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Recht und Urteile - WMD Brokerchannel

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+ Kapitalanlage + Vertrieb + Investment + Finanzierung +<br />

<strong>Recht</strong> & <strong>Urteile</strong><br />

Überblick über aktuelle <strong>Urteile</strong> zum <strong>Recht</strong><br />

der Kapitalanlagen <strong>und</strong> ihres Vertriebs<br />

durch die <strong>Recht</strong>sanwälte Werner Klumpe <strong>und</strong> Ulrich Nastold<br />

www.wmd-brokerchannel.de<br />

Stand März 2013<br />

Ausgabe März 2013 - 7,50 €


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

2<br />

Ulrich Nastold<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt<br />

<strong>Recht</strong>sanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR<br />

Quelle: © Andrey Burmakin - Fotolia.com<br />

Autoren:<br />

Werner Klumpe<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt<br />

<strong>Recht</strong>sanwälte, Klumpe, Schroeder + Partner GbR<br />

"Die <strong>Recht</strong>sanwälte<br />

Klumpe <strong>und</strong> Nastold<br />

sind auf die Bereiche<br />

des Kapitalanlage- <strong>und</strong><br />

Immobilienrechts spezialisiert.<br />

Sie befassen sich<br />

mit allen Facetten dieser<br />

<strong>Recht</strong>sgebiete, begleiten<br />

Projektentwicklungen<br />

<strong>und</strong> die Konzeption von<br />

Beteiligungsprojekten.<br />

Außerdem unterstützen<br />

sie bei der Durchsetzung<br />

vorhandener Ansprüche<br />

wie auch der Abwehr<br />

unberechtigter<br />

Forderungen."


Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

<strong>und</strong> Leser,<br />

wer Kapitalanlagen konzipiert, vertreibt oder erwirbt,<br />

sollte über die <strong>Recht</strong>sfolgen seines Handelns<br />

genau im Bilde sein. Dabei fällt es selbst<br />

Experten nicht selten schwer, einen Überblick zu<br />

behalten. So umfassend sind die Themenbereiche,<br />

so schnelllebig auch das ein oder andere Gesetz<br />

<strong>und</strong> so vielfältig die <strong>Recht</strong>sprechung der Instanzgerichte<br />

<strong>und</strong> vor allem auch des B<strong>und</strong>esgerichtshofs.<br />

Die bisher vom wmd-Verlag herausgegebenen<br />

<strong>Recht</strong>sprechungsübersichten stießen auf sehr reges<br />

Interesse. Mit diesem dritten Magazin stellen<br />

wir Ihnen erneut einen Mix aus der <strong>Recht</strong>sprechung<br />

zu Haftungsfragen, zu Aufklärungs- <strong>und</strong><br />

Informationspflichten, aber auch zu Anlegerpflichten<br />

vor. Abger<strong>und</strong>et wird der Überblick durch<br />

ausgewählte <strong>Recht</strong>sprechungsbeispiele zu den<br />

Bereichen Immobilien <strong>und</strong> Finanzierung, zum Vermittler-<br />

<strong>und</strong> Maklerrecht <strong>und</strong> - nicht zuletzt wegen<br />

des aktuellen Gesetzesvorhabens zur Honoraranlageberatung<br />

- zu Fragen der Wirksamkeit von<br />

Vergütungsvereinbarungen beim Angebot von<br />

Versicherungs-Nettoprodukten.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Auch bei diesem Überblick wird kein Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhoben. Nicht wenige Entscheidungen<br />

lassen sich verschiedenen <strong>Recht</strong>sbereichen<br />

zuordnen. Wenn es um Fragen der Prospekthaftung<br />

im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinne geht, geht<br />

es zugleich immer um Aufklärungs- <strong>und</strong> Informationspflichten,<br />

die gegenüber Anlageinteressenten<br />

zu beachten sind, also um Vertriebspflichten<br />

im weiteren Sinn. Wichtig ist hier nicht zuletzt der<br />

Zeitpunkt, zu welchem die Beratung geschuldet<br />

wird oder auch, ob <strong>und</strong> wie häufig eine ggf. erfolgte<br />

Aufklärung zu wiederholen ist.<br />

Wir hoffen, dass Sie die eine oder andere Erkenntnis<br />

dazugewinnen können, sei es als Konzeptionär,<br />

als Finanzintermediär, als Darlehensgeber oder last<br />

but not least als Anleger.<br />

Falls Sie Anregungen oder Kritik im positiven wie<br />

negativen Sinn haben, werden wir dies in der<br />

nächsten Ausgabe gern berücksichtigen.<br />

Ihr Team vom wmd-brokerchannel<br />

<strong>und</strong> die <strong>Recht</strong>sanwälte Werner Klumpe<br />

<strong>und</strong> Ulrich Nastold,<br />

Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR, Köln<br />

Täglich aktuelle Informationen, Fachartikel <strong>und</strong> Video-Interviews<br />

unter www.wmd-brokerchannel.de<br />

3


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Inhaltsverzeichnis<br />

4<br />

<strong>Recht</strong>sprechung aktuell<br />

Ausgewählte Entscheidungen der Jahre 2011 <strong>und</strong> 2012<br />

aus den Bereichen Kapitalanlagen, Vertrieb, Finanzierung<br />

<strong>und</strong> Versicherungen<br />

Unsere Themen im Überblick:<br />

I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />

1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn,<br />

Prospektverantwortung<br />

2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />

3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />

4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem<br />

Anlageinteressenten geschuldet wird<br />

5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />

6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />

7. Schadensumfang<br />

8. Verjährung<br />

II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />

(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen <strong>und</strong> Finanzierung<br />

IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />

V. Versicherung


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />

Geschlossene Fonds sind seit 01.06.2012 Finanzinstrumente.<br />

Für diese Produktkategorie gelten<br />

seit jeher bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen.<br />

Speziell für geschlossene Fonds wird nun ab<br />

22.07.2013 ein neues Zeitalter beginnen, wenn in Umsetzung<br />

der AIFM-Richtlinie das Kapitalanlagegesetzbuch<br />

in Kraft treten wird. Dennoch wird die <strong>Recht</strong>sprechung<br />

weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt sowohl für<br />

Alt-Fälle, also Fälle vor Inkrafttreten der spezialgesetzlichen<br />

Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG bei unrichtigen<br />

oder unvollständigen Prospektangaben bzw. gem.<br />

§ 13a VerkProspG bei einem fehlenden Prospekt <strong>und</strong> seit<br />

01.06.2012 für die Haftung aus §§ 20, 21 VermAnlG.<br />

Die <strong>Recht</strong>sprechung liefert die Beispiele dafür, wann<br />

Prospekte unrichtig oder unvollständig sind, in welchen<br />

Fällen eine Aufklärung mittels Prospektes erfolgen kann<br />

<strong>und</strong> welche einzelnen Pflichten der Absatzmittler (Anlageberater,<br />

Anlagevermittler, Haftungsdach, Poolgesellschaft<br />

usw.) zu erfüllen hat. Die aktuelle <strong>Recht</strong>sprechung<br />

zu kennen ist deshalb für Konzeptionäre <strong>und</strong> Vermittler,<br />

KLUMPE+SCHROEDER & PARTNER GbR<br />

R E C H T S A N WÄ LT E<br />

Luxemburger Str. 282e · 50937 Köln · Tel.: 0221/942094-0 · Fax: 0221/942094-25<br />

AIFM, FinVermV, PRIPs,<br />

KIDs <strong>und</strong> VIBs ...<br />

Sie kennen das alles? Glückwunsch!<br />

Sie wollen es verstehen?<br />

Wir helfen Ihnen gerne weiter!<br />

Ihr Draht zu uns: info@rechtsanwaelte-klumpe.de oder Tel.: 0221/942094-0<br />

aber auch für den K<strong>und</strong>en selbst, von großer Wichtigkeit.<br />

Wir haben nachfolgend - ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />

- wieder einige wichtige Entscheidungen aus diesem<br />

Bereich für Sie zusammengefasst. Wie schon im letzten<br />

Heft haben wir wiederum dem Bereich der Kick-Backs<br />

<strong>und</strong> Rückvergütungen ein eigenes Kapitel gewidmet.<br />

Auch wenn die <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätze inzwischen<br />

als gefestigt angesehen werden können <strong>und</strong> wenn mit<br />

Inkrafttreten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung<br />

am 01.01.2013 im Hinblick auf die Offenlegung von Zuwendungen<br />

ohnehin ein neues Zeitalter begonnen hat,<br />

ging <strong>und</strong> geht es immer wieder um Detailfragen. Es ist<br />

über Interessenkonflikte aufzuklären. Ein Interessenkonflikt<br />

ist ein per se aufklärungspflichtiger Umstand. Nur<br />

durch die Aufklärung über einen solchen Konflikt wird ein<br />

Anleger in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der ihm<br />

gegenüber sitzenden <strong>und</strong> eine Beteiligung anbietenden<br />

Person einzuschätzen. Bisher wurde hier unterschiedlich<br />

gewürdigt, ob es sich beim Berater um einen Bankberater<br />

handelt oder einen freien <strong>und</strong> bankunabhängigen Finanzdienstleister.<br />

Fragen Sie uns <strong>und</strong> abonieren kostenlos unseren RECHTSNEWSLETTER unter: www.rechtsanwaelte-klumpe.de 5


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

6<br />

Bildquelle: © Fineas - Fotolia.com


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn,<br />

Prospektverantwortung<br />

1.1 Zur Prospekthaftung von Prominenten<br />

bei Werbung für eine Kapitalanlage<br />

(BGH, Urt. v. 17.11.2011, III ZR 103/10)<br />

Sachverhalt<br />

Für eine Kapitalanlage war mittels Emissionsprospektes<br />

geworben worden. Neben dem Emissionsprospekt<br />

gab es eine Werbebroschüre, die ebenfalls<br />

Produktinformationen enthielt. Außerdem wurden<br />

in der Werbebroschüre Personen vorgestellt, die<br />

den Vorstand <strong>und</strong> den Aufsichtsrat der Emittentin<br />

sowie den Aufsichtsrat <strong>und</strong> Beirat der einzigen Gesellschafterin<br />

der Emittentin bildeten. Ein früherer<br />

Spitzenpolitiker (Herr Rupert Scholz) wurde als Beiratsvorsitzender<br />

der Gesellschafterin der Emittentin<br />

vorgestellt <strong>und</strong> mit positiven Äußerungen zitiert.<br />

Der Emissionsprospekt wies Fehler auf. Im Jahr 2005<br />

untersagte die BaFin die geschäftliche Tätigkeit der<br />

Beteiligungsgesellschaft, weil es sich bei dieser um<br />

ein erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft<br />

im Sinne des § 32 KWG handele. Anleger erhoben<br />

Schadenersatzansprüche u.a. gegen den früheren<br />

Spitzenpolitiker Scholz. Das OLG Karlsruhe als Vorinstanz<br />

hatte Herrn Scholz nicht für eintrittspflichtig<br />

erachtet.<br />

Bildquelle: © AllebaziB - Fotolia.com<br />

Entscheidung<br />

Der BGH hielt es für nicht ausgeschlossen, dass der<br />

Beklagte nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung<br />

im engeren Sinn zum Schadenersatz verpflichtet ist.<br />

Nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung des BGH haften<br />

für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in<br />

dem Emissionsprospekt einer Kapitalanlage neben<br />

dem Herausgeber des Prospektes die Gründer, Ini-<br />

tiatoren <strong>und</strong> Gestalter der Gesellschaft, soweit sie<br />

das Management bilden oder beherrschen. Darüber<br />

hinaus haften als sog. Hintermänner alle Personen,<br />

die hinter der Gesellschaft stehen <strong>und</strong> auf ihr Geschäftsgebaren<br />

oder die Gestaltung des konkreten<br />

Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben <strong>und</strong><br />

deshalb Mitverantwortung tragen (ständige <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

vgl. BGH, Urt. v. 06.10.1980, II ZR 60/80<br />

oder v. 06.03.2008, III ZR 298/05).<br />

Maßgeblich für die Haftung des Hintermanns ist<br />

sein Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung<br />

des Projekts. Er muss eine Schlüsselposition besitzen,<br />

die mit derjenigen der Geschäftsleitung vergleichbar<br />

ist.<br />

Allein die Position eines Beiratsmitglieds oder Beiratsvorsitzenden<br />

lässt ohne Hinzutreten weiterer<br />

Umstände regelmäßig nicht den Schluss auf einen<br />

solchen maßgeblichen Einfluss zu (vgl. BGH, Urt. v.<br />

22.10.1984, II ZR 2/84).<br />

Allerdings unterliegen der Prospekthaftung im engeren<br />

Sinn auch diejenigen, die mit Rücksicht auf<br />

ihre allgemein anerkannte <strong>und</strong> hervorgehobene<br />

berufliche <strong>und</strong> wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft<br />

als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung<br />

einnehmen, sofern sie durch ihr außen<br />

in Erscheinung tretendes Mitwirken am Emissionsprospekt<br />

einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand<br />

schaffen <strong>und</strong> Erklärungen abgeben. Der<br />

Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt<br />

ergeben, sofern die Mitwirkung an der Prospektgestaltung<br />

nicht auf andere Weise nach außen hervorgetreten<br />

ist.<br />

Zu den berufsmäßigen Sachkennern, denen eine<br />

Garantenstellung zukommen kann, gehören z.B.<br />

<strong>Recht</strong>sanwälte, die gutachtliche Stellungnahmen abgeben,<br />

Wirtschaftsprüfer, die den Prospekt geprüft<br />

haben <strong>und</strong> Steuerberater.<br />

Der hier in Anspruch genommene Spitzenpolitiker<br />

hatte in einer Werbebroschüre darauf hingewiesen,<br />

dass er gefordert habe, für jeden einzelnen Anleger<br />

7


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

8<br />

müsse es eine durchgehende Qualitätssicherung geben,<br />

dazu Kompetenz, Kontrolle <strong>und</strong> Transparenz.<br />

Dies sei geschafft worden.<br />

Damit hatte ein prominenter Spitzenpolitiker sich<br />

seines Einflusses auf die Gestaltung des Anlagekonzeptes<br />

berühmt. Mit diesen Aussagen wurde Vertrauen<br />

in Anspruch genommen, wobei auch erkennbar<br />

war, dass dies Investitionsentscheidungen potenzieller<br />

Anlageinteressenten beeinflussen konnte.<br />

Auch ein körperlich vom Emissionsprospekt getrenntes<br />

Schriftstück, welches zusammen mit diesem<br />

vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung<br />

Bestandteil eines Anlageprospektes im<br />

<strong>Recht</strong>ssinn sein.<br />

Wenn eine Person keinerlei Einfluss ausübt <strong>und</strong> keinerlei<br />

Prüfungen vorgenommen haben sollte, darf sie<br />

nicht - wie im vorliegenden Fall geschehen - werben<br />

oder müsste ihr in den M<strong>und</strong> gelegten Äußerungen<br />

widersprechen.<br />

Da noch einige Tatsachen aufgeklärt werden mussten,<br />

hob der BGH die die Klage abweisende Entscheidung<br />

des OLG Karlsruhe auf <strong>und</strong> verwies den <strong>Recht</strong>sstreit<br />

zur erneuten Verhandlung zurück.<br />

1.2 Zur Haftung im Konzernverb<strong>und</strong> für<br />

fehlerhafte Prospekte<br />

(BGH, Urt. v. 18.09.2012, XI ZR 344/11)<br />

Sachverhalt<br />

Die Wohnungsbau Leipzig-West AG (nachfolgend:<br />

Emittentin) legte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt<br />

25 Inhaberschuldverschreibungen ohne<br />

Börsenzulassung auf. Dazu gehörte auch eine mit<br />

einem Prospekt „ausgewogene Konditionen“ beworbene<br />

Anleihe. Eine solche erwarb der klagende<br />

Anleger im April 2005. Er nimmt mit der Begründung,<br />

der Emissionsprospekt sei unvollständig, den<br />

Mehrheitsaktionär der Emittentin persönlich in Anspruch.<br />

Dieser sei wegen eines Gewinnabführungs-<br />

<strong>und</strong> Beherrschungsvertrages herrschender Unternehmer.<br />

Unstreitig erfolgten hohe Zahlungen von<br />

der Emittentin an den beklagten Mehrheitsaktionär.<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob der<br />

Prospekt „ausgewogene Konditionen“ fehlerhaft<br />

ist. Bejaht wird eine Unvollständigkeit, weil aus dem<br />

Prospekt nicht ersichtlich ist, dass der Mehrheitsaktionär<br />

als Begünstigter des Gewinnabführungs- <strong>und</strong><br />

Fazit<br />

Zu Beginn der Beteiligungsmodelle (Bauherrnmodelle,<br />

geschlossene Fonds, Erwerbermodelle) war es<br />

weit verbreitet, Prospekte in verschiedene Teile zu<br />

unterteilen. In den letzten Jahren war - auch aus<br />

Haftungsgründen - das Beteiligungsangebot meist<br />

in einem umfangreichen Emissionsprospekt vorgestellt.<br />

Der BGH weist zum einen darauf hin, dass<br />

auch verschiedene getrennte Teile ungeachtet der<br />

körperlichen Trennung einen einheitlichen Anlageprospekt<br />

im <strong>Recht</strong>ssinn darstellen können. Eine Prospektverantwortung<br />

kann deshalb auch dann gegeben<br />

sein, wenn in einem vom eigentlichen Prospekt<br />

getrennten Druckwerk unzutreffende oder irreführende<br />

Aussagen getroffen werden. Des Weiteren<br />

sollten sich diejenigen, die einerseits im Rampenlicht<br />

stehen <strong>und</strong> andererseits aufgr<strong>und</strong> ihrer Stellung<br />

gerne als Werbeträger genommen werden, darüber<br />

bewusst sein, dass sie Mitverantwortung übernehmen<br />

<strong>und</strong> dadurch auch selbst zum Haftungsadressaten<br />

werden können.<br />

Bildquelle: © markus dehlzeit - Fotolia.com<br />

Beherrschungsvertrages dem Vorstand der Emittentin<br />

nachteilige Weisungen erteilen konnte. Die Möglichkeit,<br />

dass derartige nachteilige Weisungen durch<br />

eine beherrschende Konzern-Muttergesellschaft an<br />

eine beherrschte Konzern-Tochtergesellschaft erteilt<br />

werden, <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene erhöhte Gefahr<br />

für an die Konzern-Tochtergesellschaft gezahlte<br />

Anlegergelder, bei Fälligkeit keine Rückzahlung<br />

leisten zu können, ist ein Umstand, der richtig <strong>und</strong><br />

vollständig in einem Wertpapierverkaufsprospekt<br />

darzustellen ist. Hier wendet sich der Emissionsprospekt<br />

ausdrücklich auch an das unk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong><br />

börsenunerfahrene Publikum. An den Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Erkenntnismöglichkeiten des angesprochenen<br />

Adressatenkreises bestimmt sich, welche Maßstäbe<br />

an Inhalt <strong>und</strong> Verständlichkeit eines Prospektes anzulegen<br />

sind.<br />

Im zweiten Schritt geht das Gericht der Frage nach,<br />

ob der Mehrheitsaktionär für den fehlerhaften Prospekt<br />

auch verantwortlich ist. Prospektveranlasser<br />

gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG in der zwischen<br />

Juli 2002 <strong>und</strong> Oktober 2007 geltenden Fassung sind<br />

Personen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse<br />

an der Emission der Wertpapiere haben <strong>und</strong> darauf<br />

hinwirken, dass ein unrichtiger oder unvollständiger


Prospekt veröffentlicht wird. Es gehe darum - so das<br />

Gericht weiter - mit dieser Regelung eine Lücke bei<br />

den Haftungsverpflichteten zu schließen. Insbesondere<br />

sollen auch Konzern-Muttergesellschaften in<br />

die Haftung einbezogen werden, wenn eine Konzern-Tochtergesellschaft<br />

Wertpapiere emittiert.<br />

Der Mehrheitsaktionär hatte als unmittelbar Begünstigter<br />

des Gewinnabführungs- <strong>und</strong> Beherrschungsvertrages<br />

ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse<br />

an der Einwerbung weiterer Anlegergelder. Er<br />

hatte durch Erteilung von Weisungen zu Zahlungsflüssen<br />

auch tatsächlich in das Geschäft der Emittentin<br />

eingegriffen. Das Gericht bejahte deshalb<br />

eine Schadenersatzpflicht des Mehrheitsaktionärs.<br />

Fazit<br />

Nach § 44 BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren<br />

von denjenigen, die für den Prospekt<br />

die Verantwortung übernommen haben <strong>und</strong> von<br />

denjenigen, von denen der Erlass des Prospektes<br />

ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen<br />

Erstattung des Erwerbspreises verlangen, wenn der<br />

Wertpapierprospekt unrichtig oder unvollständig<br />

ist. Nach § 13 VerkProspG gilt diese Vorschrift für<br />

die Haftung bei einem fehlerhaften Prospekt gem.<br />

§ 13 VerkProspG a.F. entsprechend. Die Schutzbedürftigkeit<br />

des Anlegers ist dieselbe wie in den<br />

Fällen, in denen der BGH die persönliche Prospektverantwortung<br />

<strong>und</strong> Haftung von Hintermännern<br />

bejaht hat.<br />

1.3 Zum Schadenersatzanspruch eines<br />

Treugebers gegen Gründungsgesell-<br />

schafter<br />

(BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger beteiligte sich mittelbar über eine Treuhandkommanditistin<br />

an einem geschlossenen Immobilienfonds.<br />

Mit seiner Klage unmittelbar gegen<br />

die geschäftsführende Gründungskommanditistin<br />

macht er eine Vielzahl von Prospektmängeln geltend<br />

<strong>und</strong> beruft sich auf eine Haftung nach den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn.<br />

Der Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft sah<br />

vor, dass die Treugeber im Innenverhältnis den unmittelbaren<br />

Kommanditisten gleichgestellt sind.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bejahte zunächst die Eigenschaft der geschäftsführenden<br />

Gründungsgesellschafterin als<br />

möglichen Haftungsadressaten einer Prospekt-<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

haftung im weiteren Sinn. Es entspricht ständiger<br />

<strong>Recht</strong>sprechung, dass bei einem Beitritt zu einer<br />

Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den<br />

übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen<br />

Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern<br />

<strong>und</strong> dem über einen Treuhänder beitretenden<br />

Kommanditisten jedenfalls dann bestehen,<br />

wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag<br />

wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt<br />

werden soll. Es spielt also keine Rolle, dass<br />

der Treugeber formalrechtlich nicht unmittelbar an<br />

der Gesellschaft beteiligt war.<br />

Einem Anleger muss vor seinem Beitritt ein richtiges<br />

Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden.<br />

Dazu gehört auch eine Aufklärung über Umstände,<br />

die den Vertragszweck vereiteln können. Beruht der<br />

wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen<br />

Immobilienfonds auf der nachhaltigen Erzielung von<br />

Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung, so<br />

ist in einem Anlageprospekt deutlich auf mögliche,<br />

der Erreichbarkeit der Einnahmen entgegenstehende<br />

Umstände hinzuweisen. Außerdem müssen die<br />

sich hieraus für einen Anleger erbebenden Risiken<br />

erläutert werden.<br />

Erweckt ein Prospekt den Eindruck, dass leerstandsbedingte<br />

Nebenkosten bei den einer Mietgarantie<br />

unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen,<br />

sondern vom Mieter bzw. Garanten zu tragen<br />

sind <strong>und</strong> ist dieser Eindruck unzutreffend, liegt ein<br />

Prospektfehler vor.<br />

Werden in einem Prospekt die Begriffe „Generalmietvertrag“<br />

<strong>und</strong> „Mietgarantie“ stets unterschiedslos<br />

nebeneinander verwendet, muss auch<br />

dies beim Anleger den Eindruck hervorrufen, dass<br />

die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit<br />

bei beiden Vertragsarten deckungsgleich ist. Kann<br />

entgegen diesem Eindruck ein Fonds mit leerstandsbedingten<br />

Nebenkosten belastet werden, weil der<br />

Mietgarant hierfür nicht einzustehen hat, ist dies<br />

ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender<br />

Faktor. Es entspricht der Lebenserfahrung,<br />

dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen<br />

nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen. Vom<br />

Anleger wird deshalb nicht gefordert, dass er näher<br />

darlegt, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der<br />

leerstandsbedingten Nebenkosten im Einzelnen zu<br />

bemessen ist.<br />

Sodann weist der BGH auf seine ständige <strong>Recht</strong>sprechung<br />

hin, dass ein Prospektfehler nach der Lebenserfahrung<br />

für die Anlageentscheidung ursächlich<br />

geworden ist. Die Vermutung aufklärungsrichtigen<br />

Verhaltens sichert das <strong>Recht</strong> des Anlegers, in eige-<br />

9


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

10<br />

ner Entscheidung <strong>und</strong> Abwägung des Für <strong>und</strong> Wider<br />

darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes<br />

Projekt investieren will oder nicht.<br />

Beim Schaden kommt es nicht darauf an, ob die<br />

Beteiligung werthaltig ist oder nicht. Gr<strong>und</strong> für die<br />

Haftung nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Prospekthaftung<br />

ist der Eingriff in das <strong>Recht</strong> des Anlegers, nach<br />

zutreffender Information über die Verwendung seines<br />

Vermögens selbst zu bestimmen <strong>und</strong> sich für<br />

oder gegen die Anlage entscheiden zu können.<br />

Fazit<br />

Das Urteil fußt auf altbekannten Gr<strong>und</strong>sätzen. Es ist<br />

gleichwohl lesenswert, weil es die Voraussetzungen<br />

für die Prospekthaftung im weiteren Sinn einschl.<br />

des Kreises möglicher Haftungsadressaten noch<br />

einmal nahezu schulmäßig zusammenfasst.<br />

1.4 Falschberatung auch bei der Empfeh-<br />

lung einer Beteiligung am<br />

„Singapore-Flyer“<br />

(LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.07.2012,<br />

2-10 O 478/11, nrkr.)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger machte Schadenersatzansprüche wegen<br />

Falschberatung im Zusammenhang mit dem<br />

Erwerb einer KG-Beteiligung geltend. Investitionsgegenstand<br />

war insbesondere das Riesenrad „Singapore-Flyer“.<br />

Der Anleger stützte seine Vorwürfe<br />

auf Prospektfehler, aber auch auf individuelle<br />

Pflichtverletzungen aus einem Beratungsvertrag.<br />

Die in Anspruch genommene Bank war der Ansicht,<br />

keine Beratung, sondern bloße Vermittlungsleistungen<br />

erbracht zu haben. Entsprechend geringer<br />

sei ihr Pflichtenkatalog. Unstreitig hatte die Bank<br />

eine Vergütung erhalten. Sie war im Prospekt auch<br />

nicht als Provisionsempfängerin aufgeführt. Mit<br />

dem Einwerben von Anlegern war eine GmbH beauftragt.<br />

Sie durfte im Namen der Fondsgesellschaft<br />

aufgr<strong>und</strong> ihr erteilter Vollmacht „entsprechende<br />

Vereinbarungen mit geeigneten Kapitalanlageberatern<br />

(z.B. Privatbanken)“ abschließen. Diese sollten<br />

dann „jeweils eine individuell vereinbarte Provision“<br />

erhalten, die sich die GmbH auf ihre Vermittlungsvergütung<br />

anrechnen lassen musste.<br />

Entscheidung<br />

Die auf Rückzahlung der Einlagesumme zzgl. 3 %<br />

Zinsen gerichtete Klage Zug um Zug gegen Rückübertragung<br />

der Beteiligung hatte bis auf den entgangenen<br />

Gewinn Erfolg. Das Gericht fasste dabei<br />

noch einmal die Voraussetzungen für das Vorliegen<br />

einer Anlageberatung zusammen. In Abgrenzung<br />

zu einer bloßen Anlagevermittlung setze ein<br />

Beratungsvertrag voraus, dass die Bank unter fachk<strong>und</strong>iger<br />

Bewertung von Tatsachen <strong>und</strong> den aus<br />

ihnen zu ziehenden Schlüssen unter Berücksichtigung<br />

der besonderen Interessenlage des Anlegers<br />

eine konkrete Anlageempfehlung ausspricht. Für<br />

die Bank ist dabei regelmäßig erkennbar, dass die<br />

Beratung für den K<strong>und</strong>en von erheblicher Bedeutung<br />

ist, da er sie zur Gr<strong>und</strong>lage einer Kapitalanlageentscheidung<br />

machen will. Für eine Beratung<br />

spreche, wenn ein Bankmitarbeiter persönliches<br />

Vertrauen in Anspruch nehme <strong>und</strong> beispielsweise<br />

den Eindruck erwecke, die Anlage sei zuvor eingehend<br />

geprüft <strong>und</strong> deshalb erst in den Vertrieb<br />

aufgenommen worden. Gleiches gilt, wenn die<br />

Bank im Prospekt als Referenz genannt werde. Im<br />

Zweifel ist regelmäßig vom Vorliegen eines Beratungsvertrages<br />

<strong>und</strong> nicht nur eines Vermittlungsvertrages<br />

auszugehen.<br />

Ob noch weitere Aufklärungspflichtverletzungen<br />

<strong>und</strong> Prospektfehler vorlagen, ließ das Gericht offen.<br />

Die Bank habe jedenfalls bereits dadurch<br />

schuldhaft Pflichten verletzt, dass sie über von ihr<br />

vereinnahmte Provisionen nicht informiert hat. Auf<br />

die Prospektangaben konnte sie sich nicht berufen.<br />

Aus diesem ergab sich nicht, dass die Bank<br />

Empfängerin von Provisionen ist. Erst recht ergab<br />

sich nicht deren genaue Höhe. Nicht ausreichend<br />

ist es jedoch, wenn lediglich darauf hingewiesen<br />

wird, dass für die Eigenkapitalbeschaffung ein bestimmter<br />

Betrag aufgewendet wird.<br />

Fazit<br />

Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt bewegt<br />

sich auf inzwischen vertrauten Pfaden. Banken<br />

versuchen häufig, ihre Tätigkeit als bloße Vermittlungsleistung<br />

darzustellen, auch wenn sie seit<br />

Jahr <strong>und</strong> Tag K<strong>und</strong>en in Angelegenheiten der Vermögensvorsorge<br />

betreuen. Das Vorliegen eines Beratungsvertrages<br />

ist deshalb der Regelfall, die bloße<br />

Vermittlung die Ausnahme. Das Gericht hatte<br />

davon abgesehen, sich mit den Fragen des Vorliegens<br />

weitere Prospektfehler auseinanderzusetzen,<br />

auf die die Bank im Rahmen der von ihr zweifelsfrei<br />

geschuldeten Plausibilitätsprüfung, erst recht<br />

aber bei Prüfung des Angebots mit bankkritischem<br />

Sachverstand hätte hinweisen müssen. Dass kein<br />

entgangener Gewinn zugesprochen wurde, war<br />

offenbar noch dem Urteil des XI. Zivilsenats vom<br />

24.04.2012 geschuldet. Von dieser <strong>Recht</strong>sprechung<br />

ist der XI. Zivilsenat mittlerweile selbst wieder<br />

abgerückt (vgl. oben die Besprechung des Urteils<br />

vom 08.05.2012).


1.5 OLG Frankfurt am Main verneint im<br />

KapMuG-Verfahren gegen die Telekom<br />

Prospektfehler<br />

(OLG Frankfurt am Main, Musterentscheid<br />

im KapMuG-Verfahren vom 16.05.2012,<br />

23 Kap 1/06)<br />

Sachverhalt<br />

Die Aktie der Deutschen Telekom war seit Sommer<br />

2000 auf r<strong>und</strong> 1/6 ihres damaligen Wertes<br />

gefallen. Knapp 17.000 Telekom-Aktionäre warfen<br />

der Telekom ein grob fahrlässiges Verhalten bei<br />

der Erstellung des Börsenprospektes für den dritten<br />

Börsengang vor. Die Hauptaspekte, mit denen<br />

Kläger Unrichtigkeiten des Prospektes gerügt hatten,<br />

waren der Erwerb des amerikanischen Mobilfunkunternehmens<br />

Voicestream, die Darstellung zu<br />

den Immobilien der Telekom, die Vorgänge um die<br />

konzerninterne Übertragung der Aktien an dem<br />

amerikanischen Telekommunikationsunternehmen<br />

Sprint, die Übernahme der Prospekthaftung durch<br />

die Telekom <strong>und</strong> schließlich das Bestehen einer<br />

sog. Eventualverbindlichkeit (hervorgerufen durch<br />

mögliche Ansprüche von Anlegern aus dem vorherigen<br />

Börsengang).<br />

Bildquelle: © Africa Studio - Fotolia.com<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Entscheidung<br />

Das sog. Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz<br />

ist extra zur Bewältigung der Massenklagen, die<br />

wegen des dritten Börsengangs gegen die Deutsche<br />

Telekom erhoben wurden, geschaffen worden.<br />

Das Gesetz trat im November 2005 in Kraft.<br />

Es soll ermöglichen, aus einer Vielzahl gleichgelagerter<br />

Schadenersatzprozesse wegen falscher<br />

Prospekte oder fehlerhafter Kapitalmarktinformationen<br />

auf Antrag ein Musterverfahren vor dem<br />

Oberlandesgericht zu bestimmen. Alle anderen<br />

Kläger können gr<strong>und</strong>sätzlich Beigeladene dieses<br />

Musterverfahrens werden <strong>und</strong> gem. § 8 KapMuG<br />

auf den Musterprozess Einfluss nehmen. Die Verhandlungen<br />

im jetzt durch Musterentscheid (vorläufig)<br />

entschiedenen <strong>Recht</strong>sstreit begannen im<br />

April 2008. Nach umfangreicher Beweisaufnahme<br />

mit Anhörung etlicher Zeugen kam das OLG Frankfurt<br />

zum Ergebnis, dass im Börsenverkaufsprospekt<br />

der Deutschen Telekom aus dem Jahr 2000 keine<br />

gravierenden Fehler enthalten seien. Der Erwerb<br />

von Voicestream habe zum Zeitpunkt des Börsengangs<br />

noch nicht festgestanden. Die Immobilien<br />

seien nicht unrichtig bewertet. Die angewandte<br />

Bewertungsmethode (das sog. Cluster-Verfahren)<br />

habe der damaligen Gesetzeslage entsprochen.<br />

Bei diesem Verfahren wird nicht jede einzelne von<br />

mehreren Tausend Immobilien bewertet. Vielmehr<br />

werden diese Immobilien zu Bewertungseinheiten<br />

zusammengefasst.<br />

Die konzerninterne Übertragung der Anteile an<br />

dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen<br />

Sprint wäre ebenfalls in hinreichender<br />

Deutlichkeit im Prospekt erläutert worden. Aus<br />

dem Prospekt wäre auch abzuleiten gewesen, dass<br />

die Telekom zunächst allein <strong>und</strong> in vollem Umfang<br />

haftet. Ob ein Rückgriffsanspruch gegen Dritte<br />

bestünde, müsse in den Prospekt nicht aufgenommen<br />

werden.<br />

Schließlich sei es auch nicht erforderlich gewesen, im<br />

Prospekt für den dritten Börsengang einen Hinweis<br />

auf etwaige Prospekthaftungsansprüche aufzunehmen,<br />

die Aktionäre aufgr<strong>und</strong> des zweiten Börsengangs<br />

der Deutschen Telekom haben könnten.<br />

Fazit<br />

Das KapMuG konnte seit seiner Einführung im Jahr<br />

2005 seine Praxistauglichkeit noch nicht überzeugend<br />

unter Beweis stellen. Zurzeit werden deshalb<br />

auch Pläne zur Reformierung des Gesetzes diskutiert.<br />

Der im vorliegenden Musterentscheid unterlegene<br />

Kläger hat nach Mitteilung der ihn vertretenden<br />

Anwälte auch sofort <strong>Recht</strong>sbeschwerde<br />

beim BGH eingelegt. Es wird deshalb noch eine<br />

11


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

12<br />

ganze Weile dauern, bis endgültig Klarheit herrscht,<br />

ob der von der Telekom zu verantwortende Prospekt<br />

ihres dritten Börsengangs vollständig <strong>und</strong> richtig ist<br />

oder Fehler enthielt.<br />

1.6 Ausnahme von der Prospektpflicht:<br />

Formale oder wirtschaftliche Betrach-<br />

tungsweise?<br />

(OLG München, Urt. v. 02.11.2011, 20 U<br />

2289/11; gegen die Entscheidung wurde<br />

Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein-<br />

gelegt, dortiges Aktenzeichen: II ZR 268/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin beteiligte sich im April 2006 als Kommanditistin<br />

einer GmbH & Co. KG. An dieser beteiligten<br />

sich nicht mehr als 20 Anleger. Daneben gab<br />

es einen zweiten <strong>und</strong> einen dritten Fonds desselben<br />

Emittenten mit ebenfalls weniger als 20 Anlegern.<br />

Unternehmensgegenstand aller drei Fondsgesellschaften<br />

war die Beteiligung an einer Holdinggesellschaft.<br />

Diese beteiligte sich an der Zielgesellschaft.<br />

Die Fonds unterschieden sich in ihrem Anlageverhalten<br />

<strong>und</strong> ihrem Investment nicht voneinander.<br />

Die Zielgesellschaft wurde im Jahr 2008 insolvent.<br />

Die Kommanditistin nahm die Initiatorin, die auch<br />

Komplementärin war, sowie deren Geschäftsführer<br />

<strong>und</strong> Gründungskommanditist auf Rückzahlung der<br />

Einlage Zug um Zug gegen Rückübertragung des<br />

Fondsanteils in Anspruch.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG München bejahte eine Haftung der Beklagten<br />

wegen fehlenden Prospektes. Das Gericht<br />

vertrat die Ansicht, die Haftungsadressaten könnten<br />

sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 8<br />

Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. VerkProspG berufen. Nach dieser<br />

Bagatellgrenze bedarf es keines Prospektes, wenn<br />

nicht mehr als 20 Anteile von derselben Vermögensanlage<br />

öffentlich angeboten werden. Die Vorschrift<br />

stelle auf dieselbe Vermögensanlage ab. Hier sei<br />

eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten,<br />

nicht eine rein formelle Betrachtungsweise. Für dasselbe<br />

Anlageobjekt könnten nicht mehrere Fondsgesellschaften<br />

aufgelegt werden, die jeweils nicht<br />

mehr als 20 Anteile begeben. Ansonsten würde der<br />

Schutzzweck der Prospektveröffentlichungspflicht<br />

umgangen werden. Das OLG München erachtete<br />

als unerheblich, dass sich die Fonds in unterschiedlichem<br />

Umfang an der Zielgesellschaft beteiligt hatten.<br />

Selbst eine - mündliche - Mitteilung der BaFin,<br />

dass keine Prospektpflicht bestünde, da auf die jeweilige<br />

Fondsgesellschaft <strong>und</strong> nicht das jeweilige<br />

Anlageobjekt abzustellen sei, konnte die Haftungsadressaten<br />

nicht entlasten. Obgleich ein Prospekt<br />

vorlag, bejahte das OLG München eine Haftung wegen<br />

fehlenden Prospektes, da der Prospekt nicht gestattet<br />

war. Daneben bejahte das Gericht auch eine<br />

vorvertragliche Haftung wegen falscher Prospektaussagen<br />

unter Verweis auf die Gr<strong>und</strong>sätze der allgemeinen<br />

bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung.<br />

Fazit<br />

Das OLG München setzt mit dieser Entscheidung<br />

einen - vorläufigen - Schlussstrich unter die in der<br />

Literatur kontrovers diskutierten Ansichten, ob im<br />

Hinblick auf die Bagatellgrenze eine formale oder<br />

wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist. Der<br />

Ausnahmetatbestand in § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG<br />

