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Das Buch des Propheten Jeremia - Bibelkommentare.de

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong><br />

Marc Allovon


Der Kommentar wur<strong>de</strong> von Marc Allovon und Philippe Laügt in französischer Sprache verfasst<br />

und ist in „Son<strong>de</strong>z les Écritures, Band 6“ erschienen. Der Übersetzung erfolgte von Martin<br />

Brücher, Thomas Keune, Philipp Laügt und Markus Lütjen.<br />

© 2013 by www.bibelkommentare.<strong>de</strong><br />

Diese Datei ist im Internet veröffentlicht unter: http://www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/get/cmt.455.pdf<br />

Letzte Aktualisierung <strong>de</strong>r Datei: 30.05.2013<br />

Kontakt: info@bibelkommentare.<strong>de</strong>


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Überblick 5<br />

Überblick zu <strong>de</strong>m <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Einführung 6<br />

Einführung in das <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Vierzig Jahre Dienst am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Reiches Juda . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Charakter <strong>de</strong>r Botschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Jerusalem, Israel und die Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Die Lei<strong>de</strong>n <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Hauptthemen <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Buch</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Kapitel 1 9<br />

Charakter und Berufung <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Der Charakter <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Die Berufung <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Die Qualifizierung <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Der Dienst <strong>Jeremia</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Auftrag und prophetische Hauptthemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Der Man<strong>de</strong>lstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Der sie<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Topf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Die Moralische Situation <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Kapitel 2 14<br />

Sie haben mich verlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Die Erinnerung an die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

<strong>Das</strong> zwiefach Böse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Der moralische Zustand <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Kapitel 3 18<br />

“Kehrt um, ihr abtrünningen Kin<strong>de</strong>r“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Die Appelle <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Schein o<strong>de</strong>r Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Die Buße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Die zukünftige Wie<strong>de</strong>rherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

Der Rückweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Inhaltsverzeichnis<br />

Kapitel 4 22<br />

Wenn du umkehrst, kehre zu mir um . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Eine wahre Umkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Die Verwüstung ist nahe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Der Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Ein Hoffnungsschimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Kapitel 5–6 26<br />

Alle Klassen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes wer<strong>de</strong>n verurteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

1. Die Geringen und die Großen, die <strong>Propheten</strong> und die Priester (Kapitel 5) . . . . 26<br />

Ist einer da, <strong>de</strong>r Recht übt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Die Ankündigung eines maßvollen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Die <strong>Propheten</strong> und die Priester tragen die größte Schuld . . . . . . . . . . . . . 27<br />

2. Sie alle sind Wi<strong>de</strong>rspenstige (Kapitel 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

<strong>Das</strong> Hereinbrechen <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> steht unmittelbar bevor . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Es gibt keinen Frie<strong>de</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Die Ermahnungen wer<strong>de</strong>n verachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Verworfenes Silber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Kapitel 7–10 32<br />

<strong>Das</strong> Gericht ist unausweichlich, aber Israel bleibt das Volk <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn . . . . . . . 32<br />

1. <strong>Das</strong> Gericht beginnt beim Haus Gottes (Kapitel 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

<strong>Das</strong> Haus <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Die Zusammenarbeit im Bösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Kein Opfer kann <strong>de</strong>n Gehorsam ersetzen (7,21–28) . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

<strong>Das</strong> Land soll zur Einö<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

2. Es gibt keine Heilung mehr (Kapitel 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Sie weigern sich, umzukehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

<strong>Propheten</strong> und Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Wozu bleiben wir sitzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Der Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

3. <strong>Das</strong> Lei<strong>de</strong>n und die Klage <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> (Kapitel 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Sollte ich sie nicht bestrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Jerusalem, ein Steinhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Ich bin <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r Güte, Recht und Gerechtigkeit übt . . . . . . . . . . . . . 39<br />

4.) Israel soll sich nicht mit <strong>de</strong>n Nationen vermischen (Kapitel 10) . . . . . . . . . . 40<br />

Lernt nicht <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Der Herr bleibt <strong>de</strong>rselbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Eine angemessene Züchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Überblick<br />

Überblick<br />

Überblick zu <strong>de</strong>m <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong><br />

Berufung und Auftrag <strong>Jeremia</strong>s (Kap 1)<br />

Erster Teil: Appelle an das Gewissen Israels (Kap 2–25)<br />

1. Der Herr ruft sein Volk dazu auf, zu ihm umzukehren (Kap 2–4)<br />

• Sie haben mich verlassen: Kap. 2<br />

• Kehrt um, ihr abtrünnigen Kin<strong>de</strong>r: Kap. 3<br />

• Wenn du umkehrst, kehre zu mir um: Kap. 4<br />

2. Alle Klassen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes wer<strong>de</strong>n beurteilt (Kap 5–6)<br />

• Die Geringen und die Großen, die <strong>Propheten</strong> und die Priester: Kap. 5<br />

• Sie alle sind Wi<strong>de</strong>rspenstige: Kap. 6<br />

3. <strong>Das</strong> Gericht ist unvermeidlich, aber Israel bleibt das Volk <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn (Kap 7–10)<br />

• <strong>Das</strong> Gericht fängt beim Haus Gottes an: Kap. 7<br />

• Es gibt keine Heilung mehr: Kap. 8<br />

• Lei<strong>de</strong>n und Klagelied <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong>: Kap. 9<br />

• Israel darf sich nicht mit <strong>de</strong>n Nationen vermischen: Kap. 10<br />

4. Plädoyer <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn für sein Volk (Kap 11–19)<br />

5. Letzte Warnungen und Aufrufe im Zusammenhang <strong>de</strong>r historischen Umstän<strong>de</strong> (Kap<br />

20–25)<br />

Zweiter Teil: Die Züchtigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes und die Treue <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn. Die Beziehungen <strong>de</strong>r<br />

Könige zum <strong>Propheten</strong> (Kap 26–45)<br />

1. Verfolgung und Debatten <strong>Jeremia</strong>s (Kap 26–29)<br />

2. Der unverän<strong>de</strong>rliche Vorsatz Gottes und <strong>de</strong>r neue Bund (Kap 30–33)<br />

3. Der König, die Fürsten und <strong>de</strong>r Prophet in <strong>de</strong>n letzten Tagen (Kap. 34–38)<br />

4. Jerusalem wird eingenommen und zerstört. Gericht über Ze<strong>de</strong>kia und sein Haus (Kap<br />

39)<br />

5. Abkehr <strong>de</strong>rer, die im Land gelassen wur<strong>de</strong>n (Kap 40–44)<br />

6. Ermutigung und Verheißung an Baruch, <strong>de</strong>n bedrückten Treuen (Kap 45)<br />

Dritter Teil: Verkündigung <strong>de</strong>r Gerichte über die Nationen (Kap 46–51)<br />

Historischer Anhang: Die Zerstörung Jerusalems und das Gericht über seine Könige (Kap<br />

52)<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Einführung<br />

Einführung<br />

Einführung in das <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong><br />

Vierzig Jahre Dienst am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Reiches Juda<br />

Der Dienst <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong>, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m <strong>Buch</strong> berichtet wird, das seinen Namen<br />

trägt, hat sich über mehr als vierzig Jahre zur Zeit <strong><strong>de</strong>s</strong> En<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Reiches Juda in Jerusalem<br />

erstreckt. Der König von Assyrien hatte die zehn Stämme Israels bereits in Gefangenschaft<br />

weggeführt. In dieser letzten Epoche hatte sich <strong>de</strong>r moralische Zustand Judas, das noch als<br />

das Volk Gottes anerkannt war, <strong>de</strong>rart verschlimmert, dass das Urteil Gottes, das von Jesaja<br />

bereits angekündigt wor<strong>de</strong>n war (2. Kön 20,16–18), vollstreckt wer<strong>de</strong>n musste.<br />

Charakter <strong>de</strong>r Botschaft<br />

Der Herr erweckte <strong>Jeremia</strong>, einen <strong>Propheten</strong>, um energisch und eindringlich zu <strong>de</strong>n<br />

Königen, <strong>de</strong>n Obersten und <strong>de</strong>m Volk zu re<strong>de</strong>n. <strong>Jeremia</strong> sollte von ihrer Seite her lei<strong>de</strong>n und<br />

die Tiefe <strong>de</strong>r Liebe zeigen, die er für sein Volk empfand. Sein Schmerz war umso größer<br />

als er sie liebte und er feststellen musste, dass sie sich weigerten, auf ihn zu hören. Aber<br />

er wusste, dass, wenn <strong>de</strong>r Herr verpflichtet war, sie zu strafen, es nur dazu dienen sollte,<br />

ihnen am En<strong>de</strong> Gutes zu erweisen wie ein Vater gegenüber seinem ungehorsamen Kind.<br />

<strong>Jeremia</strong> war wie verzehrt von <strong>de</strong>m sehnlichen Wunsch, dass die Söhne Israels mit ihrem<br />

ganzen Herzen zu Gott umzukehren und so <strong>de</strong>n Gerichten entkommen möchten, die er<br />

gezwungen war, ihnen anzukündigen. Er rief mehrfach zur Buße auf und erklärte wie<strong>de</strong>rholt,<br />

dass das Böse ohne Heilung war; aber <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch wur<strong>de</strong> nur noch sichtbarer. Es<br />

gab keine Möglichkeit <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung für das Volk als Ganzes, es rannte in sein<br />

Ver<strong>de</strong>rben. Aber <strong>de</strong>r Weg zurück bleibt für <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>r die prophetische Warnung hört<br />

und aufnimmt, immer offen. Und das <strong>Buch</strong> liefert hier und da Aussprüche, die die Gefühle<br />

<strong>de</strong>rer ausdrücken, die Buße tun wür<strong>de</strong>n und mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Prophet sich vereint. <strong>Das</strong> ist<br />

eine Ermutigung, persönlich zu <strong>de</strong>m Herrn umzukehren, um sich ihm anzuvertrauen trotz<br />

all <strong>de</strong>r entgegen gesetzten Umstän<strong>de</strong>.<br />

Außer<strong>de</strong>m kündigte <strong>Jeremia</strong> – wenn er auch bestätigen musste, dass das Volk von Juda die<br />

Gefangenschaft erlei<strong>de</strong>n sollte – auch das En<strong>de</strong> dieser Gefangenschaft nach Ablauf von 70<br />

Jahren und die letztendliche Wie<strong>de</strong>rherstellung von ganz Israel an. Es war sicher, dass <strong>de</strong>r<br />

Herr sie bewirken wür<strong>de</strong>, um seine Verheißungen zu erfüllen.<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Einführung<br />

Es ist die Lektüre <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Buch</strong>es <strong>Jeremia</strong> (25,11.12; 29,10), die Daniel, gefangen in Babylon,<br />

von <strong>de</strong>r Vollendung <strong>de</strong>r „Verwüstung Jerusalems“ nach Ablauf von 70 Jahren (Dan 9,2)<br />

überzeugt hat. Er ist auf diese Weise dahin geführt wor<strong>de</strong>n, die Sün<strong>de</strong>n seines Volkes zu<br />

bekennen und er zeichnete <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Buße auf vor <strong>de</strong>nen, die Gott erweckte, um sie<br />

nach Jerusalem zurückzuführen. Bemerkenswertes Beispiel <strong><strong>de</strong>s</strong> Nutzens <strong><strong>de</strong>s</strong> „prophetischen<br />

Wortes“, auf welches <strong>de</strong>r Geist Gottes uns aufmerksam machen will (2. Pet 1,19)!<br />

Jerusalem, Israel und die Nationen<br />

Die Worte <strong>Jeremia</strong>s richten sich vor allem an Juda, an Jerusalem, an seinen König, seine<br />

Fürsten und seine Bewohner. Aber er re<strong>de</strong>t auch für ganz Israel, obwohl die zehn Stämme<br />

bereits durch <strong>de</strong>n König von Assyrien verschleppt wor<strong>de</strong>n waren. Er beschäftigt sich<br />

ebenfalls mit <strong>de</strong>n Nationen, die in Verbindung mit <strong>de</strong>m Volk Gottes stehen und die alle<br />

Fein<strong>de</strong> sind. Wenn er die Gerichte, die sie an Juda und Jerusalem vollstrecken wür<strong>de</strong>n, klar<br />

ankündigt, verkün<strong>de</strong>t er genauso klar, dass sie gerichtet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n für das Böse, das<br />

sie <strong>de</strong>m Volk Gottes zugefügt hätten. Sie wür<strong>de</strong>n schuldig, weil sie versucht hätten, es<br />

verschwin<strong>de</strong>n zu lassen, in<strong>de</strong>m sie die Schmerzen, die die Züchtigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ihnen<br />

auferlegt hatte, noch verschlimmerten.<br />

Die Lei<strong>de</strong>n <strong>Jeremia</strong>s<br />

<strong>Jeremia</strong> i<strong>de</strong>ntifizierte sich beständig mit seinem Volk. Er trug moralisch die Last ihrer Schuld,<br />

die er als die seinige bekannte, während er sie offen anzeigen musste. Er nahm an <strong>de</strong>n<br />

Lei<strong>de</strong>n teil, die auf das Volk aufgrund ihrer Sün<strong>de</strong>n fielen. Er litt sogar mehr als sie wegen<br />

<strong>de</strong>r Verfolgungen, die er von ihrer Seite erdul<strong>de</strong>te. Außer<strong>de</strong>m ließ ihn seine Nähe zu <strong>de</strong>m<br />

Herrn die Abscheulichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen und die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Züchtigung, die daraus<br />

resultieren wür<strong>de</strong>, tief fühlen. Er ähnelt hierin Christus in <strong>de</strong>n Tagen, in <strong>de</strong>nen er, von <strong>de</strong>n<br />

Ju<strong>de</strong>n verfolgt, über Jerusalem weinte angesichts <strong>de</strong>r Aussicht <strong>de</strong>r Gerichte, die über sie<br />

fallen wür<strong>de</strong>n.<br />

Dieser berühren<strong>de</strong> und lehrreiche Aspekt <strong><strong>de</strong>s</strong> Charakters <strong>Jeremia</strong>s wird in <strong>de</strong>n Klagelie<strong>de</strong>rn<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich herausgestellt.<br />

Hauptthemen <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Buch</strong>es<br />

Die Prophezeiungen <strong>Jeremia</strong>s wer<strong>de</strong>n nicht in <strong>de</strong>r chronologischen Reihenfolge dargestellt,<br />

son<strong>de</strong>rn in einer moralischen Reihenfolge. Folglich stammen die Kapitel 21 bis 24, 28 bis 34<br />

und 38 bis zum En<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Regierungszeit Ze<strong>de</strong>kias, während die Kapitel 25 bis 27 und 35<br />

bis 37 aus <strong>de</strong>r vorherigen Regierungszeit Jojakims stammen. Die Kapitel 32 bis 44 geben<br />

einen Bericht <strong>de</strong>r von <strong>Jeremia</strong> erlebten Umstän<strong>de</strong>. <strong>Das</strong> letzte Kapitel erzählt die Einnahme<br />

Jerusalems durch die Armeen <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs von Babylon.<br />

Mehrere große Gedankengänge wer<strong>de</strong>n im Verlauf <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Buch</strong>es entwickelt. Wir weisen hier<br />

auf einige von ihnen hin, in<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>n Leser einla<strong>de</strong>n, ihren Spuren zu folgen. Wir wer<strong>de</strong>n<br />

nicht je<strong><strong>de</strong>s</strong> Mal auf sie zurückkommen, wenn wir ihnen begegnen wer<strong>de</strong>n:<br />

• Der moralische Zustand <strong><strong>de</strong>s</strong> ganzen Volkes war sehr ernst trotz <strong>de</strong>r Erscheinungen<br />

(Gott war vergessen, Götzendienst, Lüge. . . ).<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 7


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Einführung<br />

• Wie<strong>de</strong>rholte Aufrufe drängten je<strong>de</strong>n, mit seinem ganzen Herzen zum Herrn<br />

umzukehren.<br />

• Die Züchtigung, die die Folge ihrer Verhärtung ist, wur<strong>de</strong> verhängt und war<br />

unvermeidlich gewor<strong>de</strong>n. Sie wür<strong>de</strong> hauptsächlich mittels eines aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n<br />

kommen<strong>de</strong>n Volkes ausgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

• Wenn <strong>de</strong>r Herr sein Volk, das er liebte, züchtigen musste, tat er es mit Schmerz und<br />

mit Maß und kündigte die spätere Wie<strong>de</strong>rherstellung an: das En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Exils nach<br />

Ablauf von 70 Jahren und die letztendliche und endgültige Wie<strong>de</strong>rherstellung, die<br />

noch kommen wür<strong>de</strong>.<br />

• Die Nationen, die <strong>de</strong>r Herr benutzte, um sein Volk zu züchtigen, verschlimmerten das<br />

Unglück (Sach 1,15), da sie sich <strong><strong>de</strong>s</strong> Hasses gegen das Volk schuldig machten.<br />

• Die wesenseigene und unverbesserliche Verdorbenheit <strong><strong>de</strong>s</strong> menschlichen Herzens<br />

wird bloßgestellt. Sie kann <strong>de</strong>n Herrn nicht daran hin<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>n zu retten und zu<br />

segnen, <strong>de</strong>r sich zu Gott wen<strong>de</strong>t.<br />

• Der Geist Gottes bereitet <strong>de</strong>n Weg und sogar die Worte <strong>de</strong>r Buße für diejenigen vor,<br />

die auf die Appelle, zu Gott umzukehren, hören wür<strong>de</strong>n.<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 8


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 1<br />

Kapitel 1<br />

Charakter und Berufung <strong>Jeremia</strong>s<br />

Der Charakter <strong>Jeremia</strong>s<br />

„Worte <strong>Jeremia</strong>s, <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes Hilkijas, von <strong>de</strong>n Priestern, die in Anatot waren, im Land<br />

Benjamin, an <strong>de</strong>n das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging in <strong>de</strong>n Tagen Josias, <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes Amons,<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Königs von Juda, im dreizehnten Jahr seiner Regierung. Und es erging auch in <strong>de</strong>n<br />

Tagen Jojakims, <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes Josias, <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs von Juda, bis zum En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> elften Jahres<br />

Ze<strong>de</strong>kias, <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes Josias, <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs von Juda, bis zur Wegführung Jerusalems im<br />

fünften Monat“ (1,1–3).<br />

<strong>Jeremia</strong> gehörte zu einer Priesterfamilie, die in Anatot wohnte (1,1; 11,21; 32,7), einer Stadt<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Stammes Benjamin (Jos 21,18). Sie befand sich in <strong>de</strong>r Nähe von Jerusalem, wo <strong>de</strong>r<br />

Prophet <strong>de</strong>n größten Teil seines Dienstes verrichtet hat.<br />

<strong>Jeremia</strong> prophezeite mehr als 40 Jahre während <strong>de</strong>r Regierungszeit Josias und <strong>de</strong>r seiner<br />

Söhne. Er war also sehr jung, als das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn zum ersten Mal an ihn erging. Er<br />

sagte damals selbst: „Ich bin jung (Anm.: ein Knabe)“ (V.6).<br />

Die Berufung <strong>Jeremia</strong>s<br />

„Und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging an mich, in<strong>de</strong>m er sprach: Bevor ich dich im Mutterleib<br />

bil<strong>de</strong>te, habe ich dich erkannt, und bevor du aus <strong>de</strong>m Mutterschoß hervorkamst, habe<br />

ich dich geheiligt: Zum <strong>Propheten</strong> an die Nationen habe ich dich bestellt. Und ich sprach:<br />

Ach, Herr, Herr, siehe, ich weiß nicht zu re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn ich bin jung. Da sprach <strong>de</strong>r Herr<br />

zu mir: Sage nicht: Ich bin jung; <strong>de</strong>nn zu allen, wohin ich dich sen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>, sollst du<br />

gehen, und alles, was ich dir gebieten wer<strong>de</strong>, sollst du re<strong>de</strong>n. Fürchte dich nicht vor ihnen;<br />

<strong>de</strong>nn ich bin mit dir, um dich zu erretten, spricht <strong>de</strong>r Herr“ (1,4–8).<br />

Der Herr erklärte <strong>Jeremia</strong>, dass er ihn schon vor seiner Geburt erkannt, geheiligt und<br />

eingesetzt hatte. Ein Diener begibt sich nicht selbst ans Werk, genauso wenig wie er durch<br />

Menschen befähigt o<strong>de</strong>r gesandt wird; er ist es durch <strong>de</strong>n Willen, durch die Berufung Gottes<br />

(Joh 15,16; Gal 1,1). „Wie aber wer<strong>de</strong>n sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind?“ (Rö 10,15).<br />

„Ich habe dich erkannt“: Diese Worte aus Vers 5 erforschen das Herz. Der 139. Psalm zeigt<br />

uns die Tiefe dieser Erkenntnis, die uns einerseits durchdringt, an<strong>de</strong>rerseits aber auch<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 9


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 1<br />

Vertrauen gibt. Gott hat seinen Diener auserwählt und er besitzt die Macht um ihn zu<br />

stützen.<br />

„Ich habe dich geheiligt (d. h. abgeson<strong>de</strong>rt)“: <strong>Jeremia</strong> war Israelit vom Stamm Levi, aus <strong>de</strong>r<br />

Familie Aarons. Aber es war die Berufung Gottes – und nicht seine natürlichen Vorzüge<br />

