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Kontrastive Wortfamilienanalyse Deutsch-Ungarisch<br />
Als Einstieg in die Arbeit mussten Vorbilder für das Vorhaben gesucht werden.<br />
Beim Überblick der Geschichte der deutschen Wortfamilienforschung<br />
haben mir die Stammwörterbücher der Barockzeit – die in einem eigenen Kapitel<br />
(5) mit den neueren Morphemwörterbüchern zusammen dargestellt werden<br />
–, sowie das hervorragende semasiologische Wortfamilienwörterbuch<br />
von Auguste Pinloche einen besonderen Impuls gegeben. Das letzterwähnte<br />
Werk motivierte mich zum Nachdenken darüber, wie Synchronie und Diachronie<br />
gerade im Bereich der Semantik ineinander greifen. Aus dieser Sicht<br />
haben mir die Arbeiten von Gerhard Augst, besonders seine These über die<br />
synchron etymologische Kompetenz4 der Sprachteilhaber, weitere Denkanstöße<br />
gegeben. Auf Grund des 1998 erschienenen Wortfamilienwörterbuches der<br />
deutschen Gegenwartssprache von Augst bin ich in meinen Forschungen ein<br />
gutes Stück weitergekommen. Über die zahlreichen Anregungen des Wörterbuches<br />
hinaus (zum Beispiel die Erkenntnis, dass die Aufnahme der wichtigsten<br />
Präfixe und Suffixe, teilweise auch Präfixoide und Suffixoide im Vorspann<br />
einer Wortfamiliensammlung samt Bedeutungserklärungen unentbehrlich ist),<br />
wurde mir auch klar, dass ich in mein geplantes didaktisch ausgerichtetes<br />
Werk mehr etymologische Zusammenhänge als Augst einbeziehen muss.<br />
Mein Ziel ist ja gerade, einen Mittelweg zwischen Synchronie und Diachronie<br />
einzuschlagen. Das heißt: Historische Verknüpfungen, die synchron noch<br />
(wenn auch nicht spontan) nachvollziehbar sind, in der geplanten Wortfamiliensammlung<br />
für ungarische Deutschlernende (im Weiteren: WFSuD) aufzunehmen.<br />
Im Verhältnis zum Werk von Pinloche werden also weniger, in der<br />
Relation zum Wortfamilienwörterbuch von Augst jedoch mehr diachrone Informationen<br />
in der WFSuD berücksichtigt. Gerade die „überraschenden“ Verknüpfungen<br />
sollten fortgeschrittene Deutschlernende herausfordern und ihnen<br />
zu so genannten „Aha-Erlebnissen“ verhelfen.<br />
Das deutsch-ungarische Wortfamilienwörterbuch von Olaszy hat mich mit<br />
den oft mechanisch nebeneinander gestellten Wortartikeln bei meiner Herangehensweise<br />
bestärkt, die alphabetische Atomisierung der Wortfamilienblöcke<br />
zu vermeiden. Olaszy hat zwar in ihrem Wörterbuch die lexikalische<br />
Struktur der Wortfamilien zum obersten Ordnungsprinzip gemacht, bei ihren<br />
Einträgen bleibt sie jedoch des Öfteren an der äußerlichen Ähnlichkeit der<br />
Wortformen hängen und verfehlt gerade den Kern der Wortfamilienwörterbücher,<br />
nämlich die Bewusstmachung morphosemantischer Zusammenhänge.<br />
4 Synchron etymologische Kompetenz: Auch der heutige Sprachteilhaber ist imstande, die etymologische<br />
Verwandtschaft zwischen zwei Wörtern zu erkennen. Der Terminus kommt in den<br />
Arbeiten von Augst öfter vor, vgl. z. B. Augst (1990, S. 1147).