(künftig: § 2 Nr. 3 lit. a) VermAnlG) ist wirtschaftlich<br />

auszulegen, nicht formal. Damit scheidet<br />

die Möglichkeit aus, die Prospektpflicht dadurch<br />

zu umgehen, indem mehrere Kleinfonds mit identischem<br />

Investitionsvorhaben <strong>und</strong> unterschiedlicher<br />

Anlegerstruktur emittiert werden.<br />

1.7 VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig,<br />

unvollständig <strong>und</strong> irreführend<br />

(OLG München, Musterentscheid vom<br />

30.12.2011, Kap1/07)<br />

Sachverhalt<br />

Für die Beteiligung „VIP Medienfonds 4 GmbH &<br />

Co. KG“ wurde ab März 2004 mittels eines Prospektes<br />

geworben, der die Anlageinteressenten<br />

über Chancen <strong>und</strong> Risiken der Beteiligung aufklären<br />

sollte. Mittels dieses Prospektes wurden zahlreiche<br />

Anleger geworben. Das OLG München hatte<br />

in einem Kapitalanleger-Musterverfahren darüber<br />

zu befinden, ob der Prospekt den rechtlichen Anforderungen<br />

entsprach. Das Musterverfahren richtete<br />

sich zum einen gegen den Fondsinitiator <strong>und</strong> zum<br />

anderen eine Bank, der vorgeworfen wurde, dass<br />

die Gelder der Fondsgesellschaft abweichend von<br />

den Vorschriften des Prospektes an verschiedene<br />

Firmen überwiesen worden sind.<br />

Entscheidung<br />

Nach den Feststellungen des OLG München flossen<br />

nur ca. 20 % der Fondsgelder in die Filmproduktion.<br />

Mit den restlichen r<strong>und</strong> 80 % sollte hingegen<br />

ein reines Einlagengeschäft bei einer Bank getätigt<br />

werden. Im Jahr 2014 sollte die Fondsgesellschaft<br />

dann einen festen Betrag erhalten, der unabhängig<br />

von dem wirtschaftlichen Erfolg der Filme bezahlt<br />

werden sollte. Wäre dies im Prospekt offengelegt


worden, wäre eine solche Beteiligung nicht als unternehmerische<br />

Beteiligung mit einer großen Verlustzuweisung<br />

an die Anleger anerkannt worden.<br />

Tatsächlich liefen die Gelder deshalb zunächst über<br />

verschiedene Firmen, die sich mit der Produktion<br />

von Filmen befassten. Einen realistischen wirtschaftlichen<br />

Hintergr<strong>und</strong> hatte dies aber nicht. Steuerlich<br />

wurden die Vertragsgestaltungen deshalb nicht anerkannt.<br />

Das Gericht zog daraus die Schlussfolgerung, dass die<br />

gewählte vertragliche Gestaltung zur Erreichung des<br />

erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist<br />

<strong>und</strong> der Anleger darüber nicht informiert worden ist.<br />

Darüber hinaus wurde das tatsächlich bestehende<br />

Verlustrisiko verharmlost. Der Fonds wurde als „ein<br />

Garantiefonds“ bezeichnet, obwohl es keine Garantie<br />

gegenüber den Anlegern gab. In verschiedenen<br />

Textpassagen wurde darauf hingewiesen, dass das<br />

Kommanditkapital in Höhe von 115 % abgesichert<br />

sei. Eine derartige Absicherung existierte nicht.<br />

Schließlich stufte das Gericht auch die Prognoserechnung,<br />

die die Gewinnerwartung der Anleger<br />

beschreibt, als fehlerhaft ein. Die mit der Gewinnprognose<br />

verb<strong>und</strong>enen Risiken wurden nicht im erforderlichen<br />

Umfang dargelegt. Sie basierte darauf,<br />

dass Gewinne mehrfach reinvestiert werden sollten.<br />

Die erste Investition sollte aus dem Geld der Anleger<br />

erfolgen, weitere Reinvestitionen aus den am Anfang<br />

erzielten Gewinnen. Der Prospekt verschwieg,<br />

dass die Gewinnprognose in sich zusammenbricht,<br />

wenn die ersten Filmproduktionen floppen <strong>und</strong> kein<br />

Geld mehr für Reinvestitionen zur Verfügung steht.<br />

Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Fazit<br />

Durch diesen - noch nicht rechtskräftigen - Musterentscheid<br />

ist zunächst verbindlich für alle in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

bei unterschiedlichen Gerichten anhängigen<br />

Klagen um den Medienfonds VIP 4 geklärt,<br />

dass der Prospekt teilweise unrichtig, unvollständig<br />

<strong>und</strong> irreführend ist. Ebenfalls ist die Prospektverantwortung<br />

der Musterbeklagten geklärt. Sie haben<br />

schuldhaft gehandelt. Für Anleger ist dies ein großer<br />

Schritt in Richtung „Zuspruch eines Schadenersatzanspruchs“.<br />

Darüber muss nun im jeweiligen Einzelfall<br />

bef<strong>und</strong>en werden.<br />

1.8 Zur Frage von Prospekthaftungsan -<br />

sprüchen bei Vermittlung von Lehman-<br />

Zertifikaten<br />

(OLG München, Urt. v. 22.05.2012, 5 U<br />

1725/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin hatte im November 2006 Lehman-<br />

Zertifikate erworben, die inzwischen weitgehend<br />

wertlos sind. Dem Erwerb war ein seinem Inhalt<br />

nach streitiges Gespräch vorausgegangen, welches<br />

ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens<br />

mit der Anlegerin geführt hatte. Die<br />

Anlegerin brachte vor, es sei ein Beratungsvertrag<br />

zustande gekommen. Sie behauptete diverse Beratungsmängel<br />

<strong>und</strong> fehlerhafte Produktunterlagen.<br />

Eine schriftliche Produktbeschreibung wertete sie<br />

als Prospekt, für dessen Inhalt sie neben dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen<br />

auch die Prospektherausgeberin<br />

in Anspruch nimmt.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG München bejaht sowohl das Zustandekommen<br />

eines Beratungsvertrages als auch dessen<br />

Verletzung, weil die der Anlegerin mittels Emissionsunterlagen<br />

erteilten Informationen in einem für<br />

die Anlageentscheidung wesentlichen <strong>und</strong> daher<br />

aufklärungs- <strong>und</strong> prospektpflichtigen Punkt vom<br />

wahren Sachverhalt zum Nachteil des Anlegers abweichen.<br />

Der Anlageberater ist für eine solche Fehlinformation<br />

mit verantwortlich.<br />

Wird in einer schriftlichen Produktbeschreibung<br />

fälschlicherweise behauptet, hinter einem garantierten<br />

Finanzprodukt stehe die US-amerikanische<br />

Investmentbank als Garant <strong>und</strong> handelt es sich nur<br />

um eine Tochtergesellschaft dieser Investmentbank,<br />

die über keinen Bankenstatus verfügt, handelt es<br />

sich sowohl um einen für die Anlageentscheidung<br />

bedeutsamen Umstand als auch um einen unzutref-<br />

13


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

14<br />

fenden Hinweis, der - wenn er nicht richtiggestellt<br />

wird - Haftungsfolgen nach sich zieht. Der Schadenersatzanspruch<br />

war auch nicht verjährt. Prospekthaftungsansprüche<br />

im engeren Sinne wegen fehlerhafter<br />

Prospektangaben verjähren in einem Jahr<br />

seit dem Zeitpunkt, in dem der Anleger von dem<br />

Prospektfehler Kenntnis erlangt hat, spätestens<br />

aber drei Jahre nach Abschluss des Beitrittsvertrages.<br />

Maßgebend für<br />

den Beginn der Verjährungsfrist<br />

ist hierbei nicht<br />

das Datum der Zeichnungserklärung,<br />

sondern<br />

der Zeitpunkt des Zustandekommens<br />

eines bindenden<br />

Vertrages. Nachdem<br />

kein Verzicht der<br />

Anlegerin auf eine Annahmeerklärung<br />

erklärt<br />

wurde, kannte die Anlegerin<br />

das Zustandekommen<br />

eines Wertpapier-<br />

Kaufvertrages frühestens<br />

mit Unterrichtung über<br />

die Annahme des Zeichnungsangebotes.<br />

Die<br />

Klage war vor Ablauf des<br />

2.1 Neues zu Kick-Backs <strong>und</strong> verspäteter<br />

Prospektübergabe<br />

(BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger, der sich über seine Bank an einem<br />

Medienfonds beteiligt hatte, fühlte sich schlecht<br />

beraten <strong>und</strong> begehrte die Rückabwicklung der Beteiligung,<br />

weitergehenden Schaden (entgangenen<br />

Gewinn <strong>und</strong> vorgerichtliche Anwaltskosten) sowie<br />

noch zusätzliche Feststellungen Zug um Zug gegen<br />

Rückübertragung der Beteiligung. Die in Anspruch<br />

genommene Bank hatte dem Anleger ein Jahr zuvor<br />

eine andere Medienfondsbeteiligung empfohlen.<br />

Damals hatte sie auf die Tatsache hingewiesen, dass<br />

sie für die Einwerbung von Anlegergeldern an der<br />

Eigenkapitalvermittlungsvergütung partizipiert. Sie<br />

hatte auch die genaue Höhe der Vergütung offengelegt.<br />

Bei der zweiten Beteiligung unterzeichnete<br />

für die Verjährung maßgeblichen 3-Jahreszeitraums<br />

eingereicht worden.<br />

Fazit<br />

In inzwischen mehreren Entscheidungen hat der<br />

BGH Klagen von Anlegern, die über ihre Bank<br />

Lehman-Zertifikate erworben haben <strong>und</strong> von ihrer<br />

Bank Schadenersatz forderten, abgewiesen. MaßgeblicherGesichtspunkt<br />

war in diesen<br />

Entscheidungen regelmäßig,<br />

dass beim<br />

Verkauf von Indexzertifikaten<br />

im Wege des<br />

Eigengeschäfts keine<br />

Aufklärungspflicht einer<br />

beratenden Bank<br />

über ihre Gewinnspanne<br />

besteht. Die Haftung<br />

eines Anlagevermittlers<br />

<strong>und</strong> erst recht<br />

die eines Anlageberaters<br />

können aber unter<br />

dem Gesichtspunkt<br />

fehlerhafter Produktinformationsunterlagen<br />

in Betracht kommen.<br />

Bildquelle: © vege - Fotolia.com<br />

2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />

der Anleger einen Vermögensanlagebogen. Darin<br />

erklärte er sich einverstanden, dass der Bank im Zusammenhang<br />

mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften<br />

Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile<br />

durch Dritte gewährt werden. Der Prospekt wurde<br />

erst am Zeichnungstag übergeben. Er enthielt keinen<br />

Hinweis darauf, dass die vermittelnde Bank an<br />

Provisionen partizipiert.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH gibt zunächst einen Überblick über seine<br />

eigenen <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätze der letzten<br />

Jahre. Bei nicht offengelegten Provisionen handele<br />

es sich um Rückvergütungen. Über Rückvergü-


tungen müsse aufgeklärt werden. Eine Aufklärung<br />

könne mittels Prospektes erfolgen, wenn der Prospekt<br />

rechtzeitig übergeben werde <strong>und</strong> im Prospekt<br />

die vermittelnde Bank als Provisionsempfängerin<br />

genannt ist <strong>und</strong> die Höhe der von der Bank zu beanspruchenden<br />

Vergütung genannt ist. Eine Prospektübergabe<br />

am Tag der Zeichnung ist zu spät. Wenn<br />

im Prospekt kein entsprechender Hinweis zu finden<br />

sei, sei die Offenlegung des Interessenkonfliktes auf<br />

anderem Weg geschuldet. Der Hinweis im Vermögensanlagebogen<br />

reiche nicht aus, denn ein Wertpapiergeschäft<br />

<strong>und</strong> der Erwerb einer Fondsbeteiligung<br />

seien zweierlei. Eine Pflichtverletzung war<br />

deshalb zu bejahen. Für den Anleger spricht die Vermutung<br />

aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dies führe<br />

zu einer Beweislastumkehr. Die sich verteidigende<br />

Bank müsse also darlegen <strong>und</strong> beweisen, dass auch<br />

bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Beteiligung<br />

gezeichnet worden wäre.<br />

An dieser Stelle entwickelt der BGH dann die bisherigen<br />

Gr<strong>und</strong>sätze weiter. Die Beweislastumkehr<br />

greife bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung<br />

ein. Es komme nicht darauf an, ob ein<br />

Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise<br />

nur eine Handlungsalternative gehabt hätte<br />

<strong>und</strong> er sich nicht in einem Entscheidungskonflikt<br />

bef<strong>und</strong>en hätte. Das Abstellen auf einen fehlenden<br />

Entscheidungskonflikt sei mit dem Schutzzweck der<br />

Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren.<br />

Gerade wenn sich für den Kapitalanleger mehrere<br />

Handlungsalternativen stellen würden, ist dessen<br />

Aufklärung <strong>und</strong> Beratung von besonderer Wichtigkeit,<br />

um seine Entscheidungsfreiheit zu wahren.<br />

Den Entlastungsbeweis könne die in Anspruch genommene<br />

Bank auch dadurch führen, dass sie sich<br />

auf die Aussage des Anlegers selbst beruft. Dieser<br />

ist dann als Partei oder - wenn er zuvor die Beteiligung<br />

abgetreten haben sollte - als Zeuge zu vernehmen.<br />

Im konkreten Fall sah der BGH ein Indiz darin,<br />

dass der Anleger ein Jahr zuvor eine Medienfondsbeteiligung<br />

erworben hätte <strong>und</strong> damals wusste, in<br />

welcher Höhe seine Bank an den Provisionen partizipierte.<br />

Der BGH hob deshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts,<br />

welches der Klage weitestgehend<br />

stattgegeben hatte, auf <strong>und</strong> verwies die Angelegenheit<br />

zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht<br />

zurück.<br />

Interessant <strong>und</strong> für die Praxis wichtig ist noch ein<br />

weiterer Hinweis des XI. Zivilsenats: Nachdem er<br />

genau zwei Wochen vor diesem Urteil entschieden<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

hatte, dass an die Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast eines<br />

Geschädigten, der entgangenen Gewinn geltend<br />

macht, hohe Anforderungen zu stellen sind, legte<br />

er die Messlatte nunmehr wieder zumindest etwas<br />

tiefer. Eingesetztes Eigenkapital bleibe erfahrungsgemäß<br />

nicht ungenutzt, sondern werde zu einem<br />

allgemein üblichen Zinssatz angelegt. Ein Zinssatz<br />

von 2 % p.a. als entgangenem Gewinn sei deshalb<br />

angemessen. Zur Feststellung der Höhe des allgemein<br />

üblichen Zinssatzes könne der Tatrichter von<br />

der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1<br />

ZPO Gebrauch machen.<br />

Fazit<br />

Die BGH-Entscheidung ist eine Weiterentwicklung<br />

der bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung des BGH zu Kick-<br />

Backs <strong>und</strong> zur Vermutung aufklärungsrichtigen<br />

Verhaltens. Man muss nun kein Prophet sein, um<br />

den Ausblick zu wagen, wie sich die Banken, die<br />

auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden,<br />

künftig verteidigen werden. Schon heute wird häufig<br />

der Zeugenbeweis oder die Parteivernehmung<br />

des Anlegers beantragt. Diesen Beweisantrag werden<br />

die Tatsachengerichte fortan nachzugehen haben.<br />

Erfreulich ist, dass der XI. Zivilsenat seine im<br />

Urteil vom 24.04.2012 getroffene Entscheidung<br />

wieder ein wenig revidiert hat. Sie stand auch im<br />

Widerspruch zur Entscheidung des II. Zivilsenats<br />

vom 23.04.2012. Dem Geschädigten bleibt es unbenommen,<br />

seinen konkreten Schaden geltend zu<br />

machen. Dann muss er allerdings darlegen <strong>und</strong> ggf.<br />

beweisen, welche Anlage er erworben hätte <strong>und</strong><br />

welchen Gewinn er aus dieser Anlage erzielt hätte.<br />

Bildquelle: © Fineas - Fotolia.com<br />

15


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

16<br />

2.2 Zur Frage der Aufklärungspflicht eines<br />

selbstständigen Unternehmens der<br />

„Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt<br />

über Provisionen aufzuklären<br />

(BGH, Urt. v. 19.07.2012, III ZR 308/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin beteiligte sich im Dezember 2003 an<br />

einem Medienfonds. Vermittelt hatte diesen eine<br />

Vertriebsgesellschaft, die zur Finanzgruppe einer<br />

Sparkasse gehörte, aber ein rechtlich selbstständiges<br />

Unternehmen war. Für diese Vertriebsgesellschaft<br />

war ein freier Handelsvertreter tätig. Zwischen den<br />

Parteien ist streitig, wer auf wen zugekommen ist.<br />

Unstreitig hat die Anlegerin eine Agio-Erstattung<br />

von 3 % auf das 5 %-ige Agio erhalten sollen. Über<br />

die Frage der Höhe von Provisionszahlungen, die die<br />

Vertriebsgesellschaft für die Vermittlung der Anlage<br />

erhielt, wurde nicht gesprochen.<br />

Die Anlegerin forderte Schadenersatz <strong>und</strong> stützte<br />

ihren Anspruch u.a. auf die mangelnde Aufklärung<br />

über die von der Vertriebsgesellschaft vereinnahmte<br />

Provision.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH führte zunächst aus, dass er im Rahmen<br />

des Revisionsverfahrens (nur noch) über den Vorwurf<br />

der unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung<br />

über die Provisionsoffenlegung zu befinden<br />

habe. Soweit ein behaupteter Pflichtverstoß<br />

von anderen Pflichtverstößen eindeutig abgegrenzt<br />

werden kann, kann er auch in tatsächlicher<br />

<strong>und</strong> rechtlicher Hinsicht selbstständig beurteilt<br />

werden.<br />

Der III. Zivilsenat verwies auf seine <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

nach der ein freier <strong>und</strong> nicht bankmäßig<br />

geb<strong>und</strong>ener Anlageberater nicht verpflichtet ist,<br />

den Anleger ungefragt über den Umstand <strong>und</strong> die<br />

Höhe einer Provision aufzuklären (sc. jedenfalls<br />

wenn eine bestimmte Provisionshöhe nicht überschritten<br />

wird; Anm. des Verfassers). Da ein Anlageberater<br />

mit der Beratung als solcher sein Geld<br />

verdienen muss, könne berechtigterweise nicht<br />

angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt<br />

kostenlos erbringt. Regelmäßig sind die<br />

vertraglichen Beziehungen zwischen dem K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> einem freien Anlageberater nicht in eine<br />

dauerhafte Geschäftsbeziehung eingebettet. Sind<br />

Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung<br />

deshalb offen ausgewiesen, besteht regelmäßig<br />

kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf,<br />

dass der Anlageberater keine Leistungen des<br />

Kapitalsuchenden erhält. Einem Anleger sind in<br />

diesem Fall sowohl die Provisionsvergütung des<br />

Beraters als auch der damit möglicherweise verb<strong>und</strong>ene<br />

Interessenkonflikt bewusst.<br />

Gleich betonte das Gericht, dass bezüglich der<br />

Aufklärungsbedürftigkeit eines Anlegers dahingehend<br />

differenziert werden müsse, ob die Beratung<br />

durch die (Haus-)Bank erfolgt oder durch<br />

einen freien <strong>und</strong> nicht an eine Bank geb<strong>und</strong>enen<br />

Anlageberater.<br />

Im konkreten Fall hatte die Anlegerin sogar über<br />

das Agio verhandelt <strong>und</strong> eine Rückerstattung von<br />

60 % vereinbaren können. Der Anlegerin wäre es<br />

unschwer möglich gewesen, die konkrete Höhe<br />

der Provision vom Anlageberater zu erfragen.<br />

Vom (freien) Anlageberater kann nicht verlangt<br />

werden, dass er seine K<strong>und</strong>en ohne Anlass oder<br />

Nachfrage über die Höhe ggf. sämtlicher Provisionen<br />

für die Vermittlung der in seinem Beratungsprogramm<br />

enthaltenen Anlagen aufklärt.<br />

Fazit<br />

Der III. Zivilsenat des BGH setzt damit seine eigene<br />

<strong>Recht</strong>sprechung, insbesondere die <strong>Urteile</strong> vom<br />

15.04.2012 (III ZR 196/09), vom 03.03.2011 (XI ZR<br />

170/10) <strong>und</strong> vom 10.11.2011 (III ZR 245/10) fort.<br />

Bildquelle: © Felix Vogel - Fotolia.com


2.3 Keine Aufklärungspflichten einer Bank<br />

bei Festpreisgeschäften<br />

(BGH, Urt. v. 26.06.2012, XI ZR 259/11, XI<br />

ZR 316/11, XI ZR 355/10 <strong>und</strong> XI ZR 356/10)<br />

Sachverhalt<br />

In den vier vom BGH am 26.06.2012 entschiedenen<br />

Verfahren ging es erneut um Schadenersatzklagen<br />

von Anlegern, die Zertifikate von Lehman-Brothers<br />

in unterschiedlicher Höhe erworben hatten. Die<br />

Schadenersatzklage richtete sich jeweils gegen dieselbe<br />

Bank. Die Anleger erwarben im Februar 2007<br />

die Zertifikate. Mit der Insolvenz der Emittentin im<br />

September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate<br />

weitgehend wertlos. In allen Fällen erhielt die in Anspruch<br />

genommene Bank von der Emittentin eine<br />

Vertriebsprovision von 3,5 %, die sie den Anlegern<br />

nicht offenbarte.<br />

Entscheidung<br />

Die Vorinstanzen hatten den jeweiligen Klagebegehren<br />

überwiegend stattgegeben. Sie hatten angenommen,<br />

dass es hierbei keine Rolle spiele, ob<br />

die Bank die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäftes<br />

oder eines Kommissionsgeschäftes angeboten<br />

habe. Bei einem Kommissionsgeschäft folge<br />

die Pflichtverletzung der Bank auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />

<strong>Recht</strong>sprechung, die fordert, über Rückvergütungen<br />

aufzuklären. Beim Festpreisgeschäft hätte die Bank<br />

auf ihre Verkäuferstellung <strong>und</strong> einen daraus folgenden<br />

Interessenkonflikt hinweisen müssen.<br />

Der BGH folgte diesen Begründungen nicht. Bei<br />

Festpreisgeschäften (Eigengeschäften) müsse eine<br />

Bank weder über ihre Gewinnmarge noch über den<br />

Umstand, dass es sich um ein Eigengeschäft handelt,<br />

aufklären. Bei einem Kommissionsgeschäft bestehe<br />

keine Aufklärungspflicht über eine allein von<br />

der Emittentin an die Bank gezahlte Vergütung. Es<br />

fehle an dem Umstand, dass Vertriebsprovisionen<br />

offen ausgewiesen seien <strong>und</strong> aus diesen offen ausgewiesenen<br />

Vertriebsprovisionen eine Rückvergütung<br />

erfolge. Offen blieb die Frage, ob eine Aufklärungspflicht<br />

einer Bank besteht, wenn der K<strong>und</strong>e<br />

eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag<br />

an die Bank bezahlt <strong>und</strong> die Bank zusätzlich<br />

eine Vergütung von der Emittentin erhält.<br />

Weil die Anleger jeweils noch weitere Pflichtverletzungen<br />

behauptet hatten, über die die Vorinstanzen<br />

nicht entschieden hatten, wurden die den Klagen<br />

stattgebenden Berufungsurteile aufgehoben. Die<br />

Verfahren wurden zum Zwecke der weiteren Sachverhaltsaufklärung<br />

an die Vorinstanzen zurückverwiesen.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Fazit<br />

Der BGH bestätigt im Hinblick auf die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

bei einem Festpreisgeschäft seine Entscheidungen<br />

vom 27.09.2011. Bei Kommissionsgeschäften, bei<br />

denen der K<strong>und</strong>e die Bank nicht extra bezahlt, muss<br />

eine Bank auch nicht über die Vergütung, die sie<br />

vom Emittenten erhält, aufklären. Es können sich<br />

aber in allen Fällen Schadenersatzansprüche ergeben,<br />

wenn der K<strong>und</strong>e nicht anlage- oder anlegergerecht<br />

beraten worden sein sollte. Über solche individuellen<br />

Beratungspflichtverletzungen war in den<br />

Vorinstanzen nicht entschieden worden.<br />

2.4 B<strong>und</strong>esverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde<br />

einer Bank, die wegen<br />

Kick-Backs zum Schadenersatz ver-<br />

urteilt wurde, zurück<br />

(BVerfG, Beschl. v. 08.12.2011, 1 BvR 2514/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Kreditinstitut war vom OLG Celle zur Leistung<br />

von Schadenersatz verurteilt worden, weil die Bank<br />

gegenüber einem Anleger, dem sie Fondsbeteiligungen<br />

vermittelt hatte, verschwieg, dass sie sich<br />

wegen an sie geflossener Rückvergütungen in<br />

einem Interessenkonflikt bef<strong>und</strong>en hat. Der BGH<br />

hatte die gegen die OLG-Entscheidung erhobene<br />

Revision zurückgewiesen. Die Bank erhob Verfassungsbeschwerde<br />

<strong>und</strong> rügte die Verletzung ihrer<br />

<strong>Recht</strong>e aus dem allgemeinen Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz,<br />

der Berufsausübungsfreiheit, ihrem <strong>Recht</strong> auf den<br />

gesetzlichen Richter <strong>und</strong> wegen Verletzung des Anspruchs<br />

auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde<br />

durch einstimmigen Beschluss nicht zur<br />

Entscheidung angenommen.<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht verneinte eine gr<strong>und</strong>sätzliche verfassungsrechtliche<br />

Bedeutung, aber auch zugleich<br />

die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde.<br />

Eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit ist<br />

zu verneinen. Das Kick-Back-Urteil des BGH vom<br />

19.12.2006 (XI ZR 56/05) enthalte keine <strong>Recht</strong>sprechungsänderung,<br />

die unter dem Gesichtspunkt<br />

rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes bedenklich<br />

sein könnte. Es gab zuvor keine höchstrichterliche<br />

<strong>Recht</strong>sprechung, die der neuen Entscheidung<br />

entgegenstünde. Der BGH habe vielmehr eine<br />

bereits angelegte <strong>Recht</strong>sprechungslinie fortgeführt.<br />

Schon in den Jahren 1989 <strong>und</strong> 1990 habe der BGH<br />

in zwei Entscheidungen bei Warentermingeschäften<br />

verheimlichte Kick-Back-Vereinbarungen zwischen<br />

17


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

18<br />

Anlagevermittler <strong>und</strong> Broker zu Lasten des Anlegers<br />

missbilligt <strong>und</strong> den Vermittler zur Herausgabe der<br />

Rückvergütungen an den Anleger für verpflichtet<br />

gehalten.<br />

Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht verweist des Weiteren<br />

auf das BGH-Urteil vom 19.12.2000 (XI ZR<br />

349/99). Damals hatte der BGH entschieden, dass<br />

eine Bank gegenüber ihrem K<strong>und</strong>en offenzulegen<br />

hat, wenn sie mit dessen Vermögensverwalter vereinbart,<br />

diesen an den von ihr vereinnahmten Provisionen<br />

<strong>und</strong> Depotgebühren des K<strong>und</strong>en zu beteiligen.<br />

Des Weiteren ist der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz nicht<br />

verletzt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,<br />

dass zwischen der Aufklärungspflicht eines<br />

Bankberaters <strong>und</strong> eines freien Anlageberaters differenziert<br />

wird. Das Abstellen auf die typischerweise<br />

bestehende Erwartungshaltung eines Anlegers ist im<br />

Rahmen der Festlegung von Aufklärungspflichten<br />

folgerichtig. Die Handhabung der Beweislastgr<strong>und</strong>sätze<br />

zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung <strong>und</strong><br />

Schaden ist von Verfassungswegen ebenfalls nicht<br />

zu beanstanden.<br />

Der BGH musste des Weiteren nicht den großen<br />

Senat für Zivilsachen anrufen, weil der III. Zivilsenat<br />

(für freie Anlageberater) <strong>und</strong> der XI. Zivilsenat<br />

(für Bankberater) unterschiedliche Gr<strong>und</strong>sätze zur<br />

Aufklärungspflicht von Rückvergütungen aufgestellt<br />

haben. Auch der III. Zivilsenat des BGH hält<br />

beratende Banken für verpflichtet, über Rückvergütungen<br />

aufzuklären. Im Übrigen kommt es nicht<br />

Bildquelle: © trotzolga - Fotolia.com<br />

darauf an, ob Rückvergütungen aus dem Agio oder<br />

aus anderen offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen<br />

geflossen sind.<br />

Am Ende seines Beschlusses geht das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

sodann noch kurz darauf ein, dass der<br />

Anspruch der Bank auf Verletzung rechtlichen Gehörs<br />

nicht verletzt ist.<br />

Fazit<br />

Die Bank wollte nichts unversucht lassen, um sich<br />

der drohenden Zahlungspflicht zu entziehen. Hierbei<br />

dürfte durchaus eine Rolle gespielt haben, dass<br />

sowohl auf die Bank, die diese Beteiligung anbot,<br />

als auch auf andere geschlossene Fondsbeteiligung<br />

empfehlende Banken eine Prozesslawine rollt <strong>und</strong><br />

sie Gefahr läuft, in Tausenden von Fällen verurteilt<br />

zu werden. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht greift in<br />

seinem Beschluss viele der in den jüngeren BGH-<br />

Entscheidungen zusammengetragenen Gesichtspunkte<br />

erneut auf. Sie können mithin als gefestigt<br />

angesehen werden.<br />

2.5 Rentabilität einer Fondsbeteiligung <strong>und</strong><br />

Interessenkonflikt durch Rückvergü-<br />

tung sind „zwei Paar Schuhe“<br />

(OLG Celle, Urt. v. 28.12.2011, 3 U 173/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger nimmt eine Sparkasse, die ihm 1994<br />

den Erwerb der Beteiligung an einem geschlossenen<br />

Immobilienfonds erworben hat, auf Schadenersatz<br />

wegen Verschweigung von Rückvergütungen in Anspruch.<br />

Das Besondere im konkreten Fall war, dass<br />

der Anleger schon im Jahr 2001 die ihn beratende<br />

Sparkasse auf Schadenersatz in Anspruch genommen<br />

hatte. Damals warf der Anleger der Sparkasse<br />

vor, sie habe ihn nicht über die Rentabilität der<br />

Fondsbeteiligung <strong>und</strong> die negativen Folgen einer<br />

teilweisen Darlehensfinanzierung des Anlagebetrags<br />

aufgeklärt. Diese Klage wurde - rechtskräftig<br />

- abgewiesen. Der Kläger wurde seinerzeit durch<br />

dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten, die<br />

auch jetzt für den Anleger den Schadenersatzanspruch<br />

mit der Begründung geltend machten, die<br />

Sparkasse habe Rückvergütungen erhalten <strong>und</strong> den<br />

Interessenkonflikt, der durch den Erhalt der Rückvergütungen<br />

begründet war, nicht offengelegt.<br />

Entscheidung<br />

Anders als die Vorinstanz bejahte das OLG Celle<br />

die Zulässigkeit auch der zweiten Klage. Der Streitgegenstand<br />

sei ein anderer. Bei der Frage der unzureichenden<br />

Aufklärung über die Rentabilität der


Fondsbeteiligung einerseits <strong>und</strong> über an die beratende<br />

Bank fließende Rückvergütungen andererseits<br />

handele es sich um unterschiedliche Aspekte,<br />

auch wenn sie im Zusammenhang mit ein- <strong>und</strong><br />

demselben Beratungsgespräch stehen. Durch die<br />

frühere Klage ist deshalb noch kein Klageverbrauch<br />

hinsichtlich eines anderen Aufklärungsfehlers eingetreten.<br />

Bildquelle: © apops - Fotolia.com<br />

Dem vom Anleger geltend gemachten Schadenersatzanspruch<br />

wurde sodann auch in der Sache<br />

stattgegeben. Die Bank ist ihrer Verpflichtung zur<br />

Offenlegung von Rückvergütungen nicht nachgekommen.<br />

Eine solche Aufklärung ist notwendig, um<br />

dem K<strong>und</strong>en den Interessenkonflikt der Bank offenzulegen.<br />

Nur bei Kenntnis über das Umsatzinteresse<br />

der Bank kann der K<strong>und</strong>e selbst einschätzen, ob die<br />

Bank wegen der mit den Rückvergütungen verb<strong>und</strong>enen<br />

Vertriebsanreize eine Empfehlung abgibt, die<br />

nicht allein nach den Kriterien der anleger- <strong>und</strong> objektgerechten<br />

Beratung im K<strong>und</strong>eninteresse erfolgt,<br />

sondern auch im eigenen Interesse, eine möglichst<br />

hohe Rückvergütung zu erhalten.<br />

Es war nicht ausreichend, dass im Prospekt der<br />

Hinweis enthalten war, dass ein Vertriebspartner<br />

beauftragt sei, gegen Zahlung einer Provision Anleger<br />

einzuwerben. Die Sparkasse war als Untervertriebspartner<br />

nicht genannt. Erst <strong>Recht</strong> ließ sich<br />

dem Prospekt nicht entnehmen, in welcher Höhe<br />

der Sparkasse eine Provision zufließen sollte <strong>und</strong> zugeflossen<br />

ist. Hierbei kommt es auch nicht darauf<br />

an, auf welchem Weg die Provision bezahlt wird<br />

<strong>und</strong> die Bank daran partizipiert. Die Provision muss<br />

nicht über die Bank an die Fondsgesellschaft bezahlt<br />

werden <strong>und</strong> von der Fondsgesellschaft an die Bank<br />

zurückfließen. Entscheidend kommt es darauf an,<br />

dass die Vergütung ohne Kenntnis des Erwerbers an<br />

eine anlageberatende Bank bezahlt wird.<br />

Sodann setzte sich das OLG Celle mit dem Einwand<br />

auseinander, ob die Prozessbevollmächtigten des<br />

Anlegers nicht bereits 2001 wussten oder hätten<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

wissen müssen, dass eine Bank, die eine Fondsbeteiligung<br />

vermittelt, eine Provision erhält. Schließlich<br />

habe der BGH ja geurteilt, von einer beratenden<br />

Bank hätte bereits Anfang der 90er Jahre erwartet<br />

werden dürfen, dass sie ihre K<strong>und</strong>en beim Erwerb<br />

von Fondsbeteiligungen über die ihr zufließenden<br />

Rückvergütungen aufklären musste. Ein <strong>Recht</strong>sanwalt,<br />

der im Jahr 2001 für seinen Mandanten einen<br />

Prospekt durchsieht, um Schadenersatzansprüche<br />

geltend zu machen, hätte diese Kenntnis entweder<br />

haben müssen oder hätte zumindest grob fahrlässig<br />

gehandelt, wenn er keine Kenntnis gehabt hätte.<br />

Das OLG Celle ging dieser Frage nicht näher nach,<br />

denn eine Zurechnung fremden Wissens komme<br />

nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 166<br />

BGB in Betracht, also nur, wenn bei Abgabe von<br />

Willenserklärungen bestimmte Kenntnisse des Vertretenen<br />

vorhanden sind. Die Prozessbevollmächtigten<br />

des Anlegers hatten im Jahr 2001 jedoch keine<br />

Willenserklärungen gem. § 166 BGB abgegeben.<br />

Fazit<br />

Die Frage der Rentabilität einer Fondsbeteiligung<br />

<strong>und</strong> die Frage eines Interessenkonflikts wegen<br />

nicht offengelegter Rückvergütungen sind „zwei<br />

Paar Schuhe“. Auch im Hinblick auf die Einrede der<br />

Verjährung gilt des Weiteren, dass sich ein Anleger<br />

die Kenntnis seiner Prozessbevollmächtigten nur in<br />

Ausnahmefällen zurechnen lassen muss, nämlich<br />

wenn diese für ihn Willenserklärungen innerhalb<br />

der ihnen zustehenden Vertretungsmacht abgeben.<br />

Bildquelle: © Bambory - Fotolia.com<br />

19


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

20<br />

2.6 Bankenhaftung wegen nicht offen<br />

gelegter Rückvergütung<br />

(VIP Medienfonds 4)<br />

(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.12.2011,<br />

9 U 112/09)<br />

Sachverhalt<br />

Auf Empfehlung einer Bank hatte sich eine Anlegerin<br />

mit 50.000,00 € zzgl. 5 % Agio an der VIP Medienfonds<br />

4 GmbH & Co. KG beteiligt. Die zu leistende<br />

Einlage war teilweise fremdfinanziert. Die Anlegerin<br />

forderte - im Wesentlichen unter Berufung auf nicht<br />

offengelegte Kick-Backs - die Rückzahlung der Einlage,<br />

soweit sie aus Mitteln der Anlegerin erbracht<br />

wurde, Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten,<br />

entgangenen Gewinn <strong>und</strong> Freistellung von<br />

allen steuerlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Nachteilen<br />

aus der Beteiligung.<br />

Bildquelle: © Aamon - Fotolia.com<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Frankfurt bejahte eine Pflichtverletzung,<br />

weil die beratende Bank nicht über die von ihr vereinnahmten<br />

Vergütungen aufgeklärt hat. Es war<br />

nicht ausreichend, dass der Prospekt zum VIP 4 einen<br />

Hinweis auf Vertriebsprovisionen enthielt. Selbst der<br />

Ausweis, dass der Provisionsempfänger <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong><br />

Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung „auf Dritte“<br />

übertragen konnte, war nicht ausreichend. Das Gericht<br />

sah es als erforderlich an, dass eine eine solche<br />

Beteiligung empfehlende Bank namentlich als Provisionsempfängerin<br />

genannt wird. Des Weiteren ist<br />

die Angabe zur genauen Höhe der an die beratende<br />

Bank fließenden Zahlungen anzugeben.<br />

Auf den konkreten Zahlungsfluss kommt es dabei<br />

nicht an. Entscheidend ist, ob ein direkt oder über<br />

die Bank gezahlter Betrag, der aus Sicht des Anlegers<br />

an die Fondsgesellschaft zu leisten ist, anschließend<br />

hinter seinem Rücken der Bank wieder zufließt.<br />

Die Nichtursächlichkeit einer Pflichtverletzung für<br />

die Anlageentscheidung muss der Aufklärungspflichtige<br />

beweisen. Der Umstand, dass ein Anleger<br />

eine steueroptimierte Anlage wünschte, reicht nicht<br />

aus, um die für ihn streitende Vermutung zu widerlegen.<br />

Ein unvermeidbarer <strong>Recht</strong>sirrtum lag ebenfalls<br />

nicht vor. Eine anlageberatende Bank kann sich<br />

jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer<br />

Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf<br />

einen unvermeidbaren <strong>Recht</strong>sirrtum berufen.<br />

Ebenso wenig kann sich die Bank darauf berufen,<br />

eine Verurteilung zum Schadenersatz Zug um Zug<br />

gegen Übertragung der <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten aus<br />

der Beteiligung ist deshalb unzureichend, weil die<br />

in diesem Fall geschuldete Übertragung des Anteils<br />

von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, insbesondere<br />

der Zustimmung der Treuhänderin <strong>und</strong><br />

der Komplementärin. Besteht eine Kapitalanlage<br />

in der Position als Treuhandkommanditist, genügt<br />

es, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend<br />

gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug-um-<br />

Zug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung<br />

sämtlicher <strong>Recht</strong>e aus dem Treuhandvertrag anbietet.<br />

Fazit<br />

Das OLG Frankfurt hat sich auch in dieser Entscheidung<br />

noch einmal mit allen denkbaren Einwendungen<br />

einer Bank, die wegen verschwiegener<br />

Rückvergütungen auf Schadenersatz in Anspruch<br />

genommen wird, auseinandergesetzt (keine Pflichtverletzung,<br />

Hinweis auf Provisionszahlungen im<br />

Prospekt, keine Kausalität, kein Verschulden, Schadensminderungspflicht<br />

eines Geschädigten, Vorteilsausgleichung).<br />

Die Einwendungen wurden allesamt<br />

als solche angesehen, die eine Schadenersatzpflicht<br />

nicht zu verneinen vermögen bzw. die neben der<br />

Sache liegen.<br />

2.7 Und noch einmal: Zur Aufklärungs-<br />

pflicht über Rückvergütungen beim<br />

geschlossenen Immobilienfonds<br />

(BGH, Urt. v. 11.09.2012, XI ZR 363/10)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin machte - in der Revisionsinstanz nur<br />

noch gegen die sie beratende Bank - Ansprüche<br />

wegen Verletzung eines Beratungsvertrages im Zusammenhang<br />

mit der Empfehlung einer Beteiligung<br />

an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend.<br />

Neben ihrer Beitrittserklärung unterzeichnete die<br />

Anlegerin einen Darlehensvertrag <strong>und</strong> übernahm -<br />

anteilig - ein bereits aufgenommenes Darlehen. Infolge<br />

ausbleibender Mietzahlungen kam die Fondsgesellschaft<br />

in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die<br />

Fondsobjekte wurden mit Verlust veräußert. Die


Anlegerin machte u.a. Prospektfehler wegen nicht<br />

ausreichender Information über das Totalausfallrisiko,<br />

die Kommanditistenhaftung <strong>und</strong> den Interessenkonflikt<br />

der Bank wegen an sie bezahlter Rückvergütungen<br />

geltend.<br />

Entscheidung<br />

Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zu geringer<br />

Aufklärung über die Kommanditistenhaftung<br />

nach § 172 Abs. 4 HGB <strong>und</strong> das Totalverlustrisiko<br />

sah das Gericht nicht. Auf das Totalverlustrisiko bei<br />

einem Immobilienfonds müsse gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />

gesondert hingewiesen werden. Anderes gelte bei<br />

besonderen gefahrerhöhenden Umständen, die<br />

aber nicht vorlägen. Die in Anspruch genommene<br />

Bank habe aber über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen<br />

nicht aufgeklärt. Sodann wird noch<br />

einmal definiert, was der BGH unter aufklärungspflichtigen<br />

Rückvergütungen versteht: Solche sind<br />

- regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im<br />

Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht<br />

aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen<br />

Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen<br />

<strong>und</strong> Verwaltungsvergütungen gezahlt werden,<br />

deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht<br />

offenbar wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers<br />

erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar<br />

keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der<br />

Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere<br />

Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung<br />

gerade dieser Anlage nicht erkennen.<br />

Bildquelle: © virtua73 - Fotolia.com<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Um aufklärungspflichtige Rückvergütungen handelt<br />

es sich also auch dann, wenn diese nicht aus<br />

einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren bezahlt<br />

werden, sondern sie aus sonstigen offen ausgewiesenen<br />

Vertriebskosten fließen, wobei es nicht darauf<br />

ankommt, ob die Zahlung des Anlegers „über<br />

die Bank“ oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt.<br />

Da das Berufungsgericht, welches die Klage der Anlegerin<br />

abgewiesen hatte, keine Feststellungen zu<br />

den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1<br />

Nr. 2 BGB getroffen hat, wurde das die Klage abweisende<br />

Urteil aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten<br />

Verhandlung zurückverwiesen.<br />

Fazit<br />

Die <strong>Recht</strong>sprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs differenziert<br />

zwischen dem bankengeb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong><br />

dem bankenungeb<strong>und</strong>enen (freien) Anlageberater.<br />

Erstere sind - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen<br />

- Aufklärungspflichten, was den Umstand,<br />

dass eine Provision bezahlt wird, <strong>und</strong> deren Höhe<br />

anbelangt. Letztere waren - jedenfalls bis Ende<br />

2012 - gr<strong>und</strong>sätzlich nicht aufklärungspflichtig, soweit<br />

bestimmte Provisionssätze nicht überschritten<br />

waren (bisher von der <strong>Recht</strong>sprechung bei 15 % Innenprovision<br />

angesehen). Ab 01.01.2013 hat eine<br />

neue Zeitrechnung begonnen. Nunmehr müssen<br />

alle Finanzdienstleister, die Fondsbeteiligungen vermitteln,<br />

ihre Zuwendungen offenbaren.<br />

21


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

22<br />

3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong><br />

Informationspflichten<br />

3.1 Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters<br />

(BGH, Urt. v. 01.12.2011, III ZR 56/11)<br />

Sachverhalt<br />

Zwei Anleger nehmen ihren Anlageberater auf<br />

Schadenersatz in Anspruch, nachdem sie auf dessen<br />

Empfehlung hin zwei Beteiligungen als atypisch stille<br />

Gesellschafter einer Aktiengesellschaft übernommen<br />

hatten. Sie warfen dem Anlageberater vor, keine<br />

genügende Plausibilitätsprüfung vorgenommen<br />

zu haben, die Risiken der Anlage verschwiegen oder<br />

verharmlost zu haben <strong>und</strong> eine Information über<br />

eine Gesetzesänderung (es ging um die 6. KWG-Novelle)<br />

sowie die damit für die atypisch stillen Beteiligungen<br />

verb<strong>und</strong>enen Risiken unterlassen zu haben.<br />

Entscheidung<br />

Zunächst nimmt der BGH einmal mehr zum unterschiedlichen<br />

Pflichtenkreis eines Anlageberaters im<br />

Vergleich zum Anlagevermittler Stellung. Ein Anlagevermittler<br />

schuldet dem Interessenten eine richtige<br />

<strong>und</strong> vollständige Information über diejenigen<br />

tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss<br />

von besonderer Bedeutung sind. Ein Anlagevermittler<br />

muss das Anlagekonzept wenigstens<br />

auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit<br />

hin überprüfen. Vertreibt ein Vermittler die<br />

Anlage anhand eines Prospektes, muss er, um seiner<br />

Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der<br />

geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls<br />

darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges<br />

Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt<br />

<strong>und</strong> die darin enthaltenen Informationen sachlich<br />

vollständig <strong>und</strong> richtig sind. Der dabei entstehende<br />

Aufwand darf einen Vermittler allerdings nicht übergebühr<br />

belasten. Er muss ihm zumutbar sein.<br />

Der Anlageberater muss eine Anlage, die er empfehlen<br />

will, mit üblichem kritischen Sachverstand<br />

prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches<br />

Unterlassen hinweisen. Ein Berater,<br />

der sich in Bezug auf die von ihm angebotene Beteiligungsmöglichkeit<br />

als kompetent geriert, hat<br />

sich auch aktuelle Informationen über das Objekt,<br />

welches er empfehlen will, zu verschaffen. Dazu<br />

gehört die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen<br />

in der Wirtschaftspresse.<br />

Nach diesem Vorspann führte das Gericht aus, dass<br />

der in Anspruch genommene Berater bei Empfehlung<br />

der streitgegenständlichen Beteiligungen<br />

Bildquelle: © Dimco - Fotolia.com<br />

diesen Pflichtenkreis nicht verletzt hat. Jedenfalls<br />

konnten die Anleger keine Pflichtverletzungen substantiiert<br />

beweisen. Durch die 6. KWG-Novelle habe<br />

zwar die Gefahr bestanden, dass die Aufsichtsbehörde<br />

eine ratierliche Auszahlung eines späteren<br />

Auseinandersetzungsguthabens der Anleger als ein<br />

erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ansehen könnte.<br />

Ein Emittent ist deshalb gehalten, die Anlageinteressenten<br />

darauf hinzuweisen, dass aufgr<strong>und</strong> einer<br />

Gesetzesänderung rechtliche Bedenken gegen die<br />

ratierliche Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens<br />

bestehen könnten. Eine entsprechende<br />

Aufklärungs- <strong>und</strong> Haftungspflicht eines Anlageberaters<br />

ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht<br />

ohne weiteres gegeben. Für den Anlageberater<br />

gelten zwar hohe Maßstäbe, allerdings nicht dieselben<br />

wie für die Anlagegesellschaft. Zu aufklärungspflichtigen<br />

Umständen eines Anlageberaters<br />

können auch Gesetzesänderungen gehören, sofern<br />

sie für die empfohlene Kapitalanlage erhebliche<br />

Auswirkungen haben können. Ein Anlageberater<br />

muss allerdings - anders als die Anlagegesellschaft


- nicht ohne besondere Anhaltspunkte <strong>Recht</strong>sfragen,<br />

die schwierig zu bewerten <strong>und</strong> ungeklärt sind<br />

<strong>und</strong> die sich infolge einer Gesetzesänderung ergeben<br />

können, nachgehen. Die Anleger konnten<br />

nicht nachweisen, dass ihr Berater über die mögliche<br />

Problematik der Gesetzesänderung schon aus<br />

der Wirtschaftspresse erfahren hätte oder jedenfalls<br />

hätte erfahren müssen. Da der Anlageberater<br />

im konkreten Fall zu entsprechenden Nachforschungen<br />

nicht verpflichtet war, konnten die<br />

Anleger auch nicht erwarten, dass der Anlageberater<br />

sie über die nicht erfolgte Überprüfung hätte<br />

informieren müssen.<br />

Fazit<br />

Der Pflichtenkreis eines Anlageberaters ist weitreichend<br />

<strong>und</strong> die Anforderungen werden immer<br />

weiter in die Höhe geschraubt. Der BGH stellt allerdings<br />

klar, dass ein Berater nicht gehalten ist,<br />

schwierige <strong>Recht</strong>sfragen durch Einholung eines<br />

<strong>Recht</strong>sgutachtens abzuklären. Dies würde den Bogen<br />

überspannen.<br />

3.2 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten<br />

auch über ein ihm<br />

bekanntes strafrechtliches Ermittlungs-<br />

verfahren aufklären<br />

(BGH, Urt. v. 10.11.2011, III ZR 81/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger hatte sich - mittelbar über einen Treuhänder<br />

- an einer Publikums-Personengesellschaft<br />

beteiligt. Wegen Verdachts diverser Verstöße gegen<br />

das Kreditwesengesetz waren schon geraume Zeit<br />

vor Erwerb der Beteiligung die Geschäftsräume der<br />

Komplementär-GmbH durchsucht worden, die auch<br />

Komplementär-GmbH früherer Gesellschaften war.<br />

Gegen den Geschäftsführer <strong>und</strong> Hauptgeschäftsführer<br />

der Komplementär-GmbH sowie gegen die<br />

Geschäftsführerin <strong>und</strong> Hauptgesellschafterin der<br />

Treuhandgesellschaft <strong>und</strong> Mittelverwendungskontrolleurin<br />

liefen Ermittlungsverfahren. Dem in Anspruch<br />

genommenen Anlageberater war das Ermittlungsverfahren<br />

bekannt.<br />

Entscheidung<br />

Ein Anlageberater hat die Pflicht, seinen K<strong>und</strong>en<br />

über alle Eigenschaften <strong>und</strong> Risiken richtig <strong>und</strong> vollständig<br />

zu informieren, die für die jeweilige Anlageentscheidung<br />

wesentliche Bedeutung haben oder<br />

haben können. Dies betrifft nicht nur Umstände, die<br />

sich auf das Anlageobjekt selbst beziehen, sondern<br />

auch solche die für die Seriosität <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

der Fondsverantwortlichen wichtig sind oder sein<br />

können. Dazu kann auch das Wissen um ein strafrechtliches<br />

Ermittlungsverfahren gegen Fondsverantwortliche<br />

gehören. Bei von vornherein erkennbar<br />

substanzlosen Vorwürfen mag zwar eine Aufklärungspflicht<br />

zu verneinen sein, nicht jedoch, wenn<br />

ein über bloße Vermutungen hinausreichender <strong>und</strong><br />

auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter<br />

Verdacht besteht. Mögliche datenschutzrechtliche<br />

Gründe treten in einem solchen Fall stets zurück.<br />

Fazit<br />

Schon ein konkreter Anfangsverdacht kann einen<br />

durchschnittlich vorsichtigen Interessenten davon<br />

abhalten, sein Vertrauen der oder den Personen<br />

entgegenzubringen, gegen die sich ein solcher<br />

Verdacht richtet. Menschlich mag es durchaus<br />

nachvollziehbar sein, wenn sich der in Anspruch<br />

genommene Anlageberater auf Gründe des Datenschutzes<br />

berufen wollte <strong>und</strong> der Ansicht war, bei<br />

Vornahme einer Güteabwägung wäre dem Persönlichkeitsrecht<br />

derer, gegen die sich die Ermittlungen<br />

richteten, Vorrang einzuräumen gewesen. Dies<br />

entspreche den Gr<strong>und</strong>sätzen zur sog. Verdachtsberichterstattung.<br />

Der BGH stellte den Anlegerschutz<br />

über diese Erwägungen. Er folgte damit der Entscheidung<br />

des Berufungsgerichts <strong>und</strong> eigentlich<br />

muss man sich w<strong>und</strong>ern, dass die Klage in erster<br />

Instanz noch keinen Erfolg hatte.<br />

Bildquelle: © wildworx - Fotolia.com<br />

23


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

24<br />

3.3 Zum Anspruch auf Schadenersatz<br />

wegen unterlassener unverzüglicher<br />

Veröffentlichung von Insider-Informa-<br />

tionen<br />

(BGH, Urt. v. 13.12.2011, XI ZR 51/10)<br />

Sachverhalt<br />

In diesem vom BGH entschiedenen Fall ging es um<br />

die Frage der Haftung der in Anspruch genommenen<br />

Bank, von der ein Privatanleger Aktien erworben<br />

hatte, deren Kurs nach Erwerb kräftig viel.<br />

Der Aktienkauf fand wenige Tage nach einer Presseerklärung<br />

statt, in der der Vorstandsvorsitzende der<br />

Bank - der Wahrheit zuwider - ein lediglich geringes<br />

Engagement der Bank auf dem Kapitalmarkt für<br />

strukturierte Forderungsportfolien behauptete.<br />

Einen Tag nach Aktienkauf schloss die Deutsche<br />

Bank AG gegenüber der in Anspruch genommenen<br />

Bank die Handelslinien im Interbankenverkehr. Andere<br />

Banken schlossen sich an. Im Ergebnis wurde<br />

ein Rettungsschirm zugunsten der Beklagten gespannt.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH hob die die Klage abweisende Entscheidung<br />

der Vorinstanz auf. Zwar scheide eine Haftung<br />

aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §<br />

20a WpHG aus, weil das in § 20h WpHG geregelte<br />

Verbot der Marktmanipulation nicht dem Schutz<br />

einzelner Anleger dient, sondern der Funktionsfähigkeit<br />

des Wertpapiermarkts. Die Vorschrift ist deshalb<br />

kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2<br />

BGB.<br />

Anders ist dies bei der Vorschrift des § 37b WpHG.<br />

Die Pflicht, unverzüglich Insiderinformationen zu<br />

veröffentlichen, anderenfalls Schadenersatz geschuldet<br />

wird, hat anlegerschützende Wirkung.<br />

Das Berufungsgericht hatte die Frage bislang offengelassen,<br />

ob die Aktien auch dann erworben<br />

worden wären, wenn die in Anspruch genommene<br />

Bildquelle: © Alex White - Fotolia.com<br />

Bank rechtzeitig darüber informiert hätte, wie stark<br />

sie auf dem Markt für strukturierte Forderungsportfolien<br />

engagiert war. Damit diese offene Frage geklärt<br />

werden konnte, verwies der BGH den <strong>Recht</strong>sstreit<br />

an das Berufungsgericht zurück.<br />

Fazit<br />

Da damit gerechnet werden kann, dass die bislang<br />

offene Frage bejaht wird, wird Schadenersatz gem.<br />

§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 37b WpHG zuzusprechen<br />

sein. Der BGH hat bereits in seinem Urteil<br />

zum Umfang eines Schadenersatzanspruches Stellung<br />

genommen. Entweder kann die Erstattung des<br />

Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren<br />

Rückgabe gefordert werden, alternativ aber auch<br />

die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei<br />

Erwerb der Aktien <strong>und</strong> deren fiktiven Kurs bei Veröffentlichung<br />

einer unverzüglichen ad-hoc-Mitteilung.<br />

Bildquelle: © Alex White - Fotolia.com<br />

3.4 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters<br />

über eine mit der Fondsgesell-<br />

schaft bestehende Vertriebsvereinba-<br />

rung<br />

(BGH, Urt. v. 06.12.2012, III ZR 307/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger nimmt wegen fehlerhafter Anlageberatung<br />

im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung<br />

die Tochtergesellschaft einer Sparkasse in<br />

Anspruch. Diese Tochtergesellschaft wirbt mit einer<br />

sog. Imagebroschüre unter Verwendung des Firmenlogos<br />

der Sparkasse. Sie war Vertriebspartner<br />

für die Eigenkapitalvermittlung eines Medienfonds.<br />

Im Beratungsgespräch zwischen Anleger <strong>und</strong> Banktochter<br />

ging es auch um die Vergütung, die diese<br />

von der Fondsgesellschaft erhalten sollte. Der Anleger<br />

war davon ausgegangen, dass die Provisionszahlung<br />

an die Banktochter aus dem Agio in Höhe<br />

von 5 % der Zeichnungssumme gezahlt würde.<br />

Dazu war er nicht bereit. Mit dem K<strong>und</strong>enberater<br />

einigte er sich darauf, dass die Hälfte des von ihm zu<br />

entrichtenden Agios wieder zurückfließt. Das Beru-


fungsgericht (OLG Hamm) hatte die Banktochter für<br />

schadenersatzpflichtig gehalten, weil sie nicht über<br />

eine Provision oder Rückvergütung aufgeklärt habe,<br />

die sie zusätzlich zum Agio erhalten habe.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH verwies auf seine gefestigte <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

nach der ein freier <strong>und</strong> nicht bankmäßig geb<strong>und</strong>ener<br />

Anlageberater nicht verpflichtet ist, den<br />

Anleger ungefragt über den Umstand <strong>und</strong> die Höhe<br />

seiner Provision aufzuklären. Da der Anlageberater<br />

mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen<br />

muss, könne berechtigterweise nicht angenommen<br />

werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos<br />

erbringt. Sind ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung<br />

ausgewiesen, so ist es für den Anleger<br />

klar erkennbar, dass aus diesen Mitteln auch<br />

Vertriebsprovisionen bezahlt werden, an denen<br />

sein Anlageberater partizipiert. Ein selbstständiges<br />

Unternehmen einer Sparkasse, das als 100 %-ige<br />

Tochtergesellschaft der Bank hauptsächlich auf dem<br />

Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich<br />

der Verpflichtung, seine K<strong>und</strong>en ungefragt über die<br />

von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision<br />

aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu<br />

behandeln. Auch ergebe sich allein aus dem Umstand,<br />

dass sich die Parteien über den Rückfluss des<br />

hälftigen Agio-Betrages geeinigt hätten, kein hinreichender<br />

Anhalt für die Annahme, dass der Sparkassentochter<br />

im Erfolgsfall allenfalls eine Provision in<br />

Bildquelle: © Ingo Bartussek - Fotolia.com<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

dieser Höhe zukommt. Ein Beratungsfehler ließ sich<br />

auch damit nicht begründen, dass der Anlageberater<br />

gehalten war, ausschließlich Informationsmaterialien<br />

der Fondsgesellschaft zu nutzen. Aus dieser<br />

internen Verpflichtung ergibt sich kein informationsbedürftiger<br />

Interessenkonflikt.<br />

Da das Berufungsgericht weitere vom Anleger geltend<br />

gemachte Aufklärungspflichtverletzungen<br />

<strong>und</strong> diesbezügliche Einwendungen nicht weiter geprüft<br />

hat, hob der BGH das Urteil auf <strong>und</strong> verwies<br />

die Sache an das Berufungsgericht zurück.<br />

Fazit<br />

Der BGH hält an seinen Gr<strong>und</strong>sätzen, dass für Banken<br />

<strong>und</strong> freie, nicht bankgeb<strong>und</strong>ene Anlageberater<br />

bezüglich der Aufklärungspflichten über Provisionen<br />

unterschiedliche Anforderungen bestehen,<br />

fest. Er wiederholt in der Entscheidung des Weiteren<br />

die vom Anlageberater generell zu beachtenden<br />

Gr<strong>und</strong>sätze. Die interne Vertriebsvereinbarung mit<br />

einer Fonds- oder Vertriebsgesellschaftet bedeutet<br />

nicht ohne weiteres einen aufklärungspflichtigen<br />

Interessenkonflikt bzw. eine Fehlerhaftigkeit der Beratung.<br />

Im Falle einer unrichtigen Anlageberatung<br />

haftet der Anlageberater unabhängig davon, ob er<br />

sich intern verpflichtet hat, nur die Informationsmaterialien<br />

der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft<br />

zu benutzen. Dies könnte sein Verschulden<br />

nicht ausschließen.<br />

25


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

26<br />

4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung<br />

gegenüber dem Anlageinteressenten geschuldet wird<br />

Zur Darlegungslast bei der Verletzung von<br />

Beratungspflichten eines Kapitalanlageberatungsvertrages<br />

(OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.07.2012, 17 U 36/12)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Zahnarzt im Ruhestand hatte auf Empfehlung<br />

des Anlageberaters seiner Hausbank, bei der er seit<br />

2005 K<strong>und</strong>e war, im April 2008 100 Lehman-Zertifikate<br />

zum Nennwert von je 1.000,00 € zzgl. 2 %<br />

Ausgabeaufschlag erworben. Der Auftrag wurde<br />

Anfang Mai 2008 abgerechnet. Über das Vermögen<br />

der Emittentin wurde im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet. Die die Empfehlung aussprechende<br />

Bank hatte wiederholt ein Risikoprofil<br />

des Anlegers erstellt, zuletzt am Tag der Empfehlung<br />

der Lehman-Zertifikate.<br />

Der Zahnarzt trat seinen Anspruch ab. Der Zedent<br />

nimmt die Bank aus abgetretenem <strong>Recht</strong> auf Rückzahlung<br />

der Anlagesumme in Anspruch.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Karlsruhe verneinte einen Schadenersatzanspruch<br />

wegen des streitigen Wertpapiergeschäfts.<br />

Es bestünde zwar eine Pflicht zur vollständigen Risikodarstellung<br />

eines empfohlenen Anlageprodukts.<br />

Hierzu gehört bei einem Zertifikat auch die Aufklärung<br />

über das allgemeine Emittentenrisiko. Diese<br />

Pflicht besteht aber dann nicht mehr, wenn einem<br />

Anleger dieses Risiko aus seinem bisherigen Anlageverhalten<br />

geläufig war. Im konkreten Fall war es<br />

streitig, ob die Bank bei - unstreitig früheren Erwerben<br />

von Zertifikaten - über das Bonitätsrisiko des<br />

Emittenten aufgeklärt hat. Verbleiben trotz Beweisaufnahme<br />

Zweifel bezüglich eines solchen entscheidungserheblichen<br />

Umstandes, geht dies zu Lasten<br />

der darlegungsbelasteten Partei. Darlegungsbelastet<br />

ist der Anleger, soweit die Bank ihrer sek<strong>und</strong>ären<br />

Darlegungslast nachgekommen ist. Zur Frage der<br />

Verletzung der konkreten Beratungspflicht gehört<br />

auch die Darlegung, dass insoweit ein Aufklärungsbedarf<br />

noch bestand.<br />

Das OLG Karlsruhe verneint die Richtigkeit des vom<br />

erstinstanzlichen Gericht aufgestellten <strong>Recht</strong>ssatzes,<br />

dass jeder neu abgeschlossene Beratungsvertrag<br />

eine neue selbstständige Beratungsverpflichtung<br />

begründet. Ist ein Anleger über ein allgemeines<br />

Anlagerisiko informiert, ist der Schutzzweck des<br />

Beratungsvertrages erfüllt. Ein zur Aufklärung Verpflichteter<br />

muss diese Informationen bei einem konkreten<br />

Beratungsbedarf erteilen. Er darf sie nicht als<br />

„Vorrats-Information“ unabhängig von einer konkreten<br />

Beratungssituation erteilen. Die Aushändigung<br />

schriftlicher Basisinformationen bei Eröffnung<br />

eines Wertpapierdepots macht es deshalb erforderlich,<br />

beim Erwerb von Wertpapieren noch einmal gesondert<br />

auf dieses schon zuvor ausgehändigte Papier<br />

hinzuweisen.<br />

Bildquelle: © illmedia - Fotolia.com<br />

Ein Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten von<br />

Lehman Brothers war im April 2008 noch nicht erforderlich.<br />

Lehman musste erstmals im Juni 2008 einen<br />

Quartalsverlust bekanntgeben. Eine Bank durfte sich<br />

deshalb im April 2008 auf positive Bewertungen der<br />

Standardagenturen verlassen. Aus den Veröffentlichungen<br />

der Wirtschaftspresse im April 2008 waren<br />

noch keine Negativnachrichten über eine sich rapide<br />

verschlechternde wirtschaftliche Situation von Lehman<br />

bekannt, die einen Anlageberater verpflichtet<br />

hätten, konkrete Bedenken aufgr<strong>und</strong> aktueller Informationen<br />

gegenüber einem interessierten Anleger zu<br />

äußern.<br />

Da ein Festpreisgeschäft vorlag, musste auch nicht<br />

über die Gewinnspanne der Bank informiert werden.


Fazit<br />

Im Rahmen der allgemeinen Regeln trägt die Darlegungs-<br />

<strong>und</strong> Beweislast hinsichtlich früherer ordnungsgemäßer<br />

Aufklärungen ebenfalls der Anleger. Zur<br />

Darlegung der Verletzung der Beratungspflicht gehört<br />

auch der Umstand, dass insoweit noch ein Aufklärungsbedarf<br />

bestand. Ist eine Aufklärung zu einem<br />

früheren Zeitpunkt erfolgt <strong>und</strong> gibt es keine neueren<br />

aufklärungsbedürftigen Informationen (z.B. auf der<br />

Wirtschaftspresse), ist über Risiken, die einem Anleger<br />

bereits bekannt sind, nicht noch einmal aufzuklären.<br />

5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />

Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe<br />

einer unerlaubten Anlagevermittlung<br />

(BGH, Urt. v. 15.05.2012, VI ZR 166/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine GmbH betrieb ein Effekten- <strong>und</strong> Depotgeschäft.<br />

Sie vertrieb amerikanische Aktien <strong>und</strong> vermittelte<br />

sie an von ihr beratene K<strong>und</strong>en. Über eine Erlaubnis<br />

nach dem Kreditwesengesetz verfügte sie nicht. Ein<br />

Anleger wurde von dieser GmbH beraten <strong>und</strong> erwarb<br />

aufgr<strong>und</strong> deren Empfehlung bestimmte Aktien. Mit<br />

seiner Klage begehrte er Schadenersatz wegen einer<br />

fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Haftungsadressat<br />

war der Vater des Gesellschaftsgründers. Dieser war<br />

in den Anfangsjahren Geschäftsführer <strong>und</strong> später<br />

Prokurist. Der Anleger warf ihm vor, den unerlaubten<br />

Geschäftsbetrieb nicht unterb<strong>und</strong>en zu haben.<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob ein<br />

Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.<br />

§ 32 KWG gegeben ist, weil die GmbH ohne die erforderliche<br />

Erlaubnis des B<strong>und</strong>esaufsichtsamtes eine<br />

erlaubnispflichtige Anlagevermittlung in Form der<br />

Nachweismakelei betrieben hat. § 32 Abs. 1 Satz 1<br />

KWG ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB<br />

zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers.<br />

Die im Jahr 1998 bereits erlaubnispflichtige Anlagevermittlung<br />

ist von der damals noch erlaubnisfreien<br />

Anlageberatung abzugrenzen. Hierzu - so der BGH<br />

- seien aber noch keine ausreichenden Feststellungen<br />

getroffen worden. Eine erlaubnispflichtige Tätigkeit<br />

unterstellt, trifft die Verantwortlichkeit zivilrechtlich<br />

den Betreiber. Strafrechtlich trifft die Verantwortlichkeit<br />

denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für<br />

die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin<br />

den oder die Geschäftsführer. Das Berufungsgericht<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Bildquelle: © Africa Studio - Fotolia.com<br />

hatte nicht festgestellt, ob der Sohn des Beklagten im<br />

maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer war. Täter<br />

gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. kann neben<br />

dem vertretungsberechtigten Organ einer juristischen<br />

Person auch derjenige sein, der für den Betrieb in<br />

leitender Funktion tätig ist oder mit weitreichenden<br />

Befugnissen beauftragt ist. Insoweit wäre auch eine<br />

Haftung als Gehilfe denkbar. Allerdings besteht keine<br />

Verpflichtung eines Prokuristen, den Geschäftsführer<br />

dahingehend zu kontrollieren, ob dieser die ihm nach<br />

§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG obliegenden Pflichten erfüllt<br />

hatte. Schließlich muss auch der Schutzzweck der<br />

verletzten Norm erfüllt sein. Da diese erforderlichen<br />

Feststellungen vom Berufungsgericht allesamt nicht<br />

getroffen worden waren, hob der BGH die der Klage<br />

stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts<br />

auf <strong>und</strong> verwies die Sache zur erneuten Prüfung zurück.<br />

Fazit<br />

Dieser sicherlich nicht alltägliche Fall zeigt, wie umfangreich<br />

<strong>und</strong> schwierig Prüfungen sind, die im Bereich<br />

des Strafrechts anzusiedeln sind. Dies beginnt<br />

bei den Tatbestandsvoraussetzungen (hier Abgrenzung<br />

einer erlaubnispflichtigen Nachweismakelei<br />

oder einer nicht erlaubnispflichtigen Anlageberatung),<br />

führt weiter zum Vorsatz <strong>und</strong> zur Frage eines<br />

möglichen Verbotsirrtums über die Gehilfenhaftung,<br />

die wiederum eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt.<br />

Last but not least geht es um die Frage, ob der geltend<br />

gemachte Schaden bei wertender Betrachtung<br />

nach Art <strong>und</strong> Entstehungsweise unter den Schutzzweck<br />

der verletzten Norm fällt.<br />

27


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

28<br />

6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />

6.1 Zur Frage der Haftung einer GmbH für<br />

eine fehlerhafte Anlageberatung durch<br />

eine namensgleiche Einzelfirma<br />

(BGH, Urt. v. 05.07.2012, III ZR 116/11)<br />

Sachverhalt (vereinfacht)<br />

Eine Anlegerin beteiligte sich als atypisch stille Gesellschafterin<br />

an einer AG. Sie leistete eine Einmalanlage<br />

<strong>und</strong> sollte des Weiteren monatliche Raten<br />

erbringen. Die Beteiligung hatte ein Anlageberater<br />

empfohlen. Es war strittig, ob dieser Anlageberater<br />

im eigenen Namen aufgetreten ist oder als Mitarbeiter<br />

einer Einzelfirma mit deren Vertretungsbefugnis.<br />

Neben der Einzelfirma wurde eine GmbH gegründet.<br />

Zwischen der Einzelfirma <strong>und</strong> der GmbH bestand<br />

Namensgleichheit. Die Anlegerin forderte von<br />

der GmbH Schadenersatz unter den Gesichtspunkten<br />

der Firmenfortführung der Einzelfirma <strong>und</strong><br />

<strong>Recht</strong>sscheingesichtspunkten. Der Anlageberater<br />

hatte Visitenkarten, die das Logo <strong>und</strong> den Namen<br />

der Einzelfirma trugen. Im Zeichnungsschein ist in<br />

der Rubrik „Vermittler“ die Einzelfirma angegeben.<br />

Der Anlageberater hatte in seiner Befragung<br />

als Zeuge des Weiteren angegeben, sowohl für die<br />

Einzelfirma als auch für die GmbH tätig gewesen<br />

zu sein.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH hält eine Haftung der GmbH für denkbar.<br />

In Betracht kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt<br />

der Duldungs- <strong>und</strong> Anscheinsvollmacht<br />

sowie eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB<br />

unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung.<br />

Von einer Unternehmensfortführung geht der<br />

maßgebliche <strong>Recht</strong>sverkehr aus, wenn ein Betrieb<br />

von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen<br />

Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich,<br />

die innere Organisation <strong>und</strong> die<br />

Räumlichkeiten ebenso wie die K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Lieferantenbeziehungen<br />

jedenfalls im Kern beibehalten<br />

<strong>und</strong>/oder Teile des Personals übernommen werden.<br />

Unerheblich ist dabei die Hinzufügung oder Weglassung<br />

eines auf eine Gesellschaftsform deutenden<br />

Zusatzes. Der Anwendungsbereich für eine Haftung<br />

unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung<br />

wird auch eröffnet, wenn eine sukzessiv erfolgende<br />

Unternehmensübernahme vorliegt, also zeitweilig<br />

Alt- <strong>und</strong> Neu-Unternehmen nebeneinander existieren.<br />

Hier sprachen zahlreiche Indizien für eine Firmenfortführung<br />

der Einzelfirma durch die GmbH.<br />

Bildquelle: © FotolEdhar - Fotolia.com<br />

Das Betätigungsfeld beider Firmen war identisch,<br />

ferner die Firmierung, das Firmenlog, der Geschäftssitz,<br />

Telefon- <strong>und</strong> Telefaxnummer sowie auch die<br />

Selbstdarstellung der GmbH, die im Internet eine<br />

20 Jahre zurückreichende Unternehmensgeschichte<br />

schilderte. Dies spricht für eine nach außen in<br />

Erscheinung getretene Unternehmenskontinuität.<br />

Dass in der Firma der Zusatz „GmbH“ geführt wurde,<br />

sah das Gericht insoweit als belanglos an.<br />

Sodann ging es noch um die Frage, ob der Anlageberater<br />

in eigenem Namen oder für die zum Zeitpunkt<br />

der Zeichnung existente Einzelfirma gehandelt<br />

hat. Aufgr<strong>und</strong> der Visitenkarte <strong>und</strong> der Angabe<br />

im Zeichnungsschein sowie auch der Einladung der<br />

Anlegerin zu einer Informationsveranstaltung der<br />

Einzelfirma lag es nahe, von einem Handeln des Beraters<br />

für die Einzelfirma auszugehen. In Betracht<br />

kommt ein Handeln als Vertretet sowohl unter den<br />

Gesichtspunkten der Duldungs- als auch der Anscheinsvollmacht.<br />

Des Weiteren hatte der Anlageberater<br />

als Zeuge ausgesagt, für beide Gesellschaften<br />

tätig gewesen zu sein (sowohl für die Einzelfirma als<br />

auch für die GmbH).


Da noch Feststellungen tatsächlicher Art zu treffen<br />

waren, hob der BGH das die Klage abweisende<br />

Urteil des Berufungsgerichts auf <strong>und</strong> verwies den<br />

<strong>Recht</strong>sstreit an das Berufungsgericht zurück.<br />

Fazit<br />

Für die Frage, ob jemand im eigenen Namen oder als<br />

Vertreter eines Dritten handelt, kommt es darauf an,<br />

wie der Erklärungsempfänger die Erklärungen <strong>und</strong><br />

das Gesamtverhalten der handelnden Person verstehen<br />

<strong>und</strong> werten durfte. Entscheidend ist die objektivierte<br />

Empfängersicht. Diese Punkte sprachen für<br />

ein Handeln des Beraters als Bevollmächtigter der<br />

damals (nur) existenten Einzelfirma. Im konkreten<br />

Fall gab es auch zahlreiche Indizien dafür, dass die<br />

GmbH den wesentlichen Kern des Geschäftsfeldes<br />

der Einzelfirma übernommen hatte. Der Gründer<br />

der GmbH versuchte offensichtlich wieder einmal<br />

die Quadratur des Kreises. Einerseits wollte er die<br />

GmbH von Altlasten freihalten. Andererseits warb<br />

er mit einer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.<br />

6.2 Zur Haftung eines Gründungsgesell-<br />

schafters für Fehlverhalten von<br />

Erfüllungsgehilfen (hier: Aufklärungs-<br />

pflichtverletzungen durch eingeschaltete<br />

Untervermittler)<br />

(BGH, Urt. v. 14.05.2012, II ZR 69/12)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin nahm im Wege des Schadenersatzes<br />

den Gründungs- <strong>und</strong> Treuhandkommanditisten einer<br />

Kommanditgesellschaft auf Rückabwicklung einer<br />

KG-Beteiligung in Anspruch. Der Anleger war<br />

mittelbar beteiligt. Die Beteiligung zzgl. Agio wurde<br />

fremdfinanziert. Die Beteiligung wurde durch einen<br />

Untervermittler vermittelt. Nach den Angaben der<br />

Anlegerin wurde vom Untervermittler für die Beteiligung<br />

damit geworben, dass es sich um eine gute<br />

Rentenanlage, die totsicher eine gute Rendite erwirtschafte<br />

<strong>und</strong> keinerlei Risiken aufweise, geworben.<br />

Im Prospekt waren hingegen zahlreiche Risiken<br />

beschrieben.<br />

Entscheidung<br />

Ein Gründungsgesellschafter hat die Pflicht, einem<br />

Beitrittsinteressenten ein zutreffendes Bild über das<br />

Beteiligungsobjekt zu vermitteln <strong>und</strong> den Anlageinteressenten<br />

über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung<br />

von wesentlicher Bedeutung sind<br />

oder sein können, verständlich <strong>und</strong> vollständig aufzuklären.<br />

Ein Gründungsgesellschafter, der sich zu<br />

den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

eines Vertriebs bedient, haftet über § 278 BGB für<br />

unrichtige oder unzureichende Angaben des Vertriebs.<br />

Dies gilt auch, wenn der Vertrieb seinerseits<br />

Untervermittler einschaltet. Ein Gründungsgesellschafter<br />

muss sich das Fehlverhalten von Personen,<br />

die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des<br />

Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich kann eine Aufklärung mittels eines<br />

vollständigen <strong>und</strong> fehlerfreien Prospektes erfolgen.<br />

Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist<br />

dies allerdings, kein Freibrief, Risiken abweichend<br />

hiervon darzustellen <strong>und</strong> mit Erklärungen ein Bild zu<br />

zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung<br />

des Anlegers entwertet oder mindert. Ein<br />

Schuldner haftet für Pflichtverletzungen eines Erfüllungsgehilfen<br />

auch dann, wenn der Erfüllungsgehilfe<br />

von Weisungen abweicht, solange sein Handeln<br />

noch im Zusammenhang mit den ihm übertragenen<br />

Aufgaben steht. Ein Verschulden von Untervermittlern<br />

ist schon dann zuzurechnen, wenn mit ihrem<br />

Einsatz gerechnet werden musste.<br />

Fazit<br />

Wir hatten schon früher darauf hingewiesen, dass<br />

auch ein einwandfreier Prospekt kein Vermittlerfreibrief<br />

ist <strong>und</strong> eine Haftung des Vermittlers nach<br />

sich zieht, wenn er von Prospektaussagen abweicht.<br />

Dererlei „Unwahrheiten“ muss sich auch der Gründungsgesellschafter<br />

zurechnen lassen, mit dessen<br />

Wissen <strong>und</strong> Wollen Vertriebe <strong>und</strong> Untervertriebe<br />

eingesetzt werden. Diese werden im Pflichtenkreis<br />

eines Gründungsgesellschafters tätig, weil dieser<br />

bekanntlich den später beitretenden Gesellschaftern<br />

ein zutreffendes Bild von einer Gesellschaftsbeteiligung<br />

vermitteln muss. Umso wichtiger ist es,<br />

bei der Auswahl derjenigen, die im eigenen Pflichtenkreis<br />

tätig sein sollen, auf Kompetenz <strong>und</strong> Redlichkeit<br />

zu achten.<br />

Bildquelle: © Marius Graf - Fotolia.com<br />

29


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

30<br />

7. Schadensumfang<br />

7.1 Zu den Anforderungen, die an die<br />

Geltendmachung eines entgangenen<br />

Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu<br />

stellen sind<br />

(BGH, Urt. v. 24.04.2012, XI ZR 360/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin, die zuvor ihr Geld in Sparbüchern,<br />

