Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt
Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt
Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4<br />
1. Teil: Das Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht<br />
Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Lebensgütern und Interessen gehört auch das<br />
gem. Art. 9 Abs. 2 S. 2 GG auch im privaten Rechtsverkehr unmittelbar anwendbare<br />
Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG 6 . Dieses<br />
Grundrecht steht als ein sog. Doppelgrundrecht nicht nur dem Einzelnen,<br />
sondern nach ganz h.M. auch den Koalitionen selbst zu, weil in ihr die<br />
Rechte der Mitglieder „zusammenfließen“. Außerdem wäre die Koalitionsfreiheit<br />
des Einzelnen teilweise entwertet, wenn die Koalitionen nicht auch<br />
selbst durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt wären. 7<br />
(II) Dem BTÜ kann ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der Koalitionsfreiheit<br />
nur zustehen, wenn er eine Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG ist.<br />
(1) Koalitionen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG sind Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern<br />
und Arbeitgebern zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen<br />
bei der Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, die<br />
darüber hinaus nach ganz h.M. nachfolgende Mindestmerkmale erfüllen<br />
müssen, die zunächst in einem Überblick dargestellt werden:<br />
. freiwiliger Zusammenschluss, der auf Dauer angelegt und demokratisch organisiert<br />
sein muss (dazu a),<br />
. Gegnerfreiheit und Gegnerunabhängigkeit (dazu b),<br />
. Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Parteien (dazu c),<br />
. Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen muss satzungsmäßiger<br />
Vereinszweck sein (dazu d),<br />
. Tarifwilligkeit, soziale Mächtigkeit (Durchsetzungskraft) und Arbeitskampfbereitschaft<br />
sind nach h.M. keine Voraussetzungen einer Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3<br />
GG, wohl aber einer arbeitsrechtlichen Koalition i.S.d. § 2 TVG (dazu e bis g).<br />
(a) Organisatorische Voraussetzungen: Es muss zunächst ein freiwilliger<br />
Zusammenschluss von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern vorliegen,<br />
der auf Dauer angelegt und demokratisch organisiert ist. 8 Diese<br />
Voraussetzung liegt nach dem Sachverhalt unzweifelhaft vor.<br />
Beispiele zu dieser Voraussetzung:<br />
(1) Öffentlich-rechtliche Zwangsverbände, wie z.B. Ärztekammern, Industrie- und<br />
Handelskammern, scheiden mangels Freiwilligkeit des Zusammenschlusses als Koalitionen<br />
aus 9 (zu den tariffähigen Handwerksinnungen vgl. unter II 1 c, a.E.).<br />
(2) Sog. Ad-hoc-Koalitionen, in denen sich die Arbeitnehmer zur Erreichung eines<br />
einmaligen Zieles zusammenfinden (z.B. Protestaktion gegen beabsichtigte Änderung<br />
eines <strong>Arbeitsrecht</strong>sgesetzes), sind nicht auf Dauer angelegt und deshalb auch<br />
keine Koalitionen i.S.d. Art. 9 Abs. 3. 10<br />
6 BAG NZA 2001, 1037, 1038 f. @ ; 1999, 887, 890 f.; Boemke NZA 2004, 142, 143.<br />
7 BVerfG NZA 1999, 992 ff.; NJW 1995, 3377 ff.; AP Nr. 1 zu Art. 9 GG; BAG NZA 2003, 734, 738 @ ; 2002,<br />
387, 389; 2001, 613 ff.; Kissel § 6 Rdnr. 1; Brox/Rüthers Rdnr. 243; Schaub § 188 Rdnr. 13 ff.; vgl. aber auch<br />
MünchArbR/Löwisch/Rieble § 244 Rdnr. 9 m.w.N., die in Art. 9 Abs. 3 GG kein eigenständiges Kollektivgrundrecht<br />
sehen und es daher über Art. 19 Abs. 3 GG ableiten.<br />
8 Vgl. Schaub § 187 Rdnr. 6 ff.; Däubler, Ratgeber, Rdnr. 47; Dütz Rdnr. 460; MünchArbR/Löwisch/Rieble<br />
§ 243 Rdnr. 45 ff., die aber die demokratische Organisation für nicht erforderlich halten, vgl. Rdnr. 69.<br />
9 Vgl. Schaub § 187 Rdnr. 7; Dütz Rdnr. 459.<br />
10 Vgl. dazu MünchArbR/Löwisch/Rieble § 243 Rdnr. 49 m.w.N; a.A. Däubler/Däubler, Einl. Rdnr. 94.