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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes<br />
James Butler Stoney
Dieser Kommentar ist erschienen bei Ernst-Paulus-Verlag. Aus <strong>de</strong>m Englischen übersetzt; lei<strong>de</strong>r<br />
seit einigen Jahren vergriffen.<br />
© 2014 Ernst-Paulus-Verlag und www.bibelkommentare.<strong>de</strong><br />
Dieser Kommentar ist im Internet veröffentlicht unter: www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/get/cmt.219.pdf<br />
Kontakt: info@bibelkommentare.<strong>de</strong>
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Adam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Abel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Henoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Noah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Abraham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Isaak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Jakob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Joseph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
Hiob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
Josua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
Gi<strong>de</strong>on . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />
Simson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
Ruth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
Samuel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />
David . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
Elia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />
Elisa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />
Hiskia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 3
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Jesaja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171<br />
Jeremia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />
Hesekiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />
Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />
Bibelstellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 4
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Einleitung<br />
Einleitung<br />
Für <strong>de</strong>n Gläubigen kann nichts anziehen<strong>de</strong>r sein <strong>als</strong> die Art und die Ergebnisse jener<br />
Erziehung zu betrachten, die unser Gott in <strong>de</strong>r Fülle Seiner Liebe und Weisheit Seinem<br />
Volke ange<strong>de</strong>ihen läßt.<br />
Trotz seiner Anziehungskraft und seiner Notwendigkeit für die geheimen Seelenübungen<br />
wird dieser Gegenstand nur wenig verstan<strong>de</strong>n, und die Wege Gottes wer<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r für<br />
son<strong>de</strong>rbar gehalten o<strong>de</strong>r es fehlt ihnen je<strong>de</strong> richtige und nützliche Erklärung.<br />
Ich möchte daher mit <strong>de</strong>s Herrn Hilfe in einer Reihe von Aufsätzen Gegenstand und<br />
Wirkung <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Erziehung darstellen, wie sie uns im Hinblick auf hervorragen<strong>de</strong><br />
Zeugen Gottes auf Er<strong>de</strong>n berichtet wird.<br />
Ich möchte es tun, um die Herzen <strong>de</strong>r Gläubigen dahin zu führen, sich mehr mit einer Sache<br />
zu beschäftigen, die uns in beson<strong>de</strong>rer Weise mit <strong>de</strong>n geheimen, liebevollen Gedanken<br />
Gottes für uns verbin<strong>de</strong>t.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 5
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
Adam<br />
Ich beginne <strong>de</strong>mgemäß bei Adam. Obgleich er eigentlich nicht am Anfang <strong>de</strong>s<br />
Glaubenslebens steht, war er doch <strong>de</strong>r Gegenstand ernster Zucht und ein bemerkenswertes<br />
Beispiel ihrer Wirkung. Einst hatte Adam die Zucht nicht nötig – ein Zustand, <strong>de</strong>n später<br />
nie ein Mensch kennengelernt hat. Als er in Übertretung fiel, brach <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Zucht<br />
an. Er, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> Gottes geschaffen war, <strong>de</strong>r Gott näher stand <strong>als</strong> je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re<br />
Geschöpf, ist jetzt von einem Geist und einer Natur erfüllt, die Gott so entgegengesetzt<br />
sind, daß er, wenn er für Gott leben will, lernen muß, seinem eigenen Willen zu entsagen,<br />
geübt unter <strong>de</strong>r mächtigen Hand Gottes. Für Adam muß dies ein eigenartiger Gegensatz<br />
zu <strong>de</strong>r einst ruhigen Unterwerfung seines Sinnes unter <strong>de</strong>n Willen Gottes gewesen sein.<br />
Folglich muß er ihn um so mehr gefühlt haben, und während <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand seines Herzens<br />
unterdrückt wur<strong>de</strong>, muß er die Herrschaft Gottes mit <strong>de</strong>r Machtlosigkeit <strong>de</strong>r Unschuld<br />
verglichen haben. Im Zustand <strong>de</strong>r Unschuld war er gefallen, und ihn, <strong>de</strong>n Gefallenen, erhob<br />
die Hand Gottes -und er war nicht unwissend o<strong>de</strong>r teilnahmslos dabei, son<strong>de</strong>rn tätig, von<br />
seiner Schuld überführt. Die Unschuld war bei ihm schwach gewesen. Die Macht Gottes,<br />
die seine nicht mehr unschuldige Natur unterwarf, war groß und mächtig. Nie wie<strong>de</strong>r hätte<br />
er <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r Unschuld zurückgesehnt, <strong>de</strong>nn er wußte, wie schwach jener war. Er<br />
wußte, daß er <strong>als</strong> Gefallener in <strong>de</strong>r Macht Gottes mehr vermochte, <strong>als</strong> er ohne Hilfe im<br />
Zustand <strong>de</strong>r Unschuld je hätte versuchen können. Als Unschuldiger hatte er keinen Begriff<br />
von <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>s Lebens; <strong>als</strong> Gefallener, <strong>de</strong>r an die Offenbarung Gottes glaubte, konnte<br />
er jetzt das einzige Geschöpf, <strong>de</strong>m er bisher einen Namen gegeben hatte, die Mutter aller<br />
Lebendigen nennen. Unter <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s konnte er von Leben re<strong>de</strong>n, während er<br />
<strong>als</strong> Unschuldiger – wenn er ungehorsam war – mit <strong>de</strong>m Tod bestraft wur<strong>de</strong>. Die Unschuld<br />
konnte jetzt keinen Reiz mehr für ihn haben. Sie war zwar eine Zeit wun<strong>de</strong>rbarer Seligkeit<br />
gewesen, aber ein Zustand, in <strong>de</strong>m er nicht bleiben konnte; unter <strong>de</strong>r Zucht Gottes steht<br />
er nun sittlich höher, obgleich stellungsmäßig tiefer. Adam wur<strong>de</strong> nicht betrogen, son<strong>de</strong>rn<br />
beeinflußt. Früh ent<strong>de</strong>ckt er die Schwächen <strong>de</strong>r Natur, die schließlich zu seinem Fall führten.<br />
We<strong>de</strong>r die Welt und ihre Herrlichkeit noch irgen<strong>de</strong>ine Art <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>ren Geschöpfe konnte<br />
das Sehnen Adams nach einem Gefährten stillen: für ihn wur<strong>de</strong> keine Hilfe gefun<strong>de</strong>n, und<br />
es war „nicht gut, daß er allein war.“ Das Verlangen seiner Natur war nicht befriedigt; aber<br />
<strong>als</strong> diejenige, die ihn befriedigte, betrogen wur<strong>de</strong>, gibt er ihrem Einfluß nach, wie er selbst<br />
gesteht: „Sie gab mir . . . und ich aß“. So eröffnet <strong>de</strong>r erste Mensch das Geheimnis seines<br />
Herzens, daß er von jemand an<strong>de</strong>rs abhängig war, so daß, <strong>als</strong> Satan nicht wagte ihn zu<br />
betrügen, Eva <strong>als</strong> die Person seiner Zuneigungen ihn mit Erfolg beeinflußte. jetzt haben<br />
bei<strong>de</strong> ent<strong>de</strong>ckt, daß sie Gott entfrem<strong>de</strong>t sind und verbergen sich vor Seiner Gegenwart; aber<br />
jetzt wer<strong>de</strong>n ihnen die ersten Lehren <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes zuteil.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 6
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
Zucht ist eigentlich sowohl Überführung von Sün<strong>de</strong>, <strong>als</strong> auch Zurechtweisung. Züchtigung<br />
o<strong>de</strong>r Zurechtweisung verbun<strong>de</strong>n mit Lei<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> willen machen mich zu einem<br />
Teilhaber <strong>de</strong>r Herrlichkeit. Meine Natur wird dadurch nicht verbessert, aber ich wer<strong>de</strong> so<br />
von ihrer völligen Hilflosigkeit überzeugt, daß ich mich Gott hingeben kann, und das ist die<br />
wahre und klare Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Heiligung, „ohne welche niemand <strong>de</strong>n Herrn schauen wird.“<br />
Von Sün<strong>de</strong> überführt zu wer<strong>de</strong>n, ist äußerst schmerzlich, und wenn wir nicht ein starkes<br />
Bewußtsein von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes haben, wenn wir überführt wer<strong>de</strong>n, dann wer<strong>de</strong>n wir<br />
sehr nie<strong>de</strong>rgedrückt sein und dazu neigen, in <strong>de</strong>r Verzweiflung alles aufzugeben. Daher die<br />
Ermahnung: „noch ermatte, wenn du von ihm gestraft (griechisch auch überführt) wirst.“<br />
Gott überführt nicht vorschnell. Er möchte, daß wir durch die Wirkung Seines Wortes auf<br />
unser Gewissen uns selbst zuerst überführen. Es hilft wenig, einem eitlen Menschen seine<br />
Fehler vorzuhalten; im Allgemeinen veranlaßt ihn das nur, sie noch besser zu verbergen o<strong>de</strong>r<br />
herabzumil<strong>de</strong>rn. Es ist sehr schwierig, jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r krank ist, aber es selbst nicht glaubt,<br />
dahin zu bringen, daß er die notwendige Lebensweise befolgt; je mehr Einwendungen man<br />
ihm macht, <strong>de</strong>sto eifriger wird er versuchen, zu beweisen, daß man Unrecht hat, und so<br />
verschlimmert man die Krankheit, die man lin<strong>de</strong>rn wollte. Aber die wahrhaft von Sün<strong>de</strong>n<br />
überführte Seele gleicht <strong>de</strong>m Kranken, <strong>de</strong>r zitternd die Gefahr erkennt, und ist willig bereit,<br />
je<strong>de</strong> wahre Zurechtweisung und Hilfe anzunehmen.<br />
Als Adam die Pläne seines entfrem<strong>de</strong>ten ver<strong>de</strong>rbten Herzens vollen<strong>de</strong>t hatte, <strong>als</strong> die<br />
Schürzen von Feigenblättern sie be<strong>de</strong>ckten, und er sich hinter <strong>de</strong>n Bäumen versteckt hatte,<br />
erreichte ihn die forschen<strong>de</strong> Stimme Gottes, obwohl er ihr zu entgehen versuchte. Dazu<br />
neigen wir immer zuerst, wenn das Licht <strong>de</strong>s Wortes uns erreicht; wir versuchen <strong>de</strong>m Licht<br />
zu entweichen wie die Pharisäer, die die Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn verließen. Daher wird uns<br />
beständig erlaubt, unsere Pläne bis zu En<strong>de</strong> durchzuführen, damit wir erfahren, wie nichtig<br />
sie sind. Manche Stun<strong>de</strong>, mancher lange Tag wird vergeu<strong>de</strong>t bei <strong>de</strong>r Durchführung von<br />
Plänen, die, am forschen<strong>de</strong>n Worte Gottes geprüft, ganz und gar aufgegeben wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Welcher Art sind diese Pläne? Sind sie dazu angetan, dich von Gott zu entfernen und vor<br />
Ihm zu verbergen, o<strong>de</strong>r dich nahe zu Ihm zu bringen und Ihm die kleinsten Geheimnisse<br />
<strong>de</strong>ines Herzens zu enthüllen? Diese Frage ist ihr Prüfstein. Die Pläne Adams sollten ihn<br />
verhüllen, um <strong>de</strong>m Auge Gottes zu entgehen, und Gott ließ ihn seine Absicht zu En<strong>de</strong><br />
führen. O, wie gut wissen wir alle, was das ist! Der arme verlorene Sohn versucht sein Glück<br />
im fernen Land, aber er kehrt <strong>als</strong> wahrhaft ge<strong>de</strong>mütigter Mann in das Vaterhaus zurück.<br />
Die vielen Absichten wer<strong>de</strong>n gut geprüft und für nichtig befun<strong>de</strong>n, und dann lauscht die<br />
Seele <strong>de</strong>n gnädigen Worten, <strong>de</strong>nen sie so gerne entflohen wäre. Es ist schrecklich, die Frage:<br />
„Wo bist du?“ beantworten zu müssen. wenn man die Unzulänglichkeit aller Mittel, die das<br />
Gewissen vor <strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>s Wortes Gottes schirmen Sollen, ent<strong>de</strong>cken muß. Gefiel es<br />
<strong>de</strong>m verlorenen Sohn, sie zu beantworten, <strong>als</strong> er die Schweine hütete? Gefiel es Petrus, sie<br />
zu beantworten, <strong>als</strong> er sich am Feuer <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> seines Herrn wärmte? Gefiel es Adam,<br />
wenn er sich an die Stellung, die er einnahm, erinnerte, im Gegensatz zu <strong>de</strong>r, die er verwirkt<br />
hatte?<br />
Die Antwort auf die Frage: „Wo bist du?“ offenbart <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s Gewissens. Die Stimme<br />
Gottes erforscht das Gewissen, und wenn dieses nicht erkannt hat, daß es mit Gott zu tun<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 7
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
hat, muß seine Antwort lauten: „Ich fürchte mich“. Die erste Regung eines beschwerten<br />
Gewissens ist, sich zu verbergen. Es möchte we<strong>de</strong>r sich selbst sehen, noch daß irgen<strong>de</strong>in<br />
an<strong>de</strong>rer es sieht, wie es ist, und beim Klang <strong>de</strong>r Stimme Gottes versteckt es sich, und<br />
Verstecken verrät sowohl Entfernung <strong>als</strong> auch Ausweichen. Wenn man seine Zuflucht zum<br />
Verbergen nimmt, muß eine gewisse Tätigkeit <strong>de</strong>s Gewissens vorhan<strong>de</strong>n sein, beson<strong>de</strong>rs,<br />
wenn keine an<strong>de</strong>re Strafe zu erwarten ist, <strong>als</strong> die Tatsache <strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>r Schuld. Im<br />
Grun<strong>de</strong> nehmen wir unsere Zuflucht zum Verstecken, um besser zu erscheinen, <strong>als</strong> wir<br />
sind. Wenn wir willens wären, uns so zu zeigen, <strong>als</strong> wir sind, wür<strong>de</strong> es kein Verstecken<br />
geben. Noch nie wur<strong>de</strong> eine Maske zu etwas an<strong>de</strong>rem <strong>als</strong> zur Selbsterhöhung benutzt, und<br />
noch nie wur<strong>de</strong> eine Lüge zu einem an<strong>de</strong>ren Zweck aufrechterhalten <strong>als</strong> <strong>de</strong>m, unverdiente<br />
Anerkennung zu bekommen. Wenn Gott sich mit uns beschäftigt, erfahren wir, daß „alles<br />
bloß und aufge<strong>de</strong>ckt ist vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>ssen, mit <strong>de</strong>m wir es zu tun haben“. Das Wort<br />
(Hebräer 4,12–13) wirkt auf unser Gewissen „durchdringend bis zur Scheidung von Seele<br />
und Geist . . ., und ist ein Beurteiler <strong>de</strong>r Gedanken und Gesinnungen <strong>de</strong>s Herzens“; aber<br />
es führt zu Gott. Er ist es, „mit <strong>de</strong>m wir es zu tun haben.“ Die Stimme Jehovas durchdrang<br />
die Seele Adams, und obwohl er mit Feigenblättern umgürtet war, was seinem eigenen<br />
sittlichen Maßstab genügte, prüfte ihn das Wort, <strong>als</strong> es zu ihm kam, und er fürchtete sich,<br />
weil er nackt war – nackt vor Gott – und er versteckte sich.<br />
Es ist wichtig, sich mit diesen bei<strong>de</strong>n Tätigkeiten <strong>de</strong>s Gewissens zu beschäftigen, <strong>de</strong>nn ihre<br />
Verwechslung führt zu mancherlei Übungen und Verwirrung <strong>de</strong>r Seele. Wenn ein Mensch<br />
sein Gewissen beruhigt und irgen<strong>de</strong>in System angenommen hat, das <strong>de</strong>n wahren Zustand<br />
seiner Seele vor ihm selbst und an<strong>de</strong>ren verborgen hält, schwimmt er eine Zeitlang auf<br />
stillem Wasser, aber sobald er die Stimme <strong>de</strong>s Herrn hört, scheinen ihm alle Elemente sich<br />
in einem Wirbelsturm zu befin<strong>de</strong>n. Sein Schlaf wird unterbrochen, er ist wie <strong>de</strong>r überführte<br />
Petrus in Lukas 5,8: er „fürchtet sich“. Die Tatsache, daß er vor Gott bloß und aufge<strong>de</strong>ckt<br />
ist, kommt ihm mit schrecklicher Klarheit zum Bewußtsein, und das umsomehr, weil er<br />
sich selbst betrogen und sein Ruf bei seinen Mitmenschen ihn darin noch bestärkt hat. Die<br />
Wirksamkeit <strong>de</strong>s Wortes Gottes wür<strong>de</strong> furchtbar und überwältigend sein, hätten wir nicht<br />
„einen großen Hohenpriester, <strong>de</strong>r durch die Himmel gegangen ist, Jesum, <strong>de</strong>n Sohn Gottes.“<br />
Er, „<strong>de</strong>r in allem versucht wor<strong>de</strong>n ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sün<strong>de</strong>“,<br />
kommt uns mit Seinem Mitgefühl entgegen, sobald wir durch die Wirkung <strong>de</strong>s Wortes<br />
von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> abgeson<strong>de</strong>rt sind, und Seine Sühnung in ihrer ganzen Wirkung vor Gott<br />
bringt das überführte Gewissen am Thron <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> zur Ruhe, damit es dort die Gna<strong>de</strong><br />
empfangen kann, die es bedarf.<br />
Das ist es gera<strong>de</strong>, was Adam lernen mußte; daher verfolgt ihn die Stimme bis in sein<br />
Versteck. Umsonst versuchen wir, <strong>de</strong>m Auge Gottes zu entgehen, wenn Er beschließt, uns<br />
zu suchen.<br />
Nähmen wir „Flügel <strong>de</strong>r Morgenröte“ und ließen uns nie<strong>de</strong>r „am äußersten En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Meeres“, so wür<strong>de</strong> Er uns auch dort erreichen! O, wie bemäntelt sich das Gewissen, das<br />
Gott zu entfliehen trachtet, mit <strong>de</strong>m Blattwerk dieser Welt! Es beklei<strong>de</strong>t die höchsten und<br />
ehrenvollsten Ämter, aber vergebens! die „Wächter“ wer<strong>de</strong>n laut rufen: „Hauet <strong>de</strong>n Baum<br />
um und schnei<strong>de</strong>t seine Zweige weg, und streifet sein Laub ab“ (Dan 4, 14). Der Zufluchtsort<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 8
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
<strong>de</strong>r Lügen wird bloßgelegt wer<strong>de</strong>n, und die Seele muß sich vor Gott verantworten. Sie muß<br />
die Frage: „Wo bist du?“ beantworten, und die ganze Antwort besteht in <strong>de</strong>n einfachen<br />
Worten: Ich fürchtete mich, <strong>de</strong>nn ich bin nackt, und ich versteckte mich.“ In <strong>de</strong>m Augenblick,<br />
wo die Seele ein volles Bekenntnis ablegt, befin<strong>de</strong>t sie sich auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vergebung<br />
und Wie<strong>de</strong>rherstellung, und <strong>de</strong>r Geist weist sie zu Recht wie einen Freund. Adam hatte<br />
seine eigenen Mittel erprobt; sie waren nutzlos und nichtig, und jetzt lauscht er <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>,<br />
die von einem sicheren, vollkommenen Mittel spricht. Aber erst eröffnet er <strong>de</strong>n ganzen<br />
wahren Zustand seiner Seele, er bekennt seine Furcht, seine Nacktheit, seinen Versuch, sich<br />
zu verstecken. Das hatte die Erziehung bewirkt. Nun belehrt Gott ihn. Adam ist <strong>de</strong>mütig,<br />
und Gott wird ihn Seine Wege lehren. Er hat erfahren, daß die Unschuld keinen Schutz<br />
gegen einen bösen Einfluß gewährte und daß das Fehlen eines bösen Beweggrun<strong>de</strong>s noch<br />
keine Garantie für wahres sittliches Han<strong>de</strong>ln war. Er allein wußte, was Unschuld war, und<br />
doch war sie kein Schutz gewesen. Er hatte <strong>de</strong>r Versuchung nachgegeben. Obwohl er weiß,<br />
daß seine Unschuld dahin ist und daß böse Beweggrün<strong>de</strong> herrschen können, glaubt er, seine<br />
Schan<strong>de</strong> be<strong>de</strong>cken und beschönigen zu können. Das Mittel, das er anwandte, genügte seinem<br />
sittlichen Gefühl, und was unendlich viel trügerischer war, es genügte <strong>de</strong>m sittlichen Gefühl<br />
<strong>de</strong>r Person, <strong>de</strong>ren gute Meinung es sich erhalten wollte und <strong>de</strong>ren Zufrie<strong>de</strong>nheit die Stütze<br />
seiner eigenen Zufrie<strong>de</strong>nheit war. Das ist ein Fallstrick, durch <strong>de</strong>n selbst gottesfürchtige<br />
Menschen zu Fall kommen. Mit an<strong>de</strong>ren Worten: <strong>de</strong>r gute Ruf bei Freun<strong>de</strong>n wird <strong>de</strong>m<br />
Gewissen <strong>als</strong> Urteilsspruch <strong>de</strong>r höchsten Instanz aufgedrückt und immer, wenn ängstliche<br />
Fragen auftauchen, <strong>als</strong> endgültig und entschei<strong>de</strong>nd vorgebracht. In dieser Art von Ansehen<br />
liegt eine Wechselwirkung: was du bei mir zuläßt, lasse ich auch bei dir zu. Wenn ein Schurz<br />
aus Feigenblättern <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>ines sittlichen Gefühls genügt und du ihn für<br />
mich <strong>als</strong> ausreichend ansiehst, tue ich dasselbe bei dir. Das ist das Wesen und <strong>de</strong>r Charakter<br />
alles menschlichen und religiösen Ansehens. Aber die Stimme Gottes erklingt und Adam in<br />
seinem lügnerischen und gefallenen Zustand ist bestürzt. Diese Stimme erforscht die ganze<br />
Lage, und am En<strong>de</strong> sieht er sich „bloß und aufge<strong>de</strong>ckt vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>ssen, mit <strong>de</strong>m wir<br />
es zu tun haben“. Er bekennt alles und steht nun auf <strong>de</strong>r höchsten Stufe <strong>de</strong>r Belehrung, mit<br />
einem <strong>de</strong>mütigen, bußfertigen Geist. Auf die Auffor<strong>de</strong>rung Gottes hin bekennt er – obgleich<br />
entschuldigend und beschönigend – daß er versucht wor<strong>de</strong>n ist und gegessen hat. Seine<br />
Rechtfertigung erniedrigt ihn sittlich mehr <strong>als</strong> die Anklage, vor <strong>de</strong>r er sich zu rechtfertigen<br />
sucht. Dennoch ist es ein Bekenntnis und wird <strong>als</strong> solches angenommen, und unser Gott<br />
beginnt das gna<strong>de</strong>nreiche Werk <strong>de</strong>r Entfaltung Seiner Ratschlüsse.<br />
Je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r an dieser erstaunlichen Szene teilgenommen hat, wird nun das Urteil zugemessen<br />
entsprechend <strong>de</strong>r Rolle, die er darin gespielt hat. Als erstes wird das Urteil über Satan<br />
verkündigt, und während seine Verdammnis beschlossen ist, wird <strong>de</strong>m lauschen<strong>de</strong>n Adam<br />
Befreiung von diesem und ewige Heilung durch das Evangelium verkün<strong>de</strong>t. Es ist die Weise<br />
Gottes bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung einer Seele, sie zunächst auf die Macht und Gna<strong>de</strong> Gottes<br />
zu grün<strong>de</strong>n. Dies erfuhr Petrus durch <strong>de</strong>n Fischzug und die Worte Jesu (Lk 5). Es ist die<br />
Grundlage aller göttlichen Wie<strong>de</strong>rherstellung. Wenn das Herz wie<strong>de</strong>r aufgerichtet ist, wie<br />
bei David, <strong>als</strong> Nathan sprach.- „So hat auch Jehova diese Sün<strong>de</strong> hinweggetan“, dann ist<br />
es stark genug, zu hören, welche Zucht notwendig ist das zu verbessern, was <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 9
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
Gelegenheit zu wirken gab. Es ist wichtig, sich <strong>de</strong>n Vorgang *zu vergegenwärtigen, wodurch<br />
Gott <strong>de</strong>r Seele die Zucht offenbart, die Er auferlegen will. Was auch immer unseren Fehltritt<br />
hervorgerufen hat, wird gebranntmarkt und zwar nicht mit allgemeinen Worten, son<strong>de</strong>rn<br />
im Verhältnis und <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Schuld, und zugleich wird die wahre Art und Weise <strong>de</strong>r<br />
Befreiung angekündigt. Satan wird nicht nur verurteilt, son<strong>de</strong>rn die Wirkung seiner Bosheit<br />
auf <strong>de</strong>n Menschen wird seine eigene unabän<strong>de</strong>rliche Vergeltung sein. Der Mensch wird an<br />
seinem Fein<strong>de</strong> gerächt wer<strong>de</strong>n. Der Schlange wird nicht nur <strong>als</strong> sichtbares Urteil bestimmt<br />
auf <strong>de</strong>m Bauche zu kriechen und Staub zu fressen, in ständiger Feindschaft mit <strong>de</strong>m Samen<br />
<strong>de</strong>s Weibes, son<strong>de</strong>rn „auf ihren Scheitel wird herabstürzen ihre Gewalttat“ (Ps 7,16); ihr<br />
Kopf sollte zermalmt wer<strong>de</strong>n.<br />
Danach kommt das Gericht über das Weib. Sie war die unmittelbare Ursache für Adams<br />
Fehltritt; aber da <strong>de</strong>r Hauptschuldige sein Urteil empfangen hat, muß sie nun ihr Urteil hören.<br />
Sie wird verurteilt zu Zeiten großer Mühsal bei je<strong>de</strong>m Zuwachs zur menschlichen Familie,<br />
die durch ihre Mitwirkung <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s unterworfen ist, und zu bedingungsloser<br />
Unterwerfung unter ihren Mann, <strong>de</strong>nn daß es ihr hieran ganz gefehlt hatte, führte zu ihrem<br />
und auch zu Adams Fall. je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Übertreter wird nicht nur zu einer Strafe verurteilt die<br />
seiner Schuld entspricht, son<strong>de</strong>rn auch das Verhältnis, in <strong>de</strong>m die Schuld Adam berührte,<br />
wird beson<strong>de</strong>rs berücksichtigt. Der Knecht Gottes kann nicht ungestraft ausgehen, aber er<br />
darf selbst nicht irren. Der gerechte Gott wird seine Sache rächen, aber nur in Gerechtigkeit.<br />
Er kann die Schwachheit Seines Knechtes nicht übersehen, obwohl Er ihn retten wird,<br />
wenn das ungemil<strong>de</strong>rte Urteil ausgeführt ist. Wenn Gott richtet, wird unparteiisch Recht<br />
gesprochen. Aber Taten sind in einem höheren o<strong>de</strong>r geringeren Maße sträflich, wobei<br />
dasjenige, was <strong>de</strong>n Zeugen Gottes von ihm entfernt, sträflicher ist, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Fehler, <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Zeuge offenbart, während er entfernt wird. Derjenige, <strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren verführt,<br />
erhält eine schwerere Strafe <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Verführte, nichts<strong>de</strong>stoweniger wird <strong>de</strong>r Verführte nicht<br />
frei ausgehen, <strong>de</strong>nn er hat sittliche Schwachheit erwiesen. Das Auferlegen von Strafen<br />
geschieht nicht notwendigerweise zur Besserung. Es bestand keine Hoffnung, Satan zu<br />
bessern, <strong>de</strong>nnoch wer<strong>de</strong>n schwere Strafen über ihn verhängt, weil Adam durch ihn gelitten<br />
hatte. Der Mensch war Gottes Stellvertreter auf Er<strong>de</strong>n; an ihm begangenes Unrecht war<br />
Verrat gegen Gott. Daher liegt in <strong>de</strong>r göttlichen Zucht immer eine Verbesserung <strong>de</strong>s bösen<br />
Grundsatzes <strong>de</strong>r Natur und zugleich Vergeltung für das Vergehen, das wir an unserem<br />
Mitmenschen begangen haben mögen. Das wird im Urteil Adams ver<strong>de</strong>utlicht. Seine Sün<strong>de</strong><br />
bestand darin, daß er <strong>de</strong>r Bitte seiner Frau im Wi<strong>de</strong>rspruch zum Worte Gottes nachgegeben<br />
hatte, Wahrscheinlich tat er das nicht mit Absicht, d. h. nicht mit Überlegung. Aber das<br />
Wort war nicht in seinem Herzen und leitete ihn nicht, <strong>de</strong>nn wenn das <strong>de</strong>r Fall gewesen<br />
wäre, hätte er <strong>de</strong>r Stimme seiner Frau kein Gehör geschenkt. Aber nach<strong>de</strong>m er seinen Platz<br />
aufgegeben hat, muß er die Strafe dafür tragen und <strong>de</strong>r große Sklave und Arbeiter auf jener<br />
Er<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Herrscher und Fürst er gewesen war. Alles auf ihr wür<strong>de</strong> Zeichen <strong>de</strong>r<br />
Wi<strong>de</strong>rsetzlichkeit gegen ihren rechtmäßigen Herrn tragen. Um die Prüfung zu mil<strong>de</strong>rn, muß<br />
er sein Leben in mühseliger Arbeit verbringen, um leben zu können, aber am En<strong>de</strong> muß er<br />
zum Staube zurückkehren, <strong>de</strong>nn vom Staube war er. In all diesem liegt ernste Belehrung:<br />
wenn wir die Stellung, in die Gott uns versetzt hat, aufgeben, wird uns diejenige, in die wir<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 10
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
uns zurückziehen, unweigerlich auf furchtbare Weise an das erinnern, was wir verwirkt<br />
haben. je<strong>de</strong>r kleinste Dorn erinnerte Adam daran, daß er seine Herrschaft verloren hatte,<br />
weil er auf die Stimme seiner Frau gehört hatte. Wenn David sich von <strong>de</strong>n Pflichten eines<br />
Königs zurückzog (2. Sam 11, 1), so mußte er auf schmerzliche Weise auch <strong>de</strong>ssen Ehren<br />
verlieren (2. Sam 15 ff). Durch <strong>de</strong>n erfolgreichen Aufstand seines eigenen Sohnes wird er<br />
daran erinnert, wie leicht er die Pflichten eines Königs genommen hatte. „Verflucht sei,<br />
wer das Werk Jehovas lässig treibt.“ Der ganze Einfluß eines Barnabas brachte Paulus nicht<br />
dazu, Markus mitzunehmen, <strong>de</strong>r aus Pamphylien zurückgegangen war. Die Weigerung <strong>de</strong>s<br />
Apostels Paulus erinnerte Markus daran, wie er mit <strong>de</strong>m Platz, <strong>de</strong>r einst sein war, gespielt<br />
und ihn verlassen hatte, und daß <strong>de</strong>r Platz leichter zu verlieren <strong>als</strong> wie<strong>de</strong>rzuerlangen<br />
war. Dies ist auch die Art <strong>de</strong>r Zucht bei Adam. Alles erinnert ihn an das Verlorene, und<br />
je weniger sorgfältig und fleißig er arbeitet, um die zahlreichen Erinnerungen an sein<br />
Versagen zurückzudrängen, <strong>de</strong>sto stärker vermehrten sie sich und <strong>de</strong>sto weniger konnte er<br />
sich gegen sie behaupten. Im Schweiße seines Angesichts erleichterte er sich seine Stellung<br />
um <strong>de</strong>r Bedürfnisse willen. David kehrte nach ernster Züchtigung auf <strong>de</strong>n Thron zurück.<br />
Markus war „nützlich für <strong>de</strong>n Dienst“, nach<strong>de</strong>m die Zucht ihre Wirkung getan hatte. Der<br />
Glaube wan<strong>de</strong>lt stets über <strong>de</strong>r Zucht, obwohl er von ihr lernt. Adam hört das Urteil über<br />
alle, und in<strong>de</strong>m er ihm im Glauben zustimmt, erhebt er sich darüber und nennt seine Frau<br />
Eva, <strong>de</strong>nn sie ist „die Mutter aller Lebendigen“. Der Glaube reicht bis zu Gott; daher kann<br />
er sich <strong>de</strong>r Stellung unterwerfen, die einer irren<strong>de</strong>n Seele gerechterweise zufällt, und er<br />
kann in bezug auf die Zeit und Art <strong>de</strong>r Befreiung auf Gott blicken. Er nimmt die Strafe<br />
für seine Sün<strong>de</strong> nicht nur <strong>als</strong> Vergeltung, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> Verbesserungsmaßregel an. In <strong>de</strong>r<br />
Tat hat die Zucht ihre größte Wirkung erreicht, wenn die Seele sich ihr im Vertrauen auf<br />
Gott unterwirft. Das beweist Adam; <strong>de</strong>nn in<strong>de</strong>m er seine Frau Eva nennt, macht er seine<br />
früheren Vorwürfe wie<strong>de</strong>r gut, und was in seiner nicht unterworfenen Natur Ursache seines<br />
Kummers war, ist nun für das Glaubensauge ein Kanal <strong>de</strong>s Lebens. Als Gezüchtigter und im<br />
Glauben Wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r wird Adam von Gott beklei<strong>de</strong>t, aber die Zucht kann nicht been<strong>de</strong>t<br />
o<strong>de</strong>r aufgeschoben wer<strong>de</strong>n. Gott schickt ihn hinaus, <strong>de</strong>n Erdbo<strong>de</strong>n zu bebauen, von <strong>de</strong>m er<br />
genommen ist, damit er erkennt, was für ein Mensch er ist, und erfährt, wie sein Glaube<br />
ihm erhalten wird.<br />
In unserem unmittelbaren Lebensbereich, im engsten Kreise, wo am wenigsten<br />
Zurückhaltung besteht, offenbaren wir uns am ehesten. Wie soll ein Mann, <strong>de</strong>r nicht<br />
einmal seinem eigenen Haus vorstehen kann, für die Versammlung Gottes Sorge tragen?<br />
Macht läßt sich zu Hause wirksamer ausüben, <strong>als</strong> in <strong>de</strong>r Ferne. Wenn Adam aus <strong>de</strong>r Zucht<br />
lernt, so sollte das in seiner Kraft gesehen wer<strong>de</strong>n, das Böse, wofür er litt, zu mei<strong>de</strong>n. Es<br />
scheint, <strong>als</strong> ob er nichts gelernt hat, <strong>de</strong>nn Eva nimmt es auf sich, seinem ältesten Sohn einen<br />
Namen zu geben; sie verliert wie<strong>de</strong>rum ihren Platz aus <strong>de</strong>m Auge, und zweifellos füllte sie<br />
ihren Erstgeborenen mit Wünschen (wie sein Name an<strong>de</strong>utet), die zu seinem furchtbaren<br />
Wi<strong>de</strong>rspruch gegen Gottes Verheißung führten, wodurch auf schmerzliche Weise bewiesen<br />
wur<strong>de</strong>, daß sie die Verheißungen Gottes nicht verstan<strong>de</strong>n hatte. Wo Leben erwartet wur<strong>de</strong>,<br />
gab es Verwüstung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s; die Tatsache, daß ein Kind ermor<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und das an<strong>de</strong>re<br />
sein Mör<strong>de</strong>r war, und zwar das, auf <strong>de</strong>n sich ihre Hoffnungen konzentrierten, muß für Adam<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 11
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Adam<br />
eine Prüfung gewesen sein, die wir nur schwer nachempfin<strong>de</strong>n können. Aber es war eine<br />
wirkungsvolle Zucht; <strong>de</strong>nn obwohl wir lesen, daß m erster Linie Eva ihren Sohn benannte,<br />
lesen wir auch, daß Adam seinen Namen Seth nannte, und das zeigt, wie mir scheint, daß<br />
er endlich gelernt hatte, was die Zucht ihn lehren sollte: außerhalb je<strong>de</strong>r Beeinflussung<br />
für Gott zu han<strong>de</strong>ln und nicht zu erlauben, daß irgend etwas ihn vom Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens<br />
abzog. In <strong>de</strong>r letzten uns aufgezeichneten Tat seines Lebens scheint er dies gelernt zu haben;<br />
sein wohlgefälliges En<strong>de</strong> zeigt die Wirkung <strong>de</strong>r Zucht und gibt seiner Lebensgeschichte<br />
einen passen<strong>de</strong>n, glücklichen Schluß.<br />
Wir lernen aus <strong>de</strong>r Geschichte, daß Unschuld o<strong>de</strong>r das Fehlen böser Beweggrün<strong>de</strong> noch<br />
kein wirksamer Schutz gegen Beeinflussung ist. Wenn wir unser eigenes sittliches Gefühl<br />
o<strong>de</strong>r das einer an<strong>de</strong>ren Person zufrie<strong>de</strong>nstellen, beweist das noch nicht, daß wir Gottes<br />
For<strong>de</strong>rungen an uns genügt haben o<strong>de</strong>r genügen können. Wenn wir aufhören, unseren von<br />
Gott zu. gewiesenen Platz zu bewahren, wer<strong>de</strong>n wir sicher fallen, und das Wort Gottes,<br />
das uns auf unserem Platz bewahrt hätte, wirkt außerhalb jenes Platzes nicht auf das Herz.<br />
Aber während wir erfahren, was es heißt, unseren Neigungen zu folgen, wird unsere Zucht<br />
immer so beschaffen sein, daß sie unsere Fehler berichtigt und uns auf sehr feine Art daran<br />
erinnert, was wir durch unsere Schwachheit gewor<strong>de</strong>n sind, wie das die Dornen bei Adam<br />
taten.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 12
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abel<br />
Abel<br />
Abel ist <strong>de</strong>r erste Gläubige, <strong>de</strong>m die Strafe <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> durch Geburt auferlegt war. Wir dürfen<br />
daher voraussetzen, in seinem Leben die Grundzüge jener göttlichen Zucht zu erblicken, die<br />
ein Leben solch hervorragen<strong>de</strong>n Glaubens notwendigerweise aufweisen muß. Es ist jedoch<br />
ein Irrtum, welcher <strong>de</strong>r Seele manchmal nicht geringe Übung bringt, wenn wir annehmen,<br />
weil irgen<strong>de</strong>ine Linie <strong>de</strong>r Wahrheit o<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> in mir stark ausgeprägt ist, daß aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> die Natur in mir weniger in Tätigkeit trete. Tatsächlich ist das Gegenteil <strong>de</strong>r Fall.<br />
Denn je mehr <strong>de</strong>r natürliche Mensch seinen Fall verspüren muß, umso mehr will er sich<br />
behaupten. Es ist gut, dies zu erkennen. Hätte <strong>de</strong>r Mensch in seinem ersten Zustand auf<br />
einer tieferen Stufe gestan<strong>de</strong>n, (obwohl <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>nfall ihn nicht hätte tiefer hinabstürzen<br />
können, <strong>als</strong> dies geschehen ist), so wäre sein Bestreben und sein Eifer, <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>s Falles<br />
zu entgehen, nicht so anmaßend und gewalttätig gewesen. Die Tatsache, daß <strong>de</strong>r Mensch<br />
im Bil<strong>de</strong> und Gleichnis Gottes geschaffen wur<strong>de</strong>, gibt <strong>de</strong>r alten Natur Gelegenheit, das zu<br />
begehren, was sie eingebüßt hat. Je mehr sie gezwungen wird, die Größe <strong>de</strong>s Falles aus<br />
ihrem einst hohen Zustand zu empfin<strong>de</strong>n, soviel mehr ringt sie um Anerkennung und sucht<br />
sich Geltung zu verschaffen, wo sie es nur kann. Seelen, die ernstlich je<strong>de</strong> Wirksamkeit<br />
<strong>de</strong>s Fleisches ausschalten wollen, ent<strong>de</strong>cken daher, daß sich ihnen das Fleisch auf Schritt<br />
und Tritt entgegenstellt. Sie lernen dadurch auf praktische Weise, daß nur die, die im<br />
Fleische gelitten haben (1. Petr 4,1), mit <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> abgeschlossen haben; daß nur das Kreuz<br />