– die ihn für einen speziellen Dienst befähigten. An<strong>de</strong>re, die dieselben Vorzüge besaßen,<br />

hassten und verfolgten ihn (20,1.2).<br />

„Ich habe dich bestellt zum <strong>Propheten</strong> an die Nationen“: Der Prophet spricht immer im<br />

Auftrag Gottes, kündigt jedoch nicht notwendigerweise die Zukunft an. Gott hat <strong>Propheten</strong><br />

gesandt, als Könige und <strong>Propheten</strong> ihre Rolle verletzten. Wir wer<strong>de</strong>n sehen, dass <strong>Jeremia</strong><br />

seine Warnungen und Aufrufe zur Umkehr zu Gott beson<strong>de</strong>rs an das Volk gerichtet hat.<br />

Er prophezeite auch in Bezug auf die Nationen, die in Beziehung zu Israel stan<strong>de</strong>n (25,15).<br />

<strong>Das</strong> Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn „Prophet an die Nationen“ (V.5) scheint anzukündigen, dass <strong>de</strong>r Herr<br />

gera<strong>de</strong> im Begriff war, sein Volk zu verwerfen und es nicht mehr von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Nationen<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Die Antwort <strong>Jeremia</strong>s in Vers 6 zeigt, dass er seine Schwachheit fühlte: „Ich weiß nicht zu<br />

re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn ich bin jung.“ Die Berufung Gottes ruft we<strong>de</strong>r Kraft hervor noch das Gefühl,<br />

fähig zu sein, ihr zu entsprechen. Wir sehen dasselbe auch bei Mose (2. Mo 4,10).<br />

Ein Diener Gottes hat einmal geschrieben: „Wenn es sich um eine wirkliche Berufung<br />

han<strong>de</strong>lt, dann empfin<strong>de</strong>t man das, was das Herz zurückhalten will.“ <strong>Das</strong> Gefühl unserer<br />

eigenen Unfähigkeit ist nützlich, aber es darf uns nicht dahin bringen, einen Mangel an<br />

Glauben zu haben. Gott nimmt es in die Hand, <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>n er sen<strong>de</strong>n will, auch zu<br />

ermutigen und zu stärken. Bei all diesem lehrt er ihn, dass er nur durch die Hilfe, die von<br />

ihm kommt, aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n kann (Apg 26,22).<br />

<strong>Das</strong>, was <strong>Jeremia</strong> charakterisieren sollte, war Gehorsam: „Zu allen, wohin ich dich sen<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>, sollst du gehen, und alles, was ich dir gebieten wer<strong>de</strong>, sollst du re<strong>de</strong>n“ (V.7) und<br />

Vertrauen: „Fürchte dich nicht vor ihnen; <strong>de</strong>nn ich bin mit dir, um dich zu erretten“ (V.8).<br />

<strong>Das</strong> Geheimnis eines je<strong>de</strong>n nützlichen Dienstes ist dieses: Gehorsam und Vertrauen in Gott.<br />

Die Qualifizierung <strong>Jeremia</strong>s<br />

„Und <strong>de</strong>r Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an, und <strong>de</strong>r Herr<br />

sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in <strong>de</strong>inen Mund“ (1,9).<br />

Gott sen<strong>de</strong>t einen Diener nicht aus, ohne ihm das zu geben, was notwendig ist, um seinen<br />

Dienst zu verrichten. Die Fähigkeit, um seinen Dienst zu erfüllen, kommt ebenso von ihm<br />

wie die Berufung dazu. „Der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an,<br />

und <strong>de</strong>r Herr sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in <strong>de</strong>inen Mund“ (V.9). Er befähigt<br />

ihn <strong>de</strong>m Dienst entsprechend, <strong>de</strong>n er ihm anvertraut hat.<br />

Hier han<strong>de</strong>lte es sich zwar um einen außergewöhnlichen Dienst, jedoch ist je<strong>de</strong>r Gläubige<br />

berufen, zu dienen. Er kann einen Dienst, so einfach er auch sein mag, nicht mit seinen<br />

eigenen Kräften erfüllen. Er muss gehorchen, Gottvertrauen besitzen und die Befähigung,<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 1<br />

die Gott ihm gegeben hat, auch gebrauchen. „Wenn jemand dient, so sei es als aus <strong>de</strong>r Kraft,<br />

die Gott darreicht“ (1. Pet 4,11).<br />

Der Dienst <strong>Jeremia</strong>s<br />

„Siehe, ich bestelle dich an diesem Tag über die Nationen und über die Königreiche, um<br />

auszurotten und nie<strong>de</strong>rzureißen und zu zerstören und abzubrechen, um zu bauen und<br />

um zu pflanzen“ (1,10).<br />

Die Botschaft <strong>Jeremia</strong>s bestand hauptsächlich darin, Gericht anzukündigen. Diese Botschaft<br />

rief <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand seiner Angehörigen und <strong>de</strong>r Obersten <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes gegen ihn hervor. Er<br />

musste das, was Gott ihm befohlen hatte, treu verkündigen, ohne Isolation und Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zu fürchten. Er lernte Gefangenschaft und sogar Folter kennen.<br />

Gott hatte ihn eingesetzt, „um auszurotten und nie<strong>de</strong>rzureißen und zu zerstören und<br />

abzubrechen“, aber auch „um zu bauen und um zu pflanzen“ (V.10), <strong>de</strong>nn in Gottes Vorsätzen<br />

wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> immer diejenigen gesegnet, die auf seine Stimme hören.<br />

Auftrag und prophetische Hauptthemen<br />

Der Herr sandte <strong>Jeremia</strong> aus und ließ ihn in <strong>de</strong>rselben Zeit Gesichte sehen, die tief in<br />

seinem Geist eingeprägt bleiben wür<strong>de</strong>n. Von je<strong>de</strong>m Gesicht gab er ihm auch sofort die<br />

Erklärung. Sie beginnen mit diesen Worten: „Und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging an mich.“<br />

Er erfuhr somit im Voraus die wesentlichen Grundzüge <strong><strong>de</strong>s</strong> prophetischen Wortes, das<br />

er verkündigen sollte (V.11–16) sowie die persönlichen Konsequenzen seines Zeugnisses<br />

(V.17–19).<br />

Der Man<strong>de</strong>lstab<br />

„Und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging an mich, in<strong>de</strong>m er sprach: Was siehst du, <strong>Jeremia</strong>?<br />

Und ich sprach: Ich sehe einen Man<strong>de</strong>lstab. Und <strong>de</strong>r Herr sprach zu mir: Du hast recht<br />

gesehen; <strong>de</strong>nn ich wer<strong>de</strong> über mein Wort wachen, es auszuführen“ (1,11.12).<br />

„Was siehst du, <strong>Jeremia</strong>? Und ich sprach: Ich sehe einen Man<strong>de</strong>lstab“ (V.11). <strong>Das</strong> Wort<br />

„Man<strong>de</strong>lbaum“ heißt im Hebräischen: Baum, „<strong>de</strong>r wacht“, o<strong>de</strong>r „<strong>de</strong>r wachsam ist“. In <strong>de</strong>r<br />

Tat ist <strong>de</strong>r Man<strong>de</strong>lbaum für die Frühreife seiner Blüte bekannt. Er beginnt zu blühen, sobald<br />

die Härte <strong><strong>de</strong>s</strong> Winters <strong>de</strong>m Frühling Platz gemacht hat. Diese Lektion ist klar und ein<strong>de</strong>utig:<br />

„Der Herr sprach zu mir: Du hast recht gesehen; <strong>de</strong>nn ich wer<strong>de</strong> über mein Wort wachen,<br />

es auszuführen“ (V.12). Die ganze Zeit seines Dienstes über sollte <strong>Jeremia</strong> das Volk an<br />

die Warnungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erinnern und die Gerichte ankündigen, die sie als Folge ihrer<br />

Verirrungen treffen wür<strong>de</strong>n. Aber hatte <strong>de</strong>r Herr sein Volk nicht schon seit langem durch<br />

die vorangegangenen <strong>Propheten</strong> gewarnt? Die anhalten<strong>de</strong> Geduld Gottes hätte viele auf<br />

<strong>de</strong>n Gedanken bringen können, dass seine Drohungen nicht in Erfüllung gehen wür<strong>de</strong>n,<br />

dass nichts Widriges geschehen wür<strong>de</strong>. Wenn die zehn Stämme Israels durch <strong>de</strong>n König<br />

von Assyrien in Gefangenschaft weggeführt wor<strong>de</strong>n waren, sollte dann etwa diejenigen, die<br />

in Jerusalem wohnten und in ihrer Mitte <strong>de</strong>n Tempel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn hatten, etwas Ähnliches<br />

erreichen? <strong>Das</strong> ist unmöglich, dachten sie sich. Aber <strong>Jeremia</strong> durfte sich nicht von dieser<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 1<br />

Gewissheit abbringen lassen. <strong>Das</strong> Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn wür<strong>de</strong> sicher und ohne Verspätung in<br />

Erfüllung gehen. Der Herr wacht über sein Wort, um es auszuführen (Amos 8,2).<br />

<strong>Das</strong> ist eine Warnung, die aktuell bleibt. Der Apostel Petrus for<strong>de</strong>rt uns auf, auf das<br />

prophetische Wort zu achten (2. Pet 1,19). Er schreibt: „Der Herr zögert nicht. . . son<strong>de</strong>rn<br />

er ist langmütig gegen euch, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, son<strong>de</strong>rn<br />

dass alle zur Buße kommen. Es wird aber <strong>de</strong>r Tag <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn kommen wie ein Dieb“ (2. Pet<br />

3,9.10).<br />

Der sie<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Topf<br />

„Und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging an mich zum zweiten Mal, in<strong>de</strong>m er sprach: Was siehst<br />

du? Und ich sprach: Ich sehe einen sie<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Topf, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Vor<strong>de</strong>rteil nach Sü<strong>de</strong>n gerichtet<br />

ist. Und <strong>de</strong>r Herr sprach zu mir: Von Nor<strong>de</strong>n her wird das Unglück losbrechen über alle<br />

Bewohner <strong><strong>de</strong>s</strong> Lan<strong><strong>de</strong>s</strong>. Denn siehe, ich rufe alle Geschlechter <strong>de</strong>r Königreiche im Nor<strong>de</strong>n,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr, dass sie kommen und ein je<strong>de</strong>r seinen Thron an <strong>de</strong>n Eingang <strong>de</strong>r Tore<br />

Jerusalems stellen und gegen alle seine Mauern ringsum und gegen alle Städte Judas.<br />

Und ich wer<strong>de</strong> meine Gerichte über sie aussprechen wegen all ihrer Bosheit, dass sie<br />

mich verlassen und an<strong>de</strong>ren Göttern geräuchert und sich vor <strong>de</strong>n Werken ihrer Hän<strong>de</strong><br />

nie<strong>de</strong>rgebeugt haben“ (1,13–16).<br />

Durch das ganze <strong>Buch</strong> zieht sich die Auffor<strong>de</strong>rung hindurch: <strong>Jeremia</strong> sollte verkündigen,<br />

dass das Gericht von Nor<strong>de</strong>n kommen und durch die Chaldäer ausgeführt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>,<br />

die ohne Barmherzigkeit über das Land Juda und über Jerusalem herfallen wür<strong>de</strong>n. Dieser<br />

dominieren<strong>de</strong> Gegenstand <strong>de</strong>r Warnungen <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> prägt sich durch das Gesicht <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

sie<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Topfes – <strong>de</strong>r bereit, sich zu ergießen – tief in seinen Geist ein.<br />

Die Ankündigung dieses Gerichts sollte ständig mit <strong>de</strong>r Bloßstellung <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die es durch seinen Götzendienst <strong>de</strong>monstrierte.<br />

Die Moralische Situation <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong><br />

„Du aber gürte <strong>de</strong>ine Len<strong>de</strong>n und mach dich auf und re<strong>de</strong> zu ihnen alles, was ich dir<br />

gebieten wer<strong>de</strong>. Verzage nicht vor ihnen, damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache.<br />

Und ich, siehe, ich mache dich heute zu einer festen Stadt und zu einer eisernen Säule<br />

und zu einer ehernen Mauer gegen das ganze Land, sowohl gegen die Könige von Juda<br />

als auch gegen <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Fürsten, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Priester und gegen das Volk <strong><strong>de</strong>s</strong> Lan<strong><strong>de</strong>s</strong>. Und sie<br />

wer<strong>de</strong>n gegen dich kämpfen, aber dich nicht überwältigen; <strong>de</strong>nn ich bin mit dir, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr, um dich zu erretten (1,17–19).<br />

Die Botschaft, die <strong>Jeremia</strong> anvertraut wor<strong>de</strong>n war, war beson<strong>de</strong>rs schwierig weiterzugeben.<br />

Er musste harte Dinge verkündigen, die Wi<strong>de</strong>rstand und Hass gegen ihn aufbringen<br />

wür<strong>de</strong>n. Er empfing ein Gebot und eine Ermahnung verbun<strong>de</strong>n mit einer Warnung. Aber er<br />

empfing auch mehrere Verheißungen, die ihn durch die Zeit <strong>de</strong>r schrecklichen Verfolgungen<br />

hindurch stützen wür<strong>de</strong>n, die er vonseiten aller an<strong>de</strong>ren zu erlei<strong>de</strong>n haben wür<strong>de</strong>.<br />

Achten wir darauf, mit welcher Eindringlichkeit <strong>de</strong>r Herr sagen musste, dass er Gerichte<br />

über sein Volk kommen lassen wür<strong>de</strong>. Ernste und schmerzliche Situation: Gott, <strong>de</strong>r sein<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 1<br />

Volk liebte, musste gegen dieses han<strong>de</strong>ln und es schlagen „mit <strong>de</strong>m Schlag eines Fein<strong><strong>de</strong>s</strong>“<br />

(30,14). Jesaja musste ebenfalls erklären: „Da wan<strong>de</strong>lte er sich ihnen zum Feind; er selbst<br />

kämpfte gegen sie“ (Jes 63,10), selbst wenn es nur für eine Zeit war.<br />

Die Treue <strong><strong>de</strong>s</strong> Dieners in <strong>de</strong>r Weitergabe <strong>de</strong>r Botschaft Gottes war und wird zu aller Zeit ein<br />

Anlass für Lei<strong>de</strong>n und Verwerfung sein, insbeson<strong>de</strong>re in Zeiten <strong><strong>de</strong>s</strong> Verfalls. Aber die Macht<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes Gottes in einem Menschen, <strong>de</strong>n er stützt, ist stärker als alle Anstrengungen und<br />

alle Verschwörungen <strong>de</strong>r Mächtigen, ihm <strong>de</strong>n Mund zu schließen. „Ich bin mit dir, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr.“ Ergreifen<strong>de</strong>r Kontrast zu diesem Wort „gegen“ (V.15.16.18), das von nun an die<br />

Haltung Gottes gegenüber Israel bestimmen wür<strong>de</strong>. Diese kostbare Verheißung wird in<br />

<strong>de</strong>r Schrift mehrere Male <strong>de</strong>nen wie<strong>de</strong>rholt, die standhaft bleiben mussten angesichts <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Wi<strong>de</strong>rspruchs und <strong>de</strong>r Gefahr (Hag 1,13; Mt 28,20). Sie haben die Erfahrung <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

Gottes unter ihnen gemacht (Dan 3,25; 2. Tim 4,17).<br />

Zurzeit ist es vor allem eine gute Nachricht – das Evangelium <strong><strong>de</strong>s</strong> Heils – die <strong>de</strong>n Dienern<br />

anvertraut ist, die Gott aussen<strong>de</strong>t. Diesen Botschaftern begegnet <strong>de</strong>nnoch Wi<strong>de</strong>rstand, weil<br />

sie <strong>de</strong>n Menschen ihren sündigen Zustand erklären und sie zur Buße aufrufen. <strong>Das</strong> Beispiel<br />

<strong>Jeremia</strong>s sollte uns ermutigen, die Schmach nicht zu fürchten, die mit einem treuen Zeugnis<br />

verbun<strong>de</strong>n ist. Es erinnert uns auch daran, dass die Langmut Gottes ihr En<strong>de</strong> haben wird<br />

und dass das Gericht kommen wird. <strong>Das</strong> Wort Gottes bleibt unverän<strong>de</strong>rlich (Mt 24,35).<br />

Gott wacht über dasselbe, es zu erfüllen. Eine ernste Warnung für alle und eine mächtige<br />

Ermutigung für <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>r die Erfüllung <strong>de</strong>r Verheißungen Gottes erwartet.<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 2<br />

Kapitel 2<br />

Sie haben mich verlassen<br />

Die Erinnerung an die Vergangenheit<br />

„Und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn erging an mich, in<strong>de</strong>m er sprach: Geh und rufe vor <strong>de</strong>n<br />

Ohren Jerusalems und sprich: So spricht <strong>de</strong>r Herr: Ich ge<strong>de</strong>nke dir die Zuneigung <strong>de</strong>iner<br />

Jugend, die Liebe <strong>de</strong>ines Brautstan<strong><strong>de</strong>s</strong>, <strong>de</strong>in Wan<strong>de</strong>ln hinter mir her in <strong>de</strong>r Wüste, im<br />

unbesäten Land. Israel war heilig <strong>de</strong>m Herrn, <strong>de</strong>r Erstling seines Ertrags; alle, die es<br />

verzehren wollten, wur<strong>de</strong>n schuldig: Unglück kam über sie, spricht <strong>de</strong>r Herr. Hört das<br />

Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, Haus Jakob und alle Familien <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses Israel! So spricht <strong>de</strong>r Herr:<br />

Was haben eure Väter Unrechtes an mir gefun<strong>de</strong>n, dass sie sich von mir entfernt haben<br />

und <strong>de</strong>r Nichtigkeit nachgegangen und nichtig gewor<strong>de</strong>n sind? Und sie sprachen nicht:<br />

Wo ist <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r uns aus <strong>de</strong>m Land Ägypten heraufgeführt hat, <strong>de</strong>r uns leitete in <strong>de</strong>r<br />

Wüste, im Land <strong>de</strong>r Steppen und <strong>de</strong>r Gruben, im Land <strong>de</strong>r Dürre und <strong><strong>de</strong>s</strong> To<strong><strong>de</strong>s</strong>schattens,<br />

im Land, durch das niemand zieht und wo kein Mensch wohnt? Und ich brachte euch<br />

in ein Land <strong>de</strong>r Baumgärten, damit ihr seine Frucht und seinen Ertrag äßet; und ihr<br />

seid hingekommen und habt mein Land verunreinigt, und mein Erbteil habt ihr zum<br />

Gräuel gemacht. Die Priester sprachen nicht: ‚Wo ist <strong>de</strong>r Herr¿Und die, die das Gesetz<br />

handhabten, kannten mich nicht, und die Hirten fielen von mir ab; und die <strong>Propheten</strong><br />

weissagten durch <strong>de</strong>n Baal und sind <strong>de</strong>nen nachgegangen, die nichts nützen. Darum<br />

wer<strong>de</strong> ich weiter mit euch rechten, spricht <strong>de</strong>r Herr; und mit euren Kin<strong><strong>de</strong>s</strong>kin<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong><br />

ich rechten. Denn geht hinüber zu <strong>de</strong>n Inseln <strong>de</strong>r Kittäer und seht, und sen<strong>de</strong>t nach Kedar<br />

und hört aufmerksam zu; und seht, ob so etwas geschehen ist! Hat irgen<strong>de</strong>ine Nation die<br />

Götter vertauscht? Und doch sind sie nicht Götter; aber mein Volk hat seine Herrlichkeit<br />

vertauscht gegen das, was nichts nützt“ (2,1–11).<br />

„Ich ge<strong>de</strong>nke dir die Zuneigung <strong>de</strong>iner Jugend, die Liebe <strong>de</strong>ines Brautstan<strong><strong>de</strong>s</strong>, <strong>de</strong>in Wan<strong>de</strong>ln<br />

hinter mir her“ (V.2). Welch eine rühren<strong>de</strong> Erinnerung an die Zeit, in <strong>de</strong>r Gott alles für<br />

sein Volk war. Die Art und Weise, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Herr seine Botschaft beginnt, weist auf<br />

seine Zuneigung zu Israel hin. Die Liebe <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn wür<strong>de</strong> nie nachlassen, selbst wenn er<br />

verpflichtet sein wür<strong>de</strong>, sie hart zu schlagen: „Ja mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt,<br />

darum habe ich dir fortdauern lassen meine Güte“ (31,3). Der Leser ist eingela<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />

Spur <strong>de</strong>r unwan<strong>de</strong>lbaren Zuneigungen Gottes durch das <strong>Buch</strong> hindurch zu folgen, um zu<br />

verstehen, dass „wen <strong>de</strong>r Herr liebt, <strong>de</strong>n züchtigt er, und zwar wie ein Vater <strong>de</strong>n Sohn, an<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 2<br />

<strong>de</strong>m er Wohlgefallen hat“ (Spr 3,12). Wenn er auch sein Volk strafen musste, so wür<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>nnoch alle diejenigen gerichtet wer<strong>de</strong>n, die seine Hand als Rute verwen<strong>de</strong>n hatte, und<br />

zwar entsprechend <strong>de</strong>r Art und Weise, in <strong>de</strong>r sie ihren Auftrag erfüllt hatten (30,16) wegen<br />

ihres Hasses gegen Israel.<br />

In diesem Kapitel muss <strong>de</strong>r Herr mehrfach erklären, dass Israel ihn verlassen hatte<br />

