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Andreas Hoffmann-Ocon, Katja Koch, Kirsten Ricker (Hg.) „Und sie ...

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„Schulaufsicht von oben und von unten“ im Königreich Hannover<br />

te des machtgesteuerten hierarchischen Modells bei und gebe nur nach und nach<br />

seine Steuerungsfunktion an ausgegliederte Teilsysteme ab, wenn er deren hierarchische<br />

Steuerung nicht mehr beherrsche. Nach und nach würden somit die anfänglich<br />

ureigensten Funktionen des Staates zur Produktion kollektiver Güter und<br />

Leistungen, zu denen heute „Bildung“ gezählt wird, ausgegliedert und in autonome,<br />

selbstgesteuerte (privati<strong>sie</strong>rte) Systeme verwandelt.<br />

Die „Normalentwicklung“ in der ersten Phase, nach der sich die am weitesten<br />

ausgeprägten Teilsysteme Autonomie verschaffen, traf für das höhere Bildungssystem<br />

im Königreich Hannover nicht zu. In den 1820er Jahren hatte es die königliche<br />

Regierung im Sinne des modernen Staatsbildungsprozesses, zu der auch<br />

die vertikale Gewaltenteilung gehörte, sogar gutgeheißen, dass sich die einzelnen<br />

Städte Stadtverfassungen gaben, in denen die traditionell weitreichenden städtischen<br />

schulischen Kompetenzen festgeschrieben wurden. Das städtische höhere<br />

Schulwesen gehörte also traditionell noch nicht zu dem sich in der Entwicklung<br />

befindenden modernen Staatswesen, aus dem sich zu entsprechender Zeit das<br />

höhere Schulwesen ausgliedern konnte. Vielmehr versuchte der Staat ab den<br />

1830er Jahre schulpolitisch und -rechtlich die Städte auf einem Feld zu enteignen,<br />

dass zuvor nicht zum Staat gehörte.<br />

Gemäß weiteren einschlägigen steuerungstheoretischen Vorstellungen gelinge<br />

es dem Staat in späteren Phasen mit Hilfe des Geldes, ansonsten weitgehend autonome<br />

Teilsysteme zu veranlassen, ihre internen Steuerungsfunktionen freiwillig<br />

in dem von ihm gewünschten Sinne zu verändern und Leistungen für das Gesamtsystem<br />

zu erbringen. Mit weiter zunehmender Komplexität des gesellschaftlichen<br />

Gesamtsystems verliere der Staat das Interesse an der Steuerung der von ihm<br />

ohnehin nicht mehr beherrschbaren Prozesse und entwickele sich zu einem sich<br />

nur noch selbst steuernden autonomen System.<br />

Die bildungshistorischen Rekonstruktionen lassen in der Tat den Schluss zu,<br />

dass Geldversprechen als positive Stimulans in Form von Landeszuschüssen für<br />

den städtischen Schulhaushalt dazu geführt haben, dass sich Magistrate gerade in<br />

schulpolitischen Personalfragen für Lehrer entschieden, die aus staatlicher Perspektive<br />

(OSK) als opportun galten. Dass der Staat allerdings mit zunehmender<br />

Komplexität des gesellschaftlichen Gesamtsystems im Allgemeinen und der<br />

Schulaufsichtsstrukturen im Speziellen das Interesse an der schulpolitischen Steuerung<br />

verlor, lässt sich in den archivalischen Dokumenten nirgends erkennen. Im<br />

Gegenteil: Der Staat intendierte dadurch, dass er ganze Bereiche des höheren<br />

Schulwesen, wie den Lehrerpersonalbereich, mit Geld zu lenken versuchte, die<br />

höheren städtischen Anstalten sukzessive in staatliche umzuwandeln.<br />

Ich fasse zusammen: Die Ausblendung schulpolitischer Mächte, außer der<br />

staatlichen, entspricht einer sehr simplifizierten Auffassung historischer Schulaufsichtsverhältnisse<br />

im 19. Jahrhundert. Bei eingehender Analyse der historischen<br />

Schulaufsichtskonstellationen fällt auf, dass im Fall Stade die neue staatliche<br />

Schulaufsichtsinstanz nicht im Rahmen eines Enteignungsprozess der Stadt sich<br />

sofort die bildungsadministrativen Kompetenzen des Magistrats zu eigen machen<br />

konnte. Eine der Hauptursachen des Misserfolgs staatlicher Schulaufsichtsent-<br />

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