Christi von <strong>de</strong>r Macht und Knechtschaft <strong>de</strong>r ver<strong>de</strong>rbten Natur in <strong>de</strong>r Welt befreit. Die<br />
große sittliche Wahrheit, durch die göttliche Zucht das Gestorbensein zu lernen, gewinnt<br />
dabei durch Gottes Gna<strong>de</strong> Gestalt. Wir lernen, daß wir durch <strong>de</strong>n Tod Christi gestorben<br />
sind und daß wir nun vor Gott in Ihm dargestellt Sind, befreit von allem, was in Seinem<br />
To<strong>de</strong> gerichtet wer<strong>de</strong>n mußte. Demzufolge will die Zucht <strong>de</strong>s Vaters uns in die praktische<br />
Verwirklichung dieser unserer Stellung in Christus einführen, so daß wir nicht nur in Ihm<br />
gestorben sind, son<strong>de</strong>rn uns auch tatsächlich für tot halten, was die praktische Folge ist. Die<br />
Zucht ist <strong>de</strong>r Weg, diesen Zustand hervorzubringen. Die Seele, die ihre völlige Annahme<br />
bei Gott erkannt hat, <strong>als</strong> gerechtfertigt vor Ihm, lernt nun, daß sie nicht mehr von <strong>de</strong>r<br />
Natur abhängig sein kann, von <strong>de</strong>r sie befreit wur<strong>de</strong> und aus <strong>de</strong>r sie nun herausgenommen<br />
ist. Der Apostel konnte sagen: „täglich sterbe ich’, und daß er das Sterben Jesu allezeit an<br />
seinem Leibe umhertrage, auf dass auch das Leben Jesu an seinem Leben offenbar wür<strong>de</strong>.<br />
Wenn unsere Annahme eine Wirklichkeit ist, wenn sie in Wahrheit eine Befreiung von<br />
unserer alten Natur be<strong>de</strong>utet, sollten wir dann nicht sittlich und praktisch die Folge dieser<br />
Befreiung beweisen? Nein, muß es nicht sogar so sein? Da die Annahme in Gerechtigkeit<br />
völlig über und außerhalb unserer Natur liegt, so folgt daraus, daß die Natur unserem<br />
Auge entschwin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>m Maße, wie wir die Annahme in Gerechtigkeit genießen und<br />
verwirklichen. Dies ist die einzige würdige Anerkennung unserer hohen Stellung. Können<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 13
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abel<br />
wir unseren natürlichen Zustand aufrechterhalten und uns <strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>r Befreiung von<br />
ihm rühmen? Wenn wir uns <strong>de</strong>r Befreiung erfreuen, müssen wir sie dann nicht durch<br />
Verleugnung <strong>de</strong>ssen beweisen, wovon wir befreit wur<strong>de</strong>n?<br />
Wenn Abel <strong>de</strong>r erste Zeuge <strong>de</strong>r Annahme in Gerechtigkeit ist, so wer<strong>de</strong>n wir auch sehen,<br />
daß er <strong>de</strong>r erste Zeuge war, <strong>de</strong>r, <strong>als</strong> von Gott angenommen, seines natürlichen Lebens<br />
beraubt wur<strong>de</strong>. Er war ein Zeuge sowohl <strong>de</strong>r einen wie <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Tatsache. Wenn er von<br />
<strong>de</strong>r Annahme bei Gott zeugte, zur Freu<strong>de</strong> und Ruhe seines eigenen Herzens, so zeugte er<br />
durch <strong>de</strong>n Tod auch davon, wie wahr und herrlich diese Annahme war, so daß er, obwohl<br />
er gestorben ist, noch re<strong>de</strong>t“. Dies ist die erste Stufe <strong>de</strong>r Zucht: „Haltet euch <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> für<br />
tot.“ Dies ist die Folge unseres Lebens in Christo. Denn, lebend in Ihm, sollten wir tot in uns<br />
selbst sein. Und die göttliche Zucht, in ihren ersten, einfachsten Unterweisungen, will uns<br />
in diese Wahrheit führen. Keinem Gläubigen bleibt es erspart, die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s zu<br />
lernen. Er mag es in <strong>de</strong>m langsamen, stetig fortdauern<strong>de</strong>n Prozeß kleinerer Übungen lernen,<br />
o<strong>de</strong>r auch durch einen einmaligen, überwältigen<strong>de</strong>n Schlag, o<strong>de</strong>r vielleicht auch durch ein<br />
letztes Krankenlager. Aber auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Weise muß das Gestorbensein gelernt<br />
wer<strong>de</strong>n, um unsere Seelen <strong>de</strong>n Gewinn <strong>de</strong>r Befreiung vom To<strong>de</strong> empfin<strong>de</strong>n zu lassen. Ohne<br />
dieses kann auch kein Zeugnis da sein. Abels Geschichte liefert uns nicht viele Einzelheiten,<br />
aber sie stellt in einer nicht zu überbieten<strong>de</strong>n Lebendigkeit und Eindringlichkeit die zwei<br />
großen Pole im Leben <strong>de</strong>s Gläubigen ans Licht: die Annahme bei Gott und <strong>de</strong>r Tod aller<br />
natürlichen Ban<strong>de</strong> und Empfindungen, das erste durch <strong>de</strong>n Glauben mühelos verwirklicht,<br />
das zweite nicht aus eigenem Willen, son<strong>de</strong>rn durch Gewalttat, <strong>als</strong> Folge eines verän<strong>de</strong>rten<br />
und gefallenen Zustan<strong>de</strong>s, in einer bösen Welt dargestellt, aus welcher <strong>de</strong>r Tod Befreiung<br />
be<strong>de</strong>utete. Gott gestattete <strong>de</strong>r Gewalttätigkeit Kains, die Gelegenheit zur Darstellung dieser<br />
Wahrheiten zu bieten. Gott gab dadurch Seiner Gna<strong>de</strong>, und Seiner Selbst <strong>als</strong> <strong>de</strong>m Quell<br />
dieser Gna<strong>de</strong>, Ausdruck, während Sein Knecht und Zeuge, obwohl er in sich selbst in die<br />
Übung geführt wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n höchsten Platz <strong>de</strong>s Dienstes im Evangelium einnahm, <strong>de</strong>n Platz<br />
<strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>ns um <strong>de</strong>r Gerechtigkeit willen.<br />
Laßt es uns <strong>als</strong> erwiesen betrachten, daß, wenn ich meiner Annahme mir wohl bewußt bin,<br />
mein Teil in dieser Welt <strong>de</strong>r Tod ist, und daß die Zucht diese Tatsache nicht übergehen<br />
wird. Denn sie ist es, welche die Wahrheit meiner Annahme mir umso kostbarer macht,<br />
und welche sie meiner Umgebung bezeugt. In dieser Tatsache liegt für uns das ganze<br />
Interesse und die Unterweisung <strong>de</strong>r Geschichte Abels. Er ging in das Leben hinaus (wie<br />
wir sagen wür<strong>de</strong>n), nicht gemäß <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Adam gegebenen Regel und Vorschrift, <strong>de</strong>n<br />
Bo<strong>de</strong>n zu bearbeiten, von <strong>de</strong>m er genommen war, son<strong>de</strong>rn, im Gegensatz hierzu, um ein<br />
Schafhüter zu wer<strong>de</strong>n. Dadurch stand von vornherein fest, daß er nicht die Absicht hatte,<br />
<strong>de</strong>n Schauplatz um sich herum zu verbessern o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, durch seine eigenen<br />
Bemühungen, irgend etwas zu gewinnen, was zwischen ihm und Gott vermitteln könnte.<br />
Das Bewußtsein <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>s Gerichts stand vor seiner Seele, und von diesem befreit<br />
zu wer<strong>de</strong>n konnte allein ihn befriedigen. Als Schafhirte bewachte er seine Her<strong>de</strong> und zog<br />
mit ihr von Wei<strong>de</strong>platz zu Wei<strong>de</strong>platz, wie die Schafe es bedurften. Auf dieser Er<strong>de</strong>, von<br />
<strong>de</strong>r er nichts erwartete, was ihn hätte befreien können, nannte er keinen einzigen Ort<br />
seinen bleiben<strong>de</strong>n Ruheplatz. Als Arbeiter, <strong>als</strong> Wan<strong>de</strong>rer, in<strong>de</strong>m er unter <strong>de</strong>m Fluch litt,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 14
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abel<br />
<strong>de</strong>r auf allem um ihn her lastete, und selber unter <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s stehend inmitten<br />
eines solchen Schauplatzes – in diesem Zustand bewachte er eine Her<strong>de</strong> leben<strong>de</strong>r Tiere<br />
und stand dadurch in Berührung mit <strong>de</strong>m Leben, <strong>de</strong>m einen Gegenstand, <strong>de</strong>n sein eigener<br />
Geist nötig hatte. Im Glauben nahm er von <strong>de</strong>r Erstgeburt <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m Anfang ihrer<br />
Kraft, und opferte sie <strong>als</strong> etwas, was Gott gehörte und was ein Sinnbild <strong>de</strong>s Lebens Christi<br />
darstellte. Dies Opfer, Gott dargebracht, entsprach seinem eigenen Gefühl <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Aber<br />
mehr <strong>als</strong> das war nötig, um <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes begegnen zu können. Es bedurfte auch<br />
<strong>de</strong>r Annahme. Dieser Wunsch fand seinen Ausdruck und seine Befriedigung durch die<br />
Darbringung <strong>de</strong>s Fettes, welches das Kostbarste <strong>de</strong>s Tieres darstellt und nur durch <strong>de</strong>ssen<br />
Tod gewonnen wer<strong>de</strong>n kann – das Resultat <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s Christi durch die Auferstehung,<br />
das jetzt das Gewissen bezüglich <strong>de</strong>r Annahme bei Gott voll befriedigt. So trat Abel in<br />
die Gedanken Gottes ein bezüglich seines eigenen Zustan<strong>de</strong>s vor ihm, und so erhielt<br />
er das Zeugnis, gerecht zu sein, nicht nur in bezug auf seine Handlungsweise, son<strong>de</strong>rn<br />
auch auf seine Stellung. In <strong>de</strong>m Glück, von Gott angenommen zu sein, muß er <strong>de</strong>n Platz<br />
und die Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ssen kennenlernen, <strong>de</strong>r hier auf Er<strong>de</strong>n so gesegnet ist. Wenn er von<br />
Gott angenommen war, so mußte er von einem Schauplatz getrennt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r unter<br />
Gottes Fluch stand. Wenn er von <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s befreit wur<strong>de</strong>, so konnte <strong>de</strong>r Tod<br />
keine Strafe mehr für ihn be<strong>de</strong>uten. Er mußte ihn aber erwarten auf einer Er<strong>de</strong>, wo alles<br />
<strong>de</strong>m Leben entgegensteht, in welchem er angenommen war. Infolge<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> er dazu<br />
ausersehen, ein unerschütterliches Zeugnis davon abzulegen, daß die Annahme bei Gott<br />
und die Befreiung vom Gericht <strong>de</strong>rart wirkliche Segnungen sind, daß selbst <strong>de</strong>r Tod sie ihm<br />
nicht rauben konnte. Dies ist Abels Zeugnis, und dies seine Zucht.<br />
Wie bei Stephanus, <strong>de</strong>m ersten Märtyrer <strong>de</strong>r Auferstehung, so war es auch bei Abel, <strong>de</strong>m<br />
ersten Märtyrer <strong>de</strong>r Annahme. Stephanus bewies die Wirklichkeit <strong>de</strong>r Auferstehung im<br />
To<strong>de</strong> mehr <strong>als</strong> im Leben, und seine Seele drang im Augenblick seines To<strong>de</strong>s tiefer in ihre<br />
Wirklichkeit ein, <strong>als</strong> sie während seines Lebens je imstan<strong>de</strong> war. Sein letztes Zeugnis war<br />
das hellste. Während die Werkzeuge <strong>de</strong>s Bösen in <strong>de</strong>r Welt Stephanus steinigten, antwortete<br />
er auf ihre tödlichen Würfe nur, in<strong>de</strong>m er seinen Geist Dem anbefahl, Den sie verleugneten<br />
und verstießen. Und welch ein Beweis davon, wie vollkommen sicher er <strong>de</strong>r Fürsorge und<br />
Bewahrung Christi war, ist es, daß er nie<strong>de</strong>rknien konnte, um sich mit aller Kraft, die ihre<br />
Bosheit ihm noch ließ, für sie zu verwen<strong>de</strong>n.<br />
Der Zeuge <strong>de</strong>r Annahme, – Abel – und <strong>de</strong>r Zeuge <strong>de</strong>r Auferstehung, – Stephanus – haben<br />
kein Teil in dieser Welt. Alles muß für sie Tod sein und in <strong>de</strong>r Zucht lernen sie das, um<br />
sich die Größe <strong>de</strong>r Gabe Gottes zu vergegenwärtigen, die ewiges Leben außerhalb und<br />
jenseits <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s ist. Auf welchem Pfa<strong>de</strong> du auch wan<strong>de</strong>lst, du mußt das eine lernen, daß<br />
<strong>de</strong>r Vater es so will. Aus einem Feuer von Reisig Wird eine Natter Paulus daran erinnern,<br />
daß er sich inmitten <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s befin<strong>de</strong>t. Er geht von einem Grab zum an<strong>de</strong>ren. Gestern<br />
schiffbrüchig, heute von einer Natter gebissen! Wir haben diese Zucht nötig. Wir glauben,<br />
wir könnten weiterleben wie an<strong>de</strong>re Menschen und das neue und gesegnete Teil, das wir<br />
empfangen haben, genießen. Aber das können wir nicht, und es ist gut zu verstehen, daß<br />
wir unser Teil in Seinem Sohn zu würdigen wissen, im Gegensatz zu allen Dingen auf <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong>. Vergeblich versuchen wir, bei<strong>de</strong>s zu verbin<strong>de</strong>n, so daß wir einen großen Teil unserer<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 15
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abel<br />
Zeit vergeu<strong>de</strong>n, um zu erkennen, daß es hier nichts gibt, das <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen unserer<br />
neuen Gefühle entspricht. Es ist ein einsames Wan<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Wüste, aber eine Stadt, um<br />
darin zu wohnen, fin<strong>de</strong>n wir hier nicht. Aber Gott läßt es zu, damit Seine Kin<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>cken,<br />
daß ihr Begehren nur von Ihm gestillt wer<strong>de</strong>n kann. Wir müssen lernen, daß wir nicht<br />
von <strong>de</strong>r Welt sind. Wir können ihr nicht vertrauen. Christus konnte sich <strong>de</strong>n Menschen<br />
nicht anvertrauen. Stephanus mochte das Angesicht eines Engels haben, <strong>de</strong>nnoch wur<strong>de</strong> er<br />
gesteinigt, weit er Christo treu war. Obwohl Kain zu Abel „sprach“ und sie „auf <strong>de</strong>m Fel<strong>de</strong>“<br />
scheinbar in Eintracht waren, erfährt Abel bald, daß er ihm nicht trauen kann, <strong>de</strong>nn im<br />
selben Augenblick erhob sich Kain wi<strong>de</strong>r ihn und erschlug ihn.<br />
Unsere Berufung be<strong>de</strong>utet, daß wir mit <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu En<strong>de</strong> sind. Dahin wer<strong>de</strong>n uns Gottes<br />
Zucht und ein treues Zeugnis immer führen. In unserer Zucht können wir ein Zeugnis<br />
sein; aber wieviel besser ist es, in unserem Zeugnis gezüchtigt zu wer<strong>de</strong>n. Sicher sollten<br />
wir darauf achten, inwieweit wir gezüchtigt wer<strong>de</strong>n, weil wir auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Art<br />
an <strong>de</strong>r Welt hängen, o<strong>de</strong>r weil wir gegen sie zeugen. Wir können leicht erklären, warum<br />
Abel fortfuhr, in brü<strong>de</strong>rlicher Nähe mit Kain zu verkehren, und wir können sein Tun<br />
rechtfertigen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Hag <strong>de</strong>s Menschen gegen die Gerechtigkeit Gottes war bislang noch<br />
nicht enthüllt wor<strong>de</strong>n. Und wir können wohl verstehen, wie Abel seine vertraute Art mit<br />
seinem Bru<strong>de</strong>r beibehielt, die Kain eine allzu günstige Gelegenheit bot, seinen Mordplan<br />
durchzuführen. Dies ist leicht und natürlich zu erklären. Aber wie können wir Gläubige<br />
entschuldigen, die fortfahren, geselligen Umgang mit <strong>de</strong>r Welt zu pflegen? Können wir nicht<br />
oft <strong>de</strong>n Grund und die Notwendigkeit für die Zucht, die viele erlei<strong>de</strong>n, auf die Tatsache<br />
zurückführen, daß diejenigen, die vor Gott in Christo lebend sind, und durch Seinen Tod<br />
von allem, was in <strong>de</strong>r Welt ist, befreit sind, noch immer an <strong>de</strong>r Welt hängen, statt gegen sie<br />
zu zeugen? Die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Umgangs mit Kain war verhängnisvoll für Abel, da er mit <strong>de</strong>r<br />
Bosheit <strong>de</strong>r Menschen unbekannt war und nicht an Arges dachte. Jetzt ist die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Umgangs sittlich verhängnisvoller für die, welche wissen sollten, daß <strong>de</strong>r Fürst dieser Welt<br />
<strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r Herrlichkeit gekreuzigt hat und daß die Freundschaft <strong>de</strong>r Welt Feindschaft<br />
gegen Gott ist. Haben solche nicht Zucht nötig? Müssen sie nicht lernen, alles aufzugeben,<br />
wofür Christus verurteilt wur<strong>de</strong>? Wenn sie es nicht in Gna<strong>de</strong> aufgeben, muß Gott, unser<br />
Vater, Seine Kin<strong>de</strong>r auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Art von einer Welt trennen, von <strong>de</strong>r wir nach<br />
Seinem Willen durch <strong>de</strong>n Tod Seines Sohnes befreit sind. Es ist richtig und passend, daß<br />
es so sei. Laßt uns <strong>de</strong>nn unseren wahren Platz außerhalb <strong>de</strong>r Welt einnehmen, und möge<br />
unsere Zucht lieber durch unser Zeugnis sein, <strong>als</strong> unser Zeugnis durch unsere Zucht.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 16
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Henoch<br />
Henoch<br />
Aus <strong>de</strong>r Geschichte Henochs lernen wir die große Wahrheit, daß das Leben in Hoffnung<br />
und die Entrückung durch Glauben (d. h., daß unsere Erwartungen und Interessen von<br />
<strong>de</strong>m gegenwärtigen Schauplatz weggerichtet sind) <strong>de</strong>r Weg ist, <strong>de</strong>r am sichersten und<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r äußeren Umstän<strong>de</strong> am meisten von <strong>de</strong>r Zucht verschont ist. Henoch erfuhr<br />
zweifellos die geheimen Züchtigungen, die je<strong>de</strong>r Sohn in unserer Natur braucht, aber<br />
durch Glauben wan<strong>de</strong>lte er <strong>als</strong> Zeuge mit Gott, in <strong>de</strong>r Hoffnung, bei Ihm zu sein, und<br />
so überschritt er <strong>de</strong>n Tod, ohne sein Opfer zu wer<strong>de</strong>n. Während seines Wan<strong>de</strong>ls von 300<br />
Jahren versetzte ihn die Hoffnung jenseits dieses bösen Schauplatzes, über <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong><br />
er weissagte. Wenn er <strong>de</strong>r erste Mensch war, <strong>de</strong>r aus ihm durch die Macht <strong>de</strong>s Glaubens<br />
entrückt wur<strong>de</strong>, erhaben über die unumschränkte Gewalt <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, so war er <strong>de</strong>r Prophet<br />
<strong>de</strong>r letzten Augenblicke <strong>de</strong>r grausamen Herrschaft <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Wenn er <strong>de</strong>r erste war, <strong>de</strong>r<br />
aus <strong>de</strong>r Welt entrückt wur<strong>de</strong>, konnte er, in <strong>de</strong>m Genuß <strong>de</strong>r Hoffnung und <strong>de</strong>s Erbes, das<br />
sie vor seine Seele stellte, am besten sagen, welches das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Welt sein wür<strong>de</strong>. Abel<br />
nahm seinen Platz ein <strong>als</strong> Zeuge <strong>de</strong>r Annahme in Gerechtigkeit, und die Welt konnte ihn<br />
nicht ertragen. Er war ungeeignet für sie und sie für ihn; er fiel und sein Blut wur<strong>de</strong> auf<br />
ihr durch die Hand seines Bru<strong>de</strong>rs vergossen. Menschliche Gerechtigkeit wird unter <strong>de</strong>n<br />
Menschen geehrt, aber Gerechtigkeit durch Gna<strong>de</strong>, im Glauben aufrichtig festgehalten, ist<br />
beim Menschen immer verhaßt, <strong>de</strong>nn sie gibt ihm nichts zu tun o<strong>de</strong>r zu verbessern, son<strong>de</strong>rn<br />
muß von Gott und bei Gott angenommen wer<strong>de</strong>n, und das son<strong>de</strong>rt ihn notwendig von allen<br />
menschlichen Interessen ab. Abel war ein gerechter Mann, in einer bösen Welt, und er fand<br />
sein Grab in ihr, durch einen schrecklichen und unnatürlichen Tod.<br />
Die Verbindung mit Gott stellt mich immer in Feindschaft zur Welt. Wenn wir Söhne Gottes<br />
sind, erkennt uns die Welt nicht, wie sie <strong>de</strong>n Sohn Gottes nicht erkannte. Wenn ich, obwohl<br />
<strong>als</strong> Sohn, allein in diesem Leben Hoffnung habe, bin ich <strong>de</strong>r elen<strong>de</strong>ste von allen Menschen.<br />
Abel muß in seiner Seele sehr glücklich gewesen sein, aber er war elend in <strong>de</strong>r Welt, und<br />
am En<strong>de</strong> erlitt er einen grausamen Tod in ihr. Seine neue Natur selbst brachte diese Lei<strong>de</strong>n<br />
mit sich. Sie for<strong>de</strong>rte von ihm, allem um ihn herum zu sterben, <strong>de</strong>nn wenn er gerecht war,<br />
war alles um ihn herum ungerecht. Wenn er nicht durch Glauben in Hoffnung über diesen<br />
Schauplatz wan<strong>de</strong>lte, dann mußte er auf ihm sterben. Und in diesem ist Henoch <strong>de</strong>r Zeuge<br />
eines Besseren; <strong>de</strong>nn er kann über die vollen<strong>de</strong>te Herrlichkeit weissagen, während Abel<br />
durch sein vergossenes Blut nur um Rache an einer Welt schreien kann, die einen gerechten<br />
Mann nicht dul<strong>de</strong>n wollte!<br />
Es ist klar, daß in einer bösen Welt ein gerechter Mann entwe<strong>de</strong>r sterben o<strong>de</strong>r kraft <strong>de</strong>r<br />
Entrückung aus ihr entweichen muß. Henoch wur<strong>de</strong> durch Glauben entrückt, nach<strong>de</strong>m<br />
er mit Gott gewan<strong>de</strong>lt hatte. Nichts kann uns mehr von <strong>de</strong>r Welt trennen, <strong>als</strong> wenn <strong>de</strong>r<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 17
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Henoch<br />
Herr unser Herz einnimmt. „Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie Geheiligte<br />
seien durch Wahrheit“, sagt Er. Das Herz, das mit Ihm außerhalb <strong>de</strong>r Welt verbun<strong>de</strong>n ist,<br />
befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r vollkommensten Heiligung. Gläubige gehen durch viel Zucht durch<br />
äußere Umstän<strong>de</strong>, weil ihre Herzen nur darauf ruhen, daß sie Gerechtfertigte auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
sind, – ohne Frage eine gesegnete Stellung – aber unsere Stellung ist unvereinbar mit allem,<br />
was auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ist; und daher muß die Seele, die das nicht weiß, es lernen. Paulus mußte<br />
lernen, Jerusalem und alle Verbindungen dort, an <strong>de</strong>nen sein Herz hing, aufzugeben. Er ging<br />
durch viele Trübsale, ehe er sittlich von seiner irdischen Hoffnung befreit war. Himmlische<br />
Hoffnungen setzten ihn zweifellos an<strong>de</strong>ren Trübsalen aus, aber <strong>de</strong>r Tod gehörte nicht dazu,<br />
<strong>de</strong>nn er hatte Lust, abzuschei<strong>de</strong>n. Wenn unsere Hoffnung wirklich die Entrückung wäre,<br />
um <strong>de</strong>n Herrn zu sehen, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tod in diesem Leben uns nur wenig schrecken; er<br />
wür<strong>de</strong> nie unsere Hoffnung antasten. Wir lei<strong>de</strong>n unter gegenwärtigen Dingen nicht so sehr,<br />
weil sie wirklichen Einfluß o<strong>de</strong>r Wert für uns haben, son<strong>de</strong>rn weil sie einen so großen<br />
Teil unserer Hoffnung bil<strong>de</strong>n. Nur durch unsere Hoffnung gewinnen alle Dinge um uns<br />
und an uns ein Interesse. Die einzige Zucht, die Henoch zeigt, ist ein Weg mit Gott und<br />
ein prophetisches Zeugnis, und <strong>de</strong>shalb ist das <strong>de</strong>r Weg, auf <strong>de</strong>m das wohlerzogene Kind<br />
Gottes wan<strong>de</strong>ln wird, und je mehr es daran festhält, um so weniger wird es nötig sein, ein<br />
„Gewicht‘wegzunehmen o<strong>de</strong>r es wegen seines Unglaubens zu ermahnen, und das ist das<br />
En<strong>de</strong> aller väterlichen Zucht.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Noah<br />
Noah<br />
Noahs Geschichte ist <strong>de</strong>shalb beson<strong>de</strong>rs interessant, weil sie uns das Vorbild eines Dieners<br />
Gottes auf Er<strong>de</strong>n gibt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt bezeugt, daß hier alles eitel ist, in<strong>de</strong>m er eine Arche<br />
baut, um aus <strong>de</strong>r Welt zu entkommen. Er ist eigentlich <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>r neuen Ordnung in<br />
sittlicher Kraft. Adam war erst wenige Jahre tot, ebenso Seth und Henoch, und daher hätte<br />
Lamech, Noahs Vater, damit rechnen können, daß Gott ihnen ein wenig „Ruhe“ sandte, –<br />
irgen<strong>de</strong>in Zeichen Seiner Fürsorge und Regierung. Als solches erwies sich Noah (“Trost“,<br />
„Ruhe“), und daher ist sein Leben für die Diener Gottes sehr lehrreich.<br />
Abel und Henoch waren Zeugen von Grundsätzen. Noah ist <strong>de</strong>r Zeuge Gottes auf einem<br />
Schauplatz, wo diese Grundsätze verkün<strong>de</strong>t, aber nun mißachtet wur<strong>de</strong>n. Noah ist <strong>de</strong>shalb<br />
Gottes geduldiger Zeuge und Diener in großer Langmut, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m kommen<strong>de</strong>n Gericht<br />
warnt. Die Er<strong>de</strong> war ver<strong>de</strong>rbt vor Gott und voll Gewalttat; alle Schranken zwischen rein<br />
und unrein waren nie<strong>de</strong>rgerissen. Die Söhne Gottes heirateten die Töchter <strong>de</strong>r Menschen,<br />
„welche sie irgend erwählten“. Der Wille war <strong>de</strong>r einzige Führer und Prüfstein bei diesen<br />
unheiligen Verbindungen. Der Name Gottes wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> verunehrt. Die Religion<br />
Henochs und <strong>de</strong>r Väter mag noch bestan<strong>de</strong>n haben, aber die Richtschnur, die die Kin<strong>de</strong>r<br />
Gottes beobachten sollten, um Seinen Namen zu bewahren, wur<strong>de</strong> nun zugunsten ihres<br />
eigenen Willens aufgegeben. So wur<strong>de</strong> <strong>als</strong>o schon in jenen Tagen offenbar, daß die<br />
Befriedigung unseres eigenen Willens die Aufgabe jenes Zeugnisses für einen heiligen<br />
Gott zur Folge hat, das uns in einer bösen Welt geziemt. Eine Stellung ist wertvoll, wenn<br />
man sie einnimmt, wenn aber nicht, so verschlimmert sie <strong>de</strong>n Abfall. Denn je höher die<br />
Stellung ist, umso weniger wird sie auch nur <strong>de</strong>n geringsten Abfall ertragen. Ein Fehltritt, <strong>de</strong>r<br />
in einer niedrigeren Stellung nicht bemerkt wird, wird in einer höheren untragbar. Es war<br />
notwendig, Timotheus nicht nur zu sagen, sich von <strong>de</strong>n „jugendlichen Lüsten“ zu reinigen,<br />
son<strong>de</strong>rn sie zu fliehen. Der Wille darf sich nicht einmischen, wenn die abgeson<strong>de</strong>rte Stellung<br />
<strong>de</strong>s Volkes Gottes aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n soll. Folglich ist das entschlossene Festhalten<br />
<strong>de</strong>r eigenen Meinung in bezug auf irgen<strong>de</strong>inen Gegenstand Sektiererei. Nun war dieses<br />
Han<strong>de</strong>ln „welche sie irgend erwählten“ die herrschen<strong>de</strong> Macht in <strong>de</strong>n Menschen jener Zeit<br />
nach <strong>de</strong>r Entrückung Henochs, <strong>de</strong>ssen Prophezeiungen unbeachtet blieben; und Gott in<br />
Seiner Güte und Nachsicht errichtete Sich Selbst ein Zeugnis in <strong>de</strong>r Person Noahs.<br />
Noah war 500 Jahre auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gewesen, bevor er zu seinem beson<strong>de</strong>ren Werk berufen<br />
wur<strong>de</strong>, und wir lesen, daß er unter seinen Zeitgenossen ein Zeuge <strong>de</strong>r Wahrheiten war, die<br />
schon durch Abel und Henoch auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> geoffenbart wor<strong>de</strong>n waren. Es wird gesagt, daß<br />
er ein „gerechter Mann“ war wie Abel, und er „wan<strong>de</strong>lte mit Gott“, das war die große und<br />
heilige Linie, <strong>de</strong>r Henoch gefolgt war. Das ist <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r berufen wird, <strong>de</strong>n Namen Gottes<br />
zu verkün<strong>de</strong>n, d. h., was Gott ist und wie Er Sich in <strong>de</strong>r Welt kundgetan hat. Grundsätze <strong>de</strong>r<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 19
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Noah<br />
Wahrheit, wodurch <strong>de</strong>r Mensch gesegnet wer<strong>de</strong>n sollte, waren ausdrücklich auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
bezeugt wor<strong>de</strong>n. Wenn nun aber alle sittliche Verpflichtung gegenüber <strong>de</strong>r Heiligkeit Gottes<br />
und alle Furcht vor ihr aufgegeben wird, kommt Gott Selbst hervor, um Sich zu offenbaren,<br />
und Sein treuer Diener widmet sich <strong>de</strong>m Erforschen <strong>de</strong>s Wesens Gottes in neuen, tiefen und<br />
vollen Zügen. Der Mensch kann seine Wür<strong>de</strong> und Stellung unwie<strong>de</strong>rbringlich verwirken<br />
und aufgeben, aber die Wahrheit Gottes und was Gott ist, <strong>de</strong>r ihm diese Wür<strong>de</strong> und Stellung<br />
verschaffte, kann nicht aufgegeben wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>r wahre Diener steht zu ihr und<br />
hält sie aufrecht, – nicht um <strong>de</strong>n Menschen wie<strong>de</strong>rherzustellen, <strong>de</strong>r sie hätte bewahren<br />
sollen, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Namen Gottes und Seine Güte zu verteidigen, die man aus <strong>de</strong>m<br />
Auge verloren hat. Wenn Gott Grundsätze verkün<strong>de</strong>t, sind sie zum Segen <strong>de</strong>s Menschen und<br />
haben <strong>de</strong>shalb beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n Menschen zum Gegenstand. Aber wenn die Menschen, die sie<br />
empfangen, sie vernachlässigen, so daß ihre Schönheit und ihr Wert beeinträchtigt wer<strong>de</strong>n,<br />
dann geziemt es <strong>de</strong>m Diener, sie wie<strong>de</strong>r zu erneuern. Nicht für die Menschen, obgleich sie<br />
noch für sie bestimmt sind, son<strong>de</strong>rn für Gott, Dessen Ehre über alles geht, wenn in bezug<br />
auf sie die Gleichgültigkeit vorherrscht. Und je <strong>de</strong>utlicher und heller diese Grundsätze<br />
dargestellt wer<strong>de</strong>n, um so schärfer wer<strong>de</strong>n die Gleichgültigen und Ungläubigen verurteilt,<br />
aber soviel mehr wer<strong>de</strong>n auch die treuen Diener mit Ehre gekrönt und gesegnet. Ein Diener<br />
wie Noah hat in seiner Umgebung viel zu lernen außer <strong>de</strong>r Tatsache seiner Annahme und<br />
seiner Verbindung mit Gott.<br />
Die Zucht ist <strong>de</strong>m Dienst, <strong>de</strong>n Noah tun soll, angepaßt. Noah mußte vor allem Geduld lernen;<br />
aber die Geduld war auch mit schwerer Mühe verbun<strong>de</strong>n. Henoch besaß Geduld, aber er<br />
wan<strong>de</strong>lte auf einem Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung. Noah benötigte sie im praktischen Leben, <strong>de</strong>nn<br />
er beschäftigte sich nicht mit <strong>de</strong>m, was angenehm war, son<strong>de</strong>rn mit feindlichen Geistern.<br />
Henoch entflieht <strong>de</strong>n Menschen, um mit Gott zu wan<strong>de</strong>ln, und ist dann 300 Jahre geduldig.<br />
Noah hat es bei seiner täglichen Mühe mit <strong>de</strong>n Menschen zu tun und verurteilt die Welt. Er<br />
ist ein Prediger <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, die er durch <strong>de</strong>n Glauben an <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Welt<br />
sittlich verleugnet wur<strong>de</strong>, besaß. Statt Ruhe und Trost, die sein Vater Lamech erwartet hatte,<br />
gibt es Arbeit und Mühe, um Ruhe und Trost zu erlangen und um die Welt zu verurteilen,<br />
auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fluch Gottes ruhte. Geduldig arbeitete er, und die Geduld zeigt ihre Früchte,<br />
obwohl wir später sehen wer<strong>de</strong>n, daß seine Natur das Gegenteil beweist. Um in einer<br />
bösen Welt zu Trost und Ruhe zu kommen, muß ich geduldig <strong>de</strong>n Namen Gottes und die<br />
Wahrheit festhalten. Oft nehmen wir uns im Herzen ein gutes und würdiges Ziel vor, aber<br />
<strong>de</strong>n versuchungsreichen und schwierigen Pfad, <strong>de</strong>n wir gehen müssen, um es zu erreichen,<br />
kennen wir nur wenig. Es war zweifellos wahr, daß Noah nach <strong>de</strong>m Ausspruch Lamechs<br />
„uns trösten wird über unsere Arbeit und die Mühe unserer Hän<strong>de</strong>“, ob schon Lamech es<br />
selbst nicht erlebte. Er sah es nur im Wer<strong>de</strong>n. Der Vorsatz, ein gutes und erwünschtes Ziel<br />
zu erreichen, vermin<strong>de</strong>rt in großem Maße die auftreten<strong>de</strong>n Schwierigkeiten. Noah bereitete<br />
eine Arche zur Rettung seines Hauses und verurteilte die Welt wegen ihres Unglaubens<br />
und weil sie Gott leugneten, während er geduldig Zeugnis ablegte mit einer Klarheit, die<br />
alle Kin<strong>de</strong>r Gottes kennzeichnen sollte. Selbst wenn er nur <strong>de</strong>r geduldige Diener gewesen<br />
wäre, wäre seinem Hause <strong>de</strong>r Segen infolge eben <strong>de</strong>r Mühe, durch die er die Welt wegen<br />
ihrer Unkenntnis Gottes verurteilte, zugeströmt.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Noah<br />
Gott wird <strong>de</strong>n Knecht, <strong>de</strong>r Ihn ehrt, immer ehren. „Der du . . . hast mein Wort bewahrt und<br />
hast meinen Namen nicht verleugnet . . . ; siehe, ich wer<strong>de</strong> sie zwingen, daß sie kommen und<br />
sich nie<strong>de</strong>rwerfen vor <strong>de</strong>inen Füßen und erkennen, daß ich dich geliebt habe“ (Offb 3,8–9).<br />
Wenn Gott und Seine Wahrheit (gemäß ihrer Offenbarung) ihre wahre sittliche Wirkung<br />
auf das menschliche Gewissen verloren haben, ist das einzig wahre und sichere Mittel<br />
zu ihrer Wie<strong>de</strong>rherstellung – auch für je<strong>de</strong>n einzelnen –, nachdrücklich zu erklären, daß<br />
Gott wahrhaftig ist und je<strong>de</strong>r Mensch ein Lügner! Ich wen<strong>de</strong> mich von <strong>de</strong>n Menschen weg,<br />
um von <strong>de</strong>r Wahrheit Zeugnis zu geben, <strong>de</strong>nn ein Gewissen kann letzten En<strong>de</strong>s wahrhaft<br />
gesegnet wer<strong>de</strong>n, wenn Gott ihm nicht <strong>de</strong>r Wahrheit gemäß vorgestellt wird.<br />
Deshalb, wenn „die Wahrheit auf <strong>de</strong>m Markt gestrauchelt ist“, möge <strong>de</strong>r Mutige bekennen,<br />
wie <strong>de</strong>r wahrhaft Mutige, „ich bin dazu in die Welt gekommen, auf daß ich <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
Zeugnis gebe.“<br />
Nach Jahren <strong>de</strong>r Zucht und Mühe befin<strong>de</strong>t sich Noah nun in <strong>de</strong>r Arche. Sehr oft wird<br />
die Eigenschaft, durch die wir uns am meisten hervortun und durch die wir am meisten<br />
erreicht haben, unwirksam, und wir lei<strong>de</strong>n viel. Zweifellos wartete Noah ungeduldig darauf,<br />
die Arche zu verlassen, nach<strong>de</strong>m sie ihren Zweck erfüllt hatte. Unsere Ungeduld und<br />
unser Eigenwille wer<strong>de</strong>n in nichts so sehr bloßgestellt wie hier. Noah war ein Zeuge <strong>de</strong>r<br />
Anhänglichkeit an Gott, im Gegensatz zum Eigenwillen <strong>de</strong>r Menschen um ihn herum.<br />
jahrelang hat er sich abgemüht, die Arche zu bauen, und nun ist er ungeduldig, sie zu<br />
verlassen, sobald sie ihm die Errettung ermöglicht hat. Gott ist gerechtfertigt, Seiner<br />
Wahrheit ist Zeugnis gegeben, Noah und sein Haus sind errettet; und nun will er die<br />
Arche verlassen, bevor Gottes Zeit da ist. Es ist eine größere Probe, auf <strong>de</strong>m Platz <strong>de</strong>s Segens<br />
zu verharren, <strong>als</strong> ihn zu erreichen, <strong>de</strong>nn manche widrigen Umstän<strong>de</strong> können uns bewegen<br />
o<strong>de</strong>r drängen, ihn zu suchen. Aber wenn das Herz nicht befriedigt ist, wenn es nicht mit<br />
<strong>de</strong>n Schätzen <strong>de</strong>s göttlichen Erbteils beschäftigt ist, wenn es statt nach <strong>de</strong>m Wohlgefallen<br />
Seines Herzens an Seinen Freu<strong>de</strong>n teilzuhaben, seine Aufmerksamkeit auf <strong>de</strong>n „Lauch“ und<br />
die „Zwiebeln“ draußen richtet, dann ist <strong>de</strong>r Errettete und Gesegnete in größerer Gefahr,<br />
abgelenkt zu wer<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r nicht Errettete, – <strong>de</strong>r Wille ist tätig, und gera<strong>de</strong> die Ruhe seines<br />
Gewissens gewährt seinem unbeschäftigten Sinn Freiheit, selbst zu suchen und zu planen.<br />
Der freigelassene Rabe, <strong>de</strong>r hin und wie<strong>de</strong>r flog, ist ein treffen<strong>de</strong>s Bild von <strong>de</strong>r Ruhelosigkeit<br />
unseres ungeduldigen Geistes. Die Taube gibt Noah eine an<strong>de</strong>re Unterweisung. Der Rabe<br />
hatte ihn die wahren Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Eigenwillens gelehrt, gegen <strong>de</strong>n er selbst gezeugt hatte,<br />
und <strong>de</strong>r wie ein Hund unbefriedigt umherstreift.<br />
Die Taube lehrt ihn zuerst, daß er Geduld haben muß. Wie <strong>de</strong>mütigend ist es, wenn wir<br />
durch <strong>de</strong>n sanften, weichen Ton <strong>de</strong>r Liebe zurechtgewiesen wer<strong>de</strong>n! Die Taube hatte ihren<br />
Platz in <strong>de</strong>r Arche; warum sollte Noah ihn da nicht haben? Das zweite Mal kehrt die Taube<br />
mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>nszweig zurück, so daß Noah nicht nur nachgeben muß, son<strong>de</strong>rn, da die<br />
