Patrick Süskinds Der Kontrabass - UWSpace - University of Waterloo
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wie dort werden diejenigen, die ohnehin schon die Drecksarbeit machen, darüber hinaus<br />
noch von den anderen verachtet. (<strong>Kontrabass</strong> 58f.)<br />
Die vermeintliche Verachtung durch die anderen Musiker und seine Behauptung „der<br />
letzte Dreck“ zu sein, begründet er zum einen damit, dass es ihm nicht möglich ist, sich wie<br />
alle anderen auch zum Applaus von seinem Sitz zu erheben, zum anderen daran, dass er als<br />
<strong>Kontrabass</strong>ist kaum Beachtung erlangen würde: „Bei mir sagt kein Mensch, aha, der<br />
<strong>Kontrabass</strong>, weil ich geh ja unter in der Masse“ (57). Hieran wird die Ambivalenz deutlich, die<br />
den Charakter des Protagonisten ausmacht und es nicht ermöglicht, ein klares Bild seiner<br />
Identität ausfindig zu machen. Er kann sich also in einem Moment bestätigt und wichtig<br />
fühlen, und im nächsten Augenblick das Gefühl haben, unbedeutend zu sein. Dies ist ein<br />
typisches Merkmal, wenn es darum geht, die Identitätskonstruktion einer Borderline-<br />
Persönlichkeit zu beschreiben:<br />
Borderlines lack a constant, core sense <strong>of</strong> identity, just as they lack a constant core<br />
conceptualization <strong>of</strong> others. The borderline does not accept her own intelligence,<br />
attractiveness, or sensitivity as constant character traits, but rather as comparative<br />
qualities to be continually re-earned and judged against others’. (IH 35)<br />
Dass er seinen eigenen Wert in Vergleich mit anderen misst, lässt sich nicht nur an der<br />
Sichtweise seiner Funktion im Orchester erkennen, sondern auch an seiner Beschreibung der<br />
jungen Sopranistin Sarah: „Nicht einen einzigen Ton kann ich schön spielen ... – und sie macht<br />
ihren Mund auf, und alles, was herauskommt, ist herrlich“ (<strong>Kontrabass</strong> 85). Hier zeichnen sich<br />
außerdem deutlich die Minderwertigkeitskomplexe ab, die den <strong>Kontrabass</strong>isten plagen:<br />
Aber ich kann nicht eine musikalische Phrase spielen . . . Und es liegt nicht am<br />
Instrument. Meinen Sie, Franz Schubert fängt seine 8. Sinfonie mit einem Instrument<br />
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