches Innenverhältnis so gestalten<br />
können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter<br />
wären.<br />
Bei Publikumsgesellschaften ist eine solche Gestaltung<br />
regelmäßig anzunehmen, wenn die mittelbare<br />
Beteiligung von Anlegern <strong>und</strong> damit eine Verzahnung<br />
von Gesellschaft <strong>und</strong> Treuhand von vornherein<br />
vorgesehen ist <strong>und</strong> der Gesellschaftsvertrag<br />
entsprechende <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten der Anleger<br />
regelt.<br />
In der Beitrittserklärung wurde dem Anleger deutlich<br />
vor Augen geführt, dass seine <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten<br />
als mittelbar beteiligter Gesellschafter den <strong>Recht</strong>en<br />
<strong>und</strong> Pflichten eines unmittelbar Beteiligten Gesell-<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
schafters entsprechen. Der über einen Treuhänder<br />
beteiligte Treugeber ist im Außenverhältnis der Haftung<br />
ausgesetzt <strong>und</strong> kann auch im Innenverhältnis<br />
auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Dies<br />
gilt jedenfalls dann, wenn der Treuhänder seinen<br />
Freistellungsanspruch abtritt.<br />
Zugleich weist der BGH darauf hin, dass die nach<br />
Auflösung der Gesellschaft bestehende Verlustausgleichspflicht<br />
aus dem Gesetz folgt <strong>und</strong> anders als<br />
die nachträgliche Begründung einer Nachschusspflicht<br />
nicht von der Zustimmung jedes einzelnen<br />
Gesellschafters abhängig ist.<br />
Fazit<br />
Auch einem nur mittelbar über einen Treuhänder<br />
beteiligtem Gesellschafter einer Publikums-Personengesellschaft<br />
sollte klar sein, dass er regelmäßig<br />
wie ein unmittelbar beteiligter Gesellschafter behandelt<br />
wird. Ihm stehen Ausschüttungen oder Ansprüche<br />
auf einen Liquidationserlös zu. Er muss aber<br />
- jedenfalls bei entsprechender <strong>Recht</strong>sform - auch<br />
für einen Liquidationsfehlbetrag geradestehen. Ein<br />
Treuhänder ist nicht durch § 242 BGB daran gehindert,<br />
seinen Freistellungsanspruch gegen den Treugeber<br />
geltend zu machen oder diesen Freistellungsanspruch<br />
an die Gesellschaft abzutreten.<br />
3. Der Streitgegenstand ist entscheidend -<br />
Zur Frage, wann ein Anleger ein zweites<br />
Mal auf Schadenersatz klagen kann<br />
(OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.05.2012,<br />
17 W 36/12)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Ehepaar kaufte 1996 zwecks Steuerersparnis<br />
ohne Einsatz von Eigenmitteln eine Eigentumswohnung.<br />
Der Erwerb wurde durch einen Vermittler<br />
empfohlen. Zur Finanzierung des Gesamtaufwandes<br />
schloss das Ehepaar einen Darlehensvertrag bei einer<br />
Bank sowie zwei nacheinander anzusparende<br />
Bausparverträge mit der Bausparkasse. Eine Schadenersatzklage<br />
des Ehepaars gegen die Bausparkasse<br />
im Jahr 2001 wurde rechtskräftig abgewiesen.<br />
Jetzt begehren die Eheleute Prozesskostenhilfe, um<br />
die Bausparkasse mit neuen Argumenten erneut auf<br />
Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht<br />
wies ihren PKH-Antrag mit der Begründung<br />
zurück, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Karlsruhe hob diesen Beschluss auf. Im<br />
Rahmen der gebotenen summarischen Betrachtung<br />
35
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
36<br />
sei die Erfolgsaussicht der neuen Schadenersatzklage<br />
zu Unrecht verneint worden. Entscheidend<br />
sei, ob die Streitgegenstände unterschiedlich seien.<br />
Beim Schadenersatzprozess im Jahr 2001 war es<br />
aber nicht um die Frage gegangen, ob die Anleger<br />
über Innenprovisionen durch den Vertrieb arglistig<br />
getäuscht wurden <strong>und</strong> ob die Bausparkasse Kenntnis<br />
über die arglistige Täuschung hatte.<br />
Auch wenn die Voraussetzungen für die Zurechnung<br />
einer Kenntnis streng sind, konnte dies im<br />
vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen<br />
werden. Die Täuschung eines Vermittlers durch<br />
Fehlangaben zum Anlageobjekt oder zur Rendite<br />
oder zu den Innenprovisionen begründet eine Haftungsverantwortlichkeit<br />
der Bank oder Sparkasse<br />
nur dann, wenn sie sich selbst arglistig verhält bzw.<br />
an unlauteren Machenschaften von Verkäufern oder<br />
Vertrieb beteiligt ist oder hierüber einen Wissensvorsprung<br />
hat. Die von den Anlegern behauptete<br />
Kenntnis der Bausparkasse über eine erhöhte Innenprovision<br />
war nicht Gegenstand des Ursprungsprozesses.<br />
Die Erfolgsaussichten einer Klage müssen<br />
deshalb vom Landgericht erneut überprüft werden.<br />
Fazit<br />
Da es um einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe<br />
ging, werden die Erfolgsaussichten<br />
lediglich summarisch überprüft. Erst spät stellte<br />
sich heraus, wie stark die Badenia Bausparkasse<br />
in anderen Verfahren über die Vertriebsaktivitäten<br />
<strong>und</strong> Vertriebsmethoden Bescheid wusste. Deshalb<br />
konnte den Anlegern hier auch nicht von vornherein<br />
grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Weder<br />
sie noch die sie damals vertretenden Anwälte mussten<br />
Kenntnis von der Mitwirkung bzw. „Mitwisserschaft“<br />
der Bausparkasse haben. Auch von einer<br />
grob fahrlässigen Unkenntnis konnte in diesem Fall<br />
nicht ausgegangen werden.<br />
4. Zur Verlustausgleichspflicht einer<br />
Publikums-GbR nach Auflösung der<br />
Gesellschaft<br />
(BGH, Urt. v. 15.11.2011, II ZR 272/09)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger trat im Jahr 1994 einem geschlossenen<br />
Immobilienfonds bei, der in der <strong>Recht</strong>sform einer<br />
BGB-Gesellschaft gegründet wurde. Zweck des<br />
Fonds war es, eine Wohnanlage zu errichten <strong>und</strong><br />
zu bewirtschaften. Der Gesellschaftsvertrag enthielt<br />
eine quotale Haftungsbeschränkung (Haftung der<br />
Höhe nach unbegrenzt, aber nur bezogen auf die<br />
Beteiligungsquote). Beschlussfassungen über die<br />
Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung<br />
der Gesellschaft bedurften einer ¾-Mehrheit.<br />
Die Gesellschafterversammlung des Fonds fasste<br />
im Jahr 2007 mit der erforderlichen Mehrheit den<br />
Beschluss, die gesellschaftseigene Immobilie zu<br />
veräußern <strong>und</strong> die Gesellschaft zu liquidieren. Ein<br />
Steuerberater <strong>und</strong> Wirtschaftsprüfer erstellte eine<br />
Liquidationseröffnungsbilanz. Die Gesellschafter beschlossen<br />
mit einfacher Mehrheit, die Liquidationseröffnungsbilanz<br />
als Schlussbilanz anzuerkennen.<br />
Der Liquidator wurde angewiesen, zum Ausgleich<br />
von Unterdeckungen erforderliche Nachschüsse bei<br />
den Gesellschaftern einzufordern.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bestätigte die <strong>Recht</strong>mäßigkeit der auf § 735<br />
BGB gestützten Nachschussforderung. Die Verpflichtung<br />
zur Zahlung eines Verlustausgleichs ergebe sich<br />
kraft Gesetzes. Die quotale Beschränkung der Gesellschafterhaftung<br />
im Gesellschaftsvertrag betreffe<br />
das Außenverhältnis. Die Verlustausgleichshaftung<br />
betreffe hingegen die Haftung im Innenverhältnis.<br />
Bei der Innen- <strong>und</strong> Außenhaftung handele es sich um<br />
unterschiedliche Haftungsebenen. Diese sind in ihren<br />
Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen nicht vergleichbar.<br />
Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die<br />
Haftung im Innen- <strong>und</strong> Außenverhältnis aufgr<strong>und</strong><br />
einer eindeutigen Vereinbarung ausnahmsweise<br />
deckungsgleich ist. Der Beschluss, die Liquidationseröffnungsbilanz<br />
als Schlussbilanz anzuerkennen,<br />
war ebenfalls nicht unwirksam. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt<br />
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im <strong>Recht</strong> der BGB-Gesellschaft das Einstimmigkeitserfordernis.<br />
Dieses kann durch das Mehrheitsprinzip<br />
ersetzt werden. Verlangt der Gesellschaftsvertrag<br />
einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen <strong>Recht</strong>s für<br />
die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung<br />
der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit,<br />
ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss<br />
von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt,<br />
nach der Beschlüsse gr<strong>und</strong>sätzlich mit einfacher<br />
Mehrheit zu fassen sind.<br />
Fazit<br />
Die im Stadium der Abwicklung einer BGB-Gesellschaft<br />
erstellte Auseinandersetzungsbilanz dient<br />
dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktivvermögens<br />
mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft<br />
festzustellen, ob <strong>und</strong> in welcher Höhe ein Überschuss<br />
verteilt werden kann oder von den Gesellschaftern<br />
Nachschüsse benötigt werden. Bei Verlustausgleichsansprüchen<br />
im Innenverhältnis handelt<br />
es sich um Forderungen der Gesellschaft, die das zur<br />
Begleichung der Verbindlichkeiten <strong>und</strong> Erstattung<br />
der Einlagen unzureichende Aktivvermögen ergänzen.<br />
Drinnen (in einer BGB-Gesellschaft) ist man in<br />
aller Regel schnell. Das Wiederherauskommen ist<br />
häufig mühseliger <strong>und</strong> kann manchmal auch eine<br />
größere finanzielle Belastung darstellen.<br />
(Anmerkung: Um denselben Themenkomplex ging<br />
es auch im BGH-Urteil II ZR 266/09, ebenfalls vom<br />
15.11.2011)<br />
5. Zu den Anforderungen an einen wich-<br />
tigen Gr<strong>und</strong>, um ein (langfristiges)<br />
Beteiligungsverhältnis an einer<br />
BGB-Gesellschaft außerordentlich<br />
zu kündigen<br />
(BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 2/11)<br />
Sachverhalt<br />
In dieser Entscheidung ging es ebenfalls um eine<br />
Anlegerin, die sich als Ratensparerin langfristig an<br />
einem geschlossenen Fonds in der <strong>Recht</strong>sform einer<br />
BGB-Gesellschaft beteiligt hatte. Sie hatte sich zur<br />
Leistung einer Einmal-Anlage verpflichtet sowie zur<br />
Bezahlung monatlicher Raten über einen Zeitraum<br />
von 30 Jahren. Die Anlegerin zahlte den Einmal-<br />
Beitrag <strong>und</strong> leistete Raten für fünf Monate, bevor<br />
sie die Zahlungen einstellte <strong>und</strong> später die Beitrittserklärung<br />
anfocht <strong>und</strong> widerrief.<br />
Zuvor war über das Vermögen einer Gründungsge-<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
sellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.<br />
Nach Anfechtung <strong>und</strong> Widerruf wurde das<br />
Insolvenzverfahren über die zweite Gründungsgesellschafterin<br />
eröffnet.<br />
Die Fondsgesellschaft forderte die Bezahlung rückständiger<br />
Monatsraten.<br />
Entscheidung<br />
Zunächst befasste sich das Gericht mit Fragen<br />
gesetzlicher <strong>und</strong> vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte.<br />
Bei vertraglich vereinbarten Widerrufsrechten<br />
entspreche es nicht dem Willen des die<br />
Widerrufsmöglichkeit Einräumenden, nicht bestehende<br />
Belehrungspflichten übernehmen <strong>und</strong> erfüllen<br />
zu wollen. Sodann ging das Gericht der Frage<br />
nach, ob die Anlegerin zur außerordentlichen Kündigung<br />
ihrer Beteiligung berechtigt war. Sie stützte<br />
das Kündigungsrecht auf die Insolvenz einer der<br />
Gründungsgesellschafterinnen. Allerdings lagen<br />
zwischen Insolvenz <strong>und</strong> Kündigung aus wichtigem<br />
Gr<strong>und</strong> fast drei Jahre. Wird ein Kündigungsrecht<br />
in Kenntnis des Bestehens seines Gr<strong>und</strong>es über einen<br />
längeren Zeitraum nicht ausgeübt, kann eine<br />
tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass der<br />
Kündigungsgr<strong>und</strong> nicht so schwer wiegt, dass dem<br />
Kündigenden die Fortsetzung der Gesellschaft<br />
unzumutbar ist oder dass der Gr<strong>und</strong> dieses Ge-<br />
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Bildqelle: © xmasarox - Fotolia.com<br />
37
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
38<br />
wicht jedenfalls in der Zwischenzeit verloren hat.<br />
Hinzu kommt, dass bei einer Publikumsgesellschaft<br />
die Insolvenz eines Gesellschafters regelmäßig zum<br />
Ausscheiden des Gesellschafters <strong>und</strong> zur Fortsetzung<br />
der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern<br />
führt. Angesichts eines solchen jederzeit<br />
möglichen Ereignisses bedürfte es besonderer<br />
Umstände, wenn ein Gesellschafter gleichwohl die<br />
Gesellschaft aus wichtigem Gr<strong>und</strong> zu kündigen<br />
berechtigt sein soll. Da das Berufungsgericht - von<br />
seinem Standpunkt aus zu <strong>Recht</strong> - keine Feststellungen<br />
zu Pflichtverletzungen getroffen hat, die<br />
ggf. auch ein außerordentliches Kündigungsrecht/<br />
Sonderkündigungsrecht begründen konnten, hob<br />
der BGH das die Klage abweisende Berufungsurteil<br />
auf <strong>und</strong> wies die Sache zur erneuen Verhandlung<br />
zurück.<br />
Fazit<br />
Im Falle eines Sonderkündigungsrechtes (z.B. auch<br />
wegen Aufklärungspflichtverletzungen infolge Prospektfehlers)<br />
gelten die Gr<strong>und</strong>sätze der fehlerhaften<br />
Gesellschaft. Ein Gesellschafter scheidet mit Zugang<br />
der außerordentlichen Kündigung mit Wirkung „ex<br />
nunc“ aus der Publikums-Personengesellschaft aus.<br />
Er bleibt zur Zahlung rückständiger <strong>und</strong> noch nicht<br />
erbrachter (Einlage-)Leistungen verpflichtet. Diesen<br />
Anspruch kann eine Beteiligungsgesellschaft jedoch<br />
mehr isoliert geltend machen. Sie spielt im Rahmen<br />
der Feststellung des Abfindungsanspruchs eine Rolle.<br />
Insoweit werden die gegenseitigen Ansprüche zu<br />
unselbstständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung.<br />
6. Zum Kündigungsrecht eines<br />
BGB-Gesellschafters, der sich für einen<br />
langen Zeitraum gegenüber der Gesell-<br />
schaft zur Erbringung von Sparraten<br />
verpflichtet hat<br />
(BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 205/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger beteiligte sich an einem geschlossenen<br />
Fonds in der <strong>Recht</strong>sform einer BGB-Gesellschaft.<br />
Die Erklärung des Beitritts war in verschiedenen Varianten<br />
möglich. Neben der Kündigungsmöglichkeit<br />
zum Ende des 12. Beteiligungsjahres gab es Kündigungsmöglichkeiten<br />
zum Ende des 19., 26., 31.<br />
oder 41. Beteiligungsjahres.<br />
Der Anleger wählte einen Vertragszeitraum von<br />
30 Jahren <strong>und</strong> verpflichtete sich zur Zahlung monatlicher<br />
Raten in Höhe von 50,00 € zzgl. 5 %<br />
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Agio. Nach der Bezahlung zweier Raten stellte<br />
er weitere Zahlungen ein. Die Fondsgesellschaft<br />
machte rückständige Beiträge geltend. Der Anleger<br />
berief sich auf ein Widerrufsrecht <strong>und</strong> hilfsweise<br />
darauf, die Beteiligung wirksam gekündigt<br />
zu haben.<br />
Entscheidung<br />
Nach § 723 Abs. 3 BGB ist eine Vereinbarung,<br />
durch welche das Kündigungsrecht bei einer BGB-<br />
Gesellschaft ausgeschlossen oder diesen Vorschriften<br />
zuwider beschränkt wird, nichtig. Bei dieser<br />
<strong>Recht</strong>snorm setzte der BGH an <strong>und</strong> führte aus,<br />
dass es gr<strong>und</strong>sätzlich der allgemeinen Vertragsfreiheit<br />
entspricht, rechtsgeschäftliche Bindungen<br />
über einen langen Zeitraum eingehen zu können.<br />
Eine Grenze bilden die §§ 138, 242 <strong>und</strong> 723 Abs.<br />
3 BGB, ggf. auch § 307 Abs. 1 BGB, soweit Vertragsbedingungen<br />
vom gesetzlichen Leitbild unangemessen<br />
abweichen.<br />
Eine langfristige Bindung ist immer dann sittenwidrig,<br />
wenn durch sie die persönliche <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Handlungsfreiheit so beschränkt wird,<br />
dass die eine Seite der anderen in einem nicht<br />
mehr hinnehmbaren Maß „auf Gedeih <strong>und</strong> Verderb“<br />
ausgeliefert ist.<br />
Jedenfalls bei einem Anleger, der an der Publikums-
Personengesellschaft kapitalmäßig nur ganz gering<br />
beteiligt ist, stellt eine Beteiligungsdauer von 31 Jahren<br />
mit entsprechender Einzahlungspflicht eine solche<br />
unangemessene Benachteiligung dar. Hier ist<br />
die Bindung des Gesellschafters an die Gesellschaft<br />
zeitlich unüberschaubar. Infolge dessen wird seine<br />
persönliche <strong>und</strong> wirtschaftliche Betätigungsfreiheit<br />
unvertretbar eingeengt. Insoweit war die befristete<br />
Kündigungsausschlussklausel unwirksam.<br />
Anstelle der unwirksamen Klausel tritt das (dispositive)<br />
<strong>Recht</strong>. Nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB kann<br />
ein Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis jederzeit<br />
ordentlich kündigen. Deshalb war es nicht zu<br />
beanstanden, dass die Forderung der Gesellschaft<br />
gegen den Anleger nur als unselbstständiger Rechnungsposten<br />
im Rahmen der Berechnung des Abfindungsguthabens<br />
einzustellen war.<br />
Fazit<br />
Ob der Anleger im Rahmen der Berechnung seines<br />
vermutlich negativen Abfindungsguthabens noch<br />
einen Ausgleich schuldet, war vom BGH nicht zu<br />
entscheiden. Hierbei wird dann zu beachten sein,<br />
dass ein Anleger keinen Schadenersatzanspruch<br />
gegen die Fondsgesellschaft wegen Aufklärungspflichtverletzung<br />
durch Initiatoren bzw. Vertriebsorganisationen<br />
hat.<br />
7. Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen eines<br />
Widerrufs im Zusammenhang mit dem<br />
Erwerb von (fremdfinanzierten)<br />
Anteilen an geschlossenen Immobilien-<br />
fonds<br />
(OLG Brandenburg, Urt. v. 28.09.2011,<br />
4 U 196/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger beteiligte sich aufgr<strong>und</strong> der Empfehlung<br />
eines Anlagevermittlers an einem geschlossenen<br />
Immobilienfonds der Falk-Gruppe. Handelnde<br />
Person auf Seiten des Vermittlers war seinerzeit<br />
der Bruder des Anlegers. Der Anleger erwarb eine<br />
mittelbare Beteiligung. Die Einlagepflicht wurde<br />
über eine Bank fremdfinanziert. Die Zeichnung erfolgte<br />
am 22.12.2000. Die Endfinanzierung, die<br />
eine Zwischenfinanzierung ablöste, wurde am<br />
22.03./10.04.2001 eingedeckt. Im Prospekt ist eine<br />
Vertriebsbeauftragte genannt, an die die Kosten für<br />
die Eigenkapitalbeschaffung <strong>und</strong> das Agio bezahlt<br />
werden sollten. Die Vermittlerin war als Untervermittlerin<br />
der im Prospekt genannten Vertriebsbeauftragten<br />
tätig. Dass diese eine Provision erhielt,<br />
wurde dem Anleger im Verkaufsgespräch nicht mit-<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
geteilt. Nach Insolvenz der Falk-Gruppe wurde der<br />
Immobilienfonds im Rahmen einer außerordentlichen<br />
Gesellschafterversammlung aufgelöst. Das<br />
Fondsvermögen wurde zugunsten der Gläubigerbanken<br />
verwertet. Die Anleger fielen aus. Der Anleger<br />
widerrief seinen Darlehensvertrag <strong>und</strong> nimmt<br />
die kreditgebende Bank <strong>und</strong> den Anlagevermittler<br />
(Untervermittler) auf Schadenersatz wegen Aufklärungspflichten<br />
bzw. aufgr<strong>und</strong> des Widerrufs des<br />
Darlehensvertrages in Anspruch.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Brandenburg wies die Klagen sowohl<br />
gegen den Vermittler als auch die finanzierende<br />
Bank ab. Pflichtverletzungen des (Unter-)Vermittlers<br />
waren entweder nicht feststellbar oder jedenfalls<br />
verjährt. Eine Pflicht zur Offenlegung der<br />
Vertriebsprovision bestand im konkreten Fall nicht,<br />
denn die Provisionsgrenze von 15 % war nicht<br />
überschritten. Der Vorwurf weiterer Pflichtverletzungen,<br />
z.B. über die Sicherheit <strong>und</strong> Werthaltigkeit<br />
der Beteiligung, konnte dahingestellt bleiben,<br />
da dem Anleger sich spätestens mit Ausbleiben<br />
der halbjährlichen Ausschüttungen förmlich aufdrängen<br />
musste, dass sich der Fonds anders als erwartet<br />
entwickelte. Auch war in Geschäftsberichten<br />
für das Jahr 2004 bereits auf Unterdeckungen<br />
der Fondsgesellschaft hingewiesen worden. Den Geschäftsbericht<br />
hatte der Anleger spätestens im Jahr<br />
2006 erhalten. Die im Juli 2010 eingereichte Klage<br />
erfolgte daher nach Ablauf der Verjährungsfrist.<br />
Das Gericht verneinte sodann auch einen Anspruch<br />
gegen die finanzierende Bank nach dem<br />
Haustürwiderrufsrecht. Sinn dieses <strong>Recht</strong>s ist es,<br />
einen Betroffenen vor einer Überrumpelung zu<br />
schützen. Zwischen Zeichnung der Beteiligung<br />
<strong>und</strong> Abschluss des Darlehensvertrages lag aber<br />
ein Zeitraum von ca. 13 Wochen, so dass von<br />
einem zeitlichen Zusammenhang zwischen einer<br />
Haustürsituation <strong>und</strong> der Abgabe der Willenserklärung<br />
keine Indizwirkung für die Kausalität mehr<br />
ausging.<br />
Die finanzierende Bank hatte des Weiteren keine<br />
eigenen Aufklärungspflichten verletzt. Bei steuersparenden<br />
Bauherren-, Bauträger- <strong>und</strong> Erwerbermodellen<br />
ist eine kreditgebende Bank nach ständiger<br />
<strong>Recht</strong>sprechung nur unter ganz besonderen<br />
Voraussetzungen zur Risikoaufklärung des K<strong>und</strong>en<br />
über das finanzierte Geschäft verpflichtet. In<br />
Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens<br />
der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder<br />
Vertreiber des finanzierten Objekts kann sich der<br />
Anleger jedoch unter einer Beweiserleichterung<br />
in Form einer widerleglichen Vermutung auf ei-<br />
39
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
40<br />
nen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten<br />
Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang<br />
mit einer arglistigen Täuschung des<br />
Anlegers durch unrichtige Angaben des Vermittlers,<br />
Verkäufers oder von Fondsinitiatoren oder<br />
auch durch unrichtige Angaben des Fondsprospektes<br />
berufen. Im konkreten Fall konnte der Anleger<br />
aber weder etwas zur Täuschungshandlung<br />
noch zur Arglist des Vermittlers vortragen.<br />
Schließlich verneinte das Gericht das Vorliegen<br />
eines verb<strong>und</strong>enen Geschäftes. Es ließen sich bereits<br />
keine ausreichenden Indizien für eine objektive<br />
Einheit zwischen Fondsbeitritt <strong>und</strong> Darlehensvertrag<br />
finden. Es fehlte des Weiteren an einem<br />
persönlichen Kontakt zwischen dem Anleger <strong>und</strong><br />
der finanzierenden Bank.<br />
Fazit<br />
Damit Kreditvertrag <strong>und</strong> finanziertes Geschäft als<br />
wirtschaftliche Einheit <strong>und</strong> damit als ein verb<strong>und</strong>enes<br />
Geschäft anzusehen sind, ist im Regelfall<br />
erforderlich, dass sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung<br />
oder dem Abschluss des Kreditvertrages<br />
der Mitwirkung des Verkäufers bedient hat <strong>und</strong><br />
der Vertrieb dem Interessenten zusammen mit<br />
dem Kauf- bzw. Beitrittsvertrag den Kreditantrag<br />
vorlegt. Voraussetzung ist des Weiteren, dass sich<br />
Finanzierungsvertrag <strong>und</strong> zu finanzierender Vertrag<br />
wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen<br />
Sinn erst durch den anderen erhält.<br />
8. Kein Auskunftsanspruch bei zu vernei-<br />
nender Interessenkollision<br />
(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.02.2012,<br />
19 U 188/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger wickelte über seine Bank im Zeitraum<br />
von r<strong>und</strong> fünf Jahren 23 Wertpapiergeschäfte ab.<br />
Das Volumen betrug mehr als 600.000,00 €. Er begehrt<br />
nunmehr für jede einzelne Transaktion Auskunft<br />
über die von der Bank erhaltenen Provisionen<br />
(Zuführungs-, Bestands- <strong>und</strong> sonstige Provisionen,<br />
insbesondere sog. Rückvergütungen).<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht wies die Klage ab. Zwar läge den Wertpapiertransaktionen<br />
jeweils ein Beratungsvertrag<br />
zugr<strong>und</strong>e. Dabei handele es sich um einen unentgeltlichen<br />
Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter<br />
im Sinne der §§ 611, 675, 662 BGB.<br />
Allerdings richteten sich Inhalt <strong>und</strong> Umfang der<br />
Auskunfts- <strong>und</strong> Rechenschaftspflicht nach Treu<br />
<strong>und</strong> Glaube, der Verkehrssitte <strong>und</strong> den Umständen<br />
des Einzelfalls, sofern besondere Vereinbarungen<br />
fehlen. Inhalt <strong>und</strong> Grenzen der Informationspflicht<br />
beziehen sich dabei stets auf das konkrete<br />
<strong>Recht</strong>sverhältnis. Auch der Auskunftsanspruch<br />
nach § 666 BGB ist kein Selbstzweck. Er orientiert<br />
sich u.a. am Maßstab der Erforderlichkeit <strong>und</strong> der<br />
Zumutbarkeit. In Fällen, in denen die Gefahr einer<br />
Interessenkollision <strong>und</strong> damit das Bestehen einer<br />
Aufklärungspflicht über erhaltene Zuwendungen<br />
zu verneinen ist, fehlt es auch an einem konkreten<br />
Auskunftsinteresse. Bei „Verkaufsfällen“ ohne<br />
kommissionsrechtlichen Bezug fehlt es an der<br />
Verpflichtung, über das eigene Gewinninteresse<br />
aufzuklären, weil dieses offenk<strong>und</strong>ig ist. Es ist Sache<br />
des Anlegers, konkrete Anhaltspunkte dafür<br />
vorzutragen, dass es sich bei Erwerbsvorgängen<br />
um andere <strong>Recht</strong>sverhältnisse als Kaufverträge im<br />
Sinne von Eigengeschäften handelt.<br />
Mangels Aufklärungspflichtverletzung hatte sich<br />
die Bank im konkreten Fall nicht pflichtwidrig verhalten.<br />
Ein Anspruch aus § 667 BGB wurde deshalb<br />
verneint.<br />
Fazit<br />
Durch Urteil vom 25.06.2002 (XI ZR 239/01) hatte<br />
der BGH noch eine Vermutung dafür aufgestellt,<br />
dass es sich bei einem Wertpapiergeschäft<br />
im Regelfall um ein Kommissionsgeschäft handele.<br />
Ob der BGH heute noch an dieser Auffassung<br />
festhält, ist fraglich <strong>und</strong> wurde auch vom OLG<br />
Frankfurt in Zweifel gezogen, denn mit den Lehman-Entscheidungen<br />
vom 27.09.2011 hat der<br />
BGH eine Offenlegungspflicht einer Bank hinsichtlich<br />
erhaltener Zuwendungen oder Gewinne<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich verneint. Dabei ging er - ohne dies<br />
näher darzulegen - von Wertpapiertransaktionen<br />
in Form von Kaufgeschäften aus. Jedenfalls ein<br />
sehr erfahrener Anleger, der seine Bank nicht bezahlt,<br />
müsste davon ausgehen, dass eine Bank<br />
bei der Besorgung von Wertpapieren Provisionen<br />
vereinnahmt oder eine Gewinnmarge einkalkuliert<br />
hat. Mit der Auftragserteilung soll - jedenfalls<br />
der erfahrene Anleger - konkludent seine<br />
Einwilligung erteilen, dass eine die Order ausführende<br />
Bank auch bei einem Kommissionsgeschäft<br />
eine Provision einkalkulieren <strong>und</strong> behalten<br />
darf. Letzteres erscheint zweifelhaft, denn<br />
es geht nicht nur um das „Ob“ einer Provision,<br />
sondern auch deren Höhe. Die Ausführungen<br />
des OLG Frankfurt überzeugen deshalb nur im<br />
Hinblick auf Wertpapiergeschäfte im Sinne von<br />
Eigengeschäften („Verkaufsfälle“).
9. Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung<br />
kann die Gesellschaft die Einlagever-<br />
pflichtung unmittelbar fordern<br />
(BGH, Urt. v. 18.09.2012, II ZR 201/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger war über einen Treuhandkommanditisten<br />
mittelbar an einem Immobilienfonds beteiligt.<br />
Er hatte sich verpflichtet, seine Einlage in 190 Monatsraten<br />
zu leisten. Nach sieben Jahren stellte er die<br />
Zahlungen ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der<br />
Fondsgesellschaft waren mittelbar beteiligte Gesellschafter<br />
im Innenverhältnis unmittelbar beteiligten<br />
Gesellschaftern gleichgestellt. Laut Gesellschaftsvertrag<br />
schieden Gesellschafter, die ihre Einzahlungen<br />
gem. vereinbarten Einzahlungsplan nicht vertragsgerecht<br />
erfüllten, unter bestimmten Voraussetzungen<br />
aus der Gesellschaft aus. Soweit die Voraussetzungen<br />
für ein Ausscheiden nicht vorlagen, regelte<br />
der Gesellschaftsvertrag, dass die Gesamteinlage<br />
des Gesellschafters herabgesetzt wird.<br />
Die Fondsgesellschaft nahm den Anleger auf Bezahlung<br />
nicht mehr geleisteter Raten in Anspruch.<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Entscheidung<br />
Der BGH verneinte einen (weiteren) Anspruch der<br />
Fondsgesellschaft. Anders als das Berufungsgericht<br />
scheiterte die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs<br />
aber nicht an der der Fondsgesellschaft fehlenden<br />
Aktivlegitimation. Da der mittelbar beteiligte<br />
Gesellschafter im Innenverhältnis die Stellung eines<br />
unmittelbaren Gesellschafters erlangt hat, konnte<br />
die Gesellschaft einen gegen einen Treugeber gerichteten<br />
Anspruch auf Leistung unmittelbar als Anspruch<br />
aus eigenem <strong>Recht</strong> geltend machen.<br />
Hier scheiterte der Anspruch<br />
der Fondsgesellschaft<br />
aber daran, dass<br />
laut Gesellschaftsvertrag<br />
ein Gesellschafter, der<br />
seine Ratenverpflichtungen<br />
nicht mehr erbringt,<br />
entweder aus der<br />
Gesellschaft ausscheidet<br />
oder die Höhe der Beteiligung<br />
abgesenkt wird.<br />
Die Herabsetzung der<br />
Gesamteinlage war dabei<br />
auch nicht von einer Entscheidung der Fondsgesellschaft<br />
abhängig. Nach dem Wortlaut der Regelung<br />
des Gesellschaftsvertrages war die Herabsetzung<br />
der Gesamteinlage die zwingende Folge eines nicht<br />
zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führenden<br />
Abbruchs des Einzahlungsplanes. Die Herabsetzung<br />
der Gesamteinlage hat zur Folge, dass ein Gesellschafter<br />
oder Treugeber keine weiteren Raten mehr<br />
zu leisten hat. Der Anspruch der Fondsgesellschaft<br />
war deshalb abzuweisen.<br />
Fazit<br />
Die Entscheidung bringt vor allem in einem Punkt<br />
Klarheit: Der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch<br />
auf Leistung der Einlage kann unmittelbar<br />
von der Fondsgesellschaft geltend gemacht werden,<br />
wenn der mittelbar beteiligte Gesellschafter<br />
einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter im Innenverhältnis<br />
gleichgestellt ist. In den weiteren Entscheidungsgründen<br />
ging es um die Frage der Auslegung<br />
gesellschaftsvertraglicher Regelungen. Hier<br />
wurde vom BGH genau differenziert, ob es um einen<br />
Verzicht der Fondsgesellschaft auf weitere Einlagen<br />
ginge (hier verbietet sich im Allgemeinen die<br />
Annahme, ein Gläubiger wolle auf ein <strong>Recht</strong> wieder<br />
ohne weiteres verzichten) bzw. ob der Anspruch der<br />
Fondsgesellschaft von vornherein nur beschränkt<br />
vorhanden war. Der BGH nahm letzteres an, zumal<br />
sich die Herabsetzung der Gesamteinlage zugleich<br />
zum Nachteil des betroffenen Gesellschafters auswirkt.<br />
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41
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
42<br />
10. Freistellungsanspruch des Treuhänders<br />
geht möglichem Schadenersatzanspruch<br />
aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung<br />
des Treuhänders vor<br />
(BGH, Urt. v. 18.10.2012, III ZR 150/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger hatte sich mittelbar über einen Treuhänder<br />
an einer Immobilienfondsgesellschaft beteiligt.<br />
Gegenstand war der Erwerb <strong>und</strong> die Bebauung<br />
sowie anschließende Vermietung <strong>und</strong> Verwaltung<br />
von Wohngebäuden im geförderten freifinanzierten<br />
Wohnungsbau. Die Treugeber waren im Innenverhältnis<br />
unmittelbar Beteiligten Gesellschaftern<br />
gleichgestellt. Der Treugeber stellte den Treuhänder<br />
von Pflichten, die das Treuhandverhältnis betreffen,<br />
frei. Der Gesellschaftsvertrag sah eine quotale<br />
Haftung der Gesellschafter vor.<br />
Mit seiner Klage begehrte der Treuhänder zunächst<br />
Freistellung von der Forderung auf Rückzahlung<br />
eines anteiligen Darlehensbetrages. Im Berufungsverfahren<br />
stellte er den Freistellungsanspruch auf einen<br />
Zahlungsanspruch um. Der Anleger berief sich<br />
- u.a. - auf Gegenansprüche gegen den Treuhänder<br />
wegen Verletzung von Aufklärungspflichten.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bejahte einen Zahlungsanspruch. Nachdem<br />
sich der Anleger geweigert hatte, den Treuhänder<br />
von einem Anspruch eines Gesellschaftsgläubigers<br />
freizustellen, konnte unmittelbar Schadenersatz in<br />
Geld gefordert werden.<br />
Der Anspruch war auch begründet, denn aus den<br />
Abreden im Treuhandvertrag folgte u.a. die Pflicht,<br />
dass der Anleger im Innenverhältnis quotal für Ansprüche<br />
auf Rückzahlung eines der Fondsgesellschaft<br />
gewährten Darlehens haftet. Gegen diesen<br />
Anspruch kann auch nicht mit einem möglichen<br />
Schadenersatzanspruch des Anlegers wegen Verletzung<br />
von Aufklärungspflichten im Zusammenhang<br />
mit dem Eingehen der Beteiligung aufgerechnet<br />
werden. Hier gilt nichts anderes als im Hinblick auf<br />
einen an einen Insolvenzverwalter abgetretenen<br />
Freistellungsanspruch des Treuhänders. Über die gesetzlich<br />
oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle<br />
hinaus ist eine Aufrechnung verboten, wenn nach<br />
dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien<br />
begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss der<br />
Aufrechnung als stillschweigend vereinbart angesehen<br />
werden muss oder wenn die Natur der <strong>Recht</strong>sbeziehung<br />
oder der Zweck der geschuldeten Leistung<br />
eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als<br />
mit Treu <strong>und</strong> Glaube unvereinbar erscheinen lassen.<br />
Fazit<br />
Der BGH stellte klar, dass es keine Differenzierung<br />
zwischen „normalen“ <strong>und</strong> „bösgläubigen“ Gesellschaftsgläubigern<br />
gibt. Einem Gesellschaftsgläubiger,<br />
der weiß, dass die einzelnen Gesellschafter nur<br />
quotal haften <strong>und</strong> der weiterhin weiß, dass Treuhandverhältnisse<br />
begründet sind, hat zwar Kenntnis<br />
darüber, dass Störungen im Treuhandverhältnis<br />
seinen Zugriff auf das Vermögen der mittelbaren<br />
Gesellschafter erschweren können. Ein mittelbar<br />
beteiligter Gesellschafter soll aber gegenüber einem<br />
unmittelbar beteiligten Gesellschafter nicht besser<br />
gestellt werden. Es gilt der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
mittelbar <strong>und</strong> unmittelbar beteiligter<br />
Gesellschafter. Ein Anleger kann deshalb nur solche<br />
Einwendungen geltend machen, die der Gesellschaft<br />
selbst zustehen (vgl. § 129 HGB).<br />
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11. Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs<br />
von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz<br />
(BGH, Urt. v. 27.11.2012, XI ZR 384/11 <strong>und</strong><br />
XI ZR 439/11)<br />
Sachverhalt<br />
Zwei Anleger hatten von einer Bank Lehman-Zertifikate<br />
erworben. In einem der Fälle war streitig, ob<br />
das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch<br />
erfolgt war. Im anderen Fall wurde der Kaufauftrag<br />
teilweise aufgr<strong>und</strong> von Telefonaten <strong>und</strong> teilweise<br />
aufgr<strong>und</strong> E-Mails ausgeführt. In beiden Fällen<br />
erklärten die Anleger den Widerruf aller von ihnen<br />
im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH verneinte einen Anspruch darauf, die auf<br />
Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichteten<br />
Willenserklärungen nach den Regeln über<br />
den Fernabsatz widerrufen zu können. Nach § 312d<br />
Abs. 4 Nr. 6 BGB kann eine auf Abschluss eines
Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung<br />
dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand<br />
des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen<br />
ist, deren Preis innerhalb der Widerrufsfrist<br />
Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt.<br />
Dabei sei - so der BGH - der Begriff des Preises<br />
nach der Systematik <strong>und</strong> der Gesetzgebungsgeschichte<br />
weit zu verstehen. Preis sei nicht nur<br />
der Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt<br />
selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. Preis<br />
im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB könnten<br />
vielmehr auch die Parameter sein, von denen der<br />
Wert des Finanzproduktes abhängt. Das war hier<br />
der Fall, da Bonuszahlungen <strong>und</strong> die Rückzahlung<br />
der Lehman-Zertifikate in Abhängigkeit von der<br />
Entwicklung dreier Aktienindizes während dreier<br />
aufeinander folgender Beobachtungszeiträume erfolgen<br />
sollten.<br />
Fazit<br />
Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d<br />
Abs. 4 Nr. 6 BGB beim Erwerb von Finanzdienstleistungen<br />
soll das Risiko eines zumindest mittelbar<br />
finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts<br />
mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide<br />
Parteien verteilen. Der Anleger soll einen drohenden<br />
Verlust aufgr<strong>und</strong> fallender Basiswerte innerhalb<br />
der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung<br />
des Widerrufsrechts auf einen Unternehmer abwälzen<br />
können, auch wenn der Anleger Verbraucher<br />
ist. Weil ein Widerrufsrecht hier nicht in Betracht<br />
kam, konnte das Vorliegen der sonstigen<br />
Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages dahinstehen.<br />
12. Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers<br />
über Name <strong>und</strong> Anschriften der weiteren<br />
Treugeber<br />
(BGH, Urt. v. 05.02.2013, II ZR 134/11 <strong>und</strong> II<br />
ZR 136/11)<br />
Sachverhalt<br />
Während in den 90er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Gesellschafter von Publikums-Personengesellschaften<br />
häufig noch unmittelbar beteiligt waren,<br />
überwiegt seit langem die mittelbare Beteiligung<br />
von Anlegern über einen Treuhandkommanditisten.<br />
Regelmäßig besteht in diesen Fällen dann auch die<br />
Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung als Kommanditist.<br />
Aufgr<strong>und</strong> zu erteilender <strong>und</strong> mit Kosten<br />
verb<strong>und</strong>ener Vollmachten wählen die meisten Anleger<br />
den anderen Weg. Im Gesellschaftsvertrag <strong>und</strong><br />
Treuhandvertrag wird die <strong>Recht</strong>sstellung des mittel-<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
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bar beteiligten Gesellschafters <strong>und</strong> des unmittelbar<br />
beteiligten Gesellschafters gleichgestellt, d.h. dem<br />
mittelbar beteiligten Gesellschafter werden dieselben<br />
<strong>Recht</strong>e, insbesondere das <strong>Recht</strong> auf Teilnahme<br />
an Gesellschafterversammlungen <strong>und</strong> an der Abstimmung,<br />
eingeräumt.<br />
In den zwei nunmehr vom BGH entschiedenen Fällen<br />
ging es um den geltend gemachten Anspruch<br />
von mittelbar beteiligten Anlegern, Auskünfte über<br />
die Identität der anderen treugeberisch beteiligten<br />
Anleger zu bekommen. Sie haben vorgebracht,<br />
ohne diese Kenntnis ihre Gesellschafter- oder Treugeberrechte<br />
nicht ordnungsgemäß ausüben zu können.<br />
Die Anspruchsgegner (Fondsgesellschaft bzw.<br />
geschäftsführender Gesellschafter bzw. Treuhandkommanditist)<br />
haben eingewandt, die Treugeber<br />
hätten ein schützenswertes Anonymitätsinteresse.<br />
Außerdem bestünde die Gefahr der missbräuchlichen<br />
Verwendung der Daten.<br />
Entscheidung<br />
Der B<strong>und</strong>esgerichtshof hat die Entscheidungen der<br />
Oberlandesgerichte bestätigt, die den Anlegern<br />
einen Auskunftsanspruch zugestanden haben.<br />
Maßgeblicher Gesichtspunkt war dabei, dass die<br />
als Treugeber beigetretenen Anleger nach den Regelungen<br />
in den Gesellschaftsverträgen der Fondsgesellschaften,<br />
auf die die jeweiligen Treuhandverträge<br />
Bezug nahmen, im Innenverhältnis den als<br />
Kommanditisten beigetretenen Anlegern in <strong>Recht</strong>en<br />
<strong>und</strong> Pflichten gleichgestellt waren. Wegen dieser<br />
Gleichstellung besteht auch ein Interesse, mit den<br />
anderen Treugebern in Kontakt treten zu können.<br />
Da hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete<br />
Gefahr des Missbrauchs der Daten nicht dargelegt<br />
waren, wies der BGH die Revisionen zurück. In zwei<br />
Verfahren hatten die Beklagten ihre Revisionen bereits<br />
vor Verkündung der <strong>Urteile</strong> zurückgenommen.<br />
Fazit<br />
Bislang hat der BGH den Anspruch von Treugebern<br />
auf Auskunftserteilung in Fällen bejaht, in denen die<br />
Treugeber eine Innengesellschaft gebildet haben.<br />
Die beiden neuen Entscheidungen gehen darüber<br />
hinaus. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob den<br />
Treugebern vertraglich dieselben <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten<br />
zugestanden werden wie direkt beteiligten Gesellschaftern.<br />
Da dies meist der Fall ist, besteht auch<br />
ein entsprechender Auskunftsanspruch.<br />
43
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
44<br />
13. Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen<br />
bei Publikums-Personengesellschaften<br />
(BGH, Urt. v. 16.10.2012, II ZR 251/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger war an einem geschlossenen Immobilienfonds<br />
in der <strong>Recht</strong>sform einer KG beteiligt.<br />
Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass Änderungen<br />
des Vertrages einer Mehrheit von ¾ der<br />
anwesenden Stimmen bedürfen. Sind 90 % oder<br />
mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger Personen<br />
vereinigt, sind Beschlüsse, für die es ansonsten einer<br />
qualifizierten Mehrheit von 75 % bedarf, einstimmig<br />
zu fassen.<br />
Des Weiteren ist in der Satzung geregelt, dass die<br />
Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses nur<br />
durch Klage, die gegen die Gesellschaft zu richten<br />
ist, geltend gemacht werden kann.<br />
Aufgr<strong>und</strong> eines Beschlussantrages des Komplementär-Gesellschafters<br />
sollte die Vorschrift aufgehoben<br />
werden, dass es eines einstimmigen Beschlusses bedarf,<br />
wenn 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf<br />
oder weniger Personen vereinigt sind. Der Beschluss<br />
wurde gefasst. Hiergegen wendet sich der Anleger<br />
mit seiner Klage gegen die Gesellschaft.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH führt aus, dass die Klage zu <strong>Recht</strong> gegen<br />
die Gesellschaft erhoben worden ist. Die Nichtigkeit<br />
von Beschlüssen einer Gesellschafterversammlung<br />
einer KG werde zwar durch Feststellungsklage gegen<br />
die Mitgesellschafter geltend gemacht. Dies<br />
gelte aber nicht, wenn der Gesellschaftsvertag bestimmt,<br />
dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen<br />
ist.<br />
Der BGH führte dann weiter aus, dass der Beschluss<br />
über die Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses<br />
mit einer im Gesellschaftsvertrag bestimmten<br />
¾-Mehrheit gefasst werden konnte. Beschlüsse in<br />
einer Personengesellschaft sind gr<strong>und</strong>sätzlich einstimmig<br />
zu fassen, wenn <strong>und</strong> soweit nicht im Gesellschaftsvertrag<br />
für den betreffenden Beschlussgegenstand<br />
das Einstimmigkeitsprinzip durch das<br />
Prinzip einfacher oder qualifizierter Mehrheit ersetzt<br />
worden ist (vgl. § 709 Abs. 2 BGB), um die Handlungsfähigkeit<br />
der Gesellschaft sicherzustellen.<br />
Für die formelle Legitimation eines Mehrheitsbeschlusses<br />
genügt es gr<strong>und</strong>sätzlich, dass sich aus<br />
dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder durch<br />
Auslegung eindeutig ergibt, dass der jeweilige Beschlussgegenstand<br />
einer Mehrheitsunterscheidung<br />
unterworfen sein soll. Das war hier gesellschaftsvertraglich<br />
geregelt.<br />
Der Beschluss verletzte auch nicht treupflichtwidrig<br />
die <strong>Recht</strong>e der Minderheitsgesellschafter. Ist die<br />
Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von<br />
einer Regelung im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist<br />
auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als<br />
treuwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber<br />
der Minderheit darstellt <strong>und</strong> deshalb inhaltlich<br />
unwirksam ist. Gesellschaftsvertragliche Einstimmigkeitserfordernisse<br />
oder Sperrminoritäten gehören<br />
aber nicht zu dem Mehrheitsentscheidungen<br />
entzogenen Bereich der individuellen Mitgliedschaft<br />
des einzelnen Gesellschafters. Sie schützen<br />
die Minderheit insgesamt. Fasst die Mehrheit auf<br />
Gr<strong>und</strong>lage des geänderten Gesellschaftsvertrages<br />
künftig dann treuwidrige Entscheidungen zu Lasten<br />
der Minderheit, ist die Minderheit durch die gegen<br />
diese Beschlüsse gegebenen <strong>Recht</strong>sschutzmöglichkeiten<br />
hinreichend geschützt.<br />
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Fazit<br />
In der Entscheidung ging es noch um eine Reihe weiterer<br />
Streitpunkte, ob beispielsweise der Beschlussantrag<br />
die Einberufung einer außerordentlichen<br />
Gesellschafterversammlung rechtfertigte <strong>und</strong> ob<br />
bei einem schriftlichen Abstimmungsverfahren alle<br />
Gesellschafter als anwesend anzusehen seien. Hierzu<br />
stellte der BGH fest, dass auch im schriftlichen<br />
Abstimmungsverfahren Beschlüsse mit der qualifizierten<br />
Mehrheit gefasst werden konnten. Sollte<br />
dies anders sein, bedürfte es einer ausdrücklichen<br />
gesellschaftsvertraglichen Regelung. Anderenfalls<br />
sind unter der Mehrheit der anwesenden Stimmen<br />
bei schriftlicher Beschlussfassung nicht alle, sondern<br />
nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der<br />
schriftlichen Abstimmung beteiligen. Die Zustimmung<br />
jedes einzelnen Gesellschafters, somit auch<br />
derjenigen Gesellschafter, die an der Abstimmung<br />
nicht teilnehmen, ist dann erforderlich, wenn in den<br />
sog. individuellen „Kernbereich“ der Gesellschafterrechte<br />
eingegriffen wird. Dies ist beispielsweise der<br />
Fall, wenn Beitragserhöhungen beschlossen werden<br />
sollen. Die Änderung der KG-Satzung fiel nicht darunter.
