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ertin propagierten universalen und antirassistischen Werten und der „Realpolitik“<br />

des IOC, das kontinuierlich, wenn auch nicht unbedingt mit Absicht, judenfeindlichen<br />

und antizionistischen Kräften zuneigte. Zudem ließ sich Coubertins<br />

antisemitisch und konservativ geprägtes Nationalempfinden offensichtlich nicht<br />

vereinbaren mit dem jüdischen Nationalismus und dessen Ausdruck auf der<br />

Ebene des Sports.<br />

Im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen im Europa des 19. Jahrhunderts<br />

gewann der Sport eine immer größere Bedeutung, zunächst auf nationaler, dann auf<br />

internationaler Ebene. 46 Seine fortschreitende Institutionalisierung und die verstärkte<br />

internationale Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung führten schließlich zur<br />

Gründung der Olympischen Bewegung und der Olympischen Spiele.<br />

Von dieser sozialen Neuerung in West- und Mitteleuropa sowie in den USA waren<br />

die Juden nicht ausgenommen. Sie leisteten in ihren jeweiligen Ländern einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Leistungssports. Jüdische Sportler errangen<br />

bereits bei den ersten Olympischen Spielen 1896 in Athen neun Goldmedaillen,<br />

eine Silbermedaille und vier Bronzemedaillen. Diese Erfolge noch vor Gründung<br />

der Zionistischen Bewegung im Jahre 1897 zeigte den Weg der späteren Entwicklung<br />

auf: Jüdische Sportler begannen, die sich auf internationaler Ebene formierende<br />

jüdische Nationalbewegung zu vertreten.<br />

Die Entstehung der Jüdischen Turn- und Sportbewegung<br />

Die Olympische Bewegung war aufgrund ihrer kosmopolitischen Botschaft für<br />

jüdische Sportler von großer Anziehungskraft. Erfolge bei Olympischen Spielen verschafften<br />

ihnen zwar besondere patriotische Verdienste, 47 doch sie unterstrichen<br />

gleichzeitig die Besonderheit und das „Anderssein“: Wen vertraten sie eigentlich als<br />

Juden? Die ungeklärte Frage der nationalen Zugehörigkeit der jüdischen Sportler<br />

und die von der Führung der Zionistischen Bewegung propagierte Vision des – körperbetonten<br />

– „neuen jüdischen Menschen“ sowie die damit verbundene Ideologie<br />

der Selbstverwirklichung durch Landarbeit und Landerschließung im verheißenen<br />

Land bildeten die Grundlage der Entwicklung des zionistischen Sports. Ihre<br />

führenden Vertreter riefen die jüdische Jugend weltweit auf, sich der Körperertüchtigung<br />

zu widmen, um einen „neuen Juden“ zu schaffen. Der von Herzls Weggefährten<br />

Dr. Max Nordau beim 2. Zionistenkongress 1898 in Basel geprägte Begriff<br />

„Muskeljudentum“ gab den Anstoß zur Gründung der ersten zionistisch orientierten<br />

Sportvereine.<br />

Der zionistische Sport, dessen erster Verein den Namen „Bar Kochba“ trug, benannt<br />

nach dem Führer des jüdischen Aufstandes gegen das römische Imperium<br />

(132-135 n. Chr.), breitete sich zuerst im deutschen Sprachraum und später in ganz<br />

Europa und Nordamerika aus. Beim 6. Zionistenkongress 1903 wurde die Jüdische<br />

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46 Siehe dazu CH. EISENBERG, „The Rise of Internationalism in Sport”, in: M. H. GEYER/J. PAUL-<br />

MANN (Hrsg.), The Mechanics of Internationalism: Culture, Society and Politics from the 1840s to the<br />

First World War, Oxford/New York 2001, S. 375-403.<br />

47 EISEN, „Jewish History and the Ideology of Modern Sport“, S. 504-505.<br />

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