4 - Institut für Zeitgeschichte
4 - Institut für Zeitgeschichte
4 - Institut für Zeitgeschichte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
196 Ellen Gibbels<br />
den Eindruck, daß traurig gefärbte Verstimmungen selten waren und sich von realen<br />
Anlässen ableiten ließen. Am 22.8.1944 hieß es etwa: „Junge [Hitlers Diener] +; daher<br />
F[ührer]. schon 2-3 Tage unter st. seelischem Druck, dessen Ursache ich nicht ergründen<br />
konnte." 214 Von dem amerikanischen Psychiater Heston konstruierte, länger anhaltende<br />
depressive Phasen 215 ließen sich durch die Primärquellen nicht erhärten 216 .<br />
Nach Speer habe sich Hitler zwischen Frühjahr 1942 und Sommer 1943 „mitunter deprimiert"<br />
geäußert, von da ab jedoch meist zuversichtlich gezeigt 217 . Daß er nach der<br />
beginnenden Einschließung Berlins mehrfach in niedergedrückter, immer aber in gefaßter<br />
Stimmung angetroffen wurde 218 , kann nicht als hirnorganisches Zeichen gewertet<br />
werden. Der Stenograph Herrgesell äußerte sogar: "[...] the Führer was generally<br />
the one who kept his nerves best under control" 219 , so daß wieder einmal Zweifel an<br />
Christa Schroeders Erinnerungen angemeldet werden müssen, wenn dort von einem<br />
„vollkommen gebrochenen Menschen" die Rede ist, „der nicht mehr imstande war,<br />
einen Ausweg aus seiner Lage zu finden" 220 .<br />
Hinweise auf eine andere mögliche krankhafte Veränderung der Stimmungslage,<br />
eine pathologische Euphorie, konnten Hitlers Ärzte ebenfalls nicht konstatieren 221 .<br />
Auch die Befragung von Zeitzeugen lieferte keine entsprechenden Anhaltspunkte 222 .<br />
Speer sprach von einer „chronischen Euphorie" während der Ardennen-Offensive<br />
und einer kurzfristigen „euphorischen Laune" im April 1945 beim Gedanken eines<br />
rettenden Flankenangriffs in einen amerikanischen Stoßkeil 223 . Hierbei scheint es sich<br />
aber um den Ausdruck von Hitlers Wunschdenken gehandelt zu haben, auf das noch<br />
näher eingegangen wird, nicht aber um eine „freisteigende", also ohne äußeren Anlaß<br />
auftauchende oder ein auslösendes Ereignis unangemessen überdauernde pathologische<br />
Euphorie. Für die nach der Behandlung von Leibkoliken mit Eukodal, einem<br />
Narkotikum, zu erwartende kurzfristige Euphorie ließ sich im Gegensatz zu Schenck<br />
in den Morelischen Notizen bis auf einen Eintrag vom 8.11. 1944 kein Hinweis finden<br />
224 .<br />
Ergeben sich Anhaltspunkte <strong>für</strong> die Entwicklung einer pathologischen Gereiztheit?<br />
Hitler ist schon von seinem Jugendfreund Kubizek wie auch von den frühen „Kampfgenossen"<br />
als leicht reizbar im Sinne der Übellaunigkeit geschildert worden 225 . In den<br />
214<br />
In: Ebenda, NL 348/2.<br />
215<br />
Heston/Heston, Casebook, S. 45 ff.<br />
216<br />
Vgl. Gibbels, Hitlers Parkinson-Krankheit, S.29ff.<br />
217<br />
Speer, Erinnerungen, S. 305.<br />
218<br />
Von Below, Adjutant, S. 416; Speer, ebenda, S. 483; Gerda Christian, Otto Günsche, persönl. Mitteilungen.<br />
219<br />
Schramm, Kriegstagebuch, S. 1697.<br />
220<br />
Schroeder, Chef, S. 273.<br />
221<br />
CIR/2,S.12f.,in:BA,FC6183.<br />
222<br />
Gerda Christian, Walter Frentz, Otto Günsche, persönl. Mitteilungen.<br />
223<br />
Speer, Erinnerungen, S. 426,463 f.<br />
224<br />
Vgl. BA, FC 6319; Schenck, Patient Hitler, S.244,258f., 350f.<br />
225<br />
Kubizek, Jugendfreund, S. 163; Otto Strasser, Hitler und ich, Konstanz 1948, S. 92.