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4 - Institut für Zeitgeschichte

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188 Ellen Gibbels<br />

Durchforscht man die Quellen auf derartige Symptome, so läßt sich kein auch nur<br />

entfernt darauf verdächtiger Hinweis finden; eine Ausnahme bildet allenfalls ein gelegentliches<br />

offenbar ticartiges Schulterzucken, von dem einige Zeitzeugen berichteten<br />

149 , ohne daß es sich im Rahmen der Filmanalyse erfassen ließ. Von einer klinisch<br />

manifesten Enzephalitis während der Pandemie zwischen 1915 und 1925 ist bei Hitler<br />

überdies nichts bekannt. Dennoch kann damit - wie dargelegt - eine postenzephalitische<br />

Form der Parkinson-Krankheit noch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen<br />

werden, so daß man hinsichtlich der Fragestellung postenzephalitische oder idiopathische<br />

Form auf das Abwägen von Wahrscheinlichkeiten angewiesen bleibt. Gemäß<br />

jahrzehntelanger ärztlicher Erfahrung mit beiden Formen weist die postenzephalitische<br />

Variante häufiger ein Überwiegen der Hypokinese gegenüber dem Tremor, einen<br />

vorwiegenden Befall der Beine, eine rumpfnahe Lokalisation des Tremors sowie ein typisches<br />

Manifestationsalter um das 30. Lebensjahr auf. Alle erwähnten Merkmale treffen<br />

auf Hitler nicht zu. Dagegen bietet er mit 52 Jahren das typische Manifestationsalter<br />

der idiopathischen Form 150 . Demnach hat bei Hitler, so darf man schließen, mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit die idiopathische und nicht die postenzephalitische Parkinson-Erkrankung<br />

vorgelegen 151 .<br />

6. Die Frage der psychischen Veränderungen<br />

Die weitaus wichtigste Frage, ob die Parkinsonsche Krankheit bei Hitler zu psychischen<br />

Veränderungen nach Art eines hirnorganischen Psychosyndroms geführt hat,<br />

wie das <strong>für</strong> einen hohen Prozentsatz der Parkinson-Kranken gilt 152 , bedarf einer gesonderten<br />

Untersuchung.<br />

muskeln. Schließlich sind als entsprechende Zusatzsymptomatik beschrieben: vielfältig zusammengesetzte<br />

unwillkürliche Bewegungen (Hyperkinesen), ticartige Bewegungsabläufe, Lähmungen der<br />

Augenmuskeln und der Akkommodation (Naheinstellung), Störungen der Pupillenreaktionen, narkoleptische<br />

Anfälle (Schlafanfälle und nächtliche Wachanfälle eines bestimmten Typs), Symptome<br />

einer Funktionsstörung des Hypothalamus (eines <strong>für</strong> die Regulation von vegetativen und innersekretorischen<br />

Funktionen wichtigen Hirnstammzentrums), Hinweise auf eine Spastik (Schädigung der<br />

vor allem <strong>für</strong> die Willkürbewegungen zuständigen Nervenzellen und -bahnen im Zentralnervensystem)<br />

sowie eine rasch fortschreitende Demenz (Abbau der intellektuellen Funktionen). Vgl. Rolf<br />

Hassler, Extrapyramidal-motorische Syndrome, in: Gustav von Bergmann/Walter Frey/Herbert<br />

Schwiegk (Hrsg.), Handbuch der Inneren Medizin, 5.Band, 3.Teil, Neurologie III, Berlin/Göttingen/Heidelberg<br />

4 1953, S. 676-904, dort vor allem S. 795 ff., 827ff., 846f.<br />

149<br />

Vgl. William L. Shirer, zit. nach Katz, Morell, S. 144; Schroeder, Chef, S. 70; Jordan, Erlebt, S. 254.<br />

Zum Vorhergehenden vgl. Hassler, Syndrome.<br />

151<br />

Die Ursache der idiopathischen Parkinson-Erkrankung ist bis heute ungeklärt. Daran ändern auch<br />

nichts einige moderne Hypothesen. Hierzu gehört die einer chronischen Ganglienzellschädigung<br />

durch sog. freie Radikale nach Art des „oxidativen Stress", vgl. Gerald Cohen, Oxidative stress in the<br />

nervous System, in: Helmut Sies (Hrsg.), Oxidative stress, London 1985, S. 383-402. Eine besondere<br />

Disposition <strong>für</strong> diese Erkrankung ist ebenfalls nicht auszumachen. Vgl. Marttila/Rinne, Clues.<br />

152<br />

Ausführliche Literatur hierzu bei Gibbels, Hitlers Parkinson-Krankheit.

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