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4 - Institut für Zeitgeschichte

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200 Ellen Gibbels<br />

Wutausbrüche, die als Argument gegen die krankhafte Natur einer heftigen Affektäußerung<br />

verwendet werden kann. Der als besonders verläßlich erscheinende Gewährsmann<br />

Paul Schmidt schrieb dazu <strong>für</strong> das Jahr 1935: „Von einer Sekunde zur anderen<br />

wurde Hitler der ruhige, formvollendete Unterhändler, der er vor dem Litauen-Intermezzo<br />

[Anlaß des vorausgegangenen Wutausbruchs] gewesen war." 256<br />

Ähnliches galt auch noch <strong>für</strong> die Jahre 1944/45. In dieser Zeit gab es naturgemäß<br />

vermehrten Anlaß zu Affektentgleisungen. Die Vergleichbarkeit der Umstände im<br />

Hinblick auf frühere Jahre ist also durchaus nicht mehr gewährleistet. Wenn Speer 257 ,<br />

Schellenberg 258 , Guderian 259 oder auch Günsche 260 von einer zunehmenden Erregbarkeit<br />

sprachen, ist dieses Faktum in Rechnung zu stellen. Als krassestes Beispiel <strong>für</strong> die<br />

Explosivität in der Spätphase dient die oft zitierte Passage aus den Erinnerungen des<br />

Generals von Choltitz mit Bezug auf Ende Juli 1944:<br />

„Schließlich kam Hitler auf den 20. Juli. Ich erlebte den Ausbruch einer haßerfüllten Seele. Er schrie mir<br />

zu, daß er froh sei, die gesamte Opposition mit einem Schlage gefaßt zu haben, und daß er sie zertreten<br />

würde. Er redete sich in unsinnige Aufregung hinein, der Geifer lief ihm buchstäblich aus dem Munde.<br />

Er zitterte am ganzen Körper, so daß der Schreibtisch, an den er sich klammerte, ebenfalls in Bewegung<br />

geriet. Er war in Schweiß gebadet, und seine Erregung steigerte sich noch, als er rief, daß jene Generale<br />

,baumeln' würden."<br />

Eine Besonderheit dieser Schilderung ist die - wenn vielleicht auch dramatisierte - im<br />

übrigen aber typische Zunahme parkinsonistischer Symptome wie Speichelfluß und<br />

Zittern unter der affektiven Belastung. Mehrfach schilderte Guderian explosive Reaktionen<br />

Hitlers, meist anläßlich von Meinungsverschiedenheiten in strategischen und<br />

taktischen Fragen gegen Ende des Krieges 262 . Hier folgt die - gemäß dem Augen- und<br />

Ohrenzeugen Günsche allerdings überzogene 263 - Darstellung der heftigsten Auseinandersetzung<br />

am 13. Februar 1945, die sich an der Frage entzündete, ob - wie von Hitler<br />

gewünscht - Himmler oder - wie hartnäckig von Guderian gefordert - General<br />

Wenck die Leitung der von der Heeresgruppe Weichsel durchzuführenden Operationen<br />

übertragen werden sollte. Guderian schrieb:<br />

„So ging es durch zwei Stunden in unverminderter Heftigkeit. Mit zorngeröteten Wangen, mit erhobenen<br />

Fäusten stand der am ganzen Leibe zitternde Mann vor mir, außer sich vor Wut und völlig fassungslos.<br />

Nach jedem Zornesausbruch lief Hitler auf der Teppichkante auf und ab, machte dann wieder<br />

dicht vor mir halt und schleuderte den nächsten Vorwurf gegen mich. Er überschrie sich dabei, seine<br />

Augen quollen aus ihren Höhlen, und die Adern an seinen Schläfen schwollen. Ich hatte mir fest vorgenommen,<br />

mich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen und nur immer wieder meine unerläßlichen<br />

Forderungen zu wiederholen. Das tat ich nun mit eiserner Konsequenz. [... ] Ich blieb kalt und<br />

256<br />

Schmidt, Statist, S. 297.<br />

257<br />

Speer, Erinnerungen, S.474.<br />

258<br />

Schellenberg, Aufzeichnungen, S. 98.<br />

259<br />

Guderian,Erinnerungen, S. 310.<br />

260<br />

Persönl. Mitteilung.<br />

261<br />

Von Choltitz, Soldat, S. 223.<br />

262<br />

Guderian, Erinnerungen, S. 363 f., 367 f., 374 f.<br />

263 Persönl. Mitteilung.

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