(V.5.13.17.19.27.32) trotz all <strong>de</strong>r Pflege, die er ihnen zukommen ließ. Die traurige Verfassung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen rührt daher, dass er <strong>de</strong>n Segen, in <strong>de</strong>n Gott ihn gesetzt hatte, verlassen hat.<br />

Der Herr richtet gemäß <strong>de</strong>r anfänglichen Stellung, gemäß <strong>de</strong>m, was er zu Beginn gegeben<br />

hat. <strong>Das</strong> ist <strong>de</strong>r Grund, warum er hier daran erinnert:<br />

• „Israel war heilig“ (V.3),<br />

• „Ich brachte euch in ein Land <strong>de</strong>r Baumgärten“ (V.7),<br />

• „Ich hatte dich als E<strong>de</strong>lrebe gepflanzt, lauter echtes Gewächs“ (V.21),<br />

• „Vergisst auch eine Jungfrau ihren Schmuck?“ (V.32).<br />

Vergeblich wür<strong>de</strong> man irgen<strong>de</strong>inen Beweggrund für dieses Verlassen suchen: Hatte Gott<br />

es ihnen an irgen<strong>de</strong>twas mangeln lassen (V.5; Jes 5,4)? Alles das, was er ihnen zum Guten<br />

gegeben hatte, war verunreinigt wor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r hatte sich gegen ihn gewandt: das „Land <strong>de</strong>r<br />

Baumgärten“, die Priester, die Gesetzgelehrten, die Hirten, die <strong>Propheten</strong>. Der Herr war<br />

ihre Herrlichkeit gewesen; nun hatten sie sich von ihm abgewandt, um sich <strong>de</strong>n Götzen<br />

zuzuwen<strong>de</strong>n, die von keinem Nutzen sind (Jes 44,9.10; Hab 2,18). Ganz im Gegenteil, sie<br />

führen zum Ruin (2. Chr 28,23).<br />

<strong>Das</strong> zwiefach Böse<br />

„Entsetzt euch darüber, ihr Himmel, und schau<strong>de</strong>rt, erstarrt sehr!, spricht <strong>de</strong>r Herr. Denn<br />

zweifach Böses hat mein Volk begangen: Mich, die Quelle lebendigen Wassers, haben sie<br />

verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, geborstene Zisternen, die kein Wasser halten.<br />

Ist Israel ein Knecht, o<strong>de</strong>r ist er ein Hausgeborener? Warum ist er zur Beute gewor<strong>de</strong>n?<br />

Junge Löwen haben gegen ihn gebrüllt, ließen ihre Stimme hören und haben sein Land<br />

zur Wüste gemacht; seine Städte sind verbrannt wor<strong>de</strong>n, so dass niemand darin wohnt.<br />

Auch die Söhne von Noph und Tachpanches wei<strong>de</strong>ten dir <strong>de</strong>n Scheitel ab. Hast du dir das<br />

nicht selbst bewirkt, weil du <strong>de</strong>n Herrn, <strong>de</strong>inen Gott, verlassen hast zu <strong>de</strong>r Zeit, als er<br />

dich auf <strong>de</strong>m Weg führte? Und nun, was hast du mit <strong>de</strong>m Weg nach Ägypten zu schaffen,<br />

um die Wasser <strong><strong>de</strong>s</strong> Sichor zu trinken? Und was hast du mit <strong>de</strong>m Weg nach Assyrien zu<br />

schaffen, um die Wasser <strong><strong>de</strong>s</strong> Stromes zu trinken?“ (2,12–18).<br />

Die Himmel wer<strong>de</strong>n einberufen als Zeugen dieser Torheit, die durch ein zwiefaches Böses<br />

charakterisiert war:<br />

• Sie haben <strong>de</strong>n Herrn verlassen, die Quelle lebendigen Wassers, aus <strong>de</strong>r die ganze<br />

Fülle <strong><strong>de</strong>s</strong> Guten fließt, mit <strong>de</strong>m sie von Anfang an überschüttet wor<strong>de</strong>n waren.<br />

• Sie haben sich geborstene Zisternen ausgehauen, die kein Wasser halten. Diese sind ein<br />

Bild <strong>de</strong>r Erträge <strong>de</strong>r menschlichen Anstrengungen zur Befriedigung <strong>de</strong>r Bedürfnisse.<br />

Aber was kann die Arbeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, <strong>de</strong>r sich von Gott entfernt, Gutes bringen?<br />

Selbst wenn er <strong>de</strong>nkt, etwas Erfrischung auffangen zu können, so han<strong>de</strong>lt es sich<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 2<br />

doch nur um ein verunreinigtes Getränk, das bald versiegt und nichts als Dürre und<br />

Bitterkeit hinterlässt.<br />

Welch ein Bild <strong>de</strong>r Misere, in die nicht nur das Volk Israel zur Zeit <strong>Jeremia</strong>s, son<strong>de</strong>rn auch<br />

die ganze Menschheit, wie wir sie heute sehen, hineingestürzt ist, und zwar dadurch, dass<br />

ihr Schöpfer in Vergessenheit geriet!<br />

Der moralische Zustand <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes<br />

„Deine Bosheit züchtigt dich, und <strong>de</strong>ine Abtrünnigkeiten strafen dich; so erkenne und<br />

sieh, dass es schlimm und bitter ist, dass du <strong>de</strong>n Herrn, <strong>de</strong>inen Gott, verlässt und dass<br />

meine Furcht nicht bei dir ist, spricht <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen. Denn von<br />

alters her hast du <strong>de</strong>in Joch zerbrochen, <strong>de</strong>ine Fesseln zerrissen, und du hast gesagt: ‚Ich<br />

will nicht dienen¡Son<strong>de</strong>rn auf je<strong>de</strong>m hohen Hügel und unter je<strong>de</strong>m grünen Baum gabst<br />

du dich preis als Hure. Und ich hatte dich als E<strong>de</strong>lrebe gepflanzt, lauter echtes Gewächs;<br />

und wie hast du dich mir verwan<strong>de</strong>lt in entartete Ranken eines frem<strong>de</strong>n Weinstocks! Ja,<br />

wenn du dich mit Natron wüschest und viel Laugensalz nähmst: Schmutzig bleibt <strong>de</strong>ine<br />

Ungerechtigkeit vor mir, spricht <strong>de</strong>r Herr, Herr. Wie sprichst du: Ich habe mich nicht<br />

verunreinigt, ich bin <strong>de</strong>n Baalim nicht nachgegangen? Sieh <strong>de</strong>inen Weg im Tal, erkenne,<br />

was du getan hast, du flinke Kamelin, die kreuz und quer umherläuft! Eine Wil<strong><strong>de</strong>s</strong>elin,<br />

die Wüste gewohnt, in ihrer Begier<strong>de</strong> schnappt sie nach Luft; ihre Brunst, wer wird sie<br />

hemmen? Alle, die sie suchen, brauchen sich nicht abzumühen: In ihrem Monat wer<strong>de</strong>n<br />

sie sie fin<strong>de</strong>n. Bewahre <strong>de</strong>inen Fuß vor <strong>de</strong>m Barfußgehen und <strong>de</strong>ine Kehle vor <strong>de</strong>m Durst!<br />

Aber du sprichst: Es ist umsonst, nein! Denn ich liebe die Frem<strong>de</strong>n, und ihnen gehe ich<br />

nach. Wie ein Dieb beschämt ist, wenn er ertappt wird, so ist beschämt wor<strong>de</strong>n das<br />

Haus Israel, sie, ihre Könige, ihre Fürsten und ihre Priester und ihre <strong>Propheten</strong>, die zum<br />

Holz sprechen: ‚Du bist mein Vater!’, und zum Stein: ‚Du hast mich geboren¡Denn sie<br />

haben mir <strong>de</strong>n Rücken zugekehrt und nicht das Angesicht. Aber zur Zeit ihres Unglücks<br />

sprechen sie: ‚Steh auf und rette uns¡Wo sind nun <strong>de</strong>ine Götter, die du dir gemacht<br />

hast? Mögen sie aufstehen, ob sie dich retten können zur Zeit <strong>de</strong>ines Unglücks! Denn<br />

so zahlreich wie <strong>de</strong>ine Städte sind <strong>de</strong>ine Götter gewor<strong>de</strong>n, Juda. Warum rechtet ihr mit<br />

mir? Allesamt seid ihr von mir abgefallen, spricht <strong>de</strong>r Herr. Vergeblich habe ich eure<br />

Kin<strong>de</strong>r geschlagen, sie haben keine Zucht angenommen; euer Schwert hat eure <strong>Propheten</strong><br />

gefressen wie ein reißen<strong>de</strong>r Löwe. O Geschlecht, das ihr seid, seht das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn!<br />

Bin ich für Israel eine Wüste gewesen o<strong>de</strong>r ein Land tiefer Finsternis? Warum spricht<br />

mein Volk: Wir schweifen umher, wir kommen nicht mehr zu dir? Vergisst auch eine<br />

Jungfrau ihren Schmuck, eine Braut ihren Gürtel? Aber mein Volk hat mich vergessen,<br />

Tage ohne Zahl. Wie schön richtest du <strong>de</strong>inen Weg ein, um Liebe zu suchen! Darum hast<br />

du <strong>de</strong>ine Wege auch an böse Taten gewöhnt. Ja, an <strong>de</strong>n Säumen <strong>de</strong>iner Klei<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t<br />

sich das Blut unschuldiger Armer; und nicht beim Einbruch hast du sie ertappt, son<strong>de</strong>rn<br />

wegen aller jener Dingehast du es getan. Und du sagst: Ich bin unschuldig, ja, sein Zorn<br />

hat sich von mir abgewandt. Siehe, ich wer<strong>de</strong> Gericht an dir üben, weil du sagst: Ich<br />

habe nicht gesündigt. Was läufst du so sehr, um <strong>de</strong>inen Weg zu än<strong>de</strong>rn? Auch wegen<br />

Ägypten wirst du beschämt wer<strong>de</strong>n, wie du wegen Assyrien beschämt wor<strong>de</strong>n bist; auch<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 16


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 2<br />

von diesen wirst du weggehen mit <strong>de</strong>inen Hän<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>inem Haupt. Denn <strong>de</strong>r Herr<br />

verwirft die, auf die du vertraust, und es wird dir mit ihnen nicht gelingen“ (2,19–37).<br />

Gibt es also keinen Grund für einen solchen Nie<strong>de</strong>rgang? „Deine Bosheit züchtigt dich. . .<br />

dass es schlimm ist. . . dass meine Furcht nicht bei dir ist. . . du hast gesagt: ‚Ich will nicht<br />

dienen’.“ (V. 19.20). Die Wurzel <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen wird hier enthüllt: Es ist die Ungerechtigkeit,<br />

die Aktivität eines unabhängigen Willens, <strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r Gesetz noch Herrn anerkennt, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Gehorsam gegenüber Gott verweigert. „Wenn ich Herr bin, wo ist meine Furcht (die<br />

Furcht, die mir gebührt)?“ (Mal 1,6). Es ist ein unauslöschliches Mal: „Schmutzig bleibt <strong>de</strong>ine<br />

Ungerechtigkeit vor mir.“ Der Prophet wür<strong>de</strong> mehrmals auf diesen Punkt zurückkommen<br />

müssen (13,23; 16,12; 17,9). Aber das schuldige Volk leugnete diese offensichtliche Tatsache<br />

und betrog sich selbst. Auch wird dieser Befehl an sie gerichtet: „Sieh <strong>de</strong>inen Weg im Tal,<br />

erkenne, was du getan hast (V.23).“ Denken wir nicht, dass unsere Handlungen verblassen,<br />

ohne Spuren zu hinterlassen. Nichts wird von Gott vergessen, aber er for<strong>de</strong>rt uns heute<br />

dazu auf, unsere Wege zu erkennen und zu richten, um uns seine Vergebung zuteil wer<strong>de</strong>n<br />

zu lassen und uns vom Bösen abzubringen.<br />

Ein an<strong>de</strong>res Merkmal unterstreicht noch <strong>de</strong>n Ernst <strong><strong>de</strong>s</strong> moralischen Zustan<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes:<br />

Nach<strong>de</strong>m es die Warnung empfangen hatte, sagte es: „Es ist umsonst“ (V.25). „Sie haben<br />

keine Zucht angenommen“ (V.25.30; 5,3; 6,29.30; 7,28). Diese anhalten<strong>de</strong> Ablehnung zeigt<br />

einen unheilbaren Zustand, <strong>de</strong>r zum Ruin führt. „Ein Mann, <strong>de</strong>r oft zurechtgewiesen<br />

<strong>de</strong>n Nacken verhärtet, wird plötzlich zerschmettert wer<strong>de</strong>n ohne Heilung“ (Spr 29,1). In<br />

Apostelgeschichte 7,51 war es ebenfalls dieser Zustand, <strong>de</strong>n Stephanus <strong>de</strong>m schuldigen Volk<br />

anzeigen musste.<br />

Schließlich vollen<strong>de</strong>t ein letzter Charakterzug dieses traurige Bild. Noch nicht zufrie<strong>de</strong>n<br />

damit, die Zucht abzulehnen, erhebt sich das Volk bis zu diesen Worten: „Wir schweifen<br />

umher“ (V.31; 5. Mo 8,17) und „Ich habe nicht gesündigt“ (V.35). Aber keine dieser<br />

hochmütigen Anmaßungen konnte es verhin<strong>de</strong>rn, dass das Volk vor Gott Rechenschaft<br />

abzulegen haben wür<strong>de</strong>: „Ich wer<strong>de</strong> Gericht an dir üben, weil du sagst: Ich habe nicht<br />

gesündigt“ (V.36). Es wür<strong>de</strong> keinen Ausweg geben. Je<strong>de</strong> Anstrengung, von <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite Hilfe zu holen, wür<strong>de</strong> vergeblich sein angesichts <strong><strong>de</strong>s</strong> Gerichtes Gottes.<br />

Diese Warnungen sind durch <strong>Jeremia</strong> vor <strong>de</strong>m Volk von Juda und Jerusalem verkün<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n, aber wir hören in ihnen die Stimme Gottes, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r gegenwärtigen Zeit wie<br />

damals die wesentlichen Merkmale <strong><strong>de</strong>s</strong> Zustan<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>de</strong>r Menschen vor ihm auf<strong>de</strong>ckt sowie<br />

die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Erinnern wir uns daran, dass diese Stimme<br />

sich zuerst an diejenigen richtet, die in Verbindung mit ihm stehen, diejenigen, die seinen<br />

Namen anrufen.<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 17


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 3<br />

Kapitel 3<br />

“Kehrt um, ihr abtrünningen Kin<strong>de</strong>r“<br />

Der Herr hebt die Untreue Israels und die Treulosigkeit Judas <strong>de</strong>utlich hervor. Er<br />

wie<strong>de</strong>rholt mehrfach <strong>de</strong>n Aufruf an sie, zu ihm umzukehren. Er kündigt die zukünftige<br />

Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Völker in ihrer Gesamtheit (Juda und Israel) an und bringt<br />

durch <strong>de</strong>n Mund <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> die Buße <strong>de</strong>rjenigen zum Ausdruck, die einmal zu ihm<br />

umkehren wür<strong>de</strong>n.<br />

Die Appelle <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn<br />

„Er spricht: Wenn ein Mann seine Frau entlässt und sie von ihm weggeht und die Frau<br />

eines an<strong>de</strong>ren Mannes wird, darf er wie<strong>de</strong>r zu ihr zurückkehren? Wür<strong>de</strong> jenes Land nicht<br />

entweiht wer<strong>de</strong>n? Du aber hast mit vielen Liebhabern gehurt, und doch solltest du zu<br />

mir zurückkehren!, spricht <strong>de</strong>r Herr. Erhebe <strong>de</strong>ine Augen zu <strong>de</strong>n kahlen Höhen und sieh!<br />

Wo bist du nicht geschän<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n? An <strong>de</strong>n Wegen saßest du für sie wie ein Araber in<br />

<strong>de</strong>r Wüste; und du hast das Land entweiht durch <strong>de</strong>ine Hurerei und durch <strong>de</strong>ine Bosheit.<br />

Und die Regenschauer wur<strong>de</strong>n zurückgehalten, und es ist kein Spätregen gewesen; aber<br />

du hattest die Stirn eines Hurenweibes, weigertest dich, dich zu schämen. Nicht wahr,<br />

von jetzt an rufst du mir zu: ‚Mein Vater, <strong>de</strong>r Freund meiner Jugend bist du! Wird er in<br />

Ewigkeit nachtragen, wird er für immer Zorn bewahren¿Siehe, so re<strong><strong>de</strong>s</strong>t du und begehst<br />

böse Taten und setzt sie durch“ (3,1–5).<br />

„Doch solltest du zu mir zurückkehren, spricht <strong>de</strong>r Herr. . . kehre zurück. . . kehrt um. . .<br />

kehrt um“ (V.1.12.14.22). Was ist rühren<strong>de</strong>r als diese wie<strong>de</strong>rholten Appelle <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn an<br />

sein Volk? Was ist das Hin<strong>de</strong>rnis, das <strong>de</strong>n Rückweg versperrt? „Du weigertest dich, dich zu<br />

schämen“ (V.3). Israel und Juda wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> jeweils mit einer untreuen Frau verglichen.<br />

Sie waren in <strong>de</strong>n unmoralischsten Götzendienst gefallen. Juda war noch schuldiger als<br />

Israel, weil sie das Gericht gesehen hatte, das <strong>de</strong>r Herr ihrer Schwester Israel zugefügt<br />

hatte. Diese war durch <strong>de</strong>n König von Assyrien in Gefangenschaft geführt wor<strong>de</strong>n. We<strong>de</strong>r<br />

das Empfin<strong>de</strong>n seines Verfalls noch die bereits ausgeübten Gerichte noch das Beispiel<br />

Israels genügten, um seinen Hochmut zu brechen. Dennoch ermutigt <strong>de</strong>r Herr Juda, zu<br />

ihm umzukehren, in<strong>de</strong>m er ihr seine Gna<strong>de</strong> beweist: „Ich will nicht finster auf euch blicken.<br />

Denn ich bin gütig“ (V.12). Es ist die Güte Gottes, die <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r zur Buße leitet, weil<br />

Gott kein Gefallen am Tod <strong><strong>de</strong>s</strong> Gottlosen hat, „son<strong>de</strong>rn dass <strong>de</strong>r Gottlose von seinem Weg<br />

umkehre und lebe!“ (Hes 33,11; vgl. Rö 2,4).<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 18


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 3<br />

Schein o<strong>de</strong>r Realität<br />

„Und <strong>de</strong>r Herr sprach zu mir in <strong>de</strong>n Tagen <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs Josia: Hast du gesehen, was die<br />

abtrünnige Israel getan hat? Sie ging auf je<strong>de</strong>n hohen Berg und unter je<strong>de</strong>n grünen<br />

Baum und hurte dort. Und ich sprach: Nach<strong>de</strong>m sie dies alles getan hat, wird sie zu mir<br />

zurückkehren. Aber sie kehrte nicht zurück. Und ihre treulose Schwester Juda sah es;<br />

und ich sah, dass trotz all <strong>de</strong>m, dass ich die abtrünnige Israel, weil sie die Ehe gebrochen,<br />

entlassen und ihr einen Schei<strong>de</strong>brief gegeben hatte, doch die treulose Juda, ihre Schwester,<br />

sich nicht fürchtete, son<strong>de</strong>rn hinging und selbst auch hurte. Und es geschah, wegen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Lärms ihrer Hurerei entweihte sie das Land; und sie trieb Ehebruch mit Stein und mit<br />

Holz. Und selbst bei all <strong>de</strong>m ist ihre treulose Schwester Juda nicht zu mir zurückgekehrt<br />

mit ihrem ganzen Herzen, son<strong>de</strong>rn nur mit Falschheit, spricht <strong>de</strong>r Herr“ (3,6–10).<br />

Selbst als unter <strong>de</strong>r Leitung <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs Josia eine Rückkehr erfolgte, musste <strong>de</strong>r Herr sagen:<br />

„Ihre treulose Schwester Juda ist nicht zu mir zurückgekehrt mit ihrem ganzen Herzen,<br />

son<strong>de</strong>rn nur mit Falschheit“ (V.10). Dieses Erwachen mochte einen schönen Anschein<br />

gehabt haben, aber „<strong>de</strong>r Herr sieht nicht auf das, worauf <strong>de</strong>r Mensch sieht; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />

Mensch sieht auf das Äußere, aber <strong>de</strong>r Herr sieht auf das Herz“ (1. Sam 16,7). Hochmut<br />

und Treulosigkeit waren die bei<strong>de</strong>n Merkmale, die <strong>de</strong>n „Starrsinn ihres bösen Herzens“<br />

charakterisierten – die auch heute noch das Herz eines je<strong>de</strong>n Menschen charakterisieren –<br />

und die <strong>Jeremia</strong> wie<strong>de</strong>rholt anprangern musste (6,15; 7,12; 17,9).<br />

Die Buße<br />

„Und <strong>de</strong>r Herr sprach zu mir: Die abtrünnige Israel hat sich gerechter erwiesen als die<br />

treulose Juda. Geh und rufe diese Worte aus nach Nor<strong>de</strong>n und sprich: Kehre zurück, du<br />

abtrünnige Israel, spricht <strong>de</strong>r Herr; ich will nicht finster auf euch blicken. Denn ich<br />

bin gütig, spricht <strong>de</strong>r Herr, ich wer<strong>de</strong> nicht in Ewigkeit nachtragen. Nur erkenne <strong>de</strong>ine<br />

