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Sklavenbesitzer einen wichtigen Zweck, da sie sowohl Sklavenhandel als auch Sklaverei<br />
rechtfertigten, indem sie den Mythos einer afrikanischen Hölle schufen, aus welcher der<br />
Afrikaner gerettet und in die „himmlische“ Sklaverei Amerikas überführt werden müsse. 82<br />
Wiederholter Kontakt mit zu vielen Afrikanern aber stellte in den Augen vieler<br />
kubanischer Intellektueller eine Gefahr für die europäische „Rasse“ dar und könnte zu<br />
deren Verrohung führen; so schrieb 1837 Literat Félix Tanco y Bosmeniel in einem Brief<br />
an Domingo Del Monte:<br />
„Wer erkennt in den Bewegungen unserer jungen Männer und Frauen wenn sie<br />
Kontratänze und Walzer tanzen nicht eine Nachahmung der Mimik der Schwarzen aus<br />
ihren cabildos 83 ? Wer weiß nicht, dass die Bassstimmen der Tänzer des Landes das Echo<br />
der Tangotrommel sind? Alles ist afrikanisch und die naiven und armseligen Schwarzen<br />
[...] infizieren uns mit dem Brauch und den arglosen Manieren der Wilden aus Afrika.“ 84<br />
Die Angst der Zuckerelite vor einer Sklavenrevolte wurde im Wesentlichen von der<br />
Befürchtung genährt, ihre eigenen Sklaven könnten sich an ihren Herren für die oft<br />
jahrzehntelange Ausbeutung und Erduldung von Züchtigung und Grausamkeiten sowie<br />
ein von Entbehrungen, Entwürdigungen und Härte bestimmtes Leben auf den Plantagen<br />
rächen: zwischen 1839 und 1846 beschäftigten sich spanische Behörden mit 1,337<br />
Selbstmordfällen, von denen 86,7% der Opfer Sklaven waren. Die Freitodrate bei<br />
ankommenden Sklaven betrug im selben Zeitraum 6,1%. 85 In Havanna wurden<br />
Haussklaven von ihren Herren regelmäßig in ein kurz hinter den Stadtmauern befindliches<br />
offizielles Peitschenhaus geschickt, um die soziale Hierarchie aufrecht zu erhalten.<br />
Mit der Gründung der abolitionistischen Gesellschaften in Europa und immer wieder<br />
ausbrechenden Sklavenaufständen in den karibischen Kolonien wurde die Bewahrung der<br />
inneren Sicherheit und Ruhe, der tranquilidad, wie sie zeitgenössisch genannt wurde, seit<br />
den 1830er Jahren für die Sklavenhalter Kubas zu einem sich zuspitzenden Dilemma: war<br />
Sklavenarbeit für die Plantagenbesitzern wirtschaftlich noch so ertragreich, so wurde sie<br />
politisch und ideologisch in einem breiteren geographischen Kontext und unter spanischer<br />
Führung immer weniger tragbar. Kubanische Kreolen mahnten immer wieder davor, dass<br />
die Institution auf der Zuckerinsel durch abolitionistische Bewegungen in Spanien und<br />
82 Lewis, Main Currents, S. 7.<br />
83 Cabildos waren Gemeinschaften verschiedener afrikanischer Völker und fassten Mitglieder zusammen,<br />
die sich durch gemeinsame Abstammung, sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeit oder Abgrenzung von<br />
anderen verbunden fühlten. Die Einrichtung wurde von den Kolonialbeamten skeptisch betrachtet, jedoch<br />
von der Kirche unterstützt und gefördert, da diese darin ein geeignetes Mittel zur Missionierung sah.<br />
84 Felix M. Tanco an Domingo Del Monte, 1837, LXVII; in: Domingo Del Monte, Centón Epistolario, Band<br />
IV, S. 107f. „¿Quién no ve en los movimientos de nuestros mozos y muchachas cuando bailan contradanzas<br />
y valses, una imitación de la mímica de los negros en sus cabildos? ¿Quién no sabe que los bajos de los<br />
dansistas del país son el eco del tambor de los Tangos? Todo es africano, y los inocentes y pobres negros,<br />
[…] inficionandonos con los usos y maneras inocentes, propias de los salvajes de África.“<br />
85 Gwendolyn Midlo Hall: Social Control in Slave Plantation Societies: A Comparison of St. Domingue and<br />
Cuba, Baltimore and London: Johns Hopkins Press, 1971, S. 22.<br />
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