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4 - Institut für Zeitgeschichte

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190 Ellen Gibbels<br />

herausgegeben, ohne daß sie die Möglichkeit hatte, korrigierend einzugreifen. Überdies<br />

wird ihr sowohl von ihrer Kollegin Gerda Christian als auch von Otto Günsche<br />

und Walter Frentz eine gelegentlich „blühende Phantasie" bescheinigt 155 . „In den letzten<br />

Kriegsjahren konnte ich feststellen", so liest man, „daß sein Gedächtnis ihm, zu seiner<br />

großen Verzweiflung, nicht mehr erlaubte, den Denker und genialen Techniker zu<br />

spielen. Er erlitt auf diesem Gebiet, wie auf vielen anderen, schwere Einbußen." 156 Für<br />

die letzten Lebensmonate heißt es weiter: „Oft erzählte er beim Mittagessen, beim<br />

Abendbrot und nachts beim Tee dasselbe." 157 Dem wären allerdings die Klagen Speers<br />

gegenüberzustellen, der sich schon mit Bezug auf die frühen dreißiger Jahre über „die<br />

immer gleichen Themen" der Hitlerschen Monologe im engeren Kreis und die „Peinlichkeit<br />

der zahlreichen Wiederholungen" bei den Tischgesprächen beklagte 158 . Somit<br />

kann zumindest die Neigung zu Wiederholungen beim entspannenden Tee in einer<br />

Phase höchster Anforderungen und wahrscheinlich auch allgemeiner Erschöpfung<br />

nicht als pathologisches Zeichen gewertet werden.<br />

Die zweite Quelle, der Hinweise auf Gedächtnisstörungen zu entnehmen sind, ist<br />

ebenfalls nicht als zuverlässig einzustufen. Es handelt sich um den bereits zitierten<br />

HNO-Arzt Giesing 159 . Gemäß einem Bericht aus den persönlichen Unterlagen des<br />

US-Majors Cortez F. Enloe über die Vernehmung Giesings vom 15.6.1945 soll sich<br />

Hitler nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 Giesing gegenüber über ein mangelhaftes<br />

Gedächtnis beklagt haben, ihn aber andererseits durch den Gewinn überrascht haben,<br />

den er aus der aktuellen Lektüre eines von der Sache her komplizierten Lehrbuchs der<br />

Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten zu ziehen in der Lage war 160 . Abgesehen von diesem<br />

Widerspruch, könnte es sich bei der Klage Hitlers um die ihrer Natur nach stets flüchtigen<br />

Folgen der leichten Hirnerschütterung gehandelt haben, die er beim Attentat mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit erlitten hat 161 . Ausdrücklich betont sei, daß Hitler dem ihm<br />

weitaus vertrauteren Morell gegenüber - soweit sich dessen Aufzeichnungen entnehmen<br />

läßt - zwar über vielerlei klagte, nie aber über ein nachlassendes Gedächtnis 162 .<br />

In den übrigen Quellen, die über Gedächtnisleistungen zur fraglichen Zeit Aufschluß<br />

geben, findet sich zunächst das übereinstimmende Urteil der chirurgischen Begleitärzte<br />

Hitlers, Brandt und von Hasselbach, sowie auch das von Giesing: "... his<br />

memory for events - both near and remote - [was] good." 163 Die ärztliche Betreuung<br />

Hitlers durch die Genannten endete im Oktober 1944, so daß sie sich zu den folgenden<br />

Monaten nicht äußern konnten. Von Morell, der Hitler bis zum 21. April 1945 erlebte,<br />

155<br />

Persönl. Mitteilungen.<br />

156<br />

Albert Zoller, Hitler privat. Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin, Düsseldorf 1949, S. 42.<br />

157<br />

Ebenda, S. 230.<br />

158<br />

Speer, Erinnerungen, S. 59,134.<br />

159<br />

Zu Giesings Glaubwürdigkeit vgl. Gibbels, Hitlers Nervenleiden, S. 514 sowie Schenck, Patient Hit­<br />

lers, S. 505 ff.<br />

160 In: BA, Kl. Erw. 525.<br />

161 Vgl. CIR/2, S. 12f„ in: Ebenda, FC 6183.<br />

162 In: Ebenda, FC 6319 sowie NL 348/2 und 3.<br />

163 CIR/2, S. 18, in: Ebenda, FC 6183.

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