4 - Institut für Zeitgeschichte
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178 Ellen Gibbels<br />
von ferne nähert. Dabei nur zwei Schritte gezeigt. Dann vor den Hitlerjungen stehend, hat er die linke<br />
Hand, den rechten Handschuh haltend, auf den Rücken gelegt. Bei kurzer Wendung, wobei er dem Betrachter<br />
den Rücken zukehrt, hier zwei grobe Tremorausscbläge zu entdecken. Rechte Hand bei Willkürbewegungen,<br />
nämlich Wangenstreicheln und Schulterklopfen, nicht eindeutig hypokinetisch. Haltung<br />
leicht gebeugt. Wie „eingefroren" wirkendes Lächeln. Kopfhaltung über längere Strecken<br />
eindeutig zu beurteilen, dabei kein Kopftremor wahrzunehmen.<br />
Offenbar infolge der jetzt nachlassenden Aufmerksamkeit der Zensur und des bei Hitler<br />
nun konstant vorhandenen Tremors ist dieses Symptom in den beiden einzigen Wochenschauausgaben,<br />
die Hitler im Jahre 1945 noch zeigen, nunmehr eindeutig dokumentiert<br />
und läßt sich nach neurologischen Kriterien analysieren. Es handelt sich um einen typischen<br />
grobschlägigen, nämlich mit einer Frequenz um 4/s auftretenden Tremor am ruhenden,<br />
also nicht bei gezielter Willkürbewegung eingesetzten linken Arm. Damit ist ein sog.<br />
extrapyramidaler Ruhetremor als Teilerscheinungen eines Parkinson-Syndroms bewiesen.<br />
Jede andere Deutung ist ausgeschlossen. Der Eindruck einer generalisierten, also allgemeinen,<br />
wenn auch links betonten Hypokinese einschließlich der Rückwirkung auf das Gangbild<br />
verstärkt sich in beiden Wochenschauausgaben. Ein primär den Kopf betreffender<br />
Tremor, wie er <strong>für</strong> ein Parkinson-Syndrom eher atypisch wäre, ist auszuschließen. Ein Ruhetremor<br />
des rechten Armes und der Beine läßt sich infolge der Aktionen, wie Gehen, Stehen,<br />
gezielten und gestikulatorischen Armbewegungen, selbstverständlich nicht erfassen.<br />
Die ärztlichen Aufzeichnungen Morells, die <strong>für</strong> 1945 lückenlos vom 1. Januar bis zu<br />
seiner Entlassung am 21. April vorliegen 90 , beschränken sich während dieser Zeitspanne<br />
hinsichtlich der neurologischen Erscheinungen auf den nach wie vor linksseitig<br />
überwiegenden Tremor:<br />
2.1.: „F. fühlt sich wohl, abgerechnet die Spannung wegen der laufenden Offensive. Er fragt wegen der<br />
Beseitigung des Zitterns der lk. Hand: hierzu Beruhigungsmittel nötig, die aber wegen der ständigen intensiven<br />
Denkprozesse von größter Wichtigkeit, da hemmend, nicht gegeben werden können. Elektrizität<br />
wohl etwas wirksam, aber nicht intensiv."<br />
5.1.: „Wegen der Unruhe im 1. Arm gab ich 20% Calc[ium]. Sandoz 10 ccm intravenös u. schloß noch<br />
10 ccm Trbz [Traubenzucker] I. i [Injektion intravenös] + Leber, Vit[amin]. f. I. m. [forte Injektion<br />
intramuskulär] an."<br />
10.1.: „Befinden gut, Hde. zittern."<br />
27.1.: „Die angespannte mil. Lage hat in ihren Auswirkgn. stärkeren Tremor des 1. Armes u. des 1.<br />
Beines herbeigeführt. - Sonst gänzl. ohne Beschwerden"<br />
11.2.: „Zittern geringer geworden, bes. im 1. Bein."<br />
12.2.: „R. Hand zittert stark wegen gestern gehabten starken Ärgers."<br />
17.2.: „Es seien keine Beschwerden irgendwelcher Art vorhanden außer dem Zittern, das - wie ich<br />
nchts. beim Tee bemerkte, bes. in d. 1. Hand stark vorhanden war."<br />
6.3.: „Massage des 1. Armes abgelehnt, Galvanisation [Rest unleserlich]. Wenn er nicht aufgeregt<br />
werde sei auch das Zittern weg."<br />
19.3.: „Etwas mehr Zittern des lk. Unterarmes u. der Hand."<br />
22/23.3.: „Die lk. Hand ist etwas geschwollen (dch. die Zitterbewegungen?); auch der lk. Knöchel u.<br />
z. T der lk. Unterschenkel weisen Schwellungen auf" 92<br />
90 BA, NL 348/3.<br />
91 Elektrische Behandlung, wie sie bei Lähmungen und psychogenen Bewegungsstörungen angewendet<br />
wurde, hier die Hilflosigkeit Morells gegenüber der neurologischen Symptomatik kennzeichnend.<br />
2 Dieses Phänomen ist im Rahmen der Parkinson-Krankheit gelegentlich zu beobachten.