Festgeldanlagen <strong>und</strong> Sparkassenbriefen angelegt<br />

hatte, zeichnete auf Empfehlung einer Sparkasse<br />

eine KG-Fondsbeteiligung. Sie nahm Jahre später<br />

die Sparkasse, die auch Gründungskommanditistin<br />

des Fonds war, wegen diverser Pflichtverletzungen<br />

in Anspruch. Sie begehrte u.a. die Erstattung entgangener<br />

Anlagezinsen in Höhe der damaligen Rendite<br />

von Sparbriefen oder B<strong>und</strong>eswertpapieren. Deren<br />

Rendite gibt die Anlegerin mit 5,8 % p.a. bzw.<br />

5,16 % p.a. an. Mindestens sei ihr aber ein Gewinn<br />

von 4 % p.a. zu erstatten. Das Berufungsgericht<br />

hatte Pflichtverletzungen der Sparkasse bejaht <strong>und</strong><br />

diese zur Rückabwicklung verpflichtet. Allerdings<br />

wurde die Klage in Bezug auf die geltend gemachten<br />

Anlagezinsen abgewiesen. Hierüber hatte nun<br />

der BGH zu befinden.<br />

Entscheidung<br />

Zunächst weist der XI. Zivilsenat des BGH auf die<br />

Norm des § 152 Satz 1 BGB hin. Hiernach ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

auch entgangener Gewinn geschuldet,<br />

wenn eine Schadenersatzpflicht feststeht. Zu ersetzen<br />

sei der Schaden, der sich typischerweise daraus<br />

ergebe, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser<br />

Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben<br />

wäre, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz<br />

angelegt worden wäre.<br />

Sodann weist der BGH darauf hin, dass nach allgemeinen<br />

Beweislastregeln der Geschädigte darlegungs-<br />

<strong>und</strong> beweisbelastet ist. Ein Anleger könne<br />

sich auch nicht auf § 252 Satz 2 Fall 1 BGB berufen,<br />

wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher<br />

nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit<br />

erwartet werden konnte. Dies jedenfalls<br />

dann nicht, wenn nach einer durchgeführten<br />

Beweisaufnahme feststeht, dass die Anlegerin keinen<br />

Sparbrief oder kein B<strong>und</strong>eswertpapier erworben<br />

hätte, sondern eine andere Fondsbeteiligung<br />

gezeichnet hätte. Es gäbe auch keinen Gr<strong>und</strong>satz<br />

dahingehend, dass sich ein zur Verfügung stehender<br />

Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen<br />

Zinssatzes von 4 % p.a. verzinse.<br />

Fazit<br />

Die Ausführungen <strong>und</strong> Überlegungen des XI. Zivilsenats,<br />

die sich im Urteil vom 24.04.2012 wiederfinden,<br />

dürften sich inzwischen bereits wieder<br />

als überholt erweisen. Der II. Zivilsenat hatte nur<br />

einen Tag vorher noch zugunsten eines Anlegers<br />

entschieden <strong>und</strong> ausgeführt, es sei davon auszugehen,<br />

dass Eigenkapital erfahrungsgemäß nicht<br />

ungenutzt bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen<br />

Zinssatz angelegt worden wäre (vgl. BGH,<br />

Urt. v. 23.04.2012, II ZR 211/09 Rn. 36). Der Streit<br />

dürfte sich deshalb künftig auf die Höhe eines entgangenen<br />

Gewinns fokussieren.<br />

7.2 Zur Frage der Anrechnung von Steuer-<br />

vorteilen bei Rückabwicklung eines<br />

Immobilienerwerbs im Wege des<br />

großen Schadensersatzes<br />

(BGH, Versäumnis- <strong>und</strong> Endurteil v.<br />

26.01.2012, VII ZR 154/10)<br />

Sachverhalt<br />

Anleger erwarben im Jahr 1999 eine Wohnungseinheit<br />

in einem vom Verkäufer zu sanierenden denkmalgeschützten<br />

Gebäude. Der Wohnungserwerb<br />

wurde voll fremdfinanziert. Steuerlich konnten die<br />

Anleger neben der normalen AfA die erhöhte Absetzung<br />

bei Baudenkmalen nach § 7i EStG geltend<br />

machen. Wegen Mängeln wurde der Verkäufer<br />

rechtskräftig verurteilt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung<br />

zu leisten <strong>und</strong> die Wohnung Zug um Zug<br />

gegen Freistellung der Anleger aus den Darlehensverbindlichkeiten<br />

zurückzunehmen. Jetzt begehren<br />

die Anleger im Wege des großen Schadenersatzes<br />

u.a. Steuernachbelastungen <strong>und</strong> in der Zukunft entgehende<br />

Steuervorteile.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH weist zunächst darauf hin, dass den Anlegern<br />

aufgr<strong>und</strong> der Rückabwicklung des Immobilienerwerbs<br />

Einnahmen aus Vermietung <strong>und</strong> Verpachtung<br />

dadurch zufließen, dass sich zuvor die


Anschaffungskosten aufgr<strong>und</strong> der Absetzbarkeit<br />

steuerrechtlich ausgewirkt haben. Steuerrechtlich<br />

seien Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse<br />

von Aufwendungen, die zuvor bei der Ermittlung<br />

der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten<br />

abgezogen worden sind. Im Wege des<br />

sog. großen Schadenersatzes könnte der Anspruch<br />

auch in der Weise geltend gemacht werden, dass<br />

der Erwerber die Eigentumswohnung zurückgibt<br />

<strong>und</strong> Ausgleich dafür verlangt, dass nach Rückgabe<br />

der Wohnung seinen Aufwendungen kein entsprechender<br />

Gegenwert gegenübersteht.<br />

Infolge des Erwerbs einer Immobilie erzielte Steuervorteile<br />

sind nicht anzurechnen, wenn die Rückabwicklung<br />

des Erwerbs im Wege des Schadenersatzes<br />

zu einer Besteuerung führt, die die erzielten<br />

Steuervorteile wieder nimmt. Hierbei spielt keine<br />

Rolle, ob ein Steuerbescheid bestandskräftig ist. Ansprüche<br />

aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald<br />

der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz<br />

die Leistungspflicht knüpft. Die Belastung mit einer<br />

Steuerverbindlichkeit stellt einen ersatzfähigen<br />

Schaden dar.<br />

Soweit ein Anspruch auf Befreiung von einer Steuerverbindlichkeit<br />

gerichtet ist <strong>und</strong> der in Anspruch<br />

Genommene die Leistung endgültig <strong>und</strong> ernsthaft<br />

verweigert, wandelt sich der Freistellungsanspruch<br />

in einen Zahlungsanspruch um. Der Geschädigte<br />

kann dann unmittelbare Zahlung eines (konkret zu<br />

berechnenden) Schadens fordern.<br />

Fazit<br />

Bei der Berechnung eines Schadenersatzanspruchs<br />

ist die Steuerverbindlichkeit zu berücksichtigen, soweit<br />

der Geschädigte sich zuvor von ihm erzielte<br />

Steuervorteile auf den Schadenersatzanspruch anrechnen<br />

lässt.<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

7.3 Zur Frage der Anrechenbarkeit von<br />

Steuervorteilen bei Prospekthaftung<br />

(OLG München, Urt. v. 28.10.2011, 5 U<br />

5544/10)<br />

Sachverhalt<br />

Anleger nehmen Gründungsgesellschafter eines<br />

geschlossenen Immobilienfonds auf Schadenersatz<br />

in Anspruch <strong>und</strong> machen eine Reihe von Prospektfehlern<br />

geltend, u.a. eine irreführende Darstellung<br />

der Weichkostenquote. Auf die Schadenersatzforderung<br />

lassen sich die Anleger Ausschüttungen<br />

anrechnen, nicht jedoch Steuervorteile. Die Gründungsgesellschafter<br />

verneinen ihre Schadenersatzpflicht<br />

<strong>und</strong> sind des Weiteren der Ansicht, die<br />

Anleger müssten sich jedenfalls die Steuervorteile<br />

anrechnen lassen.<br />

Entscheidung<br />

Der Ausgangspunkt bewegt sich auf vertrauten<br />

Pfaden: Gründungsgesellschafter haben unter dem<br />

Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung (Verschulden<br />

bei Vertragsverhandlungen) für die Richtigkeit <strong>und</strong><br />

Vollständigkeit eines in den Verkehr gebrachten<br />

Prospektes einzustehen. Die Haftung besteht auch<br />

gegenüber Kapitalanlegern, die über einen Treuhandkommanditisten<br />

nur mittelbar beteiligt sind,<br />

wenn der Gesellschaftsvertrag der Fonds-KG mittelbar<br />

beteiligte Anleger im Innenverhältnis unmittelbaren<br />

Gesellschaftern gleichstellt.<br />

Das Gericht bejahte sodann das Vorliegen zumindest<br />

eines Prospektfehlers. Dieser war auch für die<br />

Anlageentscheidung ursächlich, denn nach ständiger<br />

<strong>Recht</strong>sprechung des BGH wird bei einem Beitritt<br />

zu einem geschlossenen Immobilienfonds die<br />

Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung<br />

aufgr<strong>und</strong> der allgemeinen Lebenserfahrung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich vermutet. Bei Immobilien, bei<br />

denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Rentabilität geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten<br />

nach der ständigen <strong>Recht</strong>sprechung<br />

des BGH nicht geeignet, die auf der Lebenserfahrung<br />

beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit<br />

fehlerhafter Prospektdarstellungen für<br />

die Anlageentscheidung zu entkräften.<br />

Bei der Verletzung einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht<br />

ist ein Vermögensschaden des Anlegers,<br />

der sich bei zutreffender Unterrichtung nicht<br />

an dem Anlagemodell beteiligt hätte, schon immer<br />

dann zu bejahen, wenn die Anlage für ihn den gezahlten<br />

Preis nicht wert ist. Auf die Frage des Wertes<br />

oder der Wertgleichheit der Gegenleistung (hier<br />

also des Fondsanteils) kommt es deshalb nicht an.<br />

31


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

32<br />

Auch Steuervorteile sind nach Ansicht des Gerichts<br />

nicht schadensmindernd anzurechnen, weil der<br />

Schadenersatz (Rückerstattung der Beteiligungssumme<br />

abzüglich erlangter Ausschüttungen) als<br />

steuerpflichtige Rückerstattung von Werbungskosten<br />

zu qualifizieren ist. Erwirbt ein Anleger eine<br />

Fondsbeteiligung <strong>und</strong> erzielt hierbei Steuervorteile,<br />

resultieren diese aus geltend gemachten Verlusten<br />

für Vermietung <strong>und</strong> Verpachtung, also aus Werbungskosten.<br />

Steuervorteile, die sich zunächst aus<br />

Werbungskosten ergeben haben, werden jedoch<br />

bei einer Rückabwicklung im Wege des Schadenersatzes<br />

im Veranlagungszeitraum ihres Zuflusses<br />

als Einkünfte in derjenigen Einkunftsart qualifiziert,<br />

<strong>und</strong> damit der Steuer unterworfen, in der sie zuvor<br />

geltend gemacht wurden. Der Anleger muss sich<br />

deshalb Steuervorteile nicht auf seinen Schadenersatzanspruch<br />

anrechnen lassen.<br />

Fazit<br />

Die Frage der Anrechenbarkeit von Steuervorteilen<br />

ist bis in die jüngste Zeit hinein umstritten. Ein anderer<br />

Senat des OLG München hatte wenige Monate<br />

vor dem 22. Zivilsenat noch gegenteilig entschieden.<br />

Allerdings geht auch die jüngere <strong>Recht</strong>sprechung<br />

des II. Zivilsenats des BGH von der Steuerpflichtigkeit<br />

eines zugesprochenen Schadenersatzbetrages<br />

aus. Diese vom BGH entwickelten Gr<strong>und</strong>sätze über<br />

die Besteuerung der Schadensersatzleistung bei<br />

Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs sind auch<br />

bei der Rückabwicklung des Erwerbs einer treuhänderischen<br />

Beteiligung an einem Immobilienfonds<br />

anzuwenden.<br />

(Anmerkung: siehe dazu auch das BGH-Urteil vom<br />

18.12.2012, II ZR 259/11 nachfolgend I 7.4)<br />

7.4 Zur Anrechnung von Steuervorteilen<br />

auf den Schadenersatzanspruch des<br />

Anlegers bei Rückabwicklung einer<br />

Fondsbeteiligung<br />

(BGH, Urt. v. 18.12.2012, II ZR 259/11)<br />

Sachverhalt<br />

Bei diesem in der ersten <strong>und</strong> zweiten Instanz von unserem<br />

Kollegen RA. Dr. Sieprath geführten <strong>Recht</strong>sstreit<br />

ging es um die Frage, ob bei der Rückabwicklung<br />

einer Fondsbeteiligung Steuervorteile auf den<br />

Schadenersatzanspruch des Anlegers anzurechnen<br />

sind oder nicht. Unter Berufung auf verschiedene<br />

Prospektmängel wurden die Gründungskomplementärin<br />

<strong>und</strong> die Gründungskommanditistin in<br />

Anspruch genommen. Das OLG München als Vor-<br />

instanz hatte anders als das Landgericht die mit der<br />

Beteiligung verb<strong>und</strong>enen Steuervorteile nicht schadensmindernd<br />

angerechnet. Darum ging es in der<br />

Revisionsinstanz.<br />

Entscheidung<br />

Zunächst wies der BGH darauf hin, dass im Hinblick<br />

auf die Frage der Vorteilsanrechnung steuerliche<br />

Entlastungen eine typisierende Betrachtungsweise<br />

geboten ist. Eine Vorteilsanrechnung scheidet deshalb<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich aus, wenn die Schadenersatzleistung<br />

ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist.<br />

Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise<br />

kommt es nun nicht darauf an, ob der Anleger<br />

die Schadenersatzleistung tatsächlich versteuert.<br />

Deshalb sind die erzielten Steuervorteile nur dann<br />

anzurechnen, wenn Anhaltspunkte für derart außergewöhnliche<br />

Steuervorteile vorhanden sind,<br />

dass es unbillig wäre, einem Geschädigten diese<br />

zu belassen.<br />

Ausdrücklich weist der BGH darauf hin, dass die<br />

Absenkung des Einkommenspitzensteuersatzes<br />

von 53 % auf 45 % hierfür nicht ausreicht.<br />

Sodann ging es um die Frage der Steuerbarkeit der<br />

Schadenersatzleistung. Diesbezüglich wies der BGH<br />

darauf hin, dass Erstattungsbeträge, die Werbungskosten<br />

ersetzen, im Jahr ihres Zuflusses steuerpflichtige<br />

Einnahmen bei der Einkunftsart sind, bei der<br />

die Aufwendungen vorher als Werbungskosten<br />

abgezogen worden sind. Dies gilt auch für Absetzungen<br />

für Abnutzung (AfA) <strong>und</strong> nicht nur für Finanzierungskosten.<br />

Unerheblich wäre sogar, wenn<br />

ein Fonds Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz<br />

in Anspruch genommen hat.<br />

Fazit<br />

Ob der BGH mit dieser Entscheidung endgültig einen<br />

Schlussstrich unter eine sich seit vielen Jahren<br />

hinziehende Diskussion gesetzt hat, bleibt abzuwarten.<br />

Aktuell werden noch zahlreiche Verfahren<br />

geführt, bei denen die Frage der Anrechenbarkeit<br />

von Steuervorteilen auf den Schadenersatzanspruch<br />

eine wichtige <strong>Recht</strong>sfrage ist. Ein (bei Immobilienveräußerungen<br />

derzeit nach zehn Jahren<br />

steuerfreier) Kaufpreis ist jedenfalls etwas anderes<br />

als ein Schadenersatzanspruch. Da nach dieser<br />

Entscheidung Steuervorteile, die Werbungskosten<br />

sind, bei der Bemessung des Schadenersatzanspruchs<br />

nicht gegenzurechnen sind, stellt sich eher<br />

die weitere Frage, dass Schädiger noch zusätzlich<br />

etwaige Steuernachteile zu ersetzen haben, die<br />

beispielsweise aus der Steuerpflicht der Schadenersatzleistung<br />

resultieren, wenn Geschädigte in einer<br />

anderen (höheren) Steuerklasse sind.


8. Verjährung<br />

Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs<br />

nach § 37a WpHG<br />

(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.04.2011, 17 U<br />

128/10)<br />

Sachverhalt<br />

Anleger erwarben Ende 2006 Anteile an einer<br />

Hybrid-Anleihe. Der Auftrag zum Erwerb der Anleihe<br />

wurde von den Anlegern am 30.11.2006 im<br />

Anschluss an ein etwa 30 Minuten dauerndes Beratungsgespräch<br />

in einer Bankfiliale erteilt. Eine<br />

Abrechnung erfolgte am 14.12.2006. Der Inhalt<br />

des Beratungsgesprächs war streitig. Die Anleger<br />

behaupteten, ihnen wäre es nicht um Rendite,<br />

sondern um Sicherheit <strong>und</strong> auch mittelfristige Verfügbarkeit<br />

des Anlagebetrages gegangen. Auf ein<br />

Totalverlustrisiko sei nicht hingewiesen worden.<br />

Die in Anspruch genommene Bank trug hingegen<br />

vor, im Beratungsgespräch seien die mit der Hybrid-<br />

Anleihe verb<strong>und</strong>enen Chancen <strong>und</strong> Risiken erörtert<br />

worden einschl. des Kapitalverlustrisikos, Ausgabeaufschlag,<br />

Kostenstruktur sowie fehlende Einlagensicherung.<br />

Des Weiteren berief sich die beklagte<br />

Bank auf Verjährung.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Frankfurt am Main wies die Klage ab. Ein<br />

Schadenersatzanspruch scheiterte aber nicht an einer<br />

möglichen Verjährung. Die Verjährung begann<br />

nicht bereits mit Abschluss der Kaufverhandlungen<br />

<strong>und</strong> damit bereits am 13.11.2006, sondern erst mit<br />

dem 14.12.2006, denn an jenem Tage wurde die<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Order ausgeführt <strong>und</strong> die Hybrid-Anleihe gekauft.<br />

Die Klageerhebung am 14.12.2009 (exakt drei Jahre<br />

nach erfolgtem Kauf des Wertpapiers) war deshalb<br />

noch rechtzeitig. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt<br />

der Order an, sondern auf den Abschluss des<br />

Kaufvertrages.<br />

Das Gericht verneinte aber einen Anspruch wegen<br />

Pflichtverletzung des konkludent zustande gekommenen<br />

Beratungsvertrages. Dies wurde im Wesentlichen<br />

mit ungenügendem Beweisantritt bzw. verspätetem<br />

Vorbringen begründet.<br />

Fazit<br />

Die Entscheidung ist vor allem deshalb von Interesse,<br />

weil sie sich näher mit der Verjährungsvorschrift<br />

des § 37a WpHG befasst. Von einem Beginn der<br />

Verjährungsfrist ist dann auszugehen, wenn der Erwerb<br />

von Wertpapieren vorliegt. Dabei ist es nicht<br />

entscheidend, ob schon tatsächlich eine Vermögensminderung<br />

eingetreten ist. Selbst bei objektiver<br />

Werthaltigkeit von Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung<br />

kann ein zum Schadenersatz verpflichtender Vermögensschaden<br />

dadurch entstanden sein, dass die<br />

Leistung für Zwecke des Anlegers nicht voll brauchbar<br />

ist.<br />

33


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

34<br />

II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />

(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong><br />

Nachschusspflichten)<br />

Der Erwerb jeder Kapitalanlage ist mit dem<br />

Abschluss eines oder mehrerer Verträge verb<strong>und</strong>en.<br />

Aus deren Abschluss resultieren<br />

gleichermaßen <strong>Recht</strong>e wie Pflichten. Bestimmte<br />

Pflichten ergeben sich des Weiteren aus dem Gesetz.<br />

Hier muss ggf. die <strong>Recht</strong>sprechung darüber<br />

befinden, welche Pflichten im Einzelnen abdingbar<br />

sind <strong>und</strong> welche zwingendes <strong>Recht</strong> sind. Auch können<br />

verschiedene Klauseln als überraschende oder<br />

unangemessene Klauseln für unwirksam erklärt<br />

werden. Nach wie vor geht es des Weiteren um<br />

Fragen, unter welchen Voraussetzungen mittelbar<br />

beteiligte Gesellschafter Anspruch darauf haben,<br />

Namen <strong>und</strong> Anschriften ihrer Mitgesellschafter (der<br />

anderen Treugeber) zu erfahren. Schließlich ging es<br />

auch im Jahr 2012 wiederholt um die Frage, unter<br />

welchen Voraussetzungen ein Treuhänder Freistellung<br />

von seiner Haftung fordern kann oder ein<br />

Gläubiger den Treugeber auch unmittelbar in Anspruch<br />

nehmen kann.<br />

1. Zu Fragen der Rückabwicklung einer<br />

mittelbaren Medienfondsbeteiligung;<br />

hier: Was muss der Anleger tun?<br />

Wann beginnt der Annahmeverzug?<br />

(BGH, Urt. v. 10.07.2012, XI ZR 272/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger hatte sich auf Empfehlung seiner Bank<br />

an einem Medienfonds beteiligt. Die Beteiligung erfolgte<br />

mittelbar über eine Treuhandkommanditistin.<br />

Zur Übertragung der <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten aus der<br />

Beteiligung ist gem. § 6 des Gesellschaftsvertrages<br />

die Zustimmung der Komplementärin der Fondsgesellschaft<br />

<strong>und</strong> gem. § 7 des Treuhandvertrages die<br />

Zustimmung der Treuhandkommanditistin erforderlich.<br />

Außerdem bedarf es gem. einer Bestimmung<br />

der Anteilsübernahmeerklärung der Zustimmung<br />

der finanzierenden Bank. Die Haftung der Bank<br />

steht dem Gr<strong>und</strong>e nach nicht mehr im Streit. Anleger<br />

<strong>und</strong> Bank streiten insbesondere um die Frage,<br />

mit welchem Inhalt der Anleger die Übertragung<br />

der Fondsbeteiligung an die Bank vornehmen muss<br />

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<strong>und</strong> ob sich diese in Annahmeverzug befindet. Der<br />

Anleger hatte Schadenersatz <strong>und</strong> Freistellung von<br />

einer Finanzierung Zug um Zug gegen Abgabe eines<br />

Angebots auf Übertragung der von ihm gezeichneten<br />

Fondsbeteiligung <strong>und</strong> Abtretung aller <strong>Recht</strong>e<br />

aus dieser Beteiligung an die Bank gefordert.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bejahte diesen Anspruch auf Schadenersatz<br />

Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher <strong>Recht</strong>e<br />

aus der Beteiligung. Dies gelte auch dann, wenn<br />

die Übertragung der Fondsanteile von der Zustimmung<br />

Dritter abhängig ist. Etwaige Schwierigkeiten<br />

in diesem Bereich fallen in die Verantwortung der<br />

schadenersatzpflichtigen Bank. Das Gegenrecht<br />

eines Schädigers kann sich nur auf <strong>Recht</strong>spositionen<br />

beziehen, die der geschädigte Kapitalanleger aufgr<strong>und</strong><br />

der Zeichnung - hier der mittelbaren Fondsbeteiligung<br />

- erworben hat.<br />

Der Anleger hatte der Bank die Abtretung seiner<br />

<strong>Recht</strong>e aus der Fondsbeteiligung <strong>und</strong> dem Treuhandvertrag<br />

angeboten. Dies ist ausreichend.


Fazit<br />

Im Falle der schadensrechtlichen Rückabwicklung<br />

einer mittelbaren Fondsbeteiligung muss der geschädigte<br />

Kapitalanleger dem Schädiger als Zug um<br />

Zug zu gewährende Leistung lediglich die Abtretung<br />

seiner <strong>Recht</strong>e aus der Beteiligung bzw. dem<br />

Treuhandvertrag anbieten. Ist eine Übertragung von<br />

der Zustimmung Dritter abhängig, liegt es im Risikobereich<br />

des Schädigers, dass der Dritte die Zustimmung<br />

erteilt.<br />

2. Zur Frage, wann ein Treugeber einer<br />

Publikums-Personengesellschaft im<br />

Innenverhältnis die Stellung eines<br />

unmittelbaren Gesellschafters hat<br />

(BGH, Urt. v. 11.10.2011, II ZR 242/09)<br />

Sachverhalt<br />

Eine Anlegerin hatte sich - mittelbar über eine Treuhänderin<br />

- an einem geschlossenen Immobilienfonds<br />

in der <strong>Recht</strong>sform einer oHG beteiligt. Die<br />

Fondsgesellschaft befindet sich in Liquidation. Sie<br />

fordert von der (mittelbar beteiligten) Anlegerin die<br />

Zahlung eines Liquidations-Fehlbetrages. Die Anlegerin<br />

hat in der Beitrittserklärung bestätigt, sowohl<br />

den Gesellschafts- als auch den Treuhandvertrag für<br />

sich verbindlich anzuerkennen. Im Treuhandvertrag<br />

war u.a. geregelt, dass die Gesellschaftseinlage dem<br />

Treugeber gebührt <strong>und</strong> dieser wie ein unmittelbar<br />

beteiligter Gesellschafter zu behandeln sei.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH hob die die Klage der Fondsgesellschaft abweisende<br />

Entscheidung des Berufungsgerichts auf.<br />

Es entspreche der ständigen <strong>Recht</strong>sprechung des<br />

BGH, dass im Falle einer sog. offenen oder qualifizierten<br />

Treuhand die an der Gesellschaft Beteiligten<br />

ihr gesellschaftliches Innenverhältnis so gestalten<br />

können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter<br />

wären.<br />

Bei Publikumsgesellschaften ist eine solche Gestaltung<br />

regelmäßig anzunehmen, wenn die mittelbare<br />

Beteiligung von Anlegern <strong>und</strong> damit eine Verzahnung<br />

von Gesellschaft <strong>und</strong> Treuhand von vornherein<br />

vorgesehen ist <strong>und</strong> der Gesellschaftsvertrag<br />

entsprechende <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten der Anleger<br />

regelt.<br />

In der Beitrittserklärung wurde dem Anleger deutlich<br />

vor Augen geführt, dass seine <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten<br />

als mittelbar beteiligter Gesellschafter den <strong>Recht</strong>en<br />

<strong>und</strong> Pflichten eines unmittelbar Beteiligten Gesell-<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

schafters entsprechen. Der über einen Treuhänder<br />

beteiligte Treugeber ist im Außenverhältnis der Haftung<br />

ausgesetzt <strong>und</strong> kann auch im Innenverhältnis<br />

auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Dies<br />

gilt jedenfalls dann, wenn der Treuhänder seinen<br />

Freistellungsanspruch abtritt.<br />

Zugleich weist der BGH darauf hin, dass die nach<br />

Auflösung der Gesellschaft bestehende Verlustausgleichspflicht<br />

aus dem Gesetz folgt <strong>und</strong> anders als<br />

die nachträgliche Begründung einer Nachschusspflicht<br />

nicht von der Zustimmung jedes einzelnen<br />

Gesellschafters abhängig ist.<br />

Fazit<br />

Auch einem nur mittelbar über einen Treuhänder<br />

beteiligtem Gesellschafter einer Publikums-Personengesellschaft<br />

sollte klar sein, dass er regelmäßig<br />

wie ein unmittelbar beteiligter Gesellschafter behandelt<br />

wird. Ihm stehen Ausschüttungen oder Ansprüche<br />

auf einen Liquidationserlös zu. Er muss aber<br />

- jedenfalls bei entsprechender <strong>Recht</strong>sform - auch<br />

für einen Liquidationsfehlbetrag geradestehen. Ein<br />

Treuhänder ist nicht durch § 242 BGB daran gehindert,<br />

seinen Freistellungsanspruch gegen den Treugeber<br />

geltend zu machen oder diesen Freistellungsanspruch<br />

an die Gesellschaft abzutreten.<br />

3. Der Streitgegenstand ist entscheidend -<br />

Zur Frage, wann ein Anleger ein zweites<br />

Mal auf Schadenersatz klagen kann<br />

(OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.05.2012,<br />

17 W 36/12)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Ehepaar kaufte 1996 zwecks Steuerersparnis<br />

ohne Einsatz von Eigenmitteln eine Eigentumswohnung.<br />

Der Erwerb wurde durch einen Vermittler<br />

empfohlen. Zur Finanzierung des Gesamtaufwandes<br />

schloss das Ehepaar einen Darlehensvertrag bei einer<br />

Bank sowie zwei nacheinander anzusparende<br />

Bausparverträge mit der Bausparkasse. Eine Schadenersatzklage<br />

des Ehepaars gegen die Bausparkasse<br />

im Jahr 2001 wurde rechtskräftig abgewiesen.<br />

Jetzt begehren die Eheleute Prozesskostenhilfe, um<br />

die Bausparkasse mit neuen Argumenten erneut auf<br />

Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht<br />

wies ihren PKH-Antrag mit der Begründung<br />

zurück, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Karlsruhe hob diesen Beschluss auf. Im<br />

Rahmen der gebotenen summarischen Betrachtung<br />

35


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

36<br />

sei die Erfolgsaussicht der neuen Schadenersatzklage<br />

zu Unrecht verneint worden. Entscheidend<br />

sei, ob die Streitgegenstände unterschiedlich seien.<br />

Beim Schadenersatzprozess im Jahr 2001 war es<br />

aber nicht um die Frage gegangen, ob die Anleger<br />

über Innenprovisionen durch den Vertrieb arglistig<br />

getäuscht wurden <strong>und</strong> ob die Bausparkasse Kenntnis<br />

über die arglistige Täuschung hatte.<br />

Auch wenn die Voraussetzungen für die Zurechnung<br />

einer Kenntnis streng sind, konnte dies im<br />

vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen<br />

werden. Die Täuschung eines Vermittlers durch<br />

Fehlangaben zum Anlageobjekt oder zur Rendite<br />

oder zu den Innenprovisionen begründet eine Haftungsverantwortlichkeit<br />

der Bank oder Sparkasse<br />

nur dann, wenn sie sich selbst arglistig verhält bzw.<br />

an unlauteren Machenschaften von Verkäufern oder<br />

Vertrieb beteiligt ist oder hierüber einen Wissensvorsprung<br />

hat. Die von den Anlegern behauptete<br />

Kenntnis der Bausparkasse über eine erhöhte Innenprovision<br />

war nicht Gegenstand des Ursprungsprozesses.<br />

Die Erfolgsaussichten einer Klage müssen<br />

deshalb vom Landgericht erneut überprüft werden.<br />

Fazit<br />

Da es um einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe<br />

ging, werden die Erfolgsaussichten<br />

lediglich summarisch überprüft. Erst spät stellte<br />

sich heraus, wie stark die Badenia Bausparkasse<br />

in anderen Verfahren über die Vertriebsaktivitäten<br />

<strong>und</strong> Vertriebsmethoden Bescheid wusste. Deshalb<br />

konnte den Anlegern hier auch nicht von vornherein<br />

grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Weder<br />

sie noch die sie damals vertretenden Anwälte mussten<br />

Kenntnis von der Mitwirkung bzw. „Mitwisserschaft“<br />

der Bausparkasse haben. Auch von einer<br />

grob fahrlässigen Unkenntnis konnte in diesem Fall<br />

nicht ausgegangen werden.<br />

4. Zur Verlustausgleichspflicht einer<br />

Publikums-GbR nach Auflösung der<br />

Gesellschaft<br />

(BGH, Urt. v. 15.11.2011, II ZR 272/09)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger trat im Jahr 1994 einem geschlossenen<br />

Immobilienfonds bei, der in der <strong>Recht</strong>sform einer<br />

BGB-Gesellschaft gegründet wurde. Zweck des<br />

Fonds war es, eine Wohnanlage zu errichten <strong>und</strong><br />

zu bewirtschaften. Der Gesellschaftsvertrag enthielt<br />

eine quotale Haftungsbeschränkung (Haftung der<br />

Höhe nach unbegrenzt, aber nur bezogen auf die<br />

Beteiligungsquote). Beschlussfassungen über die<br />

Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung<br />

der Gesellschaft bedurften einer ¾-Mehrheit.<br />

Die Gesellschafterversammlung des Fonds fasste<br />

im Jahr 2007 mit der erforderlichen Mehrheit den<br />

Beschluss, die gesellschaftseigene Immobilie zu<br />

veräußern <strong>und</strong> die Gesellschaft zu liquidieren. Ein<br />

Steuerberater <strong>und</strong> Wirtschaftsprüfer erstellte eine<br />

Liquidationseröffnungsbilanz. Die Gesellschafter beschlossen<br />

mit einfacher Mehrheit, die Liquidationseröffnungsbilanz<br />

als Schlussbilanz anzuerkennen.<br />

Der Liquidator wurde angewiesen, zum Ausgleich<br />

von Unterdeckungen erforderliche Nachschüsse bei<br />

den Gesellschaftern einzufordern.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bestätigte die <strong>Recht</strong>mäßigkeit der auf § 735<br />

BGB gestützten Nachschussforderung. Die Verpflichtung<br />

zur Zahlung eines Verlustausgleichs ergebe sich<br />

kraft Gesetzes. Die quotale Beschränkung der Gesellschafterhaftung<br />

im Gesellschaftsvertrag betreffe<br />

das Außenverhältnis. Die Verlustausgleichshaftung<br />

betreffe hingegen die Haftung im Innenverhältnis.<br />

Bei der Innen- <strong>und</strong> Außenhaftung handele es sich um<br />

unterschiedliche Haftungsebenen. Diese sind in ihren<br />

Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen nicht vergleichbar.<br />

Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die<br />

Haftung im Innen- <strong>und</strong> Außenverhältnis aufgr<strong>und</strong><br />

einer eindeutigen Vereinbarung ausnahmsweise<br />

deckungsgleich ist. Der Beschluss, die Liquidationseröffnungsbilanz<br />

als Schlussbilanz anzuerkennen,<br />

war ebenfalls nicht unwirksam. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt<br />

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im <strong>Recht</strong> der BGB-Gesellschaft das Einstimmigkeitserfordernis.<br />

Dieses kann durch das Mehrheitsprinzip<br />

ersetzt werden. Verlangt der Gesellschaftsvertrag<br />

einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen <strong>Recht</strong>s für<br />

die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als<br />

Gr<strong>und</strong>lage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung<br />

der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit,<br />

ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss<br />

von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt,<br />

nach der Beschlüsse gr<strong>und</strong>sätzlich mit einfacher<br />

Mehrheit zu fassen sind.<br />

Fazit<br />

Die im Stadium der Abwicklung einer BGB-Gesellschaft<br />

erstellte Auseinandersetzungsbilanz dient<br />

dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktivvermögens<br />

mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft<br />

festzustellen, ob <strong>und</strong> in welcher Höhe ein Überschuss<br />

verteilt werden kann oder von den Gesellschaftern<br />

Nachschüsse benötigt werden. Bei Verlustausgleichsansprüchen<br />

im Innenverhältnis handelt<br />

es sich um Forderungen der Gesellschaft, die das zur<br />

Begleichung der Verbindlichkeiten <strong>und</strong> Erstattung<br />

der Einlagen unzureichende Aktivvermögen ergänzen.<br />

Drinnen (in einer BGB-Gesellschaft) ist man in<br />

aller Regel schnell. Das Wiederherauskommen ist<br />

häufig mühseliger <strong>und</strong> kann manchmal auch eine<br />

größere finanzielle Belastung darstellen.<br />

(Anmerkung: Um denselben Themenkomplex ging<br />

es auch im BGH-Urteil II ZR 266/09, ebenfalls vom<br />

15.11.2011)<br />

5. Zu den Anforderungen an einen wich-<br />

tigen Gr<strong>und</strong>, um ein (langfristiges)<br />

Beteiligungsverhältnis an einer<br />

BGB-Gesellschaft außerordentlich<br />

zu kündigen<br />

(BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 2/11)<br />

Sachverhalt<br />

In dieser Entscheidung ging es ebenfalls um eine<br />

Anlegerin, die sich als Ratensparerin langfristig an<br />

einem geschlossenen Fonds in der <strong>Recht</strong>sform einer<br />

BGB-Gesellschaft beteiligt hatte. Sie hatte sich zur<br />

Leistung einer Einmal-Anlage verpflichtet sowie zur<br />

Bezahlung monatlicher Raten über einen Zeitraum<br />

von 30 Jahren. Die Anlegerin zahlte den Einmal-<br />

Beitrag <strong>und</strong> leistete Raten für fünf Monate, bevor<br />

sie die Zahlungen einstellte <strong>und</strong> später die Beitrittserklärung<br />

anfocht <strong>und</strong> widerrief.<br />

Zuvor war über das Vermögen einer Gründungsge-<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

sellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.<br />

Nach Anfechtung <strong>und</strong> Widerruf wurde das<br />

Insolvenzverfahren über die zweite Gründungsgesellschafterin<br />

eröffnet.<br />

Die Fondsgesellschaft forderte die Bezahlung rückständiger<br />

Monatsraten.<br />

Entscheidung<br />

Zunächst befasste sich das Gericht mit Fragen<br />

gesetzlicher <strong>und</strong> vertraglich vereinbarter Widerrufsrechte.<br />

Bei vertraglich vereinbarten Widerrufsrechten<br />

entspreche es nicht dem Willen des die<br />

Widerrufsmöglichkeit Einräumenden, nicht bestehende<br />

Belehrungspflichten übernehmen <strong>und</strong> erfüllen<br />

zu wollen. Sodann ging das Gericht der Frage<br />

nach, ob die Anlegerin zur außerordentlichen Kündigung<br />

ihrer Beteiligung berechtigt war. Sie stützte<br />

das Kündigungsrecht auf die Insolvenz einer der<br />

Gründungsgesellschafterinnen. Allerdings lagen<br />

zwischen Insolvenz <strong>und</strong> Kündigung aus wichtigem<br />

Gr<strong>und</strong> fast drei Jahre. Wird ein Kündigungsrecht<br />

in Kenntnis des Bestehens seines Gr<strong>und</strong>es über einen<br />

längeren Zeitraum nicht ausgeübt, kann eine<br />

tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass der<br />

Kündigungsgr<strong>und</strong> nicht so schwer wiegt, dass dem<br />

Kündigenden die Fortsetzung der Gesellschaft<br />

unzumutbar ist oder dass der Gr<strong>und</strong> dieses Ge-<br />

Bildquelle: © Kzenon - Fotolia.com<br />

Bildqelle: © xmasarox - Fotolia.com<br />

37


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

38<br />

wicht jedenfalls in der Zwischenzeit verloren hat.<br />

Hinzu kommt, dass bei einer Publikumsgesellschaft<br />

die Insolvenz eines Gesellschafters regelmäßig zum<br />

Ausscheiden des Gesellschafters <strong>und</strong> zur Fortsetzung<br />

der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern<br />

führt. Angesichts eines solchen jederzeit<br />

möglichen Ereignisses bedürfte es besonderer<br />

Umstände, wenn ein Gesellschafter gleichwohl die<br />

Gesellschaft aus wichtigem Gr<strong>und</strong> zu kündigen<br />

berechtigt sein soll. Da das Berufungsgericht - von<br />

seinem Standpunkt aus zu <strong>Recht</strong> - keine Feststellungen<br />

zu Pflichtverletzungen getroffen hat, die<br />

ggf. auch ein außerordentliches Kündigungsrecht/<br />

Sonderkündigungsrecht begründen konnten, hob<br />

der BGH das die Klage abweisende Berufungsurteil<br />

auf <strong>und</strong> wies die Sache zur erneuen Verhandlung<br />

zurück.<br />

Fazit<br />

Im Falle eines Sonderkündigungsrechtes (z.B. auch<br />

wegen Aufklärungspflichtverletzungen infolge Prospektfehlers)<br />

gelten die Gr<strong>und</strong>sätze der fehlerhaften<br />

Gesellschaft. Ein Gesellschafter scheidet mit Zugang<br />

der außerordentlichen Kündigung mit Wirkung „ex<br />

nunc“ aus der Publikums-Personengesellschaft aus.<br />

Er bleibt zur Zahlung rückständiger <strong>und</strong> noch nicht<br />

erbrachter (Einlage-)Leistungen verpflichtet. Diesen<br />

Anspruch kann eine Beteiligungsgesellschaft jedoch<br />

mehr isoliert geltend machen. Sie spielt im Rahmen<br />

der Feststellung des Abfindungsanspruchs eine Rolle.<br />

Insoweit werden die gegenseitigen Ansprüche zu<br />

unselbstständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung.<br />

6. Zum Kündigungsrecht eines<br />

BGB-Gesellschafters, der sich für einen<br />

langen Zeitraum gegenüber der Gesell-<br />

schaft zur Erbringung von Sparraten<br />

verpflichtet hat<br />

(BGH, Urt. v. 22.05.2012, II ZR 205/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger beteiligte sich an einem geschlossenen<br />

Fonds in der <strong>Recht</strong>sform einer BGB-Gesellschaft.<br />

Die Erklärung des Beitritts war in verschiedenen Varianten<br />

möglich. Neben der Kündigungsmöglichkeit<br />

zum Ende des 12. Beteiligungsjahres gab es Kündigungsmöglichkeiten<br />

zum Ende des 19., 26., 31.<br />

oder 41. Beteiligungsjahres.<br />

Der Anleger wählte einen Vertragszeitraum von<br />

30 Jahren <strong>und</strong> verpflichtete sich zur Zahlung monatlicher<br />

Raten in Höhe von 50,00 € zzgl. 5 %<br />

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Agio. Nach der Bezahlung zweier Raten stellte<br />

er weitere Zahlungen ein. Die Fondsgesellschaft<br />

machte rückständige Beiträge geltend. Der Anleger<br />

berief sich auf ein Widerrufsrecht <strong>und</strong> hilfsweise<br />

darauf, die Beteiligung wirksam gekündigt<br />

zu haben.<br />

Entscheidung<br />

Nach § 723 Abs. 3 BGB ist eine Vereinbarung,<br />

durch welche das Kündigungsrecht bei einer BGB-<br />

Gesellschaft ausgeschlossen oder diesen Vorschriften<br />

zuwider beschränkt wird, nichtig. Bei dieser<br />

<strong>Recht</strong>snorm setzte der BGH an <strong>und</strong> führte aus,<br />

dass es gr<strong>und</strong>sätzlich der allgemeinen Vertragsfreiheit<br />

entspricht, rechtsgeschäftliche Bindungen<br />

über einen langen Zeitraum eingehen zu können.<br />

Eine Grenze bilden die §§ 138, 242 <strong>und</strong> 723 Abs.<br />

3 BGB, ggf. auch § 307 Abs. 1 BGB, soweit Vertragsbedingungen<br />

vom gesetzlichen Leitbild unangemessen<br />

abweichen.<br />

Eine langfristige Bindung ist immer dann sittenwidrig,<br />

wenn durch sie die persönliche <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Handlungsfreiheit so beschränkt wird,<br />

dass die eine Seite der anderen in einem nicht<br />

mehr hinnehmbaren Maß „auf Gedeih <strong>und</strong> Verderb“<br />

ausgeliefert ist.<br />

Jedenfalls bei einem Anleger, der an der Publikums-


Personengesellschaft kapitalmäßig nur ganz gering<br />

beteiligt ist, stellt eine Beteiligungsdauer von 31 Jahren<br />

mit entsprechender Einzahlungspflicht eine solche<br />

unangemessene Benachteiligung dar. Hier ist<br />

die Bindung des Gesellschafters an die Gesellschaft<br />

zeitlich unüberschaubar. Infolge dessen wird seine<br />

persönliche <strong>und</strong> wirtschaftliche Betätigungsfreiheit<br />

unvertretbar eingeengt. Insoweit war die befristete<br />

Kündigungsausschlussklausel unwirksam.<br />

Anstelle der unwirksamen Klausel tritt das (dispositive)<br />

<strong>Recht</strong>. Nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB kann<br />

ein Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis jederzeit<br />

ordentlich kündigen. Deshalb war es nicht zu<br />

beanstanden, dass die Forderung der Gesellschaft<br />

gegen den Anleger nur als unselbstständiger Rechnungsposten<br />

im Rahmen der Berechnung des Abfindungsguthabens<br />

einzustellen war.<br />

Fazit<br />

Ob der Anleger im Rahmen der Berechnung seines<br />

vermutlich negativen Abfindungsguthabens noch<br />

einen Ausgleich schuldet, war vom BGH nicht zu<br />

entscheiden. Hierbei wird dann zu beachten sein,<br />

dass ein Anleger keinen Schadenersatzanspruch<br />

gegen die Fondsgesellschaft wegen Aufklärungspflichtverletzung<br />

durch Initiatoren bzw. Vertriebsorganisationen<br />

hat.<br />

7. Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen eines<br />

Widerrufs im Zusammenhang mit dem<br />

Erwerb von (fremdfinanzierten)<br />

Anteilen an geschlossenen Immobilien-<br />

fonds<br />

(OLG Brandenburg, Urt. v. 28.09.2011,<br />

4 U 196/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger beteiligte sich aufgr<strong>und</strong> der Empfehlung<br />

eines Anlagevermittlers an einem geschlossenen<br />

Immobilienfonds der Falk-Gruppe. Handelnde<br />

Person auf Seiten des Vermittlers war seinerzeit<br />

der Bruder des Anlegers. Der Anleger erwarb eine<br />

mittelbare Beteiligung. Die Einlagepflicht wurde<br />

über eine Bank fremdfinanziert. Die Zeichnung erfolgte<br />

am 22.12.2000. Die Endfinanzierung, die<br />

eine Zwischenfinanzierung ablöste, wurde am<br />

22.03./10.04.2001 eingedeckt. Im Prospekt ist eine<br />

Vertriebsbeauftragte genannt, an die die Kosten für<br />

die Eigenkapitalbeschaffung <strong>und</strong> das Agio bezahlt<br />

werden sollten. Die Vermittlerin war als Untervermittlerin<br />

der im Prospekt genannten Vertriebsbeauftragten<br />

tätig. Dass diese eine Provision erhielt,<br />

wurde dem Anleger im Verkaufsgespräch nicht mit-<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

geteilt. Nach Insolvenz der Falk-Gruppe wurde der<br />

Immobilienfonds im Rahmen einer außerordentlichen<br />

Gesellschafterversammlung aufgelöst. Das<br />

Fondsvermögen wurde zugunsten der Gläubigerbanken<br />

verwertet. Die Anleger fielen aus. Der Anleger<br />

widerrief seinen Darlehensvertrag <strong>und</strong> nimmt<br />

die kreditgebende Bank <strong>und</strong> den Anlagevermittler<br />

(Untervermittler) auf Schadenersatz wegen Aufklärungspflichten<br />

bzw. aufgr<strong>und</strong> des Widerrufs des<br />

Darlehensvertrages in Anspruch.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Brandenburg wies die Klagen sowohl<br />

gegen den Vermittler als auch die finanzierende<br />

Bank ab. Pflichtverletzungen des (Unter-)Vermittlers<br />

waren entweder nicht feststellbar oder jedenfalls<br />

verjährt. Eine Pflicht zur Offenlegung der<br />

Vertriebsprovision bestand im konkreten Fall nicht,<br />

denn die Provisionsgrenze von 15 % war nicht<br />

überschritten. Der Vorwurf weiterer Pflichtverletzungen,<br />

z.B. über die Sicherheit <strong>und</strong> Werthaltigkeit<br />

der Beteiligung, konnte dahingestellt bleiben,<br />

da dem Anleger sich spätestens mit Ausbleiben<br />

der halbjährlichen Ausschüttungen förmlich aufdrängen<br />

musste, dass sich der Fonds anders als erwartet<br />

entwickelte. Auch war in Geschäftsberichten<br />

für das Jahr 2004 bereits auf Unterdeckungen<br />

der Fondsgesellschaft hingewiesen worden. Den Geschäftsbericht<br />

hatte der Anleger spätestens im Jahr<br />

2006 erhalten. Die im Juli 2010 eingereichte Klage<br />

erfolgte daher nach Ablauf der Verjährungsfrist.<br />

Das Gericht verneinte sodann auch einen Anspruch<br />

gegen die finanzierende Bank nach dem<br />

Haustürwiderrufsrecht. Sinn dieses <strong>Recht</strong>s ist es,<br />

einen Betroffenen vor einer Überrumpelung zu<br />

schützen. Zwischen Zeichnung der Beteiligung<br />

<strong>und</strong> Abschluss des Darlehensvertrages lag aber<br />

ein Zeitraum von ca. 13 Wochen, so dass von<br />

einem zeitlichen Zusammenhang zwischen einer<br />

Haustürsituation <strong>und</strong> der Abgabe der Willenserklärung<br />

keine Indizwirkung für die Kausalität mehr<br />

ausging.<br />

Die finanzierende Bank hatte des Weiteren keine<br />

eigenen Aufklärungspflichten verletzt. Bei steuersparenden<br />

Bauherren-, Bauträger- <strong>und</strong> Erwerbermodellen<br />

ist eine kreditgebende Bank nach ständiger<br />

<strong>Recht</strong>sprechung nur unter ganz besonderen<br />

Voraussetzungen zur Risikoaufklärung des K<strong>und</strong>en<br />

über das finanzierte Geschäft verpflichtet. In<br />

Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens<br />

der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder<br />

Vertreiber des finanzierten Objekts kann sich der<br />

Anleger jedoch unter einer Beweiserleichterung<br />

in Form einer widerleglichen Vermutung auf ei-<br />

39


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

40<br />

nen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten<br />

Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang<br />

mit einer arglistigen Täuschung des<br />

Anlegers durch unrichtige Angaben des Vermittlers,<br />

Verkäufers oder von Fondsinitiatoren oder<br />

auch durch unrichtige Angaben des Fondsprospektes<br />

berufen. Im konkreten Fall konnte der Anleger<br />

aber weder etwas zur Täuschungshandlung<br />

noch zur Arglist des Vermittlers vortragen.<br />

Schließlich verneinte das Gericht das Vorliegen<br />

eines verb<strong>und</strong>enen Geschäftes. Es ließen sich bereits<br />

keine ausreichenden Indizien für eine objektive<br />

Einheit zwischen Fondsbeitritt <strong>und</strong> Darlehensvertrag<br />

finden. Es fehlte des Weiteren an einem<br />

persönlichen Kontakt zwischen dem Anleger <strong>und</strong><br />

der finanzierenden Bank.<br />

Fazit<br />

Damit Kreditvertrag <strong>und</strong> finanziertes Geschäft als<br />

wirtschaftliche Einheit <strong>und</strong> damit als ein verb<strong>und</strong>enes<br />

