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Bühne - Berliner Zeitung

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Performance-Klassiker: „This Is Theatre“<br />

Spektakel des Prekären<br />

Ein Festival im HAU beschäftigt sich mit prekären Körpern im Theater und zeigt zwei bahnbrechende <strong>Bühne</strong>narbeiten<br />

von Jan Fabre aus den 80er-Jahren<br />

„At 26, Belgian artist Jan Fabre has not only<br />

taken performance into mainstream, but revolutionised<br />

our notion of theatre“, jubelte<br />

das Londoner Magazin „Time out“ 1986 anlässlich<br />

des Gastspiels von „The Power of<br />

Theatrical Madness“ in der altehrwürdigen<br />

Royal Albert Hall. „‚Theatrical Madness‘ is a<br />

Gesamtkunstwerk (total artwork) on a Wagnerian<br />

scale that (...) seduces its audience<br />

with striking visual poetry (...) tortures them<br />

with acts of meanness and triviality, confuses<br />

them with its cruel sensuality (...) or transports<br />

them into the realms of romantic terrorism.“<br />

Was Pina Bausch oder Richard<br />

Schechner für das europäische Theater der<br />

70er-Jahre begonnen hatten, setzten die<br />

Wooster Group in New York oder Jan Fabre in<br />

Belgien während der 80er fort: Jenseits der<br />

Stadt- und Repertoiretheater entwickelten sie<br />

völlig neue Ästhetiken, die das Theater und<br />

das Nachdenken darüber völlig verändert haben.<br />

Neu entdeckt haben sie dabei vor allem<br />

den Körper. Sie machten ihn in bis dato unerhörter<br />

Weise zum Protagonisten ihrer<br />

Theater sprachen.<br />

Mit dem Festival Precarious Bodies rückt das<br />

HAU vom 8. bis 14. April dem Körper zu Leibe.<br />

Ein Höhepunkt: die Wiederaufnahme zweier<br />

legendärer Arbeiten Jan Fabres aus den<br />

80ern. Dass Fabres Marathon-Performances<br />

auch als „Re-Enactment-Creation“ noch publikumswirksam<br />

sind und bei allen Beteiligten<br />

die Grenzen des physisch Erträglichen ausloten,<br />

beweist ihr erster Wieder-Auftritt in der<br />

12 Highlights<br />

Wiener Burg 2012: Das Publikum verließ teilweise<br />

empört das Theater. Fabres Klassiker<br />

der internationalen Performancekunst – „This<br />

Is Theatre Like It Was to Be Expected And<br />

Foreseen“ (1982/2012) und „The Power of<br />

Theatrical Madness“ (1984/2012) mit der<br />

grandiosen Musik des Minimalisten Wim Mertens<br />

– erzeugen ebenso drastische wie poetische<br />

Bilder der Verletzlichkeit des Körpers.<br />

Und verhandeln die Macht, Körper zu verletzen,<br />

sie zu disziplinieren. Dabei geht es auch,<br />

wie Fabre sagt, „um die Intensität der körperlichen<br />

und mentalen Energieübertragung“.<br />

Das Maß der Einfühlung zwischen Akteuren<br />

und Publikum entspricht ungefähr dem Maß<br />

an Erschöpfung, das beide Seiten miteinander<br />

verbindet – nach viereinhalb Stunden bei<br />

„Theatrical Madness“, nach acht bei „This Is<br />

Theatre“.<br />

Fabre polarisiert. Das hat er mit dem schwedischen<br />

Regisseur und Videokünstler Markus<br />

Öhrn gemeinsam, der sich gerade in Paris mit<br />

Fabres prekären Körpern auf der <strong>Bühne</strong> auseinandergesetzt<br />

hat. Bekannt ist Öhrn durch<br />

seine Arbeiten mit den schwedischen/finnischen<br />

Kollektiven Institutet und Nya Rampen.<br />

2011 wurde die Arbeit „Conte d’amour“, eine<br />

verstörende Theater-Installation über sexuellen<br />

Missbrauch in der Familie, mit dem<br />

Impulse- Festivalpreis als bestes Off-Theaterstück<br />

prämiert. Nun hat Öhrn „Étant donnés“<br />

inszeniert, nach Marcel Duchamps brutalem,<br />

voyeuristischen Frauenakt. Und dem Solo, das<br />

Jan Fabre für seine Lieblingsschauspielerin<br />

Els Deceukelier entwickelt hat. In kritischem<br />

Abstand setzt Markus Öhrn seine Schauspieler<br />

Jakob Öhrman und Nadine Dubois auf die<br />

„Casting Couch“. In der Allgegenwart von<br />

Pornografie in unserer Gesellschaft spürt er<br />

Momente von Intimität auf.<br />

Die in New York lebende Koreanerin Young<br />

Jean Lee pflegt mit ihrer Theater Company<br />

eine enge Verbundenheit zur bunten feministischen<br />

Bewegung. Ohne selbst erklären zu<br />

wollen, was Feminismus bedeutet. Eher mit<br />

dem Konzept, ein Theater zu erfinden, das<br />

Erfahrungen jenseits der etablierten Körper-<br />

und Gendergrenzen möglich macht. Ihr aktuellstes<br />

Experiment „Untitled Feminist Show“<br />

hat die New Yorker Presse zu Liebeserklärungen<br />

verleitet und war in Europa bereits auf<br />

dem Kunstenfestivaldesarts und beim steirischen<br />

herbst zu sehen. Sechs charismatische<br />

Stars aus dem New Yorker Theater-, Tanz- und<br />

Neo-Burleske-Untergrund hat Young Jean Lee<br />

weitab vom Broadway gecastet. In einer Show<br />

zwischen „militantem Happening, befreiender<br />

Choreografie und Cabaret“ treten fünf unbekleidete<br />

Frauen und „gender non-conforming“<br />

Becca Blackwell auf.<br />

2 The Power oF TheATricAl mADNess<br />

Di 9.4.<br />

2 This is TheATre<br />

Fr 12.4.<br />

2 FesTiVAl PrecArioUs BoDies<br />

8. bis 14.4., alles im hAU,<br />

Karten-Tel. 25 90 04 27<br />

tip <strong>Bühne</strong> 07·13<br />

Foto: Wonge Bergmann

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