Wir bilden aus - Schwäbische Post
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BERUFLICHE SCHULZENTREN IM OSTALBKREIS Samstag, 13. November 2010 20<br />
Fast wie im richtigen Leben<br />
Das Handelsunternehmen Jufiks an der Kaufmännischen Schule Aalen<br />
Um 9.15 Uhr durchbricht ein<br />
lauter Gong die Ruhe in den<br />
Klassenräumen, <strong>aus</strong> der Lautsprecheranlage<br />
tönt eine kräftige Männerstimme:<br />
„Hey, ich bin Benny,<br />
ab heute könnt ihr P6 in unserer<br />
Jufi kaufen.“ Was für Außenstehende<br />
fremd klingt, ist in der kaufmännischen<br />
Schule Aalen (KSA)<br />
für jeden ein Begriff: Die Juniorenfirma<br />
bewirbt ihren Absatzschlager,<br />
den Energiedrink „P6“. Den<br />
gibt’s immer in der großen P<strong>aus</strong>e<br />
am neuen Verkaufsstand der Jungunternehmer<br />
im Foyer der Schule.<br />
Heute <strong>bilden</strong> Julia Sedlak (17 Jahre),<br />
Selin Sari (16), Vanessa Vetter<br />
(16), David Sorg (17) und Benny<br />
Zieger (17) das Verkaufsteam. Die<br />
fünf sind Schüler des Berufskolleg I<br />
an der kaufmännischen Schule Aalen.<br />
Mit ihren 18 Klassenkameraden<br />
<strong>bilden</strong> sie die Klasse, die sich<br />
in der Jufiks (Juniorenfirma kaufmännische<br />
Schule) als Handelsunternehmer<br />
versuchen darf. Jung,<br />
unternehmerisch, flexibel, innovativ,<br />
kompetent und sozial, so umschreiben<br />
die Schüler das Profil ihrer<br />
Firma auf einem Faltblatt.<br />
Am Verkaufsstand leben die fünf<br />
das vor. Von 9.25 Uhr an haben sie<br />
schließlich nur 20 Minuten, ihre<br />
Dosen los zu werden. Sie sind<br />
freundlich, pl<strong>aus</strong>chen beim Verkauf,<br />
bedienen zügig die wartenden<br />
Kunden. Dafür gibt’s Lob von<br />
den Schulkameraden. Thorsten<br />
und Oscar nutzen die P<strong>aus</strong>e, um<br />
sich einen flüssigen Energieschub<br />
zu holen: „Schmeckt gut, könnte<br />
aber ein bisschen billiger sein.“<br />
Montag ist Jufiks-Tag für die Be-<br />
Personal und Finanzwesen erarbeiten<br />
Plakate und Flugblätter,<br />
entwerfen Dienstpläne und buchen<br />
Warenein- und abgang, Gewinn<br />
und Verlust. „Das ist für die<br />
meisten das erste Mal, dass sie<br />
Rechnungen schreiben oder Kontakt<br />
mit dem Finanzamt haben“,<br />
meint Winkler.<br />
Bis zur großen P<strong>aus</strong>e müssen die<br />
Firmenkonten auf dem neuesten<br />
Stand sein, denn nach der P<strong>aus</strong>e<br />
folgen zwei Stunden Theorie – Produktsortimente<br />
werden analysiert,<br />
Nachfrage, Angebot und Preise in<br />
Einklang gebracht. Ganz ohne<br />
Frontalunterricht kommt die<br />
Übungsfirma nicht <strong>aus</strong>, schließlich<br />
fließt auch eine Klassenarbeit<br />
Montag ist Jufiks-Tag: Die 23 Schüler der Berufskolleg-I-Klasse arbeiten<br />
in ihren Fachbereichen – Marketing, Finanzwesen, Auftragsabwicklung<br />
und Personalwesen – an den Rechnerplätzen des Übungsraumes,<br />
der „Unternehmenszentrale“.<br />
rufskollegklasse. Vier Schulstunden<br />
lang werden sie zu Arbeitern<br />
in ihrer Firma. Die Lehrerinnen<br />
Jutta Winkler und Claudia Feil sind<br />
die Chefs des Unternehmens. Zuerst<br />
unterrichten sie eine Doppelstunde<br />
praxisbezogen. „Wenn die<br />
Lieferungen kommen, müssen die<br />
Schüler morgens erstmal Paletten<br />
schleppen“, sagt Feil. Dann geht’s<br />
an die Rechnerplätze zur Büroarbeit.<br />
Die Abteilungen Marketing,<br />
Julia Sedlak und Selin Sari (v. l.) im lockeren Pl<strong>aus</strong>ch mit einer Kundin am neuen Verkaufsstand in der Aula<br />
der kaufmännischen Schule. In der großen P<strong>aus</strong>e verkaufen sie den Energiedrink „P6“.<br />
über die Theorie in die Jufiks-Note<br />
ein. Zudem müssen die Schüler<br />
eine Bewerbungsmappe zusammenstellen,<br />