Geschäft anzusehen sind, ist im Regelfall<br />

erforderlich, dass sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung<br />

oder dem Abschluss des Kreditvertrages<br />

der Mitwirkung des Verkäufers bedient hat <strong>und</strong><br />

der Vertrieb dem Interessenten zusammen mit<br />

dem Kauf- bzw. Beitrittsvertrag den Kreditantrag<br />

vorlegt. Voraussetzung ist des Weiteren, dass sich<br />

Finanzierungsvertrag <strong>und</strong> zu finanzierender Vertrag<br />

wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen<br />

Sinn erst durch den anderen erhält.<br />

8. Kein Auskunftsanspruch bei zu vernei-<br />

nender Interessenkollision<br />

(OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.02.2012,<br />

19 U 188/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger wickelte über seine Bank im Zeitraum<br />

von r<strong>und</strong> fünf Jahren 23 Wertpapiergeschäfte ab.<br />

Das Volumen betrug mehr als 600.000,00 €. Er begehrt<br />

nunmehr für jede einzelne Transaktion Auskunft<br />

über die von der Bank erhaltenen Provisionen<br />

(Zuführungs-, Bestands- <strong>und</strong> sonstige Provisionen,<br />

insbesondere sog. Rückvergütungen).<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht wies die Klage ab. Zwar läge den Wertpapiertransaktionen<br />

jeweils ein Beratungsvertrag<br />

zugr<strong>und</strong>e. Dabei handele es sich um einen unentgeltlichen<br />

Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter<br />

im Sinne der §§ 611, 675, 662 BGB.<br />

Allerdings richteten sich Inhalt <strong>und</strong> Umfang der<br />

Auskunfts- <strong>und</strong> Rechenschaftspflicht nach Treu<br />

<strong>und</strong> Glaube, der Verkehrssitte <strong>und</strong> den Umständen<br />

des Einzelfalls, sofern besondere Vereinbarungen<br />

fehlen. Inhalt <strong>und</strong> Grenzen der Informationspflicht<br />

beziehen sich dabei stets auf das konkrete<br />

<strong>Recht</strong>sverhältnis. Auch der Auskunftsanspruch<br />

nach § 666 BGB ist kein Selbstzweck. Er orientiert<br />

sich u.a. am Maßstab der Erforderlichkeit <strong>und</strong> der<br />

Zumutbarkeit. In Fällen, in denen die Gefahr einer<br />

Interessenkollision <strong>und</strong> damit das Bestehen einer<br />

Aufklärungspflicht über erhaltene Zuwendungen<br />

zu verneinen ist, fehlt es auch an einem konkreten<br />

Auskunftsinteresse. Bei „Verkaufsfällen“ ohne<br />

kommissionsrechtlichen Bezug fehlt es an der<br />

Verpflichtung, über das eigene Gewinninteresse<br />

aufzuklären, weil dieses offenk<strong>und</strong>ig ist. Es ist Sache<br />

des Anlegers, konkrete Anhaltspunkte dafür<br />

vorzutragen, dass es sich bei Erwerbsvorgängen<br />

um andere <strong>Recht</strong>sverhältnisse als Kaufverträge im<br />

Sinne von Eigengeschäften handelt.<br />

Mangels Aufklärungspflichtverletzung hatte sich<br />

die Bank im konkreten Fall nicht pflichtwidrig verhalten.<br />

Ein Anspruch aus § 667 BGB wurde deshalb<br />

verneint.<br />

Fazit<br />

Durch Urteil vom 25.06.2002 (XI ZR 239/01) hatte<br />

der BGH noch eine Vermutung dafür aufgestellt,<br />

dass es sich bei einem Wertpapiergeschäft<br />

im Regelfall um ein Kommissionsgeschäft handele.<br />

Ob der BGH heute noch an dieser Auffassung<br />

festhält, ist fraglich <strong>und</strong> wurde auch vom OLG<br />

Frankfurt in Zweifel gezogen, denn mit den Lehman-Entscheidungen<br />

vom 27.09.2011 hat der<br />

BGH eine Offenlegungspflicht einer Bank hinsichtlich<br />

erhaltener Zuwendungen oder Gewinne<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich verneint. Dabei ging er - ohne dies<br />

näher darzulegen - von Wertpapiertransaktionen<br />

in Form von Kaufgeschäften aus. Jedenfalls ein<br />

sehr erfahrener Anleger, der seine Bank nicht bezahlt,<br />

müsste davon ausgehen, dass eine Bank<br />

bei der Besorgung von Wertpapieren Provisionen<br />

vereinnahmt oder eine Gewinnmarge einkalkuliert<br />

hat. Mit der Auftragserteilung soll - jedenfalls<br />

der erfahrene Anleger - konkludent seine<br />

Einwilligung erteilen, dass eine die Order ausführende<br />

Bank auch bei einem Kommissionsgeschäft<br />

eine Provision einkalkulieren <strong>und</strong> behalten<br />

darf. Letzteres erscheint zweifelhaft, denn<br />

es geht nicht nur um das „Ob“ einer Provision,<br />

sondern auch deren Höhe. Die Ausführungen<br />

des OLG Frankfurt überzeugen deshalb nur im<br />

Hinblick auf Wertpapiergeschäfte im Sinne von<br />

Eigengeschäften („Verkaufsfälle“).


9. Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung<br />

kann die Gesellschaft die Einlagever-<br />

pflichtung unmittelbar fordern<br />

(BGH, Urt. v. 18.09.2012, II ZR 201/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger war über einen Treuhandkommanditisten<br />

mittelbar an einem Immobilienfonds beteiligt.<br />

Er hatte sich verpflichtet, seine Einlage in 190 Monatsraten<br />

zu leisten. Nach sieben Jahren stellte er die<br />

Zahlungen ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der<br />

Fondsgesellschaft waren mittelbar beteiligte Gesellschafter<br />

im Innenverhältnis unmittelbar beteiligten<br />

Gesellschaftern gleichgestellt. Laut Gesellschaftsvertrag<br />

schieden Gesellschafter, die ihre Einzahlungen<br />

gem. vereinbarten Einzahlungsplan nicht vertragsgerecht<br />

erfüllten, unter bestimmten Voraussetzungen<br />

aus der Gesellschaft aus. Soweit die Voraussetzungen<br />

für ein Ausscheiden nicht vorlagen, regelte<br />

der Gesellschaftsvertrag, dass die Gesamteinlage<br />

des Gesellschafters herabgesetzt wird.<br />

Die Fondsgesellschaft nahm den Anleger auf Bezahlung<br />

nicht mehr geleisteter Raten in Anspruch.<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Entscheidung<br />

Der BGH verneinte einen (weiteren) Anspruch der<br />

Fondsgesellschaft. Anders als das Berufungsgericht<br />

scheiterte die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs<br />

aber nicht an der der Fondsgesellschaft fehlenden<br />

Aktivlegitimation. Da der mittelbar beteiligte<br />

Gesellschafter im Innenverhältnis die Stellung eines<br />

unmittelbaren Gesellschafters erlangt hat, konnte<br />

die Gesellschaft einen gegen einen Treugeber gerichteten<br />

Anspruch auf Leistung unmittelbar als Anspruch<br />

aus eigenem <strong>Recht</strong> geltend machen.<br />

Hier scheiterte der Anspruch<br />

der Fondsgesellschaft<br />

aber daran, dass<br />

laut Gesellschaftsvertrag<br />

ein Gesellschafter, der<br />

seine Ratenverpflichtungen<br />

nicht mehr erbringt,<br />

entweder aus der<br />

Gesellschaft ausscheidet<br />

oder die Höhe der Beteiligung<br />

abgesenkt wird.<br />

Die Herabsetzung der<br />

Gesamteinlage war dabei<br />

auch nicht von einer Entscheidung der Fondsgesellschaft<br />

abhängig. Nach dem Wortlaut der Regelung<br />

des Gesellschaftsvertrages war die Herabsetzung<br />

der Gesamteinlage die zwingende Folge eines nicht<br />

zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führenden<br />

Abbruchs des Einzahlungsplanes. Die Herabsetzung<br />

der Gesamteinlage hat zur Folge, dass ein Gesellschafter<br />

oder Treugeber keine weiteren Raten mehr<br />

zu leisten hat. Der Anspruch der Fondsgesellschaft<br />

war deshalb abzuweisen.<br />

Fazit<br />

Die Entscheidung bringt vor allem in einem Punkt<br />

Klarheit: Der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch<br />

auf Leistung der Einlage kann unmittelbar<br />

von der Fondsgesellschaft geltend gemacht werden,<br />

wenn der mittelbar beteiligte Gesellschafter<br />

einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter im Innenverhältnis<br />

gleichgestellt ist. In den weiteren Entscheidungsgründen<br />

ging es um die Frage der Auslegung<br />

gesellschaftsvertraglicher Regelungen. Hier<br />

wurde vom BGH genau differenziert, ob es um einen<br />

Verzicht der Fondsgesellschaft auf weitere Einlagen<br />

ginge (hier verbietet sich im Allgemeinen die<br />

Annahme, ein Gläubiger wolle auf ein <strong>Recht</strong> wieder<br />

ohne weiteres verzichten) bzw. ob der Anspruch der<br />

Fondsgesellschaft von vornherein nur beschränkt<br />

vorhanden war. Der BGH nahm letzteres an, zumal<br />

sich die Herabsetzung der Gesamteinlage zugleich<br />

zum Nachteil des betroffenen Gesellschafters auswirkt.<br />

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41


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

42<br />

10. Freistellungsanspruch des Treuhänders<br />

geht möglichem Schadenersatzanspruch<br />

aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung<br />

des Treuhänders vor<br />

(BGH, Urt. v. 18.10.2012, III ZR 150/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger hatte sich mittelbar über einen Treuhänder<br />

an einer Immobilienfondsgesellschaft beteiligt.<br />

Gegenstand war der Erwerb <strong>und</strong> die Bebauung<br />

sowie anschließende Vermietung <strong>und</strong> Verwaltung<br />

von Wohngebäuden im geförderten freifinanzierten<br />

Wohnungsbau. Die Treugeber waren im Innenverhältnis<br />

unmittelbar Beteiligten Gesellschaftern<br />

gleichgestellt. Der Treugeber stellte den Treuhänder<br />

von Pflichten, die das Treuhandverhältnis betreffen,<br />

frei. Der Gesellschaftsvertrag sah eine quotale<br />

Haftung der Gesellschafter vor.<br />

Mit seiner Klage begehrte der Treuhänder zunächst<br />

Freistellung von der Forderung auf Rückzahlung<br />

eines anteiligen Darlehensbetrages. Im Berufungsverfahren<br />

stellte er den Freistellungsanspruch auf einen<br />

Zahlungsanspruch um. Der Anleger berief sich<br />

- u.a. - auf Gegenansprüche gegen den Treuhänder<br />

wegen Verletzung von Aufklärungspflichten.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bejahte einen Zahlungsanspruch. Nachdem<br />

sich der Anleger geweigert hatte, den Treuhänder<br />

von einem Anspruch eines Gesellschaftsgläubigers<br />

freizustellen, konnte unmittelbar Schadenersatz in<br />

Geld gefordert werden.<br />

Der Anspruch war auch begründet, denn aus den<br />

Abreden im Treuhandvertrag folgte u.a. die Pflicht,<br />

dass der Anleger im Innenverhältnis quotal für Ansprüche<br />

auf Rückzahlung eines der Fondsgesellschaft<br />

gewährten Darlehens haftet. Gegen diesen<br />

Anspruch kann auch nicht mit einem möglichen<br />

Schadenersatzanspruch des Anlegers wegen Verletzung<br />

von Aufklärungspflichten im Zusammenhang<br />

mit dem Eingehen der Beteiligung aufgerechnet<br />

werden. Hier gilt nichts anderes als im Hinblick auf<br />

einen an einen Insolvenzverwalter abgetretenen<br />

Freistellungsanspruch des Treuhänders. Über die gesetzlich<br />

oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle<br />

hinaus ist eine Aufrechnung verboten, wenn nach<br />

dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien<br />

begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss der<br />

Aufrechnung als stillschweigend vereinbart angesehen<br />

werden muss oder wenn die Natur der <strong>Recht</strong>sbeziehung<br />

oder der Zweck der geschuldeten Leistung<br />

eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als<br />

mit Treu <strong>und</strong> Glaube unvereinbar erscheinen lassen.<br />

Fazit<br />

Der BGH stellte klar, dass es keine Differenzierung<br />

zwischen „normalen“ <strong>und</strong> „bösgläubigen“ Gesellschaftsgläubigern<br />

gibt. Einem Gesellschaftsgläubiger,<br />

der weiß, dass die einzelnen Gesellschafter nur<br />

quotal haften <strong>und</strong> der weiterhin weiß, dass Treuhandverhältnisse<br />

begründet sind, hat zwar Kenntnis<br />

darüber, dass Störungen im Treuhandverhältnis<br />

seinen Zugriff auf das Vermögen der mittelbaren<br />

Gesellschafter erschweren können. Ein mittelbar<br />

beteiligter Gesellschafter soll aber gegenüber einem<br />

unmittelbar beteiligten Gesellschafter nicht besser<br />

gestellt werden. Es gilt der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />

mittelbar <strong>und</strong> unmittelbar beteiligter<br />

Gesellschafter. Ein Anleger kann deshalb nur solche<br />

Einwendungen geltend machen, die der Gesellschaft<br />

selbst zustehen (vgl. § 129 HGB).<br />

Quelle: © Photo-K - Fotolia.com<br />

11. Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs<br />

von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz<br />

(BGH, Urt. v. 27.11.2012, XI ZR 384/11 <strong>und</strong><br />

XI ZR 439/11)<br />

Sachverhalt<br />

Zwei Anleger hatten von einer Bank Lehman-Zertifikate<br />

erworben. In einem der Fälle war streitig, ob<br />

das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch<br />

erfolgt war. Im anderen Fall wurde der Kaufauftrag<br />

teilweise aufgr<strong>und</strong> von Telefonaten <strong>und</strong> teilweise<br />

aufgr<strong>und</strong> E-Mails ausgeführt. In beiden Fällen<br />

erklärten die Anleger den Widerruf aller von ihnen<br />

im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH verneinte einen Anspruch darauf, die auf<br />

Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichteten<br />

Willenserklärungen nach den Regeln über<br />

den Fernabsatz widerrufen zu können. Nach § 312d<br />

Abs. 4 Nr. 6 BGB kann eine auf Abschluss eines


Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung<br />

dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand<br />

des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen<br />

ist, deren Preis innerhalb der Widerrufsfrist<br />

Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt.<br />

Dabei sei - so der BGH - der Begriff des Preises<br />

nach der Systematik <strong>und</strong> der Gesetzgebungsgeschichte<br />

weit zu verstehen. Preis sei nicht nur<br />

der Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt<br />

selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. Preis<br />

im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB könnten<br />

vielmehr auch die Parameter sein, von denen der<br />

Wert des Finanzproduktes abhängt. Das war hier<br />

der Fall, da Bonuszahlungen <strong>und</strong> die Rückzahlung<br />

der Lehman-Zertifikate in Abhängigkeit von der<br />

Entwicklung dreier Aktienindizes während dreier<br />

aufeinander folgender Beobachtungszeiträume erfolgen<br />

sollten.<br />

Fazit<br />

Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d<br />

Abs. 4 Nr. 6 BGB beim Erwerb von Finanzdienstleistungen<br />

soll das Risiko eines zumindest mittelbar<br />

finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts<br />

mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide<br />

Parteien verteilen. Der Anleger soll einen drohenden<br />

Verlust aufgr<strong>und</strong> fallender Basiswerte innerhalb<br />

der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung<br />

des Widerrufsrechts auf einen Unternehmer abwälzen<br />

können, auch wenn der Anleger Verbraucher<br />

ist. Weil ein Widerrufsrecht hier nicht in Betracht<br />

kam, konnte das Vorliegen der sonstigen<br />

Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages dahinstehen.<br />

12. Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers<br />

über Name <strong>und</strong> Anschriften der weiteren<br />

Treugeber<br />

(BGH, Urt. v. 05.02.2013, II ZR 134/11 <strong>und</strong> II<br />

ZR 136/11)<br />

Sachverhalt<br />

Während in den 90er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Gesellschafter von Publikums-Personengesellschaften<br />

häufig noch unmittelbar beteiligt waren,<br />

überwiegt seit langem die mittelbare Beteiligung<br />

von Anlegern über einen Treuhandkommanditisten.<br />

Regelmäßig besteht in diesen Fällen dann auch die<br />

Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung als Kommanditist.<br />

Aufgr<strong>und</strong> zu erteilender <strong>und</strong> mit Kosten<br />

verb<strong>und</strong>ener Vollmachten wählen die meisten Anleger<br />

den anderen Weg. Im Gesellschaftsvertrag <strong>und</strong><br />

Treuhandvertrag wird die <strong>Recht</strong>sstellung des mittel-<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Bildquelle: © Kurhan - Fotolia.com<br />

bar beteiligten Gesellschafters <strong>und</strong> des unmittelbar<br />

beteiligten Gesellschafters gleichgestellt, d.h. dem<br />

mittelbar beteiligten Gesellschafter werden dieselben<br />

<strong>Recht</strong>e, insbesondere das <strong>Recht</strong> auf Teilnahme<br />

an Gesellschafterversammlungen <strong>und</strong> an der Abstimmung,<br />

eingeräumt.<br />

In den zwei nunmehr vom BGH entschiedenen Fällen<br />

ging es um den geltend gemachten Anspruch<br />

von mittelbar beteiligten Anlegern, Auskünfte über<br />

die Identität der anderen treugeberisch beteiligten<br />

Anleger zu bekommen. Sie haben vorgebracht,<br />

ohne diese Kenntnis ihre Gesellschafter- oder Treugeberrechte<br />

nicht ordnungsgemäß ausüben zu können.<br />

Die Anspruchsgegner (Fondsgesellschaft bzw.<br />

geschäftsführender Gesellschafter bzw. Treuhandkommanditist)<br />

haben eingewandt, die Treugeber<br />

hätten ein schützenswertes Anonymitätsinteresse.<br />

Außerdem bestünde die Gefahr der missbräuchlichen<br />

Verwendung der Daten.<br />

Entscheidung<br />

Der B<strong>und</strong>esgerichtshof hat die Entscheidungen der<br />

Oberlandesgerichte bestätigt, die den Anlegern<br />

einen Auskunftsanspruch zugestanden haben.<br />

Maßgeblicher Gesichtspunkt war dabei, dass die<br />

als Treugeber beigetretenen Anleger nach den Regelungen<br />

in den Gesellschaftsverträgen der Fondsgesellschaften,<br />

auf die die jeweiligen Treuhandverträge<br />

Bezug nahmen, im Innenverhältnis den als<br />

Kommanditisten beigetretenen Anlegern in <strong>Recht</strong>en<br />

<strong>und</strong> Pflichten gleichgestellt waren. Wegen dieser<br />

Gleichstellung besteht auch ein Interesse, mit den<br />

anderen Treugebern in Kontakt treten zu können.<br />

Da hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete<br />

Gefahr des Missbrauchs der Daten nicht dargelegt<br />

waren, wies der BGH die Revisionen zurück. In zwei<br />

Verfahren hatten die Beklagten ihre Revisionen bereits<br />

vor Verkündung der <strong>Urteile</strong> zurückgenommen.<br />

Fazit<br />

Bislang hat der BGH den Anspruch von Treugebern<br />

auf Auskunftserteilung in Fällen bejaht, in denen die<br />

Treugeber eine Innengesellschaft gebildet haben.<br />

Die beiden neuen Entscheidungen gehen darüber<br />

hinaus. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob den<br />

Treugebern vertraglich dieselben <strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten<br />

zugestanden werden wie direkt beteiligten Gesellschaftern.<br />

Da dies meist der Fall ist, besteht auch<br />

ein entsprechender Auskunftsanspruch.<br />

43


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

44<br />

13. Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen<br />

bei Publikums-Personengesellschaften<br />

(BGH, Urt. v. 16.10.2012, II ZR 251/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger war an einem geschlossenen Immobilienfonds<br />

in der <strong>Recht</strong>sform einer KG beteiligt.<br />

Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass Änderungen<br />

des Vertrages einer Mehrheit von ¾ der<br />

anwesenden Stimmen bedürfen. Sind 90 % oder<br />

mehr aller Stimmen auf fünf oder weniger Personen<br />

vereinigt, sind Beschlüsse, für die es ansonsten einer<br />

qualifizierten Mehrheit von 75 % bedarf, einstimmig<br />

zu fassen.<br />

Des Weiteren ist in der Satzung geregelt, dass die<br />

Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses nur<br />

durch Klage, die gegen die Gesellschaft zu richten<br />

ist, geltend gemacht werden kann.<br />

Aufgr<strong>und</strong> eines Beschlussantrages des Komplementär-Gesellschafters<br />

sollte die Vorschrift aufgehoben<br />

werden, dass es eines einstimmigen Beschlusses bedarf,<br />

wenn 90 % oder mehr aller Stimmen auf fünf<br />

oder weniger Personen vereinigt sind. Der Beschluss<br />

wurde gefasst. Hiergegen wendet sich der Anleger<br />

mit seiner Klage gegen die Gesellschaft.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH führt aus, dass die Klage zu <strong>Recht</strong> gegen<br />

die Gesellschaft erhoben worden ist. Die Nichtigkeit<br />

von Beschlüssen einer Gesellschafterversammlung<br />

einer KG werde zwar durch Feststellungsklage gegen<br />

die Mitgesellschafter geltend gemacht. Dies<br />

gelte aber nicht, wenn der Gesellschaftsvertag bestimmt,<br />

dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen<br />

ist.<br />

Der BGH führte dann weiter aus, dass der Beschluss<br />

über die Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses<br />

mit einer im Gesellschaftsvertrag bestimmten<br />

¾-Mehrheit gefasst werden konnte. Beschlüsse in<br />

einer Personengesellschaft sind gr<strong>und</strong>sätzlich einstimmig<br />

zu fassen, wenn <strong>und</strong> soweit nicht im Gesellschaftsvertrag<br />

für den betreffenden Beschlussgegenstand<br />

das Einstimmigkeitsprinzip durch das<br />

Prinzip einfacher oder qualifizierter Mehrheit ersetzt<br />

worden ist (vgl. § 709 Abs. 2 BGB), um die Handlungsfähigkeit<br />

der Gesellschaft sicherzustellen.<br />

Für die formelle Legitimation eines Mehrheitsbeschlusses<br />

genügt es gr<strong>und</strong>sätzlich, dass sich aus<br />

dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder durch<br />

Auslegung eindeutig ergibt, dass der jeweilige Beschlussgegenstand<br />

einer Mehrheitsunterscheidung<br />

unterworfen sein soll. Das war hier gesellschaftsvertraglich<br />

geregelt.<br />

Der Beschluss verletzte auch nicht treupflichtwidrig<br />

die <strong>Recht</strong>e der Minderheitsgesellschafter. Ist die<br />

Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von<br />

einer Regelung im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist<br />

auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als<br />

treuwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber<br />

der Minderheit darstellt <strong>und</strong> deshalb inhaltlich<br />

unwirksam ist. Gesellschaftsvertragliche Einstimmigkeitserfordernisse<br />

oder Sperrminoritäten gehören<br />

aber nicht zu dem Mehrheitsentscheidungen<br />

entzogenen Bereich der individuellen Mitgliedschaft<br />

des einzelnen Gesellschafters. Sie schützen<br />

die Minderheit insgesamt. Fasst die Mehrheit auf<br />

Gr<strong>und</strong>lage des geänderten Gesellschaftsvertrages<br />

künftig dann treuwidrige Entscheidungen zu Lasten<br />

der Minderheit, ist die Minderheit durch die gegen<br />

diese Beschlüsse gegebenen <strong>Recht</strong>sschutzmöglichkeiten<br />

hinreichend geschützt.<br />

Bildquelle: © rcx - Fotolia.com<br />

Fazit<br />

In der Entscheidung ging es noch um eine Reihe weiterer<br />

Streitpunkte, ob beispielsweise der Beschlussantrag<br />

die Einberufung einer außerordentlichen<br />

Gesellschafterversammlung rechtfertigte <strong>und</strong> ob<br />

bei einem schriftlichen Abstimmungsverfahren alle<br />

Gesellschafter als anwesend anzusehen seien. Hierzu<br />

stellte der BGH fest, dass auch im schriftlichen<br />

Abstimmungsverfahren Beschlüsse mit der qualifizierten<br />

Mehrheit gefasst werden konnten. Sollte<br />

dies anders sein, bedürfte es einer ausdrücklichen<br />

gesellschaftsvertraglichen Regelung. Anderenfalls<br />

sind unter der Mehrheit der anwesenden Stimmen<br />

bei schriftlicher Beschlussfassung nicht alle, sondern<br />

nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der<br />

schriftlichen Abstimmung beteiligen. Die Zustimmung<br />

jedes einzelnen Gesellschafters, somit auch<br />

derjenigen Gesellschafter, die an der Abstimmung<br />

nicht teilnehmen, ist dann erforderlich, wenn in den<br />

sog. individuellen „Kernbereich“ der Gesellschafterrechte<br />

eingegriffen wird. Dies ist beispielsweise der<br />

Fall, wenn Beitragserhöhungen beschlossen werden<br />

sollen. Die Änderung der KG-Satzung fiel nicht darunter.


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen<br />

<strong>und</strong> Finanzierung<br />

Immobilien oder auch Immobilienbeteiligungen<br />

stellen seit jeher einen wichtigen Baustein beim<br />

Vermögensaufbau <strong>und</strong> der Vermögensabsicherung<br />

dar. Während in den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren<br />

des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts insbesondere auch steuerliche<br />

Vergünstigungen beim Immobilienerwerb eine<br />

große Rolle spielten, steht heute der Nachhaltigkeits-<br />

<strong>und</strong> Renditegedanke an vorderer Stelle.<br />

Investitionen in Immobilien <strong>und</strong> Immobilienbeteiligungen<br />

haben auch ihre unrühmliche Seite. Manche<br />

Investition hat sich nicht so entwickelt wie erhofft.<br />

In diesen Fällen stellt sich dann wiederum die Frage,<br />

ob sich ein Anleger bei einem Dritten schadlos halten<br />

kann. Nicht selten wird versucht, die finanzierenden<br />

Banken in Anspruch zu nehmen. Bei diesen<br />

kommt es dann vor allem darauf an, ob sich ihre<br />

1. Aufklärungspflichten beim Gr<strong>und</strong>stückskauf<br />

(BGH, Urt. v. 11.11.2011, V ZR 245/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Käufer erwarb von einem geschiedenen Ehepaar<br />

ein Hausgr<strong>und</strong>stück, welches mit einem massiven<br />

Holzzaun eingefriedet war. In dieser Einfriedung war<br />

ein ca. 185 m² großer Gr<strong>und</strong>stücksteil des Nachbargr<strong>und</strong>stücks<br />

einbezogen. Für den unbefangenen<br />

Betrachter schien diese Teilfläche als zum verkauften<br />

Gr<strong>und</strong>stück zugehörig. Vor Abschluss des Kaufvertrages<br />

hatte einer der Verkäufer dem Käufer einen<br />

Ordner überlassen, in dem sich neben dem Exposé<br />

<strong>und</strong> anderen Unterlagen auch ein Lageplan des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks bef<strong>und</strong>en hatte. Der Käufer hatte die<br />

Unterlagen für die von ihm einzudeckende Finanzierung<br />

erbeten. Der Käufer machte nun wegen dieser<br />

Minderfläche einen Minderungsanspruch geltend<br />

Rolle ausschließlich auf diejenige eines Kreditgebers<br />

beschränkte. Nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung ist<br />

eine finanzierende Bank nämlich nicht verpflichtet,<br />

einen Darlehensnehmer über die Gefahren <strong>und</strong><br />

Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären<br />

<strong>und</strong> vor dem Vertragsschluss zu warnen.<br />

Dennoch kommen bei bestimmten Konstellationen<br />

auch Banken als Haftungsadressaten in Betracht.<br />

Dies gilt vor allem dann, wenn Banken aktiv Kapitalanlagen<br />

bewerben. Immer wenn eine Bank nicht<br />

nur Kreditgeber ist, sondern sich darüber hinaus am<br />

finanzierten Geschäft beteiligt oder wenn sich Banken<br />

wiederum in einem Interessenkonflikt befinden<br />

oder einen Wissensvorsprung besitzen, können sich<br />

- zusätzliche - Aufklärungspflichten ergeben. Werden<br />

diese nicht erfüllt, können sich Banken gegenüber<br />

dem Anleger haftbar machen.<br />

Bildquelle: © Kurhan - Fotolia.com<br />

<strong>und</strong> forderte die Feststellung, dass die Verkäufer<br />

die erforderlichen Rückbaukosten zu tragen haben,<br />

falls der Eigentümer des Nachbargr<strong>und</strong>stücks den<br />

Rückbau der eingezäunten Teilfläche fordert.<br />

Entscheidung<br />

Bei Vertragsverhandlungen besteht für jeden Vertragspartner<br />

die Pflicht, den anderen Teil über solche<br />

Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck<br />

des anderen vereiteln können <strong>und</strong> daher für den<br />

Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher<br />

Bedeutung sind. Im konkreten Fall bejahte<br />

der BGH eine Pflicht zur Aufklärung darüber, dass<br />

der in die Einfriedung einbezogene Gr<strong>und</strong>stücksteil<br />

45


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

46<br />

des Nachbarn nicht zum Kaufobjekt gehörig sei. Es<br />

ging sodann um die Frage, ob die Verkäufer mit der<br />

Übergabe des Ordners von Unterlagen, u.a. dem<br />

Lageplan des Gr<strong>und</strong>stücks, ihrer Aufklärungspflicht<br />

genügten. Dies verneinte der BGH. Ein Verkäufer<br />

erfülle mit der Übergabe von Unterlagen seine Aufklärungspflicht<br />

nur dann, wenn er aufgr<strong>und</strong> der<br />

Umstände die berechtigte Erwartung haben kann,<br />

dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke<br />

allgemeiner Information, sondern unter einem<br />

bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen<br />

wird. Die Verkäufer hatten behauptet, mündlich<br />

ausdrücklich auf den tatsächlichen Grenzverlauf<br />

hingewiesen zu haben. Hier fehlten diesbezügliche<br />

Aufklärungen des Berufungsgerichts, welches die<br />

Klage mangels arglistigen Verhaltens der Verkäufer<br />

abgewiesen hatte. Der <strong>Recht</strong>sstreit wurde deshalb<br />

an das Berufungsgericht zurückverwiesen.<br />

Fazit<br />

Lieber ein Hinweis mehr als einer zu wenig, kann<br />

man auch aus dem vorliegenden Sachverhalt als<br />

Schlussfolgerung ziehen. Und falls den beweisbelasteten<br />

Verkäufern der erforderliche Aufklärungsnachweis<br />

nicht gelingen sollte, gab der BGH gleich<br />

noch Hinweise, wie sich der Schadensersatzanspruch<br />

der Höhe nach bemisst: Zu ersetzen ist nicht<br />

die Differenz zwischen dem Wert des Gr<strong>und</strong>stücks<br />

mit <strong>und</strong> ohne Teilfläche, sondern der Betrag, um<br />

den der Käufer wegen der unterlassenen Aufklärung<br />

das verkaufte Gr<strong>und</strong>stück zu teuer erworben<br />

hat. Der Käufer ist also so zu behandeln, als wäre<br />

es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen,<br />

den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis<br />

abzuschließen.<br />

Bildquelle: © julien tromeur - Fotolia.com<br />

2. Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche<br />

einer verkauften Eigentumswohnung<br />

der Kaufpreis gemindert werden<br />

kann<br />

(OLG Saarbrücken, Urt. v. 01.12.2011,<br />

8 U 450/10)<br />

Sachverhalt<br />

Eine vermietete Eigentumswohnung wurde verkauft.<br />

Der Mietvertrag wurde dem Kaufvertrag als<br />

Anlage beigefügt. Die Mietfläche ist dort mit etwas<br />

mehr als 111 m² angegeben. Für den Käufer war<br />

die Größe der Wohnung ein entscheidendes Merkmal.<br />

Die Abrede über die Wohnungsgröße war aber<br />

nicht in den Kaufvertrag aufgenommen worden.<br />

Die tatsächliche Größe lag um knapp 10 % unter<br />

der im Mietvertrag ausgewiesenen Fläche. Der Käufer<br />

machte einen Anspruch auf Kaufpreisminderung<br />

geltend.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Saarbrücken gab ihm <strong>Recht</strong>. Auch wenn<br />

die Wohnfläche im notariellen Kaufvertrag nicht<br />

ausdrücklich vereinbart worden ist, wurde sie durch<br />

eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zum<br />

Vertragsgegenstand. Dass diese Abrede über das<br />

Vertrags-Soll nicht beurk<strong>und</strong>et wurde, ist unbeachtlich,<br />

denn der Formmangel war durch Eintragung<br />

des Käufers im Gr<strong>und</strong>buch geheilt worden. Darauf,<br />

dass die Flächenabweichung geringer als 10 % ist<br />

<strong>und</strong> nach der im Mietrecht geltenden Judikatur insoweit<br />

kein Anspruch auf Minderung des Mietzinses<br />

besteht, ist unbeachtlich.<br />

Fazit<br />

Ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises liegt<br />

vor, wenn die Kaufsache mangelbehaftet ist. Weicht<br />

die Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit<br />

ab, ist von einem Mangel auszugehen. Beim Wohnungskauf<br />

gilt die Mindestschwelle, die im Mietrecht<br />

gilt, nicht.<br />

3. Kapitalanlegereigentumswohnung:<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich keine Pflicht zur Aufklärung<br />