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen<br />
<strong>und</strong> Finanzierung<br />
Immobilien oder auch Immobilienbeteiligungen<br />
stellen seit jeher einen wichtigen Baustein beim<br />
Vermögensaufbau <strong>und</strong> der Vermögensabsicherung<br />
dar. Während in den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren<br />
des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts insbesondere auch steuerliche<br />
Vergünstigungen beim Immobilienerwerb eine<br />
große Rolle spielten, steht heute der Nachhaltigkeits-<br />
<strong>und</strong> Renditegedanke an vorderer Stelle.<br />
Investitionen in Immobilien <strong>und</strong> Immobilienbeteiligungen<br />
haben auch ihre unrühmliche Seite. Manche<br />
Investition hat sich nicht so entwickelt wie erhofft.<br />
In diesen Fällen stellt sich dann wiederum die Frage,<br />
ob sich ein Anleger bei einem Dritten schadlos halten<br />
kann. Nicht selten wird versucht, die finanzierenden<br />
Banken in Anspruch zu nehmen. Bei diesen<br />
kommt es dann vor allem darauf an, ob sich ihre<br />
1. Aufklärungspflichten beim Gr<strong>und</strong>stückskauf<br />
(BGH, Urt. v. 11.11.2011, V ZR 245/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Käufer erwarb von einem geschiedenen Ehepaar<br />
ein Hausgr<strong>und</strong>stück, welches mit einem massiven<br />
Holzzaun eingefriedet war. In dieser Einfriedung war<br />
ein ca. 185 m² großer Gr<strong>und</strong>stücksteil des Nachbargr<strong>und</strong>stücks<br />
einbezogen. Für den unbefangenen<br />
Betrachter schien diese Teilfläche als zum verkauften<br />
Gr<strong>und</strong>stück zugehörig. Vor Abschluss des Kaufvertrages<br />
hatte einer der Verkäufer dem Käufer einen<br />
Ordner überlassen, in dem sich neben dem Exposé<br />
<strong>und</strong> anderen Unterlagen auch ein Lageplan des<br />
Gr<strong>und</strong>stücks bef<strong>und</strong>en hatte. Der Käufer hatte die<br />
Unterlagen für die von ihm einzudeckende Finanzierung<br />
erbeten. Der Käufer machte nun wegen dieser<br />
Minderfläche einen Minderungsanspruch geltend<br />
Rolle ausschließlich auf diejenige eines Kreditgebers<br />
beschränkte. Nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung ist<br />
eine finanzierende Bank nämlich nicht verpflichtet,<br />
einen Darlehensnehmer über die Gefahren <strong>und</strong><br />
Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären<br />
<strong>und</strong> vor dem Vertragsschluss zu warnen.<br />
Dennoch kommen bei bestimmten Konstellationen<br />
auch Banken als Haftungsadressaten in Betracht.<br />
Dies gilt vor allem dann, wenn Banken aktiv Kapitalanlagen<br />
bewerben. Immer wenn eine Bank nicht<br />
nur Kreditgeber ist, sondern sich darüber hinaus am<br />
finanzierten Geschäft beteiligt oder wenn sich Banken<br />
wiederum in einem Interessenkonflikt befinden<br />
oder einen Wissensvorsprung besitzen, können sich<br />
- zusätzliche - Aufklärungspflichten ergeben. Werden<br />
diese nicht erfüllt, können sich Banken gegenüber<br />
dem Anleger haftbar machen.<br />
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<strong>und</strong> forderte die Feststellung, dass die Verkäufer<br />
die erforderlichen Rückbaukosten zu tragen haben,<br />
falls der Eigentümer des Nachbargr<strong>und</strong>stücks den<br />
Rückbau der eingezäunten Teilfläche fordert.<br />
Entscheidung<br />
Bei Vertragsverhandlungen besteht für jeden Vertragspartner<br />
die Pflicht, den anderen Teil über solche<br />
Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck<br />
des anderen vereiteln können <strong>und</strong> daher für den<br />
Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher<br />
Bedeutung sind. Im konkreten Fall bejahte<br />
der BGH eine Pflicht zur Aufklärung darüber, dass<br />
der in die Einfriedung einbezogene Gr<strong>und</strong>stücksteil<br />
45
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
46<br />
des Nachbarn nicht zum Kaufobjekt gehörig sei. Es<br />
ging sodann um die Frage, ob die Verkäufer mit der<br />
Übergabe des Ordners von Unterlagen, u.a. dem<br />
Lageplan des Gr<strong>und</strong>stücks, ihrer Aufklärungspflicht<br />
genügten. Dies verneinte der BGH. Ein Verkäufer<br />
erfülle mit der Übergabe von Unterlagen seine Aufklärungspflicht<br />
nur dann, wenn er aufgr<strong>und</strong> der<br />
Umstände die berechtigte Erwartung haben kann,<br />
dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke<br />
allgemeiner Information, sondern unter einem<br />
bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen<br />
wird. Die Verkäufer hatten behauptet, mündlich<br />
ausdrücklich auf den tatsächlichen Grenzverlauf<br />
hingewiesen zu haben. Hier fehlten diesbezügliche<br />
Aufklärungen des Berufungsgerichts, welches die<br />
Klage mangels arglistigen Verhaltens der Verkäufer<br />
abgewiesen hatte. Der <strong>Recht</strong>sstreit wurde deshalb<br />
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.<br />
Fazit<br />
Lieber ein Hinweis mehr als einer zu wenig, kann<br />
man auch aus dem vorliegenden Sachverhalt als<br />
Schlussfolgerung ziehen. Und falls den beweisbelasteten<br />
Verkäufern der erforderliche Aufklärungsnachweis<br />
nicht gelingen sollte, gab der BGH gleich<br />
noch Hinweise, wie sich der Schadensersatzanspruch<br />
der Höhe nach bemisst: Zu ersetzen ist nicht<br />
die Differenz zwischen dem Wert des Gr<strong>und</strong>stücks<br />
mit <strong>und</strong> ohne Teilfläche, sondern der Betrag, um<br />
den der Käufer wegen der unterlassenen Aufklärung<br />
das verkaufte Gr<strong>und</strong>stück zu teuer erworben<br />
hat. Der Käufer ist also so zu behandeln, als wäre<br />
es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen,<br />
den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis<br />
abzuschließen.<br />
Bildquelle: © julien tromeur - Fotolia.com<br />
2. Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche<br />
einer verkauften Eigentumswohnung<br />
der Kaufpreis gemindert werden<br />
kann<br />
(OLG Saarbrücken, Urt. v. 01.12.2011,<br />
8 U 450/10)<br />
Sachverhalt<br />
Eine vermietete Eigentumswohnung wurde verkauft.<br />
Der Mietvertrag wurde dem Kaufvertrag als<br />
Anlage beigefügt. Die Mietfläche ist dort mit etwas<br />
mehr als 111 m² angegeben. Für den Käufer war<br />
die Größe der Wohnung ein entscheidendes Merkmal.<br />
Die Abrede über die Wohnungsgröße war aber<br />
nicht in den Kaufvertrag aufgenommen worden.<br />
Die tatsächliche Größe lag um knapp 10 % unter<br />
der im Mietvertrag ausgewiesenen Fläche. Der Käufer<br />
machte einen Anspruch auf Kaufpreisminderung<br />
geltend.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Saarbrücken gab ihm <strong>Recht</strong>. Auch wenn<br />
die Wohnfläche im notariellen Kaufvertrag nicht<br />
ausdrücklich vereinbart worden ist, wurde sie durch<br />
eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zum<br />
Vertragsgegenstand. Dass diese Abrede über das<br />
Vertrags-Soll nicht beurk<strong>und</strong>et wurde, ist unbeachtlich,<br />
denn der Formmangel war durch Eintragung<br />
des Käufers im Gr<strong>und</strong>buch geheilt worden. Darauf,<br />
dass die Flächenabweichung geringer als 10 % ist<br />
<strong>und</strong> nach der im Mietrecht geltenden Judikatur insoweit<br />
kein Anspruch auf Minderung des Mietzinses<br />
besteht, ist unbeachtlich.<br />
Fazit<br />
Ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises liegt<br />
vor, wenn die Kaufsache mangelbehaftet ist. Weicht<br />
die Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit<br />
ab, ist von einem Mangel auszugehen. Beim Wohnungskauf<br />
gilt die Mindestschwelle, die im Mietrecht<br />
gilt, nicht.<br />
3. Kapitalanlegereigentumswohnung:<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich keine Pflicht zur Aufklärung<br />
über die Höhe der Innenprovision<br />
(BGH, Urt. v. 05.06.2012, u.a. XI ZR 149/11)<br />
Sachverhalt<br />
Die Entscheidungen des BGH vom 05.06.2012 betreffen<br />
acht Parallelfälle, in denen Anleger fremdfinanzierte<br />
Eigentumswohnungen erworben hatten.<br />
Die finanzierende Bank betrieb aus einer notariellen
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Urk<strong>und</strong>e die Zwangsvollstreckung. Dagegen wandten<br />
sich die Anleger mit einer Vollstreckungsgegenklage.<br />
Sie warfen der Bank vor, über einen Wissensvorsprung<br />
verfügt zu haben <strong>und</strong> sie nicht über die<br />
Höhe der im Kaufpreis enthaltenen Vertriebsprovision<br />
(Innenprovision) aufgeklärt zu haben. Für<br />
den Erwerb der Wohnungen war mittels eines Verkaufsprospektes<br />
geworben worden. In diesem war<br />
zu lesen, dass für den Erwerb der Immobilie 76,7 %<br />
auf Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb <strong>und</strong> Marketing<br />
entfiel. Dass im Kaufpreis eine Vertriebsprovision<br />
in Höhe von 18,24 % eingepreist war, war<br />
nicht offengelegt. In Vermittlungsaufträgen <strong>und</strong> Berechnungsbeispielen<br />
wurde auf eine Bearbeitungsgebühr<br />
in Höhe von 3,42 % des Gesamtaufwandes<br />
hingewiesen.<br />
Entscheidung<br />
Der B<strong>und</strong>esgerichtshof verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung<br />
wegen arglistiger Täuschung der<br />
Anleger durch den Vertrieb, die der die Zwangsvollstreckung<br />
betreibenden Bank zuzurechnen wäre.<br />
Es fehlt bereits an einer arglistigen Täuschung des<br />
Anlegers. Die Vermittler waren zur Offenlegung der<br />
Höhe der Innenprovision nicht verpflichtet. Aus den<br />
Verkaufsunterlagen ergab sich, dass die Vermittler<br />
nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler<br />
für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft<br />
tätig werden <strong>und</strong> Provisionsansprüche<br />
auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
bestehen können.<br />
Der BGH<br />
sah es als ausreichend<br />
an, dass<br />
der Anfall von<br />
Vertriebsprovisionen(Innenprovisionen)<br />
im<br />
prospektierten<br />
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Gesamtaufwand<br />
unter der Rubrik „Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb<br />
<strong>und</strong> Marketing“ kenntlich gemacht <strong>und</strong> dem<br />
Gr<strong>und</strong>e nach mitgeteilt worden sind. Ungefragt<br />
musste auf die Höhe der Innenprovision nicht hingewiesen<br />
werden. Da also eine arglistige Täuschung<br />
der Anleger durch die Vermittler zu verneinen war,<br />
fehlte es bereits an der Gr<strong>und</strong>voraussetzung, so<br />
dass sich die weitere Frage, ob eine arglistige Täuschung<br />
einer finanzierenden Bank zuzurechnen ist,<br />
gar nicht mehr stellte.<br />
Fazit<br />
Der Erwerb von Kapitalanlegereigentumswohnungen<br />
wird von der <strong>Recht</strong>sprechung anders bewertet<br />
als der Erwerb von geschlossenen Fondsbeteiligungen.<br />
Auch der freie Anlageberater ist bei<br />
geschlossenen Fondsbeteiligungen ab einer Provisionshöhe<br />
von 15 % verpflichtet, ungefragt die Höhe<br />
zu offenbaren. Beim Erwerb von Eigentumswohnungen<br />
durch Kapitalanleger wird die Grenze nach<br />
allgemeinen <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätzen erst dort<br />
zu ziehen sein, wo der Tatbestand des Wuchers<br />
erfüllt ist. Anders dürften des Weiteren auch Fälle<br />
beurteilt werden, in denen vom als für beide Vertragsseiten<br />
tätigen Makler nicht auf die Doppelmaklerschaft<br />
hingewiesen wird oder in denen Vermittler<br />
explizit nach der Höhe der Innenprovision gefragt<br />
werden <strong>und</strong> hier unzutreffend die Höhe zu niedrig<br />
angeben würden.<br />
4. Zur Wirksamkeit einer Treuhandvoll-<br />
macht, die zur Vertretung von Anlegern<br />
im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem<br />
Beitritt zu einer Beteili-<br />
gungsgesellschaft einschl. der<br />
Finanzierung der Beteiligung berechtigt<br />
(BGH, Urt. v. 11.10.2011, XI ZR 415/10)<br />
Sachverhalt<br />
Anleger wurden im Jahr 1997 dafür geworben,<br />
sich an einem geschlossenen Immobilienfonds zu<br />
beteiligen. Sie erteilten im Zeichnungsschein einem<br />
Treuhänder, der über keine Erlaubnis nach dem<br />
47
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
48<br />
<strong>Recht</strong>sberatungsgesetz verfügte, Vollmacht, ihren<br />
„wirtschaftlichen Beitritt“ zur Fondsgesellschaft zu<br />
bewirken. Weiter wurde vereinbart, dass die Anleger<br />
eine eventuelle Refinanzierung des Gesellschaftsanteils<br />
selbst durchführen würden. Eine finanzierende<br />
Bank gewährte den Anlegern ein Finanzierungsdarlehen.<br />
Die Bank schrieb den Kreditbetrag dem Konto<br />
des Treuhänders gut. Dieser verwendete ihn zum<br />
Erwerb des Fondsanteils.<br />
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Die finanzierende Bank klagte auf Feststellung der<br />
Wirksamkeit des Darlehensvertrages <strong>und</strong> das Nichtbestehen<br />
eines Widerrufsrechts. Die Anleger forderten<br />
widerklagend die Entlastung aus dem Darlehensvertrag<br />
Zug um Zug gegen Abtretung des<br />
Fondsanteils. Sie beriefen sich u.a. darauf, der Treuhandvertrag<br />
sei wegen Verstoßes gegen das <strong>Recht</strong>sberatungsgesetz<br />
nichtig.<br />
Entscheidung<br />
Nach gefestigter <strong>Recht</strong>sprechung des BGH bedarf<br />
derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich<br />
die rechtliche Abwicklung eines Gr<strong>und</strong>stückserwerbs<br />
oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells<br />
besorgt, der Erlaubnis nach dem<br />
früheren <strong>Recht</strong>sberatungsgesetz (heute: <strong>Recht</strong>sdienstleistungsgesetz).<br />
Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung<br />
von erlaubnispflichtiger <strong>Recht</strong>sbesorgung ist<br />
auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil<br />
eine Besorgung fremder Geschäfte außer mit wirtschaftlichen<br />
Belangen vielfach auch mit rechtlichen<br />
Vorgängen verknüpft ist.<br />
Maßgeblich ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf<br />
wirtschaftlichem Gebiet liegt <strong>und</strong> die Wahrnehmung<br />
wirtschaftlicher Belange bezweckt, oder ob<br />
die rechtliche Seite im Vordergr<strong>und</strong> steht <strong>und</strong> es<br />
im Wesentlichen um die Klärung rechtlicher Verhältnisse<br />
geht.<br />
Hier erteilten die Anleger dem Treuhänder die<br />
Vollmacht, die Anleger in allen Angelegenheiten,<br />
die mit dem wirtschaftlichen Beitritt des Treugebers<br />
zur Gesellschaft zusammenhängen, zu vertreten.<br />
Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt damit<br />
auf wirtschaftlichem Gebiet. Der Treuhänder war<br />
weder bevollmächtigt, für die einzelnen Treugebergesellschafter<br />
Finanzierungsdarlehen aufzunehmen<br />
noch dafür Konten zu eröffnen <strong>und</strong> über<br />
diese zu verfügen noch für einzelne Treugebergesellschafter<br />
die persönliche Mithaftung z.B. für<br />
die Gesellschaftsschulden zu übernehmen. Die<br />
Vollmacht war somit wirksam. Die Widerklage der<br />
Anleger war abzuweisen.<br />
Fazit<br />
Von einer erlaubnispflichtigen Besorgung fremder<br />
<strong>Recht</strong>sangelegenheiten ist insbesondere auszugehen,<br />
wenn die Tätigkeit des Treuhänders den<br />
Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen<br />
für den Treugeber zum Gegenstand hat <strong>und</strong> in<br />
diesem Zusammenhang mannigfaltiger rechtlicher<br />
Beratungsbedarf besteht. Dies festzustellen<br />
ist Tatsache des Tatrichters. Wie so oft, kommt es<br />
auf den Wortlaut an, aber natürlich auch darauf,<br />
ob geregeltes <strong>und</strong> tatsächliches Verhalten übereinstimmen.<br />
Papier ist bekanntlich geduldig. Im<br />
konkreten Fall waren jedoch keine Unregelmäßigkeiten<br />
festzustellen.<br />
5. Zur Frage der arglistigen Täuschung<br />
eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen<br />
(BGH, Urt. v. 05.06.2012, XI ZR 175/11)<br />
Sachverhalt<br />
Anleger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung<br />
aus einer notariellen Urk<strong>und</strong>e, in der sie<br />
sich - vertreten durch eine Treuhänderin - der persönlichen<br />
Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes<br />
Vermögen unterworfen hatten. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme<br />
erfolgte durch die den Erwerb<br />
einer Eigentumswohnung finanzierenden<br />
Bank. Die Bank hatte die zur Finanzierung aufgenommenen<br />
Darlehensverträge gekündigt <strong>und</strong> betrieb<br />
die Zwangsvollstreckung.