die benotet wird, und<br />
die Mitarbeiterleistung in der Firma<br />
wird bewertet.<br />
Im vergangenen Jahr feierte die<br />
Schule ihr 100-jähriges Bestehen.<br />
Bei der Jubiläumsfeier hatte der<br />
Verkaufsstand der Juniorfirma<br />
Premiere. Lehrerin Winkler: „<strong>Wir</strong><br />
haben gleich 500 Euro eingenom-<br />
men.“ Winkler und Feil halfen den<br />
Schülern, ein passendes Produkt<br />
zu finden. Als erstes wurde der<br />
Energiedrink „P6“, den die P6<br />
GmbH <strong>aus</strong> Westh<strong>aus</strong>en vertreibt,<br />
an der Schule angeboten. Mittlerweile<br />
ist P6 das Zugpferd im Sortiment.<br />
Die Schulcaféteria wird beliefert,<br />
sogar eine Aalener Bäckerei<br />
zählt zu den Abnehmern. Winkler<br />
freut sich über steigende Absatzzahlen.<br />
Jufiks vertreibt zudem Produkte<br />
<strong>aus</strong> dem Sortiment des Aalener<br />
Cafés Samocca, das das Samariterstift<br />
Neresheim betreibt: Kaffee,<br />
Gebäck und Geschenkkörbe erweitern<br />
das Angebot. Zu Weihnachten<br />
seien gleich 80 Geschenkkörbe<br />
bestellt worden. „Das war<br />
richtig harte Arbeit“, erinnert sich<br />
Winkler. „Da mussten die Schüler<br />
außerhalb der Unterrichtszeit ran,<br />
um alle Aufträge abwickeln zu<br />
können.“ Nun soll das Sortiment<br />
<strong>aus</strong>gebaut werden. „Die Schüler<br />
entwickeln die Ideen selbst“, sagt<br />
Winkler, „wir versuchen Lücken zu<br />
finden, müssen uns an der Nachfrage<br />
der Schülerschaft orientieren.“<br />
Dabei dürfe man nicht in<br />
Konkurrenz zur in der Schule betriebenen<br />
Caféteria treten.<br />
Am neuen Jufiks-Verkaufsstand<br />
ist an diesem Montag der Andrang<br />
nicht so groß. Die 16-jährige Isabel<br />
Schüler sollen praktische Erfahrung sammeln<br />
Die Jufiks wurde an<br />
der Kaufmännischen<br />
Schule im vergangenen<br />
Jahr ins Leben<br />
gerufen. Die anderen<br />
beiden Berufskolleg-<br />
I-Klassen arbeiten<br />
ebenfalls in Übungs-<br />
firmen, allerdings<br />
ohne reale Produkte<br />
zu vertreiben. Auch<br />
die Klassen der <strong>Wir</strong>tschaftsschule<br />
dürfen<br />
an der KSA ihr unternehmerischesGeschick<br />
in Schülerfir-<br />
hat keinen Verkaufsdienst, trotzdem<br />
widmet sie ihre große P<strong>aus</strong>e<br />
dem Kundenfang. Gemeinsam mit<br />
Hannes Barthle spricht sie Mitschüler<br />
an: „Es ist spannend zu erleben,<br />
wie es richtig abläuft.“ Um<br />
9.47 Uhr r<strong>aus</strong>chen die Rollläden<br />
am Stand nach unten, der erste<br />
Verkaufstag ist geschafft.<br />
Für Lehrerin Claudia Feil ist neben<br />
praktischen Erfahrungen und<br />
theoretischem Wissen ein anderer<br />
Aspekt der Juniorfirma wichtig:<br />
„Die Schüler entdecken neue Stärken.“<br />
Durch den Arbeitsalltag würden<br />
soziale Kompetenz, Gesprächs-<br />
und Umgangsformen geschliffen.<br />
Pro Halbjahr lockt dafür<br />
sogar ein bisschen Gehalt: 40 Euro<br />
pro Kopf. „Letztes Jahr war der Zusammenhalt<br />
in der Klasse so groß,<br />
dass wir von dem Geld gemeinsam<br />
für drei Tage zum Wandern ins<br />
Kleinwalsertal gefahren sind“, erzählt<br />
Winkler.<br />
Die neue Klasse ist im neuen<br />
Schuljahr erst seit drei Wochen in<br />
der Firma. Die ersten Erfahrungen<br />
sind positiv, wie Alina Alawanos<br />
(17) und Manuel Deininger (18)<br />
bestätigen. Alina sagt: „Da weiß<br />
man erst mal, was für ein Aufwand<br />
hinter den Produkten steht.“ Michael<br />
bringt den Sinn der Juniorfirma<br />
auf den Punkt: „Ein Vorgeschmack<br />
auf das richtige Leben.“<br />
men erproben. Schulleiter<br />
Hartmut Schlipf<br />
erklärt: „Es ist wichtig,<br />
gerade in den kaufmännischenAusbildungsbereichen<br />
mehr<br />
praktische Anschaulichkeit<br />
zu schaffen.“