Geduld ihr Werk vollen<strong>de</strong>t hat, ist er zufrie<strong>de</strong>n. Das Olivenblatt zeigt uns die Fülle <strong>de</strong>r<br />
Segnung, die sein ist. Und wenn die Taube noch einmal hinausfliegt, kann sie fortbleiben.<br />
Die Zucht hat Noah reifen lassen, und er wird auf einen neuen Schauplatz gerufen, auf <strong>de</strong>m<br />
er die wertvolle Erziehung beweisen soll, die ihm zuteil gewor<strong>de</strong>n ist; er, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Arche<br />
hervorgegangen ist in aller Kraft und Treue eines siegreichen Knechts, um Gott auf Seinem<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 21
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Noah<br />
wahren Platz auf Er<strong>de</strong>n zu offenbaren. Gott ist befriedigt, das Zeugnis wie<strong>de</strong>rhergestellt,<br />
und zwar mit vermehrtem Segen für <strong>de</strong>n Menschen.<br />
Danach beginnt Noah, Ruhe und Trost für sich zu fin<strong>de</strong>n. Selbstgefälligkeit tritt an die Stelle<br />
<strong>de</strong>r Geduld, und so offenbart sich die Schwachheit <strong>de</strong>r größten Knechte Gottes, wenn sie<br />
ihre eigene Ruhe und Befriedigung suchen. Das Hin- und Wie<strong>de</strong>rgehen unserer Gedanken,<br />
wenn wir noch von unbeseitigten Schwierigkeiten umringt sind, zeigt uns, wohin unsere<br />
Neigungen gehen. Aber wenn wir Erfolg gehabt haben, dann wird unsere Schwachheit<br />
in ihrer ganzen Größe offenbar – (verflucht sei, <strong>de</strong>r sie verkün<strong>de</strong>t! vgl. 1.Mose 9,22+25).<br />
Obwohl Gott lange Nachsicht mit uns hat, muß Er uns Seine Gna<strong>de</strong> lehren. Wenn ich meine<br />
Schwachheit im Übermaß meiner Freu<strong>de</strong> zeige, erfahre ich, wie sündhaft ich bin; und so<br />
sieht auch Noah nach all seiner Selbstverleugnung und seinem Dienst, wie sündhaft er ist.<br />
Bezeichnen<strong>de</strong>rweise schließt mit dieser Warnung die Geschichte Noahs.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 22
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
Abraham<br />
In Abrahams Geschichte fin<strong>de</strong>n wir auf beson<strong>de</strong>re Weise die für das Leben <strong>de</strong>s Glaubens<br />
notwendige und passen<strong>de</strong> Zucht dargestellt. In Babel hatten die Menschen das geheime<br />
Ziel ihres Herzens geoffenbart. Sie bauten eine Stadt und einen Turm, <strong>de</strong>ssen Spitze an<br />
<strong>de</strong>n Himmel reichen sollte. Sie sagten: „Machen wir uns einen Namen, daß wir nicht<br />
zerstreut wer<strong>de</strong>n über die ganze Er<strong>de</strong>“ (1.Mo 1,14)! Sie versuchten, das durch eigene Werke<br />
und unabhängig von Gott zu erreichen. Gott verwirrte sie beim Versuch und ließ das<br />
ganze Menschengeschlecht fühlen, daß ihm geistige Verbindung durch <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>s<br />
gemeinsamen Verständigungsmittels versagt ist, so daß <strong>de</strong>r Mensch seinem Mitmenschen<br />
entfrem<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Was auch immer sein Gefühl <strong>de</strong>r gemeinsamen Verwandtschaft sein<br />
mochte, seine Gedanken waren gehemmt o<strong>de</strong>r nicht mitteilbar. Nach<strong>de</strong>m Gott in dieser<br />
Weise <strong>de</strong>m Unabhängigkeitsstreben <strong>de</strong>s Menschen Einhalt geboten hatte, blieb Er <strong>de</strong>r<br />
Absicht Seiner Liebe treu und offenbarte – wie<strong>de</strong>r mittels eines Menschen – wie dieser<br />
Wunsch, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mensch in Unabhängigkeit von Gott nachgestrebt hatte, verwirklicht<br />
wer<strong>de</strong>n kann: In einer völligen Abhängigkeit von Gott!<br />
Und so, darf ich am Ran<strong>de</strong> bemerken, sind Gottes Wege mit uns immer. Wir fühlen unser<br />
Bedürfnis und suchen es mit eigenen Mitteln zu stillen. Der Herr muß uns bei <strong>de</strong>m Versuch<br />
dazu „verwirren“, aber danach führt Er unsere Seelen dazu, eine unbegreiflich viel größere<br />
Antwort auf unsere Wünsche zu fin<strong>de</strong>n <strong>als</strong> die, die wir uns ausgedacht hatten. Der verlorene<br />
Sohn suchte nur Nahrung bei einem Bürger jenes Lan<strong>de</strong>s, aber im Hause seines Vaters<br />
fand er nicht nur Brot, son<strong>de</strong>rn einen überschwänglichen Empfang und ein gemästetes<br />
Kalb. Doch gehen wir zurück. Nach<strong>de</strong>m die Verwirrung <strong>de</strong>r Sprachen geschehen ist, betritt<br />
Gott <strong>de</strong>n Schauplatz und ruft aus ihm einen Mann heraus – nämlich Abraham –, <strong>de</strong>r Zeuge<br />
<strong>de</strong>r Abhängigkeit sein und nicht nach einem „Babel“, son<strong>de</strong>rn nach einer „Stadt, welche<br />
Grundlagen hat, <strong>de</strong>ren Baumeister und Schöpfer Gott ist“, ausschauen sollte. Und in Gna<strong>de</strong><br />
wird uns die Geschichte dieses Zeugen und Knechtes Gottes gegeben, um uns zu belehren,<br />
was unsere Natur in ihrer Tätigkeit unter <strong>de</strong>m Ruf Gottes ist, und wie Gott Sich mit ihr<br />
in ihren vielen Stufen <strong>de</strong>s Eigenwillens und <strong>de</strong>r Unabhängigkeit beschäftigt, wie Er sie<br />
zurechtweist, unterwirft und sie zu unserem Segen auf Seinen Wegen leitet.<br />
Das Wort Gottes an Abraham lautet: „Gehe aus <strong>de</strong>inem Land und aus <strong>de</strong>iner Verwandtschaft<br />
und aus <strong>de</strong>ines Vaters Hause in das Land, das ich dir zeigen wer<strong>de</strong>“ (1.Mo 12,1), und das<br />
Wort wird <strong>de</strong>r Beurteiler <strong>de</strong>r Gedanken und Gesinnungen <strong>de</strong>s Herzens. Wir kennen nie<br />
die wahre Absicht unseres eigenen Willens, bis wir ihn zwingen, sich bedingungslos <strong>de</strong>m<br />
Willen Gottes, <strong>de</strong>n Sein Wort uns zeigt, zu unterwerfen. Vielleicht sehen wir gar keinen<br />
großen Unterschied zwischen unserem Lauf und <strong>de</strong>m Willen Gottes, bis wir ihn mit <strong>de</strong>n<br />
genauen For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Wortes Gottes messen; und zwar nicht nur mit <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 23
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
eines Teiles dieses Wortes, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s ganzen. Wenn wir es teilweise erfüllen, än<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />
schränken wir Gottes geoffenbarten Willen ein; wenn wir uns von Seinem Geiste entfernen,<br />
verlieren wir die Belehrung. Aber nur dadurch, daß wir es annehmen und daran festhalten,<br />
wird unsere Seele vom Eigenwillen befreit und zu <strong>de</strong>m Segen geführt, <strong>de</strong>n seine Belehrung<br />
uns vorstellt. Aber hier treten dann die Versuchungen und Übungen auf, <strong>de</strong>nn Übungen<br />
und Streit müssen sein, weil unser natürlicher Wille das Wort Gottes immer flieht o<strong>de</strong>r<br />
einschränkt und weil die Unbeugsamkeit <strong>de</strong>r Absicht Gottes (wegen Seiner Liebe) uns immer<br />
streng auf Seinen Willen beschränkt. Dieser Streit macht Zucht notwendig und erklärt so<br />
Ereignisse in unserem Leben, die uns sonst unverständlich wären. Der Ruf an Abraham war<br />
klar und <strong>de</strong>utlich. Er for<strong>de</strong>rte ihn auf, <strong>de</strong>n Ort und alle verwandtschaftlichen Beziehungen<br />
zu verlassen und einen von Gott bereiteten Schauplatz zu betreten. Die Genauigkeit seines<br />
Gehorsams zeigt das Maß seiner Kraft. Er beginnt, <strong>de</strong>m Ruf zu gehorchen; er verließ Ur in<br />
Chaldäa, „um in das Land Kanaan zu gehen“; er kam aber nur aus <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Chaldäer<br />
und hielt sich in Haran auf. Er empfing das Wort und begann, zu gehorchen, und doch sehen<br />
wir, daß er es unvollständig tat; er verließ wohl sein Land, nicht aber seine Verwandtschaft!<br />
Er blieb in Haran, bis sein Vater gestorben war. Die Natur war dazwischengetreten und<br />
hin<strong>de</strong>rte ihn, <strong>de</strong>m Ruf Gottes vollkommen zu gehorchen. Das ist eine ernste Warnung für<br />
uns. Wir stimmen <strong>de</strong>m Ruf zu und nehmen ihn an; aber erst wenn wir in Übereinstimmung<br />
mit ihm wan<strong>de</strong>ln, ent<strong>de</strong>cken wir die For<strong>de</strong>rungen, die er an unsere Natur stellt. Nichts<br />
beweist so sehr <strong>de</strong>n Mangel an wahrer Energie, wie die Unfähigkeit das zu vollen<strong>de</strong>n, was<br />
wir bereitwillig auf uns nehmen. Wie viele beginnen das Glaubensleben eifrig und freudig,<br />
die dann aber ent<strong>de</strong>cken, daß sie nicht imstan<strong>de</strong> sind, „die Toten ihre Toten begraben“<br />
zu lassen, und, obgleich sie im Herzen bereit sind, „ein an<strong>de</strong>res Land“ zu suchen, durch<br />
irgendwelche Bindung <strong>de</strong>s Fleisches abgelenkt und abwendig gemacht wer<strong>de</strong>n. Nichts ist für<br />
<strong>de</strong>n Menschen so schwierig, <strong>als</strong> fleischliche Verbindungen ohne Ersatz abzubrechen, weil<br />
solch ein Abbruch Einsamkeit hervorrufen muß, wenn er nicht eine an<strong>de</strong>re vollkommene<br />
Verbindung gefun<strong>de</strong>n hat; und gera<strong>de</strong> darauf zielt <strong>de</strong>r Herr ab, wenn Er sagt: „Folge du mir<br />
nach.“ Aber wenn ein Abbruch dieser Beziehungen <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r engsten Verbindungen<br />
mit <strong>de</strong>r natürlichen Existenz be<strong>de</strong>utet, so muß ihre Aufrechterhaltung die Erhaltung <strong>de</strong>r<br />
unmittelbarsten Zugänge zum menschlichen Herzen sein, und <strong>de</strong>shalb steht geschrieben:<br />
„Des Mannes Fein<strong>de</strong> sind seine Hausgenossen.“ Außer in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> gibt es kein Entfliehen<br />
vor <strong>de</strong>r Natur. Als Barnabas seinen Verwandten Markus wählte, wählte er zugleich Zypern,<br />
seine Heimat. Sein Fehltritt war nicht nur in <strong>de</strong>m Fleisch, son<strong>de</strong>rn auch zum Fleisch.<br />
Abraham versäumte zunächst <strong>als</strong>o, <strong>de</strong>n zweiten Teil <strong>de</strong>s Rufes Gottes zu erfüllen; er verließ<br />
seines „Vaters Haus“ nicht und wird <strong>de</strong>mzufolge zurückgehalten, bis sein Vater gestorben<br />
ist. Dies ist die erste Stufe im Glaubensleben, und obwohl er sie bereitwillig und mit <strong>de</strong>m<br />
Herzen betrat, wie geschrieben steht: „und er zog aus, nicht wissend, wohin er komme“,<br />
ent<strong>de</strong>ckte er, daß er es nicht vollbringen konnte, ehe nicht <strong>de</strong>r Tod das Band, das ihn<br />
mit <strong>de</strong>r Natur verknüpfte, zerrissen hatte. Der Glaube ist Abhängigkeit von Gott, und<br />
die Unabhängigkeit von allem, was menschlich ist. Der Weg, <strong>de</strong>r Abraham vorgestellt<br />
wur<strong>de</strong>, erfor<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>mgemäß <strong>de</strong>n unbedingten Ausdruck <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott allein.<br />
Er konnte nicht ohne Opfer sein und wollte es auch nicht; und außer <strong>de</strong>n Übungen, die<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 24
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
Abrahams Herz auf diesem Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens durchgemacht haben muß, erfährt er, daß<br />
<strong>de</strong>r Tod praktisch das Band, das ihn auf <strong>de</strong>m Wege zurückhält, lösen muß. Die erste Stufe<br />
wird nicht überschritten, ohne daß das Herz <strong>de</strong>n Schmerz <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s verspürt, aber <strong>de</strong>r Tod<br />
bringt eine neue Befreiung. Wenn Abram nicht durch seinen Vater zurückgehalten wor<strong>de</strong>n<br />
wäre, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n unbekannten Weg ohne Pause verfolgt hätte bis zu <strong>de</strong>m Platz, zu <strong>de</strong>m<br />
Gott ihn berufen hatte, wäre er <strong>de</strong>m Schmerz, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tod mit sich brachte, entgangen; aber<br />
da er es selbst zugelassen hatte, daß er zurückgehalten wur<strong>de</strong>, konnte nichts <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Tod<br />
ihn befreien, und <strong>de</strong>shalb geht er durch diese Zucht. So ist es in Gna<strong>de</strong> bei vielen von uns;<br />
unsere Abhängigkeit von Gott ist nicht einfältig und bedingungslos; wir halten auf <strong>de</strong>m<br />
Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens inne und wer<strong>de</strong>n durch irgen<strong>de</strong>ine fleischliche Bindung zurückgehalten,<br />
bis sie „stirbt“, <strong>de</strong>nn sterben muß sie, wollen wir unseren Weg mit Gott fortsetzen, o<strong>de</strong>r wir<br />
müssen ihr absterben.<br />
Als <strong>de</strong>r Tod so Abrams Verbindung mit <strong>de</strong>r Natur gelöst hatte, mußte er seinen Lauf von<br />
neuem beginnen, zweifellos dadurch gezüchtigt, daß das Gewicht, das ihn behin<strong>de</strong>rt hatte,<br />
entfernt war. Dieser Zucht hätte er entgehen können, wenn er in größerer Glaubensenergie<br />
gewan<strong>de</strong>lt hätte; aber doch empfing er Belehrung durch sie.<br />
Es war eine sehr nützliche Lehre, nämlich, daß <strong>de</strong>r Glaube die fleischliche Begier<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Tiefen <strong>de</strong>s Herzens nicht beeinflußt und daß die Begier<strong>de</strong>, selbst wenn die Segnungen groß<br />
sind, sich <strong>de</strong>m Wort Gottes nur selten unterwirft, und selbst wenn es für eine kurze Zeit<br />
<strong>de</strong>r Fall sein sollte, wird sie immer nach einer freien Entfaltung ihrer Tätigkeit streben;<br />
und wenn sie öffentlich tätig ist, muß sie öffentlich unterjocht wer<strong>de</strong>n. Wenn ich mich von<br />
meinem fleischlichen Willen leiten lasse und mich so vom Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens abwen<strong>de</strong>,<br />
muß ich, wenn Gott in Seiner Gna<strong>de</strong> mich wie<strong>de</strong>r in rechte Bahnen lenkt, lernen, meinen<br />
Willen beiseite zu setzen. Das ist Selbsterniedrigung und Zucht.<br />
Für junge Gläubige, aber auch für alle ist es wichtig, wie wir diese erste Stufe <strong>de</strong>s<br />
Glaubenslebens beginnen und vollen<strong>de</strong>n; Versagen und Unentschlossenheit hier können<br />
Kummer und Unschlüssigkeit auf <strong>de</strong>m ganzen Wege nach sich ziehen. Denn niem<strong>als</strong><br />
weichen wir vom Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens ab, ohne einen „Dorn“ von <strong>de</strong>r Natur aufzulesen, die<br />
wir berufen sind zu verleugnen. Das Fleisch muß im To<strong>de</strong> gehalten wer<strong>de</strong>n; und obgleich<br />
wir befreit sein mögen wie Abraham durch <strong>de</strong>n Tod seines Vaters, braucht ein Fehler,<br />
obgleich er berichtigt wird, nicht in seinen Wurzeln ausgerottet zu sein, und wenn das <strong>de</strong>r<br />
Fall ist, muß die Zucht fortgesetzt wer<strong>de</strong>n. Lot ging mit Abram, aber er war nicht nur für<br />
Abram persönlich eine beständige Prüfung, son<strong>de</strong>rn seine Nachkommen waren die größte<br />
Plage für Abrams Nachkommen, und ihre boshaften Versuchungen auf Betreiben Balaams<br />
sind in <strong>de</strong>r Schrift <strong>als</strong> Vorbild <strong>de</strong>r schlimmsten Machenschaften gegen die Kirche Gottes<br />
nie<strong>de</strong>rgelegt (Offb 2, 14). Wo wir einmal versagen, wer<strong>de</strong>n wir wie ein Pferd, das stolpert,<br />
wahrscheinlich noch einmal versagen <strong>de</strong>shalb warnt Gott uns in Seiner Fürsorge beständig<br />
vor unseren Neigungen, obgleich die Gna<strong>de</strong>, wenn sie in uns wirkt immer am <strong>de</strong>utlichsten<br />
gesehen wird, wenn sie am nötigsten gebraucht wird.<br />
Abram betritt nun die zweite Stufe seines Glaubenslebens: <strong>als</strong> Frem<strong>de</strong>r im frem<strong>de</strong>n Land,<br />
abhängig von Gott, baut er einen Altar, <strong>de</strong>nn die Fremdlingschaft, in die uns <strong>de</strong>r Glaube<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 25
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
führt, befestigt unsere Herzen in Gott, und das führt zur Anbetung. Wenn aber die Folgen<br />
o<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> unserer Fremdlingschaft uns beschäftigen, verlieren wir die Ruhe, die <strong>de</strong>r<br />
Glaube bietet und suchen an<strong>de</strong>rswo Trost. So wandte sich Abram, <strong>als</strong> er sah, daß eine<br />
Hungersnot im Lan<strong>de</strong> war, vom Glaubenspfa<strong>de</strong> ab, <strong>de</strong>n er betreten hatte, und ging nach<br />
Ägypten hinab.<br />
Es ist <strong>de</strong>mütigend, zu sehen, wie wankelmütig wir auf diesem Pfa<strong>de</strong> sind, und wenn<br />
wir auch glücklich und sicher auf ihm zu wan<strong>de</strong>ln scheinen, ist es doch nötig zu sagen:<br />
„Wer zu stehen sich dünkt, sehe zu, daß er nicht falle“. Obgleich Abram in Gna<strong>de</strong> auf<br />
<strong>de</strong>n Pfad, von <strong>de</strong>m er abgewichen war, zurückversetzt wird und sogar zu <strong>de</strong>m Orte, wo<br />
im Anfang sein Altar gewesen war, zurückkehrt, sehen wir, daß die Dornen, die er auf<br />
seinen Wan<strong>de</strong>rungen aufgelesen hatte, ihn bei seiner Wie<strong>de</strong>rherstellung stechen. Das<br />
Vieh, <strong>de</strong>r Gewinn Ägyptens, ruft einen Konflikt zwischen <strong>de</strong>n Hirten Abrams und Lots<br />
hervor. Aber die Wie<strong>de</strong>rherstellung för<strong>de</strong>rt uns immer in sittlicher Hinsicht, <strong>de</strong>nn sie<br />
stellt uns über das, wovon wir wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n. Jetzt, nach<strong>de</strong>m Abram wahrhaft<br />
wie<strong>de</strong>rhergestellt ist, sieht er nicht auf die Folgen, son<strong>de</strong>rn bleibt in Abhängigkeit von Gott<br />
und in hoher sittlicher Kraft auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s Glaubens. Meine erste Schwierigkeit auf <strong>de</strong>m<br />
Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens ist, vom Fleisch, vom Ort, und von <strong>de</strong>r Verwandtschaft loszukommen;<br />
wenn ich davon befreit bin und die Fremdlingschaft fühle, ist das nächste <strong>de</strong>r Drang zum<br />
Vorwärtsschreiten o<strong>de</strong>r mich zu erfreuen o<strong>de</strong>r in dieser neuen Stellung Ruhe zu fin<strong>de</strong>n, so<br />
wie ein Auswan<strong>de</strong>rer in einem fernen und wil<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong> sich so schnell wie möglich ein<br />
Heim zu bauen sucht. Dieser Wunsch zum Vorwärtsschreiten, eine so starke Lei<strong>de</strong>nschaft<br />
im menschlichen Herzen und <strong>de</strong>r Beweggrund aller großen Anstrengungen Babylons, kann<br />
Ehrsucht genannt wer<strong>de</strong>n, aber er muß vom Mann <strong>de</strong>s Glaubens, <strong>de</strong>r Gottes Zeuge in dieser<br />
bösen Welt ist, überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. So wird Abrams Ehrsucht nun geprüft; aber die Zucht<br />
hat ihr Werk getan, und seine Wie<strong>de</strong>rherstellung ist vollständig. Sucht er Anerkennung<br />
o<strong>de</strong>r Emporkommen in diesem neuen Land? Nein! er wan<strong>de</strong>lt durch Glauben und überläßt<br />
Lot alle zeitlichen Vorteile, <strong>de</strong>r, um seine Ehrsucht zu befriedigen, die ganz bewässerte<br />
Ebene wählt, während Abram eine vollere Offenbarung <strong>als</strong> Lohn für seinen Glauben erhält.<br />
Aber selbst jetzt geht es nicht ohne Lei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn sobald ich mich mit Christus auf <strong>de</strong>m<br />
Weg befin<strong>de</strong>, gehe ich <strong>de</strong>n Weg eines Gesandten Gottes, um Seinem Volk hier auf Er<strong>de</strong>n<br />
zu dienen. Abram, <strong>de</strong>r abhängige Mensch, <strong>de</strong>r seinen unsichtbaren Pfad <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung<br />
verfolgt, muß in Erscheinung treten und <strong>de</strong>n gleichen Dienst tun, <strong>de</strong>n Christus erfüllte,<br />
und seinen Bru<strong>de</strong>r Lot retten, <strong>de</strong>r seinen Ehrgeiz befriedigt hatte, in<strong>de</strong>m er sich mit <strong>de</strong>n<br />
Menschen dieses Zeitlaufs eingelassen hatte und <strong>de</strong>mzufolge in Trübsale kam. Und wenn<br />
Abram in <strong>de</strong>n Gefahren und Übungen seines Dienstes zu fühlen bekam, was er durch diesen<br />
Neffen, <strong>de</strong>n er aus Ur in Chaldäa mitgebracht hatte, zu lei<strong>de</strong>n hatte, wur<strong>de</strong> seine Seele<br />
zugleich auf <strong>de</strong>m Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott befestigt. Während er bei <strong>de</strong>r vorigen<br />
Gelegenheit durch eine vollere Offenbarung <strong>de</strong>s verheißenen Erbes belohnt wor<strong>de</strong>n war,<br />
wer<strong>de</strong>n Streit und Dienst jetzt durch die Erquickung und <strong>de</strong>n Segen im Namen Jehova-<br />
Gottes, <strong>de</strong>r Himmel und Er<strong>de</strong> besitzt, belohnt, wahrlich mehr <strong>als</strong> genug, um ihn für <strong>de</strong>n<br />
Verzicht auf <strong>de</strong>n Ehrgeiz <strong>de</strong>s Fleisches zu entschädigen!<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
Hier möchte ich hinzufügen, daß, wenn die Neigungen unseres Fleisches nicht besiegt sind<br />
und wir uns auf irgen<strong>de</strong>ine Art in unserer neuen Stellung auszuzeichnen o<strong>de</strong>r vorzudrängen<br />
suchen, wir wie Lot sein wer<strong>de</strong>n, wenn wir auch von „Haus“ und „Verwandtschaft“ getrennt<br />
sind und die himmlische Stellung einnehmen. Wenn wir aber wirklich versuchen, <strong>de</strong>n Pfad<br />
<strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung zu gehen, wird unser Glaube durch vermehrte Offenbarungen gestärkt<br />
wer<strong>de</strong>n, und unser Dienst wird belebt durch die Verbindung mit Ihm, <strong>de</strong>r unser Vorläufer<br />
innerhalb <strong>de</strong>s Vorhangs ist, „Jesus, ein Hoherpriester in Ewigkeit nach <strong>de</strong>r Ordnung<br />
Melchise<strong>de</strong>ks“.<br />
Wir kommen nun zum dritten Abschnitt <strong>de</strong>r Geschichte Abrams auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s Glaubens,<br />
und zwar wird er hier unter eine völlig neue Art <strong>de</strong>r Belehrung gestellt, welche seine<br />
Zuneigungen prüfte. Der Ehrgeiz seines Fleisches ist geprüft wor<strong>de</strong>n; nun wer<strong>de</strong>n seine<br />
Zuneigungen unter die Zucht gestellt, und das wird in erster Linie durch die Verheißung<br />
eines Sohnes bewerkstelligt. Das ist <strong>de</strong>r Gegenstand von 1. Mose 15. Ich möchte kurz<br />
bemerken, daß ich mich bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>s Lebens dieses Knechtes Gottes auf einen<br />
Gegenstand, nämlich die Zucht, beschränke. Ich übergehe viele Ereignisse, die von an<strong>de</strong>rer<br />
Seite ausführlich betrachtet wor<strong>de</strong>n sind, z. B. seine Gemeinschaft mit Gott, seine Fürbitte,<br />
usw. Alles das ist sehr anziehend, kann aber hier nicht behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Es scheint mir, daß sich <strong>de</strong>r wahre Zustand <strong>de</strong>s Herzens Abrams in seiner Antwort auf<br />
Gottes gna<strong>de</strong>nreiche Anre<strong>de</strong> am Anfang <strong>de</strong>s Kapitels offenbart. Zwar war es richtig, daß<br />
er sich einen Sohn wünschte; das war ein Wunsch, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Ratschlägen Gottes betreffs<br />
seiner entsprach, und hätte er <strong>de</strong>n Wunsch nicht gehabt, wäre es nicht <strong>de</strong>m Willen Gottes<br />
gemäß gewesen. Dennoch erhebt sich seine Antwort „Was willst du mir geben?“ nicht<br />
zu <strong>de</strong>r Höhe, in die Gott ihn einführen wollte, nämlich innige Zufrie<strong>de</strong>nheit mit Ihm,<br />
<strong>de</strong>nn was konnte Er ihm Größeres geben“ <strong>als</strong> die Verheißung, daß Er sein „sehr großer<br />
Lohn“ war? Nichts<strong>de</strong>stoweniger kommt Gott ihm entgegen und verheißt das, was Er<br />
früher nur ange<strong>de</strong>utet hat. Aber ein langer Weg liegt zwischen ihm und <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>r<br />
Verheißung, und <strong>als</strong> Abraham muß er in seinem Hause eine Vorbereitung für die Prüfung<br />
seiner Zuneigungen über sich ergehen lassen, die ihn viele Jahre später erwartete, die er<br />
aber durchmachen mußte, um im Leben <strong>de</strong>s Glaubens vervollkommnet zu wer<strong>de</strong>n. Es war<br />
nicht so, daß er die Fülle und Nähe, in <strong>de</strong>r Gott Sich ihm offenbart hatte, unterschätzte, aber<br />
er zeigte die geheime Schwäche <strong>de</strong>r menschlichen Seele, getrennt von je<strong>de</strong>r rnenschlichen<br />
Bindung zu ruhen. Gott weiß das und will gnädig helfen; aber wenn Er Isaak verheißt und<br />
gibt, muß Abraham ihn auch <strong>als</strong> von Gott gegeben ansehen.<br />
Abraham glaubte Gott, aber sein Herz brauchte Vorbereitung und Zucht, wie wir an <strong>de</strong>r<br />
Ungeduld <strong>de</strong>s Fleisches sehen, die er bekun<strong>de</strong>t, während er auf die Erfüllung <strong>de</strong>r Verheißung<br />
wartet, und er ist ihr im engsten Familienkreise unterworfen. Es gibt vielleicht kein größeres<br />
Hin<strong>de</strong>rnis für die Erfüllung <strong>de</strong>ssen, was Gott uns zuteil wer<strong>de</strong>n lassen will, <strong>als</strong> wenn eine<br />
fleischliche Gesinnung han<strong>de</strong>lt. Wie es eine Eigenschaft Satans ist, das, was er nicht vereiteln<br />
kann, zu ver<strong>de</strong>rben, so ist es auch mit <strong>de</strong>m Eigenwillen unseres Fleisches, <strong>de</strong>r gerne etwas<br />
annehmen und vollen<strong>de</strong>n möchte, was eigentlich vollkommen außer ihm, bei Gott seinen<br />
Ursprung hat: so hält Eva Kain für <strong>de</strong>n verheißenen Samen, weil sie eine geistliche Wahrheit<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
in fleischlicher Gesinnung auslegt. Der Mensch kann nie das Ausmaß <strong>de</strong>ssen erkennen, was<br />
Gott <strong>de</strong>nen bereitet, die Ihn lieben.<br />
Ein Ismael war <strong>de</strong>r Maßstab Abrahams, ein Isaak <strong>de</strong>rjenige Gottes. Inzwischen muß<br />
Abraham durch Streit und Kummer erfahren, welches die Frucht seiner Ungeduld ist,<br />
und schließlich muß er tun, was „übel in seinen Augen“ ist, nämlich seinen Sohn vertreiben.<br />
So verzögern unsere eigenen Pläne nur die wirklichen Segnungen. Es müssen fast 20 Jahre<br />
zwischen <strong>de</strong>r Verheißung und <strong>de</strong>r Geburt Isaaks verflossen sein, und mannigfaltig waren<br />
die Prüfungen, die er in <strong>de</strong>r Zeit durchmachen mußte, obwohl <strong>de</strong>r Herr ihm ebenso viele<br />
und große Mitteilungen machte.<br />
Wir kommen nun zum vierten Abschnitt auf Abrahams Pfad <strong>de</strong>r Zucht: Kapitel 21. Sein<br />
Becher scheint voll zu sein: Isaak wird geboren; die Magd und ihr Sohn vertrieben; die<br />
Mächte <strong>de</strong>r Nationen – vorgestellt in Abimelech – kommen, um zu bezeugen, daß Gott<br />
mit ihm ist in allem, was er tut; er pflanzt eine Tamariske und ruft <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s ewigen<br />
Gottes an. Aber noch mehr Zucht war nötig, um seiner Seele <strong>de</strong>utlich zu machen, daß<br />
jener volle Becher ganz allein Gottes Gabe war; daß nur Er ihn füllen, leeren und wie<strong>de</strong>r<br />
füllen konnte, und daß Er allein es konnte. Abraham erwartete nichts mehr von <strong>de</strong>r Welt;<br />
wür<strong>de</strong> er nun <strong>de</strong>n Gegenstand seiner Hoffnungen und Zuneigungen aufgeben können?<br />
und noch mehr, wür<strong>de</strong> er selbst diese schreckliche Tat ausführen wollen? Es war „übel<br />
in seinen Augen“, Ismael zu vertreiben; was mußte es für ihn sein, nun zu hören: „Nimm<br />
<strong>de</strong>inen Sohn, <strong>de</strong>inen einzigen, <strong>de</strong>n du lieb hast, <strong>de</strong>n Isaak, und ziehe hin in das Land Morija<br />
und opfere ihn daselbst <strong>als</strong> Brandopfer auf einem <strong>de</strong>r Berge, <strong>de</strong>n ich dir sagen wer<strong>de</strong>.‘Er<br />
opferte ihn nicht wie Jephtah auf sein eigenes Versprechen, son<strong>de</strong>rn auf das ein<strong>de</strong>utige<br />
Gebot Gottes hin, das nicht nur seine Zustimmung for<strong>de</strong>rte, son<strong>de</strong>rn auch, daß er selbst <strong>de</strong>r<br />
Täter sein sollte! Abraham gehorchte. Er geht <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott, erhaben<br />
über je<strong>de</strong>n Einfluß von Ehrsucht o<strong>de</strong>r Gefühl. Aber welche Zucht! Welche Verleugnung<br />
langgehegter Hoffnungen und Gefühle! Der Gegenstand <strong>de</strong>s Verzichts war nicht wie Jonas<br />
Wun<strong>de</strong>rbaum, <strong>de</strong>r in einer Nacht emporwuchs und in einer Nacht verdorrte, son<strong>de</strong>rn die<br />
Frucht jahrelanger Geduld, Prüfungen und Anteilnahme; und nun sollte er sich selbst <strong>de</strong>n<br />
vollen Becher von <strong>de</strong>r Lippe reißen. Wo war das Fleisch? – wo seine For<strong>de</strong>rungen? War<br />
Abraham an jenem Tage wie Jephta „tief nie<strong>de</strong>rgebeugt“, o<strong>de</strong>r „zürnte“ er wie Jona? Nein!<br />
<strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>r, Glaubens stand an jenem für das Fleisch so schrecklichen Tage „<strong>de</strong>s Morgens<br />
früh auf und sattelte seinen Esel und nahm mit sich zwei von seinen Knaben und Isaak,<br />
seinen Sohn; und er spaltete Holz zum Brandopfer und machte sich auf und zog hin an<br />
<strong>de</strong>n Ort, <strong>de</strong>n Gott ihm gesagt hatte“. Welch eine dauern<strong>de</strong> Ruhe und Wür<strong>de</strong> verleiht <strong>de</strong>r<br />
Glaube! Nichts geschah hastig o<strong>de</strong>r überstürzt; die Zeit <strong>de</strong>r Erwägung war lang, <strong>de</strong>nn am<br />
dritten Tage war <strong>de</strong>r Ort noch „ferne“. Wer kann im Geiste diesen Übungen einer Seele, die<br />
<strong>de</strong>r Glaube treu im Gehorsam gegen das Wort Gottes bewahrte, folgen, ohne zu erstaunen<br />
über die alles übersteigen<strong>de</strong> Kraft, die jener Glaube verleiht? Das Opfer ist vollständig!<br />
Abraham nimmt mit eigener Hand das Messer, um seinen Sohn zu schlachten, aber er<br />
vertraut auf Gott, „in<strong>de</strong>m er urteilte, daß er auch aus <strong>de</strong>n Toten zu erwecken vermöge.“ Die<br />
Abhängigkeit von Gott triumphiert über die For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Fleisches, und die Belohnung<br />
erfolgt sogleich. Der im Dickicht festgehaltene Wid<strong>de</strong>r, – Christus, das wahre Brandopfer,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 28
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Abraham<br />
Der uns in eine herrliche Stellung vor Gott versetzt, was keines unserer Opfer je vermocht<br />
hätte, – Er ist unsere Entschädigung nach allem Verzicht und auch die wahre, vollständige<br />
Befriedigung unserer Herzen. Und so wird <strong>de</strong>r Ort Jehova-jireh genannt; er ist „<strong>de</strong>r Berg<br />
Jehovas“, weil hier Jehova das, was allen unseren Bedürfnissen entspricht, bereithält. Hier<br />
erhält Abraham auch die größte und vollste Offenbarung <strong>de</strong>r Segnungen, die ihm jem<strong>als</strong><br />
zuteil wur<strong>de</strong>. Das Fleisch war so zum Schweigen gebracht und die Abhängigkeit von Gott<br />
so wahr und echt, daß Jehova ihm die geheimsten Ratschlüsse Seiner Liebe offenbaren kann.<br />
Er war so vollkommen und „erwachsen“, daß er ein Ohr zu hören und ein Herz um die<br />
Weisheit zu verstehen hatte. Alles dieses hatte Gottes Zucht bewirkt; und dazu will Er, in<br />
<strong>de</strong>r Größe Seiner Gna<strong>de</strong>, auch je<strong>de</strong>n von uns führen. Möchten wir wirklich Gna<strong>de</strong> und<br />
Weisheit haben, <strong>de</strong>n Pfad <strong>de</strong>s Glaubens zu erkennen und auf ihm zu wan<strong>de</strong>ln, zur Ehre und<br />
Verherrlichung Dessen, <strong>de</strong>r bei aller Erziehung unserer Herzen unseren Segen und unsere<br />
Freu<strong>de</strong> im Auge hat.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 29
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
Isaak<br />
Abraham, Isaak und Jakob waren in beson<strong>de</strong>rer Weise „die Väter Israels“, die Häupter eines<br />
von Gott berufenen Volkes, das auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> in glücklicher Abhängigkeit von ihm wan<strong>de</strong>ln<br />
sollte. Abraham war <strong>de</strong>r erste auf <strong>de</strong>m Wege, und während er im Glauben am vorbildlichsten<br />
war, <strong>de</strong>r sie alle kennzeichnete, hatte er mit beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n zu ringen, die <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren unbekannt waren. Wenn sein Weg höher war, waren seine Schwierigkeiten<br />
größer; wenn <strong>de</strong>r Glaube stärker war, waren Wi<strong>de</strong>rstand und Verleugnung <strong>de</strong>s Fleisches<br />
beson<strong>de</strong>rs hartnäckig und heftig, aber das geziemte ihm <strong>als</strong> <strong>de</strong>m Anführer. Die mächtige<br />
Wirksamkeit <strong>de</strong>s göttlichen Glaubens wi<strong>de</strong>rsetzte sich in tödlichem Kampf je<strong>de</strong>m dreisten<br />
Wi<strong>de</strong>rstand, <strong>de</strong>n die eigenwillige Natur im Kampf um ihr Dasein ihm entgegenstellte. Es<br />
war ein „Nahkampf“: Die Abhängigkeit von Gott, die das Geschöpf <strong>de</strong>r Herrschaft seines<br />
eigenen Willens entriß ‚ um es Gottes Willen zu unterwerfen, muß die bitterste Feindschaft<br />
<strong>de</strong>s Fleisches hervorgerufen haben. Abraham steht eigentlich an erster Stelle in diesem<br />
wichtigen Streit. Es folgt Isaak, auch ein Führer, aber erst an zweiter Stelle. Abraham erobert<br />
das Land; Isaak soll es bewahren und muß die Stellung gegen <strong>de</strong>n gemeinsamen Feind<br />
behaupten. Abraham lei<strong>de</strong>t, während er um <strong>de</strong>n Besitz kämpft; Isaak lei<strong>de</strong>t, während er ihn<br />
bewahrt. Die Hin<strong>de</strong>rnisse bei Abraham entspringen größtenteils <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong><br />
außer ihm, bei Isaak fast immer <strong>de</strong>r persönlichen Schwachheit. Isaak stellt uns die Natur<br />
in ihrem besten und glücklichsten Zustand, aber in ihrer Unfähigkeit vor, <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s<br />
Glaubens zu bewahren, auf <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mensch durch Gottes Gna<strong>de</strong> gestellt ist. Seine Fehltritte<br />
wer<strong>de</strong>n nicht so sehr durch die Macht <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s bewirkt, <strong>de</strong>r ihn abwendig macht, <strong>als</strong><br />
vielmehr durch die bloße Schwachheit <strong>de</strong>s Menschseins. Die Jünger schliefen, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Herr<br />
sie auffor<strong>de</strong>rte zu wachen, nicht aus Bosheit, <strong>de</strong>nn „<strong>de</strong>r Geist war willig“, son<strong>de</strong>rn weil<br />
Aas Fleisch schwach“ war und es nicht seine Gefühle zeigen konnte, wie es wollte. Isaak<br />
zeigt uns, wie schwach und hinfällig selbst die beste Seite unserer Natur auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s<br />
Glaubens ist, wie sie auf diesem Weg versagt, und welches die daraus entspringen<strong>de</strong> Zucht<br />
ist.<br />
Isaak betritt <strong>de</strong>n Schauplatz <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Sohn <strong>de</strong>r Verheißung, und wie sein Name an<strong>de</strong>utet<br />
(“Lacher“ s. Anm. zu 1.Mo 17,19), unter <strong>de</strong>n glücklichsten sittlichen Vorzeichen. Kein<br />
Wun<strong>de</strong>r, daß wir vorbereitet sind, in ihm ein glückliches Beispiel <strong>de</strong>r gefallenen Menschheit<br />
zu sehen: gehorsam, liebevoll, häuslich. Die erste Bekanntschaft mit ihm machen wir im<br />
beginnen<strong>de</strong>n Mannesalter bei <strong>de</strong>r Besteigung <strong>de</strong>s Berges Morija; bei einer so wun<strong>de</strong>rbaren<br />
Begebenheit, daß wir kaum wissen, was unsere Bewun<strong>de</strong>rung mehr fesselt, die gelassene<br />
Tat Abrahams o<strong>de</strong>r die Lamm gleiche Ergebenheit Isaaks. Man kann sagen, daß er nicht<br />
im voraus wußte, daß er auf so unheilvolle Weise selbst dabei betroffen war; aber auch<br />
<strong>als</strong> er es wußte, <strong>als</strong> er auf das Holz <strong>de</strong>s Altars gelegt wur<strong>de</strong> und das Messer in <strong>de</strong>s Vaters<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 30
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
ausgestreckter Hand war, um ihn zu schlachten, selbst dann fin<strong>de</strong>n wir nicht, daß er<br />
auch nur im geringsten <strong>de</strong>r Ausführung wi<strong>de</strong>rstand. Gehorsam in Unwissenheit bekun<strong>de</strong>t<br />
unbegrenztes Vertrauen in die Person, <strong>de</strong>r ich mich so arglos unterwerfe, und beweist weiter,<br />