Die Anleger wurden von einem Anlagenvermittler<br />
geworben, der für die Wohnung mittels eines<br />
Verkaufsprospektes warb. In diesem heißt es, dass<br />
für Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb <strong>und</strong> Marketing<br />
76,70 des kalkulierten Gesamtaufwandes<br />
aufzuwenden sind. Dass hierbei eine Innenprovision<br />
in Höhe von 18,24 % eingepreist wurde, ergibt<br />
sich aus dem Prospekt nicht. Die Anleger halten<br />
die Zwangsvollstreckung für unzulässig, weil Schadenersatzansprüche<br />
wegen Aufklärungspflichtverletzungen<br />
bestünden. Diese könnten ihrer Inanspruchnahme<br />
aus der Vollstreckungsunterwerfung<br />
entgegengehalten werden.<br />
Entscheidung<br />
Eine lediglich kreditgebende Bank ist bei steuersparenden<br />
Bauherren-, Bauträger- <strong>und</strong> Erwerbermodellen<br />
zur Risikoaufklärung über das finanzierte<br />
Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen<br />
verpflichtet. Gr<strong>und</strong>sätzlich muss eine<br />
den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzierende<br />
Bank, mit der ein Anleger keinen Beratungsvertrag<br />
abgeschlossen hat, nicht darüber informieren,<br />
dass im Kaufpreis eine „versteckte Innenprovision“<br />
enthalten ist, die an den Vertrieb bezahlt wird. Ein<br />
Käufer hat gr<strong>und</strong>sätzlich keinen Anspruch auf einen<br />
Erwerb des Objektes zu dessen Verkehrswert.<br />
Es bleibt vielmehr den Vertragsparteien bis an die<br />
Bildquelle: © fotogestoeber - Fotolia.com<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Grenzen der Sittenwidrigkeit <strong>und</strong> des Wuchers<br />
überlassen, welchen Kaufpreis sie vereinbaren.<br />
Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung liegt<br />
aber dann vor, wenn eine Bank positive Kenntnis<br />
davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner<br />
oder durch den Fondsprospekt über<br />
das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde.<br />
Im vorliegenden Fall war der für Vertriebs- <strong>und</strong> Marketingkosten<br />
entfallende Anteil am Gesamtaufwand<br />
nicht näher aufgeschlüsselt. Neben dem Hinweis<br />
auf die Außenprovision enthielt der Prospekt den<br />
ausdrücklichen Hinweis auf weitere Vergütungsansprüche<br />
des Vermittlers. Eine arglistige Täuschung<br />
über Vertriebsprovisionen schied deshalb aus.<br />
Fazit<br />
Diese Entscheidung ist ein weiterer Fall verschiedener<br />
Parallelverfahren, die der BGH durch <strong>Urteile</strong> vom<br />
05.06.2012 entschied (vgl. vorstehend III. 3.). Ob ein<br />
Anleger durch unrichtige Angaben eines Vermittlers<br />
arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der<br />
Würdigung des konkreten Einzelfalls. Auch wenn ein<br />
Vermittler im persönlichen Beratungsgespräch nicht<br />
auf den Anfall von Innenprovisionen hinweist, reicht<br />
es aus, wenn sich dieser Umstand aus dem Prospekt<br />
<strong>und</strong> dem Vermittlungsauftrag ergibt.<br />
49
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
50<br />
IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />
Die fortschreitende Regulierung des <strong>Recht</strong>s<br />
der Kapitalanlagen betrifft vor allem auch die<br />
<strong>Recht</strong>svorschriften derer, die diese Produkte<br />
vermitteln sollen. Seit 01.01.2013 gilt die Finanzanlagenvermittlungsverordnung.<br />
Ihre Gr<strong>und</strong>lage findet<br />
sich im Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler-<br />
<strong>und</strong> Vermögensanlagenrechts. Durch<br />
den neuen § 34f GewO wurde für Finanzanlagenvermittler<br />
ein eigenständiger Erlaubnistatbestand<br />
für die Berufsausübung geschaffen. Die Erlaubnis<br />
erhält gr<strong>und</strong>sätzlich nur, wer<br />
• in geordneten Vermögensverhältnisse lebt <strong>und</strong><br />
einen guten Leum<strong>und</strong> hat,<br />
• eine Berufshaftpflichtversicherung nachweist,<br />
• seine Sachk<strong>und</strong>e nachgewiesen hat.<br />
Der neue § 34f GewO unterteilt die Vermittlung in<br />
die Bereiche Investmentfonds, die Vermittlung von<br />
Anteilen an geschlossenen Fonds <strong>und</strong> die Vermittlung<br />
von sonstigen Vermögensanlagen. Mit dem Gesetzesentwurf<br />
über die Honoraranlageberatung steht<br />
schon das nächste Gesetz „in den Startlöchern“.<br />
Wir geben nachfolgend einen Überblick über Auslegungsfragen<br />
bei gesetzlichen <strong>und</strong> vertraglichen Vereinbarungen.<br />
Es geht um die Themen des Lohnanspruchs<br />
bei Verflechtungen, zum <strong>Recht</strong> auf fristlose<br />
Kündigungen eines Absatzmittlungsvertrages, um<br />
Wettbewerbsverbote, um Ausgleichsansprüche u.a.m.<br />
1. Kein Maklerlohnanspruch bei unechter<br />
Verflechtung<br />
(BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 213/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvermittler forderte von einem von<br />
ihm vermittelten K<strong>und</strong>en die Restzahlung von Maklerlohn.<br />
Der Vermittler hatte dem K<strong>und</strong>en eine Versicherung<br />
mit sog. Netto-Tarif vermittelt, also einem<br />
Tarif, in dem keine Abschlusskosten einkalkuliert sind.<br />
Die Versicherungsunterlagen waren nach der Firma<br />
des Vermittlers benannt. Der K<strong>und</strong>e unterzeichnete<br />
eine vorformulierte Vermittlungsgebührenvereinbarung,<br />
in der er sich zur Zahlung des Maklerlohns in<br />
60 gleichhohen Raten verpflichtete. Den Einzug der<br />
Raten übernahm eine Tochtergesellschaft des Ver-<br />
sicherers. Nach nicht einmal einem Jahr stellte der<br />
K<strong>und</strong>e die Zahlung der monatlichen Raten ein.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH wies die Zahlungsklage des Versicherungsvermittlers<br />
ab, weil im konkreten Fall der Vermittler<br />
keine Tätigkeit ausübte, die mit dem gesetzlichen<br />
Leitbild eines (Versicherungs-)Maklers im Einklang<br />
steht. Es lag eine „unechte Verflechtung“ zwischen<br />
Vermittler <strong>und</strong> Lebensversicherer vor. Kommt aufgr<strong>und</strong><br />
der Tätigkeit eines Maklers aber ein Hauptanspruch<br />
zwischen K<strong>und</strong>e <strong>und</strong> einer Person zustande,<br />
mit der der Makler gesellschaftsrechtlich oder auf<br />
andere Weise verflochten ist, steht dem Makler kein<br />
Vergütungsanspruch zu.<br />
Ein Makler schuldet die Beratung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt<br />
angebotenen Versicherungsverträgen <strong>und</strong> einer<br />
hinreichenden Zahl von Versicherern. Lässt ein Versicherungsmakler<br />
Fondspolicen eines Versicherers<br />
mit seinem Namen versehen <strong>und</strong> stellt das Produkt<br />
in Informationsbriefen als eigene konzeptionelle<br />
Leistung für die private Altersversorgung heraus, ist<br />
die Gefahr des Interessenkonfliktes gegeben, denn<br />
es kann davon ausgegangen werden, dass ein auf<br />
diese Art werblich besonders herausgestelltes Produkt<br />
für einen Vermittler von ganz erheblichem<br />
wirtschaftlichen Interesse ist. Das Interesse ist auch<br />
dauerhaft. Ein solcher (Versicherungs-)Makler entspricht<br />
mithin nicht dem gesetzlichen Leitbild des<br />
im Lager des Versicherungsk<strong>und</strong>enstehenden<br />
Sachwalters.<br />
Fazit<br />
Wo Makler draufsteht<br />
muss auch<br />
Makler drin sein.<br />
Wer sich als Makler<br />
bezeichnet, tatsächlich<br />
aber ein<br />
dauerhaftes Interesse<br />
daran hat, überwiegend<br />
Produkte<br />
eines bestimmten<br />
Produktpartners zu<br />
vermitteln, hat seinen<br />
Lohnanspruch<br />
verwirkt. Bildquelle: © Stefan Balk - Fotolia.com
2. Zum <strong>Recht</strong> auf fristlose Kündigung<br />
eines Handelsvertretervertrages bei<br />
Verstoß gegen ein vertragliches<br />
Wettbewerbsverbot<br />
(BGH, Urt. v. 10.11.2010, VIII ZR 327/09)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvermittler vermittelte über mehrere<br />
Jahrzehnte Versicherungen für eine Versicherungsgesellschaft.<br />
Zuerst war er als Angestellter in<br />
der Agentur seines Vaters tätig. Seit 1984 war er<br />
als selbstständiger Handelsvertreter für die Versicherungsgesellschaft<br />
unterwegs. Im Handelsvertretervertrag<br />
war ein Wettbewerbsverbot vertraglich<br />
vereinbart. Im Jahr 2006 erfuhr die Versicherungsgesellschaft,<br />
dass der Handelsvertreter r<strong>und</strong> 10<br />
Kfz-Versicherungsverträge, die die Versicherungsgesellschaft,<br />
für die der Handelsvertreter „exklusiv“<br />
tätig war, gekündigt hatte, bei einer anderen<br />
Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ hatte.<br />
Daraufhin erklärte die Versicherungsgesellschaft<br />
die fristlose Kündigung des Agenturvertrages. Ein<br />
halbes Jahr später nahm der Handelsvertreter einen<br />
selbstständigen Agenturbetrieb für eine andere<br />
Versicherung auf. Wegen dieser Tätigkeit sprach<br />
der Prinzipal erneut die fristlose Kündigung des seit<br />
1984 bestehenden Handelsvertretervertrages aus.<br />
Der Handelsvertreter begehrte die Feststellung, dass<br />
durch die beiden fristlosen Kündigungen das seit<br />
1984 bestehende Handelsvertreterverhältnis nicht<br />
beendet worden ist.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts,<br />
wonach der Handelsvertretervertrag<br />
durch keine der ausgesprochenen fristlosen Kündigungen<br />
beendet worden ist. Der Handelsvertreter<br />
habe zwar zweimal gegen das vertraglich vereinbarte<br />
Wettbewerbsverbot verstoßen, indem er<br />
die Kfz-Versicherungsverträge bei einer anderen<br />
Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ habe<br />
<strong>und</strong> einen zweiten Agenturvertrag mit einer anderen<br />
Versicherungsgesellschaft begründet habe. Die<br />
Wettbewerbsverstöße stellen sich bei wertender<br />
Betrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen<br />
Parteiinteressen jedoch als so geringfügig dar,<br />
dass sie einen gr<strong>und</strong>legenden Vertrauensverlust <strong>und</strong><br />
ein damit einhergehendes fristloses Kündigungsrecht<br />
ohne vorherige Abmahnung nicht begründet<br />
haben. Was die zweite fristlose Kündigung anbelangte,<br />
kam noch der Aspekt hinzu, dass die fristlose<br />
Kündigung erst fünf Monate nach Kenntnis von der<br />
Übernahme des zweiten Agenturverhältnisses ausgesprochen<br />
wurde.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Fazit<br />
Geringfügige Vertragsverletzungen können nicht<br />
immer einen wichtigen Gr<strong>und</strong> für eine fristlose Kündigung<br />
des Handelsvertretervertragsverhältnisses<br />
sein. Im Handelsvertreterrecht ist die Beschränkung<br />
des <strong>Recht</strong>s zur außerordentlichen Kündigung<br />
auf schwerwiegende Vertragsverletzungen in besonderer<br />
Weise geboten, weil das Vorliegen eines<br />
wichtigen Kündigungsgr<strong>und</strong>es wegen schuldhafter<br />
Pflichtverletzung des Handelsvertreters den Verlust<br />
des Ausgleichsanspruchs zur Folge hat. Die Beurteilung,<br />
ob dem Kündigenden die Fortsetzung des<br />
Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären<br />
Kündigungsfrist unzumutbar ist <strong>und</strong> aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist,<br />
hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Diese<br />
Beurteilung obliegt dem Tatrichter.<br />
3. Zur Frage, wann vom Handelsvertreter<br />
geworbene K<strong>und</strong>en Neuk<strong>und</strong>en eines<br />
Unternehmens sind, wenn dieses einen<br />
K<strong>und</strong>enstamm von einer insolventen<br />
Gesellschaft erworben hat<br />
(BGH, Urt. v. 26.10.2011, VIII ZR 222/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Handelsvertreter war für ein Unternehmen tätig,<br />
welches insolvent wurde. Eine neu gegründete<br />
Gesellschaft übernahm den Geschäftsbetrieb der<br />
insolventen Gesellschaft <strong>und</strong> schloss mit dem Insolvenzverwalter<br />
dieser Gesellschaft einen Kaufvertrag,<br />
durch den bestimmte Gegenstände der insolventen<br />
Gesellschaft erworben wurden. Der Handelsvertreter<br />
war auch während des Insolvenzverfahrens für<br />
die insolvente Gesellschaft tätig. Auch mit der neu<br />
gegründeten Gesellschaft schloss er einen Handelsvertretervertrag.<br />
Diese kündigte den Handelsvertretervertrag<br />
ordentlich. Der Handelsvertreter forderte<br />
einen Ausgleichsanspruch auch unter Berücksichtigung<br />
des K<strong>und</strong>enstamms, den er schon in der alten<br />
(insolventen) Gesellschaft betreut hatte <strong>und</strong> den die<br />
neue Gesellschaft vom Insolvenzverwalter übernommen<br />
hatte.<br />
Entscheidung<br />
Ein Handelsvertreter hat im Rahmen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs<br />
einen Anspruch für von<br />
ihm an den Prinzipal vermittelte Neu-K<strong>und</strong>en oder<br />
für Alt-K<strong>und</strong>en, wenn die diesbezügliche Geschäftsverbindung<br />
wesentlich erweitert oder wiederbelebt<br />
wurde. Übernimmt nun eine neu gegründete Gesellschaft<br />
sowohl die K<strong>und</strong>en als auch den Handelsvertreter<br />
eines insolvent gewordenen Unterneh-<br />
51
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
52<br />
mens, sind die bisherigen K<strong>und</strong>en des insolventen<br />
Unternehmens, die aufgr<strong>und</strong> der Tätigkeit des Handelsvertreters<br />
erstmals ein Geschäft mit dem neu<br />
gegründeten Unternehmen abgeschlossen haben,<br />
als vom Handelsvertreter geworbene Neu-K<strong>und</strong>en<br />
dieses Unternehmens anzusehen.<br />
Ein neu gegründetes Unternehmen hat noch keine<br />
Alt- oder Bestands-K<strong>und</strong>en. Es kann diese aufgr<strong>und</strong><br />
der Neugründung noch gar nicht haben. Im Rahmen<br />
des Kaufs eines K<strong>und</strong>enstamms kann ein neu<br />
gegründetes Unternehmen auch nicht die K<strong>und</strong>en<br />
erwerben, sondern lediglich die Information über<br />
die K<strong>und</strong>enbeziehungen. Diese Information über<br />
Stammk<strong>und</strong>en eines insolventen Unternehmens<br />
begründet noch keine Geschäftsbeziehung des<br />
neuen Unternehmens mit diesen K<strong>und</strong>en. Es eröffnet<br />
nur die Chance, dass die Stammk<strong>und</strong>en des<br />
insolventen Unternehmens auch mit dem neu gegründeten<br />
Unternehmen eine Geschäftsbeziehung<br />
eingehen werden.<br />
Der Umstand, dass der Inhaber des neu gegründeten<br />
Unternehmens einen K<strong>und</strong>enstamm käuflich<br />
erworben hat, kann unter dem Gesichtspunkt der<br />
Billigkeit (vgl. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) zu einer<br />
Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen, wenn<br />
dem Handelsvertreter dadurch die Werbung dieser<br />
K<strong>und</strong>en für das neu gegründete Unternehmen erleichtert<br />
wird.<br />
Fazit<br />
Jedenfalls bei neu gegründeten Unternehmen steht<br />
nach dieser Entscheidung fest, dass dieses keine<br />
„Alt-K<strong>und</strong>en“ haben kann, selbst wenn es einen<br />
K<strong>und</strong>enstamm übernimmt. Neue K<strong>und</strong>en, die ein<br />
Handelsvertreter geworben hat, sind alle K<strong>und</strong>en,<br />
die mit einem Unternehmen noch nicht in geschäftlicher<br />
Beziehung standen, sondern erstmals unter<br />
Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit<br />
dem Unternehmen abgeschlossen haben.<br />
Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />
4. Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im<br />
strukturierten Vertrieb<br />
(BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Finanzdienstleister, der in einem Strukturvertrieb,<br />
zuletzt auf der Stufe eines Regionaldirektionsleiters,<br />
tätig war, machte Ansprüche auf einen<br />
Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend, nachdem<br />
ihm seitens des Strukturvertriebs gekündigt<br />
worden war. Als Basis für den Ausgleichsanspruch<br />
bezog sich der Finanzdienstleister auf die sogenannten<br />
Gr<strong>und</strong>sätze, die von den Spitzenverbänden der<br />
Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> des Versicherungsaußendienstes<br />
vereinbart worden sind. Im Vertrag<br />
zwischen Finanzdienstleister <strong>und</strong> Prinzipal war die<br />
Geltung dieser Gr<strong>und</strong>sätze aber nicht explizit vereinbart.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Versicherungs-<br />
<strong>und</strong> Bausparkassenvertreter von der<br />
Handelsvertreterrichtlinie, die im Jahr 2009 in<br />
deutsches <strong>Recht</strong> umgesetzt wurde, nicht erfasst<br />
wird. Die Notwendigkeit einer europarechtskonformen<br />
Auslegung ergibt sich deshalb nicht. Durch<br />
den Ausgleichsanspruch abzugelten sind deshalb<br />
Provisionsverluste für noch nicht vollständig ausgezahlte<br />
Vermittlungsprovisionen aus bestehenden,<br />
vom Vertreter vermittelten Verträgen, soweit diese<br />
infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen.<br />
Gleichgestellt sind solche Verträge, die zwar<br />
erst nach dem Ausscheiden des Vertreters zustande<br />
kommen, sich aber bei natürlicher Betrachtungsweise<br />
lediglich als Verlängerung oder Summenerhöhung<br />
der vom Vertreter vermittelten Verträge<br />
darstellen, also in einem engen wirtschaftlichen<br />
Zusammenhang mit den Altverträgen stehen <strong>und</strong><br />
dem gleichen Versicherungs- oder Bausparbedürfnis<br />
dienen. Ausgleichsrechtlich irrelevant sind Verwaltungsprovisionen,<br />
die für Tätigkeiten wie die<br />
Bestandspflege <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>enbetreuung gezahlt<br />
werden.<br />
Speziell in Bezug auf Finanzdienstleister, die innerhalb<br />
eines Strukturvertriebes tätig sind, können auch Superprovisionen<br />
ausgleichspflichtig sein. Entscheidend<br />
ist, dass die Tätigkeit des Strukturhöheren zumindest<br />
mit ursächlich für die von Strukturunteren vermittelten<br />
Abschlüsse ist. Eine solche Mitursächlichkeit<br />
setzt nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter<br />
die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich<br />
betreut. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann<br />
schon die Mitursächlichkeit der Einstellung <strong>und</strong> Einarbeitung<br />
von Untervertretern ausreichen.
