Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt
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154<br />
2. Teil: Das Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht<br />
II) Die stärkste Form der Beteiligung des Betriebsrats ist die Mitbestimmung im<br />
engeren Sinne. Der wichtigste Fall ist die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten.<br />
Außerdem hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte u.a. auch nach<br />
§ 94 Abs. 1 (Ausgestaltung von Fragebögen), § 95 (Auswahlrichtlinien bei personellen<br />
Angelegenheiten) und § 112 (Sozialplan). Kommt in den echten Mitbestimmungsfällen<br />
keine Einigung zwischen den Betriebspartnern zustande, kann<br />
die fehlende Zustimmung des Betriebsrats – anders als bei den Zustimmungsverweigerungsrechten<br />
– nicht durch das ArbG ersetzt werden. Vielmehr wird die<br />
fehlende Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat durch einen<br />
Spruch der Einigungsstelle ersetzt (vgl. §§ 87 Abs. 2, 94 Abs. 1 S. 2, 95<br />
Abs. 1 S. 2, 112 Abs. 4), Die Einigungsstelle muss dabei die umstrittene mitbestimmungspflichtige<br />
Angelegenheit selbst regeln (Regelungsstreitigkeit). Soweit<br />
der Betriebsrat auch das Recht hat, die Einigungsstelle anzurufen (z.B. §§ 87<br />
Abs. 2, 112 Abs. 4), hat er auch die Möglichkeit, eine bestimmte Maßnahme<br />
u.U. gegen den Willen des Arbeitgebers durchzusetzten (sog. Initiativrecht).<br />
Der bisher verwendete Begriff „Beteiligungsrechte“ erfasst also als Oberbegriff alle Formen der<br />
Beteiligung des Betriebsrats nach dem BetrVG, ohne dass es auf eine Beeinflussungs- bzw. Mitentscheidungsmöglichkeit<br />
ankommt. Die Verwendung dieses Oberbegriffs ist daher jedenfalls<br />
dann empfehlenswert, wenn es nicht um ein bestimmtes Beteiligungsrecht geht.<br />
5.2 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten<br />
Im Bereich der sozialen Angelegenheiten ist hinsichtlich der Beteiligungsrechte<br />
des Betriebsrats zu unterscheiden zwischen<br />
. der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 (dazu 5.2.1),<br />
. der freiwilligen Mitbestimmung nach § 88 (dazu 5.2.3) und<br />
. der Mitwirkung auf dem Gebiet des Arbeits- und betrieblichen Umweltschutzes<br />
nach § 89 (dazu 5.2.4).<br />
5.2.1 Erzwingbare Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87<br />
5.2.1.1 Einleitung<br />
I) Will der Arbeitgeber eine Maßnahme durchführen, die sich auf die abschließend<br />
in § 87 Abs. 1 aufgezählten Bereiche bezieht, muss er dafür die Zustimmung<br />
des Betriebsrats einholen, die bei einer Zustimmungsverweigerung nach<br />
§ 87 Abs. 2 durch eine Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt werden kann.<br />
Die Zustimmung des Betriebsrats ist für alle nach § 87 Abs. 1 mitbestimmungspflichtigen<br />
Maßnahmen nach ganz h.M. eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung.<br />
Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 führt also<br />
dazu, dass die Maßnahme individualrechtlich auch dann nicht gegenüber den<br />
einzelnen Arbeitnehmern durchgesetzt werden kann, wenn sie individualrechtlich<br />
nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags an sich zulässig wäre (sog. Theorie der<br />
doppelten Wirksamkeitsvoraussetzung). 322<br />
322 BAG NZA 2004, 331, 333 @ ; 2003, 1219 ff. @ ; 2002, 342 ff.; BAG-GS DB 1992, 1579 ff., 1588 @ ; D/K/K/Klebe<br />
§ 87 Rdnr. 4; S/W/S § 87 Rdnr. 3; F/K/H/E/S § 87 Rdnr. 595 ff.; a.A: H/S/G § 87 Rdnr. 83 ff.