daß ich meinen eigenen Willen beugen und <strong>de</strong>m unterwerfen kann, <strong>de</strong>r Anspruch auf mich<br />
hat. Gehorsam muß am Anfang <strong>de</strong>r Liste all <strong>de</strong>r Tätigkeiten stehen, die zu Ordnung und<br />
Segen führen sollen. Die For<strong>de</strong>rung lautet (wie schon bei Adam), <strong>de</strong>n Willen zugunsten<br />
Dessen aufzugeben, Der rechtmäßige For<strong>de</strong>rungen stellen kann. Für Untertanen, Knechte,<br />
Ehefrauen, Kin<strong>de</strong>r gilt das. „Ehre <strong>de</strong>inen Vater und <strong>de</strong>ine Mutter“ ist <strong>de</strong>shalb das erste<br />
Gebot mit Verheißung, weil <strong>de</strong>n Willen aufzugeben eine Handlung ist, die <strong>de</strong>m Charakter<br />
unserer Natur entgegengesetzt ist, und Gott anerkennt und segnet sie. Der Weg <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus war von uneingeschränktem Gehorsam, aber Ihm stan<strong>de</strong>n immer die Folgen jenes<br />
Gehorsams vor Augen. Er unterwarf Sich wegen <strong>de</strong>s Dienstes, <strong>de</strong>n Er tun sollte, und wegen<br />
<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, die Er <strong>de</strong>m Vater bereiten wür<strong>de</strong>, und nicht wie Isaak, das Vorbild auf Ihn, weil<br />
er <strong>de</strong>n Ausgang nicht kannte und weil er auf <strong>de</strong>n vertraute, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gehorsam verlangte.<br />
Dieser Gehorsam Isaaks im Anfang seiner Geschichte verbürgt unsere hohe Einschätzung<br />
seiner Person; aber wenn er (wie bei <strong>de</strong>m Jüngling im Evangelium, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Herr liebte)<br />
<strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>s Fleisches entsprang, so mußte er (wie bei jenem) einer unzwei<strong>de</strong>utigen<br />
Prüfung unterzogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Je lieblicher <strong>de</strong>r Charakter ist, <strong>de</strong>sto unverkennbarer muß <strong>de</strong>r Beweis sein, daß ein solcher<br />
allem, was in ihm selbst ist, entsagt hat. Von <strong>de</strong>m Jüngling wird gefor<strong>de</strong>rt, alles was er hat,<br />
zu verkaufen und <strong>de</strong>n Armen zu geben, von wo es nicht wie<strong>de</strong>rerlangt wer<strong>de</strong>n kann; und<br />
so, beraubt und entblößt, <strong>de</strong>m Herrn zu folgen. Isaak, die sanfteste aller Naturen, mußte<br />
sinnbildlich durch <strong>de</strong>n Tod gehen, <strong>de</strong>n Tod, <strong>de</strong>r das En<strong>de</strong> alles Fleisches be<strong>de</strong>utet, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
einzige wahre Ort dafür ist. Denn nur wo das Fleisch vollständig am En<strong>de</strong> ist, nämlich<br />
im To<strong>de</strong> Christi, gibt es wahre Befreiung vom To<strong>de</strong> und bewußte Einnahme <strong>de</strong>s Platzes,<br />
auf <strong>de</strong>n die Gna<strong>de</strong> uns versetzt hat. Der göttliche Wille führt uns unfehlbar zu dieser<br />
vorbehaltlosen Unterwerfung; und diese Zucht, die für Isaak so notwendig und gesegnet ist,<br />
wird ihm gleich zu Beginn seiner Geschichte auferlegt. Es ist nicht wie bei Abraham die<br />
Abson<strong>de</strong>rung und Selbsterniedrigung, son<strong>de</strong>rn nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Tod, <strong>de</strong>r sittliche Tod.<br />
Je gebil<strong>de</strong>ter und vollkommener die Natur ist, <strong>de</strong>sto schwieriger ist es, sie zu verleugnen;<br />
wo nichts Offenkundiges zu verleugnen ist, erscheint es hart, daß alles verleugnet wer<strong>de</strong>n<br />
muß. Wo etwas Offenkundiges ist, wird eine Verleugnung immer <strong>de</strong>n Willen brechen, weil<br />
<strong>de</strong>r Wille in <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>nschaft seinen Ausdruck fin<strong>de</strong>t, und das Zerbrechen<br />
<strong>de</strong>s Willens ist <strong>de</strong>r sittliche Tod <strong>de</strong>r alten Natur, <strong>de</strong>n alle erlei<strong>de</strong>n müssen. Nur wird er<br />
bei einigen direkt durch die Vernichtung einer herrschen<strong>de</strong>n Vorliebe o<strong>de</strong>r eines Übels<br />
erreicht, während bei an<strong>de</strong>ren, die wie Isaak eine gleichmäßigere Natur haben, bei <strong>de</strong>r<br />
nichts beson<strong>de</strong>rs hervortritt, das zerbrochen wer<strong>de</strong>n muß, das Ganze praktisch unwirksam<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n muß.<br />
Das nächste, was wir von Isaak hören, steht wie<strong>de</strong>r in Verbindung mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong>: aber in<br />
einer an<strong>de</strong>ren Art und Weise, die ihn auf ein neues Leben vorbereitet. Der Tod seiner Mutter<br />
läßt ihn <strong>als</strong> Einzelwesen auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zurück. Wir fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r göttlichen Zucht zwei Arten<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, nämlich entwe<strong>de</strong>r sterbe ich, o<strong>de</strong>r alles stirbt mir. Wir dürfen wohl sagen, daß<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 31
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
Isaak, <strong>als</strong> er „auf <strong>de</strong>m Fel<strong>de</strong> sann“, erfahren haben muß (obwohl er durch die Hoffnung<br />
auf bessere zukünftige Dinge erfreut wur<strong>de</strong>), wie <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>n Schauplatz verö<strong>de</strong>t und eine<br />
Lücke im Herzen hinterläßt, die nichts darin füllen kann. Der Beiseitesetzung Saras folgt<br />
jedoch die Einführung Rebekkas, und er verläßt das Dunkel und <strong>de</strong>n Kummer <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, um<br />
<strong>de</strong>n Trost, <strong>de</strong>n Jehova ihm verschafft, anzunehmen. Aber selbst dann, so treu und wahr sind<br />
die Wege unseres Gottes mit Seinem Volk, hat Isaak, <strong>de</strong>r verheißene Sohn, keinen Erben,<br />
und er bekommt ihn nicht eher <strong>als</strong> bis er sich auf Gott verläßt, <strong>de</strong>nn er muß lernen, auf Ihn<br />
zu schauen statt auf das Fleisch. Er muß lernen, daß Segnungen, welcher Art sie auch sein<br />
mögen, getrennt von Gott kein erwünschtes Ergebnis erzielen. Aber nach dieser Lehre wird<br />
<strong>de</strong>r vorbestimmte Plan durchgeführt, und Isaak erhält Kin<strong>de</strong>r. Bei ihrer Geburt wird eine<br />
Offenbarung über ihr Schicksal gewährt, die für ein <strong>de</strong>m Willen und <strong>de</strong>n Ratschlägen Gottes<br />
geöffnetes Ohr ausreichend sind, um zu erkennen, was <strong>de</strong>r göttliche Wille betreffs ihrer<br />
war. Isaak sollte das verstan<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>mentsprechend gehan<strong>de</strong>lt haben; aber er scheint es<br />
nicht getan zu haben, o<strong>de</strong>r die Gewohnheit seiner Natur verdrängte <strong>de</strong>n Ratschluß Gottes<br />
in seinem Innern, <strong>de</strong>nn er scheint in Jakob nicht <strong>de</strong>n Erben <strong>de</strong>r Verheißungen erkannt<br />
zu haben, und er „hatte Esau lieb, <strong>de</strong>nn Wildbret war nach seinem Mun<strong>de</strong>“. Der göttliche<br />
Fingerzeig wird übersehen, weil das Herz <strong>de</strong>s Vaters durch die Aufmerksamkeiten <strong>de</strong>s<br />
Sohnes erfreut wird und mehr durch die Eingebungen <strong>de</strong>s Fleisches <strong>als</strong> durch <strong>de</strong>n Ratschluß<br />
Gottes geleitet wird. So natürlich und väterlich dieses Gefühl auch war, so war doch <strong>de</strong>r<br />
Wille <strong>de</strong>s Menschen im Wi<strong>de</strong>rspruch zum Willen Gottes, und <strong>de</strong>shalb muß Isaak lernen,<br />
aufzugeben, <strong>de</strong>nn das Wort <strong>de</strong>s Herrn muß bestehen bleiben!<br />
Aber das geschieht nicht in einem Augenblick. Isaak scheint dieses Verhältnis, in <strong>de</strong>m<br />
Esau vorgezogen wur<strong>de</strong>, sehr lange genossen zu haben. Im Lauf <strong>de</strong>r Zucht, <strong>de</strong>r Gott Sein<br />
Volk unterwirft, fin<strong>de</strong>n wir oft, daß es Ihm offenkundig wi<strong>de</strong>rstrebt, uns unserer einfachen<br />
fleischlichen Vergnügungen zu berauben. ja, oft dürfen wir an ihnen teilhaben, bis wir<br />
ihnen in <strong>de</strong>r Anmaßung <strong>de</strong>s Fleisches einen Platz gegen Gott einräumen wollen, und wir,<br />
wie <strong>de</strong>r König Ussija es tat, <strong>de</strong>m, was nur einen Platz im Fleische hat, einen Platz bei Gott<br />
einräumen wollen und <strong>de</strong>m Fleisch <strong>de</strong>mgemäß Wür<strong>de</strong>n zuteilen, die Gott vorbehalten<br />
sind. Dies geschieht fast zwangsläufig, wo die Neigung, <strong>de</strong>m Herrn zu folgen besteht,<br />
und sogar, wo <strong>de</strong>r anerkannte Beweggrund <strong>de</strong>r Seele ist, Gott zu gefallen, d. h., wo das<br />
Gewissen in Tätigkeit, aber <strong>de</strong>r Wille nicht unterworfen ist. So können die For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />
Herrn in <strong>de</strong>r Seele anerkannt wer<strong>de</strong>n, ohne daß <strong>de</strong>r eigene Wille <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Herrn<br />
wirklich untertan ist. Wenn dies <strong>de</strong>r Fall ist, wird man sich bemühen (und häufig mit<br />
zeitweiligem Erfolg), <strong>de</strong>m Geschöpf jene Stellung und Wür<strong>de</strong> zuzuerkennen, die nur <strong>de</strong>r von<br />
Gott Berufene besitzen sollte. In <strong>de</strong>r Christenheit sehen wir dazu bemerkenswerte Beispiele,<br />
daß richtige Namen ihren ungeeignetsten Gegnern beigelegt wer<strong>de</strong>n. Zum Beispiel stellt<br />
die gewöhnlich sogenannte „Kirche“ genau so wenig die wahre Sache dar wie das gol<strong>de</strong>ne<br />
Kalb <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r Israel aus Ägypten geführt hatte; und doch sind die meisten Gewissen<br />
beruhigt, weil <strong>de</strong>r wahre geistliche Name bewahrt geblieben ist. Ach, wir können unser<br />
Gewissen beruhigen, während wir unseren Willen befriedigen, in<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>m fleischlichen<br />
Ergebnis einen göttlichen Namen geben. Wo diese Haltung herrscht, muß Zucht sein, aber<br />
für manche Zucht sind wir nicht bereit, ehe wir durch eine Zucht an<strong>de</strong>rer Art gehen. Und<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 32
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
siehe, während Esau sich durch seine Jagd bei seinem Vater beliebt macht und das Wort<br />
Gottes in seinem Innern ungültig macht, zwingen ihn die Wirkungen eben dieser Jagd, sein<br />
Erstgeburtsrecht eben <strong>de</strong>m zu verkaufen, für <strong>de</strong>n Gott es vorgesehen hatte; und so bereitet<br />
er zugleich die notwendige Zucht für Isaak vor und führt die Absichten Gottes aus. Satans<br />
scheinbar größter Sieg enthält immer <strong>de</strong>n Keim zu seiner eigenen Vernichtung. Wie er beim<br />
To<strong>de</strong> Christi seine Macht vereinigte und verlor, so wür<strong>de</strong>n wir, wenn wir nur Geduld hätten,<br />
das En<strong>de</strong> abzuwarten, ent<strong>de</strong>cken, daß sein schrecklichster Anschlag gegen uns in unserer<br />
sichersten Errettung endigt. „Aus <strong>de</strong>m Fresser kam Fraß.“<br />
Der nächste Bericht über Isaak ist von an<strong>de</strong>rer Art. Im Lan<strong>de</strong> entstand eine Hungersnot,<br />
und Kapitel 26 gibt uns eine ausführliche Beschreibung <strong>de</strong>r Übungen, durch die er vom<br />
Auszug nach <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n bis zu seiner Rückkehr ging. Die Hungersnot wird ausdrücklich<br />
von <strong>de</strong>r „vorigen Hungersnot“ in <strong>de</strong>n Tagen Abrahams unterschie<strong>de</strong>n. Die erste stellte<br />
Abraham, <strong>de</strong>n Vorläufer, auf die Probe, die zweite Isaak, <strong>de</strong>n Bewohner. Abraham hatte sich<br />
von ihr abgewandt und war nach Ägypten hinabgezogen. Isaak schlägt dieselbe Richtung<br />
ein und geht zu Abimelech, <strong>de</strong>m König <strong>de</strong>r Philister, aber dort ermahnt ihn Gott, nicht<br />
weiterzuziehen und sich in Gerar aufzuhalten. Er erlaubt ihm, sich dort aufzuhalten, um zu<br />
erkennen, ob es möglich ist, aber Er fügt hinzu: „Bleibe in <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>m ich dir sage.“<br />
Isaak hielt sich nicht nur in Gerar auf, son<strong>de</strong>rn er blieb dort, und <strong>als</strong> Folge davon beginnen<br />
seine Lei<strong>de</strong>n. Er muß hier lernen, daß er, wie reich er auch im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Philister sein<br />
mag, nie <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n und die Ruhe genießen kann, die seine Seele begehrt, solange er in<br />
Verbindung mit ihnen steht. Zunächst versucht er, sich durch f<strong>als</strong>che Darstellungen einen<br />
ungestörten Aufenthalt zu verschaffen, und <strong>als</strong> seine Lüge aufge<strong>de</strong>ckt wird, erniedrigt sie<br />
ihn vor ihnen <strong>als</strong> einen, <strong>de</strong>r Gott in <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n, in die er sich selbst gebracht hat, nicht<br />
vertrauen kann. Aber noch verläßt er <strong>de</strong>n Ort nicht. Oft versuchen wir, dort zu bleiben, wo<br />
wir untreu waren, <strong>als</strong> ob wir das, was wir verloren haben, wie<strong>de</strong>rerlangen könnten; aber<br />
wenn unsere Stellung eine Stellung <strong>de</strong>s Unglaubens ist, kann keine Art <strong>de</strong>s Verhaltens ihren<br />
Charakter verän<strong>de</strong>rn. Jehova zeigt Isaak die Nutzlosigkeit <strong>de</strong>s Gewinns in Gerar. Er mag so<br />
gesegnet sein, daß sein Getrei<strong>de</strong> hun<strong>de</strong>rtfältig trägt, bis er sehr groß wird. Aber wozu das<br />
alles? Die Stellung eines Fremdlings wäre glücklicher für ihn, <strong>de</strong>nn dann könnte er sein<br />
Brot in Ruhe essen und aus seinen eigenen Quellen in Frie<strong>de</strong>n trinken; aber bei all seiner<br />
Größe und all seinen Reichtümern sind ihm diese Segnungen in Gerar versagt.<br />
In einem langsamen und schmerzlichen Prozeß muß Isaak lernen, daß er das Land<br />
<strong>de</strong>r Philister ganz und gar verlassen muß, und je<strong>de</strong>r Brunnen, <strong>de</strong>n er graben mußte,<br />
kennzeichnet die Abschnitte dieses Vorgangs: erst „Zank“, dann „Anfeindung“, sodann<br />
„Räume“, aber <strong>als</strong> er „Raum“ gefun<strong>de</strong>n hat und von <strong>de</strong>r Verbindung, die ihn behin<strong>de</strong>rte,<br />
befreit ist, schreitet er voran nach Beerseba, das an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s liegt. Er nimmt<br />
wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Platz eines von Gott abhängigen Fremdlings und Pilgers ein, und in <strong>de</strong>m<br />
Augenblick, wo er das tut, erhält er seine Belohnung. „Jehova erschien ihm in selbiger<br />
Nacht“ und segnete ihn. Die Zucht hatte Heiligung erzielt, und er baut einen Altar und<br />
betet an. Sie hatte ihn gelehrt, daß es besser ist, ein wenig bei Gott zu haben <strong>als</strong> große<br />
Reichtümer in einer Stellung fern von Gott, und nun genießt er seine Segnungen und<br />
seine Quelle in Frie<strong>de</strong>n. Er erhielt dieselbe Lehre wie Abraham, nur in einer mil<strong>de</strong>ren<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 33
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
Form; nämlich <strong>de</strong>n Ehrgeiz und <strong>de</strong>n Wunsch nach Auszeichnung in dieser bösen Welt<br />
zu kreuzigen. Ehrsucht sucht <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren zu sein;<br />
Zuneigung sucht <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r eigenen Person zu sein. Abraham<br />
mußte zulassen, daß bei<strong>de</strong>s geprüft und gekreuzigt wur<strong>de</strong>; ebenso Isaak, aber wie gesagt,<br />
in einer mil<strong>de</strong>ren Form. Er wird zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s einen, nämlich <strong>de</strong>r Ehrsucht gebracht, in<br />
einer Weise, die beim Volke Gottes häufig ist, in<strong>de</strong>m er ent<strong>de</strong>ckt, daß man sich an keinem<br />
Gewinn in Verbindung mit <strong>de</strong>m Bösen erfreuen kann, und in<strong>de</strong>m er nach verschie<strong>de</strong>nen<br />
Kämpfen dazu getrieben wird, die f<strong>als</strong>che Stellung zugunsten <strong>de</strong>r ungetrübten Wasser von<br />
Beerseba und <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn zu verlassen.<br />
Aber noch erwartete ihn die große Zucht seiner Zuneigung; auf die er seit langem vorbereitet<br />
wur<strong>de</strong>; es war in <strong>de</strong>r Tat die große Zucht und Lehre seines Lebens. Sie begann, <strong>als</strong> auf <strong>de</strong>m<br />
Berge Morija seine ganze Natur, das Gute sowohl wie das Böse, abgelehnt wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m<br />
sie „im Gleichnis“ durch <strong>de</strong>n Tod ging, und während seines ganzen Lebens wur<strong>de</strong> sie nie<br />
aus <strong>de</strong>m Auge verloren. Dam<strong>als</strong> bestand die Zucht mehr in <strong>de</strong>m wirklichen, ein für allemal<br />
geschehenen To<strong>de</strong>; nun lernt Isaak jedoch jene Verleugnung <strong>de</strong>s Willens, die ihn sittlich zu<br />
<strong>de</strong>m führt, was <strong>de</strong>r Tod praktisch ist. Alles, was wir in Verbindung mit seinem Lieblingssohn<br />
Esau hören, trägt <strong>de</strong>nselben Charakter und scheint die Vorbereitung für die Prüfung seiner<br />
Zuneigungen zu sein, die er schließlich erdul<strong>de</strong>n muß, weil er <strong>de</strong>m Fleisch unrechtmäßig<br />
<strong>de</strong>n Vorzug vor Gottes Ratschluß gegeben hat. Die Schwachheit <strong>de</strong>s Fleisches war die Lehre<br />
für Isaak, und sie ist oft erniedrigen<strong>de</strong>r <strong>als</strong> seine Schlechtigkeit. Sie ließ die geliebten jünger<br />
in Gethsemane einschlafen und ließ Petrus fluchen und schwören, daß er Den nicht kenne,<br />
Den er am meisten auf Er<strong>de</strong>n liebte.<br />
Esau hatte nicht nur sein Erstgeburtsrecht verwirkt, son<strong>de</strong>rn er hatte sich auch<br />
gesellschaftlich <strong>de</strong>s Rechtes auf Erbschaft beraubt, in<strong>de</strong>m er eine Kanaaniterin heiratete.<br />
Als Isaak das erfährt, ist es, wie wir lesen, ein „Herzeleid“ für ihn. Aber selbst das entfernte<br />
Esau nicht von seinem Platz in <strong>de</strong>r Zuneigung seines Vaters. Esau war 40 Jahre alt, <strong>als</strong> diese<br />
Heirat stattfand. Jahre später, wie wir annehmen dürfen, <strong>als</strong> „Isaak alt gewor<strong>de</strong>n und seine<br />
Augen zu schwach waren um zu sehen“, ruft er Esau zu sich und sagt: „Mein Sohn, . . . siehe<br />
doch, ich bin alt gewor<strong>de</strong>n, ich weiß nicht <strong>de</strong>n Tag meines To<strong>de</strong>s. Und nun nimm doch <strong>de</strong>in<br />
Jagdgerät <strong>de</strong>inen Köcher und <strong>de</strong>inen Bogen, und gehe hinaus aufs Feld und erjage mir ein<br />
Wildbret; und bereite mir ein schmackhaftes Gericht wie ich es gern habe, und bringe es mir,<br />
daß ich esse, damit; meine Seele dich segne, ehe ich sterbe.“ So hängt Isaak bis zuletzt an<br />
<strong>de</strong>m Sohn, <strong>de</strong>n er lieb hatte, und übersah – so groß war seine natürliche Zuneigung – je<strong>de</strong>n<br />
göttlichen Fingerzeig, <strong>de</strong>r ihn in eine an<strong>de</strong>re Richtung gewiesen haben sollte. Wir sehen ihn<br />
von einer wahrlich <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Seite, wie je<strong>de</strong>n Gläubigen, bei <strong>de</strong>m das ungebändigte<br />
Fleisch regiert.<br />
Aber Gott wird die ungerichtete Natur auch bei Isaak unterwerfen! Und nicht nur das (so<br />
vollkommen und vollständig sind Gottes Wege), son<strong>de</strong>rn Er wird gera<strong>de</strong> jene Befriedigung,<br />
die dazu gedient hatte, Isaaks Willen und Urteil zu beeinflussen, <strong>als</strong> unmittelbares<br />
Mittel zu seiner Züchtigung benutzen. Gott erlaubt, daß er betrogen wird. Mittels <strong>de</strong>s<br />
„schmackhaften Gerichtes“ wur<strong>de</strong> sein Verstand vom gesun<strong>de</strong>n Urteil abgewen<strong>de</strong>t, und<br />
durch das „schmackhafte Gericht“ wird er ohne sein Wissen gezwungen, nach <strong>de</strong>m Willen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 34
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Isaak<br />
Gottes zu han<strong>de</strong>ln: nicht wie bei <strong>de</strong>r erhabenen und einsichtigen Tat Jakobs, <strong>de</strong>r seinen<br />
Segen in voller Übereinstimmung <strong>de</strong>s Geistes mit <strong>de</strong>m Willen Gottes aussprach, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>als</strong> Irregeführter, Ge<strong>de</strong>mütigter, Betrogener – fast gegen seinen Willen und ohne jegliche<br />
geistliche Verbindung zu Ihm –, und ohne, daß die traurigen Wirkungen <strong>de</strong>r Natur gerichtet<br />
o<strong>de</strong>r getötet waren.<br />
Menschliche Pläne wer<strong>de</strong>n jedoch vereitelt. Jakob, <strong>de</strong>r rechtmäßige Erbe und von Gott<br />
Bestimmte, erhält <strong>de</strong>n Segen, und Isaak muß es hören. Und nun fin<strong>de</strong>t in seiner Seele<br />
<strong>de</strong>r Kampf zwischen <strong>de</strong>m fleischlichen Willen und <strong>de</strong>m Worte Gottes statt. Was ist das<br />
Ergebnis? Die Natur gibt sich geschlagen! Welch ein Augenblick! Wer kann <strong>de</strong>n Aufruhr<br />
<strong>de</strong>r Seele beschreiben, <strong>de</strong>r das ganze Geschöpf erschüttert, wenn das Wort Gottes, das<br />
gleichgültig behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist, seine Macht und Autorität in unserer Seele behauptet?<br />
Unser Wille vergeht vor <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Wahrheit, die wir erkennen, ohne daß er uns<br />
rechtfertigt. Es überrascht uns nicht zu lesen, daß Isaak „mit großem Schrecken über die<br />
Maßen erschrak und sprach: Wer war <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r, welcher ein Wildbret erjagt und mir<br />
gebracht hat? und ich habe von allem gegessen, ehe du kamst und habe ihn gesegnet; er<br />
wird auch gesegnet sein.‘Wir sollten hier eine Tatsache von großem Gewicht bemerken,<br />
daß nämlich die Wahrheit durch einen Wan<strong>de</strong>l in Eigenwillen nicht verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wird<br />
und kann, obwohl wir, wenn unser Geist nicht Gott unterworfen ist, versuchen wer<strong>de</strong>n, sie<br />
f<strong>als</strong>ch anzuwen<strong>de</strong>n. Nur wenn das Fleisch unterworfen ist, können wir glücklich <strong>de</strong>r einzig<br />
wahren und richtigen Anwendung <strong>de</strong>s Wortes Gottes zustimmen.<br />
Zum Schluß sehen wir, wie Gottes Zucht wirkt. Isaak beugt sich nun <strong>de</strong>m Ratschluß Gottes;<br />
aber welch ein Schauplatz <strong>de</strong>s Kummers umgibt ihn! Seine Liebe zu Esau ist zerstört, und<br />
<strong>de</strong>r nun rechtmäßige Erbe, die Hoffnung seines Hauses, ist ein Verbannter! Dies alles ist die<br />
bittere Frucht natürlicher Zuneigung, <strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Willen Gottes nachgegeben wor<strong>de</strong>n<br />
ist!<br />
Dennoch hören wir keine Äußerung <strong>de</strong>r Ungeduld von Isaak; er segnet Jakob und sen<strong>de</strong>t<br />
ihn nach Paddan-Aram, so stark und fest im Glauben wie in seinen besten Tagen. Und<br />
seine Geschichte schließt mit <strong>de</strong>m Bericht, daß seine letzten Tage durch die Gegenwart<br />
Jakobs erhellt wur<strong>de</strong>n. So sehen wir die Absicht <strong>de</strong>s Herrn, „voll innigen Mitgefühls und<br />
barmherzig“, wenn die Zucht vollen<strong>de</strong>t ist, <strong>de</strong>m Beraubten alles und mehr <strong>als</strong> er verloren<br />
hat, zurückzugeben. Möge dies alle, die in Zion trauern, trösten!<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 35
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
Jakob<br />
Die Geschichte Jakobs ist beson<strong>de</strong>rs lehrreich für uns, <strong>de</strong>nn in ihr wird die Tätigkeit <strong>de</strong>s<br />
fleischlichen Willens dargestellt, nicht so sehr im Han<strong>de</strong>ln gegen <strong>de</strong>n Ratschluß Gottes,<br />
<strong>als</strong> vielmehr in <strong>de</strong>m Versuch, das durch eigene Bemühungen zu erlangen, was von Gott<br />
zuvor bestimmt ist. Je verständnisvoller <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>s Menschen ist, und je tiefer er von<br />
<strong>de</strong>r Absicht Gottes beeindruckt ist, soviel nötiger ist seine Unterwerfung unter Gott, <strong>de</strong>nn<br />
sonst wird er versuchen, mit fleischlichen Mitteln zu erreichen, was <strong>de</strong>r Weisheit Gottes<br />
überlassen wer<strong>de</strong>n sollte; und daraus entsteht Unruhe.<br />
Der solchermaßen tätige Wille benötigt Selbstgericht; <strong>de</strong>nn sein Fehler ist nicht, daß er<br />
<strong>de</strong>n Willen Gottes zurückweist o<strong>de</strong>r mißversteht, son<strong>de</strong>rn daß er ihn mit eigener Kraft<br />
zu unterstützen und zu verwirklichen trachtet. Wenn das <strong>de</strong>r Fall ist, läßt <strong>de</strong>r Herr zu,<br />
daß Sein Knecht durch traurige Erfahrungen das En<strong>de</strong> seiner eigenen Pläne sieht. Und<br />
obwohl die Ratschlüsse Seiner Liebe dieselben bleiben, müssen sie unter Bedingungen<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n, die erkennen lassen, daß Der, welcher segnet, Sich mit <strong>de</strong>m Willen<br />
<strong>de</strong>ssen beschäftigen mußte, <strong>de</strong>r gesegnet wird. „Die Furcht Jehovas ist <strong>de</strong>r Weisheit Anfang;<br />
und die Erkenntnis <strong>de</strong>s Heiligen ist Verstand.“ Wenn ich Gott nicht vor mich stelle, kann<br />
ich, mit meinem fleischlichen Willen in einer bösen Welt, niem<strong>als</strong> in Weisheit wan<strong>de</strong>ln,<br />
<strong>de</strong>nn Gott ist die Quelle <strong>de</strong>r Weisheit. Daher ist bloße Erkenntnis an sich nichts, d. h., sie<br />
führt <strong>de</strong>n Menschen nie dazu, mit Gott zu wan<strong>de</strong>ln.<br />
Der Glaube kommt vor <strong>de</strong>r Erkenntnis; durch Erkenntnis kommen wir nicht in Verbindung<br />
mit Gott, wenn <strong>de</strong>r Glaube ihr nicht vorangeht. Wenn ich in Abhängigkeit von Gott wandle,<br />
muß je<strong>de</strong> wahre Erkenntnis die Abhängigkeit verstärken, <strong>de</strong>nn durch die Erkenntnis lerne<br />
ich, daß niemand <strong>als</strong> Gott <strong>de</strong>r Abhängigkeit würdig ist. Wenn ich Gott liebe, kenne ich<br />
ihn, aber die Liebe nährt meine Erkenntnis, sonst „bläht die Erkenntnis auf.“ Jakob ist ein<br />
bemerkenswertes Beispiel eines Menschen, <strong>de</strong>r die Segnungen genießt, aber immer wie<strong>de</strong>r<br />
die Pläne Gottes hemmt und ihnen durch seine eigenen Pläne zuvorkommt. Sein Herz stand<br />
gut, könnten wir sagen; aber sein Wille war ungebrochen, und <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>s Fleisches kann<br />
nur nach seiner eigenen Ver<strong>de</strong>rbtheit han<strong>de</strong>ln.<br />
So zeigte er in <strong>de</strong>r ersten Tat seines Lebens, die uns überliefert ist, daß er mehr auf <strong>de</strong>n Segen<br />
und die Stellung, die das Erstgeburtsrecht verleiht, blickt, <strong>als</strong> auf die Mittel, durch die er diese<br />
erlangen kann. Er nützt die Lage seines Bru<strong>de</strong>rs aus, um <strong>de</strong>n mit Recht hochgeschätzten<br />
Preis zu ergreifen, <strong>de</strong>n Esau für <strong>de</strong>n größten Gewinn nicht hätte aufgeben dürfen. Aber <strong>de</strong>r<br />
Besitz <strong>de</strong>s Erstgeburtsrechtes gab Jakob nicht <strong>de</strong>n Genuß <strong>de</strong>s Segens, <strong>de</strong>n jenes darstellte;<br />
<strong>de</strong>nn sonst hätte er sich später nicht so bereitwillig <strong>de</strong>m unwürdigen Plan gefügt, <strong>de</strong>n seine<br />
Mutter ersann, um ihm <strong>de</strong>n Segen zu verschaffen. Und warum? Er hatte <strong>de</strong>n ersehnten<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 36
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
Segen auf fleischlichem Wege ergriffen, und er genoß nichts von <strong>de</strong>r Befriedigung, die er<br />
erfahren haben wür<strong>de</strong>, wenn er ihn auf göttlichem Wege erreicht hätte; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r göttliche<br />
Weg verbin<strong>de</strong>t die Seele immer mit Gott. Wenn ein Segen nicht mit Gott in Verbindung<br />
gebracht wird, kann er mich oft noch elen<strong>de</strong>r machen; aber wenn ich weiß, daß er aus<br />
Seiner Liebe hervorströmt, empfängt ihn mein Herz in Ruhe und Vertrauen. Denn ich weiß,<br />
daß ich, obgleich ich <strong>de</strong>n Beweis Seiner Liebe nicht sehe, ich doch die Liebe selbst nicht<br />
verlieren kann, und daß die Liebe nicht bestehen kann, ohne sich zu offenbaren.<br />
Mose war in seinen Bemühungen, die Kin<strong>de</strong>r Israel aus <strong>de</strong>r Sklaverei Ägyptens zu befreien,<br />
schnell entmutigt. Er schätzte seinen Dienst, aber in<strong>de</strong>m er ihn nicht mit Gott in Verbindung<br />
brachte, verlor er bald die Gewißheit bezüglich seines Erfolges. Früher o<strong>de</strong>r später wird <strong>de</strong>r<br />
Herr uns lehren, alle unsere Segnungen und Dienste mit Ihm in Verbindung zu bringen;<br />
<strong>de</strong>nn er weiß, daß wir sonst nicht damit rechnen, daß Seine Kraft uns stützt. Deshalb ist<br />
Mose 40 Jahre in Midian, wo er auf die Stimme aus <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong>n Dornbusch vorbereitet<br />
wird. Im Gefängnis zu Rom wird Paulus in <strong>de</strong>r Wirklichkeit von Wahrheiten befestigt, die<br />
ihm lange vorher mitgeteilt wor<strong>de</strong>n sind. Und <strong>als</strong> Jakob Gott nahegebracht wor<strong>de</strong>n war<br />
und Seine Macht erkannte, <strong>als</strong> er gegen sie rang, erhielt er durch Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Namen Israel,<br />
und er empfing die Versicherung von Segnungen, auf die er schon seit vielen Jahren ein<br />
Anrecht hatte. Der Besitz <strong>de</strong>s Erstgeburtsrechts, <strong>de</strong>r Segen seines Vaters, das Gesicht in<br />
Bethel, <strong>de</strong>r Traum in Paddan-Aram, das alles konnte Jakob nicht von <strong>de</strong>r Gewißheit <strong>de</strong>s<br />
Teiles überzeugen, das er so schätzte und benötigte. Der starke Arm Gottes, <strong>de</strong>r mit ihm<br />
rang in Machanaim, wo er Gott persönlich nahegebracht und unterworfen wur<strong>de</strong>, er allein<br />
gab ihm die Gewißheit <strong>de</strong>r Nähe Gottes und seiner Unterwerfung unter Gott.<br />
Der Traum zu Bethel war die göttliche Mitteilung <strong>de</strong>s Segens; aber erst <strong>als</strong> Jakob in einem<br />
Zeitraum von 20 Jahren in Paddan Aram die bitteren Früchte seines Eigenwillens schmeckt,<br />
wird er in jenen Umgang mit Gott gebracht, <strong>de</strong>ssen Ergebnis die Geringschätzung <strong>de</strong>r<br />
eigenen Person ist. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r von Gott nach einem Weg <strong>de</strong>s Eigenwillens wie<strong>de</strong>rhergestellt<br />
wird, muß wissen, daß <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes seine Natur, durch die er geleitet<br />
und betrogen wur<strong>de</strong>, überstrahlt; und in <strong>de</strong>m Maße wie die Gna<strong>de</strong> ihren Platz und ihre<br />
Würdigung erhält, muß das Fleisch verurteilt und verabscheut wer<strong>de</strong>n.<br />
Welch ein Weg <strong>de</strong>r Zucht ist nötig, um eine eigenwillige Seele zu unterwerfen! Jakob<br />
wird in allem, was er wünscht, gesegnet, obwohl seine Pläne, und immer gera<strong>de</strong> die, die<br />
ihm am wichtigsten sind, oft durchkreuzt wer<strong>de</strong>n. Sein älterer Bru<strong>de</strong>r überläßt ihm das<br />
Erstgeburtsrecht, sein Vater segnet ihn mit <strong>de</strong>m größten Segen, Jehova offenbart ihm<br />
die Absicht Seiner Liebe mit ihm, <strong>als</strong> er ein Wan<strong>de</strong>rer fern vom Hause seines Vaters<br />
ist, in Paddan-Aram gelingt ihm alles, wenn auch nach Mühen und einer Reihe von<br />
Fehlschlägen. Und <strong>als</strong> er zurückkehrt, um die aufgehäuften Segnungen im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Verheißung zu genießen, begegnet ihm schon beim Eintritt sein Bru<strong>de</strong>r Esau, und es muß<br />
sich herausstellen, ob er nun wirklich <strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>s Segens ist. Welch ein Augenblick<br />
<strong>de</strong>r Pein und Ungewißheit muß das für sein eigenwilliges Herz gewesen sein! Noch ist er<br />
unfähig, Gott zu vertrauen und fürchtet, daß <strong>de</strong>r Becher, <strong>de</strong>n Gott Selbst gefüllt hat, nun<br />
bald von seinen Lippen gerissen wird und alle seine Segnungen verloren gehen wer<strong>de</strong>n. Alle<br />
Züchtigungen seines früheren Lebens waren im Hinblick auf diesen Augenblick geschehen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 37
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
Er war <strong>de</strong>r Gesegnete; aber besaß er Selbstverleugnung genug, um mit völligem und<br />
befriedigen<strong>de</strong>m Besitz betraut zu wer<strong>de</strong>n? Er muß soweit mit sich selbst am En<strong>de</strong> sein, daß<br />
er in bezug auf die Gewißheit <strong>de</strong>r Segnungen allein auf Gott vertraut.<br />
Aus jenem Kampf, – einem Kampf gegen Gott, geht er <strong>als</strong> ein Israel hervor, aber mit <strong>de</strong>m<br />
tiefen Gefühl persönlicher Schwachheit, <strong>de</strong>ren Zeichen er an seinem Körper trägt. Das<br />
Hüftgelenk Jakobs war verrenkt. Er war Verlierer, was seine Person anging, aber Sieger,<br />
was seine Stellung betraf, o<strong>de</strong>r mit an<strong>de</strong>ren Worten: er verliert in fleischlicher Hinsicht und<br />
gewinnt in göttlicher Hinsicht. Er hatte versucht, sich die Segnungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r<br />
Kraft und <strong>de</strong>n Hilfsquellen <strong>de</strong>s Fleisches anzueignen; nach 20 Jahren <strong>de</strong>r Zucht, <strong>als</strong> er das<br />
Land wirklich betreten will, wird er in solche Verlegenheit und Übungen <strong>de</strong>r Seele gebracht,<br />
daß Gott seine einzige Zuflucht wird. Er wird auf Ihn geworfen und kann schließlich nur<br />
noch vorwärts schreiten, wenn Gott ihn nicht nur segnet, son<strong>de</strong>rn auch unterwirft. Aber<br />
<strong>als</strong> dies erreicht ist, betritt er das Land im Glauben, <strong>als</strong> Israel, ge<strong>de</strong>mütigt und gesegnet,<br />
doch mit <strong>de</strong>m äußerlichen Zeichen persönlicher Schwachheit.<br />
Und in diesem Charakter <strong>als</strong> Israel, obgleich hinkend, kann er Esau und je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren, <strong>de</strong>r<br />
seinen Titel anficht, entgegentreten. Alle seine Mühen und aller Erfolg von 20 Jahren waren<br />
umsonst in Bezug auf jenen Titel; <strong>de</strong>nn Gottes Segen, nicht <strong>de</strong>r Beweis davon, befestigt<br />
seine Seele und sen<strong>de</strong>t ihn aus <strong>als</strong> <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>mütigten Israel, <strong>de</strong>n unbestreitbaren Besitzer <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s! So ist es auch mit uns. Wir begehren die Segnungen, sind aber zu wenig unterwürfig,<br />
um ihre Ausführung <strong>de</strong>m Herrn allein zu überlassen; wir fürchten sie zu verlieren und<br />
wer<strong>de</strong>n uns unserer Schwachheit bewußt, wenn irgen<strong>de</strong>ine For<strong>de</strong>rung an uns gestellt wird.<br />
Aber <strong>de</strong>r Gott Jakobs ist auch unser Gott, und Er wird uns nicht nur züchtigen, son<strong>de</strong>rn<br />
auch segnen.<br />
Hier en<strong>de</strong>t eigentlich <strong>de</strong>r erste Abschnitt im Leben Jakobs. Er nimmt nun <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>s<br />
Glaubens ein, <strong>de</strong>r die einzige wahre Verbindung zum Segen darstellt; und er ist für uns das<br />
Vorbild <strong>de</strong>r Ehre, die <strong>de</strong>m zuteil wird, <strong>de</strong>r seinen eigenen Willen aufgibt und aus <strong>de</strong>m Kampf<br />
<strong>als</strong> Sieger über Gott und Menschen hervorgegangen ist. Wir sehen, daß Gott Sich dadurch,<br />
daß Er <strong>de</strong>n verkehrten Willen eines Menschen zerbricht, auf beson<strong>de</strong>re Weise auszeichnet,<br />
in<strong>de</strong>m Er nämlich einem solchen Macht gibt, über Ihn Selbst und Menschen zu siegen.<br />
Nun müssen wir Jakob in <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> betrachten. Obgleich <strong>de</strong>r Wille gebrochen sein muß, um<br />
unseren Zugang auf einen Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Segens zu ermöglichen, bleiben wir selten auf jenem<br />
Platz, ohne daß eben jener Eigenwille, <strong>de</strong>r unseren Eingang verzögerte und verhin<strong>de</strong>rte,<br />
wie<strong>de</strong>rkehrt. Soll <strong>de</strong>r Pfad ein wahrhaftiger und Gott wohlgefälliger sein, muß das Fleisch,<br />