Die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft<br />
<strong>und</strong> des Versicherungsaußendienstes<br />
seit 1998 entwickelten sog. „Gr<strong>und</strong>sätze“ können<br />
angesichts ihrer Entstehungsgeschichte als Schätzgr<strong>und</strong>lage<br />
herangezogen werden, soweit es um die<br />
Ermittlung eines Ausgleichsanspruchs geht. Es ist<br />
nicht erforderlich, dass auf diese „Gr<strong>und</strong>sätze“ explizit<br />
im Vermittlervertrag verwiesen wird. Eine Einschränkung<br />
erfährt diese Sichtweise, soweit es um<br />
die „Gr<strong>und</strong>sätze Finanzdienstleistungen“ geht. Finanzdienstleistungen<br />
von Bausparkassen stellen nur einen<br />
Ausschnitt sämtlicher Finanzdienstleistungen dar, denn<br />
Bausparkassen dürfen wegen § 4 Bausparkassengesetz<br />
nicht uneingeschränkt Finanzdienstleistungsgeschäfte<br />
vornehmen. Hier muss ein Finanzdienstleister, der für<br />
diesen Bereich einen Ausgleichsanspruch fordert, seinen<br />
Anspruch anhand der gesetzlichen Vorgaben darlegen.<br />
Insoweit ist es erforderlich, Angaben zur Stammk<strong>und</strong>enquote<br />
zu machen.<br />
Fazit<br />
Die „Gr<strong>und</strong>sätze Finanzdienstleistungen“ sind nicht<br />
maßgeblich, sofern der Handelsvertreter nicht für<br />
eine private Bausparkasse, sondern für ein eigenständiges<br />
Finanzdienstleistungsunternehmen tätig<br />
ist. Die „Gr<strong>und</strong>sätze - Sach“, „Gr<strong>und</strong>sätze - Leben“,<br />
„Gr<strong>und</strong>sätze - Kranken“ <strong>und</strong> „Gr<strong>und</strong>sätze - Bauspar“<br />
können hingegen als Gr<strong>und</strong>lage für die richterliche<br />
Schätzung eines Mindestausgleichsbetrages dienen.<br />
5. Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs<br />
bei zwischenzeitlich beendetem <strong>und</strong><br />
anschließend neu begründetem<br />
Handelsvertretervertrag<br />
(OLG München, Urt. v. 14.09.2011,<br />
7 U 1348/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvertreter stritt mit seinem Prinzipal<br />
(einer Versicherung) um Auskunfts- <strong>und</strong> Ausgleichsansprüche<br />
nach beendetem Versicherungsvertreterverhältnis.<br />
Der Versicherungsvertreter war fast zehn<br />
Jahre für die Versicherung vermittelnd tätig, bevor er<br />
sich entschloss, das Versicherungsvertreterverhältnis<br />
zu kündigen <strong>und</strong> zu einem Wettbewerber zu wechseln.<br />
Sein in den fast zehn Jahren betreuter <strong>und</strong> aufgebauter<br />
Bestand wurde einem anderen Agenten<br />
zugewiesen. Wenige Monate später kehrte der Versicherungsvertreter<br />
zur „alten“ Versicherung zurück<br />
<strong>und</strong> begründete einen neuen Versicherungsvertretervertrag.<br />
In diesem war hinsichtlich der Zugehörigkeit<br />
zur Versicherung geregelt, dass der Vermittler<br />
so behandelt wird, als wäre das Eintrittsdatum<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses. Nach<br />
Kündigung des (zweiten) Vertretervertrages - die<br />
Kündigung wurde dieses Mal von der Versicherung<br />
erklärt - begehrte der Vermittler Auskunft <strong>und</strong><br />
Zahlung auch für die im Rahmen des ersten Vertreterverhältnisses<br />
von ihm selbst vermittelten dynamischen<br />
Lebens- <strong>und</strong> Rentenversicherungsverträge<br />
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Entscheidung<br />
Das Gericht gestand dem Versicherungsvertreter<br />
(nur) einen Anspruch auf Auskunft für dynamische<br />
Lebens- <strong>und</strong> Rentenversicherungsverträge zu, die<br />
er während der Vertragslaufzeit des zweiten Versicherungsvertretervertrages<br />
vermittelt hat. Eine<br />
während der Laufzeit des zweiten Vertretervertrages<br />
getroffene Vereinbarung des Inhalts, das<br />
Eintrittsdatum sei der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses,<br />
führe nicht dazu, dass dem Vertreter<br />
Ausgleichsansprüche auch für diesen Zeitraum zustehen<br />
<strong>und</strong> Auskunft zu gewähren ist. Nur insoweit<br />
verliert er infolge der Beendigung des Vertrages<br />
Ansprüche auf Provision, die er bei Fortsetzung<br />
des Vertrages aus diesen Versicherungsverträgen<br />
gehabt hätte.<br />
Fazit<br />
Das Problem wäre vermutlich gar nicht erst aufgetreten,<br />
wenn sich die Versicherung nicht bereiterklärt<br />
hätte, den Versicherungsvertreter bezüglich<br />
der Zugehörigkeit zur Versicherung so zu behandeln,<br />
als wäre das Datum des Abschlusses des ersten<br />
Vertretervertrages maßgeblich. Die Versicherung<br />
wollte dem Vertreter - so ihre Einlassung im<br />
Prozess - gewisse Vergünstigungen zukommen lassen<br />
z.B. bezüglich der Berechnung des zehnjährigen<br />
Dienstjubiläums oder der Kündigungsfristen. Eine<br />
darüber hinausgehende Aussage sollte die Vereinbarung<br />
nicht zum Inhalt haben. Die Entscheidung<br />
zeigt aber mehr, wie wichtig es ist, möglichst klare<br />
Absprachen zu treffen.<br />
53
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
54<br />
6. Zur Frage der Wirksamkeit einer<br />
Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />
per E-Mail<br />
(OLG München, Urt. v. 26.01.2012,<br />
23 U 3798/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Unternehmen hatte mit seinem Handelsvertreter<br />
im Handelsvertretervertrag vereinbart, dass<br />
eine ordentliche Kündigung schriftlich erfolgen<br />
muss. In einem Vorgängervertrag hatten die Vertragsparteien<br />
weitergehend gefordert, dass eine<br />
Kündigung per eingeschriebenen Brief zu erfolgen<br />
hat. Für eine außerordentliche Kündigung sah der<br />
Handelsvertretervertrag kein Formerfordernis vor.<br />
Die Kommunikation zwischen den Vertragsparteien<br />
erfolgte üblicherweise per E-Mail. Der Prinzipal<br />
kündigte den Handelsvertretervertrag per E-<br />
Mail. Der Handelsvertreter forderte Schadenersatz<br />
<strong>und</strong> berief sich hierbei vor allem auf die Unwirksamkeit<br />
der Kündigung.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG München wies die Schadenersatzklage<br />
ab <strong>und</strong> bejahte die Wirksamkeit der Kündigung.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich könne die Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />
formlos, also sogar konkludent<br />
erfolgen. Die Vertragsparteien können jedoch<br />
vertraglich etwas anderes vereinbaren. Dies war<br />
mit der Regelung, dass die ordentliche Kündigung<br />
schriftlich zu erfolgen habe, geschehen. Allerdings<br />
genüge zur Wahrung der durch das <strong>Recht</strong>sgeschäft<br />
bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative<br />
Übermittlung, soweit kein anderer Wille<br />
der Vertragsparteien anzunehmen sei. Demzufolge<br />
genüge gr<strong>und</strong>sätzlich auch eine Erklärung<br />
per E-Mail, sofern aus der Erklärung erkennbar ist,<br />
von wem sie abgegeben wurde.<br />
Wegen der nicht zu verkennenden Missbrauchsgefahr<br />
wies das Gericht zugleich darauf hin, dass in<br />
jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen sei, ob ein anderer<br />
Wille der Parteien anzunehmen ist <strong>und</strong> eine<br />
einfache E-Mail ohne eingescannte Unterschrift<br />
oder ohne elektronische Signatur nicht genügen<br />
soll. Im konkreten Fall stellte das Gericht darauf<br />
ab, dass für eine außerordentliche Kündigung,<br />
die wesentlich schwerwiegender wiege, kein Formerfordernis<br />
vereinbart war. Außerdem war die<br />
Kommunikation per E-Mail üblich, so dass keine<br />
Unklarheiten über den Absender herrschen konnten.<br />
Deshalb sah das Gericht die mit der Schriftformklausel<br />
bezweckte Klarheit auch durch eine<br />
einfache E-Mail als erreicht an.<br />
Fazit<br />
Das OLG München erteilt all denen eine Abfuhr,<br />
die bei gewillkürtem Schriftformerfordernis eine<br />
einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung<br />
durch einfache E-Mail als nicht ausreichend anerkennen.<br />
Umgekehrt weist das Gericht auf die „besonderen<br />
Umstände des Einzelfalls“ hin, die stets<br />
heranzuziehen sind. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint<br />
es ratsam, bereits im Vertrag selbst festzuhalten,<br />
ob ein vereinbartes Schriftformerfordernis<br />
auch durch eine einfache E-Mail gewahrt sein soll<br />
oder nicht.<br />
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7. Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter,<br />
der eine Netto-Police vermittelt<br />
<strong>und</strong> mit dem Versicherungsnehmer eine<br />
Honorarvereinbarung trifft, unlauter<br />
verhält<br />
(OLG Naumburg, Urt. v. 24.05.2012,<br />
9 U 218/11, nrkr.)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvertreter vermittelte sogenannte<br />
Netto-Policen. Im Zuge der Vermittlung der Netto-<br />
Police schloss er mit dem K<strong>und</strong>en eine Honorarvereinbarung.<br />
Beim Erstkontakt mit dem K<strong>und</strong>en<br />
hatte der Vermittler wahrheitsgemäß angegeben,
als Versicherungsvertreter im Vermittlerregister<br />
eingetragen zu sein. Ein Wettbewerber des Versicherungsvertreters<br />
forderte die Unterbindung des<br />
Vertriebsmodells, weil dieses beim Versicherungsvertreter<br />
eine unlautere Wettbewerbshandlung darstelle.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Naumburg verneinte sowohl einen Verstoß<br />
gegen Marktverhaltensregeln noch eine Unlauterkeit<br />
wegen Verwendung unwirksamer Allgemeiner<br />
Geschäftsbedingungen. Es sei zwar zutreffend,<br />
dass § 34d GewO nicht nur den Marktzugang regele,<br />
sondern auch das Marktverhalten eines Versicherungsvermittlers.<br />
Der Versicherungsvertreter<br />
verstoße aber nicht gegen § 34d GewO, wenn er<br />
als Versicherungsvertreter Netto-Policen vermittle<br />
<strong>und</strong> vom K<strong>und</strong>en eine Vergütung über eine separat<br />
zu vereinbarende Vergütungsvereinbarung fordere.<br />
Es gebe keinen Gr<strong>und</strong>satz, dass nur Versicherungsmakler<br />
eine solche Vergütung zu fordern berechtigt<br />
seien. Auch ein Versicherungsvertreter, der seine<br />
Agenturbindung offenlegt, könne eine Vergütungsvereinbarung<br />
treffen.<br />
Des Weiteren verneinte das Gericht ein unlauteres<br />
Wettbewerbsverhalten durch unwirksame Allgemeine<br />
Geschäftsbedingungen. Die formularmäßigen<br />
Vergütungsverträge stellten solche dar. Das<br />
gesetzliche Regelungsmodell beim Versicherungsvertreter<br />
sehe auch den Schicksalsteilungsgr<strong>und</strong>satz<br />
vor, nach dem der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters<br />
das Schicksal der Prämie teilt. Von<br />
diesem Vergütungsmodell werde bei einer Netto-Po-<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
lice mit Honorarvereinbarung abgewichen. Da aber<br />
auch eine Ansparversicherung mit Brutto-Prämie in<br />
der Regel mit nicht unerheblichen Verlusten verb<strong>und</strong>en<br />
ist, wenn diese vorzeitig gekündigt wird, seien<br />
die Unterschiede allenfalls marginal. Außerdem<br />
weise eine Netto-Police größere Transparenz auf. Es<br />
erscheine des Weiteren zweifelhaft, ob ein K<strong>und</strong>e<br />
im Abschluss eines gesonderten Vergütungsvertrages<br />
den Hinweis auf die Maklereigenschaft eines<br />
Vermittlers sehe. Der Makler steht bekanntlich als<br />
treuhänderischer Sachwalter der K<strong>und</strong>eninteressen<br />
im Lager des K<strong>und</strong>en, während der Versicherungsvertreter<br />
dem Lager des Versicherers zugerechnet<br />
wird. Wenn ein Versicherungsvertreter im Rahmen<br />
der Erstkontaktinformation auf seinen Vertreterstatus<br />
hinweise, könne der K<strong>und</strong>e nicht irregeführt<br />
werden. Außerdem würde in der Vergütungsvereinbarung<br />
noch einmal explizit auf die Vertretereigenschaft<br />
hingewiesen werden.<br />
Fazit<br />
Auch ein Versicherungsvertreter darf Netto-Policen<br />
vermitteln <strong>und</strong> separate Vergütungsvereinbarungen<br />
treffen, wenn er seine Agenturbindung offenlegt.<br />
Er handelt in einem solchen Fall nicht unlauter <strong>und</strong><br />
verstößt weder gegen Marktverhaltensregeln noch<br />
verhält er sich irreführend, weil er durch die separate<br />
Honorarvereinbarung vom Schicksalsteilungsgr<strong>und</strong>satz<br />
abweicht.<br />
8. Zur Frage, wann ein Mehrfachagent<br />
dem K<strong>und</strong>en gegenüber als Versicherungsmakler<br />
in Erscheinung tritt<br />
(Mehrfachagent als Pseudomakler)<br />
(LG Dortm<strong>und</strong>, Urt. v. 24.02.2012,<br />
2 O 144/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsnehmer <strong>und</strong> eine Versicherung<br />
stritten darüber, ob eine Kranken- <strong>und</strong> Krankentagegeldversicherung<br />
fortbesteht, obgleich der<br />
Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat.<br />
Der Versicherer berief sich zur Begründung auf<br />
die Nichtangabe von Krankheitsbehandlungen im<br />
Rahmen gestellter Ges<strong>und</strong>heitsfragen. Die Ges<strong>und</strong>heitsfragen<br />
fanden sich in einem Formular des Versicherungsvermittlers,<br />
der dem K<strong>und</strong>en gegenüber<br />
als „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ gegenübertrat.<br />
Entscheidung<br />
Nach § 19 Abs. 2 VVG kann ein Versicherer vom<br />
Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsneh-<br />
55
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
56<br />
mer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt.<br />
Hiernach muss ein Versicherungsnehmer ihm<br />
bekannte erhebliche Gefahrumstände, nach denen<br />
der Versicherer in Textform gefragt hat, diesem anzeigen.<br />
Das Gericht verneinte allerdings ein Rücktrittsrecht<br />
des Versicherers, weil Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />
die ein Versicherungsmakler stellt, dem Versicherer<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zuzurechnen sind.<br />
Der Versicherer hatte sich darauf berufen, der Vermittler<br />
sei Mehrfachagent. Schon deshalb seien die<br />
vom Vermittler gestellten Fragen als Fragen des<br />
Versicherers anzusehen. Vertragliche Beziehungen<br />
zwischen Versicherer <strong>und</strong> Vermittler sind aber irrelevant,<br />
soweit es um die Frage geht, welchen Status<br />
ein Vermittler für den Versicherungsnehmer hat.<br />
Tritt ein Versicherungsvermittler als „unabhängiger<br />
Finanzoptimierer“ auf, handelt er nach außen als<br />
Makler. Bei einem als Makler auftretenden Mehrfachagenten<br />
ist aus Gründen der <strong>Recht</strong>ssicherheit<br />
zu fordern, dass die Agentenstellung offengelegt<br />
wird. Nur dann können Fragen des Vermittlers dem<br />
Versicherer zugerechnet werden. Des Weiteren ist<br />
es dem Versicherungsnehmer nicht anzulasten,<br />
wenn ihm sein Versicherungsmakler verdeckt als<br />
Mehrfachagent gegenübertritt, ohne über die daraus<br />
folgende Interessenkollision aufzuklären.<br />
Fazit<br />
Tritt ein Vermittler als Pseudomakler auf, muss sich<br />
der Versicherer diesen Umstand zurechnen lassen.<br />
Auf das Vertragsverhältnis zwischen ihm <strong>und</strong> dem<br />
Pseudomakler kommt es nicht an. Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />
die ein Pseudomakler stellt, können nur dann<br />
als Fragen des Versicherers gelten, wenn sich der<br />
Versicherer die Fragen zu eigen macht, was für den<br />
Versicherungsnehmer bei der Antragsaufnahme ersichtlich<br />
sein muss.<br />
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9. Zur Frage der Verantwortlichkeit einer<br />
Vertriebsorganisation für ein strafbares<br />
Verhalten ihres Handelsvertreters<br />
(BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anleger erwarb auf Empfehlung eines Handelsvertreters<br />
eines großen deutschen Strukturvertriebs<br />
Anteile an Aktienfonds. Er leistete längere<br />
Zeit monatliche Zahlungen zum Erwerb von<br />
Aktienfondsanteilen. Schon im Kontoeröffnungsantrag<br />
hatte der Anleger die Fondsverwaltungsgesellschaft<br />
ermächtigt, sowohl dem Handelsvertreter<br />
als auch dessen Prinzipal Anlegerdaten zu<br />
übermitteln.<br />
Drei Jahre nach Kontoeröffnung hatte der Handelsvertreter<br />
die Fondsanlage aufgelöst. Dabei<br />
hatte er die Unterschrift des Anlegers gefälscht<br />
<strong>und</strong> den Verkaufswert auf sein Privatkonto überweisen<br />
lassen. Die Ehefrau des Anlegers nimmt<br />
aus abgetretenem <strong>Recht</strong> die Vertriebsorganisation<br />
auf Schadenersatz in Anspruch.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH bejahte einen Schadenersatzanspruch<br />
aus der Verletzung von Pflichten eines Schuldverhältnisses.<br />
Dieses ist dadurch zustande gekommen,<br />
dass der Handelsvertreter das Einverständnis des<br />
Anlegers einholte, ihm <strong>und</strong> seiner Vertriebsorganisation<br />
den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die<br />
das Anlagekonto zwischen dem Anleger <strong>und</strong> der<br />
Fondsverwaltungsgesellschaft betreffen. Die Datenweitergabe<br />
diente dem Zwecke der Beratung.<br />
Die Beratung erfolgte mit Wissen <strong>und</strong> Wollen der<br />
Vertriebsorganisation. Die Vertriebsorganisation<br />
stattete den Handelsvertreter sogar mit Formularen<br />
aus, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichten.<br />
Sie hat deshalb für Pflichtverletzungen<br />
ihres Erfüllungsgehilfen wie für eigene Pflichtverletzungen<br />
einzustehen.<br />
Fazit<br />
Im Volksm<strong>und</strong> heißt es, dass man niemandem<br />
hinters Gesicht schauen kann. Der Anleger kann<br />
dies im Hinblick auf seinen ihn beratenden Finanzdienstleister<br />
genauso wenig wie die Vertriebsorganisation,<br />
für den ein Finanzdienstleister tätig<br />
ist. Dennoch ist es recht <strong>und</strong> billig, die Vertriebsorganisation<br />
für ein schuldhaftes Verhalten eines<br />
von ihr eingesetzten Handelsvertreters eintreten<br />
zu lassen. Sie ist insoweit „näher dran“. Nicht<br />
selten sind es die klangvollen Namen der großen<br />
Vertriebsorganisationen, die die Türen zum Anleger<br />
erst öffnen. Die Vertriebsorganisationen han-
deln - wenn etwas schief läuft - meist nach dem<br />
Motto „wasch mich, aber mach mich nicht nass“.<br />
Der BGH hat dieser Einstellung eindeutig eine Absage<br />
erteilt.<br />
10. Zu den <strong>Recht</strong>sfolgen eines Wettbewerbsverbots,<br />
welches die Grenzen von<br />
§ 90a HGB überschreitet<br />
(BGH, Urt. v. 25.10.20012, VII ZR 56/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvertreter hatte sich mit einem<br />
Versicherungsunternehmen darauf verständigt,<br />
nach seinem Ausscheiden ein Wettbewerbsverbot<br />
zu vereinbaren. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />
sollte eine Mindestzahlung in Höhe einer<br />
durchschnittlichen Jahresprovision garantiert sein.<br />
Diese Mindestzahlung sollte auf etwaige Ausgleichsansprüche<br />
gem. § 89b HGB angerechnet<br />
werden. Nach Kündigung des Vermittlervertrages<br />
vereinbarten die Vertragsparteien ein Wettbewerbsverbot<br />
von drei Jahren im Inland <strong>und</strong> zwei<br />
Jahren im Ausland, soweit der Versicherer dort<br />
tätig war. Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot<br />
sollte eine Vertragsstrafe von 10.000,00 €<br />
gefordert werden können. Im Gegenzug wurde<br />
dem Versicherungsvertreter ein Betrag von über<br />
700.000,00 € garantiert.<br />
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der<br />
Wettbewerbsabrede <strong>und</strong> die<br />
<strong>Recht</strong>sfolgen eines Verstoßes<br />
gegen § 90a HGB.<br />
Entscheidung<br />
Das vereinbarte Wettbewerbsverbot<br />
stellte eine<br />
Wettbewerbsabrede im<br />
Sinne des § 90a Abs. 1 Satz<br />
1 HGB dar. Es kommt hier<br />
nicht darauf an, ob eine<br />
Wettbewerbsabrede vor<br />
oder nach Beendigung eines<br />
Vertragsverhältnisses getroffen<br />
wird. Da die Grenzen des<br />
§ 90a HGB überschritten waren,<br />
kam es auf die <strong>Recht</strong>sfolgen<br />
an. Überschreitet<br />
die Wettbewerbsabrede die<br />
durch das Gesetz gezogenen<br />
Grenzen, führt dies nicht<br />
zu ihrer Unwirksamkeit. Die<br />
Wettbewerbsabrede bleibt<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
in diesen Grenzen wirksam. Dies gilt sowohl im<br />
Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Wettbewerbsverbotes<br />
als auch bei Überschreitung der<br />
örtlichen <strong>und</strong> gegenständlichen Vorgaben der<br />
Vorschrift. An die Stelle einer unzulässig langen<br />
Frist tritt die gesetzliche Höchstdauer von zwei<br />
Jahren. Fordert der Vertreter vom Versicherer eine<br />
Erklärung, dass das Wettbewerbsverbot nicht über<br />
diese maximale Dauer reicht <strong>und</strong> erklärt ein Versicherer<br />
nicht den geforderten (Teil-)Verzicht, kann<br />
er sich schadenersatzpflichtig machen. Die außerprozessuale<br />
Geltendmachung unberechtigter<br />
Ansprüche oder nicht bestehender <strong>Recht</strong>e kann<br />
innerhalb einer Vertragsbeziehung eine Pflichtverletzung<br />
darstellen, die zu einem Schadenersatzanspruch<br />
führen kann. Dies gilt sowohl im Fall der<br />
Anmaßung eines <strong>Recht</strong>s als auch bei einer Weigerung,<br />
auf die Durchsetzung eines nicht bestehenden,<br />
aber zwischen den Parteien streitigen <strong>Recht</strong>s<br />
zu verzichten. Behauptet der Versicherer in dieser<br />
Situation, nicht schuldhaft gehandelt zu haben, hat<br />
er sein fehlendes Verschulden darzulegen <strong>und</strong> ggf.<br />
zu beweisen.<br />
Fazit<br />
§ 90a Abs. 1 Satz 2 HGB ist als Spezialregelung<br />
zu § 138 BGB anzusehen, soweit es um die Wirksamkeit<br />
einer Wettbewerbsabrede in zeitlicher,<br />
örtlicher <strong>und</strong> gegenständlicher Hinsicht geht. Eine<br />
solche Wettbewerbsabrede ist deshalb gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nicht nach § 138 BGB nichtig, sondern innerhalb<br />
der gesetzlich zulässigen Dauer wirksam <strong>und</strong><br />
nur im Umfang der Überschreitung unwirksam.<br />
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57
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
58<br />
V. Versicherung<br />
Der umfassenden Beratung bei Eindeckung<br />
des Versicherungsschutzes kommt eine<br />
wichtige Rolle zu. Der K<strong>und</strong>e als Laie kann<br />
regelmäßig nicht beurteilen, welcher Versicherungsschutz<br />
der für ihn passende ist. Angesichts der Bedeutung<br />
des Anleger- <strong>und</strong> Verbraucherschutzes<br />
war es nur konsequent, dass der Gesetzgeber im<br />
neuen VVG die Beratungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />
erheblich ausgedehnt hat. Ein Versicherer soll<br />
aber nach wie vor darauf vertrauen können, dass<br />