über die Höhe der Innenprovision<br />

(BGH, Urt. v. 05.06.2012, u.a. XI ZR 149/11)<br />

Sachverhalt<br />

Die Entscheidungen des BGH vom 05.06.2012 betreffen<br />

acht Parallelfälle, in denen Anleger fremdfinanzierte<br />

Eigentumswohnungen erworben hatten.<br />

Die finanzierende Bank betrieb aus einer notariellen


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Urk<strong>und</strong>e die Zwangsvollstreckung. Dagegen wandten<br />

sich die Anleger mit einer Vollstreckungsgegenklage.<br />

Sie warfen der Bank vor, über einen Wissensvorsprung<br />

verfügt zu haben <strong>und</strong> sie nicht über die<br />

Höhe der im Kaufpreis enthaltenen Vertriebsprovision<br />

(Innenprovision) aufgeklärt zu haben. Für<br />

den Erwerb der Wohnungen war mittels eines Verkaufsprospektes<br />

geworben worden. In diesem war<br />

zu lesen, dass für den Erwerb der Immobilie 76,7 %<br />

auf Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb <strong>und</strong> Marketing<br />

entfiel. Dass im Kaufpreis eine Vertriebsprovision<br />

in Höhe von 18,24 % eingepreist war, war<br />

nicht offengelegt. In Vermittlungsaufträgen <strong>und</strong> Berechnungsbeispielen<br />

wurde auf eine Bearbeitungsgebühr<br />

in Höhe von 3,42 % des Gesamtaufwandes<br />

hingewiesen.<br />

Entscheidung<br />

Der B<strong>und</strong>esgerichtshof verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung<br />

wegen arglistiger Täuschung der<br />

Anleger durch den Vertrieb, die der die Zwangsvollstreckung<br />

betreibenden Bank zuzurechnen wäre.<br />

Es fehlt bereits an einer arglistigen Täuschung des<br />

Anlegers. Die Vermittler waren zur Offenlegung der<br />

Höhe der Innenprovision nicht verpflichtet. Aus den<br />

Verkaufsunterlagen ergab sich, dass die Vermittler<br />

nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler<br />

für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft<br />

tätig werden <strong>und</strong> Provisionsansprüche<br />

auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

bestehen können.<br />

Der BGH<br />

sah es als ausreichend<br />

an, dass<br />

der Anfall von<br />

Vertriebsprovisionen(Innenprovisionen)<br />

im<br />

prospektierten<br />

Bildquelle: © xmasarox - Fotolia.com<br />

Gesamtaufwand<br />

unter der Rubrik „Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb<br />

<strong>und</strong> Marketing“ kenntlich gemacht <strong>und</strong> dem<br />

Gr<strong>und</strong>e nach mitgeteilt worden sind. Ungefragt<br />

musste auf die Höhe der Innenprovision nicht hingewiesen<br />

werden. Da also eine arglistige Täuschung<br />

der Anleger durch die Vermittler zu verneinen war,<br />

fehlte es bereits an der Gr<strong>und</strong>voraussetzung, so<br />

dass sich die weitere Frage, ob eine arglistige Täuschung<br />

einer finanzierenden Bank zuzurechnen ist,<br />

gar nicht mehr stellte.<br />

Fazit<br />

Der Erwerb von Kapitalanlegereigentumswohnungen<br />

wird von der <strong>Recht</strong>sprechung anders bewertet<br />

als der Erwerb von geschlossenen Fondsbeteiligungen.<br />

Auch der freie Anlageberater ist bei<br />

geschlossenen Fondsbeteiligungen ab einer Provisionshöhe<br />

von 15 % verpflichtet, ungefragt die Höhe<br />

zu offenbaren. Beim Erwerb von Eigentumswohnungen<br />

durch Kapitalanleger wird die Grenze nach<br />

allgemeinen <strong>Recht</strong>sprechungsgr<strong>und</strong>sätzen erst dort<br />

zu ziehen sein, wo der Tatbestand des Wuchers<br />

erfüllt ist. Anders dürften des Weiteren auch Fälle<br />

beurteilt werden, in denen vom als für beide Vertragsseiten<br />

tätigen Makler nicht auf die Doppelmaklerschaft<br />

hingewiesen wird oder in denen Vermittler<br />

explizit nach der Höhe der Innenprovision gefragt<br />

werden <strong>und</strong> hier unzutreffend die Höhe zu niedrig<br />

angeben würden.<br />

4. Zur Wirksamkeit einer Treuhandvoll-<br />

macht, die zur Vertretung von Anlegern<br />

im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem<br />

Beitritt zu einer Beteili-<br />

gungsgesellschaft einschl. der<br />

Finanzierung der Beteiligung berechtigt<br />

(BGH, Urt. v. 11.10.2011, XI ZR 415/10)<br />

Sachverhalt<br />

Anleger wurden im Jahr 1997 dafür geworben,<br />

sich an einem geschlossenen Immobilienfonds zu<br />

beteiligen. Sie erteilten im Zeichnungsschein einem<br />

Treuhänder, der über keine Erlaubnis nach dem<br />

47


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

48<br />

<strong>Recht</strong>sberatungsgesetz verfügte, Vollmacht, ihren<br />

„wirtschaftlichen Beitritt“ zur Fondsgesellschaft zu<br />

bewirken. Weiter wurde vereinbart, dass die Anleger<br />

eine eventuelle Refinanzierung des Gesellschaftsanteils<br />

selbst durchführen würden. Eine finanzierende<br />

Bank gewährte den Anlegern ein Finanzierungsdarlehen.<br />

Die Bank schrieb den Kreditbetrag dem Konto<br />

des Treuhänders gut. Dieser verwendete ihn zum<br />

Erwerb des Fondsanteils.<br />

Bildquelle: © Maxim_Kazmin - Fotolia.com<br />

Die finanzierende Bank klagte auf Feststellung der<br />

Wirksamkeit des Darlehensvertrages <strong>und</strong> das Nichtbestehen<br />

eines Widerrufsrechts. Die Anleger forderten<br />

widerklagend die Entlastung aus dem Darlehensvertrag<br />

Zug um Zug gegen Abtretung des<br />

Fondsanteils. Sie beriefen sich u.a. darauf, der Treuhandvertrag<br />

sei wegen Verstoßes gegen das <strong>Recht</strong>sberatungsgesetz<br />

nichtig.<br />

Entscheidung<br />

Nach gefestigter <strong>Recht</strong>sprechung des BGH bedarf<br />

derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich<br />

die rechtliche Abwicklung eines Gr<strong>und</strong>stückserwerbs<br />

oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells<br />

besorgt, der Erlaubnis nach dem<br />

früheren <strong>Recht</strong>sberatungsgesetz (heute: <strong>Recht</strong>sdienstleistungsgesetz).<br />

Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung<br />

von erlaubnispflichtiger <strong>Recht</strong>sbesorgung ist<br />

auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil<br />

eine Besorgung fremder Geschäfte außer mit wirtschaftlichen<br />

Belangen vielfach auch mit rechtlichen<br />

Vorgängen verknüpft ist.<br />

Maßgeblich ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf<br />

wirtschaftlichem Gebiet liegt <strong>und</strong> die Wahrnehmung<br />

wirtschaftlicher Belange bezweckt, oder ob<br />

die rechtliche Seite im Vordergr<strong>und</strong> steht <strong>und</strong> es<br />

im Wesentlichen um die Klärung rechtlicher Verhältnisse<br />

geht.<br />

Hier erteilten die Anleger dem Treuhänder die<br />

Vollmacht, die Anleger in allen Angelegenheiten,<br />

die mit dem wirtschaftlichen Beitritt des Treugebers<br />

zur Gesellschaft zusammenhängen, zu vertreten.<br />

Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt damit<br />

auf wirtschaftlichem Gebiet. Der Treuhänder war<br />

weder bevollmächtigt, für die einzelnen Treugebergesellschafter<br />

Finanzierungsdarlehen aufzunehmen<br />

noch dafür Konten zu eröffnen <strong>und</strong> über<br />

diese zu verfügen noch für einzelne Treugebergesellschafter<br />

die persönliche Mithaftung z.B. für<br />

die Gesellschaftsschulden zu übernehmen. Die<br />

Vollmacht war somit wirksam. Die Widerklage der<br />

Anleger war abzuweisen.<br />

Fazit<br />

Von einer erlaubnispflichtigen Besorgung fremder<br />

<strong>Recht</strong>sangelegenheiten ist insbesondere auszugehen,<br />

wenn die Tätigkeit des Treuhänders den<br />

Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen<br />

für den Treugeber zum Gegenstand hat <strong>und</strong> in<br />

diesem Zusammenhang mannigfaltiger rechtlicher<br />

Beratungsbedarf besteht. Dies festzustellen<br />

ist Tatsache des Tatrichters. Wie so oft, kommt es<br />

auf den Wortlaut an, aber natürlich auch darauf,<br />

ob geregeltes <strong>und</strong> tatsächliches Verhalten übereinstimmen.<br />

Papier ist bekanntlich geduldig. Im<br />

konkreten Fall waren jedoch keine Unregelmäßigkeiten<br />

festzustellen.<br />

5. Zur Frage der arglistigen Täuschung<br />

eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen<br />

(BGH, Urt. v. 05.06.2012, XI ZR 175/11)<br />

Sachverhalt<br />

Anleger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung<br />

aus einer notariellen Urk<strong>und</strong>e, in der sie<br />

sich - vertreten durch eine Treuhänderin - der persönlichen<br />

Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes<br />

Vermögen unterworfen hatten. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme<br />

erfolgte durch die den Erwerb<br />

einer Eigentumswohnung finanzierenden<br />

Bank. Die Bank hatte die zur Finanzierung aufgenommenen<br />

Darlehensverträge gekündigt <strong>und</strong> betrieb<br />

die Zwangsvollstreckung.


Die Anleger wurden von einem Anlagenvermittler<br />

geworben, der für die Wohnung mittels eines<br />

Verkaufsprospektes warb. In diesem heißt es, dass<br />

für Gr<strong>und</strong>stück, Gebäude inkl. Vertrieb <strong>und</strong> Marketing<br />

76,70 des kalkulierten Gesamtaufwandes<br />

aufzuwenden sind. Dass hierbei eine Innenprovision<br />

in Höhe von 18,24 % eingepreist wurde, ergibt<br />

sich aus dem Prospekt nicht. Die Anleger halten<br />

die Zwangsvollstreckung für unzulässig, weil Schadenersatzansprüche<br />

wegen Aufklärungspflichtverletzungen<br />

bestünden. Diese könnten ihrer Inanspruchnahme<br />

aus der Vollstreckungsunterwerfung<br />

entgegengehalten werden.<br />

Entscheidung<br />

Eine lediglich kreditgebende Bank ist bei steuersparenden<br />

Bauherren-, Bauträger- <strong>und</strong> Erwerbermodellen<br />

zur Risikoaufklärung über das finanzierte<br />

Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen<br />

verpflichtet. Gr<strong>und</strong>sätzlich muss eine<br />

den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzierende<br />

Bank, mit der ein Anleger keinen Beratungsvertrag<br />

abgeschlossen hat, nicht darüber informieren,<br />

dass im Kaufpreis eine „versteckte Innenprovision“<br />

enthalten ist, die an den Vertrieb bezahlt wird. Ein<br />

Käufer hat gr<strong>und</strong>sätzlich keinen Anspruch auf einen<br />

Erwerb des Objektes zu dessen Verkehrswert.<br />

Es bleibt vielmehr den Vertragsparteien bis an die<br />

Bildquelle: © fotogestoeber - Fotolia.com<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Grenzen der Sittenwidrigkeit <strong>und</strong> des Wuchers<br />

überlassen, welchen Kaufpreis sie vereinbaren.<br />

Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung liegt<br />

aber dann vor, wenn eine Bank positive Kenntnis<br />

davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner<br />

oder durch den Fondsprospekt über<br />

das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde.<br />

Im vorliegenden Fall war der für Vertriebs- <strong>und</strong> Marketingkosten<br />

entfallende Anteil am Gesamtaufwand<br />

nicht näher aufgeschlüsselt. Neben dem Hinweis<br />

auf die Außenprovision enthielt der Prospekt den<br />

ausdrücklichen Hinweis auf weitere Vergütungsansprüche<br />

des Vermittlers. Eine arglistige Täuschung<br />

über Vertriebsprovisionen schied deshalb aus.<br />

Fazit<br />

Diese Entscheidung ist ein weiterer Fall verschiedener<br />

Parallelverfahren, die der BGH durch <strong>Urteile</strong> vom<br />

05.06.2012 entschied (vgl. vorstehend III. 3.). Ob ein<br />

Anleger durch unrichtige Angaben eines Vermittlers<br />

arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der<br />

Würdigung des konkreten Einzelfalls. Auch wenn ein<br />

Vermittler im persönlichen Beratungsgespräch nicht<br />

auf den Anfall von Innenprovisionen hinweist, reicht<br />

es aus, wenn sich dieser Umstand aus dem Prospekt<br />

<strong>und</strong> dem Vermittlungsauftrag ergibt.<br />

49


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

50<br />

IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />

Die fortschreitende Regulierung des <strong>Recht</strong>s<br />

der Kapitalanlagen betrifft vor allem auch die<br />

<strong>Recht</strong>svorschriften derer, die diese Produkte<br />

vermitteln sollen. Seit 01.01.2013 gilt die Finanzanlagenvermittlungsverordnung.<br />

Ihre Gr<strong>und</strong>lage findet<br />

sich im Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler-<br />

<strong>und</strong> Vermögensanlagenrechts. Durch<br />

den neuen § 34f GewO wurde für Finanzanlagenvermittler<br />

ein eigenständiger Erlaubnistatbestand<br />

für die Berufsausübung geschaffen. Die Erlaubnis<br />

erhält gr<strong>und</strong>sätzlich nur, wer<br />

• in geordneten Vermögensverhältnisse lebt <strong>und</strong><br />

einen guten Leum<strong>und</strong> hat,<br />

• eine Berufshaftpflichtversicherung nachweist,<br />

• seine Sachk<strong>und</strong>e nachgewiesen hat.<br />

Der neue § 34f GewO unterteilt die Vermittlung in<br />

die Bereiche Investmentfonds, die Vermittlung von<br />

Anteilen an geschlossenen Fonds <strong>und</strong> die Vermittlung<br />

von sonstigen Vermögensanlagen. Mit dem Gesetzesentwurf<br />

über die Honoraranlageberatung steht<br />

schon das nächste Gesetz „in den Startlöchern“.<br />

Wir geben nachfolgend einen Überblick über Auslegungsfragen<br />

bei gesetzlichen <strong>und</strong> vertraglichen Vereinbarungen.<br />

Es geht um die Themen des Lohnanspruchs<br />

bei Verflechtungen, zum <strong>Recht</strong> auf fristlose<br />

Kündigungen eines Absatzmittlungsvertrages, um<br />

Wettbewerbsverbote, um Ausgleichsansprüche u.a.m.<br />

1. Kein Maklerlohnanspruch bei unechter<br />

Verflechtung<br />

(BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 213/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvermittler forderte von einem von<br />

ihm vermittelten K<strong>und</strong>en die Restzahlung von Maklerlohn.<br />

Der Vermittler hatte dem K<strong>und</strong>en eine Versicherung<br />

mit sog. Netto-Tarif vermittelt, also einem<br />

Tarif, in dem keine Abschlusskosten einkalkuliert sind.<br />

Die Versicherungsunterlagen waren nach der Firma<br />

des Vermittlers benannt. Der K<strong>und</strong>e unterzeichnete<br />

eine vorformulierte Vermittlungsgebührenvereinbarung,<br />

in der er sich zur Zahlung des Maklerlohns in<br />

60 gleichhohen Raten verpflichtete. Den Einzug der<br />

Raten übernahm eine Tochtergesellschaft des Ver-<br />

sicherers. Nach nicht einmal einem Jahr stellte der<br />

K<strong>und</strong>e die Zahlung der monatlichen Raten ein.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH wies die Zahlungsklage des Versicherungsvermittlers<br />

ab, weil im konkreten Fall der Vermittler<br />

keine Tätigkeit ausübte, die mit dem gesetzlichen<br />

Leitbild eines (Versicherungs-)Maklers im Einklang<br />

steht. Es lag eine „unechte Verflechtung“ zwischen<br />

Vermittler <strong>und</strong> Lebensversicherer vor. Kommt aufgr<strong>und</strong><br />

der Tätigkeit eines Maklers aber ein Hauptanspruch<br />

zwischen K<strong>und</strong>e <strong>und</strong> einer Person zustande,<br />

mit der der Makler gesellschaftsrechtlich oder auf<br />

andere Weise verflochten ist, steht dem Makler kein<br />

Vergütungsanspruch zu.<br />

Ein Makler schuldet die Beratung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt<br />

angebotenen Versicherungsverträgen <strong>und</strong> einer<br />

hinreichenden Zahl von Versicherern. Lässt ein Versicherungsmakler<br />

Fondspolicen eines Versicherers<br />

mit seinem Namen versehen <strong>und</strong> stellt das Produkt<br />

in Informationsbriefen als eigene konzeptionelle<br />

Leistung für die private Altersversorgung heraus, ist<br />

die Gefahr des Interessenkonfliktes gegeben, denn<br />

es kann davon ausgegangen werden, dass ein auf<br />

diese Art werblich besonders herausgestelltes Produkt<br />

für einen Vermittler von ganz erheblichem<br />

wirtschaftlichen Interesse ist. Das Interesse ist auch<br />

dauerhaft. Ein solcher (Versicherungs-)Makler entspricht<br />

mithin nicht dem gesetzlichen Leitbild des<br />

im Lager des Versicherungsk<strong>und</strong>enstehenden<br />

Sachwalters.<br />

Fazit<br />

Wo Makler draufsteht<br />

muss auch<br />

Makler drin sein.<br />

Wer sich als Makler<br />

bezeichnet, tatsächlich<br />

aber ein<br />

dauerhaftes Interesse<br />

daran hat, überwiegend<br />

Produkte<br />

eines bestimmten<br />

Produktpartners zu<br />

vermitteln, hat seinen<br />

Lohnanspruch<br />

verwirkt. Bildquelle: © Stefan Balk - Fotolia.com


2. Zum <strong>Recht</strong> auf fristlose Kündigung<br />

eines Handelsvertretervertrages bei<br />

Verstoß gegen ein vertragliches<br />

Wettbewerbsverbot<br />

(BGH, Urt. v. 10.11.2010, VIII ZR 327/09)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvermittler vermittelte über mehrere<br />

Jahrzehnte Versicherungen für eine Versicherungsgesellschaft.<br />

Zuerst war er als Angestellter in<br />

der Agentur seines Vaters tätig. Seit 1984 war er<br />

als selbstständiger Handelsvertreter für die Versicherungsgesellschaft<br />

unterwegs. Im Handelsvertretervertrag<br />

war ein Wettbewerbsverbot vertraglich<br />

vereinbart. Im Jahr 2006 erfuhr die Versicherungsgesellschaft,<br />

dass der Handelsvertreter r<strong>und</strong> 10<br />

Kfz-Versicherungsverträge, die die Versicherungsgesellschaft,<br />

für die der Handelsvertreter „exklusiv“<br />

tätig war, gekündigt hatte, bei einer anderen<br />

Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ hatte.<br />

Daraufhin erklärte die Versicherungsgesellschaft<br />

die fristlose Kündigung des Agenturvertrages. Ein<br />

halbes Jahr später nahm der Handelsvertreter einen<br />

selbstständigen Agenturbetrieb für eine andere<br />

Versicherung auf. Wegen dieser Tätigkeit sprach<br />

der Prinzipal erneut die fristlose Kündigung des seit<br />

1984 bestehenden Handelsvertretervertrages aus.<br />

Der Handelsvertreter begehrte die Feststellung, dass<br />

durch die beiden fristlosen Kündigungen das seit<br />

1984 bestehende Handelsvertreterverhältnis nicht<br />

beendet worden ist.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts,<br />

wonach der Handelsvertretervertrag<br />

durch keine der ausgesprochenen fristlosen Kündigungen<br />

beendet worden ist. Der Handelsvertreter<br />

habe zwar zweimal gegen das vertraglich vereinbarte<br />

Wettbewerbsverbot verstoßen, indem er<br />

die Kfz-Versicherungsverträge bei einer anderen<br />

Versicherungsgesellschaft „untergebracht“ habe<br />

<strong>und</strong> einen zweiten Agenturvertrag mit einer anderen<br />

Versicherungsgesellschaft begründet habe. Die<br />

Wettbewerbsverstöße stellen sich bei wertender<br />

Betrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen<br />

Parteiinteressen jedoch als so geringfügig dar,<br />

dass sie einen gr<strong>und</strong>legenden Vertrauensverlust <strong>und</strong><br />

ein damit einhergehendes fristloses Kündigungsrecht<br />

ohne vorherige Abmahnung nicht begründet<br />

haben. Was die zweite fristlose Kündigung anbelangte,<br />

kam noch der Aspekt hinzu, dass die fristlose<br />

Kündigung erst fünf Monate nach Kenntnis von der<br />

Übernahme des zweiten Agenturverhältnisses ausgesprochen<br />

wurde.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Fazit<br />

Geringfügige Vertragsverletzungen können nicht<br />

immer einen wichtigen Gr<strong>und</strong> für eine fristlose Kündigung<br />

des Handelsvertretervertragsverhältnisses<br />

sein. Im Handelsvertreterrecht ist die Beschränkung<br />

des <strong>Recht</strong>s zur außerordentlichen Kündigung<br />

auf schwerwiegende Vertragsverletzungen in besonderer<br />

Weise geboten, weil das Vorliegen eines<br />

wichtigen Kündigungsgr<strong>und</strong>es wegen schuldhafter<br />

Pflichtverletzung des Handelsvertreters den Verlust<br />

des Ausgleichsanspruchs zur Folge hat. Die Beurteilung,<br />

ob dem Kündigenden die Fortsetzung des<br />

Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären<br />

Kündigungsfrist unzumutbar ist <strong>und</strong> aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist,<br />

hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Diese<br />

Beurteilung obliegt dem Tatrichter.<br />

3. Zur Frage, wann vom Handelsvertreter<br />

geworbene K<strong>und</strong>en Neuk<strong>und</strong>en eines<br />

Unternehmens sind, wenn dieses einen<br />

K<strong>und</strong>enstamm von einer insolventen<br />

Gesellschaft erworben hat<br />

(BGH, Urt. v. 26.10.2011, VIII ZR 222/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Handelsvertreter war für ein Unternehmen tätig,<br />

welches insolvent wurde. Eine neu gegründete<br />

Gesellschaft übernahm den Geschäftsbetrieb der<br />

insolventen Gesellschaft <strong>und</strong> schloss mit dem Insolvenzverwalter<br />

dieser Gesellschaft einen Kaufvertrag,<br />

durch den bestimmte Gegenstände der insolventen<br />

Gesellschaft erworben wurden. Der Handelsvertreter<br />

war auch während des Insolvenzverfahrens für<br />

die insolvente Gesellschaft tätig. Auch mit der neu<br />

gegründeten Gesellschaft schloss er einen Handelsvertretervertrag.<br />

Diese kündigte den Handelsvertretervertrag<br />

ordentlich. Der Handelsvertreter forderte<br />

einen Ausgleichsanspruch auch unter Berücksichtigung<br />

des K<strong>und</strong>enstamms, den er schon in der alten<br />

(insolventen) Gesellschaft betreut hatte <strong>und</strong> den die<br />

neue Gesellschaft vom Insolvenzverwalter übernommen<br />

hatte.<br />

Entscheidung<br />

Ein Handelsvertreter hat im Rahmen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs<br />

einen Anspruch für von<br />

ihm an den Prinzipal vermittelte Neu-K<strong>und</strong>en oder<br />

für Alt-K<strong>und</strong>en, wenn die diesbezügliche Geschäftsverbindung<br />

wesentlich erweitert oder wiederbelebt<br />

wurde. Übernimmt nun eine neu gegründete Gesellschaft<br />

sowohl die K<strong>und</strong>en als auch den Handelsvertreter<br />

eines insolvent gewordenen Unterneh-<br />

51


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

52<br />

mens, sind die bisherigen K<strong>und</strong>en des insolventen<br />

Unternehmens, die aufgr<strong>und</strong> der Tätigkeit des Handelsvertreters<br />

erstmals ein Geschäft mit dem neu<br />

gegründeten Unternehmen abgeschlossen haben,<br />

als vom Handelsvertreter geworbene Neu-K<strong>und</strong>en<br />

dieses Unternehmens anzusehen.<br />

Ein neu gegründetes Unternehmen hat noch keine<br />

Alt- oder Bestands-K<strong>und</strong>en. Es kann diese aufgr<strong>und</strong><br />

der Neugründung noch gar nicht haben. Im Rahmen<br />

des Kaufs eines K<strong>und</strong>enstamms kann ein neu<br />

gegründetes Unternehmen auch nicht die K<strong>und</strong>en<br />

erwerben, sondern lediglich die Information über<br />

die K<strong>und</strong>enbeziehungen. Diese Information über<br />

Stammk<strong>und</strong>en eines insolventen Unternehmens<br />

begründet noch keine Geschäftsbeziehung des<br />

neuen Unternehmens mit diesen K<strong>und</strong>en. Es eröffnet<br />

nur die Chance, dass die Stammk<strong>und</strong>en des<br />

insolventen Unternehmens auch mit dem neu gegründeten<br />

Unternehmen eine Geschäftsbeziehung<br />

eingehen werden.<br />

Der Umstand, dass der Inhaber des neu gegründeten<br />

Unternehmens einen K<strong>und</strong>enstamm käuflich<br />

erworben hat, kann unter dem Gesichtspunkt der<br />

Billigkeit (vgl. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) zu einer<br />

Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen, wenn<br />

dem Handelsvertreter dadurch die Werbung dieser<br />

K<strong>und</strong>en für das neu gegründete Unternehmen erleichtert<br />

wird.<br />

Fazit<br />

Jedenfalls bei neu gegründeten Unternehmen steht<br />

nach dieser Entscheidung fest, dass dieses keine<br />

„Alt-K<strong>und</strong>en“ haben kann, selbst wenn es einen<br />

K<strong>und</strong>enstamm übernimmt. Neue K<strong>und</strong>en, die ein<br />

Handelsvertreter geworben hat, sind alle K<strong>und</strong>en,<br />

die mit einem Unternehmen noch nicht in geschäftlicher<br />

Beziehung standen, sondern erstmals unter<br />

Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit<br />

dem Unternehmen abgeschlossen haben.<br />

Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />

4. Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im<br />

strukturierten Vertrieb<br />

(BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Finanzdienstleister, der in einem Strukturvertrieb,<br />

zuletzt auf der Stufe eines Regionaldirektionsleiters,<br />

tätig war, machte Ansprüche auf einen<br />

Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend, nachdem<br />

ihm seitens des Strukturvertriebs gekündigt<br />

worden war. Als Basis für den Ausgleichsanspruch<br />

bezog sich der Finanzdienstleister auf die sogenannten<br />

Gr<strong>und</strong>sätze, die von den Spitzenverbänden der<br />

Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> des Versicherungsaußendienstes<br />

vereinbart worden sind. Im Vertrag<br />

zwischen Finanzdienstleister <strong>und</strong> Prinzipal war die<br />

Geltung dieser Gr<strong>und</strong>sätze aber nicht explizit vereinbart.<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Versicherungs-<br />

<strong>und</strong> Bausparkassenvertreter von der<br />

Handelsvertreterrichtlinie, die im Jahr 2009 in<br />

deutsches <strong>Recht</strong> umgesetzt wurde, nicht erfasst<br />

wird. Die Notwendigkeit einer europarechtskonformen<br />

Auslegung ergibt sich deshalb nicht. Durch<br />

den Ausgleichsanspruch abzugelten sind deshalb<br />

Provisionsverluste für noch nicht vollständig ausgezahlte<br />

Vermittlungsprovisionen aus bestehenden,<br />

vom Vertreter vermittelten Verträgen, soweit diese<br />

infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen.<br />

Gleichgestellt sind solche Verträge, die zwar<br />

erst nach dem Ausscheiden des Vertreters zustande<br />

kommen, sich aber bei natürlicher Betrachtungsweise<br />

lediglich als Verlängerung oder Summenerhöhung<br />

der vom Vertreter vermittelten Verträge<br />

darstellen, also in einem engen wirtschaftlichen<br />

Zusammenhang mit den Altverträgen stehen <strong>und</strong><br />

dem gleichen Versicherungs- oder Bausparbedürfnis<br />

dienen. Ausgleichsrechtlich irrelevant sind Verwaltungsprovisionen,<br />

die für Tätigkeiten wie die<br />

Bestandspflege <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>enbetreuung gezahlt<br />

werden.<br />

Speziell in Bezug auf Finanzdienstleister, die innerhalb<br />

eines Strukturvertriebes tätig sind, können auch Superprovisionen<br />

ausgleichspflichtig sein. Entscheidend<br />

ist, dass die Tätigkeit des Strukturhöheren zumindest<br />

mit ursächlich für die von Strukturunteren vermittelten<br />

Abschlüsse ist. Eine solche Mitursächlichkeit<br />

setzt nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter<br />

die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich<br />

betreut. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann<br />

schon die Mitursächlichkeit der Einstellung <strong>und</strong> Einarbeitung<br />

von Untervertretern ausreichen.


Die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft<br />

<strong>und</strong> des Versicherungsaußendienstes<br />

seit 1998 entwickelten sog. „Gr<strong>und</strong>sätze“ können<br />

angesichts ihrer Entstehungsgeschichte als Schätzgr<strong>und</strong>lage<br />

herangezogen werden, soweit es um die<br />

Ermittlung eines Ausgleichsanspruchs geht. Es ist<br />

nicht erforderlich, dass auf diese „Gr<strong>und</strong>sätze“ explizit<br />

im Vermittlervertrag verwiesen wird. Eine Einschränkung<br />

erfährt diese Sichtweise, soweit es um<br />

die „Gr<strong>und</strong>sätze Finanzdienstleistungen“ geht. Finanzdienstleistungen<br />

von Bausparkassen stellen nur einen<br />

Ausschnitt sämtlicher Finanzdienstleistungen dar, denn<br />

Bausparkassen dürfen wegen § 4 Bausparkassengesetz<br />

nicht uneingeschränkt Finanzdienstleistungsgeschäfte<br />

vornehmen. Hier muss ein Finanzdienstleister, der für<br />

diesen Bereich einen Ausgleichsanspruch fordert, seinen<br />

Anspruch anhand der gesetzlichen Vorgaben darlegen.<br />

Insoweit ist es erforderlich, Angaben zur Stammk<strong>und</strong>enquote<br />

zu machen.<br />

Fazit<br />

Die „Gr<strong>und</strong>sätze Finanzdienstleistungen“ sind nicht<br />

maßgeblich, sofern der Handelsvertreter nicht für<br />

eine private Bausparkasse, sondern für ein eigenständiges<br />

Finanzdienstleistungsunternehmen tätig<br />

ist. Die „Gr<strong>und</strong>sätze - Sach“, „Gr<strong>und</strong>sätze - Leben“,<br />

„Gr<strong>und</strong>sätze - Kranken“ <strong>und</strong> „Gr<strong>und</strong>sätze - Bauspar“<br />

können hingegen als Gr<strong>und</strong>lage für die richterliche<br />

Schätzung eines Mindestausgleichsbetrages dienen.<br />

5. Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs<br />

bei zwischenzeitlich beendetem <strong>und</strong><br />

anschließend neu begründetem<br />

Handelsvertretervertrag<br />

(OLG München, Urt. v. 14.09.2011,<br />

7 U 1348/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvertreter stritt mit seinem Prinzipal<br />

(einer Versicherung) um Auskunfts- <strong>und</strong> Ausgleichsansprüche<br />

nach beendetem Versicherungsvertreterverhältnis.<br />

Der Versicherungsvertreter war fast zehn<br />

Jahre für die Versicherung vermittelnd tätig, bevor er<br />

sich entschloss, das Versicherungsvertreterverhältnis<br />

zu kündigen <strong>und</strong> zu einem Wettbewerber zu wechseln.<br />

Sein in den fast zehn Jahren betreuter <strong>und</strong> aufgebauter<br />

Bestand wurde einem anderen Agenten<br />

zugewiesen. Wenige Monate später kehrte der Versicherungsvertreter<br />

zur „alten“ Versicherung zurück<br />

<strong>und</strong> begründete einen neuen Versicherungsvertretervertrag.<br />

In diesem war hinsichtlich der Zugehörigkeit<br />

zur Versicherung geregelt, dass der Vermittler<br />

so behandelt wird, als wäre das Eintrittsdatum<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses. Nach<br />

Kündigung des (zweiten) Vertretervertrages - die<br />

Kündigung wurde dieses Mal von der Versicherung<br />

erklärt - begehrte der Vermittler Auskunft <strong>und</strong><br />

Zahlung auch für die im Rahmen des ersten Vertreterverhältnisses<br />

von ihm selbst vermittelten dynamischen<br />

Lebens- <strong>und</strong> Rentenversicherungsverträge<br />

Bildquelle: © senk - Fotolia.com<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht gestand dem Versicherungsvertreter<br />

(nur) einen Anspruch auf Auskunft für dynamische<br />

Lebens- <strong>und</strong> Rentenversicherungsverträge zu, die<br />

er während der Vertragslaufzeit des zweiten Versicherungsvertretervertrages<br />

vermittelt hat. Eine<br />

während der Laufzeit des zweiten Vertretervertrages<br />

getroffene Vereinbarung des Inhalts, das<br />

Eintrittsdatum sei der Beginn des ersten Vertreterverhältnisses,<br />

führe nicht dazu, dass dem Vertreter<br />

Ausgleichsansprüche auch für diesen Zeitraum zustehen<br />

<strong>und</strong> Auskunft zu gewähren ist. Nur insoweit<br />

verliert er infolge der Beendigung des Vertrages<br />

Ansprüche auf Provision, die er bei Fortsetzung<br />

des Vertrages aus diesen Versicherungsverträgen<br />

gehabt hätte.<br />

Fazit<br />

Das Problem wäre vermutlich gar nicht erst aufgetreten,<br />

wenn sich die Versicherung nicht bereiterklärt<br />

hätte, den Versicherungsvertreter bezüglich<br />

der Zugehörigkeit zur Versicherung so zu behandeln,<br />

als wäre das Datum des Abschlusses des ersten<br />

Vertretervertrages maßgeblich. Die Versicherung<br />

wollte dem Vertreter - so ihre Einlassung im<br />

Prozess - gewisse Vergünstigungen zukommen lassen<br />

z.B. bezüglich der Berechnung des zehnjährigen<br />

Dienstjubiläums oder der Kündigungsfristen. Eine<br />

darüber hinausgehende Aussage sollte die Vereinbarung<br />

nicht zum Inhalt haben. Die Entscheidung<br />

zeigt aber mehr, wie wichtig es ist, möglichst klare<br />

Absprachen zu treffen.<br />

53


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

54<br />

6. Zur Frage der Wirksamkeit einer<br />

Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />

per E-Mail<br />

(OLG München, Urt. v. 26.01.2012,<br />

23 U 3798/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Unternehmen hatte mit seinem Handelsvertreter<br />

im Handelsvertretervertrag vereinbart, dass<br />

eine ordentliche Kündigung schriftlich erfolgen<br />

muss. In einem Vorgängervertrag hatten die Vertragsparteien<br />

weitergehend gefordert, dass eine<br />

Kündigung per eingeschriebenen Brief zu erfolgen<br />

hat. Für eine außerordentliche Kündigung sah der<br />

Handelsvertretervertrag kein Formerfordernis vor.<br />

Die Kommunikation zwischen den Vertragsparteien<br />

erfolgte üblicherweise per E-Mail. Der Prinzipal<br />

kündigte den Handelsvertretervertrag per E-<br />

Mail. Der Handelsvertreter forderte Schadenersatz<br />

<strong>und</strong> berief sich hierbei vor allem auf die Unwirksamkeit<br />

der Kündigung.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG München wies die Schadenersatzklage<br />

ab <strong>und</strong> bejahte die Wirksamkeit der Kündigung.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich könne die Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />

formlos, also sogar konkludent<br />

erfolgen. Die Vertragsparteien können jedoch<br />

vertraglich etwas anderes vereinbaren. Dies war<br />

mit der Regelung, dass die ordentliche Kündigung<br />

schriftlich zu erfolgen habe, geschehen. Allerdings<br />

genüge zur Wahrung der durch das <strong>Recht</strong>sgeschäft<br />

bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative<br />

Übermittlung, soweit kein anderer Wille<br />

der Vertragsparteien anzunehmen sei. Demzufolge<br />

genüge gr<strong>und</strong>sätzlich auch eine Erklärung<br />

per E-Mail, sofern aus der Erklärung erkennbar ist,<br />

von wem sie abgegeben wurde.<br />

Wegen der nicht zu verkennenden Missbrauchsgefahr<br />

wies das Gericht zugleich darauf hin, dass in<br />

jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen sei, ob ein anderer<br />

Wille der Parteien anzunehmen ist <strong>und</strong> eine<br />

einfache E-Mail ohne eingescannte Unterschrift<br />

oder ohne elektronische Signatur nicht genügen<br />

soll. Im konkreten Fall stellte das Gericht darauf<br />

ab, dass für eine außerordentliche Kündigung,<br />

die wesentlich schwerwiegender wiege, kein Formerfordernis<br />

vereinbart war. Außerdem war die<br />

Kommunikation per E-Mail üblich, so dass keine<br />

Unklarheiten über den Absender herrschen konnten.<br />

Deshalb sah das Gericht die mit der Schriftformklausel<br />

bezweckte Klarheit auch durch eine<br />

einfache E-Mail als erreicht an.<br />

Fazit<br />

Das OLG München erteilt all denen eine Abfuhr,<br />

die bei gewillkürtem Schriftformerfordernis eine<br />

einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung<br />

durch einfache E-Mail als nicht ausreichend anerkennen.<br />

Umgekehrt weist das Gericht auf die „besonderen<br />

Umstände des Einzelfalls“ hin, die stets<br />

heranzuziehen sind. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint<br />

es ratsam, bereits im Vertrag selbst festzuhalten,<br />

ob ein vereinbartes Schriftformerfordernis<br />

auch durch eine einfache E-Mail gewahrt sein soll<br />

oder nicht.<br />

Bildquelle: © Sergejs Rahunoks - Fotolia.com<br />

7. Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter,<br />

der eine Netto-Police vermittelt<br />

<strong>und</strong> mit dem Versicherungsnehmer eine<br />

Honorarvereinbarung trifft, unlauter<br />

verhält<br />

(OLG Naumburg, Urt. v. 24.05.2012,<br />

9 U 218/11, nrkr.)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvertreter vermittelte sogenannte<br />

Netto-Policen. Im Zuge der Vermittlung der Netto-<br />

Police schloss er mit dem K<strong>und</strong>en eine Honorarvereinbarung.<br />

Beim Erstkontakt mit dem K<strong>und</strong>en<br />

hatte der Vermittler wahrheitsgemäß angegeben,


als Versicherungsvertreter im Vermittlerregister<br />

eingetragen zu sein. Ein Wettbewerber des Versicherungsvertreters<br />

forderte die Unterbindung des<br />

Vertriebsmodells, weil dieses beim Versicherungsvertreter<br />

eine unlautere Wettbewerbshandlung darstelle.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Naumburg verneinte sowohl einen Verstoß<br />

gegen Marktverhaltensregeln noch eine Unlauterkeit<br />

wegen Verwendung unwirksamer Allgemeiner<br />

Geschäftsbedingungen. Es sei zwar zutreffend,<br />

dass § 34d GewO nicht nur den Marktzugang regele,<br />

sondern auch das Marktverhalten eines Versicherungsvermittlers.<br />

Der Versicherungsvertreter<br />

verstoße aber nicht gegen § 34d GewO, wenn er<br />

als Versicherungsvertreter Netto-Policen vermittle<br />

<strong>und</strong> vom K<strong>und</strong>en eine Vergütung über eine separat<br />

zu vereinbarende Vergütungsvereinbarung fordere.<br />

Es gebe keinen Gr<strong>und</strong>satz, dass nur Versicherungsmakler<br />

eine solche Vergütung zu fordern berechtigt<br />

seien. Auch ein Versicherungsvertreter, der seine<br />

Agenturbindung offenlegt, könne eine Vergütungsvereinbarung<br />

treffen.<br />

Des Weiteren verneinte das Gericht ein unlauteres<br />

Wettbewerbsverhalten durch unwirksame Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen. Die formularmäßigen<br />

Vergütungsverträge stellten solche dar. Das<br />

gesetzliche Regelungsmodell beim Versicherungsvertreter<br />

sehe auch den Schicksalsteilungsgr<strong>und</strong>satz<br />

vor, nach dem der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters<br />

das Schicksal der Prämie teilt. Von<br />

diesem Vergütungsmodell werde bei einer Netto-Po-<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

lice mit Honorarvereinbarung abgewichen. Da aber<br />

auch eine Ansparversicherung mit Brutto-Prämie in<br />

der Regel mit nicht unerheblichen Verlusten verb<strong>und</strong>en<br />

ist, wenn diese vorzeitig gekündigt wird, seien<br />

die Unterschiede allenfalls marginal. Außerdem<br />

weise eine Netto-Police größere Transparenz auf. Es<br />

erscheine des Weiteren zweifelhaft, ob ein K<strong>und</strong>e<br />

im Abschluss eines gesonderten Vergütungsvertrages<br />

den Hinweis auf die Maklereigenschaft eines<br />

Vermittlers sehe. Der Makler steht bekanntlich als<br />

treuhänderischer Sachwalter der K<strong>und</strong>eninteressen<br />

im Lager des K<strong>und</strong>en, während der Versicherungsvertreter<br />

dem Lager des Versicherers zugerechnet<br />

wird. Wenn ein Versicherungsvertreter im Rahmen<br />

der Erstkontaktinformation auf seinen Vertreterstatus<br />

hinweise, könne der K<strong>und</strong>e nicht irregeführt<br />

werden. Außerdem würde in der Vergütungsvereinbarung<br />

noch einmal explizit auf die Vertretereigenschaft<br />

hingewiesen werden.<br />

Fazit<br />

Auch ein Versicherungsvertreter darf Netto-Policen<br />

vermitteln <strong>und</strong> separate Vergütungsvereinbarungen<br />

treffen, wenn er seine Agenturbindung offenlegt.<br />

Er handelt in einem solchen Fall nicht unlauter <strong>und</strong><br />

verstößt weder gegen Marktverhaltensregeln noch<br />

verhält er sich irreführend, weil er durch die separate<br />

Honorarvereinbarung vom Schicksalsteilungsgr<strong>und</strong>satz<br />

abweicht.<br />

8. Zur Frage, wann ein Mehrfachagent<br />

dem K<strong>und</strong>en gegenüber als Versicherungsmakler<br />

in Erscheinung tritt<br />

(Mehrfachagent als Pseudomakler)<br />

(LG Dortm<strong>und</strong>, Urt. v. 24.02.2012,<br />

2 O 144/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsnehmer <strong>und</strong> eine Versicherung<br />

stritten darüber, ob eine Kranken- <strong>und</strong> Krankentagegeldversicherung<br />

fortbesteht, obgleich der<br />

Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat.<br />

Der Versicherer berief sich zur Begründung auf<br />

die Nichtangabe von Krankheitsbehandlungen im<br />

Rahmen gestellter Ges<strong>und</strong>heitsfragen. Die Ges<strong>und</strong>heitsfragen<br />

fanden sich in einem Formular des Versicherungsvermittlers,<br />

der dem K<strong>und</strong>en gegenüber<br />

als „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ gegenübertrat.<br />

Entscheidung<br />

Nach § 19 Abs. 2 VVG kann ein Versicherer vom<br />

Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsneh-<br />

55


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

56<br />

mer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt.<br />

Hiernach muss ein Versicherungsnehmer ihm<br />

bekannte erhebliche Gefahrumstände, nach denen<br />

der Versicherer in Textform gefragt hat, diesem anzeigen.<br />

Das Gericht verneinte allerdings ein Rücktrittsrecht<br />

des Versicherers, weil Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />

die ein Versicherungsmakler stellt, dem Versicherer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zuzurechnen sind.<br />