das einen entgegengesetzten Einfluß ausüben möchte, nie<strong>de</strong>rgehalten wer<strong>de</strong>n; daher muß<br />
<strong>de</strong>r Platz <strong>de</strong>s Segens, <strong>de</strong>n ich durch die Verleugnung meines Willens betreten habe, auf<br />
dieselbe Art festgehalten wer<strong>de</strong>n, wenn ich ihn genießen will. Ich muß durch Gottes Zucht<br />
lernen, daß die Unterwerfung, die mich für <strong>de</strong>n Eingang passend gemacht hat, nicht im<br />
geringsten gelockert wer<strong>de</strong>n darf, weil ich das Land erreicht habe und <strong>de</strong>n Besitz genieße.<br />
Wie oft erfahren wir das genaue Gegenteil hierzu in uns! Wie oft geschieht es, daß wir,<br />
nach<strong>de</strong>m wir große Wachsamkeit gezeigt haben, vorsichtig gewan<strong>de</strong>lt sind und wahrhaft<br />
<strong>de</strong>mütig einzutreten versuchten, die Weise und <strong>de</strong>n Geist vergessen, mit <strong>de</strong>nen wir das, was<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
wir gesucht und erreicht haben und genießen, und so neue Zucht nötig wird! Die Kin<strong>de</strong>r<br />
Israel kämpften und litten, um die Segnungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s zu erreichen, aber <strong>als</strong> sie sie<br />
besaßen und genossen, wur<strong>de</strong>n sie fett und schlugen aus und vergaßen <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r sie<br />
erhöht hatte. Es ist schwerer, mit Gott zu wan<strong>de</strong>ln, wenn die Segnungen überströmen, <strong>als</strong><br />
wenn sie selten sind. Das Wasser war eine größere Probe für Gi<strong>de</strong>ons Heer <strong>als</strong> die Lei<strong>de</strong>n,<br />
die <strong>de</strong>r Feldzug mit sich brachte.<br />
Jakob, <strong>de</strong>r nun friedlich die Segnungen genoß, mit <strong>de</strong>nen Gott ihn umgab, und <strong>de</strong>r nun in<br />
<strong>de</strong>m Land, mit <strong>de</strong>m je<strong>de</strong> Segnung verbun<strong>de</strong>n war, wohnte, hätte seinem Gelüb<strong>de</strong> zufolge<br />
nach Bethel zurückkehren müssen. Aber statt<strong>de</strong>ssen sorgt er für seine eigenen unmittelbaren<br />
Bedürfnisse und baut ein Haus in Sukkoth. Man könnte behaupten, daß seine Bedürfnisse<br />
das erfor<strong>de</strong>rten; <strong>de</strong>nnoch wich er vom Grundsatz <strong>de</strong>s Glaubens ab, durch <strong>de</strong>n er <strong>de</strong>n Besitz<br />
erlangt hatte. Es war ein wenn auch noch so geringes Abweichen vom Pfa<strong>de</strong> eines Pilgers,<br />
und außer<strong>de</strong>m ein Halten auf <strong>de</strong>m Wege, <strong>de</strong>n er hätte verfolgen sollen, bis Bethel erreicht<br />
war. Aber da es von einem Fehltritt zum an<strong>de</strong>rn immer nur ein kleiner Schritt ist, lesen<br />
wir <strong>als</strong> nächstes, daß er ein Stück Feld von <strong>de</strong>n Söhnen Hemors kaufte. Er erwirbt eine<br />
an<strong>de</strong>re Gewähr für seinen Besitz <strong>als</strong> <strong>de</strong>n Willen und <strong>de</strong>n Arm <strong>de</strong>s Allmächtigen. Es ist eine<br />
Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>s Eigenwillens, <strong>de</strong>r ihn so kennzeichnete; immer versuchte er durch eigene<br />
Mittel die Segnungen zu erlangen, die von Gott kamen und die er zweifellos <strong>als</strong> solche<br />
besaß. Dies ist eine weit verbreitete Neigung, und sie ist viel schwieriger bloßzustellen<br />
und zu richten <strong>als</strong> jene, die einfach die Dinge <strong>de</strong>r Welt sucht. Gott ist nicht <strong>de</strong>r wichtigste<br />
Gegenstand <strong>de</strong>r Seele. Gottes Gaben schließen Ihn Selbst oft aus; und wo Er nicht <strong>de</strong>r<br />
Mittelpunkt ist, muß irgendwo <strong>de</strong>r eigene Wille tätig sein, und in Wirklichkeit <strong>de</strong>nken wir<br />
daran, uns an <strong>de</strong>n Gaben statt an Ihm zu erfreuen.<br />
So war es mit Jakob in Sichem. Er hat <strong>de</strong>m Fleisch nachgegeben und im Eigenwillen <strong>de</strong>n<br />
Pfad <strong>de</strong>r einfältigen Abhängigkeit von Gott verlassen und errichtet nun einen Altar, <strong>de</strong>n<br />
er „Gott, <strong>de</strong>r Gott Israels“ nennt; er vergißt nicht, daß er Israel, <strong>de</strong>r Gesegnete, ist, aber<br />
er mißt dieser Tatsache mehr Wert bei <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes, die ihn dazu gemacht hat.<br />
Der wahre Zustand unserer Seele wird, wenn ich so sagen darf, am Namen unseres Altars<br />
offenbar, mit an<strong>de</strong>ren Worten, an <strong>de</strong>r Art unseres Nahens zu Gott. Wenn die Seele mit sich<br />
selbst beschäftigt ist, d. h., wenn ihr eigener Zustand sie mehr beschäftigt <strong>als</strong> die Größe und<br />
Erhabenheit <strong>de</strong>s Herrn, ist es klar, daß diese nicht völlig verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sonst wür<strong>de</strong>n<br />
sie in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund treten. Wenn wir in <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes sind, können wir nicht<br />
mit unserem eigenen Zustand beschäftigt sein, außer um dafür zu danken, daß wir zu einem<br />
so hohen Platz zugelassen sind. Wenn wir wirklich bei Gott sind, versinken wir in Ihm und<br />
in Seinen Schönheiten; aber wenn wir mit unseren eigenen Segnungen und Bedürfnissen<br />
beschäftigt sind, – obgleich die Beschäftigung damit zu ihrer Zeit gut ist –, so ist sie doch<br />
nicht so erhaben wie die, die Ihn zu ihrem höchsten Gegenstand macht, – nicht so erhaben<br />
wie das, was Paulus kannte, <strong>als</strong> es sein Ziel war, „Christum zu gewinnen“.<br />
Jakob ist hier nicht nur mit seinen Segnungen beschäftigt, son<strong>de</strong>rn gibt seinem Eigenwillen<br />
nach, und dafür ist Zucht notwendig. Das Gewicht, das ihn behin<strong>de</strong>rt, muß entfernt wer<strong>de</strong>n.<br />
Er muß lernen, daß seine eigenen Pläne nur Kummer und Nie<strong>de</strong>rlagen verursachen. So<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
bringt sein Aufenthalt in Sichem Schan<strong>de</strong> und Kummer über seine Familie, und die einzige<br />
Abhilfe ist Gehorsam gegen das Wort <strong>de</strong>s Herrn.<br />
Er muß die Schan<strong>de</strong> und Erniedrigung <strong>de</strong>r von ihm gewählten Stellung fühlen, und dann<br />
re<strong>de</strong>t das Wort Jehovas wirkungsvoll zu seiner Seele, und die Zucht hat ihn bereitet, zu<br />
gehorchen. „Mache dich auf“, sagt Jehova, ziehe hinauf nach Bethel und wohne daselbst,<br />
und mache daselbst einen Altar <strong>de</strong>m Gott, <strong>de</strong>r dir erschienen ist <strong>als</strong> du vor <strong>de</strong>inem Bru<strong>de</strong>r<br />
Esau flohest.“<br />
Wenn wir <strong>de</strong>n vor uns liegen<strong>de</strong>n Lauf verfolgen, geht alles gut! Jakob verläßt Sichem,<br />
um nach Bethel zu gehen und läßt alle Befleckungen zurück. Die Götzenbil<strong>de</strong>r müssen in<br />
Sichem bleiben; sie können nicht nach Bethel mitgenommen wer<strong>de</strong>n. Sobald wir <strong>de</strong>n Weg<br />
zu Gottes Haus einschlagen, müssen wir rein sein; „Seinem Hause geziemt Heiligkeit auf<br />
immerdar.“ Als er in Bethel ist, heißt <strong>de</strong>r Altar El-Bethel, <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>s Gotteshauses ist <strong>de</strong>r<br />
einfache Gegenstand seiner Anbetung. Und während er <strong>de</strong>n Ort so nennt in Verbindung<br />
mit Gott, so ist sein Name in Verbindung mit ihm selbst Allon Bakuth, Eiche <strong>de</strong>s Weinens.<br />
Das gibt uns eine wichtige Belehrung. Wenn Jakob <strong>de</strong>n hohen Platz bei Gott erreicht hat,<br />
wie <strong>de</strong>r Name El-Bethel an<strong>de</strong>utet, muß er seinerseits die Ausschließung von allem, was ihn<br />
behin<strong>de</strong>rt hatte, erfahren. Debora, die Amme seiner Mutter, stirbt: die letzte Verbindung zu<br />
ihr, die ihn so geliebt hatte und ihrer Liebe erlaubt hatte, sich vom Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens zu<br />
entfernen, ist nun zerrissen. Wir dürfen annehmen, daß die Mutter lange vorher gestorben<br />
war, aber nun stirbt die Amme. Jakob kommt unvermutet mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> in Berührung, <strong>als</strong><br />
seine Seele sich zu ihrem wahren Platz vor Gott erhoben hatte.<br />
Ein neuer Schritt auf <strong>de</strong>m Glaubenspfa<strong>de</strong> ist getan, und nun erscheint Gott <strong>de</strong>m Jakob<br />
noch einmal, segnet ihn und bestätigt ihm <strong>de</strong>n Namen Israel. Segnungen können gegeben<br />
wer<strong>de</strong>n, ohne bestätigt zu wer<strong>de</strong>n. Um bestätigt zu wer<strong>de</strong>n, müssen sie mit <strong>de</strong>m Geber in<br />
Verbindung gebracht wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Seele <strong>als</strong> in Seiner Gegenwart bestehend bekannt sein.<br />
Aber <strong>als</strong> Jakob nun Bethel erreicht und die Segnungen, die, mit diesem Glaubensschritt<br />
verbun<strong>de</strong>n waren, empfangen hat, macht er sich wie<strong>de</strong>r auf, um nach Hebron zu gehen, wo<br />
sein Vater wohnte. Ich sage nicht, daß diese Reise gegen <strong>de</strong>n Willen Gottes, <strong>de</strong>r ihn nach<br />
Bethel geführt hatte, war; aber wir sehen, daß er die Reise kaum begonnen hat, <strong>als</strong> er von<br />
<strong>de</strong>r größten Probe seiner Zuneigungen heimgesucht wird. Rahel stirbt in Bethlehem. Hier<br />
entstand für ihn eine Lücke, die nie wie<strong>de</strong>r geschlossen wer<strong>de</strong>n konnte, ein schmerzlicher<br />
Verlust <strong>de</strong>n er für <strong>de</strong>n Rest seines Weges nicht mehr vergessen sollte. Vgl. 1. Mose 35,16<br />
und 48,7. In <strong>de</strong>m Vers Kapitel 48,7 spricht Jakob von jenem Kummer, <strong>als</strong> ob er alle seine<br />
Hoffnungen auf Er<strong>de</strong>n vernichtet habe. „Denn ich“, sagt er, „<strong>als</strong> ich aus Paddan kam, starb<br />
Rahel bei mir im Lan<strong>de</strong> Kanaan, auf <strong>de</strong>m Wege, <strong>als</strong> noch eine Strecke Lan<strong>de</strong>s war, um<br />
nach Ephrat zu kommen; und ich begrub sie daselbst auf <strong>de</strong>m Wege nach Ephrat, das ist<br />
Bethlehem.“ Er begräbt <strong>de</strong>n Gegenstand seiner Liebe dort, wo Christus, <strong>de</strong>r wahre B<strong>als</strong>am<br />
für je<strong>de</strong>s wun<strong>de</strong> Herz, einmal geboren wer<strong>de</strong>n sollte. Wenn Jakob Bethel, das Haus Gottes,<br />
<strong>de</strong>n Ort wo Gott ihm erschien und befahl, dort zu bleiben, verläßt, muß er lernen, daß<br />
außerhalb dieses Ortes nichts <strong>als</strong> Gram und Elend ist. Wolken umgeben seinen Weg. Die<br />
unsittliche Tat seines Erstgeborenen und <strong>de</strong>r Tod seines Vaters folgen bald darauf. Wie<br />
sehr ihn die Tat Rubens traf, sehen wir in Kapitel 49,3+4, wo <strong>de</strong>r Kummer seines Herzens,<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
<strong>de</strong>r hier nicht beschrieben wird, einen Weg fin<strong>de</strong>t alles im Lichte <strong>de</strong>r Ratschläge Gottes zu<br />
überblicken.<br />
Den nächsten Bericht von Jakob fin<strong>de</strong>n wir in Kapitel 37, wo wir lesen, daß er „wohnte in<br />
<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>, in welchem sein Vater <strong>als</strong> Fremdling geweilt hatte.“ Das war seine eigentliche<br />
Stellung, zu <strong>de</strong>r ihn <strong>de</strong>r Glaube berufen hatte; aber nichts<strong>de</strong>stoweniger wird die Zucht nach<br />
einiger Zeit fortgesetzt. Es war noch immer notwendig, daß er von <strong>de</strong>r Abhängigkeit auf<br />
irgen<strong>de</strong>inen Gegenstand abgebracht wür<strong>de</strong>. Rahel ist tot, aber ihre bei<strong>de</strong>n Söhne leben, und<br />
durch sie erfährt Jakob einen beständigen Prozeß <strong>de</strong>r Kreuzigung seiner Zuneigungen.<br />
Wenn wir die Art und Weise, in <strong>de</strong>r Gott mit uns han<strong>de</strong>lt, sorgfältiger beachten wür<strong>de</strong>n,<br />
fän<strong>de</strong>n wir, daß zwar <strong>de</strong>r Kummer aufhört und oft eine lange Zeit <strong>de</strong>r Ruhe eintritt, daß<br />
aber die Prüfungen auf eine sehr ähnliche Weise fortgesetzt wer<strong>de</strong>n, bis das gewünschte<br />
Ergebnis erreicht ist.<br />
Wir könnten <strong>de</strong>nken, daß Jakobs Geist so gebrochen, so ohne Interessen und Gefühle war,<br />
daß er seinen Weg von nun an in Unterwerfung unter Gott fortsetzen wür<strong>de</strong>. Aber nein, es<br />
gibt keine völlige Aufgabe <strong>de</strong>s menschlichen Willens, solange noch eine Verbindung zum<br />
Fleisch wirksam ist; und aller Kummer seines Herzens, von <strong>de</strong>m wir in Kapitel 37 und 43 in<br />
Verbindung mit Joseph und Benjamin lesen, ist notwendig, um Jakobs Herz und Willen in<br />
völlige Unterwerfung zu bringen.<br />
Daß die Zucht dies bewirkte, können wir nicht bezweifeln, wenn wir seine Worte in<br />
Kapitel 37, 34–35 und 43, 14 vergleichen. In Kapitel 37 zerreißt er seine Klei<strong>de</strong>r, legt Sacktuch<br />
um seine Len<strong>de</strong>n und verweigert es, sich trösten zu lassen. „Denn“, sagt er, „leidtragend<br />
wer<strong>de</strong> ich zu meinem Sohne hinabfahren in <strong>de</strong>n Scheol!“ Aber in Kapitel 43 sagt er: „Wenn<br />
ich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r beraubt bin, so bin ich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r beraubt¡Mit an<strong>de</strong>ren Worten: „Ich beuge<br />
mich!“ Welch ein Unterschied! Welch ein Elend, wenn das Herz gequält ist und in Gott<br />
keine Zuflucht fin<strong>de</strong>t, und welch ein Gegensatz, wenn Gott die Zuflucht ist und <strong>de</strong>r Beraubte<br />
sagen kann: „Wenn ich beraubt bin, bin ich beraubt.‘“Ich nehme diesen Platz ein.“ Das ist<br />
einfältige Unterwerfung unter <strong>de</strong>n Willen Gottes und bewirkt für uns, was Gott so sehr<br />
wünscht, – dass wir unsere Quellen in Ihm suchen sollen; und die Seele, die dazu gebracht<br />
wor<strong>de</strong>n ist, ist vollkommen befriedigt. Das Herz in <strong>de</strong>r Nähe Gottes weiß, daß Er seine<br />
Stärke und sein Teil für immerdar ist. So sagt unser Herr zum Weibe von Samaria: „je<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>r von diesem Wasser trinkt, wird wie<strong>de</strong>rum dürsten; wer irgend aber von <strong>de</strong>m Wasser<br />
trinkt, das ich ihm geben wer<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n wird nicht dürsten in Ewigkeit; son<strong>de</strong>rn das Wasser,<br />
das ich ihm geben wer<strong>de</strong>, wird in ihm eine Quelle Wassers wer<strong>de</strong>n, das ins ewige Leben<br />
quillt.‘Dies ist die Gabe Gottes; und <strong>de</strong>r Gegenstand, <strong>de</strong>ssen Verlust <strong>de</strong>m Geprüften und<br />
Gezüchtigten solchen Kummer verursacht hatte, wird ihm nach einer Zeit <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />
und Reifung in Abhängigkeit von Gott zurückgegeben.<br />
Jakob erhält sowohl Joseph <strong>als</strong> auch Benjamin wie<strong>de</strong>r. Aber er ist so unvorbereitet auf die<br />
lieben<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong> Gottes, daß schon ihre Ankündigung sein Herz erstarren läßt. Die Tiefen<br />
seines Kummers waren so groß gewesen, daß <strong>de</strong>r Versuch, <strong>de</strong>n Kummer zu been<strong>de</strong>n, ihn<br />
für einen Augenblick fast überwältigte. Viel Zucht war nötig gewesen, um seinen starken<br />
Willen und seine nicht unterworfene Natur zu zerbrechen, aber sie hatte ihr Ziel erreicht.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jakob<br />
Wie gebrochen ist er nun! Einer <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Dienste Christi ist, das gebrochene Herz zu<br />
trösten; aber mancher Jakob kann es nicht glauben, daß so zärtliche Gna<strong>de</strong> ihn erwartet,<br />
und ihre Größe unterwirft <strong>de</strong>n Ge<strong>de</strong>mütigten mehr, <strong>als</strong> die Zucht es getan hat.<br />
Aber <strong>de</strong>r Herr geht immer <strong>de</strong>n sicheren Weg. Er neigt Sich zu unserer Schwachheit herab<br />
und gibt uns Beweise. Der königliche Beamte (Joh 4) wur<strong>de</strong> durch Beweise überführt, daß,<br />
zur selben Stun<strong>de</strong>, <strong>als</strong> Jesus zu ihm sagte: „Dein Sohn lebt“, <strong>de</strong>r Knabe gesund gewor<strong>de</strong>n<br />
war. So ist es hier: erst wird Jakob durch Beweise von <strong>de</strong>r Wirklichkeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> überzeugt,<br />
und dann, <strong>als</strong> er Joseph wie<strong>de</strong>r erhält, ist <strong>de</strong>r Trost so vollständig, daß er Gefühle äußert, die<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s alten Simeon ähnlich sind, <strong>als</strong> er das Kindlein Jesus in <strong>de</strong>n Armen hält: „Nunmehr<br />
mag ich sterben, nach<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>in Angesicht gesehen habe.“ Der Becher ist voll! Das Herz,<br />
schon so gebrochen und unterworfen, ist nun befriedigt, <strong>als</strong> es das Verlorene von Gott<br />
zurückerhält, und zwar zu Seiner größeren Ehre und Verherrlichung. Wenn die Zucht ihr<br />
Werk been<strong>de</strong>t hat, sehen wir, daß nach <strong>de</strong>m Herzen Gottes Fülle von Freu<strong>de</strong> unser Teil ist.<br />
Jakobs Leben in Ägypten ist eigentlich <strong>de</strong>r dritte Abschnitt seines bewegten Pilgerlebens,<br />
und es ist eine glänzen<strong>de</strong> Zeit. In seinen letzten Augenblicken geschieht die große<br />
Begebenheit, die von <strong>de</strong>m Apostel <strong>als</strong> <strong>de</strong>r leuchtendste Beweis <strong>de</strong>s Glaubens beschrieben<br />
wird: „Durch Glauben segnete Jakob sterbend einen je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Söhne Josephs und betete an<br />
über <strong>de</strong>r Spitze seines Stabes.“ Dort erscheint er vor uns <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Zeuge Gottes, verständnisvoll<br />
bezüglich Seiner Ratschläge, mit gebrochenem Willen, heilig und erhaben in seinen<br />
Äußerungen. Welch ein glänzen<strong>de</strong>r und ruhiger Schluß seines verwirrten, eigenwilligen<br />
und zuchtreichen Lebens! Wieviel können wir von seiner Geschichte lernen! Er schätzte<br />
die Segnungen, aber er nahm immer wie<strong>de</strong>r Zuflucht zu seinen eigenen Mitteln und Wegen,<br />
um sie zu erlangen; er erkannte durch kummervolle Erfahrungen die Torheit seiner Pläne<br />
und daß, mit welchem Maß <strong>de</strong>r Mensch mißt, ihm wie<strong>de</strong>r gemessen wird. Aber an<strong>de</strong>rerseits<br />
erfährt er, daß Gott die einzige wahre Ruhe und Zuflucht im Kummer ist; und dieses<br />
unvergleichliche Teil erwirbt er zur Befriedigung seines Herzens, bevor sein Lauf sich<br />
en<strong>de</strong>t.<br />
Wie nützlich und lehrreich ist es, allen Wegen Gottes mit uns nachzuspüren, wenn wir<br />
endlich in Ihm, <strong>als</strong> unserer wahren Zuflucht, ruhen.<br />
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Joseph<br />
Joseph<br />
Die Geschichte Josephs zeigt uns die Prüfungen und Pflichten eines Knechtes Gottes. Das<br />
Böse und die Fehler <strong>de</strong>r menschlichen Natur wer<strong>de</strong>n uns in seinem Lauf nicht gezeigt, wie im<br />
Leben einiger, mit <strong>de</strong>nen wir uns schon beschäftigt haben. Joseph wird uns hauptsächlich <strong>als</strong><br />
Knecht und Werkzeug für Gottes Absichten gezeigt und <strong>de</strong>shalb müssen wir <strong>de</strong>n Übungen<br />
und Läuterungen nachspüren, <strong>de</strong>nen er unterworfen war, um für diesen Dienst passend<br />
gemacht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Das erste, was wir von ihm erfahren, zeigt ihn in seiner Stellung im Hause seines Vaters.<br />
„Und Israel hatte Joseph lieber <strong>als</strong> alle seine Söhne, weil er <strong>de</strong>r Sohn seines Alters war; und<br />
er machte ihm einen langen Leibrock.“ Da er so von seinem Vater geliebt und ausgezeichnet<br />
wird, öffnet sich sein Herz; <strong>de</strong>nn nichts weckt unsere Liebe so sehr, wie zu wissen, daß<br />
wir geliebt wer<strong>de</strong>n; wie geschrieben steht: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“ So<br />
öffnet sich Josephs Herz in zartem Alter in <strong>de</strong>r glücklichen Atmosphäre <strong>de</strong>r Liebe seines<br />
Vaters, aber zugleich wur<strong>de</strong> er dadurch <strong>de</strong>m Neid <strong>de</strong>rer ausgesetzt, die sich dieser Liebe <strong>als</strong><br />
unwürdig erwiesen hatten. „Seine Brü<strong>de</strong>r haßten ihn und vermochten nicht, ihn zu grüßen.“<br />
Während er auf <strong>de</strong>r einen Seite die Zärtlichkeit und Geborgenheit <strong>de</strong>r väterlichen Liebe<br />
genoß, erdul<strong>de</strong>te er auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite Vorwürfe und Verfolgung, weil er begünstigt war.<br />
Wenn das eine ihn zu seinem Vater hinzog, bewies ihm das an<strong>de</strong>re auf schmerzliche Weise,<br />
daß er in dieser Zuneigung verharren mußte, <strong>de</strong>nn außerhalb und wegen dieser Zuneigung<br />
war er ein Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r.<br />
So lernte Joseph früh im häuslichen Kreise (wie alle Knechte Gottes) die einfachen<br />
Grundsätze <strong>de</strong>r Wahrheit, die ihn nachher in <strong>de</strong>n höchsten Diensten stützen mußten:<br />
Wer von Gott geliebt wird, ist von <strong>de</strong>n Menschen gehaßt. Die Liebe seines Vaters, die sich<br />
in <strong>de</strong>m Geschenk <strong>de</strong>s langen Leibrocks <strong>de</strong>utlich zu erkennen gab, mußte ihn für <strong>de</strong>n Haß<br />
seiner Brü<strong>de</strong>r entschädigen; sie mußte ihn gegen all ihren Wi<strong>de</strong>rstand und Neid stärken und<br />
wappnen. Dies ist die erste und größte Unterweisung, die <strong>de</strong>r Knecht Gottes beim Betreten<br />
seines Weges lernen muß; und diese Unterweisung bestand Christus (auf <strong>de</strong>n Joseph ein<br />
Vorbild ist) so gut und vollkommen. Er, <strong>de</strong>r immer im vollen Bewußtsein <strong>de</strong>r Liebe Seines<br />
Vaters lebte, wur<strong>de</strong> dadurch befähigt, allem Haß und aller Bosheit <strong>de</strong>s Menschen unbewegt<br />
zu begegnen. Wer die Liebe <strong>de</strong>s Vaters am besten kennt, ist <strong>de</strong>r beste Beweis jener Liebe, –<br />
und <strong>de</strong>r geeignetste Knecht, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vater aussen<strong>de</strong>n kann zu <strong>de</strong>nen, die die Liebe nicht<br />
kennen. „Der eingeborene Sohn, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>s Vaters Schoß ist, <strong>de</strong>r hat ihn kundgemacht.“<br />
Joseph wird entsprechend seinem Charakter <strong>als</strong> Vorbild und Diener, von seinem Vater<br />
ausgesandt, um zu sehen, wie es seinen Brü<strong>de</strong>rn ging. Aber vorher wer<strong>de</strong>n. ihm noch zwei<br />
Mitteilungen über die Stellung, die er später einmal einnehmen sollte, gemacht.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Joseph<br />
Von seiten seines Vaters wird er nicht unterstützt, son<strong>de</strong>rn geta<strong>de</strong>lt; und dieser Umstand,<br />
begleitet von <strong>de</strong>m verstärkten Wi<strong>de</strong>rstand seiner Brü<strong>de</strong>r, legte <strong>de</strong>n Grund zu jener<br />
Abhängigkeit von Gott und Unabhängigkeit von Menschen, die seinen späteren Weg<br />
so sehr kennzeichnete. Die Ausblicke, die meine Seele beschäftigen, mögen von allen um<br />
mich herum, selbst <strong>de</strong>n geschätzten Freun<strong>de</strong>n und Ratgebern, mißverstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n;<br />
aber sie wer<strong>de</strong>n in Gna<strong>de</strong> gegeben, um die Seele zu befestigen und um mich, wenn ihre<br />
Verwirklichung eintritt, von <strong>de</strong>r treuen und beständigen Fürsorge Gottes zu überzeugen.<br />
Wie wenig bemerken und schätzen wir die kleinen Umstän<strong>de</strong> in jungen Jahren und die<br />
Wirkung, die sie auf uns ausüben! Von Kin<strong>de</strong>sbeinen an wer<strong>de</strong>n wir für <strong>de</strong>n uns von<br />
Gott bestimmten Platz geformt, und unsere ganze Geschichte ist nur eine Folge von<br />
Vorbereitungen auf das Ziel, und die erste gleicht in materieller Hinsicht genau <strong>de</strong>rjenigen,<br />
die unseren Weg been<strong>de</strong>t. So war es bei David. Das erste, was wir von ihm lesen, ist, daß er<br />
in <strong>de</strong>r Wildnis Schafe hütete. Von dort wur<strong>de</strong> er, nach einer dazwischen liegen<strong>de</strong>n Zeit <strong>de</strong>r<br />
Zucht, weggenommen, „um Israel, sein (Gottes) Volk zu wei<strong>de</strong>n, und Jakob, sein Erbteil“;<br />
diese Stellung behielt er im Auf und Ab <strong>de</strong>r Zeit bis ans En<strong>de</strong>. Ebenso war es bei Mose. In<br />
<strong>de</strong>m Kästlein aus Schilf allein für Gott, mit Gott und unter Gott, ist je<strong>de</strong>r Teil seines Lebens<br />
von <strong>de</strong>rselben Art, ob nun in Midian, o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Berge Gottes, o<strong>de</strong>r schließlich auf <strong>de</strong>m<br />
Gipfel <strong>de</strong>s Pisga.<br />
Joseph macht sich nun auf <strong>de</strong>n Weg, er ist <strong>de</strong>r Liebe seines Vaters sicher; er kennt <strong>de</strong>n Haß<br />
seiner Brü<strong>de</strong>r und hat eine unbekannte, noch unbegreifliche Ahnung von kommen<strong>de</strong>r Größe.<br />
Dem Willen <strong>de</strong>s Vaters gehorsam, schrak er nicht vor <strong>de</strong>r Gefahr zurück, die jener für ihn<br />
nicht fürchtete. Wenn Gott in Seiner Liebe und Weisheit uns einen Weg <strong>de</strong>s Dienstes zeigt,<br />
<strong>de</strong>r Ihm wohlgefällig wäre, und Er, <strong>de</strong>r alles weiß, keine Gefahr für uns befürchtet, können<br />
wir <strong>de</strong>n Weg in einfältigem Vertrauen betreten. Auch wir kommen aus <strong>de</strong>m häuslichen<br />
Kreise – <strong>de</strong>m bekannten Ausdruck für die Liebe <strong>de</strong>s Vaters –, um uns in <strong>de</strong>n stürmischen<br />
Ozean unverständiger und liebloser Brü<strong>de</strong>r zu begeben und Boten <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>s Vaters zu<br />
ihnen zu sein. Als solcher kam Christus, und je<strong>de</strong>r wahre Diener muß <strong>als</strong> solcher seinen<br />
Dienst tun und nützlich sein. Auf <strong>de</strong>m Wege seines Dienstes kam Joseph, <strong>de</strong>r Übermittler<br />
<strong>de</strong>r Botschaft <strong>de</strong>r Teilnahme seines Vaters, nach Sichem, aber er wird in <strong>de</strong>r Ausführung<br />
seiner Sendung enttäuscht, <strong>de</strong>nn er fin<strong>de</strong>t seine Brü<strong>de</strong>r nicht dort. Solche Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
treten häufig auf und prüfen, ob es unser ganzes Begehren ist, <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Vaters zu tun.<br />
Offenbar war Joseph gewillt, <strong>de</strong>n Auftrag auszuführen, <strong>de</strong>nn anstatt umzukehren, <strong>als</strong> er sie<br />
nicht fin<strong>de</strong>n konnte, irrt er umher, bis er erfährt, wo sie sind und folgt ihnen bis Dothan,<br />
ohne zu ahnen, welch ein blutiger und boshafter Empfang seiner harrte.<br />
Nach<strong>de</strong>m seine Brü<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ne Male ihre bösen Absichten geän<strong>de</strong>rt haben (<strong>de</strong>nn<br />
gottlose Pläne sind immer mannigfaltig, während es nur einen Weg gibt, das Rechte zu<br />
tun), wird Joseph an die Ismaeliter und von ihnen wie<strong>de</strong>r an Potiphar, einen Kämmerer <strong>de</strong>s<br />
Pharao, <strong>de</strong>n Obersten <strong>de</strong>r Trabanten, verkauft. Welch ein Wechsel für ihn, <strong>de</strong>r Wärme <strong>de</strong>r<br />
väterlichen Liebe entrissen und erst von seinen eigenen Brü<strong>de</strong>rn angegriffen zu wer<strong>de</strong>n, um<br />
nun <strong>als</strong> Sklave in Ägypten zu sein! Hatten die göttlichen Mitteilungen, die ihm in seinen<br />
Träumen gewährt wor<strong>de</strong>n waren, in ihm Unabhängigkeit von allem Menschlichen (sei es<br />
Haß o<strong>de</strong>r Liebe) und Abhängigkeit von Gott allein bewirkt? Wenn ja, so benötigte er die<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Joseph<br />
Abhängigkeit von Gott in diesem kritischen Augenblick; und zweifellos lag darin <strong>de</strong>r Wert<br />
<strong>de</strong>r Zucht, die er jetzt erdul<strong>de</strong>te. Als erstes wird uns die Wahrheit mitgeteilt, und wir dürfen<br />
uns glücklich schätzen über ihren Besitz; aber nur <strong>de</strong>r Winter kann das kräftige Wachstum<br />
von Frühling und Sommer zur Reife bringen. Die große Wirklichkeit <strong>de</strong>r Wahrheit muß<br />
von uns erfahren wer<strong>de</strong>n. Joseph mußte lernen, daß Gott die einzige Rettung ist.<br />
Aber <strong>de</strong>r Winter ist selten ohne einen Sonnenstrahl, und oft tritt vor seiner größten Härte,<br />
wie auch vor seinem En<strong>de</strong>, eine Zeit <strong>de</strong>s Lichts ein. Bevor <strong>de</strong>r schwerste Teil <strong>de</strong>r Zucht<br />
über uns kommt, wer<strong>de</strong>n wir oft durch eine unerwartete Zeit <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> ermuntert. Joseph<br />
ist ein glücklicher Mann im Hause <strong>de</strong>s Obersten. Aber er wird bald vertrieben, – <strong>de</strong>r<br />
Feind <strong>de</strong>r Seelen hat eine Schlinge bereitet, <strong>de</strong>r Joseph jedoch in Lauterkeit und Wür<strong>de</strong><br />
entfliehen kann; <strong>de</strong>nn sie richtete sich nur gegen die Ver<strong>de</strong>rbtheit seiner Natur und bot<br />
seinem Sklavendasein keinerlei Erleichterung. Wir können Potiphars Frau <strong>als</strong> Bild <strong>de</strong>r Welt,<br />
<strong>de</strong>ren Verlockungen sie darstellt, betrachten; und <strong>als</strong> es ihr mißglückt, <strong>de</strong>n Knecht Gottes zu<br />
verführen wird sie sein ärgster und gewissenlosester Feind. Sehr oft wird Ge<strong>de</strong>ihen begleitet<br />
von schlechter Gesellschaft; aber diese Verbindung kann von <strong>de</strong>r gottesfürchtigen Seele<br />
nicht gedul<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Solange noch Treue da ist, muß sie die Trennung herbeiführen. Aber<br />
wie groß ist die Belohnung für <strong>de</strong>n Verlust von bei<strong>de</strong>m, Wohlstand und böser Gesellschaft!<br />
Gott bleibt, – und mit Bestimmtheit han<strong>de</strong>lte Joseph nun für Ihn und vor Ihm. Wie bunt<br />
ist das Leben dieses zukünftigen Zeugen Gottes! Erst <strong>als</strong> Sklave verkauft, weil er <strong>de</strong>r Bote<br />
<strong>de</strong>r Liebe seines Vaters zu seinen Brü<strong>de</strong>rn war; nun von seinem Herrn ins Gefängnis<br />
geworfen, weil er <strong>de</strong>r rechtschaffene Hüter <strong>de</strong>ssen Besitzes war, erfuhr er, daß we<strong>de</strong>r Liebe<br />
noch Rechtschaffenheit von <strong>de</strong>n Menschen verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. Er durfte nur auf Gott<br />
schauen und Ihm allein vertrauen. Und Gott enttäuschte ihn nicht. „Und Jehova war mit<br />
Joseph und wandte ihm Güte zu und gab ihm Gna<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Obersten <strong>de</strong>r Feste.“<br />
Wenn jemand wirklich auf Gott vertraut, erleichtert Er die Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Prüfungen, in<br />
<strong>de</strong>nen er sich befin<strong>de</strong>t, seien sie von kurzer o<strong>de</strong>r langer Dauer. Keine widrigen Umstän<strong>de</strong><br />
vermögen die wahre lebendige Kraft zu unterdrücken, wie sehr sie sie auch behin<strong>de</strong>rn und<br />
einschränken mögen. Der Schauplatz mag sich än<strong>de</strong>rn, nicht aber <strong>de</strong>r Geist. Mose hilft in<br />
Midian <strong>de</strong>n Frauen und tränkt ihre Her<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n Hebräern nicht mehr helfen und<br />
dienen durfte. Sowohl in Midian <strong>als</strong> auch in Ägypten ist er ein Erretter; und Jehova wird<br />
ihm eine Freistatt und gewährt ihm Erleichterung in seiner Knechtschaft und Sorge. Auch<br />
Joseph wird bald im Gefängnis ebenso nützlich erfun<strong>de</strong>n wie im Hause <strong>de</strong>s Obersten <strong>de</strong>r<br />
Trabanten. „Der Oberste <strong>de</strong>r Feste sah nicht nach <strong>de</strong>m Geringsten, das unter seiner Hand<br />
war; und was er tat, ließ Jehova gelingen.“<br />
In je<strong>de</strong>r noch so dunklen Zeit <strong>de</strong>r Prüfung gibt es Strahlen von Licht und Erleichterung;<br />
aber die volle Erlösung wird oft verzögert durch unsere Besorgnis, sie zu erlangen. Gott<br />
Selbst, und nicht die Erlösung, soll die Befriedigung Seines Knechtes sein; daher wird die<br />
Erlösung oft verzögert, bis wir sie nicht mehr ersehnen o<strong>de</strong>r erwarten, und dann kann sie<br />
auf eine so völlig außerhalb unseres Verstehens liegen<strong>de</strong> Weise vollbracht wer<strong>de</strong>n, daß wir<br />
die Liebe und die Teilnahme, die uns während <strong>de</strong>r ganzen Prüfungszeit umringte, sehen und<br />
verstehen müssen. So war es bei Petrus in Apg 12, mit Paulus und Silas in Apg 16, und mit<br />
Joseph im weiteren Verlauf <strong>de</strong>ssen, was wir betrachten. Seine Fähigkeiten <strong>als</strong> Gottes Diener<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Joseph<br />
und eines Mannes, <strong>de</strong>r mit Seinen Gedanken vertraut ist, wer<strong>de</strong>n erst auf <strong>de</strong>utliche Weise<br />
im Gefängnis bewiesen. Prüfungen <strong>als</strong> Ergebnis menschlicher Feindschaft behin<strong>de</strong>rn die<br />
Treue Gottes nicht. Gelegenheiten, um sie zu beweisen, gibt es unter <strong>de</strong>n unglücklichsten<br />
Umstän<strong>de</strong>n. Paulus im Gefängnis dient zum Segen <strong>de</strong>s Kerkermeisters; Joseph offenbart im<br />
Gefängnis <strong>de</strong>m Obersten <strong>de</strong>r Schenken das Urteil Gottes. Aber er macht wahrscheinlich<br />
einen Fehler, <strong>als</strong> er ihn bittet, sich für seine Freilassung zu verwen<strong>de</strong>n; und er muß zwei<br />
Jahre länger gefangen bleiben. Wie<strong>de</strong>r erfährt er, daß auf <strong>de</strong>n Menschen kein Verlaß ist. Die<br />
lange Einkerkerung muß ihm sehr hart erschienen sein, da er sich bewußt war, nichts getan<br />
zu haben, wodurch er sie verdient hätte. Es mußte ihm fast erscheinen, <strong>als</strong> habe Gott ihn<br />
vergessen; und nichts ist so schmerzlich wie das Bewußtsein, daß jemand, von <strong>de</strong>m wir viel<br />
erwarten, unsere Not kennt, aber nicht zu unserer Hilfe herbeieilt. Das war Hiobs große<br />
Prüfung – daß Gott Seine Fürsorge nicht bewies; und die Prüfung Johannes‘<strong>de</strong>s Täufers, <strong>als</strong><br />
er im Gefängnis von <strong>de</strong>n Taten Jesu hörte.<br />
Wir wissen nicht, ob Joseph das empfand; aber wir wissen, daß Gott einen Zweck mit<br />
seiner langen Gefangenschaft verfolgte, und <strong>als</strong> das Ziel erreicht war, „traf sein Wort ein;<br />
das Wort Jehovas läuterte ihn. Der König sandte hin und ließ ihn los; <strong>de</strong>r Herrscher über<br />
Völker, und befreite ihn.“ Wie wenig verstehen wir die Übung und die Läuterung, <strong>de</strong>nen<br />
<strong>de</strong>r treue Diener unterworfen ist, damit er für <strong>de</strong>n Dienst Gottes befähigt wird! Zucht<br />
ist notwendig, um das aus <strong>de</strong>m Wege zu räumen, was wir nicht selbst entfernen; aber<br />
Läuterung befreit uns von <strong>de</strong>m, was wir selbst loszuwer<strong>de</strong>n wünschen und versuchen.<br />
Joseph machte einen gründlichen Läuterungsprozeß durch, von <strong>de</strong>m Tage an, da er das<br />
Haus seines Vaters in <strong>de</strong>m langen Leibrock, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beweis <strong>de</strong>r Liebe war, verließ. Er mußte<br />
durch eine bemerkenswerte Anzahl von Trübsalen und Züchtigungen erfahren, daß die<br />
Gunst <strong>de</strong>r Menschen trügerisch ist. Von Zeit zu Zeit darf er sie genießen, um zu erkennen,<br />
wie wenig sie ihm in Zeiten <strong>de</strong>r Not nützt; und langsam, aber sicher, erfährt er, was es heißt,<br />
von Gott und für Gott zu leben.<br />
Aber schließlich kommt die Befreiung, und Joseph erscheint vor Pharao <strong>als</strong> Diener und<br />
Zeuge Gottes im höchsten Sinne. Er verkün<strong>de</strong>t zukünftige Dinge und empfängt die<br />
Auszeichnung und Stellung, die ihm gebührt, und die Welt wird gezwungen, sie ihm<br />
zuzuerkennen. In dieser ganzen Zeit wußte er wahrscheinlich wenig von <strong>de</strong>m Dienst, <strong>de</strong>n<br />
er seinen Brü<strong>de</strong>rn leisten sollte, o<strong>de</strong>r davon, wie völlig das, was er ihnen einst versuchte zu<br />
geben und das so gottlos zurückgestoßen und vergolten wor<strong>de</strong>n war, ihnen nun angeboten,<br />
und so <strong>de</strong>mütig angenommen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Die ganze Zeit wirkte Gott für Sein Volk, und<br />
im Laufe <strong>de</strong>r Zeit erkannte Joseph das und erfüllte es.<br />
In <strong>de</strong>n zahlreichen Gesprächen mit seinen Brü<strong>de</strong>rn ist er für uns das lieblichste Bild eines<br />