ein Versicherungsmakler, mit dem er zusammenarbeitet,<br />
seinen Pflichtenkatalog erfüllt. Bestimmte<br />
Pflichten des Versicherers gelten nicht, wenn der<br />
Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem<br />
Versicherungsmakler vermittelt wird (§ 6 Abs. 6<br />
VVG). Nachfolgend stellen wir Ihnen verschiedene<br />
Entscheidungen vor, bei denen es um den AVAD-<br />
Auskunftsverkehr, Kostenausgleichsvereinbarungen<br />
bei Netto-Policen, Widerrufsrechte <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>sfolgen<br />
von Vertragskündigungen geht.<br />
1. AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer<br />
darf keine strittigen Umstände als zweifelsfreie<br />
Tatsachen melden<br />
(BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsvermittler war als Handelsvertreter<br />
für eine Versicherungsgesellschaft tätig<br />
<strong>und</strong> vermittelte für diese sowie für verb<strong>und</strong>ene<br />
Konzerngesellschaften Versicherungsverträge<br />
<strong>und</strong> Finanzdienstleistungsprodukte. Zunächst beendete<br />
der Versicherungsvermittler das Vertragsverhältnis<br />
durch eigene fristlose Kündigung. Die<br />
Versicherung wies die Kündigung zurück <strong>und</strong><br />
kündigte ihrerseits das Vertragsverhältnis außerordentlich.<br />
Sie meldete der Auskunftsstelle über<br />
Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst <strong>und</strong> Versicherungsmakler<br />
in Deutschland e.V. (AVAD), dass<br />
das Vertragsverhältnis durch ihre außerordentliche<br />
Kündigung beendet worden sei <strong>und</strong> dass zu Lasten<br />
des Vermittlers ein rückforderbarer Saldo bestünde.<br />
Der Vermittler beantragte eine einstweilige Verfügung,<br />
in der der Versicherung verboten wurde,<br />
gegenüber Dritten zu behaupten, sie habe noch<br />
Forderungen aus Provisionen <strong>und</strong> das Vertragsverhältnis<br />
sei durch ihre außerordentliche Kün-<br />
digung beendet worden. Die einstweilige Verfügung<br />
wurde erlassen. Die Versicherung legte<br />
Widerspruch ein.<br />
Entscheidung<br />
Das Landgericht München I bestätigte die einstweilige<br />
Verfügung <strong>und</strong> wies den Widerspruch<br />
zurück. Ein Wettbewerbsverhältnis bestand,<br />
nachdem sich der Vermittler inzwischen als Versicherungsmakler<br />
selbstständig gemacht hatte.<br />
Der Vermittler musste sich auch nicht darauf verweisen<br />
lassen, dass er bei der AVAD Widerspruch<br />
gegen AVAD-Informationen erheben kann. Bei<br />
zu beanstandenden Mitteilungen ist es legitim,<br />
schon ihr erstes Entstehen in der Datei der AVAD<br />
oder sonstigen Dritten gegenüber zu verhindern.<br />
Es ist unlauter, strittige Umstände als unstreitig<br />
darzulegen. Für die Versicherung war auch erkennbar,<br />
welche Nachteile einem Versicherungsvermittler<br />
drohen, wenn bei der AVAD negative<br />
Merkmale registriert sind <strong>und</strong> im Auskunftsverkehr<br />
Negativmeldungen weitergegeben werden.<br />
Auch wer sich selbst den Regelungen über den<br />
AVAD-Auskunftsverkehr unterwirft, verzichtet<br />
damit nicht auf die Wahrung seiner wettbewerblichen<br />
Schutzrechte.<br />
Fazit<br />
Die Versicherungs- <strong>und</strong> Bausparkassenwirtschaft<br />
hat bereits im Jahr 1948 mit der Förderung der<br />
Versicherungsaufsichtsbehörde eine Selbsthilfeeinrichtung<br />
geschaffen, die heute allgemein als<br />
AVAD bekannt ist. Die AVAD unterhält einen<br />
Auskunftsverkehr sowohl in schriftlicher Form als<br />
auch über EDV online. AVAD-Meldungen haben<br />
im <strong>Recht</strong>sverkehr großes Gewicht. Das Landgericht<br />
München I hat klargestellt, dass Versicherungen<br />
nicht leichtfertig einseitig einen Sachverhalt<br />
darstellen dürfen <strong>und</strong> strittige Tatsachen in<br />
einer Art <strong>und</strong> Weise offenbaren dürfen, als wären<br />
es harte Fakten.<br />
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2. Zur Wirksamkeit einer Kostenaus-<br />
gleichsvereinbarung bei einer<br />
Netto-Police<br />
(LG Rostock, Urt. v. 10.08.2012, 1 S 315/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherer schloss mit einem Versicherungsnehmer<br />
im November 2008 einen Versicherungsvertrag<br />
<strong>und</strong> eine Kostenausgleichsvereinbarung<br />
ab. Der Versicherungsnehmer verpflichtete sich<br />
für die Dauer von 44 Jahren monatliche Beiträge<br />
zu leisten. Der zur Anlage bestimmte Beitragsteil<br />
sollte sich in den ersten 48 Monaten reduzieren.<br />
In dieser Zeit sollten die Abschlusskosten gem. der<br />
separat abgeschlossenen Kostenausgleichsvereinbarung<br />
getilgt werden. In der Kostenausgleichsvereinbarung<br />
hieß es u.a., dass die Aufhebung<br />
des Versicherungsvertrages gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />
zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung<br />
führt. Im Versicherungsvertrag hieß es, dass<br />
die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht<br />
zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung<br />
führt.<br />
Acht Monate nach Abschluss der Versicherung<br />
kündigte der Versicherungsnehmer die Versicherung<br />
<strong>und</strong> berief sich auf die Unwirksamkeit der<br />
Kostenausgleichsvereinbarung. Der Versicherer<br />
forderte die Zahlung.<br />
Entscheidung<br />
Das Landgericht Rostock gab der Klage des Versicherers<br />
statt. Der Versicherungsnehmer sei trotz<br />
Kündigung des Versicherungsvertrages zur Zahlung<br />
der restlichen Raten, die er aufgr<strong>und</strong> der Kostenausgleichsvereinbarung<br />
schulde, verpflichtet.<br />
Die Kostenausgleichsvereinbarung würde durch<br />
die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht<br />
berührt. Sie stelle auch keine Umgehung des<br />
§ 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar. Nach dieser seit<br />
01.01.2008 geltenden Norm soll das Risiko noch<br />
nicht verrechneter Abschlusskosten vom Versicherungsnehmer<br />
getragen werden, wenn aus<br />
den bisherigen Prämien die Abschlusskosten noch<br />
nicht getilgt werden konnten. Diese Norm betrifft<br />
jedoch nur sog. Brutto-Policen. Sie findet bei sog.<br />
Netto-Policen keine Anwendung. In der Gesetzesbegründung<br />
zu § 169 VVG hieße es insoweit ausdrücklich,<br />
dass die Norm nicht ausschließe, eine<br />
gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der<br />
Abschlusskosten zu treffen. Entscheidend sei,<br />
dass die Höhe der Abschlusskosten erkennbar ist,<br />
also dem Transparenzgebot genügt wird <strong>und</strong> die<br />
Höhe der Kosten nicht unangemessen ist. Beides<br />
sei hier zu verneinen.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Fazit<br />
Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock wendet<br />
sich in dieser Entscheidung ausdrücklich gegen<br />
eine gegenteilige Auffassung der 10. Zivilkammer<br />
desselben Gerichts. Dieses hatte im Urteil vom<br />
06.08.2010 (10 O 137/10) entschieden, dass durch<br />
die Kostenausgleichsvereinbarung das gesetzliche<br />
Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers unterlaufen<br />
werde <strong>und</strong> die Regelung einer Vertragsstrafe<br />
gleich käme. Die 1. Zivilkammer betont die<br />
Vertragsfreiheit. Wenn ein Versicherungsnehmer<br />
das Risiko eines sich wirtschaftlich ggf. als nachteilig<br />
erweisenden <strong>Recht</strong>sgeschäfts bewusst eingehe,<br />
muss er mit den Konsequenzen leben.<br />
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3. Zur Frage der Reichweite des Widerrufs<br />
einer Bezugsrechtsbestimmung<br />
(BGH, Urt. v. 18.01.2012, IV ZR 196/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsnehmer schloss eine Lebensversicherung<br />
auf sein Leben ab. Beim Abschluss der Versicherung<br />
setzte er widerruflich einen seiner Söhne<br />
als Bezugsberechtigten für die Todesfallleistung ein.<br />
In der Folgezeit trat der Erblasser sämtliche <strong>Recht</strong>e<br />
aus dem Lebensversicherungsvertrag an eine finanzierende<br />
Bank ab. Der Formular-Abtretungsvertrag<br />
enthielt u.a. die Regelung, dass nach Befriedigung<br />
der durch die Abtretung gesicherten Ansprüche die<br />
Bank die ihr abgetretenen <strong>Recht</strong>e auf den Siche-<br />
59
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
60<br />
rungsgeber bzw. im Falle eines Todes an den bisherigen<br />
Bezugsberechtigten zurücküberträgt.<br />
Nach dem Tod des Versicherungsnehmers übertrug<br />
die <strong>Recht</strong>snachfolgerin der Bank die ihr abgetretenen<br />
Ansprüche auf dessen Erben zurück. Die Versicherung<br />
zahlte die Versicherungssumme an den<br />
Sohn aus, der von seinem verstorbenen Vater ursprünglich<br />
als bezugsberechtigt eingesetzt worden<br />
ist. Der andere Sohn klagte auf Zahlung der Versicherungssumme<br />
an die Erbengemeinschaft.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH wies die Klage ab. In der Sicherungsabtretung<br />
der Ansprüche aus der Lebensversicherung an<br />
die Bank läge nicht zugleich ein Widerruf des widerruflichen<br />
Bezugsrechts. Ein Widerruf „für die Dauer<br />
dieser Abtretung“ ist vielmehr so zu verstehen, dass<br />
etwaige Bezugsrechte im Rang hinter das vereinbarte<br />
Sicherungsrecht zurücktreten <strong>und</strong> im Übrigen bestehen<br />
bleiben sollen. Wenn eine Sicherungsabrede<br />
nicht regelt, was gelten soll, wenn eine Bank die Sicherheit<br />
freigibt, obgleich sie auch das <strong>Recht</strong> hätte,<br />
die Sicherheit wegen Fortbestehens des besicherten<br />
Darlehens behalten zu dürfen, ist durch Auslegung<br />
zu ermitteln, wer <strong>Recht</strong>einhaber der freigegebenen<br />
Sicherheit (hier also der Ansprüche aus der Lebensversicherung)<br />
werden soll. Im konkreten Fall kamen<br />
der Sohn in Betracht, der als ursprünglicher Bezugsberechtigter<br />
eingesetzt war, oder die Erbengemeinschaft,<br />
die das besicherte Darlehen weiterhin zu erfüllen<br />
hatte. Der BGH sprach sich für den Vorrang<br />
des eingesetzten Bezugsberechtigten aus. Das Bezugsrecht<br />
sei nur „für die Dauer der Abtretung“ widerrufen<br />
worden. Ein solcher Widerruf ist regelmäßig<br />
so zu verstehen, dass etwaige Bezugsrechte mit<br />
der Rückabtretung der <strong>Recht</strong>e aus der Lebensversicherung<br />
nach dem Tod des VN an die Erben wieder<br />
Gültigkeit haben. Dem Bezugsberechtigten ist der<br />
Vorrang vor den Erben des Versicherungsnehmers zu<br />
erhalten, soweit eine Sicherungsnehmerin die ihr abgetretenen<br />
<strong>Recht</strong>e aus der Lebensversicherung nicht<br />
verwerten will (was sie gr<strong>und</strong>sätzlich könnte).<br />
Fazit<br />
Wird ein Bezugsrecht nur temporär ausgesetzt, nämlich<br />
bis ein <strong>Recht</strong> aus einer Sicherungsabtretung vom<br />
Sicherungsnehmer freigegeben wird, lebt mit der<br />
Rückabtretung das Bezugsrecht bei dem ursprünglich<br />
als Berechtigten benannten wieder auf. Der<br />
Bezugsberechtigte erhält den Anspruch auf die Todesfallleistung,<br />
auch wenn die Rückabtretung an die<br />
Erbengemeinschaft erfolgt. Im konkreten Fall hatte<br />
der verstorbene Vater ursprünglich einen seiner Söhne<br />
bevorzugt. Die zwischenzeitliche Abtretung hat<br />
daran nichts geändert.<br />
4. Zur <strong>Recht</strong>sfolge der Kündigung eines<br />
Rürup-Vertrages<br />
(BGH, Beschl. v. 20.09.2011 <strong>und</strong> v.<br />
21.11.2011, IV ZR 255/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Verbraucherschutzverein nimmt eine Versicherungsgesellschaft<br />
auf Unterlassung der Verwendung<br />
von AVB’s für eine sog. Rürup-Rentenversicherung in<br />
Anspruch. In § 6 der AVB war unter der Überschrift<br />
„Wann können Sie Ihre Versicherung kündigen oder<br />
beitragsfrei stellen?“ geregelt, dass bei der Kündigung<br />
die Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung<br />
umgewandelt wird <strong>und</strong> ein Anspruch auf<br />
den Rückkaufswert nicht besteht. Der Verbraucherschutzverein<br />
hielt diese Klauseln für überraschend,<br />
mehrdeutig, intransparent <strong>und</strong> unangemessen.<br />
Entscheidung<br />
Nachdem der BGH im Beschluss vom 20.09.2011<br />
zunächst darauf hingewiesen hatte, dass er beabsichtigt,<br />
die Revision des Verbraucherschutzvereins<br />
zurückzuweisen, erfolgte die Zurückweisung dann<br />
im Beschluss vom 21.11.2011. Durch die Bestimmung<br />
in § 6 AVB erfahre der Versicherungsnehmer,<br />
dass eine Kündigung nur mit der <strong>Recht</strong>sfolge einer<br />
Beitragsfreistellung möglich ist <strong>und</strong> ein Anspruch<br />
auf den Rückkaufswert nicht besteht. Dies ist weder<br />
intransparent noch unangemessen.<br />
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Bildquelle: © beermedia - Fotolia.com<br />
Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner<br />
Versicherungsbedingungen entsprechend<br />
den Gr<strong>und</strong>sätzen von Treu <strong>und</strong> Glauben gehalten,<br />
<strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten seines Vertragspartners möglichst<br />
klar <strong>und</strong> durchschaubar darzustellen. Dabei<br />
kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in<br />
ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer<br />
verständlich ist. Vielmehr gebieten<br />
Treu <strong>und</strong> Glauben auch, dass die Klausel die<br />
wirtschaftlichen Nachteile <strong>und</strong> Belastungen soweit<br />
erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert<br />
werden kann. Auch wenn ein Versicherungsnehmer<br />
mit dem Begriff „Kündigung“ üblicherweise<br />
die Erwartung einer vollständigen Vertragsauflösung<br />
verbindet, hat der Gesetzgeber diese <strong>Recht</strong>sfolge<br />
bei Lebens- oder Rentenversicherungen nicht<br />
ausnahmslos mit einer Kündigung verknüpft. Dies<br />
zeigt z.B. § 166 Abs. 1 VVG, wonach bei Kündigung<br />
einer Versicherung durch den Versicherer das Versicherungsverhältnis<br />
als prämienfreie Versicherung<br />
fortbesteht. Außerdem ist durch die Klausel in § 6<br />
AVB ohne weiteres erkennbar, dass eine Kündigung<br />
nur im Sinne einer Beitragsfreistellung möglich ist<br />
<strong>und</strong> ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht.<br />
Eine solche Regelung weicht auch nicht vom<br />
gesetzlichen Leitbild ab. Nach § 168 Abs.1 VVG<br />
kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis<br />
bei Lebensversicherungen jederzeit für<br />
den Schluss der laufenden Versicherungsperiode<br />
kündigen, wenn laufende Prämien zu zahlen sind.<br />
§ 168 Ab. 3 VVG enthält für Rürup-Verträge eine<br />
dem Absatz 1 vorgehende Sonderregelung.<br />
Fazit<br />
Die Beschlüsse zeigen, wie wichtig es für Versicherer<br />
ist, ihre Bedingungen transparent zu gestalten.<br />
Dann ist es allerdings ohne weiteres möglich, bei<br />
Rürup-Verträgen eine Ausnahme vom Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Kündbarkeit im Sinne von § 168 Abs. 3 VVG zu<br />
vereinbaren.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
5. Zur Frage, ob bei unterjährlicher<br />
Zahlung von Versicherungsbeiträgen<br />
<strong>und</strong> Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen<br />
deren Höhe <strong>und</strong> der effektive<br />
Jahreszins anzugeben sind<br />
(OLG Hamburg, Urt. v. 18.11.2011,<br />
9 U 103/11, nrkr.)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Verbraucherschutzverein fordert von einer Versicherungsgesellschaft,<br />
in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />
die Möglichkeit unterjährlicher<br />
Zahlungen zu ermöglichen, für die Ratenzuschläge<br />
erhoben werden, ohne deren Höhe <strong>und</strong> ohne den<br />
effektiven Jahreszins, der für die Zuschläge zu entrichten<br />
ist, anzugeben.<br />
Entscheidung<br />
Das Gericht verneinte sowohl einen Verstoß gegen<br />
Vorschriften der Preisangabenverordnung als auch<br />
einen Verstoß gegen § 506 BGB. Auch wenn der<br />
Begriff des Anbietens im Sinne von § 1 Preisangabenverordnung<br />
(PAngV) weit zu fassen ist, dienen<br />
Allgemeine Versicherungsbedingungen dazu, Regelungen<br />
oder Informationen für eine Vielzahl von<br />
Verträgen vorzuhalten. Sie stellen deshalb kein Anbieten<br />
im weitesten Sinn dar. § 6 PAngV ist auf Versicherungsverträge,<br />
die eine während des Bestands<br />
des Versicherungsvertrages wiederkehrende Beitragszahlung<br />
vorsehen, ebenso wenig anzuwenden<br />
wie die Regeln des BGB über den Verbraucherkreditvertrag.<br />
Das Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass die<br />
Widerrufsrechte von Versicherungsverträgen <strong>und</strong><br />
Verbraucherkreditverträgen unterschiedlich ausgestaltet<br />
sind. Würden Versicherungsverträge in den<br />
Anwendungsbereich des § 506 BGB einbezogen,<br />
entstünden nur schwer lösbare Widersprüche.<br />
Im Übrigen liegt auch kein entgeltlicher Zahlungsaufschub<br />
vor. Ein Zahlungsaufschub ist das Hinausschieben<br />
der vereinbarten Fälligkeit der vom Verbraucher<br />
geschuldeten Zahlung gegenüber der sich<br />
aus dem dispositiven <strong>Recht</strong> ergebenden Leistungszeit,<br />
um ihm die Zahlung des vereinbarten Preises zu<br />
erleichtern. Durch die Vereinbarung unterjährlicher<br />
Prämienzahlung wird aber keine vom dispositiven<br />
<strong>Recht</strong> abweichende Bestimmung der Fälligkeit im<br />
Sinne eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs vorgenommen.<br />
Insoweit ist es genügend, wenn in Allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />
darauf hingewiesen wird,<br />
dass bei unterjährlicher Beitragszahlung Ratenzah-<br />
61
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
62<br />
lungszuschläge erhoben werden. Dies genügt dem<br />
Transparenzgebot. Angaben zur Höhe der Ratenzahlungszuschläge<br />
sind nicht erforderlich.<br />
Fazit<br />
Die praktische Bedeutung dieser - noch nicht rechtskräftigen<br />
- Entscheidung ist enorm. Ratenzahlungszuschläge<br />
bei unterjährlicher Zahlungsweise sind in<br />
Versicherungsverträgen weit verbreitet. Aufsichtsrechtlich<br />
sind die Versicherer verpflichtet, alle Versicherungsnehmer<br />
gleich zu behandeln. Die in Raten<br />
gezahlte Jahresprämie trägt nicht in gleichem<br />
Umfang zu Ergebnissen einer Lebensversicherung<br />
oder Rentenversicherung bei wie die zu Beginn des<br />
Versicherungsjahres gezahlte Jahresprämie. Ohne<br />
einen Zuschlag würde der Ratenzahler also einen<br />
höheren Ertrag erhalten als der Jahreszahler. Auch<br />
wenn das OLG Hamburg diese tragenden Gesichtspunkte<br />
detailliert herausgearbeitet hat, bleibt abzuwarten,<br />
wie sich der BGH zu diesen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
äußern wird.<br />
6. Lebensversicherung: Kein Widerspruch<br />
oder Widerruf nach Kündigung <strong>und</strong><br />
vollständiger Vertragsbeendigung<br />
(OLG Hamm, Beschl. v. 24.08.2011,<br />
I-20 U 50/11)<br />
Sachverhalt<br />
Eine - ehemalige - Versicherungsnehmerin verlangt<br />
die Rückzahlung von ihr in eine Lebensversicherung<br />
einbezahlte Einmalprämie zzgl. Nutzungsersatz.<br />
Sie trägt vor, ihr sei nicht erinnerlich, ob sie<br />
den Versicherungsschein einschl. Bedingungen <strong>und</strong><br />
Verbraucherinformationen erhalten habe. Die Versicherungsnehmerin<br />
meint deshalb, trotz von ihr<br />
erklärter Kündigung <strong>und</strong> trotz daraufhin erfolgter<br />
vollständiger Abwicklung <strong>und</strong> Beendigung des Versicherungsvertrages<br />
anschließend noch zum Widerruf<br />
bzw. Widerspruch berechtigt gewesen zu sein.<br />
Der Vertragsabschluss im sog. Policenmodell verstoße<br />
gegen Europarecht. Insbesondere sei auch die<br />
Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtswidrig,<br />
nach der das <strong>Recht</strong> zum Widerspruch<br />
spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie<br />
erlosch.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Hamm wies die gegen das klageabweisende<br />
Urteil erster Instanz eingelegte Berufung<br />
zurück. Soweit die Versicherungsnehmerin den Zugang<br />
von Vertragsunterlagen bestritten habe, hätte<br />
sie plausibel darlegen müssen, warum sie die nä-<br />
Bildquelle: © pressmaster - Fotolia.com<br />
heren Umstände vergessen habe. Anderenfalls ist<br />
die Erklärung wie nichtbestreiten zu behandeln.<br />
Dies gilt auch dann, wenn ein Bestreiten einer Partei<br />
nicht plausibel ist, weil sich der Eindruck aufdrängt,<br />
mehrfach wechselndem Vortrag liegen prozesstaktische<br />
Erwägungen zugr<strong>und</strong>e.<br />
Sodann befasst sich das Gericht mit der Frage etwaiger<br />
europarechtlicher Bedenken gegen § 5a Abs. 1<br />
Satz 1 <strong>und</strong> Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. Das Policenmodell<br />
verstoße nicht gegen Europarecht. Die Verbraucherinformationen<br />
<strong>und</strong> Versicherungsbedingungen<br />
müssen einem Versicherungsnehmer nicht zwingend<br />
bis zur Antragstellung ausgehändigt werden.<br />
Es reicht, wenn sie dem Versicherungsnehmer später<br />
übergeben werden. Erst dann beginne die 14-<br />
bzw. 30-tägige Widerspruchsfrist. Bis dahin bleibe<br />
der Vertrag schwebend unwirksam. Durch diese<br />
rechtliche Konstruktion ist gewährleistet, dass die<br />
vertragliche Bindung eines Versicherungsnehmers<br />
erst nach der gebotenen Verbraucherinformation<br />
eintritt. Hinzu kam im konkreten Fall, dass die Versicherungsnehmerin<br />
den Vertrag gekündigt hatte.<br />
Die Versicherung hat das beendete Vertragsver-
hältnis abgerechnet <strong>und</strong> den Vertrag abgewickelt.<br />
Erst r<strong>und</strong> acht Monate später erfolgte dann ein<br />
Widerruf. Ein Widerruf ist nach vollständiger Vertragsbeendigung<br />
<strong>und</strong> Vertragsabwicklung jedoch<br />
nicht mehr möglich. Hat eine Vertragspartei mehrere<br />
Wahlrechte <strong>und</strong> übt sie eines aus, gibt sie eine<br />
eindeutige Erklärung ab. Wenn dadurch ein <strong>Recht</strong><br />
gestaltet worden ist, bleibt für weitere <strong>Recht</strong>sgestaltungen<br />
kein Raum mehr.<br />
Der Versicherungsnehmerin stand der Anspruch auf<br />
Rückzahlung der Prämie nebst entgangenem Gewinn<br />
auch nicht aus anderen Gründen zu. Selbst<br />
wenn Klauseln des Bedingungswerkes unwirksam<br />
gewesen wären, führt dies nicht zur Unwirksamkeit<br />
des gesamten Vertrages. Auch eröffnen intransparente<br />
Versicherungsbedingungen kein Widerspruchs-<br />
bzw. Rücktrittsrecht. Schließlich stand der<br />
Versicherungsnehmerin auch kein Schadenersatzanspruch<br />
zu. Insoweit ist ausreichend, wenn über<br />
