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Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt

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3. Abschnitt: Das Arbeitskampfrecht<br />

. Umstritten ist auch, ob Streiks mit dem Ziel der Durchsetzung sog. Spartentarifverträge<br />

wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Tarifeinheit bzw. das<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip zulässig sind. Hierbei handelt es sich um Streiks, mit<br />

denen eine relativ kleine Gruppe von Arbeitnehmern, die Schlüsselpositionen besetzen<br />

(z.B. Lokführer bei der Deutschen Bahn AG) eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten in einem eigenen<br />

TV durchsetzten will. 294 Unzulässig sind derartige Streiks jedenfalls wegen Verstoßes<br />

gegen die relative Friedenspflicht, soweit die gekündigten TV noch in Kraft<br />

sind. 295<br />

. Zulässig ist nach LAG Schleswig-Holstein 296 ein Streik zur Abmilderung der<br />

Folgen einer beabsichtigten Standortverlegung durch einen TV. Nach LAG<br />

Hamm 297 ist dagegen ein Streik, der auf die Verhinderung der beabsichtigten<br />

Standortverlegung gerichtet ist, unzulässig.<br />

(4) Der Streik muss sich gegen den ,,sozialen Gegenspieler“ richten, weil<br />

nur dieser den Tarifvertrag abschließen kann, der durch den Streik erzwungen<br />

werden soll. Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt.<br />

Daraus folgt nach h.M., dass politische Streiks, die sich gegen staatliche Maßnahmen<br />

richten (z.B. Gesetzesänderung zum Nachteil der Arbeitnehmer) unzulässig sind. 298<br />

Gleiches gilt nach h.M. grds. auch für einen Solidaritätsstreik (= Sympathiestreik),<br />

mit dem ein „Hauptstreik“ um einen fremden TV unterstützt werden soll. 299 Begründet<br />

wird die h.M. insbes. damit, dass an den bestreikten Arbeitgeber selbst bei politischen<br />

und solidarischen Streiks keine Forderungen nach Verbesserung der Lohnund<br />

Arbeitsbedingungen gestellt werden, sodass er auch nicht in der Lage ist, den Arbeitskampf<br />

durch ein Nachgeben zu vermeiden oder zu beenden. Wird allerdings ein<br />

Streik geführt, um einen „Hauptstreik“ zu unterstützen, ist stets zu prüfen, ob es sich<br />

dabei tatsächlich um einen unzulässigen „Solidaritätsstreik“ handelt. So hat z.B. das<br />

BAG 300 einen Streik gegen einen Arbeitgeber, der nicht Mitglied des bestreikten Arbeitgeberverbandes<br />

war, deshalb als zulässig angesehen, weil der mit der gleichen<br />

Gewerkschaft abgeschlossene ungekündigte HausTV eine dynamische Verweisung<br />

auf den VerbandsTV enthielt, sodass das Ergebnis des „Hauptstreiks“ auch den streikenden<br />

Arbeitnehmern des „Arbeitgeber-Außenseiters“ zugute kam. 301<br />

(5) Der Streik muss von einer Gewerkschaft durchgeführt werden (sog. gewerkschaftliches<br />

Streikmonopol), wobei die Gewerkschaft nach h.M. einen<br />

zunächst „wild“ durchgeführten Streik nachträglich (umstr., ob mit<br />

Rückwirkung) übernehmen kann. 302<br />

Diese Voraussetzung ergibt sich zum einen aus der Funktion des Streiks als Mittel<br />

zur Durchsetzung von TV, die auf der Arbeitnehmerseite nur von einer Gewerkschaft<br />

294 Vgl. dazu LAG Hessen BB 2003, 1229 ff.; Rieble BB 2003, 1227 ff.; Buchner BB 2003, 2121 ff.<br />

295 Vgl. LAG Hessen BB 2003, 1229 ff.; krit. dazu Rolfs/Clemens NzA 2004, 410, 414; Buchner BB 2003, 2121 ff.<br />

296 LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2003, 592; vgl. dazu Rolfs/Clemens NZA 2004, 410, 414 f.<br />

297 LAG Hamm NZA-RR 2000, 535.<br />

298 LAG Rheinland-Pfalz NZA 1986, 264; ArbG Hagen AP Nr. 118 zu Art. 9 GG ,,Arbeitskampf“; MünchArbR/<br />

Otto § 285 Rdnr. 37 ff.; ErfK/Dieterich Art. 9 GG Rdnr. 114; Kissel § 24 Rdnr. 51 ff.; Zielke BB 2003, 1785 ff.;<br />

Rieble DB 1993, 882; vgl. auch v. Hoyningen-Huene JuS 1987, 505, 512, der auf eine mögliche Rechtfertigung<br />

nach Art. 20 Abs. 4 GG hinweist; a.A. Däubler; AK, Rdnr. 709.<br />

299 BAG NZA 2003, 866, 869 @ ; 1985, 504; 1988, 474; LAG Hamm BB 1993, 1515; Kissel § 24 Rdnr. 16 ff.;<br />

MünchArbR/Otto § 286 Rdnr. 38 ff.; ErfK/Dieterich Art. 9 GG Rdnr. 115 f.; vgl. auch Rüthers BB 1990 Beil.<br />

25, 5.1 ff., der auch die Besonderheiten im Medienbereich behandelt; a.A. Bieback in Däubler, AK,<br />

Rdnr. 367 ff.; Plander AuR 1986, 193, 197.<br />

300 BAG NZA 2003, 866 ff. @ .<br />

301 Vgl. auch Kissel § 24 Rdnr. 41 ff.<br />

302 Vgl. dazu Meinungsübersicht bei Kissel § 25 Rdnr. 2 ff.; MünchArbR/Otto § 285 Rdnr. 69 ff., 76 und Zachert<br />

AuR 2001, 401 ff.<br />

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