Mannes von göttlicher Weisheit und Urteilskraft, <strong>de</strong>r gegen die zarten Regungen <strong>de</strong>s<br />
Herzens kämpft; er hielt seine Gefühle solange zurück, bis er sicher war, daß die rechte<br />
Zeit für die Eröffnung <strong>de</strong>r Wahrheit gekommen war. Wie rührend ist die Besorgnis und<br />
Not, die er über seine Brü<strong>de</strong>r verhängte, um sie auf <strong>de</strong>n Weg zu führen, <strong>de</strong>n sein Herz<br />
ersehnte! Seine Liebe zu ihnen gab ihm all das ein; und wenn wir sein Benehmen betrachten,<br />
sehen wir, wie selbstbeherrscht und wie geeignet er war für <strong>de</strong>n Dienst, <strong>de</strong>n er auszuüben<br />
berufen war. Welch ein Augenblick muß es für diesen einst lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und ge<strong>de</strong>mütigten,<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Joseph<br />
gezüchtigten, jetzt aber erhobenen Mann gewesen sein, sich seinem Vater vorzustellen<br />
und ihm um <strong>de</strong>n H<strong>als</strong> zu fallen und zu weinen! Welch einen Weg <strong>de</strong>r Vorbereitung war er<br />
gegangen, ehe dieser Höhepunkt seines Lebens und Dienstes erreicht war! Aber nun war es<br />
soweit. In Gna<strong>de</strong>n hatte er für alle Bedürfnisse Vorsorge getroffen; so bewies er, wie ähnlich<br />
seine erste Sendung zu Beginn seines Laufes gewesen war – ihnen eine richtige Vorstellung<br />
von <strong>de</strong>r Liebe ihres Vaters zu geben.<br />
Zum Schluß können wir nur <strong>de</strong>n Glauben hervorheben, durch <strong>de</strong>n er sich auszeichnete.<br />
Nach aller Größe, die er in Ägypten erlangt hatte, nach allem Dienst, <strong>de</strong>n er vollbracht hat,<br />
sieht er im Glauben ein besseres und größeres Erbteil in <strong>de</strong>r Ferne. Bei seinem To<strong>de</strong> erwähnt<br />
er <strong>de</strong>n Auszug Israels und gibt Befehl wegen seiner Gebeine. So beschließt er seinen Lauf<br />
<strong>als</strong> treuer Diener, in<strong>de</strong>m er von <strong>de</strong>m wahren Gegenstand <strong>de</strong>r Hoffnung Zeugnis ablegt; er<br />
hatte während seines Lebens <strong>de</strong>m Volke Gottes vollkommen und gemäß seiner Bedürfnisse<br />
gedient, und <strong>als</strong> er starb, führte er sie zur wahren Aussicht und Hoffnung ihrer Seelen –<br />
<strong>de</strong>m Erbe <strong>de</strong>s verheißenen Lan<strong>de</strong>s. Keine zeitlichen Vorteile durften das umwölken o<strong>de</strong>r<br />
hemmen. Der Glaube blickt über <strong>de</strong>n Glanz gegenwärtiger Dinge hinweg; seinem Volke<br />
treu bis ans En<strong>de</strong> dienend, befiehlt er ihnen mit seinen letzten Atemzügen ihre eigentliche<br />
Hoffnung und ihren zukünftigen Weg an.<br />
So en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Weg eines <strong>de</strong>r am meisten gezüchtigten und geehrten Knechte, nach großen<br />
Prüfungen, aber größeren Erfolgen; nach großen Trübsalen, aber größeren Freu<strong>de</strong>n; nach<br />
großer Erniedrigung, aber größerer Erhebung; und die Beschäftigung mit Josefs Leben ist<br />
nützlich für je<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Knecht Gottes, <strong>de</strong>s Gottes, <strong>de</strong>r gelobt sei von Ewigkeit zu<br />
Ewigkeit.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
Hiob<br />
Die Anspielung auf Hiob in Jakobus 5,11: „Von <strong>de</strong>m Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und<br />
das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn habt ihr gesehen, dass <strong>de</strong>r Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig<br />
ist“, genügt, um die Aufmerksamkeit einer ernsten Seele auf die Beschäftigung mit einer<br />
Geschichte zu lenken, die uns so vollständig überliefert ist.<br />
Zunächst wird Hiob uns <strong>als</strong> ein Musterbeispiel dargestellt: glücklich in seinen Verhältnissen,<br />
gläubig und treu in seinen Beziehungen zu Gott. Wir sehen in ihm einen Mann, <strong>de</strong>r sich in<br />
je<strong>de</strong>r Beziehung über <strong>de</strong>n Kummer und das Böse, die das Los <strong>de</strong>s Menschen sind, erhoben<br />
hatte; er ist das bemerkenswerte Beispiel eines Mannes, <strong>de</strong>r von Gott unter <strong>de</strong>n Menschen<br />
ausgezeichnet war – einer, <strong>de</strong>r in Lauterkeit vor Ihm wan<strong>de</strong>lte. Er war auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> für Gott<br />
und wur<strong>de</strong> von Ihm reich gesegnet. Er war vollkommen und rechtschaffen, gottesfürchtig<br />
und das Böse mei<strong>de</strong>nd. Was seinen Besitz betraf, so war er so groß, daß dieser Mann größer<br />
<strong>als</strong> alle Söhne <strong>de</strong>s Ostens war.<br />
Es ist wichtig zu wissen, daß Hiob vor Gott wohlgefällig wan<strong>de</strong>lte und Ihm <strong>als</strong> solcher<br />
angehörte, <strong>als</strong> Satan zum ersten Male seine Treue in Frage stellte und ihm einen unwürdigen<br />
Beweggrund zur Last legte, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Frage gipfelte: „Ist es umsonst, daß Hiob Gott<br />
fürchtet?“ Diese Frage gibt uns einen Schlüssel zum wahren Verständnis <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r<br />
Zucht, <strong>de</strong>r Hiob unterworfen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn wir sehen, daß sie nicht auf Grund persönlicher<br />
Schwäche eintrat, son<strong>de</strong>rn um Satan zu beweisen, wie wahr Gottes Urteil über Seinen<br />
Knecht war. Wir wer<strong>de</strong>n sehen, daß Hiob viel persönliche Schwäche an <strong>de</strong>n Tag legte, <strong>als</strong><br />
er unter <strong>de</strong>r göttlichen Zucht stand; <strong>de</strong>nn obgleich ihm die Prüfungen von Satan auferlegt<br />
wur<strong>de</strong>n, und zwar mit <strong>de</strong>r Absicht, seine Verleumdung zu bestätigen, wur<strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>nnoch<br />
von Gott benutzt, um in Hiob jene Selbstverleugnung und jenen Glauben zu bewirken, die<br />
Gott schließlich die Gelegenheit gaben, in vollem Segen die Wahrheit <strong>de</strong>s Urteils, das Er in<br />
Seiner Güte über Seinen Knecht abgegeben hatte, zu beweisen.<br />
Es ist wun<strong>de</strong>rbar und höchst anziehend, die Art und Weise zu betrachten, in <strong>de</strong>r Gott<br />
zu gleicher Zeit Satan beschämt, Sein Urteil rechtfertigt und Seinen Knecht zum vollen<br />
Verständnis Seiner Selbst erzieht, und, <strong>als</strong> das vollbracht ist, Satan ta<strong>de</strong>lt, in<strong>de</strong>m Er Hiob<br />
doppelt so viel gibt <strong>als</strong> er vorher besessen hat. Wir müssen versuchen, uns klarzumachen,<br />
was es für jeman<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n Hiobs war, plötzlich von solchen Schicks<strong>als</strong>schlägen<br />
getroffen zu wer<strong>de</strong>n. Noch kurze Zeit vorher sehen wir ihn im Genuß <strong>de</strong>r vollen Segnungen<br />
Gottes und zugleich in peinlicher Gewissenhaftigkeit, was seine Beziehungen zu Gott betraf;<br />
in seiner Besorgnis steht er nach <strong>de</strong>m Gastmahl seiner Söhne <strong>de</strong>s Morgens früh auf und<br />
opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl, <strong>de</strong>nn er sagte: „Vielleicht haben meine Kin<strong>de</strong>r<br />
gesündigt und sich in ihrem Herzen von Gott losgesagt. Also tat Hiob allezeit.“ Wo je<strong>de</strong>r<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
Punkt so sorgfältig und eifrig beobachtet wur<strong>de</strong>, könnten wir, wie Hiob selbst, erwarten,<br />
daß die Ruhe, in die er durch Gottes Gna<strong>de</strong> versetzt wor<strong>de</strong>n war durch nichts gestört wur<strong>de</strong>.<br />
Wenn ihn auch Befürchtungen wie Wolken an einem Sonnentage überkommen mochten,<br />
so hatte er doch zweifellos keine Ahnung von <strong>de</strong>m boshaften Geist, <strong>de</strong>r dadurch, daß er<br />
ihn vor Gott verleum<strong>de</strong>te, Gott nur veranlaßte, Hiob in die Hand Satans zu geben, um auf<br />
das Ein<strong>de</strong>utigste Hiobs Lauterkeit und unerschütterliche Treue zu Ihm zu beweisen. Wir<br />
müssen auch immer daran <strong>de</strong>nken, daß Gott, während Er in Seinen Wegen mit Hiob Sein<br />
über ihn abgegebenes Urteil rechtfertigen will, uns zugleich zeigt, wie Er jenen Knecht.<br />
erzieht und unter die Zucht stellt, um ihn dieses Urteils würdig zu machen.<br />
Der Schlag für Hiob kam, <strong>als</strong> er ihn am wenigsten erwartete. Zweifellos hatte er oft seine<br />
Befürchtungen, <strong>de</strong>nn er sagt: „Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf mich“, und<br />
so kommt es immer, wenn die Seele keine größere Gewißheit <strong>de</strong>r Liebe hat, <strong>als</strong> ihre Beweise<br />
und das Vorhan<strong>de</strong>nsein <strong>de</strong>r Gaben. Die Gaben sind so eine Falle für uns, und Satans Anklage<br />
gegen uns ist oft in einer Hinsicht wahr; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Grund für unsere Ruhe vor Gott ist<br />
Seine Freundlichkeit und Gna<strong>de</strong>, und nicht einfach das Wissen um Seine Liebe. Das wird<br />
sehr <strong>de</strong>utlich an <strong>de</strong>m großen Kummer und <strong>de</strong>r Verzweiflung vieler Seiner Kin<strong>de</strong>r, wenn<br />
sie irgen<strong>de</strong>iner beson<strong>de</strong>ren Segnung beraubt wer<strong>de</strong>n. Sie ruhen mehr in <strong>de</strong>n Gaben <strong>als</strong> in<br />
Gott, und die Gaben waren für sie <strong>de</strong>r Beweis Seiner Liebe; aber die Liebe selbst war es<br />
nicht, die ihren Herzen Ruhe gab. Satan kennt diese Neigung <strong>de</strong>s Menschen und zögerte<br />
daher nicht, Hiob ihretwegen anzuklagen, in<strong>de</strong>m er behauptete, daß Hiob nur auf Grund<br />
<strong>de</strong>r überströmen<strong>de</strong>n Segnungen Verbindung zu und Ehrfurcht vor Gott habe. Gott hatte in<br />
Seiner Gna<strong>de</strong> bezüglich Seines Knechtes Satan herausgefor<strong>de</strong>rt, daß seinesgleichen kein<br />
Mann auf Er<strong>de</strong>n sei. Satan antwortete, in<strong>de</strong>m er Hieb einen unlauteren Beweggrund für<br />
seine Treue vorwirft und behauptet, daß er sich offen von Ihm lossagen wür<strong>de</strong>, wenn alles,<br />
was er besaß, von ihm genommen wür<strong>de</strong>. Daraufhin erlaubte Jehova Satan, Hiob alles was<br />
er hat, zu nehmen, um die Richtigkeit Seines Urteils zu beweisen und um Hiob dieses Urteils<br />
würdig zu machen.<br />
An einem einzigen Tage verliert Hiob in schneller Folge Besitz, Kin<strong>de</strong>r, alles was er hat.<br />
Niem<strong>als</strong> kam ein Unglück so schnell und vollständig. „Und Hiob stand auf und zerriß sein<br />
Gewand und schor sein Haupt; und er fiel zur Er<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>r und betete an.“ Er erträgt die<br />
ersten schweren Wogen <strong>de</strong>s Unglücks mit beispielhafter Geduld und sagt: „Nackt bin ich<br />
aus meiner Mutter Leibe gekommen, und nackt wer<strong>de</strong> ich dahin zurückkehren. Jehova hat<br />
gegeben, und Jehova hat genommen, <strong>de</strong>r Name Jehovas sei gepriesen!“<br />
Es sei bemerkt, daß eine große Häufung von Trübsalen zunächst leichter <strong>als</strong> nachher<br />
ertragen wird. Die Stärke‘die im Herzen ist, das Vertrauen zu Gott ist die Zuflucht, wenn<br />
<strong>de</strong>r Schlag plötzlich und schrecklich kommt; und es scheint mir, daß Satan durch die rasche<br />
Folge <strong>de</strong>r Ereignisse, in <strong>de</strong>nen er seine Macht gebrauchte, sich selbst überlistete; <strong>de</strong>nn<br />
gewiß sind Lei<strong>de</strong>n, wenn sie nicht alle zugleich, son<strong>de</strong>rn in gewissen Abstän<strong>de</strong>n auftreten,<br />
eine größere Prüfung. Satan hoffte jedoch, daß <strong>de</strong>r Schlag für Hiob überwältigend sein<br />
wür<strong>de</strong>, daß er nicht an<strong>de</strong>rs könnte, <strong>als</strong> Gott an allem die Schuld zu geben. Aber äußerste<br />
Schwierigkeit bringt oft die verborgene Kraft zum Vorschein, – wie bei einem Ertrinken<strong>de</strong>n-,<br />
während eine kleinere Gefahr diese Wirkung nicht haben wür<strong>de</strong>. Die Prüfung ist manchmal<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 49
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
nicht hart genug, um <strong>de</strong>n Menschen zu eigenen Bemühungen zu veranlassen. Erst wenn in<br />
äußersten Schwierigkeiten Anstrengungen gemacht wor<strong>de</strong>n sind und sich <strong>als</strong> vergeblich<br />
erwiesen haben, fühlt man wirkliche Hilflosigkeit, und Verzweiflung befällt die Seele. Hiob<br />
hatte seinen Kummer so gut getragen, daß <strong>de</strong>r gnädige Gott bezüglich Seines über ihn<br />
abgegebenen Urteils Satan noch einmal herausfor<strong>de</strong>rn kann. Satan antwortet: „Haut um<br />
Haut, ja, alles was <strong>de</strong>r Mensch hat, gibt er für sein Leben. Aber strecke einmal <strong>de</strong>ine Hand<br />
aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an, ob er sich nicht offen von dir lossagen wird.“<br />
Natürlich füllt es <strong>de</strong>n Becher <strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>ns, wenn ich von allem, woran mein Herz hängt,<br />
beraubt bin und <strong>de</strong>r ganze, einst so liebliche Schauplatz nun eine Wüste für mich ist, – mit<br />
<strong>de</strong>n Gräbern meiner früheren Freu<strong>de</strong>n, und wenn ich dann durch körperliche Lei<strong>de</strong>n eine<br />
Last für mich selbst wer<strong>de</strong>! Sicherlich wür<strong>de</strong>n körperliche Lei<strong>de</strong>n und Krankheit mich auf<br />
das Bitterste an meine völlige Verlassenheit erinnern, ohne daß ich das Herz und die Kraft<br />
hätte, meine Lage zu verbessern. Gott erlaubt Satan, Hiob mit <strong>de</strong>n ärgsten körperlichen<br />
Lei<strong>de</strong>n heimzusuchen; und er wird mit bösen Geschwüren von seinen Fußsohlen bis zu<br />
seinem Scheitel geschlagen. Welch ein Elend für Hiob! Seine Frau wird davon überwältigt<br />
und in ihrer Not gerät sie in die Falle Satans: sie rät ihrem Mann, sich von Gott loszusagen<br />
und zu sterben. Alles ist gegen Hiob. Welch eine Zeit <strong>de</strong>r Übungen für seine Seele! Welche<br />
Kämpfe müssen wegen seiner Hoffnung auf Gott in seiner Seele stattgefun<strong>de</strong>n haben! Aber<br />
je<strong>de</strong> Übung stärkt die Seele in Gott, obgleich <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> davon im Augenblick wenig<br />
weiß. je größer die Not, je tiefer ist das Gefühl, daß Seine Gna<strong>de</strong> sie än<strong>de</strong>rn kann; das eine<br />
bereitet nur <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n für das an<strong>de</strong>re vor.<br />
Zunächst zeigt Hiob wun<strong>de</strong>rbare Geduld. Er ta<strong>de</strong>lt seine Frau und sagt: „Wir sollten das<br />
Gute von Gott annehmen und das Böse sollten wir nicht auch annehmen?“ Aber seine<br />
Prüfungen sind noch nicht zu En<strong>de</strong>. Seine Freun<strong>de</strong> kommen, um ihm ihr Beileid zu bezeugen<br />
und ihn zu trösten. Wenn ich unter <strong>de</strong>r Zucht Gottes stehe, die meine engsten Freun<strong>de</strong> und<br />
Verwandten nicht verstehen, dann stören und verletzen mich ihre Trost- und Hilfsangebote<br />
eher, <strong>als</strong> daß sie mir willkommen sind. Das mußte Hiob bei seiner Frau einerseits, und<br />
bei seinen Freun<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rerseits erleben; dort auf Grund <strong>de</strong>s Fleisches, hier auf Grund<br />
größeren Verstan<strong>de</strong>s. Welch ein Bild! „Und sie erhoben ihre Augen von ferne und erkannten<br />
ihn nicht; da erhoben sie ihre Stimmen und weinten, und zerrissen ein je<strong>de</strong>r sein Gewand<br />
und streuten Staub auf ihre Häupter himmelwärts. Und sie saßen mit ihm auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
sieben Tage und sieben Nächte lang; und keiner re<strong>de</strong>te ein Wort zu ihm, <strong>de</strong>nn sie sahen,<br />
daß <strong>de</strong>r Schmerz sehr groß war.“<br />
„Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Unter <strong>de</strong>m Gewicht eines<br />
schrecklichen Schlages ist die Trennung von <strong>de</strong>r Umwelt so vollständig, daß man nicht<br />
versucht, sich zu beklagen o<strong>de</strong>r zu äußern. Und wenn die Seele Gott vertraut, gibt sie sich<br />
mehr <strong>de</strong>m Vertrauen hin, und <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> ist unfähig, hinsichtlich <strong>de</strong>r irdischen Dinge<br />
und <strong>de</strong>ssen, was er einst in ihrer Mitte war, auf sich selbst zu schauen. Aber sobald er sich<br />
wie<strong>de</strong>r seiner Verbindung zur Umwelt bewußt wird, beginnt die Beschäftigung mit sich<br />
Selbst, sofern er nicht schon mit <strong>de</strong>m eigenen Ich am En<strong>de</strong> ist. Das Ziel <strong>de</strong>r Zucht ist, das<br />
Ich beiseite zu setzen und das Herz in seine wahre Beziehung zu Gott zu setzen, – ohne<br />
das Ich. Daher bewirkt die Zucht die Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r geheimen Tätigkeiten und Gefühle<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 50
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
<strong>de</strong>s Ich, die sonst nicht ent<strong>de</strong>ckt und bekannt, und folglich nicht abgelegt wor<strong>de</strong>n wären.<br />
Hiob fühlte sich unglücklich; um ihn herum war nichts <strong>als</strong> Elend; er hatte alle Freu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> überlebt, und er verfluchte seinen Tag. Wofür hatte er gelebt, und wofür sollte er noch<br />
leben? Er wusste wenig von <strong>de</strong>m Platz, <strong>de</strong>n er vor Gott einnahm, und davon, daß Gott ihn<br />
durch schreckliche Lei<strong>de</strong>n zubereitete, um Sein Urteil über Hiob vor Satan zu rechtfertigen.<br />
Wir müssen nun untersuchen, wie Gott dieses Ziel erreicht, in<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>n Weg betrachten,<br />
<strong>de</strong>n die Seele unter <strong>de</strong>r Zucht Gottes gehen muß, um zu einfältiger Abhängigkeit und Ruhe<br />
vor Ihm zu gelangen.<br />
Der erste und bitterste Gedanke nach <strong>de</strong>m Erwachen zur vollen Erkenntnis ist, unseren Tag<br />
zu verfluchen. Das ist ein schrecklicher Gedanke, <strong>de</strong>r, wenn man Gott nicht kennt, zum<br />
Selbstmord führt. Aber wenn man wie Hiob Gott kennt, ist er <strong>de</strong>r Beginn einer heilsamen<br />
Tätigkeit; nicht weil er die Unzufrie<strong>de</strong>nheit und das Elend offenbar macht, son<strong>de</strong>rn weil das<br />
Gefühl <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r gänzliche Ausschluß von allem, gekannt und gefühlt wird. Wenn ich<br />
das unendliche Elend <strong>de</strong>s Menschen auf Er<strong>de</strong>n sehe, mag ich Aufruhr und Unzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
in mir aufkommen lassen, aber ich muß es erst kennen, um zu voller Selbstverleugnung zu<br />
gelangen. Ich darf Gott nicht dafür ta<strong>de</strong>ln, son<strong>de</strong>rn muß es <strong>als</strong> das wahre Los <strong>de</strong>s Menschen<br />
erkennen. Der Tod erscheint besser <strong>als</strong> solches Elend, in <strong>de</strong>m zu leben das Herz kein<br />
Verlangen spürt. Das fühlt auch Hiob. Er weiß nicht, daß Gott ihm gegenüber Satan zu<br />
einem Zeugen <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Ihm machen will. Aber so sind Gottes Wege. Die Zucht<br />
mag bewirken, daß wir <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>m Leben vorziehen, aber gera<strong>de</strong> dadurch führen wir<br />
Gottes Absichten aus.<br />
Aber in <strong>de</strong>r Antwort Eliphas’, <strong>de</strong>s Temaniters, erhält Hiob einen Gegenschlag. ich glaube,<br />
wir können in <strong>de</strong>n drei Freun<strong>de</strong>n die verschie<strong>de</strong>nen Übungen sehen, in die unser Gewissen<br />
kommt, wenn es unter solcher Zucht steht. Eliphas gibt Hiob zu verstehen, daß er diese<br />
Trübsale verdient habe: „So wie ich es gesehen habe: die Unheil pflügen und Mühsal säen,<br />
ernten es“, und weiterhin, daß es gar nicht einmal Züchtigung sei, <strong>de</strong>nn wenn das <strong>de</strong>r<br />
Fall ist, dann „bereitet er Schmerz und verbin<strong>de</strong>t“ (5,18). So <strong>de</strong>utet er an, daß es etwas<br />
an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> Züchtigung sein müsse, da Er ihn nicht „verbun<strong>de</strong>n“ habe. In <strong>de</strong>n nun folgen<strong>de</strong>n<br />
Kapiteln 6 und 7 ist Hiob nicht so sehr mit seinem Elend beschäftigt, <strong>als</strong> mit seinem Recht,<br />
zu klagen, und <strong>de</strong>n Bemühungen, <strong>de</strong>n Äußerungen seines Freun<strong>de</strong>s zu begegnen. Er gibt<br />
uns eine Aufzählung seiner Trübsale – wozu auch seine Enttäuschung an seinen Freun<strong>de</strong>n<br />
gehört -; es drängt ihn, sich zu rechtfertigen, obwohl er gleichzeitig um so mehr von <strong>de</strong>r<br />
Nichtigkeit seines Lebens überzeugt wird, was er in <strong>de</strong>n Worten ausdrückt: „so daß meine<br />
Seele Erstickung vorzieht, <strong>de</strong>n Tod lieber wählt <strong>als</strong> meine Gebeine.“ Welche schmerzlichen<br />
Lehren müssen wir erhalten, ehe wir die Weisheit <strong>de</strong>r Selbstverleugnung erfassen! Was muß<br />
die Seele alles erfahren, um dahin zu gelangen! Wie wird sie gequält von verschie<strong>de</strong>nen<br />
Gedanken, die sie nie erreichen und beunruhigen könnten, wenn das Ich nicht vorhan<strong>de</strong>n<br />
wäre. Die Möglichkeit, daß eine Anklage auf Wahrheit beruht, macht diese schmerzlich und<br />
verwirrend.<br />
Bildads Antwort ist eine neue Prüfung für Hiob.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 51
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
Es ist gut für uns, daß wir im Worte Gottes eine Aufzählung <strong>de</strong>r unbeschreiblichen Übungen<br />
haben, die notwendig sind, um uns zu lehren, daß <strong>de</strong>r Mensch in sich selbst nichts ist. Selbst<br />
Menschen, die <strong>de</strong>n Anspruch erheben, unsere Freun<strong>de</strong> zu sein, bringen uns nur noch mehr<br />
in Trübsal. Bildad macht Hiob die schwersten Vorwürfe und sagt, daß die Worte seines<br />
Mun<strong>de</strong>s ungestümer Wind sind, und wenn er lauter und rechtschaffen wäre, wür<strong>de</strong> Gott zu<br />
seinen Gunsten aufwachen. Dadurch richtet er Hiobs Sinn noch mehr auf ihn selbst und<br />
nimmt an, daß seine Prüfungen die gerechte Vergeltung für die Sün<strong>de</strong> seien und nicht –<br />
wie es in Wahrheit war – die Zucht Gottes, die ihn dazu führen wollte, mit seinem Ich<br />
zu En<strong>de</strong> zu kommen. Hiob ist nun nicht mehr so sehr mit seinem Elend beschäftigt <strong>als</strong><br />
vielmehr damit, sich vor seinen Freun<strong>de</strong>n zu rechtfertigen. Es ist schmerzlich und grausam<br />
für die Seele, wenn Freun<strong>de</strong> die Anklage erheben, daß man so großes Elend verdient habe.<br />
Hiob wußte, daß er nichts getan hatte, wodurch er es verdient haben könnte: aber er mußte<br />
lernen, daß er auf nichts Anspruch erheben konnte, und das wußten seine Freun<strong>de</strong> ebenso<br />
wenig; sie bestan<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Rechtschaffenheit.<br />
Nun erkennt Hiob Gott an; er wen<strong>de</strong>t sich zu Ihm; aber während er die Größe und Macht<br />
Gottes anerkennt, benutzt er sie nur, um <strong>de</strong>n Abstand zwischen sich und Gott zu zeigen, und<br />
daß sie einan<strong>de</strong>r nicht auf gleicher Ebene begegnen können; aber wenn das möglich wäre,<br />
wür<strong>de</strong> er sich nicht fürchten. Wir sehen, daß seine Seele eine Verbindung zu Gott besitzt:<br />
aber seine Freun<strong>de</strong> haben ihm Gott <strong>als</strong> <strong>de</strong>n Richter vorgestellt, in<strong>de</strong>m sie an<strong>de</strong>uteten, daß<br />
<strong>de</strong>r Raub <strong>de</strong>r zeitlichen Güter eine Strafe für die Sün<strong>de</strong> ist, und das schließt natürlich ein,<br />
daß das Gegenteil, ihr Vorhan<strong>de</strong>nsein, eine Belohnung für die Rechtschaffenheit darstellt.<br />
In dieser neuen Übung sieht Hiob Gottes Größe, nicht aber Seine Sorge für ihn, <strong>de</strong>r sich in<br />
Seiner Hand befin<strong>de</strong>t; und er meint, daß er nichts tun könne. Er sieht keine Logik in ihr und<br />
betrachtet sie <strong>als</strong> willkürlich. Wenn er einen Schiedsmann hätte, <strong>de</strong>r sie auf gleichen Bo<strong>de</strong>n<br />
stellen wür<strong>de</strong>, könnte er seine Sache verteidigen, aber so besteht für ihn keine Hoffnung.<br />
„Ich hätte verschei<strong>de</strong>n, und kein Auge hätte mich sehen sollen!“ so ruft er aus.<br />
Zophar versucht in seiner Antwort, ihn zu überführen und weist ihn darauf hin, „daß Gott<br />
dir viel von <strong>de</strong>iner Missetat übersieht“, und wenn die Missetat nicht wäre, wür<strong>de</strong>n die<br />
Segnungen vorhan<strong>de</strong>n sein. Ja, dann wirst du <strong>de</strong>in Angesicht erheben ohne Makel und wirst<br />
unerschütterlich sein.“ Zophar macht die menschlichen Taten zum Maßstab <strong>de</strong>s göttlichen<br />
Han<strong>de</strong>lns. Er sieht nicht das Böse im Menschen und die daraus folgen<strong>de</strong> Gottesferne,<br />
die kein Recht auf Segen gibt. – Hiob antwortet. Wie unnachgiebig ist eine sich selbst<br />
rechtfertigen<strong>de</strong> Seele! Seine Freun<strong>de</strong> hatten ihn mit ihrem Vorwurf empfindlich getroffen,<br />
wenn sie sagten, daß seine Trübsale die Folgen seiner Missetaten seien. Im Bewußtsein, daß<br />
er solche Lei<strong>de</strong>n durch keine Sün<strong>de</strong> verdient habe, verneint Hiob das. Vorwürfe, die unser<br />
Herr schweigend ertrug, obwohl man Ihn ungerechterweise damit überhäufte, wer<strong>de</strong>n<br />
von Hiob zurückgestoßen, weil er sich noch nicht, so wie er ist, vor Gott gesehen hat.<br />
Er beurteilt sich wie ein Mensch, und das hätten auch seine Freun<strong>de</strong> tun sollen, <strong>de</strong>nn<br />
sie stan<strong>de</strong>n keineswegs auf besserem Bo<strong>de</strong>n <strong>als</strong> er. Gottes Allmacht erklärt ihm alles. Er<br />
sieht keine Gna<strong>de</strong>nabsicht in Gottes Wegen mit ihm, und doch sehen wir, daß seine Seele<br />
Fortschritte macht, <strong>de</strong>nn er ruft aus: „Siehe, er tötet mich, ich wer<strong>de</strong> auf ihn warten“, und<br />
ein Hoffnungsstrahl fällt in seine Seele: „Du wür<strong>de</strong>st rufen, und ich wür<strong>de</strong> dir antworten, du<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
wür<strong>de</strong>st dich sehnen nach <strong>de</strong>m Werke <strong>de</strong>iner Hän<strong>de</strong>.“ Wie herrlich, wenn die Seele durch<br />
alle diese Übungen und Schmerzen geht, um von <strong>de</strong>r Selbstzufrie<strong>de</strong>nheit schließlich zur<br />
Ruhe in Gott zu gelangen. Immer wird das En<strong>de</strong> beweisen, daß Gottes Wege vollkommen<br />
sind.<br />
Eliphas antwortet (Kapitel 15). Er wird hart und unbeherrscht in seinen Anstrengungen,<br />
Hiob zu überzeugen, daß er und seine Freun<strong>de</strong> weise und daher im Recht sind, wenn sie<br />
feststellen, daß Gott mit <strong>de</strong>n Menschen je nach ihren Verdiensten verfährt, und daß <strong>de</strong>r<br />
Gesetzlose alle seine Tage gequält wird; er fügt hinzu: „Die Stimme von Schrecknissen ist in<br />
seinen Ohren, im Frie<strong>de</strong>n kommt <strong>de</strong>r Verwüster über ihn.“<br />
Wenn wir nicht die Übungen unserer eigenen Herzen kennen, können wir schwerlich<br />
ermessen, welche Qualen diese Vorwürfe <strong>de</strong>m Herzen Hiobs bereitet haben. Sie leiteten ihn<br />
in die verkehrte Richtung; <strong>de</strong>nn sie führten ihn zur Beschäftigung mit sich selbst. Er konnte<br />
nicht leugnen, daß er in Trübsal war; er sah, wenn er sich mit an<strong>de</strong>ren Menschen verglich,<br />
in sich selbst keine Ursache für so große Trübsal. Seine Freun<strong>de</strong> quälten ihn fortwährend<br />
und versuchten, ihn zu überzeugen, daß Gottes Wege sich nach <strong>de</strong>n Taten <strong>de</strong>r Menschen<br />
richteten, und dass er, da er so viel lei<strong>de</strong>n mußte, außeror<strong>de</strong>ntlich sündhaft sein müsse.<br />
Hiob wi<strong>de</strong>rsetzt sich (Kapitel 16) und nennt seine Freun<strong>de</strong> „leidige Tröster“, <strong>de</strong>nn das waren<br />
sie. Er ruft aus: „Wenn ich re<strong>de</strong>, so wird mein Schmerz nicht gehemmt: und unterlasse<br />
ich es, nicht weicht er von mir.“ Er gibt nun <strong>de</strong>m bittersten Gefühl Raum: daß Gott ihn<br />
<strong>de</strong>n Gottlosen überliefert habe. Er schmeckt etwas von <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>n, die unser Herr <strong>als</strong><br />
Mensch über Sich ergehen ließ. Wer kann <strong>de</strong>n bitteren Schmerz erfassen, <strong>de</strong>r jetzt Hiobs<br />
Seele ergriff! „Meine Freun<strong>de</strong> sind meine Spötter: zu Gott tränt mein Auge.“ In all <strong>de</strong>n<br />
Schrecken seiner Trübsal und Lei<strong>de</strong>n erkennen wir doch hier und da die Verbindung, die er<br />
<strong>als</strong> wie<strong>de</strong>rgeborene Seele mit Gott hat. Er hat sich bisher noch nicht mit <strong>de</strong>n Augen Gottes<br />
gesehen, <strong>de</strong>shalb verharrt er in seiner Stellung, „obwohl keine Gewalttat in meinen Hän<strong>de</strong>n,<br />
und mein Gebet lauter ist“, möchte er mit Gott rechten, wie ein Mann mit seinem Nachbarn<br />
rechtet. Teilweise fühlt er die Größe Gottes, aber er fühlt nicht Seine Heiligkeit, weil er<br />
Gott niem<strong>als</strong> nahe genug gewesen ist; <strong>de</strong>nn nur Gottes Nähe gibt uns das Gefühl Seiner<br />
Heiligkeit. Hiob glaubt, wenn er mit Ihm rechten könnte, wür<strong>de</strong> er freigesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir sehen, welche schrecklichen Verirrungen <strong>de</strong>r Seele entstehen, wenn Lei<strong>de</strong>n aus Gottes<br />
Hand mit menschlichen Maßstäben gemessen wer<strong>de</strong>n. Wie sehr beschäftigt ist Hiob mit<br />
sich selbst! Er fühlt, daß er „zum Sprichwort <strong>de</strong>r Völker“ gewor<strong>de</strong>n ist. „Die Aufrichtigen<br />
wer<strong>de</strong>n sich hierüber entsetzen, und <strong>de</strong>r Schuldlose wird aufgebracht wer<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n<br />
Ruchlosen.“ Für solche Gedanken kann nur <strong>de</strong>r Tod Erlösung be<strong>de</strong>uten. „Wenn ich hoffe, so<br />
ist <strong>de</strong>r Scheol mein Haus, in <strong>de</strong>r Finsternis bette ich mein Lager.“<br />
Bildad antwortet ihm (Kapitel 18) mit ärgerlichen und vorwurfsvollen Worten und zeigt<br />
ihm mit aller Schärfe <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s Gottlosen auf: er wird ins Netz getrieben und „sein<br />
Ratschlag wird ihn stürzen“ (Vers 7). Er wird keinen Sohn und keinen Nachkommen haben<br />
unter seinem Volke“ (Vers 19). Ja, so sind die Wohnungen <strong>de</strong>s Ungerechten, und so ist die<br />
Stätte <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r Gott nicht kennt“ (Vers 21). Wohl konnte Hiob, angestachelt durch die<br />
Behauptung, daß er Gott nicht kenne, antworten: „Wie lange wollt ihr meine Seele plagen<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
und mich mit Worten zermalmen?“ Es ist eine wun<strong>de</strong>rbare Zeit für die Seele, wenn sie<br />
sich mit <strong>de</strong>m Gewissen im Glauben zu rechtfertigen sucht, inmitten all <strong>de</strong>r Trübsal und<br />
<strong>de</strong>s Kummers, die hier gerechterweise das Los aller sind, und ganz beson<strong>de</strong>rs, wenn sie<br />
<strong>de</strong>r Zucht dienen. Die Anklage, daß er in seiner eigenen Schlinge gefangen sei, weist Hiob<br />
zurück: „So wisset <strong>de</strong>nn, daß Gott mich in meinem Recht gebeugt, und mich umstellt hat<br />
mit seinem Netze.“ Er schreibt es Gott zu, ohne einen Grund dafür angeben zu können.<br />
Aber bei all diesem angestrengten Suchen, mit <strong>de</strong>m wachsen<strong>de</strong>n Gefühl, unschuldig von<br />
Gott heimgesucht zu wer<strong>de</strong>n, wird seine Seele doch in <strong>de</strong>r Hoffnung gestärkt, wie wir<br />
<strong>de</strong>n Worten: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und <strong>als</strong> <strong>de</strong>r letzte wird er auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
stehen; und ist nach meiner Haut dieses da zerstört, so wer<strong>de</strong> ich aus meinem Fleische Gott<br />
anschauen‘entnehmen können.<br />
Kapitel 20. – Mit großem Nachdruck stellt Zophar Hiob nun <strong>de</strong>n völligen Untergang <strong>de</strong>r<br />
Gottlosen vor Augen. Er klagt ihn ohne Gna<strong>de</strong> an. „Der Himmel wird seine Ungerechtigkeit<br />
enthüllen und die Er<strong>de</strong> sich wi<strong>de</strong>r ihn erheben.“ – Hiob beschreibt in seiner Antwort<br />
(Kapitel 21) <strong>de</strong>n Wohlstand <strong>de</strong>r Gottlosen, um zu zeigen, daß Zophar irrt; und doch weiß<br />
er, daß die Vorwürfe seiner Freun<strong>de</strong> unbegrün<strong>de</strong>t sind; er hat nur keine klare Vorstellung<br />
von Gottes Willen o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>iner Zweckmäßigkeit in Seinen Wegen. Er weiß nur, daß<br />
Er allmächtig ist und tun kann, wie es Ihm beliebt; aber er sieht nicht, daß Gott bei allen<br />
Seinen Wegen ein bestimmtes Ziel vor Augen hat. „Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst?“<br />
fragt er „, und von euren Antworten bleibt nur Treulosigkeit übrig.“<br />
Kapitel 22. – Eliphas richtet sich nun zum letzten Mal an Hiob und versucht, ihn durch die<br />
Ungeheuerlichkeit seiner Anklagen zu beeindrucken. „Ist nicht <strong>de</strong>ine Bosheit groß, und<br />
<strong>de</strong>iner Missetaten kein En<strong>de</strong>?“ Er wie<strong>de</strong>rholt diesen f<strong>als</strong>chen Grundsatz in bezug auf Gottes<br />
Wege und sagt, daß Er <strong>de</strong>nen Gold und Silber gibt, die zu Ihm zurückkehren. „Wenn Du<br />
zu <strong>de</strong>m Allmächtigen umkehrst, so wirst du wie<strong>de</strong>r aufgebaut wer<strong>de</strong>n; wenn du Unrecht<br />
entfernst aus <strong>de</strong>inen Zelten. Und lege das Gol<strong>de</strong>rz in <strong>de</strong>n Staub und das Gold von Ophir<br />
unter <strong>de</strong>n Kies <strong>de</strong>r Bäche: so wird <strong>de</strong>r Allmächtige <strong>de</strong>in Gol<strong>de</strong>rz und <strong>de</strong>in glänzen<strong>de</strong>s Silber<br />
sein.“<br />
In <strong>de</strong>n Kapiteln 23 und 24 wer<strong>de</strong>n zwei Dinge <strong>de</strong>utlich: erstens, daß Hiob sich <strong>de</strong>r Entfernung<br />
bewußt ist, die zwischen Gott und ihm liegt und dann, daß, während er diese Entfernung<br />
fühlt, er gerne in Seine Nähe gelangen möchte. Es ist die wahre Übung einer belebten Seele;<br />
sie tastet gewissermaßen in <strong>de</strong>r Finsternis nach <strong>de</strong>m Gegenstand ihrer Sehnsucht. „Siehe,<br />
gehe ich vorwärts, so ist er nicht da; und rückwärts, so bemerke ich ihn nicht.“ Hier ist die<br />
Erkenntnis <strong>de</strong>r Unverän<strong>de</strong>rlichkeit von Gottes Absicht. „Doch er bleibt sich gleich, und<br />
wer kann seinen Sinn än<strong>de</strong>rn?“ Und <strong>de</strong>nnoch ist die wahre Furcht, die ernste Wirkung<br />
Seiner Gegenwart, noch unbekannt, <strong>de</strong>nn Hiob sagt: „Darum bin ich bestürzt von seinem<br />
Angesicht; erwäge ich’s, so erschrecke ich vor ihm.“ – Das zweite ist, daß Hiob seinen Blick<br />
auf die Menschen richtet; er hat bei Gott keine Ruhe o<strong>de</strong>r Annahme gefun<strong>de</strong>n und blickt<br />
nun auf die Menschen. Er sieht, daß es <strong>de</strong>n Gottlosen in <strong>de</strong>r Welt gut geht; <strong>de</strong>nnoch haben<br />
sie ihre geheimen Sorgen, und <strong>de</strong>r Tod überschattet ihren Weg. Aber auf dieser Stufe seiner<br />
Prüfung beschäftigt er sich nicht mit sich selbst; er sucht die Nähe Gottes, aber er fürchtet<br />
„Sein Angesicht“, weil er nicht in Ruhe o<strong>de</strong>r Sicherheit ist. Vielfach sind die Übungen, durch<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
die eine Seele gehen muß, wenn sie sich weigert, die Vollständigkeit ihrer Ver<strong>de</strong>rbtheit in<br />
<strong>de</strong>n Augen Gottes anzuerkennen.<br />
Kapitel 25. Bildad beschließt seine Bemerkungen, in<strong>de</strong>m er noch einmal die Größe Gottes<br />
und die Unreinigkeit <strong>de</strong>s Menschen hervorhebt, <strong>als</strong> gäbe es keinen Bo<strong>de</strong>n, auf <strong>de</strong>m eine<br />
Versöhnung zwischen ihnen stattfin<strong>de</strong>n könnte. Bittere Worte für einen Erschöpften, <strong>de</strong>r<br />
Gott, Den er im Herzen kennt, und an Den er glaubt, nahekommen will.<br />
Kapitel 26 – 31. – Hiob stellt nun seinen Zustand dar, sowohl was ihn selbst betrifft, <strong>als</strong><br />
auch seine Vorstellung von Gott. Die Größe Gottes in <strong>de</strong>r Schöpfung zeigt sich ihm; aber<br />
das macht die Seele nie auf <strong>de</strong>n Charakter ihrer Entfernung von Gott aufmerksam; <strong>de</strong>shalb<br />
