Kollektives Arbeitsrecht - Alpmann Schmidt
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1. Teil: Das Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht<br />
rifbindung ist also nur beim Arbeitgeber gegeben, während für den jeweiligen<br />
Arbeitnehmer je nach Tarifbindung nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung<br />
findet. Anders als bei der Tarifkonkurrenz sind also beide Parteien des Arbeitsvertrags<br />
gemeinsam nur an einen Tarifvertrag gebunden. 163<br />
Zur Tarifpluralität kann es kommen, wenn die Arbeitnehmer des Betriebs mehreren Gewerkschaften<br />
angehören und der Arbeitgeber oder der zuständige Arbeitgeberverband mit verschiedenen<br />
Gewerkschaften auch TV abgeschlossen hat oder eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung<br />
z.B. zu einem HausTV hinzukommt. Zur Tarifkonkurrenz kann es insbes. dann kommen,<br />
wenn zur beiderseitigen Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit<br />
eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines anderen TV hinzukommt<br />
oder beide Arbeitvertragsparteien gleichzeitig verschiedenen Verbänden angehören. 164<br />
Nach der wohl h.M., insbesondere der Rspr., sind die Fälle der Tarifkonkurrenz<br />
und der Tarifpluralität aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität<br />
nach dem Grundsatz der Tarifeinheit („ein Betrieb, ein Tarifvertrag“) zu lösen.<br />
In diesen Fällen geht – unabhängig von der Allgemeinverbindlichkeit eines dieser<br />
TV – stets der speziellere dem allgemeineren Tarifvertrag vor. Zu prüfen ist<br />
deshalb im Einzelfall, welcher Tarifvertrag dem Betrieb räumlich, betrieblich,<br />
fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und<br />
Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht<br />
wird. Entscheidend ist dabei die Betriebstätigkeit, die im Betrieb überwiegt (Indizien:<br />
Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, Anteil am Umsatz und Gewinn,<br />
Eintragung im Handelsregister), ihm also das Gepräge gibt. 165<br />
4.4 Der persönliche Geltungsbereich eines Tarifvertrags<br />
4.4.1 Die zwingende Wirkung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach<br />
§4 TVG kommt nur in zwei Fällen in Betracht. Dies sind:<br />
. beiderseitige Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG oder<br />
. Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG<br />
4.4.1.1 Tarifgebunden nach § 3 Abs. 1 TVG sind „Mitglieder der Tarifvertragsparteien<br />
und der Arbeitgeber, der selbst Partei eines Tarifvertrags ist“, wobei sich<br />
die Verbandsmitgliedschaft nach dem Satzungsrecht des jeweiligen Verbandes<br />
richtet. 166 Die Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG kann auch noch dadurch begründet<br />
werden, dass eine Arbeitsvertragspartei noch während der nach § 3<br />
163 BAG NZA 1991, 736 ff.; Schaub § 203 Rdnr. 51 ff.; Däubler/Zwanziger § 4 TVG Rdnr. 916 ff.; MünchArbR/<br />
Löwisch/Rieble § 276 Rdnr. 1 ff.; Hanau NZA 2003, 128, 131 m.w.N.<br />
164 Vgl. zu diesen Problemen speziell im Zusammenhang mit der Gründung von ver.di Kempen NZA 2003,<br />
415 ff.; Melms NZA 2002, 296 ff.<br />
165 BAG DB 2003, 1067; EzA § 4 TVG „Tarifkonkurrenz“ Nr. 10, 15; Buchner BB 2003, 2121 ff.; Säcker/Oetker<br />
ZfA 1994, 1 ff.; Hromadka DB 1996, 1872 ff.; a.A. insbes. zur Tarifpluralität LAG Hessen BB 2003, 1229,<br />
1231; Däubler/Zwanziger § 4 TVG Rdnr. 943 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble § 276 Rdnr. 17 ff.; Rieble BB<br />
2003, 1227, 1228; Hanau NZA 2003, 128, 131; Däubler NZA 1996, 225, 230: Durch die Annahme der Tarifeinheit<br />
werde die Tarifautonomie der Verbände und die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer verletzt. Die Mitglieder<br />
der Organisationen, deren TV verdrängt würden, würden auf den Status von Nichtorganisierten<br />
zurückfallen.<br />
166 BAG NZA 2001, 981 ff. und zur Zulässigkeit der sog. OT-Migliedschaft siehe S. 38.