Schuld, dass du von <strong>de</strong>m Herrn, <strong>de</strong>inem Gott, abgefallen und zu <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>n hin und<br />

her gelaufen bist unter je<strong>de</strong>n grünen Baum; aber auf meine Stimme habt ihr nicht gehört,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr. Kehrt um, ihr abtrünnigen Kin<strong>de</strong>r, spricht <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>nn ich habe<br />

mich mit euch vermählt; und ich wer<strong>de</strong> euch nehmen, einen aus einer Stadt und zwei<br />

aus einer Familie, und euch nach Zion bringen. Und ich wer<strong>de</strong> euch Hirten geben nach<br />

meinem Herzen, und sie wer<strong>de</strong>n euch wei<strong>de</strong>n mit Erkenntnis und Einsicht“ (3,11–15).<br />

Um zu Gott umkehren und aufgenommen wer<strong>de</strong>n zu können, gibt es eine Bedingung: „Nur<br />

erkenne <strong>de</strong>ine Schuld“ (V.13). <strong>Das</strong> ist Buße. Es geht nicht nur darum, das zu erkennen, was<br />

man getan hat, son<strong>de</strong>rn auch darum, anzuerkennen, dass Gott dieses richtet: „Erkenne und<br />

sieh, dass es schlimm und bitter ist“ (2,19). Man kehrt nicht mit erhobenem Haupte zu Gott<br />

um, als ob man, nach<strong>de</strong>m man ihn verkannt hat, einen Neuanfang machen und gleichzeitig<br />

die Vergangenheit vergessen könne. Es ist notwendig, dass ich umkehre, in<strong>de</strong>m ich in<br />

Demütigung erkenne, dass ich getan habe, was böse in seinen Augen ist. <strong>Das</strong> Bekenntnis<br />

muss <strong>de</strong>utlich sein, wir müssen unsere Sün<strong>de</strong>n ganz eingesehen haben. Es genügt nicht, zu<br />

sagen, dass wir einen Fehler begangen haben. Gott drückt hier klar aus:<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 3<br />

• Du bist von <strong>de</strong>m Herrn abgefallen,<br />

• Du bist zu <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>n hin und her gelaufen,<br />

• Ihr habt nicht auf meine Stimme gehört (V.13).<br />

Die Buße ist eine Übung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens, die zuerst individuell ist, bevor sie kollektiv wird.<br />

Die Aufrufe zur Rückkehr richten sich an alle, aber weniger zahlreich sind diejenigen, die<br />

darauf antworten. Gott kannte sie und seine Augen waren auf je<strong>de</strong>n von ihnen gerichtet,<br />

um sie zurückzubringen, „einen aus einer Stadt und zwei aus einer Familie“ (V.14).<br />

Christus war noch nicht gekommen, um das Werk am Kreuz zu vollbringen. Der Herr<br />

offenbarte we<strong>de</strong>r durch <strong>Jeremia</strong> noch durch einen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren <strong>Propheten</strong>, warum er<br />

vergeben konnte. Aber er kündigte seinen Willen, Gna<strong>de</strong> walten zu lassen, <strong>de</strong>utlich an, um<br />

je<strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r zu ermutigen, sich zu ihm zu wen<strong>de</strong>n.<br />

Die zukünftige Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

„Und es wird geschehen, wenn ihr euch im Land mehrt und fruchtbar seid in jenen Tagen,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr, so wird man nicht mehr sagen: „Die Bun<strong><strong>de</strong>s</strong>la<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn“; und sie<br />

wird nicht mehr in <strong>de</strong>n Sinn kommen, und man wird sich nicht mehr an sie erinnern<br />

und sie nicht suchen, und sie wird nicht wie<strong>de</strong>r gemacht wer<strong>de</strong>n. In jener Zeit wird<br />

man Jerusalem <strong>de</strong>n Thron <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn nennen, und alle Nationen wer<strong>de</strong>n sich zu ihr<br />

versammeln wegen <strong><strong>de</strong>s</strong> Namens <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn in Jerusalem; und sie wer<strong>de</strong>n nicht mehr<br />

<strong>de</strong>m Starrsinn ihres bösen Herzens nachwan<strong>de</strong>ln. In jenen Tagen wird das Haus Juda<br />

mit <strong>de</strong>m Haus Israel ziehen, und sie wer<strong>de</strong>n miteinan<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Land <strong><strong>de</strong>s</strong> Nor<strong>de</strong>ns in<br />

das Land kommen, das ich euren Vätern zum Erbteil gegeben habe. Und ich sprach: Wie<br />

will ich dich stellen unter <strong>de</strong>n Söhnen und dir ein kostbares Land geben, ein Erbteil, das<br />

die herrlichste Zier<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Nationen ist! Und ich sprach: Ihr wer<strong>de</strong>t mir zurufen: ‚Mein<br />

Vater!’, und ihr wer<strong>de</strong>t euch nicht von mir abwen<strong>de</strong>n. Ja, wie eine Frau ihren Freund<br />

treulos verlässt, so habt ihr treulos gegen mich gehan<strong>de</strong>lt, Haus Israel, spricht <strong>de</strong>r Herr“<br />

(3,16–20).<br />

Der Appell von Vers 12 ist an Israel gerichtet, das sich schon in Gefangenschaft befand, aber<br />

er richtet auch <strong>de</strong>n Blick zu <strong>de</strong>m Moment, wo <strong>de</strong>r Herr einige Überleben<strong>de</strong> zurückbringen<br />

wird.<br />

Die Bun<strong><strong>de</strong>s</strong>la<strong>de</strong>, die hier in Vers 16 zum letzten Mal im AT erwähnt wird, ist verschwun<strong>de</strong>n,<br />

ohne Zweifel bei <strong>de</strong>r Zerstörung <strong><strong>de</strong>s</strong> Tempels von Jerusalem durch Nebukadnezar, <strong>de</strong>n<br />

König von Babylon. Der Tag wird kommen, an <strong>de</strong>m ganz Israel – Juda und die zehn Stämme<br />

zusammen – sich aufs Neue in ihrem Land mehren und fruchtbar sein wer<strong>de</strong>n und an<br />

<strong>de</strong>m „man Jerusalem <strong>de</strong>n Thron <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn nennen“ wird (V.17). Aber die La<strong>de</strong> wird nicht<br />

mehr im Mittelpunkt <strong><strong>de</strong>s</strong> Königtums sein wie in <strong>de</strong>n Tagen Salomos, in <strong>de</strong>nen die Wolke<br />

<strong>de</strong>r Herrlichkeit das Haus Gottes erfüllte (2. Chr 5,14). Gott stellt nie das, was durch <strong>de</strong>n<br />

Ungehorsam <strong>de</strong>r Menschen verloren gegangen ist, in seinen Ausgangszustand wie<strong>de</strong>r her;<br />

er erfüllt seine Verheißungen, in<strong>de</strong>m er etwas Besseres grün<strong>de</strong>t, das vollständig auf Christus<br />

ruht. „Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!“ (Ps 2,6). Es<br />

ist Christus, <strong>de</strong>r ein „Königtum, das nie zerstört wer<strong>de</strong>n wird“ empfangen wird (Dan 7,14).<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 3<br />

Der Rückweg<br />

„Eine Stimme wird gehört auf <strong>de</strong>n kahlen Höhen, ein Weinen, ein Flehen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

Israel; weil sie ihren Weg verkehrt und <strong>de</strong>n Herrn, ihren Gott, vergessen haben. Kehrt<br />

um, ihr abtrünnigen Kin<strong>de</strong>r; ich will eure Abtrünnigkeiten heilen. ‚Hier sind wir, wir<br />

kommen zu dir; <strong>de</strong>nn du bist <strong>de</strong>r Herr, unser Gott. Ja, trügerisch ist von <strong>de</strong>n Hügeln,<br />

von <strong>de</strong>n Bergen her das Lärmen; ja, in <strong>de</strong>m Herrn, unserem Gott, ist die Rettung Israels!<br />

Denn die Schan<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>n Erwerb unserer Väter verzehrt von unserer Jugend an, ihr<br />

Kleinvieh und ihre Rin<strong>de</strong>r, ihre Söhne und ihre Töchter. In unserer Schan<strong>de</strong> müssen wir<br />

daliegen, und unsere Schmach be<strong>de</strong>ckt uns! Denn wir haben gegen <strong>de</strong>n Herrn, unseren<br />

Gott, gesündigt, wir und unsere Väter, von unserer Jugend an bis auf diesen Tag, und wir<br />

haben nicht auf die Stimme <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, unseres Gottes, gehört’“ (3,21–25).<br />

Der letzte Abschnitt <strong><strong>de</strong>s</strong> Kapitels lässt uns eine Haltung voraussehen, die ganz verschie<strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>r hochmütigen Empörung zu Anfang <strong><strong>de</strong>s</strong> Kapitels ist: Weinen, Flehen, Bekenntnis.<br />

Ist das nicht ein prophetischer Vorgriff – durch die Stimme <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> – auf die Übung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens in Israel an diesem zukünftigen Tag, wo es aus seiner Entfernung von Gott<br />

umkehren wird? Der Geist Gottes liefert <strong>de</strong>n Ausdruck <strong>de</strong>r Empfindungen, die <strong>de</strong>nen<br />

geziemen, die zum Herrn zurückkehren. Er will sie im Herzen <strong>de</strong>rer hervorrufen, die in<br />

allen Zeiten empfänglich sind für sein Wort <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 4<br />

Kapitel 4<br />

Wenn du umkehrst, kehre zu mir um<br />

Es genügt nicht eine oberflächliche und flüchtige Reue, um das bereits angekündigte Gericht<br />

aufzuhalten. Eine wahre Buße, eine wahre Umkehr <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens zu Gott ist nötig.<br />

Eine wahre Umkehr<br />

„Wenn du umkehrst, Israel, spricht <strong>de</strong>r Herr, zu mir umkehrst, und wenn du <strong>de</strong>ine<br />

Scheusale von meinem Angesicht wegtust und nicht mehr umherschweifst, son<strong>de</strong>rn<br />

schwörst: ‚So wahr <strong>de</strong>r Herr lebt!’, in Wahrheit, in Recht und in Gerechtigkeit, so wer<strong>de</strong>n<br />

die Nationen sich in ihm segnen und sich seiner rühmen. Denn so spricht <strong>de</strong>r Herr zu<br />

<strong>de</strong>n Männern von Juda und in Jerusalem: Pflügt euch einen Neubruch, und sät nicht<br />

unter die Dornen. Beschnei<strong>de</strong>t euch für <strong>de</strong>n Herrn und tut die Vorhäute eurer Herzen<br />

weg, ihr Männer von Juda und ihr Bewohner von Jerusalem, damit mein Grimm nicht<br />

wie ein Feuer ausbreche und unauslöschlich brenne wegen <strong>de</strong>r Bosheit eurer Handlungen“<br />

(4,1–4).<br />

Viele Beweggrün<strong>de</strong> können diejenigen, die sich entfernt haben, dazu veranlassen o<strong>de</strong>r<br />

vielleicht sogar dazu zwingen, wie<strong>de</strong>r umzukehren: das Bedauern über die verloren<br />

gegangenen Segnungen, Betrübnis, die Härte <strong>de</strong>r neuen Herrscher. . . Gott bedient sich<br />

dieser Dinge, um uns zu stoppen, aber das reicht nicht aus. „Wenn du umkehrst, kehre<br />

zu mir um“. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn in Lukas 15 wur<strong>de</strong> dieser durch seinen<br />

großen Mangel zum Stillstand gebracht: „Ich komme hier um vor Hunger“ (V.17), aber die<br />

Herzensübung hat sich nicht darauf beschränkt, son<strong>de</strong>rn sie hat auch Buße hervorgerufen:<br />

„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen: Vater, ich<br />

habe gesündigt gegen <strong>de</strong>n Himmel und vor dir.“ Wie häufig versucht jemand, wenn er mit<br />

Bitterkeit feststellen muss, dass sein Pfad ohne Ausweg ist, eher die Richtung zu än<strong>de</strong>rn als<br />

wirklich zu Gott umzukehren. <strong>Das</strong> ist es auch, was Juda oft getan hat, in<strong>de</strong>m es bei einer<br />

Nation Beistand gegen eine an<strong>de</strong>re Nation suchte. Ihm ist bereits gesagt wor<strong>de</strong>n: „Was läufst<br />

du so sehr, um <strong>de</strong>inen Weg zu än<strong>de</strong>rn? Auch wegen Ägypten wirst du beschämt wer<strong>de</strong>n,<br />

wie du wegen Assyrien beschämt wor<strong>de</strong>n bist“ (Jer 2,36).<br />

Nun wird <strong>de</strong>r Weg klar vorgezeichnet: „Pflügt euch einen Neubruch und sät nicht unter die<br />

Dornen“ (V.3). <strong>Das</strong> Umpflügen ist notwendig (Hos 10,12). Es ist nötig, dass das Herz vor Gott<br />

bloßgestellt wird und dass von nun an die natürlichen Neigungen, die es bisher irregeführt<br />

haben, erkannt, gerichtet und im To<strong>de</strong> gehalten wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> ist wahre Beschneidung, nicht<br />

die Beschneidung <strong><strong>de</strong>s</strong> Fleisches, son<strong>de</strong>rn die <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens „für <strong>de</strong>n Herrn“ (V.4; Rö 2,28.29).<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 4<br />

Die Ju<strong>de</strong>n, an die <strong>Jeremia</strong> sich hier richtet, waren wohl beschnitten was ihren Körper betraf,<br />

aber sie hatten die tiefere Be<strong>de</strong>utung ihrer Abson<strong>de</strong>rung für <strong>de</strong>n Herrn nicht begriffen. Sie<br />

hätten dahin geführt wer<strong>de</strong>n müssen, erst einmal das zu begreifen.<br />

Die Verwüstung ist nahe<br />

„Verkündigt es in Juda und lasst es in Jerusalem vernehmen und sprecht: ‚Stoßt in die<br />

Posaune im Land¡Ruft aus voller Kehle und sprecht: ‚Versammelt euch und lasst uns in<br />

die festen Städte ziehen¡Erhebt ein Banner gegen Zion hin; flüchtet, bleibt nicht stehen!<br />

Denn ich bringe Unglück von Nor<strong>de</strong>n her und große Zerschmetterung. Ein Löwe steigt<br />

herauf aus seinem Dickicht, und ein Ver<strong>de</strong>rber <strong>de</strong>r Nationen bricht auf; er zieht von<br />

seinem Ort aus, um <strong>de</strong>in Land zur Wüste zu machen, dass <strong>de</strong>ine Städte zerstört wer<strong>de</strong>n,<br />

ohne Bewohner. Darum gürtet euch Sacktuch um, klagt und jammert! Denn die Zornglut<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn hat sich nicht von uns abgewandt. Und es wird geschehen an jenem Tag,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr, da wird das Herz <strong><strong>de</strong>s</strong> Königs und das Herz <strong>de</strong>r Fürsten vergehen; und<br />

die Priester wer<strong>de</strong>n sich entsetzen und die <strong>Propheten</strong> erstarrt sein. Da sprach ich: Ach,<br />

Herr, Herr! Gewiss, getäuscht hast du dieses Volk und Jerusalem, als du sprachst: ‚Ihr<br />

wer<strong>de</strong>t Frie<strong>de</strong>n haben’; und das Schwert dringt bis an die Seele! In jener Zeit wird diesem<br />

Volk und Jerusalem gesagt wer<strong>de</strong>n: Ein scharfer Wind von <strong>de</strong>n kahlen Höhen in <strong>de</strong>r<br />

Wüste ist auf <strong>de</strong>m Weg zur Tochter meines Volkes, nicht zum Worfeln und nicht zum<br />

Säubern. Ein Wind, zu voll dazu, wird mir kommen. Nun will auch ich Gerichte über sie<br />

aussprechen. Siehe, wie Wolken zieht er herauf, und wie <strong>de</strong>r Sturmwind sind seine Wagen,<br />

schneller als Adler seine Rosse. Wehe uns, <strong>de</strong>nn wir sind verwüstet! Wasche <strong>de</strong>in Herz<br />

rein von Bosheit, Jerusalem, damit du gerettet wirst! Wie lange sollen <strong>de</strong>ine heillosen<br />

Pläne in <strong>de</strong>inem Innern weilen? Denn eine Stimme berichtet von Dan und verkün<strong>de</strong>t<br />

Unheil vom Gebirge Ephraim her. Mel<strong>de</strong>t es <strong>de</strong>n Nationen, siehe, verkün<strong>de</strong>t es Jerusalem:<br />

Belagerer kommen aus fernem Land und lassen ihre Stimme erschallen gegen die Städte<br />

Judas; wie Feldwächter sind sie ringsumher gegen Jerusalem, <strong>de</strong>nn gegen mich ist es<br />

wi<strong>de</strong>rspenstig gewesen, spricht <strong>de</strong>r Herr. Dein Weg und <strong>de</strong>ine Handlungen haben dir<br />

dies bewirkt; dies ist <strong>de</strong>ine Bosheit; ja, es ist bitter, ja, es dringt bis an <strong>de</strong>in Herz“ (4,5–18).<br />

Der Ver<strong>de</strong>rber hatte sich auf <strong>de</strong>n Weg gemacht, „wie <strong>de</strong>r Sturmwind sind seine Wagen“<br />

(V.13). Die Verhärtung <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes war <strong>de</strong>rart, dass <strong>de</strong>r Herr, ohne die Antwort auf <strong>de</strong>n<br />

letzten Appell abzuwarten, die unmittelbare Ankunft <strong><strong>de</strong>s</strong> Ver<strong>de</strong>rbers ankündigt und dazu<br />

auffor<strong>de</strong>rt, zu klagen und sich Sacktuch umzugürten. Wür<strong>de</strong> noch Zeit übrig bleiben, die<br />

Zornglut <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn abzuwen<strong>de</strong>n? Es war nicht mehr die Zeit <strong>de</strong>r Gerichte „zum Worfeln<br />

und zum Säubern“, son<strong>de</strong>rn nun wür<strong>de</strong> die Zerstörung Jerusalem erreichen.<br />

Gab es vielleicht noch Hoffnung? Jerusalem sollte noch diesen letzten Appell zu hören<br />

bekommen: „Wasche <strong>de</strong>in Herz rein von Bosheit, Jerusalem, damit du gerettet wirst!“ (V.14).<br />

Aber schon stan<strong>de</strong>n die Angreifer bereit, um die Städte Judas einzunehmen (V.16).<br />

Der Ver<strong>de</strong>rber wür<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n kommen (V.6). Er wird noch nicht genannt, aber er<br />

wür<strong>de</strong> später erwähnt wer<strong>de</strong>n, wenn die Ablehnung <strong>de</strong>r Appelle zur Buße nunmehr die<br />

Ausführung <strong><strong>de</strong>s</strong> Gerichts unvermeidlich machen und dieses nahe bevorstehen wür<strong>de</strong>. Es<br />

wür<strong>de</strong> vom König von Babel und seiner Armee ausgeführt wer<strong>de</strong>n (Jer 20,4).<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 4<br />

Der Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong><br />

„Meine Eingewei<strong>de</strong>, meine Eingewei<strong>de</strong>! Mir ist angst! Die Wän<strong>de</strong> meines Herzens! Es tobt<br />

in mir mein Herz! Ich kann nicht schweigen! Denn du, meine Seele, hörst <strong>de</strong>n Schall <strong>de</strong>r<br />

Posaune, Kriegsgeschrei: Zerstörung über Zerstörung wird ausgerufen. Denn das ganze<br />

Land ist verwüstet; plötzlich sind meine Zelte zerstört, meine Zeltbehänge in einem<br />

Augenblick. Wie lange soll ich das Banner sehen, <strong>de</strong>n Schall <strong>de</strong>r Posaune hören? Denn<br />

mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht; törichte Kin<strong>de</strong>r sind sie und unverständig.<br />

Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu tun, verstehen sie nicht. Ich schaue die Er<strong>de</strong> an,<br />

und siehe, sie ist wüst und leer; und zum Himmel, und sein Licht ist nicht da. Ich schaue<br />

die Berge an, und siehe, sie beben; und alle Hügel schwanken. Ich schaue, und siehe,<br />

kein Mensch ist da; und alle Vögel <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels sind geflohen. Ich schaue, und siehe, <strong>de</strong>r<br />

Karmel ist eine Wüste; und alle seine Städte sind nie<strong>de</strong>rgerissen vor <strong>de</strong>m Herrn, vor <strong>de</strong>r<br />

Glut seines Zorns“ (4,19–26).<br />

Angesichts <strong>de</strong>r Torheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes, das sich bis zum En<strong>de</strong> weigerte, <strong>de</strong>n Warnungen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