die Folgen einer vorzeitigen Vertragsauflösung in<br />
den Versicherungsbedingungen informiert wird. Die<br />
sog. Kick-Back-<strong>Recht</strong>sprechung, die der BGH bei<br />
Anlageberatungsverträgen entwickelt hat, ist auf<br />
Versicherungsverträge nicht übertragbar.<br />
Fazit<br />
Der BGH hat bekanntlich einige Zeit nach dem<br />
vom OLG Hamm erlassenen Beschluss ein Verfahren<br />
ausgesetzt <strong>und</strong> dem EuGH die Frage vorgelegt,<br />
ob europarechtliche Bedenken gegen § 5a Abs. 2<br />
Satz 4 VVG a.F. bestehen (nicht gegen § 5a Abs. 1<br />
Satz 1 VVG a.F.). Für den Beschluss des OLG Hamm<br />
spielte dieser Aspekt ohnehin nur eine Nebenrolle.<br />
Jedenfalls nach Kündigung <strong>und</strong> vollständiger Vertragsbeendigung<br />
ist für anschließende Gestaltungserklärungen<br />
kein Raum mehr. Die Hinweise auf die<br />
Unanwendbarkeit der sog. Kick-Back-<strong>Recht</strong>sprechung<br />
stehen in Einklang mit verschiedenen anderen<br />
obergerichtlichen Entscheidungen, u.a. OLG<br />
Celle vom 02.02.2012, 8 U 125/11, OLG Stuttgart,<br />
Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10 oder OLG Köln, Beschl.<br />
v. 29.10.2010, 20 U 100/10.<br />
7. Zur Frage, aus welchen Gründen das<br />
Policenmodell europarechtskonform ist<br />
(OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.07.2012,<br />
7 U 54/12)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherungsnehmer begehrte Schadenersatz<br />
mit der Begründung, sein im Policenmodell abgeschlossener<br />
Versicherungsvertrag sei unwirksam.<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Das sog. Policenmodell war bei verschiedenen Versicherern<br />
bis zum Jahr 2008 ein weit verbreitetes<br />
Modell zum Abschluss von Versicherungsverträgen.<br />
Der künftige Versicherungsnehmer stellte einen Antrag,<br />
bevor er die Verbraucherinformationen <strong>und</strong> die<br />
Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten<br />
hatte. Dieser Vertrag war schwebend unwirksam bis<br />
dem Versicherungsnehmer zusammen mit der Police<br />
die Verbraucherinformationen pp. übermittelt worden<br />
sind. Der Vertrag galt auf der Gr<strong>und</strong>lage des Versicherungsscheins,<br />
der Versicherungsbedingungen<br />
<strong>und</strong> der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen<br />
Verbraucherinformationen als abgeschlossen,<br />
wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von<br />
14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich<br />
widersprach. Zusätzlich zur vollständigen Übersendung<br />
der notwendigen Unterlagen war für den<br />
Vertragsschluss eine Belehrung des Versicherungsnehmers<br />
über das Widerspruchsrecht erforderlich.<br />
Außer durch die Erklärung des Widerspruchs oder<br />
das Verstreichenlassen der Widerspruchsfrist konnte<br />
der Schwebezustand des Weiteren durch das Erlöschen<br />
des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung<br />
der ersten Prämie beendet werden.<br />
In jüngerer Zeit wurde mehrfach thematisiert <strong>und</strong><br />
problematisiert, ob einem Versicherungsnehmer ein<br />
ewiges Widerspruchsrecht zusteht, weil die b<strong>und</strong>esdeutsche<br />
Gesetzesnorm des § 5a VVG a.F. mit europäischem<br />
Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist. Das<br />
Landgericht Stuttgart hatte die Klage in erster Instanz<br />
abgewiesen.<br />
Entscheidung<br />
Das OLG Stuttgart bestätigt das erstinstanzliche<br />
Urteil. Für das Gericht ist es offenk<strong>und</strong>ig, dass das<br />
Policenmodell gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Satz<br />
1 VVG a.F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht<br />
vereinbart ist. Das Gericht führt ferner aus, dass<br />
nach seiner Überzeugung auch für die Gerichte der<br />
übrigen Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> für den EuGH die gleiche<br />
Gewissheit besteht.<br />
Entsprechend einheitlich sei insoweit gleichsam<br />
die jüngere obergerichtliche <strong>Recht</strong>sprechung in<br />
Deutschland, die den einhelligen Konsens belege,<br />
dass das Policenmodell mit dem Gemeinschaftsrecht<br />
vereinbar sei. Auch der Vorlagebeschluss des<br />
BGH vom 28.03.2012 stelle die europarechtliche<br />
Vereinbarkeit des Policenmodells als solches nicht in<br />
Frage. Der BGH beschränke sich auf die Vorlagefrage,<br />
ob die Regelungen des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG<br />
a.F. - also ein Vertragsschluss ohne jede Vorlage<br />
von Informationen <strong>und</strong> Versicherungsbedingungen<br />
an den Versicherungsnehmer - mit dem Gemeinschaftsrecht<br />
vereinbart ist.<br />
63
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
64<br />
Andere EU-Staaten hätten ihrerseits keine durchgreifenden<br />
europarechtlichen Bedenken geltend<br />
gemacht <strong>und</strong> insbesondere keinen Anlass gesehen,<br />
eine Vorab-Entscheidung des EuGH herbeizuführen.<br />
Das Gericht sieht des Weiteren keine Parallelen zur<br />
sog. Heininger-Entscheidung. In der „Heininger-<br />
Entscheidung“ ging es um die Frage, ob das in der<br />
Haustürgeschäft-Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht<br />
ohne Befristungsmöglichkeit vom deutschen<br />
Gesetzgeber richtig umgesetzt wurde, indem der<br />
deutsche Gesetzgeber eine solche Befristung vornahm.<br />
Der europäische Gesetzgeber sah hingegen<br />
überhaupt kein Widerrufs- oder gar Widerspruchsrecht<br />
als Instrument zur Verwirklichung des Verbraucherschutzes<br />
bei Abschluss von Versicherungsverträgen<br />
vor. Wenn nun der deutsche Gesetzgeber<br />
ein solches Instrument eingesetzt habe, könne er<br />
sich demnach nicht von entsprechenden europarechtlichen<br />
Vorgaben unzulässig entfernt haben.<br />
Sodann setzt sich das Gericht noch intensiv mit<br />
den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zur<br />
Dritten Richtlinie Lebensversicherung auseinander.<br />
Hierbei ging es um den Ausgleich widerstreitender<br />
Verbraucher- <strong>und</strong> Unternehmerinteressen. Durch<br />
das Policenmodell wird der Verbraucherschutz nicht<br />
ernsthaft gefährdet, sinnentleert oder in erheblichem<br />
Maß geschmälert, sondern es wird in einem<br />
ausgewogenen Maß den verschiedenen Interessen<br />
Rechnung getragen.<br />
Fazit<br />
Der Beschluss des OLG Stuttgart ist ein klares Bekenntnis<br />
zur Wirksamkeit des Policenmodells,<br />
welches in Deutschland zwischen 1994 <strong>und</strong> 2008<br />
möglich war. Ein für das Gericht wesentlicher Gesichtspunkt<br />
ist hierbei, dass einem Versicherungsnehmer<br />
die Verbraucherinformationen pp. mit dem<br />
Versicherungsschein übermittelt worden sind. Nicht<br />
streitrelevant war dagegen die vom BGH dem EuGH<br />
vorgelegte Frage, ob es mit dem EU-<strong>Recht</strong> vereinbar<br />
ist, wenn dem Versicherungsnehmer überhaupt keine<br />
Unterlagen ausgehändigt wurden.<br />
Bildquelle: © Joachim Wendler - Fotolia.com<br />
8. Zur Frage der Verteilung der Abschluss-<br />
<strong>und</strong> Vertriebskosten in zertifizierten<br />
Altersvorsorgeverträgen<br />
(BGH, Urt. v. 07.11.2012, IV ZR 292/10)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Anbieter von Riester-Produkten bietet u.a.<br />
fondsbasierte Altersvorsorgelösungen an. Die<br />
dabei verwendeten Geschäftsbedingungen informieren<br />
den Interessenten, dass die Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten während der ersten fünf Laufzeitjahre<br />
anteilig von den regelmäßigen Beiträgen<br />
einbehalten werden. In Höhe dieser Einbehalte<br />
werden keine Fondsanteile erworben.<br />
In dieser Klausel sieht ein Verbraucherschutzverband<br />
eine unangemessene Benachteiligung<br />
des Versicherungsnehmers (Anlegers), weil diese<br />
Regelung mit § 125 InvG unvereinbar sei. Nach<br />
dieser Bestimmung ist im ersten Laufzeitjahr der<br />
für die Kostendeckung einzubehaltende Betrag<br />
auf 1/3 der regelmäßigen Beiträge begrenzt. Für<br />
die gesamte übrige Laufzeit des Anlageproduktes<br />
sind die Kosten gleichmäßig zu verteilen.<br />
Entscheidung<br />
Der BGH wies die auf Unterlassung der Verwendung<br />
der Klausel gerichtete Klage ab. Einschlägig<br />
für die in Rede stehenden Altersvorsorge-Fondssparpläne<br />
ist nicht § 125 InvG. Vielmehr darf sich<br />
der Anbieter bei seinen Altersvorsorgeprodukten<br />
hinsichtlich der Kostenvorausbelastung an § 1<br />
Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz<br />
(AltZertG) orientieren. Ein Altersvorsorgevertrag<br />
im Sinne dieses Gesetzes setzt<br />
u.a. voraus, dass die angesetzten Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten gleichmäßig mindestens auf die<br />
ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden, soweit<br />
sie nicht als Prozentsatz von den Altersvorsorgebeiträgen<br />
abgezogen werden. Des Weiteren<br />
weist der BGH auf den Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der<br />
privaten Altersvorsorge hin. Durch dieses Gesetz<br />
soll ein § 2a in das AltZertG eingefügt werden,<br />
der klarstellt, dass bei Altersvorsorgeverträgen<br />
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 die Spezialvorschrift gegenüber<br />
§ 125 InvG ist.<br />
Fazit<br />
Eine in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen verwendete<br />
Klausel, nach der die Abschluss- <strong>und</strong><br />
Vertriebskosten gleichmäßig auf die ersten fünf<br />
Laufzeitjahre verteilt werden, benachteiligt Anleger<br />
nicht unangemessen.
9. Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht<br />
eines Versicherers<br />
bei notleidenden (stornogefährdeten)<br />
Versicherungsverträgen<br />
(BGH, Urt. v. 28.06.2012, VII ZR 130/11)<br />
Sachverhalt<br />
Ein Versicherer verlangt von einem für ihn vormals<br />
tätigen Mehrfachagenten die Rückzahlung von<br />
Provisionsvorschüssen für eine Reihe von Versicherungsverträgen.<br />
Der Versicherer begründet seinen<br />
Anspruch damit, dass die vom Mehrfachagenten<br />
vermittelten Vertragsverhältnisse nach Beendigung<br />
des Versicherungsvertretervertrages storniert worden<br />
sind. Bis zum Ausscheiden des Mehrfachagenten<br />
habe der Vertriebspartner selbst rechtzeitig<br />
Mitteilungen über stornogefährdete Verträge erhalten.<br />
Nach seinem Ausscheiden habe der Versicherer<br />
eigene Stornoabwehrmaßnahmen getroffen, die<br />
aber erfolglos geblieben seien.<br />
Entscheidung<br />
Bekanntlich entfällt der Anspruch des Handels-<br />
bzw. Versicherungsvertreters auf Provision im Fall<br />
der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer,<br />
wenn <strong>und</strong> soweit die Nichtausführung<br />
auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht<br />
zu vertreten sind. Eine Stornierung eines Vertrages<br />
ist bereits dann vom Versicherer nicht zu vertreten,<br />
wenn notleidende Verträge in gebotenem Umfang<br />
nachbearbeitet wurden.<br />
Art <strong>und</strong> Umfang der dem Versicherer obliegenden<br />
Nachbearbeitung bestimmt sich nach den Umständen<br />
des Einzelfalls. Entweder kann das Versicherungsunternehmen<br />
eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr<br />
ergreifen oder sich darauf beschränken,<br />
dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung<br />
Gelegenheit zu geben, den notleidend<br />
gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten.<br />
Die Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße<br />
Nachbearbeitung eines notleidenden Versicherungsvertrages<br />
vorgenommen wurde, obliegt dem<br />
Versicherer.<br />
Entschließt sich nun ein Versicherer, einer Stornogefahr<br />
durch Versendung von Stornogefahrmitteilungen<br />
an den Versicherungsvertreter entgegenzuwirken,<br />
ist der Versicherer seiner Pflicht zur<br />
Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maß nachgekommen,<br />
wenn die Stornogefahrmitteilung den<br />
Versicherungsvertreter in die Lage versetzt, seinerseits<br />
Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr<br />
zu ergreifen. Der Versicherer muss die Mitteilung so<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll<br />
<strong>und</strong> mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages<br />
bemühen kann.<br />
Ein Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung<br />
wählt, muss sich daher sobald wie es ihm nach<br />
den Umständen möglich <strong>und</strong> zumutbar ist, gegenüber<br />
einem Versicherungsvertreter erklären. Es ist<br />
einem Versicherer dabei gestattet, sich in angemessener<br />
Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob<br />
Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen.<br />
Es ist ihm des Weiteren gestattet, in dieser Situation<br />
erst eine Entscheidung zu treffen, ob er eigene<br />
Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder ob er<br />
sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter<br />
eine Stornogefahrmitteilung zu übermitteln.<br />
Nicht ausreichend ist es,<br />
wenn ein Versicherer nur<br />
einem Nachfolger eines<br />
ausgeschiedenen Versicherungsvertreters<br />
die<br />
Stornogefahrmitteilung<br />
übermittelt. In einem solchen<br />
Fall muss ein Versicherer<br />
den Auftrag zur<br />
konkreten Nachbearbeitung<br />
erteilen <strong>und</strong> im<br />
Streitfall darlegen <strong>und</strong><br />
nachweisen. Wenn sich<br />
ein Versicherer auf einen<br />
Erfahrungssatz berufen möchte, nach dem aus der<br />
Erfolglosigkeit bestimmter Rettungsbemühungen<br />
einzelner Verträge auf die Erfolglosigkeit von Rettungsversuchen<br />
auch bei den weiteren Verträgen<br />
geschlussfolgert werden könne, bedarf es hierfür tatsächlicher<br />
Anhaltspunkte. Weil die Instanzgerichte diese<br />
Gr<strong>und</strong>sätze nicht richtig angewandt hatten, hob<br />
der BGH das die Klage des Versicherers abweisende<br />
Urteil auf <strong>und</strong> verwies den <strong>Recht</strong>sstreit zur neuen Entscheidung<br />
zurück.<br />
Fazit<br />
Der BGH hat Unternehmen, die mit Handelsvertretern<br />
zusammenarbeiten, noch einmal im Einzelnen<br />
den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten<br />
Verträgen zu beachten ist: Entweder<br />
übermittelt der Prinzipal unverzüglich Stornogefahrmitteilungen,<br />
damit der Handelsvertreter selbst<br />
Maßnahmen zur Rettung notleidender Verträge<br />
einleiten kann oder er ergreift eigene Maßnahmen,<br />
die er dann entsprechend belegen muss. Die bloße<br />
Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den<br />
Nachfolger eines ausgeschiedenen Handelsvertreters<br />
ist hingegen keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrenabwehr.<br />
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65
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
66<br />
I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />
1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn, Prospektverantwortung<br />
2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />
3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />
4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten<br />
geschuldet wird<br />
5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />
6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />
7. Schadensumfang<br />
8. Verjährung<br />
II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />
(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />
III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen <strong>und</strong><br />
Finanzierung<br />
IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />
V. Versicherung<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />
I. 1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn, Prospektverantwortung<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH III ZR 103/10 17.11.2011 Zur Prospekthaftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage<br />
2. BGH XI ZR 344/11 18.09.2012 Zur Haftung im Konzernverb<strong>und</strong> für fehlerhafte Prospekte<br />
3. BGH II ZR 211/09 23.04.2012 Zum Schadenersatzanspruch eines Treugebers gegen Gründungsgesellschafter<br />
4. LG Ffm. 2-10 O 478/11 20.07.2012 Falschberatung auch bei der Empfehlung einer Beteiligung am<br />
„Singapore-Flyer“<br />
5. OLG Ffm. 23 Kap 1/06 16.05.2012 OLG Frankfurt am Main verneint im KapMuG-Verfahren gegen die<br />
Telekom Prospektfehler<br />
6. OLG München 20 U 2289/11 02.11.2011 Ausnahme von der Prospektpflicht: Formale oder wirtschaftliche<br />
Betrachtungsweise?<br />
7. OLG München Kap 1/07 30.12.2011 VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig, unvollständig <strong>und</strong> irreführend<br />
8. OLG München 5 U 1725/11 22.05.2012 Zur Frage von Prospekthaftungsansprüchen bei Vermittlung von<br />
Lehman-Zertifikaten<br />
I. 2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH XI ZR 262/10 08.05.2012 Neues zu Kick-Backs <strong>und</strong> verspäteter Prospektübergabe<br />
2. BGH III ZR 308/11 19.07.2012 Zur Frage der Aufklärungspflicht eines selbstständigen Unternehmens<br />
der „Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt über Provisionen<br />
aufzuklären<br />
3. BGH XI ZR 259/11<br />
XI ZR 316/11<br />
XI ZR 355/10<br />
XI ZR 356/10<br />
26.06.2012 Keine Aufklärungspflichten einer Bank bei Festpreisgeschäften<br />
4. BVerfG 1 BvR<br />
08.12.2011 B<strong>und</strong>esverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde einer Bank, die<br />
2514/11<br />
wegen Kick-Backs zum Schadenersatz verurteilt wurde, zurück<br />
5. OLG Celle 3 U 173/11 28.12.2011 Rentabilität einer Fondsbeteiligung <strong>und</strong> Interessenkonflikt durch Rückvergütung<br />
sind „zwei Paar Schuhe“<br />
6. OLG Ffm. 9 U 112/09 13.12.2011 Bankenhaftung wegen nicht offengelegter Rückvergütung<br />
(VIP Medienfonds 4)<br />
7. BGH XI ZR 363/10 11.09.2012 Und noch einmal: Zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen beim<br />
geschlossenen Immobilienfonds<br />
I. 3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH III ZR 56/11 01.12.2011 Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters<br />
2. BGH III ZR 81/11 10.11.2011 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm<br />
bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären<br />
3. BGH XI ZR 51/10 13.12.2011 Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher<br />
Veröffentlichung von Insider-Informationen<br />
4. BGH III ZR 307/11 06.12.2012 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft<br />
bestehende Vertriebsvereinbarung<br />
67
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
68<br />
I. 4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten<br />
geschuldet wird<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. OLG Karlsruhe 17 U 36/12 17.07.2012 Zur Darlegungslast bei der Verletzung von Beratungspflichten eines<br />
Kapitalanlageberatungsvertrages<br />
I. 5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH VI ZR 166/11 15.05.2012 Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe einer unerlaubten<br />
Anlagevermittlung<br />
I. 6. Eintretenmüssen für das Fehlverhalten Dritter<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH III ZR 116/11 05.07.2012 Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch<br />
eine namensgleiche Einzelfirma<br />
2. BGH II ZR 69/12 14.05.2012 Zur Haftung eines Gründungsgesellschafters für Fehlverhalten von<br />
Erfüllungsgehilfen<br />
(hier: Aufklärungspflichtverletzungen durch eingeschaltete Untervermittler)<br />
I. 7. Schadensumfang<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH XI ZR 360/11 24.04.2012 Zu den Anforderungen, die an die Geltendmachung eines entgangenen<br />
Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu stellen sind<br />
2. BGH VII ZR<br />
26.01.2012 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm<br />
154/10<br />
bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären<br />
3. OLG München 5 U 5544/10 28.10.2011 Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher<br />
Veröffentlichung von Insider-Informationen<br />
4. BGH II ZR 259/11 18.12.2012 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft<br />
bestehende Vertriebsvereinbarung<br />
I. 8. Verjährung<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. OLG Ffm. 17 U 128/10 20.04.2011 Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach § 37a WpHG<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />
(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH XI ZR 272/10 10.07.2012 Zu Fragen der Rückabwicklung einer mittelbaren Medienfondsbeteiligung;<br />
hier: Was muss der Anleger tun? Wann beginnt der Annahmeverzug?<br />
2. BGH II ZR 242/09 11.10.2011 Zur Frage, wann ein Treugeber einer Publikums-Personengesellschaft im<br />
Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters hat<br />
3. OLG Karlsruhe 17 W 36/12 29.05.2012 Der Streitgegenstand ist entscheidend - Zur Frage, wann ein Anleger ein<br />
zweites Mal auf Schadenersatz klagen kann<br />
4. BGH II ZR 272/09 15.11.2011 Zur Verlustausgleichspflicht einer Publikums-GbR nach Auflösung der<br />
Gesellschaft<br />
5. BGH II ZR 2/11 22.05.2012 Zu den Anforderungen an einen wichtigen Gr<strong>und</strong>, um ein (langfristiges)<br />
Beteiligungsverhältnis an einer BGB-Gesellschaft außerordentlich zu<br />
kündigen<br />
6. BGH II ZR 205/10 22.05.2012 Zum Kündigungsrecht eines BGB-Gesellschafters, der sich für einen<br />
langen Zeitraum gegenüber der Gesellschaft zur Erbringung von<br />
Sparraten verpflichtet hat<br />
7. OLG Brandenburg 4 U 196/10 28.09.2011 Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen eines Widerrufs im Zusammenhang mit<br />
dem Erwerb von (fremdfinanzierten) Anteilen an geschlossenen<br />
Immobilienfonds<br />
8. OLG Ffm. 19 U 188/11 29.02.2012 Kein Auskunftsanspruch bei zu verneinender Interessenkollision<br />
9. BGH II ZR 201/10 18.09.2012 Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung kann die Gesellschaft die Einlageverpflichtung<br />
unmittelbar fordern<br />
10. BGH III ZR 150/11 18.10.2012 Freistellungsanspruch des Treuhänders geht möglichem Schadenersatzanspruch<br />
aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung des Treuhänders vor<br />
11. BGH XI ZR 384/11 27.11.2012 Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“<br />
XI ZR 439/11<br />
im Fernabsatz<br />
12. BGH II ZR 134/11 05.02.2013 Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers über Name <strong>und</strong> Anschriften der<br />
II ZR 136/11<br />
weiteren Treugeber<br />
13. BGH II ZR 251/10 16.10.2012 Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen bei Publikums-Personengesellschaften<br />
III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen<br />
