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Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt

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1. Teil: Das Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht<br />

Abs. 1 S. 2 BGB geschützten Lebensgütern und Interessen gehört auch das<br />

gem. Art. 9 Abs. 2 S. 2 GG auch im privaten Rechtsverkehr unmittelbar anwendbare<br />

Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG 6 . Dieses<br />

Grundrecht steht als ein sog. Doppelgrundrecht nicht nur dem Einzelnen,<br />

sondern nach ganz h.M. auch den Koalitionen selbst zu, weil in ihr die<br />

Rechte der Mitglieder „zusammenfließen“. Außerdem wäre die Koalitionsfreiheit<br />

des Einzelnen teilweise entwertet, wenn die Koalitionen nicht auch<br />

selbst durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt wären. 7<br />

(II) Dem BTÜ kann ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der Koalitionsfreiheit<br />

nur zustehen, wenn er eine Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG ist.<br />

(1) Koalitionen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG sind Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern<br />

und Arbeitgebern zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen<br />

bei der Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, die<br />

darüber hinaus nach ganz h.M. nachfolgende Mindestmerkmale erfüllen<br />

müssen, die zunächst in einem Überblick dargestellt werden:<br />

. freiwiliger Zusammenschluss, der auf Dauer angelegt und demokratisch organisiert<br />

sein muss (dazu a),<br />

. Gegnerfreiheit und Gegnerunabhängigkeit (dazu b),<br />

. Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Parteien (dazu c),<br />

. Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen muss satzungsmäßiger<br />

Vereinszweck sein (dazu d),<br />

. Tarifwilligkeit, soziale Mächtigkeit (Durchsetzungskraft) und Arbeitskampfbereitschaft<br />

sind nach h.M. keine Voraussetzungen einer Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3<br />

GG, wohl aber einer arbeitsrechtlichen Koalition i.S.d. § 2 TVG (dazu e bis g).<br />

(a) Organisatorische Voraussetzungen: Es muss zunächst ein freiwilliger<br />

Zusammenschluss von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern vorliegen,<br />

der auf Dauer angelegt und demokratisch organisiert ist. 8 Diese<br />

Voraussetzung liegt nach dem Sachverhalt unzweifelhaft vor.<br />

Beispiele zu dieser Voraussetzung:<br />

(1) Öffentlich-rechtliche Zwangsverbände, wie z.B. Ärztekammern, Industrie- und<br />

Handelskammern, scheiden mangels Freiwilligkeit des Zusammenschlusses als Koalitionen<br />

aus 9 (zu den tariffähigen Handwerksinnungen vgl. unter II 1 c, a.E.).<br />

(2) Sog. Ad-hoc-Koalitionen, in denen sich die Arbeitnehmer zur Erreichung eines<br />

einmaligen Zieles zusammenfinden (z.B. Protestaktion gegen beabsichtigte Änderung<br />

eines <strong>Arbeitsrecht</strong>sgesetzes), sind nicht auf Dauer angelegt und deshalb auch<br />

keine Koalitionen i.S.d. Art. 9 Abs. 3. 10<br />

6 BAG NZA 2001, 1037, 1038 f. @ ; 1999, 887, 890 f.; Boemke NZA 2004, 142, 143.<br />

7 BVerfG NZA 1999, 992 ff.; NJW 1995, 3377 ff.; AP Nr. 1 zu Art. 9 GG; BAG NZA 2003, 734, 738 @ ; 2002,<br />

387, 389; 2001, 613 ff.; Kissel § 6 Rdnr. 1; Brox/Rüthers Rdnr. 243; Schaub § 188 Rdnr. 13 ff.; vgl. aber auch<br />

MünchArbR/Löwisch/Rieble § 244 Rdnr. 9 m.w.N., die in Art. 9 Abs. 3 GG kein eigenständiges Kollektivgrundrecht<br />

sehen und es daher über Art. 19 Abs. 3 GG ableiten.<br />

8 Vgl. Schaub § 187 Rdnr. 6 ff.; Däubler, Ratgeber, Rdnr. 47; Dütz Rdnr. 460; MünchArbR/Löwisch/Rieble<br />

§ 243 Rdnr. 45 ff., die aber die demokratische Organisation für nicht erforderlich halten, vgl. Rdnr. 69.<br />

9 Vgl. Schaub § 187 Rdnr. 7; Dütz Rdnr. 459.<br />

10 Vgl. dazu MünchArbR/Löwisch/Rieble § 243 Rdnr. 49 m.w.N; a.A. Däubler/Däubler, Einl. Rdnr. 94.

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