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bauchtänzerInnen In ägyPten - Norient

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Wilma rall ist<br />

radiojournalistin und<br />

autorin der wissenschaftlichen<br />

studie<br />

«Von Minderheiten<br />

und aussenseitern:<br />

debatten um stand-<br />

und durchgangsplätze<br />

für die Jenischen<br />

zwischen 1973 und<br />

1990 in der deutschschweiz».<br />

schWErpunkt<br />

12<br />

megafon nr. 363, Januar 2012<br />

heute nicht nur in der rumänischen<br />

Gesellschaft existieren, die Gräben<br />

zwischen den «Gadschos» und den<br />

«Zigeunern» – die Welt der «Gadschos»:<br />

die Gesellschaft von geistig<br />

verarmten, engstirnigen Heuchlern,<br />

die alleine auf ihren eigenen Vorteil<br />

aus sind, weltfremd und bisweilen<br />

einfach ein bisschen dumm. Ihnen<br />

gegenüber steht die fabelhafte Figur<br />

des «Zigeuners», entstanden<br />

in den Garküchen der sich modernisierenden<br />

Zivilgesellschaften,<br />

als Antithese zum aufgeklärten,<br />

modernen homo oeconomicus, als<br />

Archetyp der Rückständigkeit, der<br />

Naturverbundenheit und Primitivität,<br />

als Überbleibsel der alten Welt.<br />

Der «Zigeuner» ist wild, arm und<br />

musikalisch. Ist er es nicht, dann<br />

hört er auf «Zigeuner» zu sein.<br />

Mocanu folgt in seinem Dokumentarfilm<br />

den Spuren dieser über<br />

Jahrhunderte gewachsenen und<br />

verfestigten gegenseitigen Vorurteile,<br />

lässt sie auf die Zuschauer<strong>In</strong>nen<br />

wirken, ohne expliziten<br />

Anspruch, sie zu hinterfragen oder<br />

damit aufzuräumen. Auf musikalische<br />

Weise dokumentiert er den<br />

Versuch, Vorurteile zu überwinden,<br />

um ihnen schliesslich doch zu erliegen.<br />

– Auch wenn die Krähen wohl<br />

weiterhin über Bukarest kreisen<br />

werden, das «Shukar Collective<br />

Project» war «shukar», es war ein<br />

gutes Projekt.<br />

> WilMA rAll <<br />

fr, 13.1.12, 23.45 uhr, rEitSchulEkiNo<br />

raP IM lager – raP IM exIl<br />

glEich zWEiMAl hip-hop AuS dEM libANoN<br />

zEigEN diE kurzfilME «lifE froM thE<br />

bbc» uNd «viSit ME oNcE A yEAr» – uNd<br />

doch hAbEN diE bEidEN hip-hop-WEltEN<br />

hErzlich WENig MitEiNANdEr zu tuN.<br />

anna trechsel ist<br />

Journalistin und islamwissenschaftlerin<br />

aus bern<br />

«Visit me once a year» erzählt die<br />

Geschichte der «Kitaa Bey-Route»<br />

(«Sektor Beirut») – einer Hip-Hop-<br />

Combo, die dank internationaler<br />

Unterstützung im Jahr 2002 nach<br />

Frankreich flog, um dort zu touren<br />

und an Projekten zu arbeiten. Acht<br />

Jahre später, sind die Musiker noch<br />

immer in Frankreich – in Europa<br />

hängen geblieben, untergetaucht.<br />

Siska, einer von ihnen, hat im<br />

vergangenen Jahr eine Kamera gepackt<br />

und seine ehemaligen Band-<br />

Kollegen besucht. Was tun sie hier,<br />

und warum? Und wo gehören sie<br />

eigentlich hin? Einer der Porträtierten<br />

hat die Frage für sich beantwortet:<br />

er wird in Kürze in den Libanon<br />

zurückkehren – dort ist seine<br />

Familie, dort ist alles besser, wie er<br />

sagt. Seine zwei Kumpels hingegen<br />

machen einen verlorenen Eindruck:<br />

Ohne Papiere haben sie sich in Paris<br />

und Lyon irgendwie durchschlagen<br />

können. Ihre Hoffnungen, ihre Träume<br />

in bezug auf ein Leben in Europa<br />

haben sich zerschlagen, doch in den<br />

Libanon zurück zu gehen scheint<br />

auch keine Option zu sein.<br />

Das Leben im Exil ist in gewisser<br />