<strong>Propheten</strong> Gehör zu schenken, kommt <strong>de</strong>r Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> in ergreifen<strong>de</strong>n Worten<br />

zum Ausdruck. Der Herr bedient sich <strong>de</strong>r Feinfühligkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens <strong>Jeremia</strong>s, das mit<br />

seinem Volk innig verbun<strong>de</strong>n war, um seinen eigenen Schmerz ein wenig begreiflich zu<br />

machen, wenn er verpflichtet sein wür<strong>de</strong>, sein Volk <strong>de</strong>rart zu schlagen. Um die Verwüstung<br />

zu zeigen, die das Einschreiten <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> zur Folge hätte, <strong>de</strong>r das Volk aus seinem Land<br />

wegfegen wür<strong>de</strong>, benutzt <strong>de</strong>r Geist Gottes <strong>de</strong>n Ausdruck, <strong>de</strong>r in 1. Mose 1,2 <strong>de</strong>n Zustand<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> beschreibt: „wüst und leer“ (hebr. „tohu bohu“). Jesaja sagt uns, dass <strong>de</strong>r Herr<br />

die Er<strong>de</strong> „nicht als eine Ö<strong>de</strong> geschaffen“ hat (Jes 45,18), genauso wenig wie er Israel nach<br />

Kanaan eingeführt hatte, damit es wie<strong>de</strong>r daraus verjagt wür<strong>de</strong>. Dennoch ist genau das das<br />

Ergebnis <strong>de</strong>r törichten Rebellion <strong><strong>de</strong>s</strong> Geschöpfes.<br />

Ein Hoffnungsschimmer<br />

„Denn so spricht <strong>de</strong>r Herr: <strong>Das</strong> ganze Land soll eine Wüste wer<strong>de</strong>n; doch will ich es nicht<br />

völlig zerstören. Darum wird die Er<strong>de</strong> trauern und <strong>de</strong>r Himmel oben schwarz wer<strong>de</strong>n,<br />

weil ich es gere<strong>de</strong>t, beschlossen habe; und ich wer<strong>de</strong> es nicht bereuen und nicht davon<br />

abgehen. Vor <strong>de</strong>m Geschrei <strong>de</strong>r Reiter und <strong>de</strong>r Bogenschützen flieht je<strong>de</strong> Stadt; sie gehen<br />

ins Dickicht und ersteigen die Felsen. Je<strong>de</strong> Stadt ist verlassen, und kein Mensch wohnt<br />

darin. Und du, Verwüstete, was wirst du tun? Wenn du dich auch in Karmesin klei<strong><strong>de</strong>s</strong>t,<br />

wenn du mit gol<strong>de</strong>nem Geschmei<strong>de</strong> dich schmückst, wenn du <strong>de</strong>ine Augen mit Schminke<br />

aufreißt: Vergeblich machst du dich schön. Die Liebhaber verschmähen dich, sie trachten<br />

nach <strong>de</strong>inem Leben. Denn ich höre eine Stimme wie von einer Kreißen<strong>de</strong>n, Angst wie<br />

von einer Erstgebären<strong>de</strong>n, die Stimme <strong>de</strong>r Tochter Zion; sie seufzt, sie breitet ihre Hän<strong>de</strong><br />

aus: Wehe mir! Denn kraftlos erliegt meine Seele <strong>de</strong>n Mör<strong>de</strong>rn“ (4,27–31).<br />

Vor <strong>de</strong>m Hintergrund dieser Katastrophe und trotz <strong>de</strong>r Bestätigung, dass er nicht von<br />

seiner Entscheidung abrücken wür<strong>de</strong>, kündigt <strong>de</strong>r Herr an, dass er das Land nicht völlig<br />

zerstören wür<strong>de</strong>. Dieser Vermerk lässt – für <strong>de</strong>n Glauben – <strong>de</strong>r Hoffnung die Tür geöffnet im<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 4<br />

Angesicht <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Verwüstung. Es war nicht vergebens, dass so viele Warnungen<br />

wie<strong>de</strong>rholt wur<strong>de</strong>n, da einige ihnen Aufmerksamkeit schenken wür<strong>de</strong>n.<br />

Wenn wir unter <strong>de</strong>r Züchtigung Gottes stehen, laufen wir Gefahr, diese zu verachten o<strong>de</strong>r<br />

uns entmutigen zu lassen. Aber sie gibt <strong>de</strong>nen Frucht, „die durch sie geübt wor<strong>de</strong>n sind“<br />

(Heb 12,5.6.11).<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

Kapitel 5–6<br />

Alle Klassen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes wer<strong>de</strong>n verurteilt<br />

1. Die Geringen und die Großen, die <strong>Propheten</strong> und die Priester (Kapitel 5)<br />

Ist einer da, <strong>de</strong>r Recht übt?<br />

„Durchstreift die Gassen Jerusalems, und seht doch und erkun<strong>de</strong>t und sucht auf ihren<br />

Plätzen, ob ihr jemand fin<strong>de</strong>t, ob einer da ist, <strong>de</strong>r Recht übt, <strong>de</strong>r Treue sucht – so will ich<br />

ihr vergeben. Und wenn sie sprechen: „So wahr <strong>de</strong>r Herr lebt!“, so schwören sie darum<br />

doch falsch. Herr, sind <strong>de</strong>ine Augen nicht auf die Treue gerichtet? Du hast sie geschlagen,<br />

aber es hat sie nicht geschmerzt. Du hast sie vernichtet – sie haben sich geweigert, Zucht<br />

anzunehmen; sie haben ihre Angesichter härter gemacht als Fels, sie haben sich geweigert<br />

umzukehren. Und ich sprach: Nur Geringe sind es; die sind betört, weil sie <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn, das Recht ihres Gottes, nicht kennen. Ich will doch zu <strong>de</strong>n Großen gehen und mit<br />

ihnen re<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>nn sie kennen <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, das Recht ihres Gottes. Doch sie haben<br />

allesamt das Joch° zerbrochen, die Fesseln zerrissen. Darum schlägt sie ein Löwe aus<br />

<strong>de</strong>m Wald, ein Wolf <strong>de</strong>r Steppen° vertilgt sie, ein Leopard belauert ihre Städte: Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r<br />

aus ihnen hinausgeht, wird zerrissen; <strong>de</strong>nn ihre Übertretungen sind viele, zahlreich ihre<br />

Abtrünnigkeiten. Weshalb sollte ich dir vergeben? Deine Söhne haben mich verlassen und<br />

schwören bei Nicht-Göttern. Obwohl ich sie schwören ließ, haben sie Ehebruch getrieben<br />

und laufen scharenweise ins Hurenhaus. Wie wohlgenährte Pfer<strong>de</strong> schweifen sie umher;<br />

sie wiehern je<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Frau seines Nächsten. Sollte ich dies nicht heimsuchen, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr, o<strong>de</strong>r sollte an einer Nation wie dieser meine Seele sich nicht rächen?“ (5,1–9)<br />

Es ist <strong>de</strong>r große Wunsch Gottes, einen Beweggrund zur Vergebung zu fin<strong>de</strong>n. In früherer<br />

Zeit hatte er schon zu Abraham über Sodom gesagt: „So will ich hinab gehen und sehen, ob<br />

sie nach ihrem Geschrei, das vor mich gekommen ist, völlig getan haben; und wenn nicht,<br />

so will ich es wissen“ (1. Mo 18,21). Auf diese Weise gab er Abraham die Gelegenheit, für die<br />

schuldige Stadt einzutreten und versprach, sie nicht zu zerstören, wenn er zehn Gerechte<br />

fän<strong>de</strong> (vgl. 1. Mo 18,21–32).<br />

Hier geht er noch weiter: „Ob einer da ist, <strong>de</strong>r Recht übt, <strong>de</strong>r Treue sucht – so will ich<br />

ihr vergeben“ (V.1). Aber es ist umsonst. Selbst die Züchtigungen, die schon ausgeführt<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

wor<strong>de</strong>n waren, um sie zurecht zu bringen, hatten keine Wirkung gezeigt: „Sie haben sich<br />

geweigert, umzukehren“ (V.3). Ohne sie entschuldigen zu wollen, hat <strong>de</strong>r Herr Erbarmen<br />

mit ihnen: „Nur Geringe sind es“ (V.4). Aber <strong>de</strong>r Herr sucht noch weiter: Vielleicht wür<strong>de</strong>n<br />

die Großen hören, diejenigen mit <strong>de</strong>r größten Bildung und Verantwortung? Diese waren<br />

sogar noch wi<strong>de</strong>rspenstiger, „zahlreich ihre Abtrünnigkeiten“ (V.6) und die Schil<strong>de</strong>rung<br />

ihrer Übertretungen ruft die Frage hervor: „Sollte ich dies nicht heimsuchen?“ (V.9.29; 9,9).<br />

Die Ankündigung eines maßvollen Gerichts<br />

„Ersteigt seine Mauern und zerstört, doch richtet ihn nicht völlig zugrun<strong>de</strong>; nehmt seine<br />

Ranken weg, <strong>de</strong>nn sie sind nicht <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn. Denn das Haus Israel und das Haus Juda<br />

haben sehr treulos gegen mich gehan<strong>de</strong>lt, spricht <strong>de</strong>r Herr. Sie haben <strong>de</strong>n Herrn<br />

verleugnet und gesagt: Er ist nicht; und kein Unglück wird über uns kommen, und<br />

Schwert und Hunger wer<strong>de</strong>n wir nicht sehen; und die <strong>Propheten</strong> wer<strong>de</strong>n zu Wind wer<strong>de</strong>n,<br />

und <strong>de</strong>r da re<strong>de</strong>t, ist nicht in ihnen: So wird ihnen geschehen. Darum, so spricht <strong>de</strong>r<br />

Herr, <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>r Heerscharen: Weil ihr dieses Wort re<strong>de</strong>t, siehe, so will ich meine Worte<br />

in <strong>de</strong>inem Mund zu Feuer machen und dieses Volk zu Holz, und es soll sie verzehren.<br />

Siehe, ich bringe über euch eine Nation aus <strong>de</strong>r Ferne, Haus Israel, spricht <strong>de</strong>r Herr; es<br />

ist eine starke Nation, es ist eine Nation von alters her, eine Nation, <strong>de</strong>ren Sprache du<br />

nicht kennst und <strong>de</strong>ren Re<strong>de</strong> du nicht verstehst. Ihr Köcher ist wie ein offenes Grab; sie<br />

sind allesamt Hel<strong>de</strong>n. Und sie wird <strong>de</strong>ine Ernte verzehren und <strong>de</strong>in Brot, sie wird <strong>de</strong>ine<br />

Söhne und <strong>de</strong>ine Töchter verzehren, sie wird verzehren <strong>de</strong>in Kleinvieh und <strong>de</strong>ine Rin<strong>de</strong>r,<br />

verzehren <strong>de</strong>inen Weinstock und <strong>de</strong>inen Feigenbaum; <strong>de</strong>ine festen Städte, auf die du dich<br />

verlässt, wird sie mit <strong>de</strong>m Schwert zerstören. Aber auch in jenen Tagen, spricht <strong>de</strong>r Herr,<br />

wer<strong>de</strong> ich euch nicht <strong>de</strong>n Garaus machen. Und es soll geschehen, wenn ihr sagen wer<strong>de</strong>t:<br />

„Weshalb hat <strong>de</strong>r Herr, unser Gott, uns dies alles getan?“, so sprich zu ihnen: Wie ihr<br />

mich verlassen und frem<strong>de</strong>n Göttern gedient habt in eurem Land, so sollt ihr Frem<strong>de</strong>n<br />

dienen in einem Land, das euch nicht gehört.“ (5,10–19)<br />

Die Langmut Gottes, die zur Buße leitet und vor <strong>de</strong>r Bestrafung abwartet bis <strong>de</strong>r Auflehnung<br />

nicht mehr abzuhelfen ist, wird oft als Vorwand genommen, sein Eingreifen anzuzweifeln.<br />

In Prediger 8,11 lesen wir: „Weil das Urteil über böse Taten nicht schnell vollzogen wird,<br />

darum ist das Herz <strong>de</strong>r Menschenkin<strong>de</strong>r in ihnen voll, Böses zu tun“. Es ist unnütz, zu sagen:<br />

„Kein Unglück wird über uns kommen“ (V.12), wenn <strong>de</strong>r Herr es angeordnet hat. Der Tag<br />

ist nahe, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong> Feind über das Volk herfallen wird, es<br />

mit <strong>de</strong>m Schwert vernichten o<strong>de</strong>r in die Gefangenschaft wegführen wird. Wenn Gott eine<br />

Züchtigung über sein Volk kommen lässt, behält er sich immer einen Überrest zurück, um<br />

seine bedingungslos gegebenen Verheißungen zu erfüllen. Wenn er die Seinen züchtigt,<br />

sei es um sie zurecht zu bringen o<strong>de</strong>r um sie zu erproben, kann das von Gott benutzte<br />

Werkzeug niemals die Grenzen überschreiten, die er ihm gesetzt hat (vgl. Hiob 1,12; 2,6;<br />

38,11).<br />

Die <strong>Propheten</strong> und die Priester tragen die größte Schuld<br />

„Verkün<strong>de</strong>t dies im Haus Jakob und lasst es hören in Juda und sprecht: Hört doch<br />

dies, törichtes Volk ohne Verstand, die Augen haben und nicht sehen, die Ohren haben<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

und nicht hören. Wollt ihr mich nicht fürchten, spricht <strong>de</strong>r Herr, und vor mir nicht<br />

zittern? Der ich <strong>de</strong>m Meer Sand zur Grenze gesetzt habe, eine ewige Schranke, die es<br />

nicht überschreiten wird; und es regen sich seine Wogen, aber sie vermögen nichts,<br />

und sie brausen, aber überschreiten sie nicht. Aber dieses Volk hat ein störriges und<br />

wi<strong>de</strong>rspenstiges Herz; sie sind abgewichen und weggegangen. Und sie sprachen nicht<br />

in ihrem Herzen: Lasst uns doch <strong>de</strong>n Herrn, unseren Gott, fürchten, <strong>de</strong>r Regen gibt,<br />

sowohl Frühregen als Spätregen zu seiner Zeit; <strong>de</strong>r uns die bestimmten Wochen <strong>de</strong>r Ernte<br />

einhält. Eure Ungerechtigkeiten haben dies weggewen<strong>de</strong>t und eure Sün<strong>de</strong>n das Gute<br />

von euch abgehalten. Denn unter meinem Volk fin<strong>de</strong>n sich Gottlose; sie lauern, wie<br />

Vogelfänger sich ducken; sie stellen Fallen, fangen Menschen. Wie ein Käfig voll Vögel, so<br />

sind ihre Häuser voll Betrug; darum sind sie groß und reich gewor<strong>de</strong>n. Sie sind fett, sie<br />

sind glatt; ja, sie überschreiten das Maß <strong>de</strong>r Bosheit. Die Rechtssache richten sie nicht,<br />

die Rechtssache <strong>de</strong>r Waisen, so dass es ihnen gelingen könnte; und das Recht <strong>de</strong>r Armen<br />

entschei<strong>de</strong>n sie nicht. Sollte ich dies nicht heimsuchen, spricht <strong>de</strong>r Herr, o<strong>de</strong>r sollte an<br />

einer Nation wie dieser meine Seele sich nicht rächen? Entsetzliches und Schau<strong>de</strong>rhaftes<br />

ist im Land geschehen: Die <strong>Propheten</strong> weissagen falsch, und die Priester herrschen unter<br />

ihrer Leitung, und mein Volk liebt es so. Was aber wer<strong>de</strong>t ihr tun am En<strong>de</strong> von all <strong>de</strong>m?“<br />

(5,20–31)<br />

Der Herr ist <strong>de</strong>r Schöpfer, <strong>de</strong>m selbst das Meer gehorcht. Je<strong>de</strong>r Mensch sollte ihn fürchten!<br />

Wie konnte nur das Volk, das <strong>de</strong>r Herr zu sich gerufen hatte, um sein Gott zu sein,<br />

ihn nicht respektieren? Wenn <strong>de</strong>r religiöse Mensch sich von <strong>de</strong>r Gottesfurcht abwen<strong>de</strong>t,<br />

verliert er je<strong><strong>de</strong>s</strong> moralische Empfin<strong>de</strong>n und gibt sich hemmungslos seinen Neigungen hin.<br />

„Unter meinem Volk fin<strong>de</strong>n sich Gottlose“ (V.26). Dies war <strong>de</strong>r Charakter <strong>de</strong>r lügnerischen<br />

<strong>Propheten</strong> und <strong>de</strong>r Priester, die durch dieselben herrschten. Aber das gesamte Volk<br />

bevorzugte diesen Zustand. <strong>Das</strong> Verhalten Paschkurs (Kap. 20), dasjenige <strong>de</strong>r Priester<br />

und <strong>Propheten</strong> (Kap. 26,7–11) sowie das von Hananja (Kap. 28) illustrieren treffend diese<br />

Feststellungen.<br />

Wie sieht es heute in <strong>de</strong>r Christenheit aus? Dort, wo die Gottesfurcht aufgegeben wird,<br />

erscheinen die gleichen Merkmale. Lasst uns, um vor solchem Abweichen bewahrt zu<br />

bleiben, in <strong>de</strong>mütiger Weise bemüht sein, in <strong>de</strong>r Aufrichtigkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens vor Gott und im<br />

Vertrauen auf ihn zu wan<strong>de</strong>ln (vgl. Jes 50,10). „Einige mein Herz zur Furcht <strong>de</strong>ines Namens“<br />

(Ps 86,11).<br />

2. Sie alle sind Wi<strong>de</strong>rspenstige (Kapitel 6)<br />

<strong>Das</strong> Hereinbrechen <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> steht unmittelbar bevor<br />

„Flüchtet, ihr Kin<strong>de</strong>r Benjamin, aus Jerusalem hinaus, und stoßt in die Posaune in Tekoa,<br />

und errichtet ein Zeichen über Beth-Hakkerem; <strong>de</strong>nn Unglück ragt herein von Nor<strong>de</strong>n her<br />

und große Zerschmetterung. Die Schöne und die Verzärtelte, die Tochter Zion, vertilge<br />

ich. Hirten kommen zu ihr mit ihren Her<strong>de</strong>n; sie schlagen Zelte rings um sie auf, wei<strong>de</strong>n<br />

je<strong>de</strong>r seinen Raum ab. „Heiligt einen Krieg gegen sie! Macht euch auf und lasst uns am<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 28


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

Mittag hinaufziehen! – Wehe uns! Denn <strong>de</strong>r Tag hat sich geneigt, <strong>de</strong>nn die Abendschatten<br />

strecken sich! Macht euch auf und lasst uns in <strong>de</strong>r Nacht hinaufziehen und ihre Paläste<br />

ver<strong>de</strong>rben!“ Denn so hat <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen gesprochen: Fällt Bäume und schüttet<br />

einen Wall gegen Jerusalem auf! Sie ist die Stadt, die heimgesucht wer<strong>de</strong>n soll; sie ist<br />

voll Bedrückung in ihrem Innern. Wie ein Brunnen sein Wasser quellen lässt, so lässt<br />

sie ihre Bosheit quellen. Gewalttat und Zerstörung wer<strong>de</strong>n in ihr gehört, Wun<strong>de</strong> und<br />

Schlag sind beständig vor meinem Angesicht. Lass dich zurechtweisen, Jerusalem, damit<br />

meine Seele sich nicht von dir losreiße, damit ich dich nicht zur Wüste mache, zu einem<br />

unbewohnten Land.“ (6,1–8)<br />

Der aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong> Feind war so nah, dass die Trompete geblasen wer<strong>de</strong>n<br />

musste, um die Benjaminiter als erste zur Flucht zu bewegen, sie, die im Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stadt<br />

wohnten. Aber mit welchen Ausdrücken zeigt <strong>de</strong>r Herr seine Zuneigung zu <strong>de</strong>r Stadt, die<br />

er zerstören musste: Jerusalem, „die Schöne und die Verzärtelte, die Tochter Zion“ (V.2).<br />

Der Herr gab <strong>de</strong>n Angreifern seine Anweisungen: Ob am Tag o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nacht, sie sollten<br />

sich nicht aufhalten lassen, son<strong>de</strong>rn einfallen und zerstören. Trotz<strong>de</strong>m wandte er sich noch<br />

einmal an Jerusalem: „Lass dich zurechtweisen, . . . damit meine Seele sich nicht von dir<br />

losreiße“ (V.8; vgl. Hes 23,18). Damit drückt er <strong>de</strong>n ganzen Wert aus, <strong>de</strong>n die Stadt für ihn<br />

hat und seinen innigen Wunsch, dass sie von ihrem bösen Weg umkehren möchte.<br />

Es gibt keinen Frie<strong>de</strong>n<br />

„So spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen: Wie am Weinstock wird man Nachlese halten am<br />

Überrest Israels. Lege wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ine Hand an, wie <strong>de</strong>r Winzer an die Ranken. – Zu wem<br />

soll ich re<strong>de</strong>n und wem Zeugnis ablegen, dass sie hören? Siehe, ihr Ohr ist unbeschnitten,<br />

und sie können nicht aufmerksam zuhören; siehe, das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ist ihnen zum<br />

Hohn gewor<strong>de</strong>n, sie haben kein Gefallen daran. Und ich bin voll vom Grimm <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn,<br />

bin mü<strong>de</strong>, ihn zurückzuhalten. – Ergieße ihn über die Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Gasse und über <strong>de</strong>n<br />

Kreis <strong>de</strong>r Jünglinge insgesamt; <strong>de</strong>nn sowohl Mann als Frau wer<strong>de</strong>n getroffen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />

