4 - Institut für Zeitgeschichte
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186 Ellen Gibbels<br />
30. April 1945 allmählich zunahmen. Sie sind folgendermaßen zu charakterisieren:<br />
linksseitig betonte Hypokinese, linksseitig betonter grobschlägiger Ruhetremor und<br />
eine sog. extrapyramidale Sprechstörung. Ein Rigor von Extremitäten- und Rumpfmuskulatur<br />
ist aus Hypokinese und ebenfalls nachweisbaren typischen Haltungsanomalien<br />
mittelbar zu erschließen. Diese Symptome sind die klassischen Bestandteile<br />
eines Parkinson-Syndroms. Jede andere Deutung ist nach den erhobenen Befunden<br />
und den zitierten Berichten der Augenzeugen ausgeschlossen. Das Parkinson-Syndrom<br />
hatte bei Hitler gemäß der Filmdokumentation und der weitaus überwiegenden<br />
Zahl der schriftlichen Quellen einen allenfalls mittleren Schweregrad erreicht. Nach<br />
einer international benutzten Skalierung - eingeführt von Hoehn und Yahr 143 - dürfte<br />
das Syndrom kurz vor Hitlers Tod auf der insgesamt fünfgradigen Skala dem Schweregrad<br />
II entsprochen haben. Diese Feststellung wird sich im weiteren Zusammenhang<br />
als ebenfalls nicht unerheblich erweisen.<br />
5. Die zugrundeliegende Krankheit<br />
Ein Parkinson-Syndrom, wie es bei Hitler <strong>für</strong> seine letzten vier Lebensjahre nachzuweisen<br />
war, kann grundsätzlich, wenn auch nicht als einzige neurologische Abnormität,<br />
bei einer Vielzahl von Nervenleiden vorkommen und besagt daher nicht ohne weiteres,<br />
daß Hitler auch an einer Parkinsonschen Erkrankung gelitten haben muß. Erst<br />
im Rahmen umfangreicher differentialdiagnostischer Überlegungen wird auf dem<br />
Wege des Ausschlusses diejenige Erkrankung aus dem Kreis der infrage kommenden<br />
Leiden als Abschlußdiagnose übrigbleiben, die den größten Grad von Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>für</strong> sich verbuchen kann. Um den <strong>für</strong> diese Differentialdiagnose erforderlichen<br />
medizinischen Argumentationen folgen zu können, bedarf es umfassender neurologischer<br />
Spezialkenntnisse, die einem medizinischen Laien nicht ohne weiteres vermittelt<br />
werden können. Die hier vorgelegte Kurzfassung sollte jedoch zumindest einen Eindruck<br />
vom logischen Procedere gewähren 144 .<br />
Nach der Vorgeschichte, den von uns (retrospektiv) und Hitlers Ärzten (aktuell) erhobenen<br />
Befunden, den Schilderungen von Zeitzeugen sowie dem aus diesen Quellen<br />
zu rekonstruierenden Krankheitsverlauf konnten bei Hitler mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit Leiden und Schädigungen aus dem Formenkreis des sekundären<br />
Parkinsonismus ausgeschlossen werden 145 .<br />
143<br />
Margaret M. Hoehn/Melvin D. Yahr, Parkinsonism: onset, progression, and mortality, in: Neurology<br />
V (1967), S. 427-442.<br />
144<br />
Einzelheiten bei Gibbels, Hitlers Nervenleiden.<br />
145<br />
Im wesentlichen handelt es sich dabei um:<br />
1. Raumfordernde intrakranielle (in der Schädelhöhle lokalisierte) Prozesse wie Tumoren, Abszesse,<br />
raumfordernde Blutungen.<br />
2. Hirnschäden auf dem Boden arteriosklerotischer oder entzündlicher Gefäßerkrankungen. Zwar<br />
litt Hitler an einer fortschreitenden Arteriosklerose der Herzkranzgefäße, sichere Hinweise auf eine