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1998, 24. Jahrgang (pdf) - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

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Briesen: Berlin im System der deutschen Medienstandorte 9<br />

Telefon <strong>und</strong> Hörfunk keine allgemein akzeptierte<br />

<strong>und</strong> gelesene Hauptstadt-Tagespresse hervorgebracht<br />

hatte: Die neuen Kommunikationstechniken<br />

veranderten schon vor dem Ersten<br />

Wel tkrieg die Bedingungen von Hauptstadt- oder<br />

Metropolenbildung. Es fehlten daher bereits<br />

1914, wie schon gesagt, die großen national wie<br />

international angesehenen Blatter. Die folgenden<br />

technischen Entwicklungen ließen teilweise die<br />

Standortvorteile von vor Ort produzierten Tageszeitungen<br />

fragwürdig werden. Der »Düsseldorfer<br />

Mittag« <strong>und</strong> dessen Erfolg ist sogar ein gutes<br />

Indiz dafür, wie aktuell unter den neuen technischen<br />

Bedingungen die Berichterstattung eines<br />

Boulevardblattes in einer westdeutschen Regionalmetropole<br />

sein konnte.<br />

Daneben existierten selbstverstandlieh auch<br />

Faktoren, die sich zugunsten des Berliner Zeitungsmarktes<br />

auswirkten. Dazu gehörten:<br />

- die hohe Konzentration politischer, wirtschaftlicher<br />

<strong>und</strong> kultureller Aktivitaten in der Reichshauptstadt.<br />

Zumindest die Anzahl <strong>und</strong> Bedeutung<br />

der Ereignisse, Ober die die Berliner Presse<br />

berichten konnte oder hatte berichten können,<br />

war in Deutschland ohne wirkliche Konkurrenz.<br />

- die herausragende verkehrsgeographische<br />

Stellung Berlins als Zentrum des deutschen<br />

Transportsystems, vor allem der Nachtzüge.<br />

Dies erleichterte den Versand von Tageszeitungen<br />

in die »Provinz«.<br />

- die Größe des lokalen Berliner Absatz- <strong>und</strong><br />

Anzeigenmarktes. Sie erleichterte die Produktion<br />

von Erzeugnissen der Tagespresse durch Mengenabsatz.<br />

Letzterer war auch das F<strong>und</strong>ament für die<br />

großen Berliner Pressekonzerne bis 1933, so<br />

zum Beispiel für den Messe-Konzern, der das<br />

angesehene, liberale »Berliner Tageblatt« herausgab.26<br />

Wahrend dessen Auflage bis zum Ende<br />

der 20er Jahre immer zwischen 200 000 bis<br />

250 000 Exemplaren gelegen hatte, ging die<br />

Auflage des Tageblattes aus wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

politischen Gründen bis Ende 1932 auf nur<br />

30 000 Zeitungen zurück. Dies führte unter anderem<br />

zum Konkurs des Messe-Verlages. Auch<br />

der Ullstein-Konzern erlebte in den 20ern seine<br />

große Zeit <strong>und</strong> gab die »Berliner Morgenpost«<br />

heraus, die mit 605 000 tagliehen Exemplaren im<br />

Jahr 1928 die auflagenstarkste deutsche Zeitung<br />

war - <strong>und</strong> dies ohne eine Oberregionale oder nationale,<br />

geschweige denn internationale Bedeutung<br />

zu gewinnen. Überhaupt blieben Messe <strong>und</strong><br />

Ullstein trotz ihres Wachstums immer Berliner<br />

Pressehauser, da sie nie versucht haben, in Gebiete<br />

außerhalb der Reichshauptstadt, etwa<br />

durch den Aufkauf von Zeitungen <strong>und</strong> deren Umwandlung<br />

in Lokalausgaben, zu expandieren.<br />

Dies gilt sicher nicht für den Hugenberg­<br />

Trust, der sich im Zuge der Pressekonzentration<br />

des Ersten Weltkrieges entwickelte.27 Der Konzern<br />

entstand aus der Übernahme des Berliner<br />

Scheri-Konzernes <strong>und</strong> wurde systematisch zu<br />

einem rechtslastigen Medienimperium ausgebaut.<br />

Die wichtigsten Institutionen dazu - alle mit<br />

Sitz in Berlin- waren:<br />

- die VERA Verlagsanstalt als Beteiligungsgesellschaft,<br />

- die ALA als Anzeigenagentur,<br />

- die Mutuum-Darlehens-AG, eine Gesellschaft<br />

für versteckte Übernahmen,<br />

- die Telegraphen-Union als Nachrichtenagentur<br />

- sowie die Wipro (Wirtschaftsstelle für die Provinzpresse},<br />

welche die Klein- <strong>und</strong> Kleinstpresse<br />

mit Material belieferte.<br />

Die Wirkung des in Berlin residierenden Hugenberg-Konzerns<br />

war vor allem auf die ostelbischen<br />

Gebiete - hier ist es auch durchaus angemessen<br />

von Provinz zu reden - Preußens gerichtet.<br />

Dort in den Kleinstadten des wirtschaftsschwachen<br />

deutschen Ostens waren vor der<br />

Reichsgründung, selbst in Gemeinden mit 2 000<br />

bis 3 000 Einwohnern, zahlreiche Zeitungen gegründet<br />

worden, haufig mit entsprechend geringen<br />

Auflagen. Diese Zeitungen gerieten durch<br />

die wirtschaftlichen Wechsellagen <strong>und</strong> Katastrophen<br />

seit 1914 in erhebliche Schwierigkeiten,<br />

aus denen die diversen Finanzierungsmittel des<br />

Hugenberg-Trusts Rettung versprachen. Dies<br />

verband sich nach 1925 mit einer Rechtswendung<br />

der lokalen Offentlichkeiten im Deutschen<br />

Osten, welche die Verleger in die Arme des<br />

Trustes trieb. Nach Schatzungen Mendelssohns<br />

waren um 1932 etwa 40 Prozent der deutschen<br />

Zeitungen vom Hugenberg-Trust abhangig, der<br />

nach neueren Forschungen eine wichtige Aufgabe<br />

in der Mobilisierung des rechten Lagers<br />

seit 1925 übernommen hatte.<br />

5. ln den 30er <strong>und</strong> in den frühen 40er Jahren<br />

war die nationale Bedeutung der Pressestadt<br />

Berlin sicher am größten, obwohl zu jenem Zeitpunkt<br />

keine Monopolisierung der Tagespresse in<br />

Berlin stattfand.2a Daß die hohe Konzentration<br />

zumindest eine ambivalente Errungenschaft war,<br />

liegt auf der Hand. Denn zum einen war auch die<br />

hohe Pressekonzentration der 20er <strong>und</strong> insbesondere<br />

der 30er Jahre das Produkt einer Sonderentwicklung,<br />

die mit dem Ersten Weltkrieg<br />

eingesetzt hatte <strong>und</strong> die in verschiedenen anderen<br />

wirtschaftlichen Bereichen ebenfalls zu Krisenkonzentrationen<br />

geführt hatte - etwa bei Banken<br />

<strong>und</strong> Aktiengesellschaften sowie durch die<br />

verschiedenen Formen staatlicher Wirtschaftskontrolle<br />

<strong>und</strong> -Ienkung in den Weltkriegen, der<br />

Inflationszeit <strong>und</strong> der Weltwirtschaftskrise. Ob<br />

speziell die hohe Pressekonzentration ohne die<br />

wirtschaftlichen Wechsellagen <strong>und</strong> politischen

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