<strong>und</strong> Finanzierung<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH V ZR 245/10 11.11.2011 Aufklärungspflichten beim Gr<strong>und</strong>stückskauf<br />
2. OLG Saarbrücken 8 U 450/10 01.12.2011 Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche einer verkauften Eigentumswohnung<br />
der Kaufpreis gemindert werden kann<br />
3. BGH XI ZR 149/11 05.06.2012 Kapitalanlegereigentumswohnung: Gr<strong>und</strong>sätzlich keine Pflicht zur<br />
Aufklärung über die Höhe der Innenprovision<br />
4. BGH XI ZR 415/10 11.10.2011 Zur Wirksamkeit einer Treuhandvollmacht, die zur Vertretung von<br />
Anlegern im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem Beitritt zu<br />
einer Beteiligungsgesellschaft einschl. der Finanzierung der Beteiligung<br />
berechtigt<br />
5. BGH XI ZR 175/11 05.06.2012 Zur Frage der arglistigen Täuschung eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen<br />
69
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
70<br />
IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
1. BGH III ZR 213/11 01.03.2012 Kein Maklerlohnanspruch bei unechter Verflechtung<br />
2. BGH VIII ZR 327/09 10.11.2010 Zum <strong>Recht</strong> auf fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrages bei<br />
Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot<br />
3. BGH VIII ZR 222/10 26.10.2011 Zur Frage, wann vom Handelsvertreter geworbene K<strong>und</strong>en Neuk<strong>und</strong>en<br />
eines Unternehmens sind, wenn dieses einen K<strong>und</strong>enstamm von einer<br />
insolventen Gesellschaft erworben hat<br />
4. BGH VIII ZR 203/10 23.11.2011 Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im strukturierten Vertrieb<br />
5. OLG München 7 U 1348/11 14.09.2011 Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs bei zwischenzeitlich beendetem<br />
<strong>und</strong> anschließend neu begründetem Handelsvertretervertrag<br />
6. OLG München 23 U 3798/11 26.01.2012 Zur Frage der Wirksamkeit einer Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />
per E-Mail<br />
7. OLG Naumburg 9 U 218/11 24.05.2012 Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police<br />
vermittelt <strong>und</strong> mit dem Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung<br />
trifft, unlauter verhält<br />
8. LG Dortm<strong>und</strong> 2 O 144/11 24.02.2012 Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem K<strong>und</strong>en gegenüber als Versicherungsmakler<br />
in Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler)<br />
9. BGH III ZR 148/11 15.03.2012 Zur Frage der Verantwortlichkeit einer Vertriebsorganisation für ein strafbares<br />
Verhalten ihres Handelsvertreters<br />
10. BGH VII ZR 56/11 25.10.2012 Zu den <strong>Recht</strong>sfolgen eines Wettbewerbsverbots, welches die Grenzen von<br />
§ 90a HGB überschreitet<br />
V. Versicherung<br />
Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />
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1. LG München I 4 HK O 10.11.2011 AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer darf keine strittigen Umstände als<br />
15110/11<br />
zweifelsfreie Tatsachen melden<br />
2. LG Rostock 1 S 315/10 10.08.2012 Zur Wirksamkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung bei einer<br />
Netto-Police<br />
3. BGH IV ZR 196/10 18.01.2012 Zur Frage der Reichweite des Widerrufs einer Bezugsrechtsbestimmung<br />
4. BGH IV ZR 255/10 20.09.2011<br />
21.11.2011<br />
Zur <strong>Recht</strong>sfolge der Kündigung eines Rürup-Vertrages<br />
5. OLG Hamburg 9 U 103/11 18.11.2011 Zur Frage, ob bei unterjährlicher Zahlung von Versicherungsbeiträgen<br />
<strong>und</strong> Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen deren Höhe <strong>und</strong> der<br />
effektive Jahreszins anzugeben sind<br />
6. OLG Hamm I-20 U 50/11 24.08.2011 Lebensversicherung: Kein Widerspruch oder Widerruf nach Kündigung<br />
<strong>und</strong> vollständiger Vertragsbeendigung<br />
7. OLG Stuttgart 7 U 54/12 16.07.2012 Zur Frage, aus welchen Gründen das Policenmodell europarechtskonform<br />
ist<br />
8. BGH IV ZR 292/10 07.11.2012 Zur Frage der Verteilung der Abschluss- <strong>und</strong> Vertriebskosten in<br />
zertifizierten Altersvorsorgeverträgen<br />
9. BGH VII ZR 130/11 28.06.2012 Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht eines Versicherers bei<br />
notleidenden (stornogefährdeten) Versicherungsverträgen
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Mögliche Gr<strong>und</strong>lagen der Haftung<br />
bei gescheiterten Fondsbeteiligungen<br />
1. Prospekthaftung im engeren Sinn<br />
Prospekthaftung für sog. „typisiertes“ Vertrauen; Anknüpfungspunkt: Verletzung von Sorgfalts-<br />
pflichten im Zusammenhang mit der Prospekterstellung<br />
Haftung der Initiatoren, Hintermänner pp.<br />
2. Prospekthaftung im weiteren Sinn<br />
Einstehenmüssen für Prospektfehler durch bestimmte Personen <strong>und</strong> Personengruppen, die im Zu-<br />
sammenhang mit der Emission einer Fondsbeteiligung bestimmte Aufgaben übernehmen, z.B.<br />
Treuhänder, Treuhandkommanditisten, Gründungsgesellschafter abgeleitet aus allgemeinen recht-<br />
lichen Bestimmungen<br />
(c.i.c. - Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder pVV - positive Vertragsverletzung)<br />
3.1. <strong>Recht</strong>slage bis 31.05.2012:<br />
Die Haftung nach Verkaufsprospektgesetz<br />
Haftung bei fehlerhaftem Prospekt - § 13 VerkProspG - sowie die Haftung bei fehlendem Prospekt<br />
- § 13a VerkProspG<br />
3.2. <strong>Recht</strong>slage ab 01.06.2012:<br />
Die Haftung nach Vermögensanlagengesetz<br />
Haftung bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt - § 20 VermAnlG - sowie die Haftung bei fehlendem<br />
Verkaufsprospekt - § 21 VermAnlG - sowie seither neu: Haftung bei unrichtigem Vermögensanlagen<br />
Informationsblatt - § 22 VermAnlG<br />
4. Haftung aus Vertrag<br />
Haftung aus einem - im Regelfall stillschweigend zustande gekommenen - Auskunfts- bzw.<br />
Beratungsvertrag<br />
5. Haftung aus Delikt<br />
§ 826 BGB <strong>und</strong> § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB - Betrug -<br />
oder § 264a StGB - Kapitalanlagebetrug<br />
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71
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
72<br />
Kurzer Überblick<br />
über Verjährungsvorschriften<br />
1. Allgemeine Verjährungsvorschriften / Regelverjährung<br />
Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) im Jahr 2002 beträgt die neue regelmäßige<br />
Verjährungsfrist 3 Jahre.<br />
Die Frist beginnt nur, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Tatsachen <strong>und</strong> der Person<br />
des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlagen müssen (§ 199<br />
BGB). Diese subjektive Anknüpfung soll dem Gläubiger die – faire (!) – Chance eröffnen, seinen Anspruch<br />
rechtzeitig vor Vollendung der Verjährung geltend zu machen. Im Interesse des <strong>Recht</strong>sschutzes <strong>und</strong><br />
des <strong>Recht</strong>sfriedens endet die Verjährung unabhängig von der Erkennbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen<br />
nach 10 bzw. 30 Jahren (30 Jahre bei Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung von Leben,<br />
Ges<strong>und</strong>heit, Körper oder Freiheit betreffen; 10 Jahre bei sonstigen Schadenersatzansprüchen ohne Rücksicht<br />
auf Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis).<br />
Die 10-Jahresfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs <strong>und</strong> daher erst mit Eintritt des Schadens.<br />
Die 30-Jahresfrist beginnt mit der Vornahme der Handlung.<br />
Diese Verjährungsfristen gelten vorbehaltlich kürzerer spezialgesetzlicher Verjährungsvorschriften.<br />
2. Spezialgesetzliche Vorschriften<br />
2.1 Börsengesetz<br />
Der Anspruch aus Prospekthaftung für einen unrichtigen oder unvollständigen Wertpapierprospekt verjährt<br />
nach § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder<br />
Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit<br />
der Veröffentlichung des Prospekts. Diese Regelung gilt allerdings nur noch für bis zum 31.05.2012 veröffentlichte<br />
Prospekte<br />
2.2 Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz<br />
(gilt für bis zum 31.05.2012 erstmals veröffentlichte Prospekte)<br />
a) § 13 VerkProspG (fehlerhafter Prospekt) i.V.m. § 46 BörsG<br />
Ein Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit<br />
der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der<br />
Veröffentlichung des Prospekts.<br />
b) § 13a Abs. 5 VerkProspG (fehlender Prospekt)<br />
Ein Anspruch bei fehlendem Prospekt verjährt nach § 13a Abs. 5 Verk-ProspG in einem Jahr seit dem<br />
Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu ver-<br />
öffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts.
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
2.3 Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Vermögensanlagengesetz<br />
(gilt für ab dem 01.06.2012 erstmals veröffentlichte Verkaufsprospekte)<br />
a) § 20 VermAnlG (fehlerhafter Verkaufsprospekt)<br />
es gilt die Regelverjährung gem. BGB, wobei die Ausschlussfrist gem § 20 Abs. 1<br />
(Dauer des öffentlichen Angebots, spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem ersten<br />
öffentlichen Angebot) zu beachten ist.<br />
b) § 21 VermAnlG (fehlender Verkaufsprospekt)<br />
Die kurze Sonderverjährungsfrist nach § 13a Abs. 5 VerkProspG wurde nicht übernommen.<br />
Es gilt die Regelverjährung gem. BGB<br />
c) § 22 VermAnlG (unrichtiges Vermögensanlagen-Informationsblatt)<br />
keine Sonderverjährungsfrist; es gilt die Regelverjährung gem. BGB<br />
2.4 Investmentgesetz<br />
Nach § 127 Abs. 5 InvG verjähren Ansprüche wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Verkaufsprospektes<br />
einer Kapitalanlagegesellschaft oder ausländischen Investmentgesellschaft in einem Jahr seit dem<br />
Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Verkaufsprospekte Kenntnis<br />
erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Kaufvertrages. Diese Sondernorm gilt<br />
nur noch für vor dem 01.07.2011 entstandene Ansprüche<br />
2.5 Verjährung nach dem Wertpapierübernahme- <strong>und</strong> Erwerbsgesetz (WpÜG)<br />
Nach § 12 Abs. 1 WpÜG verjähren Ansprüche gegen Prospektverantwortliche in einem Jahr ab dem Zeitpunkt,<br />
zu dem der Anspruchsberechtigte von der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage Kenntnis erlangt,<br />
spätestens in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Angebotsunterlage (§ 12 Abs. 4 WpÜG).<br />
2.6 Sonderverjährung nach § 37a WpHG<br />
§ 37a WpHG stellt eine Sonderverjährungsregel zugunsten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen<br />
auf. Alle Schadenersatzansprüche wegen Verletzung einer Informationspflicht <strong>und</strong> wegen fehlerhafter Beratung<br />
im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung, die<br />
nach dem 01.04.1998 entstanden sind, verjähren in drei Jahren nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung.<br />
§ 37a WpHG wurde für Ansprüche, die nach dem 04.08.2009 entstehen, aufgehoben (vgl. Art. 4 Nr. 5<br />
Schuldverschreibungsgesetz vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2512).<br />
2.7 Spezialgesetzliche Verjährung nach § 12 VVG a.F.<br />
Nach § 12 Abs. 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung verjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag<br />
in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren. Als Spezialvorschrift ging § 12 VVG a.F.<br />
den Regelungen des BGB vor. Mit der VVG-Reform wurde diese Sonderregelung aufgehoben. Auch für<br />
Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gilt nunmehr die Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB.<br />
73
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
74<br />
Was bedeutet die sogenannte Vermutung<br />
„aufklärungsrichtigen Verhaltens“?<br />
Derjenige, der sich eines Anspruchs rühmt, muss gr<strong>und</strong>sätzlich die dafür erforderlichen Voraussetzungen<br />
darlegen <strong>und</strong> im Streitfall auch beweisen können. In manchen Fällen stellen aber Gesetz<br />
oder Richterrecht Beweiserleichterungen auf, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen können.<br />
So ist nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten<br />
verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß<br />
verhalten hätte. Er muss also beweisen, dass ein Geschädigter den Rat oder Hinweis unbeachtet<br />
gelassen hätte (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.03.2011, XI ZR 33/10 oder v. 12.05.2009, XI ZR 586/07).<br />
Man spricht hier von der sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Diese Vermutung gilt für<br />
alle aufklärungs- <strong>und</strong> Beratungsfehler eines Anlageberaters. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um<br />
eine Beweiserleichterung, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende Vermutung. Diese Vermutung<br />
ist widerleglich. Zu widerlegen ist sie allerdings vom Aufklärungspflichtigen.<br />
Lange Zeit hatte diese vor allem vom B<strong>und</strong>esgerichtshof geprägte <strong>Recht</strong>sprechung die Beweislastumkehr<br />
davon abhängig gemacht, dass es für einen Vertragspartner nicht mehrere, sondern vernünftigerweise<br />
nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gab. Eine Aufklärung durfte nicht zur<br />
Folge haben, dass sich der aufzuklärende in einem Entscheidungskonflikt bef<strong>und</strong>en hätte. Für Aufklärungspflichtverletzungen<br />
im Fall der Anlageberatung hält die <strong>Recht</strong>sprechung daran nicht mehr fest.<br />
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise<br />
nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof begründet dies damit, dass das<br />
Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr<br />
nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10 unter ausdrücklicher Aufgabe der<br />
früheren <strong>Recht</strong>sprechung, z.B. im Urt. v. 16.11.1993, XI ZR 214/92).<br />
„Der Zweck der Aufklärungspflichten, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über<br />
den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, wird deshalb auch - oder erst recht<br />
- in solchen Fällen, in denen die Aufklärung der Information zur freien Entscheidung des<br />
Anlegers dient, nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung<br />
bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen.“<br />
(vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, a.a.O. Rn. 36).<br />
Dass jedenfalls bei der Beratung durch Banken verheimlichte Rückflüsse offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen<br />
aufklärungspflichtig sind, ist seit vielen Jahren ständige <strong>Recht</strong>sprechung. Heute<br />
geht es meist um die Frage, ob die Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung kausal war. Hier<br />
können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenen als<br />
auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012,<br />
Rn. 50). Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende<br />
Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten<br />
hat, kann ein Indiz dafür sein, dass es an der Kausalität zwischen<br />
Pflichtverletzung <strong>und</strong> Schaden fehlt.<br />
Die <strong>Recht</strong>sprechung spricht hier von der Würdigung von<br />
Hilfstatsachen, die den Schluss darauf zulassen, der Anleger<br />
hätte die empfohlene Kapitalanlage auch bei erbrachter Aufklärung<br />
erworben.<br />
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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
Was sind eigentlich Finanzinstrumente?<br />
Was folgt aus § 34f GewO?<br />
Seit 01.06.2012 zählen auch Beteiligungen an geschlossenen Fonds zu den sog. Finanzinstrumenten.<br />
Viele Anleger, aber auch Finanzdienstleister selbst, werfen die Frage auf, was dies für Konsequenzen<br />
hat. Was unter dem Begriff „Finanzinstrument“ zu verstehen ist, ist im Kreditwesengesetz (KWG) definiert.<br />
Nach § 1 Nr. 11 KWG sind Finanzinstrumente Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten<br />
sowie Derivate. Neu ist, dass zu diesen Finanzinstrumenten auch Vermögensanlagen im Sinne<br />
des Vermögensanlagengesetzes zählen mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft.<br />
Wer Finanzinstrumente vermitteln oder einen K<strong>und</strong>en über den Erwerb eines Finanzinstruments beraten<br />
will, bedarf nun gr<strong>und</strong>sätzlich einer Voraussetzung nach den Vorschriften des Kreditwesengesetzes. Der<br />
Erhalt dieser Zulassung nach § 32 KWG ist mit erheblichem finanziellem <strong>und</strong> sonstigem Aufwand verb<strong>und</strong>en.<br />
Für die meisten Finanzdienstleister kommt deshalb eine Erlaubnis nach dieser Norm nicht in Betracht.<br />
Dennoch dürfen Sie auch ab 2013 weiterhin Fondsbeteiligungen vermitteln. Dies ermöglicht eine Ausnahmevorschrift<br />
im KWG. Soweit sich die Vermittlung <strong>und</strong> Beratung auf Investmentfonds oder Vermögensanlagen<br />
im Sinne des Vermögensanlagengesetzes bezieht, reicht eine Erlaubnis nach der Vorschrift<br />
des § 34f GewO. Sie löst mit Wirkung ab 01.01.2013 die bisher benötigte Erlaubnis nach § 34c GewO ab.<br />
Banken, Sparkassen <strong>und</strong> sonstige Finanzdienstleister mit KWG-Erlaubnis müssen aber schon jetzt die Vorschriften,<br />
die das Wertpapierhandelsgesetz für die Vermittlung von Finanzinstrumenten vorgibt, beachten.<br />
Die neue Vorschrift des § 34f GewO ist in großen Teilen an die Vorschrift des § 34d GewO angelehnt, mit<br />
der seit 2007 der Vertrieb von Versicherungen neu reguliert worden ist. Ein Sachk<strong>und</strong>enachweis wird eingeführt.<br />
Eine Berufshaftpflichtversicherung ist abzuschließen <strong>und</strong> nachzuweisen. Der Finanzanlagenvermittler<br />
muss sich registrieren lassen <strong>und</strong> neue Informations-, Beratungs- <strong>und</strong> Dokumentationspflichten<br />
beachten. Einzelheiten ergeben sich aus der Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 30.03.2012.<br />
Wann ist ein Finanzdienstleister ein „alter Hase“?<br />
Finanzanlagenvermittler müssen seit<br />
01.01.2013 ihre Sachk<strong>und</strong>e nachweisen,<br />
sofern sie nicht über eine Berufsqualifikation<br />
verfügen, die als gleichwertig anerkannt<br />
wird <strong>und</strong> bei der eine ausreichende Sachk<strong>und</strong>e<br />
unterstellt wird, oder sofern sie nicht als<br />
sog. „alter Hase“ gelten. Diese „alte-Hase-<br />
Regelung“ gilt für alle Vermittler, die seit dem<br />
01.01.2006 eine Erlaubnis nach § 34c GewO<br />
besitzen oder als angestellter Vermittler ununterbrochen<br />
erlaubnispflichtige Tätigkeiten<br />
gem. § 34c GewO ausgeübt haben <strong>und</strong> den<br />
Nachweis der ununterbrochenen Tätigkeit<br />
erbringen können. Hierzu bedarf es entweder<br />
lückenloser Prüfberichte nach § 16 MaBV<br />
oder der Vorlage von Arbeitszeugnissen (bei<br />
angestellten Vermittlern).<br />
Bei welchen anderen Berufsqualifikationen<br />
der Nachweis der erforderlichen Sachk<strong>und</strong>e<br />
entbehrlich ist, folgt aus § 4 FinVermV. Teilweise<br />
muss bei den dort genannten Ausbil-<br />
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75
Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />
76<br />
dungsgängen zugleich noch eine mindestens ein- oder zweijährige Berufserfahrung im Bereich Anlageberatung<br />
oder Anlagevermittlung vorliegen.<br />
Seit 01.01.2013 muss der Finanzanlagenvermittler verschiedene Informationspflichten erfüllen. Vor dem<br />
Beratungs- oder Vermittlungsgespräch hat er dem Anlageinteressenten diverse (Status-)Angaben klar <strong>und</strong><br />
verständlich in Textform mitzuteilen (Name, Familienname, Firma, betriebliche Anschrift, Verweis auf das<br />
Vermittlerregister, Aufsichtsbehörde; vgl. im Einzelnen § 12 FinVermV).<br />
Nach § 13 FinVermV ist über Risiken, Kosten <strong>und</strong> Nebenkosten der Finanzanlage zu informieren. Die Informationen<br />
müssen so gefasst sein, dass der Anleger die Art <strong>und</strong> die Risiken der Finanzanlagen verstehen<br />
kann <strong>und</strong> auf dieser Gr<strong>und</strong>lage entscheiden kann, ob die Anlage für ihn geeignet ist oder nicht.<br />
Nach § 14 FinVermV müssen alle Informationen <strong>und</strong> Werbemitteilungen redlich <strong>und</strong> eindeutig <strong>und</strong> für den<br />
Anleger nicht irreführend sein.<br />
Der Finanzanlagenvermittler muss dem Anlageinteressenten ein Informationsblatt aushändigen. Dieses ist<br />
vom Anbieter oder Emittenten der jeweiligen Finanzanlage zu erstellen (vgl. im Einzelnen § 15 FinVermV).<br />
Der Vermittler darf nur für den K<strong>und</strong>en geeignete Produkte empfehlen. Deshalb sind im Rahmen der Beratung<br />
zunächst der Kenntnisstand <strong>und</strong> die Erfahrungen des K<strong>und</strong>en abzufragen. Außerdem ist nach den<br />
finanziellen Verhältnissen des K<strong>und</strong>en zu fragen. Einzelheiten folgen aus § 16 FinVermV.<br />
Die bisher nur für den Vertrieb von Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht, Zuwendungen<br />
offenzulegen, wird für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen (§ 17 FinVermV).<br />
Zuwendungen sind Provisionen, Gebühren <strong>und</strong> alle geldwerten Vorteile, also beispielsweise auch Bürokostenzuschüsse,<br />
die Überlassung von Hard- oder Software oder Incentives).<br />
Die bisher schon für die Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht zur<br />
Anfertigung eines Beratungsprotokolls wird ebenfalls für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen<br />
(§ 18 FinVermV).<br />
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Wiesseer Straße 126<br />
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Layout:<br />
Astrid Klee<br />
Bildquelle / Titel © Gina Sanders - fotolia.com<br />
Bildquelle / Impressum © Gina Sanders - fotolia.com<br />
Technische Umsetzung / Produktion:<br />
wmd Verlag GmbH<br />
Astrid Klee<br />
Wiesseer Straße 126<br />
83707 Bad Wiessee<br />
Tel: +49 (0)8022 – 187110<br />
Fax: +49 (0)8022 – 1871129<br />
info@wmd-verlag.de<br />
Handelsregister: HRB 165643<br />
Amtsgericht München<br />
Bankverbindung:<br />
Sparkasse Rosenheim - Bad Aibling<br />
BLZ 711 500 00, Kto. 24364<br />
Steuer-Nummer: 139/142/50247<br />
Ust.- IdNr. DE 812638572<br />
Verkaufspreis: 7,50 Euro<br />
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Vermittler seit 01.01.2013<br />
RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />
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