Der Versicherer hatte sich darauf berufen, der Vermittler<br />

sei Mehrfachagent. Schon deshalb seien die<br />

vom Vermittler gestellten Fragen als Fragen des<br />

Versicherers anzusehen. Vertragliche Beziehungen<br />

zwischen Versicherer <strong>und</strong> Vermittler sind aber irrelevant,<br />

soweit es um die Frage geht, welchen Status<br />

ein Vermittler für den Versicherungsnehmer hat.<br />

Tritt ein Versicherungsvermittler als „unabhängiger<br />

Finanzoptimierer“ auf, handelt er nach außen als<br />

Makler. Bei einem als Makler auftretenden Mehrfachagenten<br />

ist aus Gründen der <strong>Recht</strong>ssicherheit<br />

zu fordern, dass die Agentenstellung offengelegt<br />

wird. Nur dann können Fragen des Vermittlers dem<br />

Versicherer zugerechnet werden. Des Weiteren ist<br />

es dem Versicherungsnehmer nicht anzulasten,<br />

wenn ihm sein Versicherungsmakler verdeckt als<br />

Mehrfachagent gegenübertritt, ohne über die daraus<br />

folgende Interessenkollision aufzuklären.<br />

Fazit<br />

Tritt ein Vermittler als Pseudomakler auf, muss sich<br />

der Versicherer diesen Umstand zurechnen lassen.<br />

Auf das Vertragsverhältnis zwischen ihm <strong>und</strong> dem<br />

Pseudomakler kommt es nicht an. Ges<strong>und</strong>heitsfragen,<br />

die ein Pseudomakler stellt, können nur dann<br />

als Fragen des Versicherers gelten, wenn sich der<br />

Versicherer die Fragen zu eigen macht, was für den<br />

Versicherungsnehmer bei der Antragsaufnahme ersichtlich<br />

sein muss.<br />

Bildquelle: © fotogestoeber - Fotolia.com<br />

9. Zur Frage der Verantwortlichkeit einer<br />

Vertriebsorganisation für ein strafbares<br />

Verhalten ihres Handelsvertreters<br />

(BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anleger erwarb auf Empfehlung eines Handelsvertreters<br />

eines großen deutschen Strukturvertriebs<br />

Anteile an Aktienfonds. Er leistete längere<br />

Zeit monatliche Zahlungen zum Erwerb von<br />

Aktienfondsanteilen. Schon im Kontoeröffnungsantrag<br />

hatte der Anleger die Fondsverwaltungsgesellschaft<br />

ermächtigt, sowohl dem Handelsvertreter<br />

als auch dessen Prinzipal Anlegerdaten zu<br />

übermitteln.<br />

Drei Jahre nach Kontoeröffnung hatte der Handelsvertreter<br />

die Fondsanlage aufgelöst. Dabei<br />

hatte er die Unterschrift des Anlegers gefälscht<br />

<strong>und</strong> den Verkaufswert auf sein Privatkonto überweisen<br />

lassen. Die Ehefrau des Anlegers nimmt<br />

aus abgetretenem <strong>Recht</strong> die Vertriebsorganisation<br />

auf Schadenersatz in Anspruch.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH bejahte einen Schadenersatzanspruch<br />

aus der Verletzung von Pflichten eines Schuldverhältnisses.<br />

Dieses ist dadurch zustande gekommen,<br />

dass der Handelsvertreter das Einverständnis des<br />

Anlegers einholte, ihm <strong>und</strong> seiner Vertriebsorganisation<br />

den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die<br />

das Anlagekonto zwischen dem Anleger <strong>und</strong> der<br />

Fondsverwaltungsgesellschaft betreffen. Die Datenweitergabe<br />

diente dem Zwecke der Beratung.<br />

Die Beratung erfolgte mit Wissen <strong>und</strong> Wollen der<br />

Vertriebsorganisation. Die Vertriebsorganisation<br />

stattete den Handelsvertreter sogar mit Formularen<br />

aus, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichten.<br />

Sie hat deshalb für Pflichtverletzungen<br />

ihres Erfüllungsgehilfen wie für eigene Pflichtverletzungen<br />

einzustehen.<br />

Fazit<br />

Im Volksm<strong>und</strong> heißt es, dass man niemandem<br />

hinters Gesicht schauen kann. Der Anleger kann<br />

dies im Hinblick auf seinen ihn beratenden Finanzdienstleister<br />

genauso wenig wie die Vertriebsorganisation,<br />

für den ein Finanzdienstleister tätig<br />

ist. Dennoch ist es recht <strong>und</strong> billig, die Vertriebsorganisation<br />

für ein schuldhaftes Verhalten eines<br />

von ihr eingesetzten Handelsvertreters eintreten<br />

zu lassen. Sie ist insoweit „näher dran“. Nicht<br />

selten sind es die klangvollen Namen der großen<br />

Vertriebsorganisationen, die die Türen zum Anleger<br />

erst öffnen. Die Vertriebsorganisationen han-


deln - wenn etwas schief läuft - meist nach dem<br />

Motto „wasch mich, aber mach mich nicht nass“.<br />

Der BGH hat dieser Einstellung eindeutig eine Absage<br />

erteilt.<br />

10. Zu den <strong>Recht</strong>sfolgen eines Wettbewerbsverbots,<br />

welches die Grenzen von<br />

§ 90a HGB überschreitet<br />

(BGH, Urt. v. 25.10.20012, VII ZR 56/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvertreter hatte sich mit einem<br />

Versicherungsunternehmen darauf verständigt,<br />

nach seinem Ausscheiden ein Wettbewerbsverbot<br />

zu vereinbaren. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />

sollte eine Mindestzahlung in Höhe einer<br />

durchschnittlichen Jahresprovision garantiert sein.<br />

Diese Mindestzahlung sollte auf etwaige Ausgleichsansprüche<br />

gem. § 89b HGB angerechnet<br />

werden. Nach Kündigung des Vermittlervertrages<br />

vereinbarten die Vertragsparteien ein Wettbewerbsverbot<br />

von drei Jahren im Inland <strong>und</strong> zwei<br />

Jahren im Ausland, soweit der Versicherer dort<br />

tätig war. Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot<br />

sollte eine Vertragsstrafe von 10.000,00 €<br />

gefordert werden können. Im Gegenzug wurde<br />

dem Versicherungsvertreter ein Betrag von über<br />

700.000,00 € garantiert.<br />

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der<br />

Wettbewerbsabrede <strong>und</strong> die<br />

<strong>Recht</strong>sfolgen eines Verstoßes<br />

gegen § 90a HGB.<br />

Entscheidung<br />

Das vereinbarte Wettbewerbsverbot<br />

stellte eine<br />

Wettbewerbsabrede im<br />

Sinne des § 90a Abs. 1 Satz<br />

1 HGB dar. Es kommt hier<br />

nicht darauf an, ob eine<br />

Wettbewerbsabrede vor<br />

oder nach Beendigung eines<br />

Vertragsverhältnisses getroffen<br />

wird. Da die Grenzen des<br />

§ 90a HGB überschritten waren,<br />

kam es auf die <strong>Recht</strong>sfolgen<br />

an. Überschreitet<br />

die Wettbewerbsabrede die<br />

durch das Gesetz gezogenen<br />

Grenzen, führt dies nicht<br />

zu ihrer Unwirksamkeit. Die<br />

Wettbewerbsabrede bleibt<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

in diesen Grenzen wirksam. Dies gilt sowohl im<br />

Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Wettbewerbsverbotes<br />

als auch bei Überschreitung der<br />

örtlichen <strong>und</strong> gegenständlichen Vorgaben der<br />

Vorschrift. An die Stelle einer unzulässig langen<br />

Frist tritt die gesetzliche Höchstdauer von zwei<br />

Jahren. Fordert der Vertreter vom Versicherer eine<br />

Erklärung, dass das Wettbewerbsverbot nicht über<br />

diese maximale Dauer reicht <strong>und</strong> erklärt ein Versicherer<br />

nicht den geforderten (Teil-)Verzicht, kann<br />

er sich schadenersatzpflichtig machen. Die außerprozessuale<br />

Geltendmachung unberechtigter<br />

Ansprüche oder nicht bestehender <strong>Recht</strong>e kann<br />

innerhalb einer Vertragsbeziehung eine Pflichtverletzung<br />

darstellen, die zu einem Schadenersatzanspruch<br />

führen kann. Dies gilt sowohl im Fall der<br />

Anmaßung eines <strong>Recht</strong>s als auch bei einer Weigerung,<br />

auf die Durchsetzung eines nicht bestehenden,<br />

aber zwischen den Parteien streitigen <strong>Recht</strong>s<br />

zu verzichten. Behauptet der Versicherer in dieser<br />

Situation, nicht schuldhaft gehandelt zu haben, hat<br />

er sein fehlendes Verschulden darzulegen <strong>und</strong> ggf.<br />

zu beweisen.<br />

Fazit<br />

§ 90a Abs. 1 Satz 2 HGB ist als Spezialregelung<br />

zu § 138 BGB anzusehen, soweit es um die Wirksamkeit<br />

einer Wettbewerbsabrede in zeitlicher,<br />

örtlicher <strong>und</strong> gegenständlicher Hinsicht geht. Eine<br />

solche Wettbewerbsabrede ist deshalb gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht nach § 138 BGB nichtig, sondern innerhalb<br />

der gesetzlich zulässigen Dauer wirksam <strong>und</strong><br />

nur im Umfang der Überschreitung unwirksam.<br />

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57


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

58<br />

V. Versicherung<br />

Der umfassenden Beratung bei Eindeckung<br />

des Versicherungsschutzes kommt eine<br />

wichtige Rolle zu. Der K<strong>und</strong>e als Laie kann<br />

regelmäßig nicht beurteilen, welcher Versicherungsschutz<br />

der für ihn passende ist. Angesichts der Bedeutung<br />

des Anleger- <strong>und</strong> Verbraucherschutzes<br />

war es nur konsequent, dass der Gesetzgeber im<br />

neuen VVG die Beratungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />

erheblich ausgedehnt hat. Ein Versicherer soll<br />

aber nach wie vor darauf vertrauen können, dass<br />

ein Versicherungsmakler, mit dem er zusammenarbeitet,<br />

seinen Pflichtenkatalog erfüllt. Bestimmte<br />

Pflichten des Versicherers gelten nicht, wenn der<br />

Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem<br />

Versicherungsmakler vermittelt wird (§ 6 Abs. 6<br />

VVG). Nachfolgend stellen wir Ihnen verschiedene<br />

Entscheidungen vor, bei denen es um den AVAD-<br />

Auskunftsverkehr, Kostenausgleichsvereinbarungen<br />

bei Netto-Policen, Widerrufsrechte <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>sfolgen<br />

von Vertragskündigungen geht.<br />

1. AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer<br />

darf keine strittigen Umstände als zweifelsfreie<br />

Tatsachen melden<br />

(BGH, Urt. v. 15.03.2012, III ZR 148/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsvermittler war als Handelsvertreter<br />

für eine Versicherungsgesellschaft tätig<br />

<strong>und</strong> vermittelte für diese sowie für verb<strong>und</strong>ene<br />

Konzerngesellschaften Versicherungsverträge<br />

<strong>und</strong> Finanzdienstleistungsprodukte. Zunächst beendete<br />

der Versicherungsvermittler das Vertragsverhältnis<br />

durch eigene fristlose Kündigung. Die<br />

Versicherung wies die Kündigung zurück <strong>und</strong><br />

kündigte ihrerseits das Vertragsverhältnis außerordentlich.<br />

Sie meldete der Auskunftsstelle über<br />

Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst <strong>und</strong> Versicherungsmakler<br />

in Deutschland e.V. (AVAD), dass<br />

das Vertragsverhältnis durch ihre außerordentliche<br />

Kündigung beendet worden sei <strong>und</strong> dass zu Lasten<br />

des Vermittlers ein rückforderbarer Saldo bestünde.<br />

Der Vermittler beantragte eine einstweilige Verfügung,<br />

in der der Versicherung verboten wurde,<br />

gegenüber Dritten zu behaupten, sie habe noch<br />

Forderungen aus Provisionen <strong>und</strong> das Vertragsverhältnis<br />

sei durch ihre außerordentliche Kün-<br />

digung beendet worden. Die einstweilige Verfügung<br />

wurde erlassen. Die Versicherung legte<br />

Widerspruch ein.<br />

Entscheidung<br />

Das Landgericht München I bestätigte die einstweilige<br />

Verfügung <strong>und</strong> wies den Widerspruch<br />

zurück. Ein Wettbewerbsverhältnis bestand,<br />

nachdem sich der Vermittler inzwischen als Versicherungsmakler<br />

selbstständig gemacht hatte.<br />

Der Vermittler musste sich auch nicht darauf verweisen<br />

lassen, dass er bei der AVAD Widerspruch<br />

gegen AVAD-Informationen erheben kann. Bei<br />

zu beanstandenden Mitteilungen ist es legitim,<br />

schon ihr erstes Entstehen in der Datei der AVAD<br />

oder sonstigen Dritten gegenüber zu verhindern.<br />

Es ist unlauter, strittige Umstände als unstreitig<br />

darzulegen. Für die Versicherung war auch erkennbar,<br />

welche Nachteile einem Versicherungsvermittler<br />

drohen, wenn bei der AVAD negative<br />

Merkmale registriert sind <strong>und</strong> im Auskunftsverkehr<br />

Negativmeldungen weitergegeben werden.<br />

Auch wer sich selbst den Regelungen über den<br />

AVAD-Auskunftsverkehr unterwirft, verzichtet<br />

damit nicht auf die Wahrung seiner wettbewerblichen<br />

Schutzrechte.<br />

Fazit<br />

Die Versicherungs- <strong>und</strong> Bausparkassenwirtschaft<br />

hat bereits im Jahr 1948 mit der Förderung der<br />

Versicherungsaufsichtsbehörde eine Selbsthilfeeinrichtung<br />

geschaffen, die heute allgemein als<br />

AVAD bekannt ist. Die AVAD unterhält einen<br />

Auskunftsverkehr sowohl in schriftlicher Form als<br />

auch über EDV online. AVAD-Meldungen haben<br />

im <strong>Recht</strong>sverkehr großes Gewicht. Das Landgericht<br />

München I hat klargestellt, dass Versicherungen<br />

nicht leichtfertig einseitig einen Sachverhalt<br />

darstellen dürfen <strong>und</strong> strittige Tatsachen in<br />

einer Art <strong>und</strong> Weise offenbaren dürfen, als wären<br />

es harte Fakten.<br />

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2. Zur Wirksamkeit einer Kostenaus-<br />

gleichsvereinbarung bei einer<br />

Netto-Police<br />

(LG Rostock, Urt. v. 10.08.2012, 1 S 315/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherer schloss mit einem Versicherungsnehmer<br />

im November 2008 einen Versicherungsvertrag<br />

<strong>und</strong> eine Kostenausgleichsvereinbarung<br />

ab. Der Versicherungsnehmer verpflichtete sich<br />

für die Dauer von 44 Jahren monatliche Beiträge<br />

zu leisten. Der zur Anlage bestimmte Beitragsteil<br />

sollte sich in den ersten 48 Monaten reduzieren.<br />

In dieser Zeit sollten die Abschlusskosten gem. der<br />

separat abgeschlossenen Kostenausgleichsvereinbarung<br />

getilgt werden. In der Kostenausgleichsvereinbarung<br />

hieß es u.a., dass die Aufhebung<br />

des Versicherungsvertrages gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />

zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung<br />

führt. Im Versicherungsvertrag hieß es, dass<br />

die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht<br />

zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung<br />

führt.<br />

Acht Monate nach Abschluss der Versicherung<br />

kündigte der Versicherungsnehmer die Versicherung<br />

<strong>und</strong> berief sich auf die Unwirksamkeit der<br />

Kostenausgleichsvereinbarung. Der Versicherer<br />

forderte die Zahlung.<br />

Entscheidung<br />

Das Landgericht Rostock gab der Klage des Versicherers<br />

statt. Der Versicherungsnehmer sei trotz<br />

Kündigung des Versicherungsvertrages zur Zahlung<br />

der restlichen Raten, die er aufgr<strong>und</strong> der Kostenausgleichsvereinbarung<br />

schulde, verpflichtet.<br />

Die Kostenausgleichsvereinbarung würde durch<br />

die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht<br />

berührt. Sie stelle auch keine Umgehung des<br />

§ 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar. Nach dieser seit<br />

01.01.2008 geltenden Norm soll das Risiko noch<br />

nicht verrechneter Abschlusskosten vom Versicherungsnehmer<br />

getragen werden, wenn aus<br />

den bisherigen Prämien die Abschlusskosten noch<br />

nicht getilgt werden konnten. Diese Norm betrifft<br />

jedoch nur sog. Brutto-Policen. Sie findet bei sog.<br />

Netto-Policen keine Anwendung. In der Gesetzesbegründung<br />

zu § 169 VVG hieße es insoweit ausdrücklich,<br />

dass die Norm nicht ausschließe, eine<br />

gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der<br />

Abschlusskosten zu treffen. Entscheidend sei,<br />

dass die Höhe der Abschlusskosten erkennbar ist,<br />

also dem Transparenzgebot genügt wird <strong>und</strong> die<br />

Höhe der Kosten nicht unangemessen ist. Beides<br />

sei hier zu verneinen.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Fazit<br />

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock wendet<br />

sich in dieser Entscheidung ausdrücklich gegen<br />

eine gegenteilige Auffassung der 10. Zivilkammer<br />

desselben Gerichts. Dieses hatte im Urteil vom<br />

06.08.2010 (10 O 137/10) entschieden, dass durch<br />

die Kostenausgleichsvereinbarung das gesetzliche<br />

Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers unterlaufen<br />

werde <strong>und</strong> die Regelung einer Vertragsstrafe<br />

gleich käme. Die 1. Zivilkammer betont die<br />

Vertragsfreiheit. Wenn ein Versicherungsnehmer<br />

das Risiko eines sich wirtschaftlich ggf. als nachteilig<br />

erweisenden <strong>Recht</strong>sgeschäfts bewusst eingehe,<br />

muss er mit den Konsequenzen leben.<br />

Bildquelle: © wildworx - Fotolia.com<br />

3. Zur Frage der Reichweite des Widerrufs<br />

einer Bezugsrechtsbestimmung<br />

(BGH, Urt. v. 18.01.2012, IV ZR 196/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsnehmer schloss eine Lebensversicherung<br />

auf sein Leben ab. Beim Abschluss der Versicherung<br />

setzte er widerruflich einen seiner Söhne<br />

als Bezugsberechtigten für die Todesfallleistung ein.<br />

In der Folgezeit trat der Erblasser sämtliche <strong>Recht</strong>e<br />

aus dem Lebensversicherungsvertrag an eine finanzierende<br />

Bank ab. Der Formular-Abtretungsvertrag<br />

enthielt u.a. die Regelung, dass nach Befriedigung<br />

der durch die Abtretung gesicherten Ansprüche die<br />

Bank die ihr abgetretenen <strong>Recht</strong>e auf den Siche-<br />

59


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

60<br />

rungsgeber bzw. im Falle eines Todes an den bisherigen<br />

Bezugsberechtigten zurücküberträgt.<br />

Nach dem Tod des Versicherungsnehmers übertrug<br />

die <strong>Recht</strong>snachfolgerin der Bank die ihr abgetretenen<br />

Ansprüche auf dessen Erben zurück. Die Versicherung<br />

zahlte die Versicherungssumme an den<br />

Sohn aus, der von seinem verstorbenen Vater ursprünglich<br />

als bezugsberechtigt eingesetzt worden<br />

ist. Der andere Sohn klagte auf Zahlung der Versicherungssumme<br />

an die Erbengemeinschaft.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH wies die Klage ab. In der Sicherungsabtretung<br />

der Ansprüche aus der Lebensversicherung an<br />

die Bank läge nicht zugleich ein Widerruf des widerruflichen<br />

Bezugsrechts. Ein Widerruf „für die Dauer<br />

dieser Abtretung“ ist vielmehr so zu verstehen, dass<br />

etwaige Bezugsrechte im Rang hinter das vereinbarte<br />

Sicherungsrecht zurücktreten <strong>und</strong> im Übrigen bestehen<br />

bleiben sollen. Wenn eine Sicherungsabrede<br />

nicht regelt, was gelten soll, wenn eine Bank die Sicherheit<br />

freigibt, obgleich sie auch das <strong>Recht</strong> hätte,<br />

die Sicherheit wegen Fortbestehens des besicherten<br />

Darlehens behalten zu dürfen, ist durch Auslegung<br />

zu ermitteln, wer <strong>Recht</strong>einhaber der freigegebenen<br />

Sicherheit (hier also der Ansprüche aus der Lebensversicherung)<br />

werden soll. Im konkreten Fall kamen<br />

der Sohn in Betracht, der als ursprünglicher Bezugsberechtigter<br />

eingesetzt war, oder die Erbengemeinschaft,<br />

die das besicherte Darlehen weiterhin zu erfüllen<br />

hatte. Der BGH sprach sich für den Vorrang<br />

des eingesetzten Bezugsberechtigten aus. Das Bezugsrecht<br />

sei nur „für die Dauer der Abtretung“ widerrufen<br />

worden. Ein solcher Widerruf ist regelmäßig<br />

so zu verstehen, dass etwaige Bezugsrechte mit<br />

der Rückabtretung der <strong>Recht</strong>e aus der Lebensversicherung<br />

nach dem Tod des VN an die Erben wieder<br />

Gültigkeit haben. Dem Bezugsberechtigten ist der<br />

Vorrang vor den Erben des Versicherungsnehmers zu<br />

erhalten, soweit eine Sicherungsnehmerin die ihr abgetretenen<br />

<strong>Recht</strong>e aus der Lebensversicherung nicht<br />

verwerten will (was sie gr<strong>und</strong>sätzlich könnte).<br />

Fazit<br />

Wird ein Bezugsrecht nur temporär ausgesetzt, nämlich<br />

bis ein <strong>Recht</strong> aus einer Sicherungsabtretung vom<br />

Sicherungsnehmer freigegeben wird, lebt mit der<br />

Rückabtretung das Bezugsrecht bei dem ursprünglich<br />

als Berechtigten benannten wieder auf. Der<br />

Bezugsberechtigte erhält den Anspruch auf die Todesfallleistung,<br />

auch wenn die Rückabtretung an die<br />

Erbengemeinschaft erfolgt. Im konkreten Fall hatte<br />

der verstorbene Vater ursprünglich einen seiner Söhne<br />

bevorzugt. Die zwischenzeitliche Abtretung hat<br />

daran nichts geändert.<br />

4. Zur <strong>Recht</strong>sfolge der Kündigung eines<br />

Rürup-Vertrages<br />

(BGH, Beschl. v. 20.09.2011 <strong>und</strong> v.<br />

21.11.2011, IV ZR 255/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Verbraucherschutzverein nimmt eine Versicherungsgesellschaft<br />

auf Unterlassung der Verwendung<br />

von AVB’s für eine sog. Rürup-Rentenversicherung in<br />

Anspruch. In § 6 der AVB war unter der Überschrift<br />

„Wann können Sie Ihre Versicherung kündigen oder<br />

beitragsfrei stellen?“ geregelt, dass bei der Kündigung<br />

die Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung<br />

umgewandelt wird <strong>und</strong> ein Anspruch auf<br />

den Rückkaufswert nicht besteht. Der Verbraucherschutzverein<br />

hielt diese Klauseln für überraschend,<br />

mehrdeutig, intransparent <strong>und</strong> unangemessen.<br />

Entscheidung<br />

Nachdem der BGH im Beschluss vom 20.09.2011<br />

zunächst darauf hingewiesen hatte, dass er beabsichtigt,<br />

die Revision des Verbraucherschutzvereins<br />

zurückzuweisen, erfolgte die Zurückweisung dann<br />

im Beschluss vom 21.11.2011. Durch die Bestimmung<br />

in § 6 AVB erfahre der Versicherungsnehmer,<br />

dass eine Kündigung nur mit der <strong>Recht</strong>sfolge einer<br />

Beitragsfreistellung möglich ist <strong>und</strong> ein Anspruch<br />

auf den Rückkaufswert nicht besteht. Dies ist weder<br />

intransparent noch unangemessen.<br />

Bildquelle: © Eisenhans - Fotolia.com


Bildquelle: © beermedia - Fotolia.com<br />

Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner<br />

Versicherungsbedingungen entsprechend<br />

den Gr<strong>und</strong>sätzen von Treu <strong>und</strong> Glauben gehalten,<br />

<strong>Recht</strong>e <strong>und</strong> Pflichten seines Vertragspartners möglichst<br />

klar <strong>und</strong> durchschaubar darzustellen. Dabei<br />

kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in<br />

ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer<br />

verständlich ist. Vielmehr gebieten<br />

Treu <strong>und</strong> Glauben auch, dass die Klausel die<br />

wirtschaftlichen Nachteile <strong>und</strong> Belastungen soweit<br />

erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert<br />

werden kann. Auch wenn ein Versicherungsnehmer<br />

mit dem Begriff „Kündigung“ üblicherweise<br />

die Erwartung einer vollständigen Vertragsauflösung<br />

verbindet, hat der Gesetzgeber diese <strong>Recht</strong>sfolge<br />

bei Lebens- oder Rentenversicherungen nicht<br />

ausnahmslos mit einer Kündigung verknüpft. Dies<br />

zeigt z.B. § 166 Abs. 1 VVG, wonach bei Kündigung<br />

einer Versicherung durch den Versicherer das Versicherungsverhältnis<br />

als prämienfreie Versicherung<br />

fortbesteht. Außerdem ist durch die Klausel in § 6<br />

AVB ohne weiteres erkennbar, dass eine Kündigung<br />

nur im Sinne einer Beitragsfreistellung möglich ist<br />

<strong>und</strong> ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht.<br />

Eine solche Regelung weicht auch nicht vom<br />

gesetzlichen Leitbild ab. Nach § 168 Abs.1 VVG<br />

kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis<br />

bei Lebensversicherungen jederzeit für<br />

den Schluss der laufenden Versicherungsperiode<br />

kündigen, wenn laufende Prämien zu zahlen sind.<br />

§ 168 Ab. 3 VVG enthält für Rürup-Verträge eine<br />

dem Absatz 1 vorgehende Sonderregelung.<br />

Fazit<br />

Die Beschlüsse zeigen, wie wichtig es für Versicherer<br />

ist, ihre Bedingungen transparent zu gestalten.<br />

Dann ist es allerdings ohne weiteres möglich, bei<br />

Rürup-Verträgen eine Ausnahme vom Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Kündbarkeit im Sinne von § 168 Abs. 3 VVG zu<br />

vereinbaren.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

5. Zur Frage, ob bei unterjährlicher<br />

Zahlung von Versicherungsbeiträgen<br />

<strong>und</strong> Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen<br />

deren Höhe <strong>und</strong> der effektive<br />

Jahreszins anzugeben sind<br />

(OLG Hamburg, Urt. v. 18.11.2011,<br />

9 U 103/11, nrkr.)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Verbraucherschutzverein fordert von einer Versicherungsgesellschaft,<br />

in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />

die Möglichkeit unterjährlicher<br />

Zahlungen zu ermöglichen, für die Ratenzuschläge<br />

erhoben werden, ohne deren Höhe <strong>und</strong> ohne den<br />

effektiven Jahreszins, der für die Zuschläge zu entrichten<br />

ist, anzugeben.<br />

Entscheidung<br />

Das Gericht verneinte sowohl einen Verstoß gegen<br />

Vorschriften der Preisangabenverordnung als auch<br />

einen Verstoß gegen § 506 BGB. Auch wenn der<br />

Begriff des Anbietens im Sinne von § 1 Preisangabenverordnung<br />

(PAngV) weit zu fassen ist, dienen<br />

Allgemeine Versicherungsbedingungen dazu, Regelungen<br />

oder Informationen für eine Vielzahl von<br />

Verträgen vorzuhalten. Sie stellen deshalb kein Anbieten<br />

im weitesten Sinn dar. § 6 PAngV ist auf Versicherungsverträge,<br />

die eine während des Bestands<br />

des Versicherungsvertrages wiederkehrende Beitragszahlung<br />

vorsehen, ebenso wenig anzuwenden<br />

wie die Regeln des BGB über den Verbraucherkreditvertrag.<br />

Das Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass die<br />

Widerrufsrechte von Versicherungsverträgen <strong>und</strong><br />

Verbraucherkreditverträgen unterschiedlich ausgestaltet<br />

sind. Würden Versicherungsverträge in den<br />

Anwendungsbereich des § 506 BGB einbezogen,<br />

entstünden nur schwer lösbare Widersprüche.<br />

Im Übrigen liegt auch kein entgeltlicher Zahlungsaufschub<br />

vor. Ein Zahlungsaufschub ist das Hinausschieben<br />

der vereinbarten Fälligkeit der vom Verbraucher<br />

geschuldeten Zahlung gegenüber der sich<br />

aus dem dispositiven <strong>Recht</strong> ergebenden Leistungszeit,<br />

um ihm die Zahlung des vereinbarten Preises zu<br />

erleichtern. Durch die Vereinbarung unterjährlicher<br />

Prämienzahlung wird aber keine vom dispositiven<br />

<strong>Recht</strong> abweichende Bestimmung der Fälligkeit im<br />

Sinne eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs vorgenommen.<br />

Insoweit ist es genügend, wenn in Allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />

darauf hingewiesen wird,<br />

dass bei unterjährlicher Beitragszahlung Ratenzah-<br />

61


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

62<br />

lungszuschläge erhoben werden. Dies genügt dem<br />

Transparenzgebot. Angaben zur Höhe der Ratenzahlungszuschläge<br />

sind nicht erforderlich.<br />

Fazit<br />

Die praktische Bedeutung dieser - noch nicht rechtskräftigen<br />

- Entscheidung ist enorm. Ratenzahlungszuschläge<br />

bei unterjährlicher Zahlungsweise sind in<br />

Versicherungsverträgen weit verbreitet. Aufsichtsrechtlich<br />

sind die Versicherer verpflichtet, alle Versicherungsnehmer<br />

gleich zu behandeln. Die in Raten<br />

gezahlte Jahresprämie trägt nicht in gleichem<br />

Umfang zu Ergebnissen einer Lebensversicherung<br />

oder Rentenversicherung bei wie die zu Beginn des<br />

Versicherungsjahres gezahlte Jahresprämie. Ohne<br />

einen Zuschlag würde der Ratenzahler also einen<br />

höheren Ertrag erhalten als der Jahreszahler. Auch<br />

wenn das OLG Hamburg diese tragenden Gesichtspunkte<br />

detailliert herausgearbeitet hat, bleibt abzuwarten,<br />

wie sich der BGH zu diesen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

äußern wird.<br />

6. Lebensversicherung: Kein Widerspruch<br />

oder Widerruf nach Kündigung <strong>und</strong><br />

vollständiger Vertragsbeendigung<br />

(OLG Hamm, Beschl. v. 24.08.2011,<br />

I-20 U 50/11)<br />

Sachverhalt<br />

Eine - ehemalige - Versicherungsnehmerin verlangt<br />

die Rückzahlung von ihr in eine Lebensversicherung<br />

einbezahlte Einmalprämie zzgl. Nutzungsersatz.<br />

Sie trägt vor, ihr sei nicht erinnerlich, ob sie<br />

den Versicherungsschein einschl. Bedingungen <strong>und</strong><br />

Verbraucherinformationen erhalten habe. Die Versicherungsnehmerin<br />

meint deshalb, trotz von ihr<br />

erklärter Kündigung <strong>und</strong> trotz daraufhin erfolgter<br />

vollständiger Abwicklung <strong>und</strong> Beendigung des Versicherungsvertrages<br />

anschließend noch zum Widerruf<br />

bzw. Widerspruch berechtigt gewesen zu sein.<br />

Der Vertragsabschluss im sog. Policenmodell verstoße<br />

gegen Europarecht. Insbesondere sei auch die<br />

Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtswidrig,<br />

nach der das <strong>Recht</strong> zum Widerspruch<br />

spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie<br />

erlosch.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Hamm wies die gegen das klageabweisende<br />

Urteil erster Instanz eingelegte Berufung<br />

zurück. Soweit die Versicherungsnehmerin den Zugang<br />

von Vertragsunterlagen bestritten habe, hätte<br />

sie plausibel darlegen müssen, warum sie die nä-<br />

Bildquelle: © pressmaster - Fotolia.com<br />

heren Umstände vergessen habe. Anderenfalls ist<br />

die Erklärung wie nichtbestreiten zu behandeln.<br />

Dies gilt auch dann, wenn ein Bestreiten einer Partei<br />

nicht plausibel ist, weil sich der Eindruck aufdrängt,<br />

mehrfach wechselndem Vortrag liegen prozesstaktische<br />

Erwägungen zugr<strong>und</strong>e.<br />

Sodann befasst sich das Gericht mit der Frage etwaiger<br />

europarechtlicher Bedenken gegen § 5a Abs. 1<br />

Satz 1 <strong>und</strong> Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. Das Policenmodell<br />

verstoße nicht gegen Europarecht. Die Verbraucherinformationen<br />

<strong>und</strong> Versicherungsbedingungen<br />

müssen einem Versicherungsnehmer nicht zwingend<br />

bis zur Antragstellung ausgehändigt werden.<br />

Es reicht, wenn sie dem Versicherungsnehmer später<br />

übergeben werden. Erst dann beginne die 14-<br />

bzw. 30-tägige Widerspruchsfrist. Bis dahin bleibe<br />

der Vertrag schwebend unwirksam. Durch diese<br />

rechtliche Konstruktion ist gewährleistet, dass die<br />

vertragliche Bindung eines Versicherungsnehmers<br />

erst nach der gebotenen Verbraucherinformation<br />

eintritt. Hinzu kam im konkreten Fall, dass die Versicherungsnehmerin<br />

den Vertrag gekündigt hatte.<br />

Die Versicherung hat das beendete Vertragsver-


hältnis abgerechnet <strong>und</strong> den Vertrag abgewickelt.<br />

Erst r<strong>und</strong> acht Monate später erfolgte dann ein<br />

Widerruf. Ein Widerruf ist nach vollständiger Vertragsbeendigung<br />

<strong>und</strong> Vertragsabwicklung jedoch<br />

nicht mehr möglich. Hat eine Vertragspartei mehrere<br />

Wahlrechte <strong>und</strong> übt sie eines aus, gibt sie eine<br />

eindeutige Erklärung ab. Wenn dadurch ein <strong>Recht</strong><br />

gestaltet worden ist, bleibt für weitere <strong>Recht</strong>sgestaltungen<br />

kein Raum mehr.<br />

Der Versicherungsnehmerin stand der Anspruch auf<br />

Rückzahlung der Prämie nebst entgangenem Gewinn<br />

auch nicht aus anderen Gründen zu. Selbst<br />

wenn Klauseln des Bedingungswerkes unwirksam<br />

gewesen wären, führt dies nicht zur Unwirksamkeit<br />

des gesamten Vertrages. Auch eröffnen intransparente<br />

Versicherungsbedingungen kein Widerspruchs-<br />

bzw. Rücktrittsrecht. Schließlich stand der<br />

Versicherungsnehmerin auch kein Schadenersatzanspruch<br />

zu. Insoweit ist ausreichend, wenn über<br />

die Folgen einer vorzeitigen Vertragsauflösung in<br />

den Versicherungsbedingungen informiert wird. Die<br />

sog. Kick-Back-<strong>Recht</strong>sprechung, die der BGH bei<br />

Anlageberatungsverträgen entwickelt hat, ist auf<br />

Versicherungsverträge nicht übertragbar.<br />

Fazit<br />

Der BGH hat bekanntlich einige Zeit nach dem<br />

vom OLG Hamm erlassenen Beschluss ein Verfahren<br />

ausgesetzt <strong>und</strong> dem EuGH die Frage vorgelegt,<br />

ob europarechtliche Bedenken gegen § 5a Abs. 2<br />

Satz 4 VVG a.F. bestehen (nicht gegen § 5a Abs. 1<br />

Satz 1 VVG a.F.). Für den Beschluss des OLG Hamm<br />

spielte dieser Aspekt ohnehin nur eine Nebenrolle.<br />

Jedenfalls nach Kündigung <strong>und</strong> vollständiger Vertragsbeendigung<br />

ist für anschließende Gestaltungserklärungen<br />

kein Raum mehr. Die Hinweise auf die<br />

Unanwendbarkeit der sog. Kick-Back-<strong>Recht</strong>sprechung<br />

stehen in Einklang mit verschiedenen anderen<br />

obergerichtlichen Entscheidungen, u.a. OLG<br />

Celle vom 02.02.2012, 8 U 125/11, OLG Stuttgart,<br />

Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10 oder OLG Köln, Beschl.<br />

v. 29.10.2010, 20 U 100/10.<br />

7. Zur Frage, aus welchen Gründen das<br />

Policenmodell europarechtskonform ist<br />

(OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.07.2012,<br />

7 U 54/12)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherungsnehmer begehrte Schadenersatz<br />

mit der Begründung, sein im Policenmodell abgeschlossener<br />

Versicherungsvertrag sei unwirksam.<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Das sog. Policenmodell war bei verschiedenen Versicherern<br />

bis zum Jahr 2008 ein weit verbreitetes<br />

Modell zum Abschluss von Versicherungsverträgen.<br />

Der künftige Versicherungsnehmer stellte einen Antrag,<br />

bevor er die Verbraucherinformationen <strong>und</strong> die<br />

Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten<br />

hatte. Dieser Vertrag war schwebend unwirksam bis<br />

dem Versicherungsnehmer zusammen mit der Police<br />

die Verbraucherinformationen pp. übermittelt worden<br />

sind. Der Vertrag galt auf der Gr<strong>und</strong>lage des Versicherungsscheins,<br />

der Versicherungsbedingungen<br />

<strong>und</strong> der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen<br />

Verbraucherinformationen als abgeschlossen,<br />

wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von<br />

14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich<br />

widersprach. Zusätzlich zur vollständigen Übersendung<br />

der notwendigen Unterlagen war für den<br />

Vertragsschluss eine Belehrung des Versicherungsnehmers<br />

über das Widerspruchsrecht erforderlich.<br />

Außer durch die Erklärung des Widerspruchs oder<br />

das Verstreichenlassen der Widerspruchsfrist konnte<br />

der Schwebezustand des Weiteren durch das Erlöschen<br />

des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung<br />

der ersten Prämie beendet werden.<br />

In jüngerer Zeit wurde mehrfach thematisiert <strong>und</strong><br />

problematisiert, ob einem Versicherungsnehmer ein<br />

ewiges Widerspruchsrecht zusteht, weil die b<strong>und</strong>esdeutsche<br />

Gesetzesnorm des § 5a VVG a.F. mit europäischem<br />

Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist. Das<br />

Landgericht Stuttgart hatte die Klage in erster Instanz<br />

abgewiesen.<br />

Entscheidung<br />

Das OLG Stuttgart bestätigt das erstinstanzliche<br />

Urteil. Für das Gericht ist es offenk<strong>und</strong>ig, dass das<br />

Policenmodell gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Satz<br />

1 VVG a.F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht<br />

vereinbart ist. Das Gericht führt ferner aus, dass<br />

nach seiner Überzeugung auch für die Gerichte der<br />

übrigen Mitgliedsstaaten <strong>und</strong> für den EuGH die gleiche<br />

Gewissheit besteht.<br />

Entsprechend einheitlich sei insoweit gleichsam<br />

die jüngere obergerichtliche <strong>Recht</strong>sprechung in<br />

Deutschland, die den einhelligen Konsens belege,<br />

dass das Policenmodell mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

vereinbar sei. Auch der Vorlagebeschluss des<br />

BGH vom 28.03.2012 stelle die europarechtliche<br />

Vereinbarkeit des Policenmodells als solches nicht in<br />

Frage. Der BGH beschränke sich auf die Vorlagefrage,<br />

ob die Regelungen des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG<br />

a.F. - also ein Vertragsschluss ohne jede Vorlage<br />

von Informationen <strong>und</strong> Versicherungsbedingungen<br />

an den Versicherungsnehmer - mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

vereinbart ist.<br />

63


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

64<br />

Andere EU-Staaten hätten ihrerseits keine durchgreifenden<br />

europarechtlichen Bedenken geltend<br />

gemacht <strong>und</strong> insbesondere keinen Anlass gesehen,<br />

eine Vorab-Entscheidung des EuGH herbeizuführen.<br />

Das Gericht sieht des Weiteren keine Parallelen zur<br />

sog. Heininger-Entscheidung. In der „Heininger-<br />

Entscheidung“ ging es um die Frage, ob das in der<br />

Haustürgeschäft-Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht<br />

ohne Befristungsmöglichkeit vom deutschen<br />

Gesetzgeber richtig umgesetzt wurde, indem der<br />

deutsche Gesetzgeber eine solche Befristung vornahm.<br />

Der europäische Gesetzgeber sah hingegen<br />

überhaupt kein Widerrufs- oder gar Widerspruchsrecht<br />

als Instrument zur Verwirklichung des Verbraucherschutzes<br />

bei Abschluss von Versicherungsverträgen<br />

vor. Wenn nun der deutsche Gesetzgeber<br />

ein solches Instrument eingesetzt habe, könne er<br />

sich demnach nicht von entsprechenden europarechtlichen<br />

Vorgaben unzulässig entfernt haben.<br />

Sodann setzt sich das Gericht noch intensiv mit<br />

den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zur<br />

Dritten Richtlinie Lebensversicherung auseinander.<br />

Hierbei ging es um den Ausgleich widerstreitender<br />

Verbraucher- <strong>und</strong> Unternehmerinteressen. Durch<br />

das Policenmodell wird der Verbraucherschutz nicht<br />

ernsthaft gefährdet, sinnentleert oder in erheblichem<br />

Maß geschmälert, sondern es wird in einem<br />

ausgewogenen Maß den verschiedenen Interessen<br />

Rechnung getragen.<br />

Fazit<br />

Der Beschluss des OLG Stuttgart ist ein klares Bekenntnis<br />

zur Wirksamkeit des Policenmodells,<br />

welches in Deutschland zwischen 1994 <strong>und</strong> 2008<br />

möglich war. Ein für das Gericht wesentlicher Gesichtspunkt<br />

ist hierbei, dass einem Versicherungsnehmer<br />

die Verbraucherinformationen pp. mit dem<br />

Versicherungsschein übermittelt worden sind. Nicht<br />

streitrelevant war dagegen die vom BGH dem EuGH<br />

vorgelegte Frage, ob es mit dem EU-<strong>Recht</strong> vereinbar<br />

ist, wenn dem Versicherungsnehmer überhaupt keine<br />

Unterlagen ausgehändigt wurden.<br />

Bildquelle: © Joachim Wendler - Fotolia.com<br />

8. Zur Frage der Verteilung der Abschluss-<br />

<strong>und</strong> Vertriebskosten in zertifizierten<br />

Altersvorsorgeverträgen<br />

(BGH, Urt. v. 07.11.2012, IV ZR 292/10)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Anbieter von Riester-Produkten bietet u.a.<br />

fondsbasierte Altersvorsorgelösungen an. Die<br />

dabei verwendeten Geschäftsbedingungen informieren<br />

den Interessenten, dass die Abschluss- <strong>und</strong><br />

Vertriebskosten während der ersten fünf Laufzeitjahre<br />

anteilig von den regelmäßigen Beiträgen<br />

einbehalten werden. In Höhe dieser Einbehalte<br />

werden keine Fondsanteile erworben.<br />

In dieser Klausel sieht ein Verbraucherschutzverband<br />

eine unangemessene Benachteiligung<br />

des Versicherungsnehmers (Anlegers), weil diese<br />

Regelung mit § 125 InvG unvereinbar sei. Nach<br />

dieser Bestimmung ist im ersten Laufzeitjahr der<br />

für die Kostendeckung einzubehaltende Betrag<br />

auf 1/3 der regelmäßigen Beiträge begrenzt. Für<br />

die gesamte übrige Laufzeit des Anlageproduktes<br />

sind die Kosten gleichmäßig zu verteilen.<br />

Entscheidung<br />

Der BGH wies die auf Unterlassung der Verwendung<br />

der Klausel gerichtete Klage ab. Einschlägig<br />

für die in Rede stehenden Altersvorsorge-Fondssparpläne<br />

ist nicht § 125 InvG. Vielmehr darf sich<br />

der Anbieter bei seinen Altersvorsorgeprodukten<br />

hinsichtlich der Kostenvorausbelastung an § 1<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz<br />

(AltZertG) orientieren. Ein Altersvorsorgevertrag<br />

im Sinne dieses Gesetzes setzt<br />

u.a. voraus, dass die angesetzten Abschluss- <strong>und</strong><br />

Vertriebskosten gleichmäßig mindestens auf die<br />

ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden, soweit<br />

sie nicht als Prozentsatz von den Altersvorsorgebeiträgen<br />

abgezogen werden. Des Weiteren<br />

weist der BGH auf den Entwurf eines Gesetzes<br />

zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der<br />

privaten Altersvorsorge hin. Durch dieses Gesetz<br />

soll ein § 2a in das AltZertG eingefügt werden,<br />

der klarstellt, dass bei Altersvorsorgeverträgen<br />

§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 die Spezialvorschrift gegenüber<br />

§ 125 InvG ist.<br />

Fazit<br />

Eine in zertifizierten Altersvorsorgeverträgen verwendete<br />

Klausel, nach der die Abschluss- <strong>und</strong><br />

Vertriebskosten gleichmäßig auf die ersten fünf<br />

Laufzeitjahre verteilt werden, benachteiligt Anleger<br />

nicht unangemessen.


9. Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht<br />

eines Versicherers<br />

bei notleidenden (stornogefährdeten)<br />

Versicherungsverträgen<br />

(BGH, Urt. v. 28.06.2012, VII ZR 130/11)<br />

Sachverhalt<br />

Ein Versicherer verlangt von einem für ihn vormals<br />

tätigen Mehrfachagenten die Rückzahlung von<br />

Provisionsvorschüssen für eine Reihe von Versicherungsverträgen.<br />

Der Versicherer begründet seinen<br />

Anspruch damit, dass die vom Mehrfachagenten<br />

vermittelten Vertragsverhältnisse nach Beendigung<br />

des Versicherungsvertretervertrages storniert worden<br />

sind. Bis zum Ausscheiden des Mehrfachagenten<br />

habe der Vertriebspartner selbst rechtzeitig<br />

Mitteilungen über stornogefährdete Verträge erhalten.<br />

Nach seinem Ausscheiden habe der Versicherer<br />

eigene Stornoabwehrmaßnahmen getroffen, die<br />

aber erfolglos geblieben seien.<br />

Entscheidung<br />

Bekanntlich entfällt der Anspruch des Handels-<br />

bzw. Versicherungsvertreters auf Provision im Fall<br />

der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer,<br />

wenn <strong>und</strong> soweit die Nichtausführung<br />

auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht<br />

zu vertreten sind. Eine Stornierung eines Vertrages<br />

ist bereits dann vom Versicherer nicht zu vertreten,<br />

wenn notleidende Verträge in gebotenem Umfang<br />

nachbearbeitet wurden.<br />

Art <strong>und</strong> Umfang der dem Versicherer obliegenden<br />

Nachbearbeitung bestimmt sich nach den Umständen<br />

des Einzelfalls. Entweder kann das Versicherungsunternehmen<br />

eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr<br />

ergreifen oder sich darauf beschränken,<br />

dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung<br />

Gelegenheit zu geben, den notleidend<br />

gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten.<br />

Die Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße<br />

Nachbearbeitung eines notleidenden Versicherungsvertrages<br />

vorgenommen wurde, obliegt dem<br />

Versicherer.<br />

Entschließt sich nun ein Versicherer, einer Stornogefahr<br />

durch Versendung von Stornogefahrmitteilungen<br />

an den Versicherungsvertreter entgegenzuwirken,<br />

ist der Versicherer seiner Pflicht zur<br />

Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maß nachgekommen,<br />

wenn die Stornogefahrmitteilung den<br />

Versicherungsvertreter in die Lage versetzt, seinerseits<br />

Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr<br />

zu ergreifen. Der Versicherer muss die Mitteilung so<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll<br />

<strong>und</strong> mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages<br />

bemühen kann.<br />

Ein Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung<br />

wählt, muss sich daher sobald wie es ihm nach<br />

den Umständen möglich <strong>und</strong> zumutbar ist, gegenüber<br />

einem Versicherungsvertreter erklären. Es ist<br />

einem Versicherer dabei gestattet, sich in angemessener<br />

Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob<br />

Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen.<br />

Es ist ihm des Weiteren gestattet, in dieser Situation<br />

erst eine Entscheidung zu treffen, ob er eigene<br />

Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder ob er<br />

sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter<br />

eine Stornogefahrmitteilung zu übermitteln.<br />

Nicht ausreichend ist es,<br />

wenn ein Versicherer nur<br />

einem Nachfolger eines<br />

ausgeschiedenen Versicherungsvertreters<br />

die<br />

Stornogefahrmitteilung<br />

übermittelt. In einem solchen<br />

Fall muss ein Versicherer<br />

den Auftrag zur<br />

konkreten Nachbearbeitung<br />

erteilen <strong>und</strong> im<br />

Streitfall darlegen <strong>und</strong><br />

nachweisen. Wenn sich<br />

ein Versicherer auf einen<br />

Erfahrungssatz berufen möchte, nach dem aus der<br />

Erfolglosigkeit bestimmter Rettungsbemühungen<br />

einzelner Verträge auf die Erfolglosigkeit von Rettungsversuchen<br />

auch bei den weiteren Verträgen<br />

geschlussfolgert werden könne, bedarf es hierfür tatsächlicher<br />

Anhaltspunkte. Weil die Instanzgerichte diese<br />

Gr<strong>und</strong>sätze nicht richtig angewandt hatten, hob<br />

der BGH das die Klage des Versicherers abweisende<br />

Urteil auf <strong>und</strong> verwies den <strong>Recht</strong>sstreit zur neuen Entscheidung<br />

zurück.<br />

Fazit<br />

Der BGH hat Unternehmen, die mit Handelsvertretern<br />

zusammenarbeiten, noch einmal im Einzelnen<br />

den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten<br />

Verträgen zu beachten ist: Entweder<br />

übermittelt der Prinzipal unverzüglich Stornogefahrmitteilungen,<br />

damit der Handelsvertreter selbst<br />

Maßnahmen zur Rettung notleidender Verträge<br />

einleiten kann oder er ergreift eigene Maßnahmen,<br />

die er dann entsprechend belegen muss. Die bloße<br />

Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den<br />

Nachfolger eines ausgeschiedenen Handelsvertreters<br />

ist hingegen keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrenabwehr.<br />

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65


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

66<br />

I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />

1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn, Prospektverantwortung<br />

2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />

3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />

4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten<br />

geschuldet wird<br />

5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />

6. Eintretenmüssen für Fehlverhalten Dritter<br />

7. Schadensumfang<br />

8. Verjährung<br />

II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />

(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen <strong>und</strong><br />

Finanzierung<br />

IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />

V. Versicherung<br />

Bildquelle: © Africa Studio - Fotolia.com


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

I. Haftungsrechtsprechung aktuell<br />

I. 1. Prospekthaftung im engeren <strong>und</strong> im weiteren Sinn, Prospektverantwortung<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH III ZR 103/10 17.11.2011 Zur Prospekthaftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage<br />

2. BGH XI ZR 344/11 18.09.2012 Zur Haftung im Konzernverb<strong>und</strong> für fehlerhafte Prospekte<br />

3. BGH II ZR 211/09 23.04.2012 Zum Schadenersatzanspruch eines Treugebers gegen Gründungsgesellschafter<br />

4. LG Ffm. 2-10 O 478/11 20.07.2012 Falschberatung auch bei der Empfehlung einer Beteiligung am<br />

„Singapore-Flyer“<br />

5. OLG Ffm. 23 Kap 1/06 16.05.2012 OLG Frankfurt am Main verneint im KapMuG-Verfahren gegen die<br />

Telekom Prospektfehler<br />

6. OLG München 20 U 2289/11 02.11.2011 Ausnahme von der Prospektpflicht: Formale oder wirtschaftliche<br />

Betrachtungsweise?<br />

7. OLG München Kap 1/07 30.12.2011 VIP 4-Prospekt ist zum Teil unrichtig, unvollständig <strong>und</strong> irreführend<br />

8. OLG München 5 U 1725/11 22.05.2012 Zur Frage von Prospekthaftungsansprüchen bei Vermittlung von<br />

Lehman-Zertifikaten<br />

I. 2. <strong>Recht</strong>sprechung zu Kick-Backs <strong>und</strong> Rückvergütungen<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH XI ZR 262/10 08.05.2012 Neues zu Kick-Backs <strong>und</strong> verspäteter Prospektübergabe<br />

2. BGH III ZR 308/11 19.07.2012 Zur Frage der Aufklärungspflicht eines selbstständigen Unternehmens<br />

der „Sparkassen-Finanzgruppe“, ungefragt über Provisionen<br />

aufzuklären<br />

3. BGH XI ZR 259/11<br />

XI ZR 316/11<br />

XI ZR 355/10<br />

XI ZR 356/10<br />

26.06.2012 Keine Aufklärungspflichten einer Bank bei Festpreisgeschäften<br />

4. BVerfG 1 BvR<br />

08.12.2011 B<strong>und</strong>esverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde einer Bank, die<br />

2514/11<br />

wegen Kick-Backs zum Schadenersatz verurteilt wurde, zurück<br />

5. OLG Celle 3 U 173/11 28.12.2011 Rentabilität einer Fondsbeteiligung <strong>und</strong> Interessenkonflikt durch Rückvergütung<br />

sind „zwei Paar Schuhe“<br />

6. OLG Ffm. 9 U 112/09 13.12.2011 Bankenhaftung wegen nicht offengelegter Rückvergütung<br />

(VIP Medienfonds 4)<br />

7. BGH XI ZR 363/10 11.09.2012 Und noch einmal: Zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen beim<br />

geschlossenen Immobilienfonds<br />

I. 3. Sonstige Aufklärungs-, Nachforschungs- <strong>und</strong> Informationspflichten<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH III ZR 56/11 01.12.2011 Zum Pflichtenkreis des Anlageberaters<br />

2. BGH III ZR 81/11 10.11.2011 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm<br />

bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären<br />

3. BGH XI ZR 51/10 13.12.2011 Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher<br />

Veröffentlichung von Insider-Informationen<br />

4. BGH III ZR 307/11 06.12.2012 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft<br />

bestehende Vertriebsvereinbarung<br />

67


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

68<br />

I. 4. Zur Frage des Zeitpunkts, wann die Aufklärung gegenüber dem Anlageinteressenten<br />

geschuldet wird<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. OLG Karlsruhe 17 U 36/12 17.07.2012 Zur Darlegungslast bei der Verletzung von Beratungspflichten eines<br />

Kapitalanlageberatungsvertrages<br />

I. 5. Haftung aus unerlaubter Handlung<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH VI ZR 166/11 15.05.2012 Zu den Voraussetzungen einer Haftung als Gehilfe einer unerlaubten<br />

Anlagevermittlung<br />

I. 6. Eintretenmüssen für das Fehlverhalten Dritter<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH III ZR 116/11 05.07.2012 Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch<br />

eine namensgleiche Einzelfirma<br />

2. BGH II ZR 69/12 14.05.2012 Zur Haftung eines Gründungsgesellschafters für Fehlverhalten von<br />

Erfüllungsgehilfen<br />

(hier: Aufklärungspflichtverletzungen durch eingeschaltete Untervermittler)<br />

I. 7. Schadensumfang<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH XI ZR 360/11 24.04.2012 Zu den Anforderungen, die an die Geltendmachung eines entgangenen<br />

Gewinns (hier: mindestens 4 % p.a.) zu stellen sind<br />

2. BGH VII ZR<br />

26.01.2012 Ein Anlageberater muss den Anlageinteressenten auch über ein ihm<br />

154/10<br />

bekanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufklären<br />

3. OLG München 5 U 5544/10 28.10.2011 Zum Anspruch auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher<br />

Veröffentlichung von Insider-Informationen<br />

4. BGH II ZR 259/11 18.12.2012 Zur Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über eine mit der Fondsgesellschaft<br />

bestehende Vertriebsvereinbarung<br />

I. 8. Verjährung<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. OLG Ffm. 17 U 128/10 20.04.2011 Zur Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach § 37a WpHG<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

II. Anlegerrechte <strong>und</strong> Anlegerpflichten<br />

(einschl. Anlegerhaftung <strong>und</strong> Nachschusspflichten)<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH XI ZR 272/10 10.07.2012 Zu Fragen der Rückabwicklung einer mittelbaren Medienfondsbeteiligung;<br />

hier: Was muss der Anleger tun? Wann beginnt der Annahmeverzug?<br />

2. BGH II ZR 242/09 11.10.2011 Zur Frage, wann ein Treugeber einer Publikums-Personengesellschaft im<br />

Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters hat<br />

3. OLG Karlsruhe 17 W 36/12 29.05.2012 Der Streitgegenstand ist entscheidend - Zur Frage, wann ein Anleger ein<br />

zweites Mal auf Schadenersatz klagen kann<br />

4. BGH II ZR 272/09 15.11.2011 Zur Verlustausgleichspflicht einer Publikums-GbR nach Auflösung der<br />

Gesellschaft<br />

5. BGH II ZR 2/11 22.05.2012 Zu den Anforderungen an einen wichtigen Gr<strong>und</strong>, um ein (langfristiges)<br />

Beteiligungsverhältnis an einer BGB-Gesellschaft außerordentlich zu<br />

kündigen<br />

6. BGH II ZR 205/10 22.05.2012 Zum Kündigungsrecht eines BGB-Gesellschafters, der sich für einen<br />

langen Zeitraum gegenüber der Gesellschaft zur Erbringung von<br />

Sparraten verpflichtet hat<br />

7. OLG Brandenburg 4 U 196/10 28.09.2011 Voraussetzungen <strong>und</strong> Folgen eines Widerrufs im Zusammenhang mit<br />

dem Erwerb von (fremdfinanzierten) Anteilen an geschlossenen<br />

Immobilienfonds<br />

8. OLG Ffm. 19 U 188/11 29.02.2012 Kein Auskunftsanspruch bei zu verneinender Interessenkollision<br />

9. BGH II ZR 201/10 18.09.2012 Auch bei bloß mittelbarer Beteiligung kann die Gesellschaft die Einlageverpflichtung<br />

unmittelbar fordern<br />

10. BGH III ZR 150/11 18.10.2012 Freistellungsanspruch des Treuhänders geht möglichem Schadenersatzanspruch<br />

aus allenfalls fahrlässiger Pflichtverletzung des Treuhänders vor<br />

11. BGH XI ZR 384/11 27.11.2012 Zur Frage der Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“<br />

XI ZR 439/11<br />

im Fernabsatz<br />

12. BGH II ZR 134/11 05.02.2013 Zum Auskunftsanspruch eines Treugebers über Name <strong>und</strong> Anschriften der<br />

II ZR 136/11<br />

weiteren Treugeber<br />

13. BGH II ZR 251/10 16.10.2012 Zur Wirksamkeit von Änderungsbeschlüssen bei Publikums-Personengesellschaften<br />

III. Immobilien, Immobilienbeteiligungen<br />

<strong>und</strong> Finanzierung<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH V ZR 245/10 11.11.2011 Aufklärungspflichten beim Gr<strong>und</strong>stückskauf<br />

2. OLG Saarbrücken 8 U 450/10 01.12.2011 Zur Frage, ob bei zu geringer Wohnfläche einer verkauften Eigentumswohnung<br />

der Kaufpreis gemindert werden kann<br />

3. BGH XI ZR 149/11 05.06.2012 Kapitalanlegereigentumswohnung: Gr<strong>und</strong>sätzlich keine Pflicht zur<br />

Aufklärung über die Höhe der Innenprovision<br />

4. BGH XI ZR 415/10 11.10.2011 Zur Wirksamkeit einer Treuhandvollmacht, die zur Vertretung von<br />

Anlegern im Zusammenhang mit deren wirtschaftlichem Beitritt zu<br />

einer Beteiligungsgesellschaft einschl. der Finanzierung der Beteiligung<br />

berechtigt<br />

5. BGH XI ZR 175/11 05.06.2012 Zur Frage der arglistigen Täuschung eines Anlegers über versteckte Innenprovisionen<br />

69


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

70<br />

IV. Vermittler- <strong>und</strong> Maklerrecht<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

1. BGH III ZR 213/11 01.03.2012 Kein Maklerlohnanspruch bei unechter Verflechtung<br />

2. BGH VIII ZR 327/09 10.11.2010 Zum <strong>Recht</strong> auf fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrages bei<br />

Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot<br />

3. BGH VIII ZR 222/10 26.10.2011 Zur Frage, wann vom Handelsvertreter geworbene K<strong>und</strong>en Neuk<strong>und</strong>en<br />

eines Unternehmens sind, wenn dieses einen K<strong>und</strong>enstamm von einer<br />

insolventen Gesellschaft erworben hat<br />

4. BGH VIII ZR 203/10 23.11.2011 Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs im strukturierten Vertrieb<br />

5. OLG München 7 U 1348/11 14.09.2011 Zur Frage eines Ausgleichsanspruchs bei zwischenzeitlich beendetem<br />

<strong>und</strong> anschließend neu begründetem Handelsvertretervertrag<br />

6. OLG München 23 U 3798/11 26.01.2012 Zur Frage der Wirksamkeit einer Kündigung eines Handelsvertretervertrages<br />

per E-Mail<br />

7. OLG Naumburg 9 U 218/11 24.05.2012 Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police<br />

vermittelt <strong>und</strong> mit dem Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung<br />

trifft, unlauter verhält<br />

8. LG Dortm<strong>und</strong> 2 O 144/11 24.02.2012 Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem K<strong>und</strong>en gegenüber als Versicherungsmakler<br />

in Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler)<br />

9. BGH III ZR 148/11 15.03.2012 Zur Frage der Verantwortlichkeit einer Vertriebsorganisation für ein strafbares<br />

Verhalten ihres Handelsvertreters<br />

10. BGH VII ZR 56/11 25.10.2012 Zu den <strong>Recht</strong>sfolgen eines Wettbewerbsverbots, welches die Grenzen von<br />

§ 90a HGB überschreitet<br />

V. Versicherung<br />

Nr. Gericht Az. Datum Thema<br />

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1. LG München I 4 HK O 10.11.2011 AVAD-Auskunftsverkehr: Versicherer darf keine strittigen Umstände als<br />

15110/11<br />

zweifelsfreie Tatsachen melden<br />

2. LG Rostock 1 S 315/10 10.08.2012 Zur Wirksamkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung bei einer<br />

Netto-Police<br />

3. BGH IV ZR 196/10 18.01.2012 Zur Frage der Reichweite des Widerrufs einer Bezugsrechtsbestimmung<br />

4. BGH IV ZR 255/10 20.09.2011<br />

21.11.2011<br />

Zur <strong>Recht</strong>sfolge der Kündigung eines Rürup-Vertrages<br />

5. OLG Hamburg 9 U 103/11 18.11.2011 Zur Frage, ob bei unterjährlicher Zahlung von Versicherungsbeiträgen<br />

<strong>und</strong> Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen deren Höhe <strong>und</strong> der<br />

effektive Jahreszins anzugeben sind<br />

6. OLG Hamm I-20 U 50/11 24.08.2011 Lebensversicherung: Kein Widerspruch oder Widerruf nach Kündigung<br />

<strong>und</strong> vollständiger Vertragsbeendigung<br />

7. OLG Stuttgart 7 U 54/12 16.07.2012 Zur Frage, aus welchen Gründen das Policenmodell europarechtskonform<br />

ist<br />

8. BGH IV ZR 292/10 07.11.2012 Zur Frage der Verteilung der Abschluss- <strong>und</strong> Vertriebskosten in<br />

zertifizierten Altersvorsorgeverträgen<br />

9. BGH VII ZR 130/11 28.06.2012 Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht eines Versicherers bei<br />

notleidenden (stornogefährdeten) Versicherungsverträgen


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Mögliche Gr<strong>und</strong>lagen der Haftung<br />

bei gescheiterten Fondsbeteiligungen<br />

1. Prospekthaftung im engeren Sinn<br />

Prospekthaftung für sog. „typisiertes“ Vertrauen; Anknüpfungspunkt: Verletzung von Sorgfalts-<br />

pflichten im Zusammenhang mit der Prospekterstellung<br />

Haftung der Initiatoren, Hintermänner pp.<br />

2. Prospekthaftung im weiteren Sinn<br />

Einstehenmüssen für Prospektfehler durch bestimmte Personen <strong>und</strong> Personengruppen, die im Zu-<br />

sammenhang mit der Emission einer Fondsbeteiligung bestimmte Aufgaben übernehmen, z.B.<br />

Treuhänder, Treuhandkommanditisten, Gründungsgesellschafter abgeleitet aus allgemeinen recht-<br />

lichen Bestimmungen<br />

(c.i.c. - Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder pVV - positive Vertragsverletzung)<br />

3.1. <strong>Recht</strong>slage bis 31.05.2012:<br />

Die Haftung nach Verkaufsprospektgesetz<br />

Haftung bei fehlerhaftem Prospekt - § 13 VerkProspG - sowie die Haftung bei fehlendem Prospekt<br />

- § 13a VerkProspG<br />

3.2. <strong>Recht</strong>slage ab 01.06.2012:<br />

Die Haftung nach Vermögensanlagengesetz<br />

Haftung bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt - § 20 VermAnlG - sowie die Haftung bei fehlendem<br />

Verkaufsprospekt - § 21 VermAnlG - sowie seither neu: Haftung bei unrichtigem Vermögensanlagen<br />

Informationsblatt - § 22 VermAnlG<br />

4. Haftung aus Vertrag<br />

Haftung aus einem - im Regelfall stillschweigend zustande gekommenen - Auskunfts- bzw.<br />

Beratungsvertrag<br />

5. Haftung aus Delikt<br />

§ 826 BGB <strong>und</strong> § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB - Betrug -<br />

oder § 264a StGB - Kapitalanlagebetrug<br />

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71


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

72<br />

Kurzer Überblick<br />

über Verjährungsvorschriften<br />

1. Allgemeine Verjährungsvorschriften / Regelverjährung<br />

Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) im Jahr 2002 beträgt die neue regelmäßige<br />

Verjährungsfrist 3 Jahre.<br />

Die Frist beginnt nur, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Tatsachen <strong>und</strong> der Person<br />

des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlagen müssen (§ 199<br />

BGB). Diese subjektive Anknüpfung soll dem Gläubiger die – faire (!) – Chance eröffnen, seinen Anspruch<br />

rechtzeitig vor Vollendung der Verjährung geltend zu machen. Im Interesse des <strong>Recht</strong>sschutzes <strong>und</strong><br />

des <strong>Recht</strong>sfriedens endet die Verjährung unabhängig von der Erkennbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen<br />

nach 10 bzw. 30 Jahren (30 Jahre bei Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung von Leben,<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Körper oder Freiheit betreffen; 10 Jahre bei sonstigen Schadenersatzansprüchen ohne Rücksicht<br />

auf Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis).<br />

Die 10-Jahresfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs <strong>und</strong> daher erst mit Eintritt des Schadens.<br />

Die 30-Jahresfrist beginnt mit der Vornahme der Handlung.<br />

Diese Verjährungsfristen gelten vorbehaltlich kürzerer spezialgesetzlicher Verjährungsvorschriften.<br />

2. Spezialgesetzliche Vorschriften<br />

2.1 Börsengesetz<br />

Der Anspruch aus Prospekthaftung für einen unrichtigen oder unvollständigen Wertpapierprospekt verjährt<br />

nach § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder<br />

Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit<br />

der Veröffentlichung des Prospekts. Diese Regelung gilt allerdings nur noch für bis zum 31.05.2012 veröffentlichte<br />

Prospekte<br />

2.2 Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz<br />

(gilt für bis zum 31.05.2012 erstmals veröffentlichte Prospekte)<br />

a) § 13 VerkProspG (fehlerhafter Prospekt) i.V.m. § 46 BörsG<br />

Ein Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit<br />

der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der<br />

Veröffentlichung des Prospekts.<br />

b) § 13a Abs. 5 VerkProspG (fehlender Prospekt)<br />

Ein Anspruch bei fehlendem Prospekt verjährt nach § 13a Abs. 5 Verk-ProspG in einem Jahr seit dem<br />

Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu ver-<br />

öffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts.


RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

2.3 Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Vermögensanlagengesetz<br />

(gilt für ab dem 01.06.2012 erstmals veröffentlichte Verkaufsprospekte)<br />

a) § 20 VermAnlG (fehlerhafter Verkaufsprospekt)<br />

es gilt die Regelverjährung gem. BGB, wobei die Ausschlussfrist gem § 20 Abs. 1<br />

(Dauer des öffentlichen Angebots, spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem ersten<br />

öffentlichen Angebot) zu beachten ist.<br />

b) § 21 VermAnlG (fehlender Verkaufsprospekt)<br />

Die kurze Sonderverjährungsfrist nach § 13a Abs. 5 VerkProspG wurde nicht übernommen.<br />

Es gilt die Regelverjährung gem. BGB<br />

c) § 22 VermAnlG (unrichtiges Vermögensanlagen-Informationsblatt)<br />

keine Sonderverjährungsfrist; es gilt die Regelverjährung gem. BGB<br />

2.4 Investmentgesetz<br />

Nach § 127 Abs. 5 InvG verjähren Ansprüche wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Verkaufsprospektes<br />

einer Kapitalanlagegesellschaft oder ausländischen Investmentgesellschaft in einem Jahr seit dem<br />

Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Verkaufsprospekte Kenntnis<br />

erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Kaufvertrages. Diese Sondernorm gilt<br />

nur noch für vor dem 01.07.2011 entstandene Ansprüche<br />

2.5 Verjährung nach dem Wertpapierübernahme- <strong>und</strong> Erwerbsgesetz (WpÜG)<br />

Nach § 12 Abs. 1 WpÜG verjähren Ansprüche gegen Prospektverantwortliche in einem Jahr ab dem Zeitpunkt,<br />

zu dem der Anspruchsberechtigte von der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage Kenntnis erlangt,<br />

spätestens in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Angebotsunterlage (§ 12 Abs. 4 WpÜG).<br />

2.6 Sonderverjährung nach § 37a WpHG<br />

§ 37a WpHG stellt eine Sonderverjährungsregel zugunsten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen<br />

auf. Alle Schadenersatzansprüche wegen Verletzung einer Informationspflicht <strong>und</strong> wegen fehlerhafter Beratung<br />

im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung, die<br />

nach dem 01.04.1998 entstanden sind, verjähren in drei Jahren nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung.<br />

§ 37a WpHG wurde für Ansprüche, die nach dem 04.08.2009 entstehen, aufgehoben (vgl. Art. 4 Nr. 5<br />

Schuldverschreibungsgesetz vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2512).<br />

2.7 Spezialgesetzliche Verjährung nach § 12 VVG a.F.<br />

Nach § 12 Abs. 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung verjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag<br />

in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren. Als Spezialvorschrift ging § 12 VVG a.F.<br />

den Regelungen des BGB vor. Mit der VVG-Reform wurde diese Sonderregelung aufgehoben. Auch für<br />

Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gilt nunmehr die Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB.<br />

73


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

74<br />

Was bedeutet die sogenannte Vermutung<br />

„aufklärungsrichtigen Verhaltens“?<br />

Derjenige, der sich eines Anspruchs rühmt, muss gr<strong>und</strong>sätzlich die dafür erforderlichen Voraussetzungen<br />

darlegen <strong>und</strong> im Streitfall auch beweisen können. In manchen Fällen stellen aber Gesetz<br />

oder Richterrecht Beweiserleichterungen auf, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen können.<br />

So ist nach ständiger <strong>Recht</strong>sprechung derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten<br />

verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß<br />

verhalten hätte. Er muss also beweisen, dass ein Geschädigter den Rat oder Hinweis unbeachtet<br />

gelassen hätte (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 22.03.2011, XI ZR 33/10 oder v. 12.05.2009, XI ZR 586/07).<br />

Man spricht hier von der sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Diese Vermutung gilt für<br />

alle aufklärungs- <strong>und</strong> Beratungsfehler eines Anlageberaters. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um<br />

eine Beweiserleichterung, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende Vermutung. Diese Vermutung<br />

ist widerleglich. Zu widerlegen ist sie allerdings vom Aufklärungspflichtigen.<br />

Lange Zeit hatte diese vor allem vom B<strong>und</strong>esgerichtshof geprägte <strong>Recht</strong>sprechung die Beweislastumkehr<br />

davon abhängig gemacht, dass es für einen Vertragspartner nicht mehrere, sondern vernünftigerweise<br />

nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gab. Eine Aufklärung durfte nicht zur<br />

Folge haben, dass sich der aufzuklärende in einem Entscheidungskonflikt bef<strong>und</strong>en hätte. Für Aufklärungspflichtverletzungen<br />

im Fall der Anlageberatung hält die <strong>Recht</strong>sprechung daran nicht mehr fest.<br />

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise<br />

nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof begründet dies damit, dass das<br />

Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr<br />

nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10 unter ausdrücklicher Aufgabe der<br />

früheren <strong>Recht</strong>sprechung, z.B. im Urt. v. 16.11.1993, XI ZR 214/92).<br />

„Der Zweck der Aufklärungspflichten, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über<br />

den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, wird deshalb auch - oder erst recht<br />

- in solchen Fällen, in denen die Aufklärung der Information zur freien Entscheidung des<br />

Anlegers dient, nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung<br />

bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen.“<br />

(vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, a.a.O. Rn. 36).<br />

Dass jedenfalls bei der Beratung durch Banken verheimlichte Rückflüsse offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen<br />

aufklärungspflichtig sind, ist seit vielen Jahren ständige <strong>Recht</strong>sprechung. Heute<br />

geht es meist um die Frage, ob die Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung kausal war. Hier<br />

können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenen als<br />

auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012,<br />

Rn. 50). Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende<br />

Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten<br />

hat, kann ein Indiz dafür sein, dass es an der Kausalität zwischen<br />

Pflichtverletzung <strong>und</strong> Schaden fehlt.<br />

Die <strong>Recht</strong>sprechung spricht hier von der Würdigung von<br />

Hilfstatsachen, die den Schluss darauf zulassen, der Anleger<br />

hätte die empfohlene Kapitalanlage auch bei erbrachter Aufklärung<br />

erworben.<br />

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RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

Was sind eigentlich Finanzinstrumente?<br />

Was folgt aus § 34f GewO?<br />

Seit 01.06.2012 zählen auch Beteiligungen an geschlossenen Fonds zu den sog. Finanzinstrumenten.<br />

Viele Anleger, aber auch Finanzdienstleister selbst, werfen die Frage auf, was dies für Konsequenzen<br />

hat. Was unter dem Begriff „Finanzinstrument“ zu verstehen ist, ist im Kreditwesengesetz (KWG) definiert.<br />

Nach § 1 Nr. 11 KWG sind Finanzinstrumente Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten<br />

sowie Derivate. Neu ist, dass zu diesen Finanzinstrumenten auch Vermögensanlagen im Sinne<br />

des Vermögensanlagengesetzes zählen mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft.<br />

Wer Finanzinstrumente vermitteln oder einen K<strong>und</strong>en über den Erwerb eines Finanzinstruments beraten<br />

will, bedarf nun gr<strong>und</strong>sätzlich einer Voraussetzung nach den Vorschriften des Kreditwesengesetzes. Der<br />

Erhalt dieser Zulassung nach § 32 KWG ist mit erheblichem finanziellem <strong>und</strong> sonstigem Aufwand verb<strong>und</strong>en.<br />

Für die meisten Finanzdienstleister kommt deshalb eine Erlaubnis nach dieser Norm nicht in Betracht.<br />

Dennoch dürfen Sie auch ab 2013 weiterhin Fondsbeteiligungen vermitteln. Dies ermöglicht eine Ausnahmevorschrift<br />

im KWG. Soweit sich die Vermittlung <strong>und</strong> Beratung auf Investmentfonds oder Vermögensanlagen<br />

im Sinne des Vermögensanlagengesetzes bezieht, reicht eine Erlaubnis nach der Vorschrift<br />

des § 34f GewO. Sie löst mit Wirkung ab 01.01.2013 die bisher benötigte Erlaubnis nach § 34c GewO ab.<br />

Banken, Sparkassen <strong>und</strong> sonstige Finanzdienstleister mit KWG-Erlaubnis müssen aber schon jetzt die Vorschriften,<br />

die das Wertpapierhandelsgesetz für die Vermittlung von Finanzinstrumenten vorgibt, beachten.<br />

Die neue Vorschrift des § 34f GewO ist in großen Teilen an die Vorschrift des § 34d GewO angelehnt, mit<br />

der seit 2007 der Vertrieb von Versicherungen neu reguliert worden ist. Ein Sachk<strong>und</strong>enachweis wird eingeführt.<br />

Eine Berufshaftpflichtversicherung ist abzuschließen <strong>und</strong> nachzuweisen. Der Finanzanlagenvermittler<br />

muss sich registrieren lassen <strong>und</strong> neue Informations-, Beratungs- <strong>und</strong> Dokumentationspflichten<br />

beachten. Einzelheiten ergeben sich aus der Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 30.03.2012.<br />

Wann ist ein Finanzdienstleister ein „alter Hase“?<br />

Finanzanlagenvermittler müssen seit<br />

01.01.2013 ihre Sachk<strong>und</strong>e nachweisen,<br />

sofern sie nicht über eine Berufsqualifikation<br />

verfügen, die als gleichwertig anerkannt<br />

wird <strong>und</strong> bei der eine ausreichende Sachk<strong>und</strong>e<br />

unterstellt wird, oder sofern sie nicht als<br />

sog. „alter Hase“ gelten. Diese „alte-Hase-<br />

Regelung“ gilt für alle Vermittler, die seit dem<br />

01.01.2006 eine Erlaubnis nach § 34c GewO<br />

besitzen oder als angestellter Vermittler ununterbrochen<br />

erlaubnispflichtige Tätigkeiten<br />

gem. § 34c GewO ausgeübt haben <strong>und</strong> den<br />

Nachweis der ununterbrochenen Tätigkeit<br />

erbringen können. Hierzu bedarf es entweder<br />

lückenloser Prüfberichte nach § 16 MaBV<br />

oder der Vorlage von Arbeitszeugnissen (bei<br />

angestellten Vermittlern).<br />

Bei welchen anderen Berufsqualifikationen<br />

der Nachweis der erforderlichen Sachk<strong>und</strong>e<br />

entbehrlich ist, folgt aus § 4 FinVermV. Teilweise<br />

muss bei den dort genannten Ausbil-<br />

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75


Stand März 2013 I RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG<br />

76<br />

dungsgängen zugleich noch eine mindestens ein- oder zweijährige Berufserfahrung im Bereich Anlageberatung<br />

oder Anlagevermittlung vorliegen.<br />

Seit 01.01.2013 muss der Finanzanlagenvermittler verschiedene Informationspflichten erfüllen. Vor dem<br />

Beratungs- oder Vermittlungsgespräch hat er dem Anlageinteressenten diverse (Status-)Angaben klar <strong>und</strong><br />

verständlich in Textform mitzuteilen (Name, Familienname, Firma, betriebliche Anschrift, Verweis auf das<br />

Vermittlerregister, Aufsichtsbehörde; vgl. im Einzelnen § 12 FinVermV).<br />

Nach § 13 FinVermV ist über Risiken, Kosten <strong>und</strong> Nebenkosten der Finanzanlage zu informieren. Die Informationen<br />

müssen so gefasst sein, dass der Anleger die Art <strong>und</strong> die Risiken der Finanzanlagen verstehen<br />

kann <strong>und</strong> auf dieser Gr<strong>und</strong>lage entscheiden kann, ob die Anlage für ihn geeignet ist oder nicht.<br />

Nach § 14 FinVermV müssen alle Informationen <strong>und</strong> Werbemitteilungen redlich <strong>und</strong> eindeutig <strong>und</strong> für den<br />

Anleger nicht irreführend sein.<br />

Der Finanzanlagenvermittler muss dem Anlageinteressenten ein Informationsblatt aushändigen. Dieses ist<br />

vom Anbieter oder Emittenten der jeweiligen Finanzanlage zu erstellen (vgl. im Einzelnen § 15 FinVermV).<br />

Der Vermittler darf nur für den K<strong>und</strong>en geeignete Produkte empfehlen. Deshalb sind im Rahmen der Beratung<br />

zunächst der Kenntnisstand <strong>und</strong> die Erfahrungen des K<strong>und</strong>en abzufragen. Außerdem ist nach den<br />

finanziellen Verhältnissen des K<strong>und</strong>en zu fragen. Einzelheiten folgen aus § 16 FinVermV.<br />

Die bisher nur für den Vertrieb von Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht, Zuwendungen<br />

offenzulegen, wird für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen (§ 17 FinVermV).<br />

Zuwendungen sind Provisionen, Gebühren <strong>und</strong> alle geldwerten Vorteile, also beispielsweise auch Bürokostenzuschüsse,<br />

die Überlassung von Hard- oder Software oder Incentives).<br />

Die bisher schon für die Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Pflicht zur<br />

Anfertigung eines Beratungsprotokolls wird ebenfalls für gewerbliche Finanzanlagenvermittler übernommen<br />

(§ 18 FinVermV).<br />

Impressum<br />

Verlag <strong>und</strong> Herausgeber:<br />

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Wiesseer Straße 126<br />

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Tel: +49 (0)8022 – 187110<br />

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Friedrich A. Wanschka<br />

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Friedrich A. Wanschka<br />

Layout:<br />

Astrid Klee<br />

Bildquelle / Titel © Gina Sanders - fotolia.com<br />

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wmd Verlag GmbH<br />

Astrid Klee<br />

Wiesseer Straße 126<br />

83707 Bad Wiessee<br />

Tel: +49 (0)8022 – 187110<br />

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Amtsgericht München<br />

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Steuer-Nummer: 139/142/50247<br />

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Verkaufspreis: 7,50 Euro<br />

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Wer braucht was? Zulassungsvoraussetzungen für Berater <strong>und</strong><br />

Vermittler seit 01.01.2013<br />

RECHT <strong>und</strong> RECHTSPRECHUNG I Stand März 2013<br />

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