sehen wir im folgen<strong>de</strong>n Kapitel, daß er an seiner Rechtschaffenheit festhält. Wenn ich<br />
nicht im Lichte bin, muß ich an meiner Rechtschaffenheit festhalten, außer wenn ich ein<br />
Gebot gebrochen habe – eine offenbare Tat begangen habe; so sucht auch Hiob sich von<br />
<strong>de</strong>m Vorwurf, er sei von Gott geschlagen, zu reinigen. In Kapitel 28, wo er die Weisheit<br />
beschreibt, ist es interessant zu bemerken, wie seine Seele unter all <strong>de</strong>m Druck im wahren<br />
Licht und wahrer Erkenntnis voranschreitet, und offenbart, daß die Zucht wirksam ist. je<br />
mehr ich Gottes Weisheit und Seine Wege erkenne, (wie es manchmal in <strong>de</strong>r Bedrängnis<br />
vorkommt), <strong>de</strong>sto bedrückter wer<strong>de</strong> ich wer<strong>de</strong>n, wenn ich nicht auf annehmliche Weise in<br />
Gottes Gegenwart treten kann, und <strong>de</strong>mzufolge wen<strong>de</strong> ich mich meinem eigenen Leben<br />
zu und beschäftige mich mit mir selbst. In Kapitel 29 verweilt Hiob bei <strong>de</strong>r Vergangenheit,<br />
und das ist immer ein Zeichen, daß die Seele nicht im rechten Zustand vor Gott ist;<br />
<strong>de</strong>nn wenn sie ihren Weg mit Gott ginge, wür<strong>de</strong> sie größere Dinge <strong>als</strong> jene vergangenen<br />
verkündigen können. Beson<strong>de</strong>rs leicht tritt dies ein, wenn das eigene Ich betrachtet wird:<br />
Liebenswürdigkeit, Gottes Gaben und Seine Güte, das waren die Kennzeichen <strong>de</strong>s reichen<br />
Jünglings in Mk 10.<br />
Wenn ich infolge meiner Übertretungen das Bewußtsein <strong>de</strong>r Schuld in mir habe, verliert<br />
solch ein Rückblick seinen Reiz. Aber wenn die Seele im Elend eine Zeit <strong>de</strong>r Makellosigkeit<br />
in Leben und Wan<strong>de</strong>l in Erinnerung bringen kann – vom Glanz <strong>de</strong>r Gunst Gottes in Seinen<br />
Gaben umstrahlt – solch ein Rückblick ist anziehend für das Herz und nimmt es ganz in<br />
Anspruch. Hiob lebte, bevor Gott <strong>de</strong>m Volke Israel Kanaan gab; und so wird er <strong>als</strong> einer aus<br />
<strong>de</strong>n Nationen zur Erkenntnis <strong>de</strong>s Bösen in ihm gebracht, und zwar nicht durch das Gesetz,<br />
son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes, und da er immer mit reinem Gewissen gewan<strong>de</strong>lt war,<br />
war es nicht leicht, nun alles für Dreck zu achten. Gott erlaubt ihm, dabei zu verweilen,<br />
um uns zu zeigen, wie unsere eigene Gerechtigkeit uns beschäftigen und hin<strong>de</strong>rn kann,<br />
und an<strong>de</strong>rerseits auch, wie vollkommen nichtig <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong> Hiobs war, <strong>de</strong>r ihn zu<br />
einer wahren Einschätzung seiner eigenen und <strong>de</strong>r Person Gottes führen sollte. So verweilt<br />
Hiob, immer noch mit sich selbst beschäftigt, in Kapitel 29 bei seiner früheren Wohlfahrt,<br />
während er in Kapitel 31 <strong>de</strong>r Reihe nach die Vollkommenheit seines Weges darlegt, in<strong>de</strong>m<br />
er mit menschlichem Urteil richtet. Schließlich faßt er alles zusammen in <strong>de</strong>n Worten: „Der<br />
Allmächtige antworte mir.“ Das sind die Übungen einer Seele, die, ohne je das natürliche<br />
Gewissen verletzt zu haben, sich nicht im Lichte <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes gesehen hat und<br />
daher die Ver<strong>de</strong>rbtheit ihrer Natur nicht erkannt hat. Wenn das natürliche Gewissen auf<br />
irgen<strong>de</strong>ine Weise hätte überführt wer<strong>de</strong>n können, hätte es leicht und schnell han<strong>de</strong>ln<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
können. Aber wenn das sittliche Gefühl nicht verletzt ist, dauert es länger, bis die Seele<br />
<strong>de</strong>n geistlichen Sinn erreicht, d. h., eine Einschätzung ihrer selbst im Lichte <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
Gottes.<br />
Wir kommen nun zu einem neuen Abschnitt <strong>de</strong>r Geschichte Hiobs. Wir haben kurz und<br />
unvollständig aufgezeigt, mit welcher Geduld Gott die Seele führt, um sie zur Erkenntnis<br />
ihrer völligen Ver<strong>de</strong>rbtheit in Seinen Augen zu bringen. Hiob war einer, gegen <strong>de</strong>n niemand<br />
eine Anklage vorbringen konnte. Was die Werke anbetraf, konnte Gott Selbst Satan<br />
herausfor<strong>de</strong>rn und versichern, daß seinesgleichen kein Mann auf Er<strong>de</strong>n war, rechtschaffen<br />
und das Böse mei<strong>de</strong>nd. Und während we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Augen Satans, noch in <strong>de</strong>n Augen<br />
<strong>de</strong>r Menschen irgen<strong>de</strong>twas an Hiob Anlag zu Ta<strong>de</strong>l gab, wollte Gott, daß Hiob sah, wie<br />
vollkommen ver<strong>de</strong>rbt und verloren er in Seinen Augen war. Das zu erkennen ist für das<br />
Fleisch äußerst schmerzlich und bitter. Das Fleisch muß sterben. Der Beginn ist bei Hiob,<br />
daß er <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>m Leben vorzieht, <strong>de</strong>nn hier ist nur Elend. Dann weist er auf Grund<br />
seines Bewußtseins von seiner eigenen Rechtschaffenheit und seiner Kenntnis <strong>de</strong>r Wege<br />
Gottes (während er durch die Vorwürfe und Vermutungen seiner Freun<strong>de</strong> hinsichtlich seiner<br />
verborgenen Schuld gequält wur<strong>de</strong>) die Auffassung, die jene vertraten, zurück, nämlich daß<br />
Gott die Dinge im Hinblick auf <strong>de</strong>n Menschen nach <strong>de</strong>ssen Werken lenke und bestimme;<br />
daß Er keine an<strong>de</strong>ren Regierungsgrundsätze habe, und daß die Handlungen <strong>de</strong>s Menschen<br />
<strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Handlungen Gottes bestimmen, wobei sie Gott darstellten, <strong>als</strong> habe Er kein<br />
bestimmtes Ziel, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> sei Er ein gewöhnlicher Herrscher, <strong>de</strong>ssen Gesetze sich nach<br />
<strong>de</strong>n wechseln<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n richten. Durch dies alles wird Hiob in zweierlei Hinsicht<br />
gestärkt, was aber nur um so mehr zu seiner Verwirrung beiträgt. Er wird mehr von <strong>de</strong>r<br />
unumschränkten Herrschaft Gottes überzeugt, und daß von Ihm alle Macht ausgeht; und<br />
zweitens wird er, da seine Freun<strong>de</strong> sein Gewissen nicht erreichen konnten, kühner in seiner<br />
Selbstrechtfertigung.<br />
Kapitel 32. – In diesem Augenblick kommt Elihu hinzu. Dieser Knecht Gottes kommt,<br />
wie wir sehen wer<strong>de</strong>n, von Gott und gibt nun Hiob die Unterweisung, die er so dringend<br />
brauchte. Oft sind wir uns <strong>de</strong>r ernsten Seelenübungen nicht bewußt, die wir erfahren<br />
müssen, bis wir von seiten Gottes selber darauf vorbereitet wer<strong>de</strong>n, von Ihm zu hören. Es<br />
kann sein, daß wir uns in völliger Finsternis abmühen und ermü<strong>de</strong>n müssen, bis wir bereit<br />
sind, das Wort <strong>de</strong>s Lichtes zu hören, <strong>de</strong>nn das Licht kommt von Gott allein; Er (Christus) ist<br />
das „Licht, welches, in die Welt kommend, je<strong>de</strong>n Menschen erleuchtet.“ Je<strong>de</strong>s menschliche<br />
Hin- und Herüberlegen, wie das seiner Freun<strong>de</strong>, beschäftigte Hiob nur umso mehr mit<br />
sich selbst und rief seine Selbstrechtfertigung hervor, während es ihm an<strong>de</strong>rerseits immer<br />
<strong>de</strong>utlicher <strong>de</strong>n Abstand zwischen ihm und Gott fühlen ließ und daher in seiner Seele das<br />
Bedürfnis nach Gott verstärkte. Elihu beweist jetzt, daß die Behauptungen Hiobs nicht<br />
wahr seien, daß Gott willkürlich handle, daß Er „Feindseligkeiten wi<strong>de</strong>r mich erfin<strong>de</strong>t“<br />
(Kapitel 32,10). Seine erste Feststellung ist, daß Gott stärker <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mensch ist, „Warum<br />
ha<strong>de</strong>rst du wi<strong>de</strong>r ihn? <strong>de</strong>nn über all sein Tun gibt er keine Antwort.“<br />
Der erste wichtige Punkt für die Seele ist, sich unter die mächtige Hand Gottes zu <strong>de</strong>mütigen.<br />
Das hatte Hiob noch nicht getan. Aber, so fügt Elihu hinzu, Gott re<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>n Träumen zu<br />
<strong>de</strong>m Menschen, „um ihn von seinem Tun abzuwen<strong>de</strong>n.“<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
Welche Gna<strong>de</strong>, daß Gott, wenn alles in tiefem Schlafe liegt, Sein stets waches Interesse für<br />
<strong>de</strong>n Menschen zeigt und ihn im Träumen warnt! Gott ist voll Erbarmen, wie wir in <strong>de</strong>n<br />
Versen 23–28 sehen. Wo ein Bekenntnis <strong>de</strong>r Schuld auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gerechtigkeit Gottes<br />
ist, da ist Erbarmen und Errettung von Gott. Das alles tut Gott oft mit <strong>de</strong>n Menschen. Im<br />
Falle Isaaks haben wir ein Beispiel von <strong>de</strong>r Erschütterung, die stattfin<strong>de</strong>t, wenn die Wahrheit<br />
Gottes in <strong>de</strong>r Seele Macht und Herrschaft wie<strong>de</strong>rerlangt. Er erschrak mit großem Schrecken<br />
über die Maßen (i. Mose 27, 33). Auch Hiob mußte das nun erfahren; er hatte sich selbst<br />
erlaubt Gott zu beurteilen, anstatt sich Ihm zu unterwerfen und auf Seine Anweisungen zu<br />
warten.<br />
Kapitel 34. – Als nächstes hebt Elihu hervor, daß Gott gerecht sein muß. Hiob hatte<br />
gesagt, daß er selbst gerecht wäre und daß Gott ihm sein Recht entzogen hätte. Wenn Gott<br />
nicht gerecht wäre, ja die Quelle <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, wie könnte Er dann regieren? „Sollte<br />
auch herrschen wer das Recht haßt?“ -.ja, wahrlich, Gott han<strong>de</strong>lt nicht gesetzlos, und <strong>de</strong>r<br />
Allmächtige beugt nicht das Recht.“ – „Wer hat ihm die Er<strong>de</strong> anvertraut?“. Elihu ermahnt<br />
Hiob, zu erkennen, daß Gott gerecht ist und daß Er in Seiner Gerechtigkeit han<strong>de</strong>ln kann,<br />
wie Er will. „Denn er braucht nicht lange auf einen Menschen achtzugeben, damit er vor<br />
Gott ins Gericht komme.“ Wenn das so ist, ist <strong>de</strong>r einzig richtige Platz für Hiob <strong>de</strong>r eines<br />
Bekenntnisses. „Denn hat er wohl zu Gott gesagt: ich trage meine Strafe, ich will nicht mehr<br />
ver<strong>de</strong>rbt han<strong>de</strong>ln?- Obgleich uns diese mannigfachen Unterweisungen, diese einzelnen<br />
Fortschritte <strong>de</strong>r Seele in einer zusammenhängen<strong>de</strong>n Folge berichtet wer<strong>de</strong>n, müssen wir<br />
uns erinnern, daß es oft lange Pausen gibt, bis je<strong>de</strong>r Schritt erkannt wird. Hier wird uns<br />
mehr ihre Reihenfolge vor Augen gestellt; nicht so sehr die Lei<strong>de</strong>n, die die Seele unter<strong>de</strong>ssen<br />
durchmacht.<br />
In Kapitel 35 berührt Elihu einen neuen Punkt: Gott steht unendlich weit über <strong>de</strong>n Menschen,<br />
und die Werke <strong>de</strong>r Menschen können Ihn in keiner Weise berühren. Hiob muß erkennen<br />
was es ist, wenn Elihu fragt: „Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm? O<strong>de</strong>r was empfängt<br />
er aus <strong>de</strong>iner Hand?“ – „Wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt wor<strong>de</strong>n ist, so hat er<br />
etwas zum Rühmen, aber nicht vor Gott.“ Die Güte von seiten Gottes sollte erkannt wer<strong>de</strong>n,<br />
aber das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall: „man spricht nicht: wo ist Gott, mein Schöpfer, <strong>de</strong>r Gesänge<br />
gibt in <strong>de</strong>r Nacht?“ – wenn ringsum Finsternis herrscht. Hiob hatte bei <strong>de</strong>m, was er für<br />
Gott, und nicht bei <strong>de</strong>m, was Gott für ihn war, verweilt. Und dann heißt es: „Auf nur Eitles<br />
hört Gott nicht, und <strong>de</strong>r Allmächtige schaut es nicht an.“<br />
In Kapitel 36 wird Hiob darauf hingewiesen, daß er Gottes Gerechtigkeit erkennen muß,<br />
wenn er die Dinge mit <strong>de</strong>n Augen Gottes betrachtet. Er sollte verstehen, daß „Er seine<br />
Augen nicht von <strong>de</strong>m Gerechten abzieht“, und daß Er „ihr Ohr <strong>de</strong>r Zucht öffnet“. – „Den<br />
Elen<strong>de</strong>n errettet er in seinem Elend.“ Hier hatte Hiob gefehlt; anstatt sein Ohr <strong>de</strong>r Zucht zu<br />
öffnen, hatte er sich zu rechtfertigen bemüht. „Siehe, Gott ist mächtig.“ Es ist ein großer<br />
Fortschritt, wenn die Seele das erkennt, und die Dinge klar mit Gottes Augen betrachtet.<br />
Wenn ich wirklich erkenne, wer Er ist, muß die Wirkung davon sein, daß ich mich unter<br />
Seine mächtige Hand <strong>de</strong>mütige und auf Ihn warte.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
In Kapitel 37 führt Elihu Hiob weiter, Gott in Seiner Größe und in Seinen Werken zu<br />
betrachten. Der Herr sagte: „Glaubet mir um <strong>de</strong>r Werke selbst willen.“ Das ist die Einleitung,<br />
wenn ich so sagen darf, zum nächsten Kapitel, wo Gott Hiob aus <strong>de</strong>m Sturme antwortet<br />
und ihn über Seine Größe und Macht belehrt. Hiob hat Elihu gelauscht, ist auf die Stimme<br />
Gottes vorbereitet, und nun beschäftigt Gott Sich direkt und eingehend mit seiner Seele.<br />
Wie tief und ernst ist die Übung, wenn die Seele, allein mit Gott, durch Seine wun<strong>de</strong>rbare<br />
Gna<strong>de</strong> und Barmherzigkeit Seine Majestät und Güte kennenlernt.<br />
In Kapitel 38 lesen wir: „Und Jehova antwortete Hiob aus <strong>de</strong>m Sturme“ und for<strong>de</strong>rte ihn auf,<br />
nachzu<strong>de</strong>nken. „wo warst du, <strong>als</strong> ich die Er<strong>de</strong> grün<strong>de</strong>te?“ – „Durch Glauben verstehen wir,<br />
daß die Welten durch Gottes Wort bereitet wor<strong>de</strong>n sind.“ Das ist <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>s Glaubens,<br />
so wie <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r zu Gott kommt, glauben muß, daß Er ist. Hiob glaubte, daß es einen<br />
Gott gab, aber sein Glaube war nicht einfältig auf die Macht Gottes in Seiner Größe gerichtet.<br />
Er wird nun aufgefor<strong>de</strong>rt zu überlegen, ob er <strong>de</strong>n Ursprung eines <strong>de</strong>r Werke Gottes erklären<br />
o<strong>de</strong>r erkennen könne. Konnte er sie erreichen o<strong>de</strong>r begreifen?<br />
Gott fragt ihn: „Wer hat Weisheit in die Nieren gelegt, o<strong>de</strong>r wer hat <strong>de</strong>m Geiste Verstand<br />
gegeben?- Gott zeigt Hiob, wie unwissend er über <strong>de</strong>n Ursprung aller seiner Werke in <strong>de</strong>r<br />
Welt <strong>de</strong>r leblosen Dinge ist, und nun, in Kapitel 39, muß er einsehen, wie unfähig er ist,<br />
über die Tierwelt zu herrschen. Sei es <strong>de</strong>r Wil<strong>de</strong>sel, das Ross, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Adler, alle sind Hiob<br />
an Kraft überlegen. Und wieviel mehr Er, <strong>de</strong>r ihnen ihre Eigenschaften gab, sollte Er nicht<br />
Hiobs Ehrfurcht hervorrufen können? „Soll <strong>de</strong>r Tadler rechten mit <strong>de</strong>m Allmächtigen?“<br />
Nun fühlt Hiob die Kraft <strong>de</strong>s göttlichen Wortes. „Siehe, zu gering bin ich, was soll ich dir<br />
erwi<strong>de</strong>rn? Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Einmal habe ich gere<strong>de</strong>t, und ich will<br />
nicht mehr antworten; und zweimal, und ich will es nicht mehr tun.“<br />
Er erkennt nun seine Nichtigkeit; aber nur insoweit will er schweigen, weil er keine Antwort<br />
weiß. Er weiß sich verurteilt, aber er hat noch nicht die einfältige Selbstverleugnung<br />
erreicht. Man kann von seiner Nichtigkeit und Unfähigkeit zu antworten überzeugt sein<br />
und <strong>de</strong>nnoch auf Besserung hoffen. Es kann sein, daß es nur eine Pause ist, um sich von <strong>de</strong>m<br />
Überführtsein zu erholen, die Gottes Wort in <strong>de</strong>r überwältigten, aber nicht unterworfenen<br />
Seele hervorrufen muß, Wenn das Gefühl <strong>de</strong>r Nichtigkeit und Ver<strong>de</strong>rbtheit vollkommen ist,<br />
gibt es kein Versprechen, sich zu bessern und keinen Gedanken, daß man jetzt etwas besseres<br />
tut <strong>als</strong> bisher. Daher richtet sich die Stimme Gottes wie<strong>de</strong>r an Hiob, und er wird wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
göttlichen Auffor<strong>de</strong>rung unterworfen (Kapitel 40 und 41). Diesmal stellt Gott ihm Behemoth,<br />
<strong>de</strong>n Leviathan vor, <strong>de</strong>r bei weitem ein großartigeres Geschöpf ist <strong>als</strong> er. „Auf Er<strong>de</strong>n ist<br />
keiner ihm gleich, ihm, <strong>de</strong>r geschaffen ist ohne Furcht.“ Zu diesem Zweck wird <strong>de</strong>r Seele<br />
Hiobs die Mannigfaltigkeit und Ordnung <strong>de</strong>r Wege Gottes hinsichtlich dieses eigenartigen<br />
und mächtigen Lebewesens vorgestellt, und Hiob, <strong>de</strong>r sich in <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes sieht,<br />
ist beschämt. Nun erst hat er das von Gott gewünschte Ziel erreicht, nach<strong>de</strong>m er eine so<br />
lange Zeit erdul<strong>de</strong>t hat. Hiob sieht Gott, und das führt ihn zu wahrer Selbsterkenntnis und<br />
er bereut in Staub und Asche. Dieser makellose Mann, <strong>de</strong>r <strong>als</strong> Mensch rechtschaffen war,<br />
verabscheut sich, <strong>als</strong> er in Gottes Gegenwart geführt wird. Als Mensch hat er Grund, sich<br />
zu rühmen: er mag sich vor seinen Freun<strong>de</strong>n rechtfertigen können, nicht aber vor Gott.<br />
In <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes kann er keine For<strong>de</strong>rung stellen, nichts erwarten und auf nichts<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 58
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiob<br />
Anspruch erheben. Vor Gottes heiligen Blicken kann er sich nur verabscheuen und in Staub<br />
und Asche bereuen.<br />
Hiob ist jetzt mit sich selbst am En<strong>de</strong>. Glückliche Frucht und Vollendung aller Zucht! Er<br />
ist so vollkommen von seinem Ich befreit, daß er für seine Freun<strong>de</strong> beten kann, bevor<br />
er noch von <strong>de</strong>n äußeren Umstän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Prüfungen, die <strong>de</strong>r nächste Grund aller seiner<br />
Trübsale und Seelenübungen gewesen waren (die Satan über ihn verhängt hatte, um seine<br />
Verkehrtheit zu beweisen), erlöst war. Mehr <strong>als</strong> seiner eigenen Lei<strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>nkt er seiner<br />
Freun<strong>de</strong> vor Gott, und dann wen<strong>de</strong>t Jehova die Gefangenschaft Hiobs, in<strong>de</strong>m Er so wie<strong>de</strong>r<br />
beweist (und wir dürfen es tief in unsere Herzen einprägen), „dass <strong>de</strong>r Herr voll innigen<br />
Mitgefühls und barmherzig ist.“<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 59
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
Mose<br />
Mose war in beson<strong>de</strong>rer Weise ein Vorbild auf Jesum, <strong>de</strong>n großen Diener, und wir können<br />
uns <strong>de</strong>nken, dass sein Leben gekennzeichnet war von einer Zucht, die beson<strong>de</strong>rs dazu<br />
angetan war, seine Natur beiseite zu setzen, um Platz zu machen für die Gna<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n<br />
Dienst, die auf vollkommene Weise in unserem Herrn Jesus zum Ausdruck kamen.<br />
Mose wird zur Zeit <strong>de</strong>s Pharao geboren (2. Mo 2) <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Befehl gegeben hatte, alle<br />
neugeborenen Knaben zu töten. Er kam in eine Welt, auf <strong>de</strong>r kein Platz für ihn war. Auch<br />
für <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r Herrlichkeit gab es nicht einmal Raum in einer Herberge. Der König<br />
Ägyptens hatte verfügt, daß auch Mose im Augenblick seiner Geburt getötet wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Nur durch Glauben retteten seine Eltern ihn, „<strong>de</strong>nn sie sahen, daß das Kindlein schön war;<br />
und sie fürchteten das Gebot <strong>de</strong>s Königs nicht“. In <strong>de</strong>r tiefen Überzeugung <strong>de</strong>s Glaubens<br />
wußten sie, daß sie Gott in Bezug auf dieses Kind vertrauen konnten. So erhält es <strong>de</strong>r Glaube<br />
an Gott am Leben. Welche Kraft muß er in späteren Jahren aus dieser gottesfürchtigen<br />
Tat seiner Eltern empfangen haben, und wieviel Dank war er ihnen für diese erste Lehre<br />
in <strong>de</strong>r Zucht und Ermahnung <strong>de</strong>s Herrn schuldig! Der Anfang unseres Weges bestimmt<br />
schon die Richtung seines weiteren Verlaufs; die ersten Lehren, die wir in <strong>de</strong>r Schule Gottes<br />
erhalten, geben unserem Charakter eine Form und Gestalt, die niem<strong>als</strong> ganz verblaßt. Moses<br />
Er<strong>de</strong>ndasein wur<strong>de</strong> nur durch <strong>de</strong>n Glauben seiner Eltern gesichert. Drei Monate wur<strong>de</strong> er<br />
verborgen. Sicher wur<strong>de</strong> ihr Glaube in jenen neunzig Tagen auf die Probe gestellt, aber sie<br />
harrten aus, und schließlich vertrauen sie das Kind in <strong>de</strong>m Kästlein von Schilfrohr <strong>de</strong>m<br />
Wasser an.<br />
Ein Platz auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> ihm verweigert, und je älter er wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>sto schwieriger wur<strong>de</strong><br />
es, ihn vor <strong>de</strong>m grausamen Befehl zu schützen. Wenn wir im Glauben han<strong>de</strong>ln und lange<br />
genug ausgeharrt haben, daß unsere Seele in Glaubensgewißheit befestigt ist, dann gibt uns<br />
<strong>de</strong>r Geist, <strong>de</strong>r in uns <strong>de</strong>n Glauben bewirkt, auch Weisheit zum Han<strong>de</strong>ln. Das verspüren auch<br />
die Eltern Moses. Der Glaube läßt unsere Zuneigungen nicht unbeachtet, aber er möchte<br />
<strong>de</strong>n stützen, <strong>de</strong>r, wenn er auf sich selbst gestellt wäre, in Angst und Besorgnis leben wür<strong>de</strong>.<br />
Der Glaube stärkt das Herz im ruhigen Ausharren in Überzeugung und mit <strong>de</strong>m Blick auf<br />
das Ziel, das er uns vor Augen hält.<br />
Mose, das Kindlein, wird aus seiner gefährlichen Lage in <strong>de</strong>m Kästlein aus Schilfrohr befreit,<br />
und zwar von keiner Geringeren <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Tochter <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ärgste Feind seines Lebens<br />
war. Dennoch mußte er vor seiner Rettung die Kälte dieser Welt verspüren, <strong>de</strong>nn wir lesen,<br />
daß „<strong>de</strong>r Knabe weinte“. So mußte er schon in seiner zartesten Kindheit <strong>de</strong>n Kummer<br />
und die Verlassenheit schmecken, die ihn auf seinem ganzen Lebensweg begleiteten. Der<br />
Verstand <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s konnte sich nicht daran erinnern, aber seine Seele beginnt mit vollem<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 60
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
Bewußtsein hier <strong>de</strong>n Weg, auf <strong>de</strong>m sie später so sehr geprüft wur<strong>de</strong>. Seine Tränen waren<br />
die Erstlingsfrüchte <strong>de</strong>s Kummers, <strong>de</strong>r ihm im späteren Leben so vertraut wur<strong>de</strong>. Aber<br />
Gott antwortet hierauf in lieben<strong>de</strong>r Fürsorge. Moses wird nicht nur durch die Tochter<br />
seines Fein<strong>de</strong>s gerettet, son<strong>de</strong>rn wird sogar <strong>de</strong>r Obhut seiner eigenen Mutter anvertraut<br />
und später in Ehren in das Haus Pharaos versetzt. Die Verlassenheit von <strong>de</strong>r Welt und<br />
das nie nachlassen<strong>de</strong> Erbarmen Gottes sind die ersten Lehren <strong>de</strong>r Zucht, die seiner noch<br />
unberührten Seele vorgestellt wer<strong>de</strong>n. Nie wer<strong>de</strong>n diese Lehren ausgelöscht wer<strong>de</strong>n können,<br />
<strong>de</strong>nn Gott belehrt uns früh, gründlich und dauerhaft.<br />
Die Zeit, die zwischen dieser Begebenheit und <strong>de</strong>r nächsten uns berichteten liegt, <strong>als</strong> Mose<br />
vierzig Jahre alt ist, kann kurz gekennzeichnet wer<strong>de</strong>n <strong>als</strong> die Zeit, in <strong>de</strong>r er in aller Weisheit<br />
<strong>de</strong>r Ägypter erzogen wur<strong>de</strong> und mächtig in Worten und Taten war. Er wuchs inmitten<br />
aller Annehmlichkeiten Ägyptens auf, damit er, wenn er sie verließ, in je<strong>de</strong>r Hinsicht mit<br />
<strong>de</strong>m Volke Gottes mitfühlen konnte, wenn es zum Auszuge aus Ägypten und damit zur<br />
Aufgabe aller seiner Güter aufgerufen wür<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>re mochten vieles aufzugeben haben,<br />
aber keiner so viel wie er. Wenn es das Volk <strong>als</strong> hart empfand, <strong>de</strong>n Lauch und die Zwiebeln<br />
zurückzulassen, was mußte es dann für Mose sein, sich von allen Bequemlichkeiten und<br />
Ehren <strong>de</strong>s Hofes Pharaos abzuwen<strong>de</strong>n! Er wur<strong>de</strong> <strong>als</strong>o durch Gottes Zucht und Erziehung<br />
auf jenes Amt eines Führers vorbereitet, dass er nach und nach übernehmen sollte. Die<br />
Größe seines Verzichts befähigte ihn, an<strong>de</strong>re zur Nachahmung aufzurufen; sein eigener<br />
Verzicht auf alle Annehmlichkeiten Ägyptens berechtigten ihn, das Volk aus Ägypten zu<br />
führen. Denn wenn er „lieber wählte, mit <strong>de</strong>m Volke Gottes Ungemach zu lei<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> die<br />
zeitliche Ergötzung <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> zu haben“, so geschah das, nach<strong>de</strong>m er sie in ihrer größten<br />
Prachtentfaltung erlebt hatte. Und mehr noch: er wur<strong>de</strong> durch diese Erziehung mit allem<br />
bekannt, was es an Ergötzlichem für das Fleisch gibt; er machte Erfahrungen in Bezug<br />
auf das Fleisch, die keiner <strong>de</strong>r Charaktere, die wir bisher betrachtet haben, gekannt haben<br />
konnte. We<strong>de</strong>r Abraham, noch Isaak o<strong>de</strong>r Jakob, ja nicht einmal Joseph hatten eine solche<br />
Erziehung; aber sie hatten sie auch nicht nötig, <strong>de</strong>nn keiner von ihnen hatte einen Auftrag<br />
wie Mose zu erfüllen. Gottes Übungen und Zucht sind immer <strong>de</strong>n jeweiligen bestimmten<br />
Absichten angepaßt. Salomo erkannte die Eitelkeit alles Irdischen; <strong>de</strong>r Herr Jesus fühlte sie<br />
in Seiner sittlichen Vollkommenheit; Mose ist bis in sein reifes Alter von ihr umgehen und<br />
wen<strong>de</strong>t sich dann von ihr ab.<br />
Es ist bemerkenswert, daß kein Führer <strong>de</strong>s Volkes Gottes weniger erlei<strong>de</strong>t, <strong>als</strong> das Volk, das<br />
zu leiten er berufen ist. Menschliche Führer mögen auf verschie<strong>de</strong>nen Wegen zu Macht und<br />
hoher Stellung gelangen, aber die Führer <strong>de</strong>s Volkes Gottes können nur auf <strong>de</strong>m Wege durch<br />
Lei<strong>de</strong>n emporkommen. Die Kraft, alle auf das Volk zukommen<strong>de</strong>n Verpflichtungen und<br />
Hin<strong>de</strong>rnisse zu ertragen und ihnen entgegenzutreten, wird zuerst an seinem Führer erprobt.<br />
Dann kann er es in sicherem Vertrauen auf Gott, durch Dessen Macht er überwun<strong>de</strong>n hat,<br />
weiterführen.<br />
Mose geht aus zu seinen Brü<strong>de</strong>rn. Eine gute Absicht führt ihn auf <strong>de</strong>n richtigen Weg, aber<br />
wir sind nicht immer auf die Ausführung unserer Absichten vorbereitet, selbst wenn diese<br />
Absichten richtig sind. Die Bedingung zum Fruchtbringen ist Kraft und Reife. Daher kommt<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 61
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
es oft zu Rückschlägen und zu Zucht, bis wir <strong>de</strong>r Aufgabe Gott gemäß sittlich gewachsen<br />
sind.<br />
Als Petrus das erste Mal sagt, daß er <strong>de</strong>m Herrn folgen will (Joh 13), antwortet <strong>de</strong>r Herr<br />
ihm daß er es jetzt nicht könne, son<strong>de</strong>rn daß er Ihn sogar verleugnen wür<strong>de</strong>. Aber <strong>als</strong><br />
Petrus vollkommen wie<strong>de</strong>rhergestellt und seine Seele in <strong>de</strong>r Liebe Christi gekräftigt ist<br />
läßt <strong>de</strong>r Herr ihn wissen (Joh 21,18+19), daß er Ihm folgen soll, und daß er das Begehren,<br />
das er einst so furchtlos und unwissend ausgesprochen hatte, noch mit Entschie<strong>de</strong>nheit in<br />
die Tat umsetzen sollte. Ebenso ist es hier mit Mose. Seine Gedanken und seine Absicht<br />
waren richtig, aber Gott hatte ihm noch nicht <strong>de</strong>n richtigen Weg zu ihrer Ausführung<br />
gezeigt. Er weiß noch nicht welche Übungen ihm auf <strong>de</strong>m Wege begegnen wer<strong>de</strong>n, und ist<br />
<strong>de</strong>shalb nicht vorbereitet, sie zu ertragen. Sein Versuch beweist nur, wie unzureichend seine<br />
Hilfsquellen sind für das Werk, das er begonnen hat. Er muß es schließlich aufgeben und<br />
das verlassen, worauf sein Herz gerichtet war. Das ist die unvermeidliche Folge, wenn wir<br />
eine an sich richtige Absicht mit unseren eigenen Mitteln auszuführen versuchen.<br />
Moses Versuch schlägt fehl, wie zu erwarten war. Aber nicht nur das; sein Leben ist bedroht,<br />
und er muß um seiner eigenen Sicherheit willen fliehen. Wir lesen: „Mose floh vor <strong>de</strong>m<br />
Pharao und weilte im Lan<strong>de</strong> Midian. Und er saß an einem Brunnen“. Welche Häufung<br />
qualvoller Gefühle muß dieser eifrige Diener Gottes erdul<strong>de</strong>t haben! Welch ein Schmerz für<br />
das treue Herz, wenn seine aufrichtigen Bemühungen, <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn zu helfen, auf solche<br />
Weise vereitelt wer<strong>de</strong>n! Müssen nicht alle seine Opfer, sein Verzicht auf die Herrlichkeiten<br />
Ägyptens, ihm <strong>als</strong> nutzlos für die an<strong>de</strong>ren und ihn selbst erschienen sein, wenn er dort saß? –<br />
ein Wan<strong>de</strong>rer und Verbannter, gleich einem verdorrten, fruchtleeren Baum in <strong>de</strong>r Wüste.<br />
Aber mochte Mose so <strong>de</strong>nken, Gott dachte an<strong>de</strong>rs. Seine Sendung war nicht aufgehoben, nur<br />
aufgeschoben. Er war noch nicht geeignet für <strong>de</strong>n Dienst Gottes. Seine Natur war noch nicht<br />
beiseitegesetzt. An<strong>de</strong>rerseits war Gottes Zeit für die Befreiung Seines Volkes noch nicht da,<br />
auch war das Volk selbst noch nicht auf die Befreiung vorbereitet. Aber wir beschäftigen<br />
uns mit Mose, und er benötigt <strong>als</strong> Knecht Gottes für das Werk eine Vorbereitungszeit von 40<br />
Jahren, ehe er seinen Dienst antreten kann. Schon <strong>als</strong> er an <strong>de</strong>m Brunnen im Lan<strong>de</strong> Midian<br />
sitzt, steht er unter <strong>de</strong>r Zucht, die ihn für die große Aufgabe nach Gottes Ratschluß formen<br />
soll.<br />
Vierzig Jahre Verbannung sind ihm bestimmt. Aber es hängt davon ab, wie er die Zucht<br />
aufnimmt, ob jene 40 Jahre eine einzige ununterbrochene Zeit <strong>de</strong>s Kummers und <strong>de</strong>r<br />
Dunkelheit sein wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r ob sie durch Augenblicke <strong>de</strong>s Trostes und <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> gemil<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n. Wird er sich beugen und <strong>de</strong>n Willen Jehovas annehmen? Wird er sich hier in seinem<br />
Herzen <strong>als</strong> Erlöser <strong>de</strong>r Bedrängten – wie später seines eigenen Volkes zeigen? Wenn ja, dann<br />
nimmt er Gottes Zucht auf sich und <strong>de</strong>shalb mag sein Los weniger bedrückend sein. Sobald<br />
wir uns <strong>de</strong>r Zucht beugen, ist sie wirksam und kann erleichtert wer<strong>de</strong>n. Sie braucht <strong>de</strong>shalb<br />
nicht been<strong>de</strong>t zu sein, aber <strong>de</strong>r Schauplatz wird leichter. So geschah es in Moses Fall. Er wird<br />
für die Töchter Reghuels am Brunnen zum Befreier, <strong>als</strong> sie von <strong>de</strong>n Hirten hinweggetrieben<br />
wur<strong>de</strong>n. Obgleich es ihm versagt war, in größerem Kreise <strong>als</strong> Befreier aufzutreten, weigerte<br />
er sich nicht, <strong>als</strong> solcher in einem sehr unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Kreis zu han<strong>de</strong>ln. Er sinnt nicht in<br />
lustlosem Kummer über sein Versagen nach, wie <strong>de</strong>r Tor, <strong>de</strong>r sein eigenes Fleisch ißt; er<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 62
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
han<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n gemäß, erhebt sich über seine eigenen Gefühle und hilft an<strong>de</strong>ren.<br />
Ich stehe solange unter Prüfungen, bis ich sie überwun<strong>de</strong>n habe; und während ich unter<br />
ihnen stehe, kann ich nicht frei sein, um mit ganzem Herzen und jener Freudigkeit <strong>de</strong>s<br />
Geistes zu dienen, die immer die Quelle allen Dienstes ist. Nichts beweist so sehr unsere<br />
göttliche Sendung, wie die Bereitschaft, unseren Dienst in <strong>de</strong>r ungünstigsten wie in <strong>de</strong>r<br />
günstigsten Lage auszuüben. Und wenn wir uns ganz in die Stellung versetzen, die <strong>de</strong>r<br />
Herr uns bestimmt hat, dann erhellt Er <strong>de</strong>n verlassensten Ort (<strong>de</strong>n Ort unserer Zucht) und<br />
verschafft uns dort Ruhe und Trost, wo wir in Kummer und Verlassenheit ankamen.<br />
Zunächst empfängt Mose für seinen Dienst an <strong>de</strong>n midianitischen Frauen keine Belohnung;<br />
auch <strong>de</strong>r Oberste <strong>de</strong>r Schenken vergaß Joseph, <strong>als</strong> er befreit war. Aber das bleibt nicht<br />
immer so. Reghuel, ihr Vater, läßt Mose holen, aus Dank für <strong>de</strong>n Dienst an seinen Töchtern<br />
gibt er ihm Raum in seinem Hause und gibt ihm Zippora, seine Tochter zur Frau. „Und sie<br />
gebar einen Sohn, und er gab ihm <strong>de</strong>n Namen Gersom, <strong>de</strong>nn er sprach: Ein Fremdling bin<br />
ich gewor<strong>de</strong>n in frem<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>“. Obwohl er nun einen Sohn hatte, fühlte er sich noch <strong>als</strong><br />
Frem<strong>de</strong>r in frem<strong>de</strong>m Land. Daher mußte sein Sohn, <strong>de</strong>r ihn mit <strong>de</strong>m Schauplatz verband,<br />
einen Namen tragen, <strong>de</strong>r ihn an seine Verbannung erinnerte. Keine gegenwärtige Segnung<br />
konnte diese Erinnerung trüben. Niem<strong>als</strong> wur<strong>de</strong> die aufrichtige und ernste Absicht, sein<br />
Volk zu befreien, dadurch verwischt, und sie konnte es auch nicht, <strong>de</strong>nn wie wir schon<br />
gesagt haben, war diese Absicht richtig, ja göttlich; nur wur<strong>de</strong> Mose an ihrer Ausführung<br />
gehin<strong>de</strong>rt, bis er besser vorbereitet war. Paulus konnte das, was er empfangen hatte und<br />
worin er frohlockte, erst nach 14 Jahren in angemessener Weise ausdrücken, und erst im<br />
Gefängnis in Rom ist er ganz dazu fähiggemacht.<br />
Vierzig Jahre lang erfüllt Moses täglich seine Pflicht in Unterwerfung unter <strong>de</strong>n Willen<br />
Gottes. Die Eigenschaften, die er <strong>als</strong> Knecht an <strong>de</strong>n Tag legte, in<strong>de</strong>m er die Pflichten<br />
<strong>de</strong>s täglichen Lebens vorbildlich erfüllte, waren ein sicheres Zeichen dafür, daß er auch<br />
diejenigen eines Führers besaß, <strong>de</strong>nn einer, <strong>de</strong>r nicht gelernt hat, zu dienen, kann nicht<br />
richtig herrschen. Seine Arbeit, für die Her<strong>de</strong> seines Schwiegervaters Jethro Wei<strong>de</strong>plätze zu<br />
fin<strong>de</strong>n, war sicherlich eine schwierige Arbeit. So trieb er die Her<strong>de</strong> eines Tages „hinter die<br />
Wüste und kam an <strong>de</strong>n Berg Gottes, <strong>de</strong>n Horeb“ (Kap. 3). Er dachte sicher nicht daran, daß<br />
die Tage seiner Fremdlingschaft nun bald been<strong>de</strong>t sein wür<strong>de</strong>n. Der Augenblick, da Gott ihn<br />
gebrauchen konnte, war gekommen, und Gott will ihn jetzt zur Ausführung jenes Wunsches<br />
gebrauchen, <strong>de</strong>r ihn vor vielen Jahren dazu veranlaßt hatte, die Befreiung seiner Brü<strong>de</strong>r vom<br />
Joch Ägyptens zu unternehmen. Wir wollen die Schlußszene jener langen Vorbereitungszeit<br />
betrachten, die Jehova in Seiner Weisheit für Mose bestimmt hatte, und die Er jetzt durch<br />
die Offenbarung Seiner Selbst krönen wollte. „Da erschien ihm <strong>de</strong>r Engel Jehovas in einer<br />
Feuerflamme mitten aus einem Dornbusche; und er sah: und siehe, <strong>de</strong>r Dornbusch brannte<br />
im Feuer, und <strong>de</strong>r Dornbusch wur<strong>de</strong> nicht verzehrt“. Moses Aufmerksamkeit ist erregt. Die<br />
Beschäftigung mit seinen täglichen Pflichten machte ihn nicht unfähig, die Offenbarung<br />
Gottes zu erkennen. Das sollte auch nicht so sein, son<strong>de</strong>rn wenn wir sie treu erfüllen,<br />
bewirken sie Fleiß auch in <strong>de</strong>n höheren Pflichten. Die Hirten, die nachts ihre Her<strong>de</strong> hüteten,<br />
waren die Zeugen, die Gott erwählte, um die größte auf Er<strong>de</strong>n geschehene Begebenheit zu<br />