Alte wie <strong>de</strong>r Hochbetagte; und ihre Häuser wer<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zugewandt wer<strong>de</strong>n, Fel<strong>de</strong>r<br />

und Frauen insgesamt. Denn ich strecke meine Hand aus gegen die Bewohner <strong><strong>de</strong>s</strong> Lan<strong><strong>de</strong>s</strong>,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr. Denn von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten sind sie allesamt <strong>de</strong>r<br />

Gewinnsucht ergeben; und vom <strong>Propheten</strong> bis zum Priester üben sie allesamt Falschheit,<br />

und sie heilen die Wun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes leichthin und sprechen: „Frie<strong>de</strong>n,<br />

Frie<strong>de</strong>n!“, und da ist doch kein Frie<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n beschämt wer<strong>de</strong>n, weil sie Gräuel<br />

verübt haben. Ja, sie schämen sich keineswegs, ja, Beschämung kennen sie nicht. Darum<br />

wer<strong>de</strong>n sie fallen unter <strong>de</strong>n Fallen<strong>de</strong>n; zur Zeit, da ich sie heimsuchen wer<strong>de</strong>, wer<strong>de</strong>n sie<br />

straucheln, spricht <strong>de</strong>r Herr.“ (6,9–15)<br />

Wer wür<strong>de</strong> noch hören, wenn „das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ihnen zum Hohn gewor<strong>de</strong>n“ war (V.10)?<br />

Alle Gruppen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes waren gemeint und wür<strong>de</strong>n Gegenstand <strong><strong>de</strong>s</strong> Gerichtes sein, von<br />

<strong>de</strong>n kleinen Kin<strong>de</strong>rn bis hin zu <strong>de</strong>n Greisen, vom Kleinen bis zum Großen. Die <strong>Propheten</strong><br />

und Priester hatten eine beson<strong>de</strong>rs große Schuld: In ihrer Falschheit hatten sie das Volk<br />

getäuscht, in<strong>de</strong>m sie von Frie<strong>de</strong>n sprachen, während die Zerstörung kurz bevorstand. Ihre<br />

Strafe wür<strong>de</strong> noch schwerer sein: „Sie fallen unter <strong>de</strong>n Fallen<strong>de</strong>n“ (V.15).<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 29


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

Die Ermahnungen wer<strong>de</strong>n verachtet<br />

„So spricht <strong>de</strong>r Herr: Tretet auf die Wege und seht und fragt nach <strong>de</strong>n Pfa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vorzeit,<br />

welches <strong>de</strong>r Weg <strong><strong>de</strong>s</strong> Guten sei, und wan<strong>de</strong>lt darauf; so wer<strong>de</strong>t ihr Ruhe fin<strong>de</strong>n für eure<br />

Seelen. Aber sie sprechen: Wir wollen nicht darauf wan<strong>de</strong>ln. Und ich habe Wächter<br />

über euch bestellt, die sagen: Achtet auf <strong>de</strong>n Schall <strong>de</strong>r Posaune! Aber sie sprechen: Wir<br />

wollen nicht darauf achten. Darum hört, ihr Nationen, und wisse, du Gemein<strong>de</strong>, was<br />

gegen sie geschieht! Höre es, Er<strong>de</strong>! Siehe, ich bringe Unglück über dieses Volk, die Frucht<br />

ihrer Gedanken; <strong>de</strong>nn auf meine Worte haben sie nicht geachtet, und mein Gesetz –<br />

sie haben es verschmäht. Wozu soll mir <strong>de</strong>nn Weihrauch aus Scheba kommen und das<br />

gute Würzrohr aus fernem Land? Eure Brandopfer sind mir nicht wohlgefällig und eure<br />

Schlachtopfer mir nicht angenehm. Darum, so spricht <strong>de</strong>r Herr: Siehe, ich lege diesem<br />

Volk Anstöße, dass Väter und Söhne zugleich darüber straucheln, dass <strong>de</strong>r Nachbar und<br />

sein Genosse umkommen. So spricht <strong>de</strong>r Herr: Siehe, es kommt ein Volk aus <strong>de</strong>m Land<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Nor<strong>de</strong>ns, und eine große Nation macht sich auf vom äußersten En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>. Bogen<br />

und Wurfspieß führen sie, sie sind grausam und ohne Erbarmen; ihre Stimme braust wie<br />

das Meer, und auf Pfer<strong>de</strong>n reiten sie: gerüstet gegen dich, Tochter Zion, wie ein Mann<br />

zum Kampf. Wir haben die Kun<strong>de</strong> von ihm vernommen: Unsere Hän<strong>de</strong> sind schlaff<br />

gewor<strong>de</strong>n; Angst hat uns ergriffen, Wehen, wie bei einer Gebären<strong>de</strong>n. Geh nicht hinaus<br />

aufs Feld und wandle nicht auf <strong>de</strong>m Weg; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Feind hat ein Schwert – Schrecken<br />

ringsum! Tochter meines Volkes, gürte dir Sacktuch um und wälze dich in <strong>de</strong>r Asche,<br />

trauere wie um <strong>de</strong>n einzigen Sohn, führe bittere Klage! Denn plötzlich wird <strong>de</strong>r Verwüster<br />

über uns kommen.“ (6,16–26)<br />

Gott hatte <strong>de</strong>n Menschen zu je<strong>de</strong>r Zeit offenbart, wie sie ihm dienen sollten. Er hat von<br />

seinem Volk nicht etwas neues verlangt, son<strong>de</strong>rn er hat ihnen zu erkennen gegeben, welches<br />

<strong>de</strong>r richtige Weg sei, <strong>de</strong>n sie gehen sollten. Aber sie sind sehr bald abgewichen. Der<br />

Schreiber <strong><strong>de</strong>s</strong> Hebräerbriefes wür<strong>de</strong> später sagen: „Deswegen sollen wir umso mehr auf das<br />

achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa abgleiten“ (Heb 2,1). In unseren Tagen<br />

spricht man gerne vom Erforschen, vom Entwickeln, man will ausgetretene Wege verlassen.<br />

Sicherlich ist es gut, darauf zu achten, nicht in die Routine menschlicher Traditionen zu<br />

versinken. Lasst uns aber darauf Acht haben, dass dies nicht als Vorwand dient, um unseren<br />

eigenen Gedanken nachzugehen. Der Weg <strong><strong>de</strong>s</strong> Segens ist bezeichnet: Zu <strong>de</strong>m zurück zu<br />

kehren, was Gott am Anfang gegeben hat: „Fragt nach <strong>de</strong>n Pfa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vorzeit, welches<br />

<strong>de</strong>r Weg <strong><strong>de</strong>s</strong> Guten sei“ (V.16). Wer diese Unterweisungen befolgen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong><br />

„Vermaurer <strong>de</strong>r Lücken, Wie<strong>de</strong>rhersteller bewohnbarer Straßen“ genannt wer<strong>de</strong>n (vgl. Jes<br />

58,12).<br />

Der Herr hatte die Trompeten <strong>de</strong>n Priestern anvertraut. Diese sollten sie bei verschie<strong>de</strong>nen<br />

Gelegenheiten einsetzen, insbeson<strong>de</strong>re im Krieg, damit <strong>de</strong>m Volk „gedacht wer<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m<br />

Herrn“ (4. Mo 10,9). Da die Priester untreu waren, hatte <strong>de</strong>r Herr auch Wächter wie<br />

<strong>Jeremia</strong> beauftragt, durch <strong>de</strong>n Klang <strong>de</strong>r Trompete vor <strong>de</strong>m Nahen <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> zu warnen<br />

(vgl. Hes 33,1–6); aber vergebens. Es nützte nichts, dass Opfer gebracht wur<strong>de</strong>n, dass eine<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 30


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 5–6<br />

Form <strong><strong>de</strong>s</strong> Gottesdienstes bestand, wenn die Herzen wi<strong>de</strong>rspenstig waren. Bosheit verbun<strong>de</strong>n<br />

mit religiösen Formen sind für Gott unerträglich (V.20; vgl. Jes 1,13).<br />

Also gab es keine Heilung mehr. Schon konnte man <strong>de</strong>n Lärm <strong>de</strong>r furchtbaren, Schrecken<br />

verbreiten<strong>de</strong>n, heranmarschieren<strong>de</strong>n Armee hören, <strong><strong>de</strong>s</strong> Werkzeuges <strong>de</strong>r Züchtigung, die<br />

<strong>de</strong>r Herr über sein Volk kommen ließ.<br />

Verworfenes Silber<br />

„Ich habe dich zum Prüfer für mein Volk gesetzt, als eine Festung, damit du ihren<br />

Weg erkennen und prüfen mögest. Allesamt sind sie die Wi<strong>de</strong>rspenstigsten <strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rspenstigen; sie gehen als Verleum<strong>de</strong>r umher, sie sind Kupfer und Eisen; sie sind<br />

allesamt Ver<strong>de</strong>rber. Versengt vom Feuer ist <strong>de</strong>r Blasebalg, zu En<strong>de</strong> ist das Blei; vergebens<br />

hat man geschmolzen und geschmolzen: Die Bösen sind nicht ausgeschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n.<br />

Verworfenes Silber nennt man sie, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr hat sie verworfen.“ (6,27–30)<br />

Der Herr hatte <strong>Jeremia</strong> wie eine Festung in die Mitte <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes gestellt, die die Menschen<br />

angriffen, ohne sie zerstören zu können. Seine Anwesenheit prüfte sie und das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn in seinem Mund war wie ein Feuer zur Läuterung. Aber sie alle waren wi<strong>de</strong>rspenstig,<br />

„vergebens hat man geschmolzen“ (V.29). Die Schlacke brannte und es blieb nichts Gutes<br />

übrig. Gott hatte alles getan, was möglich war, um sein Volk zurückzuführen. Nun musste<br />

er traurig erklären, dass man sie wie folgt nennen wür<strong>de</strong>: „Verworfenes Silber (. . . ) <strong>de</strong>nn<br />

<strong>de</strong>r Herr hat sie verworfen“ (V.30).<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 31


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

Kapitel 7–10<br />

<strong>Das</strong> Gericht ist unausweichlich, aber Israel bleibt das Volk <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn<br />

1. <strong>Das</strong> Gericht beginnt beim Haus Gottes (Kapitel 7)<br />

Mit <strong>de</strong>m siebten Kapitel beginnt eine neue Reihe von Aussprüchen, die bis zum En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

zehnten Kapitels gehen. Sie haben als Ausgangspunkt das Haus <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, betrachtet<br />

als <strong>de</strong>n Ort, wo die Anmaßungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes und seiner Obersten sich <strong>de</strong>n schlimmsten<br />

Ungerechtigkeiten anschließen.<br />

<strong>Das</strong> Haus <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn<br />

„<strong>Das</strong> Wort, das von Seiten <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn an <strong>Jeremia</strong> erging, in<strong>de</strong>m er sprach: Stelle dich<br />

in das Tor <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, und rufe dort dieses Wort aus und sprich: Hört das<br />

Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, ganz Juda, die ihr durch diese Tore eingeht, um <strong>de</strong>n Herrn anzubeten.<br />

So spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen, <strong>de</strong>r Gott Israels: Macht eure Wege und eure<br />

Handlungen gut, so will ich euch an diesem Ort wohnen lassen. Und verlasst euch nicht<br />

auf Worte <strong>de</strong>r Lüge, in<strong>de</strong>m man spricht: „Der Tempel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, <strong>de</strong>r Tempel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn,<br />

<strong>de</strong>r Tempel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ist dies!“ Son<strong>de</strong>rn wenn ihr eure Wege und eure Handlungen<br />

wirklich gut macht, wenn ihr wirklich Recht übt zwischen <strong>de</strong>m einen und <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren,<br />

<strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>n, die Waise und die Witwe nicht bedrückt und unschuldiges Blut an diesem<br />

Ort nicht vergießt und an<strong>de</strong>ren Göttern nicht nachwan<strong>de</strong>lt euch zum Unglück, so will ich<br />

euch an diesem Ort, in <strong>de</strong>m Land, das ich euren Vätern gegeben habe, wohnen lassen von<br />

Ewigkeit zu Ewigkeit. Siehe, ihr verlasst euch auf Worte <strong>de</strong>r Lüge, die nichts nützen. Wie?<br />

Stehlen, mor<strong>de</strong>n und Ehebruch treiben und falsch schwören und <strong>de</strong>m Baal räuchern und<br />

an<strong>de</strong>ren Göttern nachwan<strong>de</strong>ln, die ihr nicht kennt! Und dann kommt ihr und tretet vor<br />

mein Angesicht in diesem Haus, das nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: „Wir<br />

sind errettet!“, damit ihr alle diese Gräuel verübt. Ist <strong>de</strong>nn dieses Haus, das nach meinem<br />

Namen genannt ist, eine Räuberhöhle gewor<strong>de</strong>n in euren Augen? Ich selbst, siehe, ich<br />

habe es gesehen, spricht <strong>de</strong>r Herr. Denn geht doch hin zu meiner Stätte, die in Silo war,<br />

wo ich zuerst meinen Namen wohnen ließ, und seht, was ich ihr getan habe wegen <strong>de</strong>r<br />

Bosheit meines Volkes Israel. Und nun, weil ihr alle diese Werke getan habt, spricht <strong>de</strong>r<br />

Herr, und ich zu euch gere<strong>de</strong>t habe, früh mich aufmachend und re<strong>de</strong>nd, ihr aber nicht<br />

gehört habt, und ich euch gerufen habe, ihr aber nicht geantwortet habt, so wer<strong>de</strong> ich<br />

diesem Haus, das nach meinem Namen genannt ist, auf das ihr euch verlasst, und <strong>de</strong>m<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 32


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

Ort, <strong>de</strong>n ich euch und euren Vätern gegeben habe, ebenso tun, wie ich Silo getan habe.<br />

Und ich wer<strong>de</strong> euch wegwerfen von meinem Angesicht, so wie ich alle eure Brü<strong>de</strong>r, die<br />

ganze Nachkommenschaft° Ephraims, weggeworfen habe. Du aber, bitte nicht für dieses<br />

Volk und erhebe we<strong>de</strong>r Flehen noch Gebet für sie, und dringe nicht in mich; <strong>de</strong>nn ich<br />

wer<strong>de</strong> nicht auf dich hören.“ (7,1–16)<br />

<strong>Jeremia</strong> empfing <strong>de</strong>n Befehl, sich in das Tor <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn zu stellen, um von<br />

dort aus einen Appell an die Eintreten<strong>de</strong>n zu richten, <strong>de</strong>n Herrn anzubeten: „Macht<br />

eure Wege und eure Handlungen gut“ (V.3). <strong>Das</strong> Volk versteckte seinen erbärmlichen<br />

moralischen Zustand hinter einer Form von Frömmigkeit. Mehr als das, es versuchte, sich<br />

selbst einzure<strong>de</strong>n, dass „<strong>de</strong>r Tempel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn“ eine Garantie gegen die Bedrohungen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Eindringlings darstellen wür<strong>de</strong>, da Gott verpflichtet wäre, ihn zu beschützen!<br />

<strong>Das</strong> waren Worte <strong>de</strong>r Lüge, aufschlussreich im Blick auf die schreckliche Verdorbenheit<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens, die darin bestand, unter <strong>de</strong>m Deckmantel <strong><strong>de</strong>s</strong>sen, was <strong>de</strong>n Namen Gottes<br />

trug, je<strong>de</strong>r Art <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen Schutz zu bieten und zu glauben, <strong>de</strong>m gerechten Gericht Gottes<br />

<strong>de</strong>nnoch zu entkommen.<br />

„Ist <strong>de</strong>nn dieses Haus, das nach meinem Namen genannt ist, eine Räuberhöhle gewor<strong>de</strong>n in<br />

euren Augen?“ (V.11). Der Herr nennt dieses Wort noch einmal am En<strong>de</strong> seines Dienstes<br />

(Mt 21,13). Möge Gott uns vor einer ähnlichen Verirrung bewahren, die lei<strong>de</strong>r häufig in <strong>de</strong>r<br />

Geschichte <strong>de</strong>r Christenheit wie<strong>de</strong>rholt wor<strong>de</strong>n ist. Wollen wir uns daran erinnern, dass<br />

man nicht <strong>de</strong>n Namen Gottes mit Bösem verbin<strong>de</strong>n kann, ohne seinen Zorn hervorzurufen.<br />

Sich auf seinen Namen zu berufen, ist gleichzeitig ein Appell zu praktischer Heiligkeit und<br />

nicht zur Gleichgültigkeit gegenüber <strong>de</strong>m Bösen.<br />

Gott erinnert sein Volk daran, dass er seine Wohnung aus Silo hatte zurückziehen müssen,<br />

nach<strong>de</strong>m die Ältesten Israels gedacht hatten, <strong>de</strong>n Herrn dazu zwingen zu können, sie von<br />

<strong>de</strong>n Philistern zu befreien, in<strong>de</strong>m sie die La<strong>de</strong> Gottes zur Schlacht mitbrachten (1. Sam<br />

4,3.4.11). Die Söhne Elis, die völlig unbeherrscht gesündigt hatten, kamen in <strong>de</strong>n Kämpfen<br />

elendig um.<br />

Seit<strong>de</strong>m hatte <strong>de</strong>r Herr viele Male mit viel Geduld und beharrlich gesprochen, aber<br />

die Selbstgefälligkeit und Verdorbenheit waren <strong>de</strong>rart ausgeprägt, dass <strong>Jeremia</strong> <strong>de</strong>n<br />

ausdrücklichen Befehl bekam, nicht mehr für das Volk zu beten, da <strong>de</strong>r Herr sich nicht<br />

erweichen lassen wür<strong>de</strong>.<br />

Die Zusammenarbeit im Bösen<br />

„Siehst du nicht, was sie in <strong>de</strong>n Städten Judas und auf <strong>de</strong>n Straßen von Jerusalem tun?<br />

Die Kin<strong>de</strong>r lesen Holz auf, und die Väter zün<strong>de</strong>n das Feuer an; und die Frauen kneten<br />

<strong>de</strong>n Teig, um Kuchen zu bereiten für die Königin <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels, und sie spen<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Göttern Trankopfer, um mich zu kränken. Kränken sie mich, spricht <strong>de</strong>r Herr, nicht<br />

vielmehr sich selbst, zur Beschämung ihres Angesichts? Darum, so spricht <strong>de</strong>r Herr,<br />

Herr: Siehe, mein Zorn und mein Grimm wird sich über diesen Ort ergießen, über die<br />

Menschen und über das Vieh und über die Bäume <strong><strong>de</strong>s</strong> Fel<strong><strong>de</strong>s</strong> und über die Frucht <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Lan<strong><strong>de</strong>s</strong>; und er wird brennen und nicht erlöschen.“ (7,17–20)<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 33


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r sündigt, setzt sich <strong>de</strong>n Folgen seiner Sün<strong>de</strong> aus, selbst, wenn er sie<br />

versteckt o<strong>de</strong>r leugnet. Außer<strong>de</strong>m wird das Böse verschlimmert, wenn es öffentlich zur<br />

Schau gestellt wird und alle sich darin einig sind, daran teilzunehmen. „Nach <strong>de</strong>m Bösen<br />

sind bei<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong> gerichtet, um es gut auszuführen (. . . ) und sie flechten es ineinan<strong>de</strong>r“<br />

(Mich 7,3). <strong>Das</strong> ist <strong>de</strong>r Anblick, <strong>de</strong>n die Familien von Juda abgaben, in<strong>de</strong>m sie sich die Hand<br />

reichten, um sich <strong>de</strong>m Götzendienst hinzugeben und <strong>de</strong>n Zorn <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn hervorzurufen.<br />

Auf welche Art und Weise versucht man nicht auch heute, bestimmten Formen <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen<br />

eine öffentliche Akzeptanz beizulegen, um ihre Schan<strong>de</strong> wegzunehmen? <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, Gott<br />

zum Zürnen herauszufor<strong>de</strong>rn.<br />

Kein Opfer kann <strong>de</strong>n Gehorsam ersetzen (7,21–28)<br />

„So spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen, <strong>de</strong>r Gott Israels: Fügt eure Brandopfer zu euren<br />

Schlachtopfern und esst Fleisch. Denn ich habe nicht mit euren Vätern gere<strong>de</strong>t und ihnen<br />

nicht bezüglich <strong><strong>de</strong>s</strong> Brandopfers und <strong><strong>de</strong>s</strong> Schlachtopfers geboten an <strong>de</strong>m Tag, als ich sie<br />

aus <strong>de</strong>m Land Ägypten herausführte; son<strong>de</strong>rn dieses Wort habe ich ihnen geboten und<br />

gesagt: Hört auf meine Stimme, so wer<strong>de</strong> ich euer Gott sein, und ihr wer<strong>de</strong>t mein Volk<br />

sein; und wan<strong>de</strong>lt auf <strong>de</strong>m ganzen Weg, <strong>de</strong>n ich euch gebiete, damit es euch wohl ergeht.<br />

Aber sie haben nicht gehört und ihr Ohr nicht geneigt, son<strong>de</strong>rn sind gewan<strong>de</strong>lt in <strong>de</strong>n<br />

Plänen, im Starrsinn ihres bösen Herzens; und sie haben mir <strong>de</strong>n Rücken zugekehrt und<br />

nicht das Angesicht. Von <strong>de</strong>m Tag an, als eure Väter aus <strong>de</strong>m Land Ägypten auszogen,<br />

bis auf diesen Tag habe ich alle meine Knechte, die <strong>Propheten</strong>, zu euch gesandt, täglich<br />

früh mich aufmachend und sen<strong>de</strong>nd. Aber sie haben nicht auf mich gehört und ihr<br />

