Magazin Theatertreffen 2013 - Berliner Festspiele
Magazin Theatertreffen 2013 - Berliner Festspiele
Magazin Theatertreffen 2013 - Berliner Festspiele
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
sind immer weniger zu unterscheiden. Die sich zersetzende<br />
Ehe ist vielleicht auch die Auflösung ihrer<br />
eigenen Individualität.<br />
Elfriede Jelinek (Österreich): Prolog?<br />
(Hörtheater)<br />
„Die Menschen sind ausgezogen, denn wo Tiere<br />
unerhörte Auswüchse haben, wollen sie nicht länger<br />
bleiben, die Gesunden.“ – Vor dem Szenario einer<br />
Apokalypse hinterfragt Elfriede Jelinek, wie viel<br />
selbstverursachte Katastrophen der Mensch vertragen<br />
kann und stellt dabei das deiktische Moment,<br />
den subjektiven Gestus des Aufzeigens zur Disposition:<br />
Was sage ich eigentlich, wenn ich etwas sage?<br />
Worauf verweise ich, wenn ich etwas benenne? Wer<br />
bin ich, der etwas benennt? Ist die Sprache beim<br />
Verstehen der Welt überhaupt eine Hilfe oder nicht?<br />
Nikolai Khalezin (Weißrussland):<br />
Return to Forever<br />
Die sehr persönliche Erinnerung eines Mannes daran,<br />
wie er zum Soldat wurde. Angefangen vor seiner<br />
Geburt, bei den Wünschen seiner Eltern, über seine<br />
Kindheit und Jugend bis zum Moment des Tötens im<br />
Krieg. Gleichzeitig die Geschichte einer jungen Frau,<br />
seiner Schwester, geprägt durch Krankheit und Verlust.<br />
Langsam schält sich die Erzählung aus der Innensicht<br />
heraus, wechselt zwischen Gedankensplittern,<br />
Erinnerungsfragmenten und Momentaufnahmen. Sie<br />
erzählt eindringlich von Zufall und Schicksal, Glück<br />
und Unglück, Liebe und Hoffnungslosigkeit, Mut<br />
und Angst.<br />
Roland Schimmelpfennig: Wohin? Verfall<br />
und Untergang der westlichen Zivilisation<br />
Im Zentrum steht eine Familie, die jedem Klischee<br />
des akademischen Neuberliners gerecht wird und<br />
dort angekommen scheint, wo sie immer hin wollte.<br />
Ein unvorhergesehener Besuch stört dieses Idyll, ein<br />
Abgrund öffnet sich – und droht, alle Sicherheiten,<br />
alle festen Standpunkte zu verschlucken. Ein vielschichtiger<br />
Text, der auf wenigen Seiten eine komplette<br />
Parallelwelt skizziert und zeigt, dass es mit<br />
der Stabilität unserer mühsam aufgebauten Identitäten<br />
nicht weit her ist.<br />
34<br />
Nis-Momme Stockmann: Monolog der<br />
jungen Frau –<br />
Eine junge Frau hält eine erbitterte, wortreiche Rede<br />
und stellt mit großer Dringlichkeit Fragen, auf die es<br />
keine Antwort gibt. Die Ziele und Möglichkeiten des<br />
Kulturbetriebs und des Individuums in einer kapitalistischen<br />
Welt sind ebenso Teil dieser Tirade wie die<br />
eigene Wut, Verzweiflung und Angst, die dem Text<br />
als Triebkraft dienen.<br />
stückemarkt teil II<br />
Donnerstag, 9. Mai <strong>2013</strong>, 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr<br />
und 19:00 bis 22:00 Uhr<br />
Regie stephan kimmig<br />
Dramaturgie sonja anders<br />
Herbert Achternbusch: Da im Kafenion<br />
In seinem 1987 entstandenen Text hält Herbert<br />
Achternbusch Rückschau „auf eine Vergangenheit, in<br />
der ein Angebot an Frieden bestand“, wie er im Vorwort<br />
schreibt. Ein Ich betritt ein Kafenion, ein traditionelles<br />
griechisches Kaffeehaus, und wartet auf<br />
seine Freundin, die ihm untreu war. Momentweise<br />
begegnet er vertrauten Figuren, die er freundlich<br />
distanziert behandelt. Der Wirt fragt unermüdlich<br />
nach „Oriste?“, und die erwartete Susn kommt – und<br />
geht dann einfach wieder. Wer wirklich da war, weiß<br />
keiner. Achternbusch beschreibt eine Lebenskrise<br />
und ihren Wert. Ein entspannter aber wunder,<br />
wacher Blick auf das eigene Leben und Tun wird hier<br />
als Utopie entwickelt.<br />
Volker Braun: Die Diener zweier Herren<br />
Der grimmig-komische Text verknüpft Motive aus<br />
Carlo Goldonis Drama mit der aktuellen politischen<br />
Debatte um das italienische ILVA-Stahlwerk in Tarent.<br />
Hart prallt die Argumentation der Arbeiter im<br />
Versdrama auf die Technokratensprache der Politiker.<br />
So führt Volker Braun sehr präzise das Gefühl<br />
von politischer Unmündigkeit und Hilflosigkeit<br />
unserer Zeit vor.