Weise auch Thema des zweiten<br />

Films – doch während die Jungs<br />

von Kitaa Bey-Route freiwillig den<br />

Libanon verliessen, leben YaSeen<br />

und TNT unfreiwillig im Libanon,<br />

als Nachkommen palästinensischer<br />

Flüchtlinge. Die Sorgen,<br />

die die beiden Rapper von I-Voice<br />

(<strong>In</strong>vincible-Voice) plagen, sind denn<br />

auch ganz anderer Natur: YaSeen<br />

und TNT leben im Süden Beiruts im<br />

Flüchtlingslager Bourj al-Barajneh<br />

–«BBC» steht für Bourj al-Barajneh<br />

Camp. Und jetzt brauchen sie<br />

erstmal einen Generator, weil im<br />

Lager schon wieder Stromausfall<br />

herrscht. Und ohne Strom lassen<br />

sich fette Tracks und Beats bekanntlich<br />

schwer aufnehmen und<br />

produzieren.<br />

Der Film von Jackson Allers – ein<br />

in Beirut wohnhafter Texaner mit<br />

armenisch-irakischen Wurzeln –<br />

begleitet die beiden auf ihrer Suche<br />

nach Strom. Im Englischen schön<br />

doppeldeutig ausgedrückt: «The<br />

search for power» heisst gleichzeitig<br />

auch «die Suche nach Macht».<br />

Und Macht haben die zwei Rapper,<br />

objektiv betrachtet, keine. Als<br />

palästinensische Flüchtlinge sind<br />

sie weitgehend ohne Rechte. Gemäss<br />

einer Schätzung der Vereinten<br />

Nationen leben im Libanon<br />

knapp 450 000 palästinensische<br />

Flüchtlinge, der Grossteil von ihnen<br />

in einem der 12 Lager. Und diese<br />

Camps sind eigentliche Ghettos. Ein<br />

Flug nach Frankreich ist für YaSeen<br />

und TNT, die eigentlich Yassin und<br />

Mohammed heissen, so gut wie unmöglich.<br />

Bereits die halbstündige<br />

Taxifahrt ins Beiruter Stadtzentrum<br />

– wo YaSeen den begehrten Generator<br />

kaufen wird – ist ein Ausflug in<br />

eine andere Welt.<br />

Der libanesische Staat verwehrt<br />

den Flüchtlingen zahlreiche Grundrechte<br />

und diskriminiert sie an allen<br />

Ecken und Enden – so gibt es etwa<br />

73 Berufe, die Palästinenser nicht<br />

erlernen oder ergreifen dürfen.<br />

Ärztin, Anwalt, <strong>In</strong>genieur, Buchhalterin?<br />

Für Palästinenser verboten.<br />

Offiziell begründet werden die<br />

Diskriminierungen mit der Politik<br />

gegenüber Israel: Die Palästinenser<br />

sind nur temporär zu Gast im<br />

Libanon und sollen dereinst in ihre<br />

Heimatdörfer in Palästina zurückkehren<br />

– deshalb werden sie nicht<br />

integriert. Nur gibt es bis heute keinen<br />

palästinensischen Staat, in den<br />

sie zurückkehren könnten. Viele<br />

Dörfer existieren nicht mehr oder<br />

sind längst Teil Israels geworden –<br />

so auch Akka, die Heimatstadt von<br />

YaSeens und TNTs Grosseltern.<br />

Und unausgesprochen schwingt<br />

die heikle Situation im Libanon selber<br />

mit: Die meisten Palästinenser<br />

sind Sunniten. Würden sie zu libanesischen<br />

Staatsbürgern, würde<br />

das fragile Gleichgewicht zwischen<br />

Christen, Schiiten und Sunniten zugunsten<br />

letzterer umgeworfen.<br />

Jackson Allers Film gibt uns<br />

einen kurzen Einblick in den palästinensischen<br />

Flüchtlingsalltag,<br />

zeigt uns die Enge des Camps, die<br />

Perspektivlosigkeit, die Armut. Und<br />

bringt uns zwei junge Protagonisten<br />

näher, die trotz allen Einschränkungen<br />

und Verboten nicht resigniert<br />

haben. Rappen ist erlaubt.<br />

Und mit dem richtigen Generator<br />

klappt es dann auch endlich mit<br />

dem Aufnehmen und Abmischen.<br />

> ANNA trEchSEl <<br />

schWErpunkt<br />

megafon nr. 363, Januar 2012 13

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