Ohr nicht geneigt; und sie haben ihren Nacken verhärtet, haben es schlimmer gemacht<br />

als ihre Väter. Und wenn du alle diese Worte zu ihnen re<strong><strong>de</strong>s</strong>t, so wer<strong>de</strong>n sie nicht auf<br />

dich hören; und rufst du ihnen zu, so wer<strong>de</strong>n sie dir nicht antworten. So sprich <strong>de</strong>nn zu<br />

ihnen: Dies ist das Volk, das auf die Stimme <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, seines Gottes, nicht hört und<br />

keine Zucht annimmt; die Treue ist untergegangen und ist ausgerottet aus ihrem Mund.“<br />

(7,21–28)<br />

Es nützte <strong>de</strong>n Söhnen Israels nichts, weiterhin Brandopfer und Schlachtopfer darzubringen.<br />

Der Herr hatte von Beginn an von ihnen gefor<strong>de</strong>rt, auf seine Stimme zu hören und seinem<br />

Wort zu gehorchen. Seit <strong>de</strong>m Auszug aus Ägypten bis zu diesem Tag „haben sie nicht gehört“<br />

(V.24), welche <strong>Propheten</strong> es auch immer waren, die er ihnen geschickt haben mochte. Schon<br />

Samuel hatte einst Saul erklärt: „Siehe Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufhorchen<br />

besser als das Fett <strong>de</strong>r Wid<strong>de</strong>r“ (1. Sam 15,22). Aber anstatt sich durch das, was ihren Vätern,<br />

z. B. Saul (1. Chr 10,13) o<strong>de</strong>r Manasse, begegnet war, unterweisen zu lassen, han<strong>de</strong>lten sie<br />

noch böser als ihre Väter, wie Amon es getan hat (2. Chr 33,22.23). Sie hatten keine Zucht<br />

annehmen wollen und so gab es keine Heilung mehr.<br />

<strong>Das</strong> Land soll zur Einö<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n<br />

„Schere <strong>de</strong>inen Haarschmuck und wirf ihn weg, und erhebe ein Klagelied auf <strong>de</strong>n kahlen<br />

Höhen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr hat das Geschlecht seines Grimmes verworfen und verstoßen.<br />

Denn die Kin<strong>de</strong>r Juda haben getan, was böse ist in meinen Augen, spricht <strong>de</strong>r Herr; sie<br />

haben ihre Scheusale in das Haus gestellt, das nach meinem Namen genannt ist, um es<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 34


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

zu verunreinigen. Und sie haben die Höhen <strong><strong>de</strong>s</strong> Tophet gebaut, das im Tal <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes<br />

Hinnoms ist, um ihre Söhne und ihre Töchter im Feuer zu verbrennen, was ich nicht<br />

geboten habe und mir nicht in <strong>de</strong>n Sinn gekommen ist. Darum siehe, Tage kommen,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr, da man nicht mehr Tophet o<strong>de</strong>r Tal <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes Hinnoms, son<strong>de</strong>rn<br />

Würgetal sagen wird; man wird im Tophet begraben aus Mangel an Raum. Und die<br />

Leichname dieses Volkes wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Vögeln <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels und <strong>de</strong>n Tieren <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zum<br />

Fraß sein, und niemand wird sie wegscheuchen. Und ich wer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Städten Judas und<br />

auf <strong>de</strong>n Straßen von Jerusalem aufhören lassen die Stimme <strong>de</strong>r Wonne und die Stimme<br />

<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, die Stimme <strong><strong>de</strong>s</strong> Bräutigams und die Stimme <strong>de</strong>r Braut; <strong>de</strong>nn das Land soll<br />

zur Einö<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n.“ (7,29–34)<br />

Seinen Haarschmuck zu scheren war ein Zeichen <strong>de</strong>r Trauer (Hiob 1,20; Jes 22,12). <strong>Jeremia</strong><br />

war zutiefst betrübt über die Auflehnung seines Volkes gegen Gott und über <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Verfall<br />

(4,17–19). Er wur<strong>de</strong> dazu aufgefor<strong>de</strong>rt, das Mal seiner Betrübnis öffentlich zu tragen, jetzt,<br />

wo er das vom Herrn verkün<strong>de</strong>te Urteil über diejenigen bekannt geben musste, die „ihre<br />

Scheusale in das Haus gestellt haben, das nach meinem Namen genannt ist, um es zu<br />

verunreinigen“ (V.30). An <strong>de</strong>m verunreinigten Ort, wo sie <strong>de</strong>n Götzen ihre abscheulichen<br />

Opfer dargebracht hatten 1 , dort sollten ihre Kadaver begraben und sogar <strong>de</strong>n Vögeln <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Himmels und <strong>de</strong>n Tieren <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ausgeliefert wer<strong>de</strong>n. Nichts ist ergreifen<strong>de</strong>r als diese<br />

Beschreibung <strong>de</strong>r Verwüstung <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes, das <strong>de</strong>r Herr liebte, das er aber <strong>de</strong>nnoch so hart<br />

bestrafen musste, weil es „keine Zucht annimmt“ (V.28).<br />

2. Es gibt keine Heilung mehr (Kapitel 8)<br />

Sie weigern sich, umzukehren<br />

„In jener Zeit, spricht <strong>de</strong>r Herr, wird man die Gebeine <strong>de</strong>r Könige von Juda und die<br />

Gebeine seiner Fürsten und die Gebeine <strong>de</strong>r Priester und die Gebeine <strong>de</strong>r <strong>Propheten</strong> und die<br />

Gebeine <strong>de</strong>r Bewohner von Jerusalem aus ihren Gräbern herausnehmen. Und man wird<br />

sie ausbreiten vor <strong>de</strong>r Sonne und vor <strong>de</strong>m Mond und vor <strong>de</strong>m ganzen Heer <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels,<br />

die sie geliebt und <strong>de</strong>nen sie gedient haben und <strong>de</strong>nen sie nachgewan<strong>de</strong>lt sind und die<br />

sie gesucht und vor <strong>de</strong>nen sie sich nie<strong>de</strong>rgebeugt haben; sie wer<strong>de</strong>n we<strong>de</strong>r gesammelt<br />

noch begraben wer<strong>de</strong>n; zu Dünger auf <strong>de</strong>r Fläche <strong><strong>de</strong>s</strong> Erdbo<strong>de</strong>ns sollen sie wer<strong>de</strong>n. Und<br />

<strong>de</strong>r Tod wird <strong>de</strong>m Leben vorgezogen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m ganzen Rest, <strong>de</strong>r von diesem bösen<br />

Geschlecht übrig geblieben ist an allen Orten, wohin ich die Übriggebliebenen verstoßen<br />

haben wer<strong>de</strong>, spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen. Und sprich zu ihnen: So spricht <strong>de</strong>r<br />

Herr: Fällt man <strong>de</strong>nn und steht nicht wie<strong>de</strong>r auf? O<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>t man sich ab und kehrt<br />

nicht wie<strong>de</strong>r zurück? Warum kehrt sich dieses Volk Jerusalems ab in immerwähren<strong>de</strong>r<br />

Abkehr? Sie halten fest am Trug, sie weigern sich umzukehren. Ich habe Acht gegeben<br />

1 Dieser mit „Tophet“ bezeichnete Ort im „Tal <strong>de</strong>r Söhne Hinnoms“ wird das erste Mal in 2.Kön 23,10 als <strong>de</strong>r<br />

Ort erwähnt, an welchem man <strong>de</strong>m Moloch Opfer darbrachte. Dieses Tal <strong><strong>de</strong>s</strong> „Ben-Hinnom“ lag südlich<br />

von Jerusalem (Jos 15,8). Von seinem Namen stammt das griech. Wort „geenna“ ab, das vom Herrn benutzt<br />

wur<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>r Qual, die Hölle, zu beschreiben (vgl. Mt 5,22).<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 35


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

und zugehört: Sie re<strong>de</strong>n, was nicht recht ist; da ist keiner, <strong>de</strong>r seine Bosheit bereut und<br />

spricht: Was habe ich getan! Allesamt wen<strong>de</strong>n sie sich zu ihrem Lauf, wie ein in <strong>de</strong>n<br />

Kampf stürmen<strong><strong>de</strong>s</strong> Pferd. Selbst <strong>de</strong>r Storch am Himmel kennt seine bestimmten Zeiten,<br />

und Turteltaube und Schwalbe und Kranich halten die Zeit ihres Kommens ein; aber<br />

mein Volk kennt das Recht <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn nicht.“ (8,1–7)<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Herr aufs Neue die schrecklichen Gerichte angekündigt hatte, die die Könige<br />

von Juda, die Fürsten, die <strong>Propheten</strong> und die Bewohner von Jerusalem erreichen wür<strong>de</strong>n,<br />

ließ er ihnen noch sagen: „Fällt man <strong>de</strong>nn und steht nicht wie<strong>de</strong>r auf?“ (V.4). Es war für das<br />

Volk sehr schlimm, wie<strong>de</strong>rholte Male so tief gesunken zu sein, aber wie viel schlimmer war<br />

es, sich zu weigern, das nun zu bereuen und die Aufrufe Gottes, zu ihm umzukehren, zu<br />

verachten. Gott achtete auf je<strong><strong>de</strong>s</strong> erste Anzeichen von Reue: „Ich habe Acht gegeben und<br />

zugehört“ (V.6), bereit, je<strong>de</strong> Regung <strong>de</strong>r Rückkehr zu för<strong>de</strong>rn, aber vergeblich. Israel hatte<br />

weniger Einsicht als die Zugvögel, die <strong>de</strong>n Augenblick erkennen können, wo es Zeit wird,<br />

zum Überwintern wie<strong>de</strong>rzukommen.<br />

<strong>Propheten</strong> und Priester<br />

„Wie könnt ihr sagen: Wir sind weise, und das Gesetz <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ist bei uns? Ja, siehe, zur<br />

Lüge hat es gemacht <strong>de</strong>r Lügengriffel <strong>de</strong>r Schreiber. Die Weisen wer<strong>de</strong>n beschämt, bestürzt<br />

und gefangen wer<strong>de</strong>n; siehe, das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn haben sie verschmäht, und welcherlei<br />

Weisheit haben sie? Darum wer<strong>de</strong> ich ihre Frauen an<strong>de</strong>ren geben, ihre Fel<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Besitzern. Denn vom Kleinsten bis zum Größten sind sie allesamt <strong>de</strong>r Gewinnsucht<br />

ergeben; vom <strong>Propheten</strong> bis zum Priester üben sie allesamt Falschheit, und sie heilen<br />

die Wun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes leichthin und sprechen: „Frie<strong>de</strong>n, Frie<strong>de</strong>n!“, und<br />

da ist doch kein Frie<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n beschämt wer<strong>de</strong>n, weil sie Gräuel verübt haben.<br />

Ja, sie schämen sich keineswegs, ja, Beschämung kennen sie nicht. Darum wer<strong>de</strong>n sie<br />

fallen unter <strong>de</strong>n Fallen<strong>de</strong>n; zur Zeit ihrer Heimsuchung wer<strong>de</strong>n sie straucheln, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr. *Wegraffen wer<strong>de</strong> ich sie, spricht <strong>de</strong>r Herr. Keine Trauben am Weinstock<br />

und keine Feigen am Feigenbaum, und das Blatt ist verwelkt: So will ich ihnen solche<br />

bestellen, die sie verheeren wer<strong>de</strong>n.“ (8,8–13)<br />

Die Verantwortung <strong>de</strong>r <strong>Propheten</strong> und <strong>de</strong>r Priester, die direkter mit <strong>de</strong>m Wort Gottes<br />

in Verbindung stan<strong>de</strong>n, war beson<strong>de</strong>rs groß. Die Verse 10 und 11 wie<strong>de</strong>rholen die<br />

Beschuldigung, die schon in Kapitel 6,13.14 gegen sie vorgebracht wor<strong>de</strong>n war. Je mehr<br />

Belehrung man von Gott empfangen hat, umso mehr ist man verantwortlich, im Gehorsam<br />

ihm gegenüber zu han<strong>de</strong>ln. Wenn jedoch statt<strong><strong>de</strong>s</strong>sen Falschheit und schändlicher Gewinn<br />

die Frömmigkeit ersetzen und das Herz gleichgültig gegenüber <strong>de</strong>n Schmerzen <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes<br />

Gottes machen, so wird das Gericht ohne Barmherzigkeit kommen.<br />

Sie heilen die Wun<strong>de</strong> . . . leichthin“ (V.11) und verlangen <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Gott nur geben<br />

kann, wenn wahre Buße vorhan<strong>de</strong>n gewesen ist. Ihre angebliche Weisheit wür<strong>de</strong> zunichte<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n und sie wür<strong>de</strong>n fallen, um ausgerottet zu wer<strong>de</strong>n wie solche, die keinen<br />

Verstand haben. Wenn Gott die Wun<strong>de</strong> zugefügt hat, ist es nichts als Torheit zu versuchen,<br />

eine künstliche Heilung mit <strong>de</strong>n Hilfsmitteln <strong>de</strong>r menschlichen Weisheit herbeizuführen.<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

Wozu bleiben wir sitzen?<br />

„Wozu bleiben wir sitzen? Versammelt euch, und lasst uns in die festen Städte ziehen und<br />

dort umkommen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr, unser Gott, hat uns zum Untergang bestimmt und uns<br />

Giftwasser zu trinken gegeben, weil wir gegen <strong>de</strong>n Herrn gesündigt haben. Man hofft<br />

auf Frie<strong>de</strong>n, und da ist nichts Gutes; auf die Zeit <strong>de</strong>r Heilung, und siehe da, Schrecken.<br />

Von Dan her wird das Schnauben seiner Pfer<strong>de</strong> gehört; vom Schall <strong><strong>de</strong>s</strong> Wieherns seiner<br />

starken Pfer<strong>de</strong> erzittert das ganze Land. Und sie kommen und verzehren das Land und<br />

seine Fülle, die Städte und ihre Bewohner. Denn siehe, ich sen<strong>de</strong> unter euch Schlangen,<br />

Vipern, gegen die es keine Beschwörung gibt; und sie wer<strong>de</strong>n euch beißen, spricht <strong>de</strong>r<br />

Herr.“ (8,14–17)<br />

In <strong>de</strong>m Abschnitt, <strong>de</strong>r mit dieser Frage beginnt, scheinen einige die Teilnahmslosigkeit<br />

abschütteln und vor Gott Ruhe bewahren zu wollen sowie zu erkennen, dass sie gegen <strong>de</strong>n<br />

Herrn gesündigt haben. Aber wenn die Ankündigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Gerichtes Furcht hervorruft und<br />

<strong>de</strong>n Wunsch, in <strong>de</strong>n „festen Städten“ Zuflucht zu suchen, ist das Gewissen nicht tiefgehend<br />

berührt wor<strong>de</strong>n. Wir fin<strong>de</strong>n im Wort Gottes einige Beispiele von Männern, die durch die<br />

Worte „Ich habe gesündigt“ versucht haben, <strong>de</strong>n Folgen zu entgehen, ohne dass das Herz<br />

vor Gott aufrichtig gewesen wäre, sich wirklich zu <strong>de</strong>mütigen (wie etwa <strong>de</strong>r Pharao o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

König Saul: 2. Mo 10,16; 1. Sam 15,24). Zu bekennen, dass man gesündigt hat, ist dann ein<br />

Fallstrick für einen Menschen, wenn er nicht soweit geht, tatsächlich das Böse einzusehen<br />

und es aufzugeben.<br />

Der Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong><br />

„O meine Erquickung im Kummer! Mein Herz ist krank in mir. Siehe, die Stimme <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Geschreis <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes kommt aus fernem Land: „Ist <strong>de</strong>r Herr nicht in Zion,<br />

o<strong>de</strong>r ist ihr König nicht darin?“ Warum haben sie mich gereizt durch ihre geschnitzten<br />

Bil<strong>de</strong>r, durch Nichtigkeiten <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong>? „Vorüber ist die Ernte, die Obstlese ist zu En<strong>de</strong>,<br />

und wir sind nicht gerettet!“ Ich bin zerschlagen wegen <strong>de</strong>r Zerschmetterung <strong>de</strong>r Tochter<br />

meines Volkes; ich gehe trauernd umher, Entsetzen hat mich ergriffen. Ist kein Balsam in<br />

Gilead, o<strong>de</strong>r kein Arzt dort? Denn warum ist <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes kein Verband<br />

angelegt wor<strong>de</strong>n? O dass mein Haupt Wasser wäre und mein Auge ein Tränenquell,<br />

so wollte ich die Erschlagenen <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes Tag und Nacht beweinen!“<br />

(8,18–23)<br />

<strong>Jeremia</strong> war mit <strong>de</strong>m Volk Israel zutiefst verbun<strong>de</strong>n, beson<strong>de</strong>rs mit Zion in Jerusalem,<br />

„<strong>de</strong>r Tochter meines Volkes“ (V.22). Die große „Zerschmetterung“ (V.21), die diejenigen<br />

heimsuchen wür<strong>de</strong>, die er liebte, erfüllte ihn mit Trauer und Entsetzen. Hätte er irgen<strong>de</strong>inen<br />

Trost fin<strong>de</strong>n können, während er schon die Stimme <strong>de</strong>r Gefangenen aus einem fernen Land<br />

hörte? Aber war sie nicht die Stadt <strong><strong>de</strong>s</strong> großen Königs (Ps 48,3)? Sollte nicht <strong>de</strong>r Herr selber<br />

darin regieren (Ps 24,10)? Diese Zusicherung war es, in <strong>de</strong>r er in seiner Bestürzung einen<br />

Grund fand, entgegen aller Hoffnung <strong>de</strong>nnoch zu hoffen. Wie war es möglich gewesen, dass<br />

Zion die gelegene Zeit hatte verstreichen lassen, zu <strong>de</strong>m umzukehren, <strong>de</strong>r in Kap. 30,17 sagt:<br />

„Ich will dir einen Verband anlegen und dich von <strong>de</strong>inen Schlägen heilen“ (30,17)?<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 37


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

<strong>Jeremia</strong> bringt hier seine Empfindungen zum Ausdruck, die an die Liebe Christi angesichts<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> verstockten Unglaubens Jerusalems erinnern, als er es besuchen kam: „Jerusalem,<br />

Jerusalem. . . Wie oft habe ich <strong>de</strong>ine Kin<strong>de</strong>r versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken<br />

versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“ (Mt 23,37).<br />

3. <strong>Das</strong> Lei<strong>de</strong>n und die Klage <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> (Kapitel 9)<br />

Sollte ich sie nicht bestrafen<br />

„O dass ich in <strong>de</strong>r Wüste eine Wan<strong>de</strong>rer-Herberge hätte, so wollte ich mein Volk verlassen<br />

und von ihnen wegziehen! Denn sie sind allesamt Ehebrecher, eine Rotte Treuloser. Und<br />

sie spannen ihre Zunge, ihren Bogen, mit Lüge, und nicht nach Treue herrschen sie im<br />

Land; <strong>de</strong>nn sie schreiten fort von Bosheit zu Bosheit, und mich kennen sie nicht, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr. Hütet euch, je<strong>de</strong>r vor seinem Freund, und vertraut auf keinen Bru<strong>de</strong>r; <strong>de</strong>nn<br />

je<strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r treibt Hinterlist, und je<strong>de</strong>r Freund geht als Verleum<strong>de</strong>r umher. Und sie<br />

betrügen einer <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, und Wahrheit re<strong>de</strong>n sie nicht; sie lehren ihre Zunge Lügen<br />

re<strong>de</strong>n, sie mühen sich ab, verkehrt zu han<strong>de</strong>ln. Deine Wohnung ist mitten unter Trug. Vor<br />

Trug weigern sie sich, mich zu erkennen, spricht <strong>de</strong>r Herr. Darum, so spricht <strong>de</strong>r Herr<br />

<strong>de</strong>r Heerscharen: Siehe, ich will sie schmelzen und läutern; <strong>de</strong>nn wie sollte ich an<strong>de</strong>rs<br />

han<strong>de</strong>ln wegen <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes? Ihre Zunge ist ein mör<strong>de</strong>rischer Pfeil, man<br />

re<strong>de</strong>t Trug; mit seinem Mund re<strong>de</strong>t man Frie<strong>de</strong>n mit seinem Nächsten, und in seinem<br />

Innern legt man ihm einen Hinterhalt. Sollte ich dies nicht an ihnen heimsuchen, spricht<br />

<strong>de</strong>r Herr, o<strong>de</strong>r sollte an einer Nation wie dieser meine Seele sich nicht rächen?“ (9,1–8)<br />

Der Schmerz <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> wur<strong>de</strong> noch dadurch verstärkt, weil er eine tiefe Zuneigung zu<br />

seinem Volk empfin<strong>de</strong>t, aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit, sich von ihm zu trennen.<br />

Einerseits liebte er sein Volk sehr, so dass er die Wun<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>s</strong> Volkes als seine eigenen<br />

empfand. An<strong>de</strong>rerseits war er gezwungen, sich ganz von <strong>de</strong>m Bösen zu trennen, in <strong>de</strong>m die<br />

Menschen lebten. Diese Trennung drückte sich in <strong>de</strong>m Wunsch aus, von ihnen entfernt zu<br />

sein, während ihn seine liebevolle Besorgnis zu ihnen hinzog. Schließlich machte ihn das<br />

Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn auf die völlige Ver<strong>de</strong>rbnis aufmerksam, die ihn umgab: Lüge, Schmähung,<br />

Betrug. All diese Handlungen waren schwere Sün<strong>de</strong>n, aber wenn sie unter Freun<strong>de</strong>n und<br />

Brü<strong>de</strong>rn geschehen, verurteilt Gott sie umso schärfer. Kann er diese Dinge ertragen? Nein,<br />

son<strong>de</strong>rn er züchtigt beson<strong>de</strong>rs die, die seinen Namen tragen.<br />

Jerusalem, ein Steinhaufen<br />

„Über die Berge will ich ein Weinen und eine Wehklage erheben und über die Wei<strong>de</strong>plätze<br />

<strong>de</strong>r Steppe ein Klagelied. Denn sie sind verbrannt, so dass niemand hindurchzieht und<br />

man die Stimme <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> nicht hört; sowohl die Vögel <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels als auch das<br />

Vieh sind geflohen, weggezogen. Und ich wer<strong>de</strong> Jerusalem zu Steinhaufen machen, zur<br />

Wohnung <strong>de</strong>r Schakale, und die Städte von Juda zur Einö<strong>de</strong> machen, ohne Bewohner.<br />

Wer ist <strong>de</strong>r weise Mann, dass er dieses versteht, und zu wem hat <strong>de</strong>r Mund <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn<br />

gere<strong>de</strong>t, dass er es kundtut, warum das Land zugrun<strong>de</strong> geht und verbrannt wird wie<br />

www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 38


<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

die Wüste, so dass niemand hindurchzieht? Und <strong>de</strong>r Herr sprach: Weil sie mein Gesetz<br />

verlassen haben, das ich ihnen vorgelegt habe, und auf meine Stimme nicht gehört haben<br />

und nicht darin gewan<strong>de</strong>lt sind, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m Starrsinn ihres Herzens und <strong>de</strong>n Baalim<br />

nachgegangen sind, was ihre Väter sie gelehrt haben. Darum, so spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r<br />

Heerscharen, <strong>de</strong>r Gott Israels: Siehe, ich will ihnen, diesem Volk, Wermut zu essen und<br />

Giftwasser zu trinken geben und sie unter die Nationen zerstreuen, die sie nicht gekannt<br />

haben, we<strong>de</strong>r sie noch ihre Väter; und ich will das Schwert hinter ihnen hersen<strong>de</strong>n, bis<br />

ich sie vernichtet habe.“ (9,9–15)<br />

Noch einmal kündigte Gott durch <strong>de</strong>n Mund <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> die völlige Verwüstung an,<br />

die das Land Juda und Jerusalem treffen wür<strong>de</strong>, sowie die Zerstreuung seiner Bewohner<br />

unter die Nationen, weil sie nicht auf seine Stimme hören wollten. Im Gegenteil, sie „sind<br />

<strong>de</strong>m Starrsinn ihres Herzens und <strong>de</strong>n Baalim nachgegangen“. Diese Verse wie<strong>de</strong>rholen mit<br />

an<strong>de</strong>ren Worten das, was in <strong>de</strong>n vorigen Kapiteln schon angekündigt wor<strong>de</strong>n war. Ist dies<br />

nicht ein rühren<strong>de</strong>r Beweis <strong>de</strong>r Güte Gottes, <strong>de</strong>r seine Appelle an ein wi<strong>de</strong>rspenstiges und<br />

eigensinniges Volk mehrfach wie<strong>de</strong>rholt, um es zur Umkehr zu ihm zu bewegen?<br />

Ich bin <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r Güte, Recht und Gerechtigkeit übt<br />

„So spricht <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen: Gebt Acht und ruft Klageweiber, dass sie kommen,<br />

und schickt zu <strong>de</strong>n weisen Frauen, dass sie kommen und schnell eine Wehklage über uns<br />

erheben, damit unsere Augen von Tränen rinnen und unsere Wimpern von Wasser fließen.<br />

Denn eine Stimme <strong>de</strong>r Wehklage wird aus Zion gehört: „Wie sind wir verwüstet! Wir sind<br />

völlig zuschan<strong>de</strong>n gewor<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>nn wir haben das Land verlassen müssen, <strong>de</strong>nn sie haben<br />

unsere Wohnungen umgestürzt.“ Denn hört, ihr Frauen, das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, und euer<br />

Ohr fasse das Wort seines Mun<strong><strong>de</strong>s</strong>; und lehrt eure Töchter Wehklage und eine die an<strong>de</strong>re<br />

Klagegesang. Denn <strong>de</strong>r Tod ist durch unsere Fenster gestiegen, er ist in unsere Paläste<br />

gekommen, um das Kind auszurotten von <strong>de</strong>r Gasse, die Jünglinge von <strong>de</strong>n Straßen.<br />

Re<strong>de</strong>: So spricht <strong>de</strong>r Herr: Ja, die Leichen <strong>de</strong>r Menschen wer<strong>de</strong>n fallen wie Dünger auf<br />

<strong>de</strong>r Fläche <strong><strong>de</strong>s</strong> Fel<strong><strong>de</strong>s</strong> und wie eine Garbe hinter <strong>de</strong>m Schnitter, die niemand sammelt.<br />

So spricht <strong>de</strong>r Herr: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, und <strong>de</strong>r Starke rühme<br />

sich nicht seiner Stärke, <strong>de</strong>r Reiche rühme sich nicht seines Reichtums, son<strong>de</strong>rn wer sich<br />

rühmt, rühme sich <strong><strong>de</strong>s</strong>sen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, dass ich <strong>de</strong>r Herr<br />

bin, <strong>de</strong>r Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn daran habe ich Gefallen,<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr. Siehe, Tage kommen, spricht <strong>de</strong>r Herr, da wer<strong>de</strong> ich alle Beschnittenen<br />

mit <strong>de</strong>n Unbeschnittenen heimsuchen: Ägypten und Juda und Edom und die Kin<strong>de</strong>r<br />

Ammon und Moab und alle mit geschorenen Haarrän<strong>de</strong>rn, die in <strong>de</strong>r Wüste wohnen;<br />

<strong>de</strong>nn alle Nationen sind unbeschnitten, und das ganze Haus Israel ist unbeschnittenen<br />

Herzens.“ (9,16–25)<br />

Es gab nichts an<strong>de</strong>res mehr zu tun, als zu trauern. Die Frauen Israels wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />

es unverzüglich zu tun. Jetzt war <strong>de</strong>r Zeitpunkt gekommen, wo das Hören auf das Wortes<br />

Gottes darin bestand, in Trauer zu sein und anzuerkennen, dass <strong>de</strong>r Feind das Volk Gottes<br />

mit <strong>de</strong>r verdienten Schmach be<strong>de</strong>ckt hatte. Alle menschlichen Hilfsmittel – Weisheit,<br />

Wachsamkeit, Reichtum – wur<strong>de</strong>n zunichte gemacht. Aber für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Gott in seinem<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

persönlichen Leben kennt und ihn in seinem Han<strong>de</strong>ln erkennt, selbst in diesen von ihm<br />

zugelassenen Umstän<strong>de</strong>n, gibt es eine Ermutigung. Es ist sogar ein Anlass zum Rühmen:<br />

„Wer sich rühmt, rühme sich <strong><strong>de</strong>s</strong>sen: Einsicht zu haben, und mich zu erkennen, dass ich <strong>de</strong>r<br />

Herr bin, <strong>de</strong>r Güte, Recht und Gerechtigkeit übt“ (V.24). Der sichere Fels bleibt inmitten<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Sturmes bestehen. Er ist die Zuflucht <strong><strong>de</strong>s</strong> Glaubens zu aller Zeit:<br />

• Trost im Sturm in <strong>de</strong>r Gewissheit, dass Gott immer sein Wohlgefallen an <strong>de</strong>m hat, was<br />

seinem Wesen entspricht,<br />

• Ermahnung, wenn ein wenig scheinbarer Wohlstand glauben lässt, dass irgen<strong>de</strong>ine<br />

Kraft im Menschen wäre.<br />

Dieser Vers wird in 1. Korinther 1,31 zitiert, um vor je<strong>de</strong>r menschlichen Anmaßung in<br />

<strong>de</strong>r Versammlung zu warnen. Die Gedanken Gottes sind unverän<strong>de</strong>rlich und sein Wort ist<br />

immer in <strong>de</strong>r Lage, die zu unterweisen, die es hören.<br />

Wenn man sich weigert, zu hören, wozu sollte es dann noch nützen, für Gott abgeson<strong>de</strong>rt<br />

zu sein, wie die Israeliten es durch die Beschneidung waren? Es nützte nichts mehr, sie<br />

wür<strong>de</strong> das gleiche Gericht wie die unbeschnittenen Nationen treffen. Nichts ist gefährlicher,<br />

als sich auf eine rein äußerliche Beziehung zu Gott zu verlassen – Beschneidung, Taufe,<br />

religiöse Werke, Sakramente – und dabei mit <strong>de</strong>m Herzen keine echte Gemeinschaft mit<br />

ihm durch <strong>de</strong>n Glauben und <strong>de</strong>n Gehorsam seinem Worte gegenüber zu haben.<br />

4.) Israel soll sich nicht mit <strong>de</strong>n Nationen vermischen (Kapitel 10)<br />

Lernt nicht <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Nationen<br />

„Hört das Wort, das <strong>de</strong>r Herr zu euch re<strong>de</strong>t, Haus Israel! So spricht <strong>de</strong>r Herr: Lernt<br />

nicht <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Nationen, und erschreckt nicht vor <strong>de</strong>n Zeichen <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels, weil die<br />

Nationen vor ihnen erschrecken. Denn die Satzungen <strong>de</strong>r Völker sind Nichtigkeit; <strong>de</strong>nn<br />

Holz ist es, das einer aus <strong>de</strong>m Wald gehauen hat, ein Werk von Künstlerhän<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>m<br />

Beil gefertigt. Er schmückt es mit Silber und mit Gold; mit Nägeln und mit Hämmern<br />

befestigen sie es, dass es nicht wankt; sie sind wie eine gedrechselte Palme und re<strong>de</strong>n<br />

nicht; sie wer<strong>de</strong>n getragen, <strong>de</strong>nn sie gehen nicht. Fürchtet euch nicht vor ihnen; <strong>de</strong>nn<br />

sie können nichts Böses tun, und Gutes zu tun steht auch nicht bei ihnen. Gar keiner ist<br />

dir gleich, Herr; du bist groß, und groß ist <strong>de</strong>in Name in Macht. Wer sollte dich nicht<br />

fürchten, König <strong>de</strong>r Nationen? Denn dir gebührt es. Denn unter allen Weisen <strong>de</strong>r Nationen<br />

und in allen ihren Königreichen ist gar keiner dir gleich, son<strong>de</strong>rn sie sind allesamt dumm<br />

und töricht; die Unterweisung <strong>de</strong>r Nichtigkeiten ist Holz. Dünngeschlagenes Silber wird<br />

aus Tarsis gebracht und Gold aus Uphas, ein Werk <strong><strong>de</strong>s</strong> Künstlers und <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Goldschmieds; blauer und roter Purpur ist ihr Gewand, ein Werk von Kunstfertigen sind<br />

sie allesamt. Aber <strong>de</strong>r Herr ist Gott in Wahrheit; er ist <strong>de</strong>r lebendige Gott und ein ewiger<br />

König. Vor seinem Grimm erbebt die Er<strong>de</strong>, und seinen Zorn können die Nationen nicht<br />

ertragen.“ (10,1–10)<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

Mit <strong>de</strong>m Kapitel 10 en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Abschnitt, <strong>de</strong>r in Kapitel 7 damit begann, dass das Haus Israel<br />

ernstlich vor <strong>de</strong>m Aberglauben <strong>de</strong>r heidnischen Nationen gewarnt wur<strong>de</strong>, die Gegenstän<strong>de</strong><br />

aus Holz und Stein sowie die Zeichen <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels fürchteten. Allein <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r Himmel<br />

und Er<strong>de</strong> gemacht hat, sollte gefürchtet wer<strong>de</strong>n. „Der Herr ist Gott in Wahrheit, er ist<br />

<strong>de</strong>r lebendige Gott und ein ewiger König“ (V.10). Er än<strong>de</strong>rt sich nicht, selbst wenn er sein<br />

Volk für eine bestimmte Zeit an die Nationen ausliefern musste, um von ihnen mit Füßen<br />

getreten zu wer<strong>de</strong>n. Er wird auch diese Nationen richten.<br />

Der Herr bleibt <strong>de</strong>rselbe<br />

„So sollt ihr zu ihnen sprechen: Die Götter, die <strong>de</strong>n Himmel und die Er<strong>de</strong> nicht gemacht<br />

haben, diese wer<strong>de</strong>n verschwin<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> und unter diesem Himmel hinweg. Er<br />

hat die Er<strong>de</strong> gemacht durch seine Kraft, <strong>de</strong>n Erdkreis festgestellt durch seine Weisheit<br />

und die Himmel ausgespannt durch seine Einsicht. Wenn er beim Schall <strong><strong>de</strong>s</strong> Donners<br />

Wasserrauschen am Himmel bewirkt und Dünste aufsteigen lässt vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>,<br />

Blitze beim Regen macht und <strong>de</strong>n Wind herausführt aus seinen Vorratskammern –<br />

dumm wird je<strong>de</strong>r Mensch, ohne Erkenntnis; beschämt wird je<strong>de</strong>r Goldschmied über<br />

das geschnitzte Bild, <strong>de</strong>nn sein gegossenes Bild ist Lüge, und kein Geist ist in ihnen.<br />

Nichtigkeit sind sie, ein Werk <strong><strong>de</strong>s</strong> Gespötts: Zur Zeit ihrer Heimsuchung gehen sie<br />

zugrun<strong>de</strong>. Jakobs Teil ist nicht wie diese; <strong>de</strong>nn er ist es, <strong>de</strong>r das All gebil<strong>de</strong>t hat, und<br />

Israel ist <strong>de</strong>r Stamm seines Erbteils; Herr <strong>de</strong>r Heerscharen ist sein Name.“ (10,11–16)<br />

Israel sollte sich nicht dahin verirren, die heidnischen Nationen nachzuahmen. Es könnte<br />

versucht wer<strong>de</strong>n, es ihnen gleichzutun, da sie überlegen zu sein schienen. Diese Ermahnung<br />

ist umso wichtiger, als Israel mit <strong>de</strong>n Nationen vermischt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, die es in die<br />

Gefangenschaft führen wür<strong>de</strong>n. Und in seinem Land wür<strong>de</strong> es unter <strong>de</strong>r Anmaßung <strong>de</strong>r<br />

Nachbarvölker lei<strong>de</strong>n, die Israel gegenüber früher tributpflichtig gewesen waren, jetzt aber<br />

von seiner Erniedrigung profitierten, in<strong>de</strong>m sie über sie triumphierten und ihre Götter<br />

verehrten.<br />

Es ist <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r die Welt durch seine Weisheit gegrün<strong>de</strong>t hat, <strong>de</strong>r über alles verfügt. Sein<br />

Volk und die Nationen mögen erschüttert wer<strong>de</strong>n wie durch <strong>de</strong>n Aufruhr großer Wasser,<br />

aber er wird seine Gedanken und Verheißungen ausführen. Die Nationen wer<strong>de</strong>n bestraft<br />

und Israel zur gelegenen Zeit als ihre Rute offenbar wer<strong>de</strong>n, als das Werkzeug <strong>de</strong>r Strafe<br />

und <strong>de</strong>r Herrschaft über alle Nationen.<br />

Eine angemessene Züchtigung<br />

„Raffe <strong>de</strong>in Gepäck zusammen aus <strong>de</strong>m Land, du Bewohnerin <strong>de</strong>r Festung! Denn so<br />

spricht <strong>de</strong>r Herr: Siehe, ich wer<strong>de</strong> diesmal die Bewohner <strong><strong>de</strong>s</strong> Lan<strong><strong>de</strong>s</strong> wegschleu<strong>de</strong>rn und<br />

sie ängstigen, damit sie sie fin<strong>de</strong>n. Wehe mir wegen meiner Wun<strong>de</strong>! Schmerzhaft ist mein<br />

Schlag. Doch ich spreche: Ja, das ist mein Lei<strong>de</strong>n, und ich will es tragen. Mein Zelt ist<br />

zerstört, und alle meine Seile sind zerrissen; meine Kin<strong>de</strong>r sind von mir weggezogen und<br />

sind nicht mehr. Da ist niemand mehr, <strong>de</strong>r mein Zelt ausspannt und meine Zeltbehänge<br />

aufrichtet. Denn die Hirten sind dumm gewor<strong>de</strong>n und haben <strong>de</strong>n Herrn nicht gesucht;<br />

darum haben sie nicht verständig gehan<strong>de</strong>lt, und ihre ganze Her<strong>de</strong> hat sich zerstreut.<br />

Horch, ein Gerücht: Siehe, es kommt, und ein großes Getöse vom Land <strong><strong>de</strong>s</strong> Nor<strong>de</strong>ns, um<br />

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<strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong> <strong>Jeremia</strong> (M.A.) Kapitel 7–10<br />

die Städte Judas zur Einö<strong>de</strong> zu machen, zur Wohnung <strong>de</strong>r Schakale. Ich weiß, Herr, dass<br />

nicht beim Menschen sein Weg steht, nicht bei <strong>de</strong>m Mann, <strong>de</strong>r da wan<strong>de</strong>lt, seinen Gang<br />

zu richten. Züchtige mich, Herr, doch nach Gebühr; nicht in <strong>de</strong>inem Zorn, dass du mich<br />

nicht aufreibst. Ergieße <strong>de</strong>inen Grimm über die Nationen, die dich nicht kennen, und über<br />

die Geschlechter, die <strong>de</strong>inen Namen nicht anrufen! Denn sie haben Jakob aufgezehrt, ja,<br />

sie haben ihn aufgezehrt und ihn vernichtet und seine Wohnung verwüstet.“ (10,17–25)<br />

Wenn Gott auch an seinem endgültigen Plan für Israel festhält, war die damalige Zeit<br />

von Verwüstung und Verfall geprägt, was <strong>de</strong>n <strong>Propheten</strong> sehr lei<strong>de</strong>n ließ. Er empfand die<br />

Züchtigung, als ob sie ihn direkt selbst betroffen hätte: „Schmerzhaft ist mein Schlag. . . das<br />

ist mein Lei<strong>de</strong>n“ (V.19). Aber sein Vertrauen, das sich auf die Treue Gottes stützte, ließ ihn<br />

sagen: „Ich will es tragen“ (V.19). Er anerkannte, dass Gott in allen seinen Wegen gerecht ist<br />

und wandte sich an ihn in <strong>de</strong>m Bewusstsein, dass er nicht gerne betrübt, son<strong>de</strong>rn nur um zu<br />

korrigieren, damit er am En<strong>de</strong> Gutes tun kann. <strong>Das</strong> wahre Empfin<strong>de</strong>n für die Schwachheit<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, seine völlige Unfähigkeit, brachte ihn dahin, seine Barmherzigkeit anzurufen:<br />

„Ich weiß, Herr, dass nicht beim Menschen sein Weg steht, nicht bei <strong>de</strong>m Mann, <strong>de</strong>r da<br />

wan<strong>de</strong>lt, seinen Gang zu richten“ (V.23; vgl. Spr 16,9). Der Zorn ist nicht sein Ziel, son<strong>de</strong>rn<br />

ein Mittel, das wegen <strong>de</strong>r Auflehnung <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen notwendig ist. Viele Seiten <strong>de</strong>r Schrift<br />

erinnern uns daran: „Denn ein Augenblick wird verbracht in seinem Zorn, ein Leben<br />

in seiner Gunst“ (Ps 30,5). „Wenn wir aber gerichtet wer<strong>de</strong>n, so wer<strong>de</strong>n wir vom Herrn<br />

gezüchtigt, damit wir nicht mit <strong>de</strong>r Welt verurteilt wer<strong>de</strong>n“ (1. Kor 11,32). Wer sich <strong>de</strong>m<br />

unterwirft und <strong>de</strong>n Ta<strong>de</strong>l annimmt in <strong>de</strong>m Bewusstsein, dass die Hand, die ihn schlägt, es<br />

mit Liebe tut, kann sagen: „Züchtige mich, Herr, doch nach Gebühr, nicht in <strong>de</strong>inem Zorn“<br />

(V.24). Es ist ein bewegen<strong>de</strong>r Ausdruck von <strong>de</strong>r Art und Weise, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geist Gottes <strong>de</strong>n<br />

Geist <strong><strong>de</strong>s</strong> Gläubigen in <strong>de</strong>r Prüfung leitet und erhält.<br />

<strong>Das</strong> Kapitel en<strong>de</strong>t mit einem Aufruf <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Propheten</strong>, dass Gott seinen Zorn über die Nationen<br />

ergießen möge, die Jakob verschlungen haben 2 , <strong>de</strong>nn die Vernichtung seiner Fein<strong>de</strong> muss<br />

<strong>de</strong>r Befreiung Israels vorausgehen.<br />

2 Die Verwendung <strong><strong>de</strong>s</strong> Namens Jakob anstelle von Israel <strong>de</strong>utet darauf hin, dass das Volk Israel hier als<br />

dasjenige gesehen wird, was es von Natur aus ist, nicht als das auserwählte Volk Gottes.<br />

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