berichten. Es ist einer <strong>de</strong>r besten Beweise <strong>de</strong>r Unterwerfung unter Gott, wenn wir unsere<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 63
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
tägliche Arbeit geduldig und vollkommen erledigen und doch immer geöffnete Augen<br />
haben, um die Wege Gottes zu beachten. Ich glaube, das ist die Kraft <strong>de</strong>r Ermahnung –<br />
verbun<strong>de</strong>n mit Gebet – : „eben hierzu wachend mit allem Ausharren“ usw. Dies ist das Ziel<br />
einer einfältigen Seele, die einfach die Herrlichkeit <strong>de</strong>s Herrn vor Augen hat.<br />
„Und Mose sprach: Ich will doch hinzutreten und dieses große Gesicht sehen . . . Und <strong>als</strong><br />
Jehova sah, daß er herzutrat“ (<strong>als</strong> es <strong>de</strong>utlich war, daß Mose die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Wege Gottes<br />
kennenlernen wollte), „da rief Gott ihm mitten aus <strong>de</strong>m Dornbusche zu und sprach: Mose!<br />
Mose! Und er sprach: Hier bin ich“. Jehova offenbart sich hier in Gna<strong>de</strong>, in einer zwar<br />
brennen<strong>de</strong>n, aber nicht verzehren<strong>de</strong>n Feuerflamme. Die Herrlichkeit Gottes kommt zu <strong>de</strong>n<br />
Menschen, und <strong>de</strong>r Mensch sieht nichts <strong>als</strong> Gna<strong>de</strong> und Freundlichkeit aus ihr hervorströmen.<br />
Und doch war es heiliges Land, das nur unbeschuhte Anbeter betreten durften. Es war noch<br />
dazu so, daß Gott zu <strong>de</strong>n Menschen kam, nicht umgekehrt.<br />
Jehova zeigt Sich in einer Feuerflamme in einem Dornbusch und offenbart Seine Gefühle<br />
und Sein Interesse an Israel. Wie erquickend müssen solche Mitteilungen für Mose gewesen<br />
sein! Nach <strong>de</strong>r langen, traurigen Pause, in <strong>de</strong>r es schien, daß Gott Sein Volk vergessen hatte,<br />
erfährt Mose nun die unendliche Liebe und Teilnahme, mit <strong>de</strong>r Er es in Seiner Absicht, es<br />
zu befreien, betrachtet hatte. Jetzt ist Mose sich seiner Unfähigkeit für solch einen Dienst<br />
bewußt. Er sieht, daß es nicht seine eigenen Gefühle sind, auf Grund <strong>de</strong>ren er han<strong>de</strong>ln<br />
o<strong>de</strong>r die er zufrie<strong>de</strong>nstellen muß, son<strong>de</strong>rn die Gefühle Jehovas, <strong>de</strong>s Einen, Der, obwohl<br />
Er vor ihm in einer Feuerflamme ist, ihn nicht verzehrt. Die Größe Seiner ewigen Liebe<br />
und Gna<strong>de</strong> hob sich scharf von <strong>de</strong>m impulsiven, in die Irre führen<strong>de</strong>n Ungestüm ab, das<br />
Mose 40 Jahre vorher gezeigt hatte. Mose ist sich seiner Unzulänglichkeit vollkommen<br />
bewußt, <strong>de</strong>nn er sagt: „Wer bin ich, daß ich zu <strong>de</strong>m Pharao gehen, und daß ich die Kin<strong>de</strong>r<br />
Israel aus Ägypten herausführen sollte?“ Gott wird ihn stärken, belehren und zubereiten; in<br />
Kapitel 4 erfahren wir, auf welche Weise. Er teilt Seinem Knecht zunächst Seine Absicht<br />
und Sein Ziel mit. Das muß ihn beruhigen, nicht nur im Beweis <strong>de</strong>s Vertrauens, <strong>de</strong>n es<br />
zeigt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Knecht Gottes, <strong>de</strong>r Seinen Willen kennt, ist eher bereit, <strong>de</strong>n Dienst zu<br />
übernehmen, wenn <strong>de</strong>r ganze Ablauf und das En<strong>de</strong> ihm in Einzelheiten bekannt ist. Aber<br />
mehr noch (<strong>de</strong>nn Gottes Unterweisungen sind vollkommen): Mose muß an sich selbst<br />
die Macht Gottes fühlen. Ehe er die Verbindung zwischen Gott und <strong>de</strong>m Volke wer<strong>de</strong>n<br />
kann, muß die Verbindung zwischen ihm und Gott vollkommen sein. Gott gibt ihm diese<br />
Unterweisung auf dreifache Weise. Zuerst erfährt er seine eigene Macht, die größer ist <strong>als</strong><br />
die, <strong>de</strong>r seine Natur unterliegen .wür<strong>de</strong>. Sein Stab wird in eine Schlange (ein Bild Satans)<br />
verwan<strong>de</strong>lt, und Mose flieht vor ihr, aber Jehova befiehlt ihm, sie zu ergreifen, und sie<br />
verwan<strong>de</strong>lt sich wie<strong>de</strong>r in seinen Stab <strong>de</strong>r Macht. Zum zweiten lernt er, daß Gott seine<br />
aussätzige Hand wie<strong>de</strong>r gesundmachen kann, und drittens, daß das Wasser <strong>de</strong>s Stromes<br />
(<strong>de</strong>r großen Segensquelle) zu Blut wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wenn er es auf das Land gießen wür<strong>de</strong>,<br />
wodurch Gott ihm zeigt, daß Er das Land richten wür<strong>de</strong>. In diesen drei Punkten wird er<br />
unterwiesen, damit er für die ihm anvertraute Sendung geeignet wird, und damit er sich ihr<br />
gewachsen fühlt.<br />
Mose hat aber noch immer Einwän<strong>de</strong> zu machen. Obwohl seine Seele gestärkt ist, fällt es<br />
ihm schwer zu re<strong>de</strong>n. Aber Gott ist bei <strong>de</strong>r Zubereitung Seines Knechtes zu <strong>de</strong>m Werke in<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 64
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
kleinen wie in großen Dingen langmütig und gnädig. Wenn Mose sich weiter zu schwach<br />
fühlt, wirkt Gott diesem entgegen. Aaron soll sein Mund sein, und <strong>als</strong> alles geregelt ist<br />
nahm Mose sein Weib und seine Söhne und ließ sie auf Eseln reiten und kehrte in das Land<br />
Ägypten zurück; und Mose nahm <strong>de</strong>n Stab Gottes in seine Hand“ (Kap. 4, 20). Wie an<strong>de</strong>rs<br />
hatte er dieses Land verlassen; wie bezeichnend ist <strong>de</strong>r Unterschied ‚ <strong>de</strong>n diese 40 Jahre <strong>de</strong>r<br />
Zucht in und an ihm bewirkt hatten, Dam<strong>als</strong> war es schmachvolle Flucht; er bangte um sein<br />
Leben infolge seines früheren Selbstvertrauens und <strong>de</strong>r ohne Abhängigkeit von Gott für<br />
seine Brü<strong>de</strong>r vollbrachten Tat. Nun, bei seiner Rückkehr ist er klein und schwach in seinen<br />
eigenen Augen, aber mit <strong>de</strong>r Macht Gottes angetan. Er besitzt die ruhige Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>ssen,<br />
<strong>de</strong>r fühlt, daß seine einzige Kraft in <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Jehova liegt, in Dessen Dienst er<br />
einzutreten im Begriff steht.<br />
Aber bevor dies geschehen kann, muß noch eine Frage zwischen Jehova und Mose geklärt<br />
wer<strong>de</strong>n (Kap. 4, 24). Wir sehen hier ein bemerkenswertes Beispiel <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />
Heiligkeit Gottes in <strong>de</strong>r Zucht. Entwe<strong>de</strong>r um <strong>de</strong>n Midianitern entgegen zukommen o<strong>de</strong>r<br />
weil er zweifelte, jem<strong>als</strong> sein eigenes Volk wie<strong>de</strong>rzusehen, hatte Mose unterlassen, seinen<br />
Sohn zu beschnei<strong>de</strong>n, und steht nun im Begriff, <strong>de</strong>n Dienst für Gott anzutreten, ohne<br />
seine schwere Unterlassungssün<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Wege zu räumen, <strong>als</strong> sei das eine gleichgültige<br />
Angelegenheit. Aber er muß erfahren, daß bei einem zum Dienst Berufenen nichts übersehen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Seine Verantwortlichkeit steht in Übereinstimmung mit seiner Berufung.<br />
Jehova sucht ihn zu töten, so unbeugsam ist Er in Seiner Heiligkeit und so streng in Seinen<br />
Gehorsamsfor<strong>de</strong>rungen, und ganz beson<strong>de</strong>rs bei einem, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Platz eines Dieners inne<br />
hat. Seine Frau beseitigt diesen Wi<strong>de</strong>rspruch, aber sie tut es ta<strong>de</strong>lnd und kehrt in ihr Land<br />
zurück, während Mose seinen Weg mit Aaron fortsetzt.<br />
Welch eine Schlußbelehrung so kurz vor <strong>de</strong>m ersehnten Dienst! Welch einen Eindruck muß<br />
sie auf seine Seele gemacht haben, während <strong>de</strong>r ersehnte Morgen in seiner Seele anbrach!<br />
Kein noch so hervorragen<strong>de</strong>r Dienst, keine noch so große Erkenntnis <strong>de</strong>r Tiefen Gottes<br />
kann ein Übertreten <strong>de</strong>r Gebote Gottes entschuldigen. Im Gegenteil mußte er fühlen, daß<br />
ihm viel gegeben war, aber auch viel von ihm erwartet wur<strong>de</strong>. Unbedingter Gehorsam muß<br />
Leben und Wege <strong>de</strong>r hervorragendsten und am besten belehrten Knechte kennzeichnen.<br />
Nach dieser letzten Lehre in diesem Lebensabschnitt betritt Mose nun sein Arbeitsfeld. Aus<br />
<strong>de</strong>r Einsamkeit Midians kommend soll er nun <strong>als</strong> Gottes Zeuge vor Pharao stehen. Nach<strong>de</strong>m<br />
er sozusagen in einer „Privatschule“ vorbereitet wor<strong>de</strong>n ist, soll er nun auf einem großen,<br />
segensreichen Gebiet die Ergebnisse jener Belehrung zeigen.<br />
Wir müssen nun die verschie<strong>de</strong>nen Übungen Moses bei <strong>de</strong>r Erfüllung seines Dienstes<br />
betrachten. Jene, die ihn für <strong>de</strong>n Dienst bereiteten, haben wir kurz gestreift; aber <strong>de</strong>r Knecht<br />
Gottes benötigt eine beständige Zucht, damit er immer in Abhängigkeit von Gott bleibt.<br />
Für Mose beginnt diese neue Art <strong>de</strong>r Zucht sehr früh, wir können sogar sagen, sofort beim<br />
Betreten <strong>de</strong>s Weges <strong>de</strong>s Dienstes.<br />
In Begleitung Aarons tritt er vor Pharao und verkün<strong>de</strong>t ihm Gottes Auffor<strong>de</strong>rung, Sein Volk<br />
ziehen zu lassen, aber Pharao weigert sich nicht nur, zu willfahren, son<strong>de</strong>rn läßt <strong>als</strong> Antwort<br />
die Lasten <strong>de</strong>s Volkes vergrößern. Das war ein entmutigen<strong>de</strong>r Anfang für einen Knecht, <strong>de</strong>r<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
seinen Dienst gera<strong>de</strong> begonnen hatte, eine gerechte Auffor<strong>de</strong>rung ausgesprochen hatte und<br />
wußte, daß die Botschaft von Gott kam.<br />
Sein Auftreten schien nur eine offenbare Mißachtung <strong>de</strong>r Rechte Gottes und eine<br />
Vergrößerung <strong>de</strong>s Kummers <strong>de</strong>s Volkes hervorzurufen. Damit nicht genug, zögern die<br />
Vorsteher <strong>de</strong>s Volkes nicht, Mose <strong>als</strong> <strong>de</strong>m Urheber ihrer Lei<strong>de</strong>n Vorwürfe zu machen. Sie<br />
trafen ihn um so härter, weil sie gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m Volk kamen, <strong>de</strong>m er zu dienen begehrte.<br />
Was konnte er in dieser Lage tun? Er wen<strong>de</strong>t sich zu Jehova und legt Ihm in Bitterkeit <strong>de</strong>s<br />
Herzens seine Schwierigkeiten und seine Entmutigung dar, und <strong>als</strong> Antwort gibt Gott ihm<br />
eine neue Unterweisung. Jetzt war <strong>de</strong>r Augenblick gekommen für jene beson<strong>de</strong>re Zucht im<br />
Leben eines Knechtes, die, wenn sie erfolgreich ist, ihn befähigt, seinen Dienst fortzusetzen,<br />
ohne auf die Ergebnisse zu schauen. Es ist allgemein, <strong>de</strong>n Erfolg eines Dienstes an <strong>de</strong>n<br />
Ergebnissen zu messen, und umgekehrt; aber <strong>de</strong>r wahre Knecht muß sein Auge nur auf das<br />
Wort seines Herrn gerichtet halten und das Ergebnis Ihm überlassen, wie <strong>de</strong>r Herr Jesus,<br />
<strong>de</strong>r, <strong>als</strong> Er merkte, daß Seine Worte und Werke vergeblich waren, so daß Er die Städte, wo<br />
die meisten Seiner mächtigen Taten geschehen waren, schalt, sich zum Vater wandte und<br />
sprach: „Ich preise dich, Vater, . . . daß du dies vor Weisen und Verständigen verborgen hast,<br />
und hast es Unmündigen geoffenbart“.<br />
Wenn Mose nicht <strong>de</strong>n gleichen Geist erhält, wird sein Dienst nicht durch Glauben, son<strong>de</strong>rn<br />
durch erfolgreiche Resultate gestützt wer<strong>de</strong>n. Ein Mann ohne Glauben ist unbeständig auf<br />
allen seinen Wegen.<br />
Jehovas Belehrungen in dieser Hinsicht wer<strong>de</strong>n uns in 2. Mo 6 beschrieben. Als Einleitung<br />
für alle weiteren Belehrungen erhält Mose eine tiefere Erkenntnis Gottes. Je besser wir Gott<br />
kennen, <strong>de</strong>sto leichter ist es, Ihm zu vertrauen. Je tiefgehen<strong>de</strong>r unsere Bekanntschaft mit<br />
Gott ist, <strong>de</strong>sto größer ist unser ruhiges und beständiges Vertrauen auf Ihn.<br />
Gott offenbart Sich Mose hier <strong>als</strong> Jehova, <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, wie Er es we<strong>de</strong>r bei Abraham,<br />
noch bei Isaak o<strong>de</strong>r Jakob getan hatte, <strong>de</strong>nn keiner von ihnen war zu einem solchen Dienst,<br />
o<strong>de</strong>r zum Streit mit feindlichen Mächten berufen. Mit ihnen hatte Gott <strong>de</strong>n Bund errichtet,<br />
Israel das Land Kanaan zu geben. Dieses Bündnis führt Er nun aus, verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />
neuen Offenbarung seiner Person, um die Seele Moses zu stärken und ihn zu befähigen,<br />
gelegentliche Rückschläge zu ertragen in <strong>de</strong>r Überzeugung, daß das Ergebnis befriedigend<br />
sein wür<strong>de</strong>, weil es durch Gottes Wort und Bündnis verheißen war.<br />
In gewisser Weise beruhigt begibt Mose sich zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israel, aber sie hören nicht auf<br />
ihn vor Ungeduld und vor hartem Dienst. Seinem Dienst immer noch nicht ganz gewachsen,<br />
antwortet er, <strong>als</strong> Jehova ihn beauftragt, wie<strong>de</strong>r zum Pharao zu gehen: Siehe, die Kin<strong>de</strong>r<br />
Israel haben nicht auf mich gehört, und wie sollte <strong>de</strong>r Pharao mich hören, zumal ich<br />
unbeschnitten an Lippen bin“ (Kap. 6,12)? An seinen Bemühungen vor 40 Jahren Israel in<br />
<strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Fleisches zu befreien, hatte er so gelitten, daß er jetzt schnell geneigt ist, zu<br />
verzagen, und je weiter er in seinem Dienst fortschreitet, <strong>de</strong>sto mehr ent<strong>de</strong>ckt er die damit<br />
verbun<strong>de</strong>nen Schwierigkeiten und seine eigene mangeln<strong>de</strong> Eignung dafür. Aber Jehova will<br />
Seinen Knecht in seiner Arbeit vollkommen und glücklich machen, daher gibt Er Mose und<br />
Aaron nun „Befehl an die Kin<strong>de</strong>r Israel und an <strong>de</strong>n Pharao, <strong>de</strong>n König von Ägypten, um die<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
Kin<strong>de</strong>r Israel aus <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> Ägypten hinauszuführen“. Der Befehl leitet <strong>de</strong>n Dienst ein.<br />
Charakterfestigkeit und Zielstrebigkeit sind ohne ihn nichts. „Das anvertraute Gut“ (wie<br />
Paulus an Timotheus schrieb) gibt unserem Dienst die genaue Linie. Jemand, <strong>de</strong>r sie nicht<br />
kennt, kann nie hoffen, seinen Dienst zu erfüllen o<strong>de</strong>r ihn in angemessener Weise zu tun.<br />
Aber wenn er weiß, daß er vom Herrn einen Befehl o<strong>de</strong>r eine Richtlinie erhalten hat, hat er<br />
Vertrauen und Verantwortlichkeit. Dieser Befehl wird Mose nun (Kap. 6,13) gegeben, aber<br />
noch immer fühlt er seine Unzulänglichkeit; doch in <strong>de</strong>m Maße, wie er sie fühlt, gibt Gott<br />
ihm die Kraft, die ihr entgegenwirkt.<br />
Zuerst muß er auf Jehova vertrauen, <strong>de</strong>n Gott <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r geschworen hatte, dieses<br />
Volk in das Land Kanaan zu bringen.<br />
Sodann wird ihm ein bestimmter Befehl gegeben, und wenn er glaubt, daß er für Jehova<br />
han<strong>de</strong>lt, hat er das verheißene Ergebnis seiner Sendung, und das ihm zugewiesene Werk ist<br />
genau abgesteckt.<br />
Zuletzt (Kap. 7) wird er mit Macht versehen, um je<strong>de</strong>s Zögern, je<strong>de</strong>s Gefühl <strong>de</strong>r<br />
Unzulänglichkeit zum Schweigen zu bringen. Jehova sagt zu ihm: „Siehe, ich habe dich <strong>de</strong>m<br />
Pharao zum Gott gesetzt“, und er erhält <strong>de</strong>n Befehl, das Wun<strong>de</strong>r, das ihm beim brennen<strong>de</strong>n<br />
Busch Sicherheit gegeben hatte – die Verwandlung seines Stabes in eine Schlange – vor<br />
<strong>de</strong>m Pharao zu wie<strong>de</strong>rholen. Dort (beim brennen<strong>de</strong>n Busch) mußte er jedoch die Schlange<br />
greifen, damit sein persönlicher Glaube gestärkt wur<strong>de</strong>; nun ist <strong>de</strong>r Zweck mehr, <strong>de</strong>m<br />
Pharao zu zeigen, daß er mit <strong>de</strong>r Macht Gottes beklei<strong>de</strong>t ist, so daß <strong>de</strong>r zweite Teil <strong>de</strong>s<br />
Wun<strong>de</strong>rs nicht wie<strong>de</strong>rholt wird.<br />
Die gna<strong>de</strong>nreiche Belehrung Jehovas vervollständigt die für Moses Seele notwendige Zucht,<br />
damit er seinen Dienst beginnen kann, und zwar so sicher und hingebungsvoll, daß nichts<br />
ihn mehr davon abbringen o<strong>de</strong>r Zweifel bezüglich <strong>de</strong>s Ergebnisses in ihm wachrufen kann.<br />
Er wird ihn in gläubiger und unentwegter Arbeit, stark in <strong>de</strong>r Kraft Gottes vor Pharao,<br />
ohne Vorwürfe seitens seiner Brü<strong>de</strong>r, erfüllen, bis das große Ziel, das er schon bei seinem<br />
ersten, schwachen, weil fleischlichen Versuch vor Augen hatte, – nämlich die Befreiung<br />
<strong>de</strong>s Volkes von <strong>de</strong>r Knechtschaft Ägyptens – erreicht sein wird. Von <strong>de</strong>m Zeitpunkt an,<br />
da seine Seele wahrhaft für <strong>de</strong>n Dienst gestärkt und befestigt ist, bis zur Passahnacht, <strong>als</strong><br />
er mit <strong>de</strong>m Volke aus <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Knechtschaft zog, durchlebte Mose eine für ihn sehr<br />
ehrenvolle Zeit. Aber wir wollen nicht dabei verweilen, wie er ununterbrochen <strong>als</strong> Gottes<br />
Werkzeug han<strong>de</strong>lte, wozu er, – wie wir gesehen haben – durch die vorhergehen<strong>de</strong> Zucht<br />
befähigt wor<strong>de</strong>n war; <strong>de</strong>nn er ist keinerlei neuen Übungen persönlicher Art ausgesetzt.<br />
Jetzt sehen wir das Volk das mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt wor<strong>de</strong>n ist,<br />
gelagert zwischen Migdol und <strong>de</strong>m Meere. Aber dort erwartete sie eine schwere Prüfung.<br />
Es war ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Augenblick für Mose, nach <strong>de</strong>m erfolgreichen En<strong>de</strong> aller seiner<br />
Mühe und Besorgnis. Schon glaubte er, das Ziel erreicht zu haben, da stellten sich ihm<br />
scheinbar unüberwindliche Hin<strong>de</strong>rnisse in <strong>de</strong>n Weg: auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>r Pharao mit<br />
seinem Heer, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren das Meer mit seinen tosen<strong>de</strong>n Fluten. Wie<strong>de</strong>r einmal schreit<br />
die kleingläubige Menge, ob er sie weggeholt habe, daß sie in <strong>de</strong>r Wüste sterben sollten,<br />
weil in Ägypten keine Gräber waren. Aber wie ruhig und glaubensstark ist Mose in diesem<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
Augenblick <strong>de</strong>r Entscheidung! Wie hat sich <strong>de</strong>r ängstliche Mann früherer Tage verän<strong>de</strong>rt!<br />
„Fürchtet euch nicht“! sagt er, „stehet und sehet die Rettung Jehovas“. Gera<strong>de</strong> das hatte<br />
er selbst während <strong>de</strong>r 40 Jahre <strong>de</strong>r Zucht gelernt. Die Natur mußte stehenbleiben und<br />
<strong>de</strong>r Glaube mußte auf die Rettung Gottes warten. Er beruhigt zunächst das Volk und ruft<br />
dann selbst zu Gott. Wir erkennen hierin eine <strong>de</strong>r wichtigsten Übungen, durch die ein<br />
treuer Führer <strong>de</strong>s Volkes Gottes gehen muß: in schwierigen Situationen unerschütterliches<br />
Vertrauen auf Gottes Hilfe zu bewahren und zugleich von Gott Kraft und Weisheit zu<br />
empfangen, wodurch diese Hilfe zum Segen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann. Mose tut bei<strong>de</strong>s: Er<br />
beruhigt das Volk und ehrt Jehova durch sein volles Vertrauen. Dann erhält er, <strong>de</strong>n Blick<br />
auf Ihn gerichtet, die Anweisungen bezüglich <strong>de</strong>r Rettung, die ihm in so vollständiger und<br />
gesegneter Weise gegeben wer<strong>de</strong>n. „Re<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israel, daß sie aufbrechen. Und<br />
du, erhebe <strong>de</strong>inen Stab und strecke <strong>de</strong>ine Hand aus über das Meer . . . (usw. bis Vers 18) . . . ,<br />
wenn ich mich verherrlicht habe an <strong>de</strong>m Pharao, an seinen Wagen, und an seinen Reitern“.<br />
Welch eine Kraft und Erhebung muß dieses Ereignis Mose verliehen haben! Wie hatte er<br />
aufs neue die Weisheit und Größe Gottes und Seiner Wege erfahren! Welch ein wun<strong>de</strong>rbares<br />
Ergebnis rief alles hervor! „Sie glaubten an Jehova und an Mose, seinen Knecht“.<br />
In Kapitel 15, 23–26 sehen wir ihn, wie er durch eine neue Prüfung geht, diesmal von<br />
an<strong>de</strong>rer Art. Kaum war <strong>de</strong>r Triumphgesang verstummt, da murrte das Volk wi<strong>de</strong>r Mose<br />
und sprach: „Was sollen wir trinken“? Der Knecht Gottes muß auf je<strong>de</strong> Art <strong>de</strong>r Prüfung<br />
und <strong>de</strong>r Enttäuschung gefaßt sein. Es ist ganz gleich, wieviel er schon gedient hat; er<br />
darf dafür keine Würdigung von <strong>de</strong>r Versammlung erwarten, son<strong>de</strong>rn er muß darauf<br />
verzichten und allein auf <strong>de</strong>n Herrn blicken können. Mose hat das sicher tief empfun<strong>de</strong>n,<br />
nach<strong>de</strong>m ihr Lobgesang kaum verstummt war; aber diese Mittel <strong>de</strong>r Zucht führen <strong>de</strong>n<br />
treuen Diener zur Gemeinschaft <strong>de</strong>s Geistes und <strong>de</strong>r Kraft mit Gottes bestem und größtem<br />
Diener, <strong>de</strong>m Herrn Jesus. Mose schreit zu Gott, und wie<strong>de</strong>r wird er unterwiesen in <strong>de</strong>r<br />
Fülle und Vollkommenheit <strong>de</strong>r Mittel Gottes für je<strong>de</strong>s menschliche Bedürfnis. Welch ein<br />
bevorrechteter Platz ist es, <strong>de</strong>r Mittler zu sein, durch <strong>de</strong>n alle diese Dinge strömen! Für<br />
kurze Zeit mögen die Übungen schwer lasten, es mag „Mara“ sein und Tränen wer<strong>de</strong>n<br />
gesät. Aber alles geschieht nur, um „mit Jubel“ zu ernten. Wenn <strong>de</strong>r Diener wegen <strong>de</strong>s<br />
Volkes Gottes keinen Augenblick <strong>de</strong>r Ruhe von seinem Dienst fin<strong>de</strong>n kann, dann wird er<br />
an<strong>de</strong>rerseits in wahrster und tiefster Weise mit <strong>de</strong>n Hilfsquellen Gottes vertraut gemacht<br />
und er wird selbst zum Kanal <strong>de</strong>s Segens für an<strong>de</strong>re gemacht. So war es mit Mose hier; ihm<br />
wird befohlen, das Holz in das Wasser zu werfen, und das Wasser wird süß.<br />
In Kapitel 16 wird uns eine an<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>r Arbeit vorgestellt, die dieser erprobte Diener<br />
erhält. Die Prüfungen <strong>de</strong>s Volkes wer<strong>de</strong>n für ihn eine Schule zum Erlernen und Ausüben <strong>de</strong>s<br />
Dienstes, <strong>de</strong>ssen sie bedurften, und dabei nimmt seine Seele in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> zu, <strong>de</strong>ren Diener<br />
er war. Für uns ist es anziehend und wichtig, zu sehen, daß Mose für je<strong>de</strong>s Bedürfnis, je<strong>de</strong><br />
Prüfung eine bestimmte, <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n angepaßte Weisung empfängt, so daß er geistlich<br />
zunimmt, während sein Dienst <strong>de</strong>m Volk die nötige Hilfe bietet.<br />
In diesem Kapitel bekam das Volk die Dürre <strong>de</strong>r Wüste so sehr zu spüren, daß sie gegen<br />
Mose murrten: „Wären wir doch im Lan<strong>de</strong> Ägypten durch die Hand Jehovas gestorben, <strong>als</strong><br />
wir bei <strong>de</strong>n Fleischtöpfen saßen, <strong>als</strong> wir Brot aßen bis zur Sättigung“. Mose war es, <strong>de</strong>r sie in<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
diese Lage geführt hatte; muß er nicht gefühlt haben, welch eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Stun<strong>de</strong> dies<br />
war? Menschliche Hilfe gab es nicht, und gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb verließ er sich um so mehr auf Gott,<br />
Der ihn auf diese Weise prüfte, um ihn zu veranlassen, auf Ihn allein zu blicken. Und wie<strong>de</strong>r<br />
gibt ihm Jehova eine <strong>de</strong>m Augenblick angepaßte Weisung: „Siehe, ich wer<strong>de</strong> euch Brot vom<br />
Himmel regnen lassen“. So wird zu Mose gesagt. Aber es wird uns auch berichtet, wie Mose<br />
es <strong>de</strong>m Volke sagt, und es ist in Verbindung mit unserem Gegenstand bemerkenswert, weil<br />
es seine Verbun<strong>de</strong>nheit mit Gott und das daraus folgen<strong>de</strong> Suchen und die Demut zeigt,<br />
die durch Offenbarungen <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes hervorgerufen wer<strong>de</strong>n. Er will, daß das Volk<br />
zu Jehova, Der ihr Murren gehört hatte, hinzunaht“, Er hatte an sich selbst die Wirkung<br />
dieses Hinzunahens“ verspürt, und <strong>als</strong> weiser Führer wollte er seine Brü<strong>de</strong>r auch dahin<br />
bringen, wenn auch auf einem an<strong>de</strong>ren Wege. Die Herrlichkeit und die Hilfsquellen Jehovas<br />
hatten ihn schon unterwiesen; nun möchte er, daß das Volk die gleichen segensreichen<br />
Belehrungen empfängt, wenn auch die Ursache dazu ihre Unzufrie<strong>de</strong>nheit und ihr Murren<br />
waren. „Da wandten sie sich gegen die Wüste, und siehe, die Herrlichkeit Jehovas erschien<br />
in <strong>de</strong>r Wolke“, und sie erfahren Gottes gnädige Vorkehrungen für ihre Bedürfnisse.<br />
Wir sehen, daß <strong>de</strong>r Diener immer vor <strong>de</strong>m Dienst, <strong>de</strong>n er ausüben Soll, die Zucht erfährt. Er<br />
kann niemand über <strong>de</strong>n Punkt hinaus, bis zu <strong>de</strong>m er selbst geführt wor<strong>de</strong>n ist, leiten. Aber<br />
wenn die Tiefe und Größe <strong>de</strong>r Wahrheit von ihm ergriffen wor<strong>de</strong>n ist, dann wird er selbst<br />
ihr Vermittler.<br />
In Rephidim (Kap. 17) wird er wie<strong>de</strong>r das Opfer <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, die bereit ist, ihn zu<br />
steinigen. Aber Jehova, allgegenwärtig, um ihm in Augenblicken <strong>de</strong>r Not zu helfen, verleiht<br />
ihm beson<strong>de</strong>re Kraft, um <strong>de</strong>m aufsässigen Volk Erleichterung zu schaffen. Da er persönlich<br />
angegriffen wor<strong>de</strong>n ist, muß er persönlich geehrt wer<strong>de</strong>n, und zwar vor <strong>de</strong>nen, die ihn<br />
mit Vorwürfen und Drohungen angegriffen hatten. Die Ältesten Israels müssen zusehen,<br />
wie Wasser aus <strong>de</strong>m Felsen strömt, <strong>de</strong>n Mose geschlagen hat. So bestätigt Jehova Seinen<br />
Diener vor <strong>de</strong>n Häuptern <strong>de</strong>s Volkes, und <strong>de</strong>r Diener selbst wird im Verständnis und in<br />
<strong>de</strong>r Würdigung <strong>de</strong>r Kraft, die Gott ihm für seinen Dienst gegeben hat, befestigt. Hier in<br />
Rephidim muß Israel auch zum ersten Mal <strong>de</strong>n Kampf gegen <strong>de</strong>n Menschen aufnehmen.<br />
Amalek streitet wi<strong>de</strong>r sie. Mose wird in neue und ungekannte Schwierigkeiten gestellt, und<br />
er beschließt, daß Josua gegen die Menschen antreten soll, daß er selbst aber im Geiste mit<br />
Gott sich beschäftigen muß. Er begibt sich mit <strong>de</strong>m Stabe Gottes in seiner Hand auf <strong>de</strong>n<br />
Gipfel <strong>de</strong>s Hügels.<br />
Welch eine Zeit <strong>de</strong>s Segens für ihn, so für Gott abgeson<strong>de</strong>rt zu sein und Herz und Seele<br />
mit <strong>de</strong>n Versicherungen und Beweisen <strong>de</strong>r Macht und Gna<strong>de</strong> Gottes für die Seinen zu<br />
füllen. Aber zugleich fühlt Mose mehr <strong>de</strong>nn je seine eigene Schwachheit. Solange er seine<br />
Hand emporhielt (ein Zeichen <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott), war Israel <strong>de</strong>r Sieg sicher; aber<br />
sobald er seine Hand ruhen ließ, hatte Amalek die Oberhand. Sein Dienst war wahrlich<br />
ein beson<strong>de</strong>rs wichtiger. Aber wie <strong>de</strong>mütigend war es für Mose, zu erfahren, daß sein<br />
Fleisch zu schwach war, das, was sein Geist so begehrte, auszuführen! Seine Hän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n<br />
schwer, und sie wären herabgesunken ohne die Hilfe von an<strong>de</strong>ren. In erster Linie lernen<br />
wir hieraus, daß das Priestertum für die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s Dienstes notwendig ist; <strong>als</strong><br />
zweites, wenn wir <strong>de</strong>n Schauplatz in Verbindung mit Mose betrachten, lernen wir, daß im<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
Kampf gegen Menschen unsere fleischliche Unzulänglichkeit um so <strong>de</strong>utlicher hervortritt,<br />
je hervorragen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Platz ist, <strong>de</strong>n Gott uns gegeben hat. Es verwun<strong>de</strong>rt nicht, daß Mose<br />
dort einen Altar baut und ihn „Jehova-Nissi“ nennt. Der Streit war gegen Menschen, er<br />
war wi<strong>de</strong>rnatürlich. „Wehe <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Ärgernisse wegen! . . . wehe <strong>de</strong>m Menschen, durch<br />
welchen das Ärgernis kommt!“ Wenn es aber kommt, dann bietet nur das Panier Jehovas<br />
Schutz dagegen, Auf dieser Stufe <strong>de</strong>r Erfahrungen <strong>de</strong>r Seele ist ihr Altar, mit an<strong>de</strong>ren<br />
Worten, <strong>de</strong>r Charakter ihrer Anbetung: Jehova-Nissi (Jehova, mein Panier).<br />
Im nächsten Kapitel (18) sehen wir Mose auf einem tieferen Standpunkt. Er läßt sich von<br />
Menschen beeinflussen und teilweise schlecht beeinflussen. Er hatte eine hervorragen<strong>de</strong><br />
Stellung im Dienste erlangt; soeben hatte er einen Altar in Erinnerung an Gottes Hilfe in<br />
seinem Kampf gegen die feindliche Menschheit errichtet, und nun tritt ihm die Stimme <strong>de</strong>s<br />
Menschen in <strong>de</strong>n wohlgemeinten, aber gefährlichen Ratschlägen seines Schwiegervaters<br />
entgegen. Mose gibt nach und sinkt dadurch in sittlicher Hinsicht. Bei <strong>de</strong>r Unterredung mit<br />
Jethro scheint er die soeben während <strong>de</strong>s Streites gegen Amalek erhaltene Lehre vergessen<br />
zu haben, <strong>de</strong>nn er gibt <strong>de</strong>n Dienst, zu <strong>de</strong>m er berufen ist, teilweise auf, ohne die Absichten<br />
o<strong>de</strong>r die Zustimmung Gottes abzuwarten. Der Beistand, <strong>de</strong>n er hier bei <strong>de</strong>n Häuptern<br />
<strong>de</strong>s Volkes sucht, ist von ganz an<strong>de</strong>rer Art <strong>als</strong> <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n er rechtmäßig von Aaron und<br />
Hur während <strong>de</strong>s Streites mit Amalek erhielt. Letzterer war eine Hilfe für ihn persönlich,<br />
während er jetzt die Pflichten, die Jehova ihm auferlegt hatte, auf an<strong>de</strong>re abschob. Jethro<br />
hatte alles gehört, was Jehova für Mose und Israel getan hatte, und er kam, um Mose<br />
wie<strong>de</strong>r mit seiner Frau und seinen Söhnen zusammen zu bringen, die er anscheinend<br />
zurückgeschickt hatte. Ich glaube, Jethro stellt die Verbindung unter <strong>de</strong>n Menschen dar, zu<br />
<strong>de</strong>nen ein Knecht Gottes durch verwandtschaftliche Beziehungen verlockt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Obwohl er <strong>de</strong>n Dienst für Gott mit Mose gemeinsam hatte, maßte er sich etwas an, was ihm<br />
nicht zukam; <strong>de</strong>nn es war eine Anmaßung für einen Unbeschnittenen aus <strong>de</strong>n Nationen,<br />
die Führung <strong>de</strong>s Volkes Gottes an sich zu reißen, in<strong>de</strong>m er Mose, Aaron und die Ältesten<br />
Israels dazu bringt, mit ihm Gemeinschaft zu haben. Wenn das Verhältnis <strong>de</strong>r Seele zu Gott<br />
getrübt ist, ist es verhältnismäßig leicht, sie unter <strong>de</strong>m Vorwand <strong>de</strong>r Unfähigkeit von ihrer<br />
Verantwortlichkeit abzulenken. Mose wird dazu gebracht, sich selbst in einer Angelegenheit<br />
für unfähig zu halten, für die Gott ihn nicht für unbefähigt gehalten hatte. Obgleich diese<br />
Regelung gedul<strong>de</strong>t wird, muß sie für ihn einen Verlust be<strong>de</strong>utet haben. Mose befin<strong>de</strong>t sich<br />
nun am Berge Gottes; er erfährt die Erfüllung <strong>de</strong>r Verheißungen Gottes im brennen<strong>de</strong>n<br />
Busch, nach<strong>de</strong>m er einen einzigartigen, wun<strong>de</strong>rbaren Weg gegangen ist. Aber selbst hier,<br />
an <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong>, nach allem Umgang und allen Offenbarungen, die er erfahren hat, sehen<br />
wir, daß er – wie an<strong>de</strong>re Menschen – für <strong>de</strong>n Einfluß <strong>de</strong>s Fleisches empfänglich ist, und es<br />
beweist, wie wenig verläßlich <strong>de</strong>r Mensch ist.<br />
Nun aber wird Mose an <strong>de</strong>m Berge Gottes zu einer neuen Aufgabe, einer an<strong>de</strong>ren Sendung<br />
berufen (Kap. 19). Bisher ist er Befreier und Führer gewesen, jetzt wird er <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
und Prophet. Er wird, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>m Volk <strong>de</strong>n Willen Gottes offenbart, ein Mittler zwischen<br />
<strong>de</strong>m Volk und Gott. Als reich gesegneter Diener muß er diesbezüglich unterwiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Gott war Seinem Volk in <strong>de</strong>r Not entgegengekommen, aber wie manche Befreite, haben<br />
sie die Natur Gottes noch nicht erkannt. Die drohen<strong>de</strong> Vernichtung war vorübergegangen,<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
aber sie müssen erfahren, wer Gott ist und wie vollkommen ver<strong>de</strong>rbt sie in Seinen Augen<br />
sind. Mose, von Gott unterwiesen, muß sie nun in diesem Stück unterweisen.<br />
Er wird zu diesem Zweck auf <strong>de</strong>n Berg gerufen und dort in Gottes Nähe gebracht. Er<br />
empfängt dort eine Offenbarung, die an<strong>de</strong>rs ist <strong>als</strong> die, die er einst am brennen<strong>de</strong>n Busch<br />
empfangen hatte. Dort war alles Gna<strong>de</strong>, obwohl es „heiliges Land“ war; die Erscheinung<br />
Jehovas war in Gna<strong>de</strong> und Mitgefühl. Hier jedoch ist es Gottes furchtbare Majestät, die<br />
For<strong>de</strong>rung eines heiligen Gottes an <strong>de</strong>n Menschen und Seine große Entfernung vom<br />
Menschen. Bei<strong>de</strong> Belehrungen waren für Mose notwendig, damit er <strong>de</strong>n ihm zugewiesenen<br />
Platz einnehmen konnte. Es ist immer die Art <strong>de</strong>r Zucht Gottes, Seine Diener zu einer<br />
volleren und lebendigeren Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit, <strong>de</strong>ren Kanal sie wer<strong>de</strong>n sollen, zu<br />
bringen. Stephanus sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen, ehe er<br />
verkün<strong>de</strong>te, daß <strong>de</strong>r Himmel geöffnet sei und daß er <strong>de</strong>n Sohn <strong>de</strong>s Menschen zur Rechten<br />
Gottes stehen sähe; d. h., er verkün<strong>de</strong>te nur einen Teil <strong>de</strong>ssen, was er sah; aber das Größere<br />
machte ihn fähiger, das Geringere zu verkün<strong>de</strong>n, das seinen Zuhörern angepaßt war. So<br />
wird auch Mose durch die Belehrungen Gottes hinsichtlich Seines Willens befähigt, Ihn <strong>de</strong>m<br />
Volke zu offenbaren. Er sieht Ihn, wie Er in Seiner Gerechtigkeit an <strong>de</strong>n noch fleischlichen<br />
Menschen auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rungen stellt.<br />
Nach<strong>de</strong>m er das Gesetz verkün<strong>de</strong>t und vorbildlich das Blut <strong>de</strong>r Reinigung gesprengt hat,<br />
wird er gerufen (Kap. 24), nicht nur die in Stein gegrabenen Gesetze zu empfangen, son<strong>de</strong>rn<br />
ebenfalls eine viel vollständigere Offenbarung <strong>de</strong>r Anteilnahme Gottes an Seinem Volk.<br />
Es ist dies die Vorsorge <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, gegrün<strong>de</strong>t auf Jehovas Vorkenntnis <strong>de</strong>r Unfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s Volkes, das Gesetz zu halten. In diesen interessanten Begebenheiten wollen wir unser<br />
Augenmerk aber nicht auf das Volk richten, son<strong>de</strong>rn auf die segensreiche Art, in <strong>de</strong>r Mose<br />
auf die ihm anvertraute Aufgabe vorbereitet wird. Er wird auf <strong>de</strong>n Berg gerufen, auf <strong>de</strong>m<br />
die Herrlichkeit Gottes ruhte. Sechs Tage be<strong>de</strong>ckte die Wolke <strong>de</strong>n Berg, und am siebenten<br />
rief Gott Mose aus <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Herrlichkeit, die in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r Israel wie ein<br />
verzehren<strong>de</strong>s Feuer war; und Mose war auf <strong>de</strong>m Berge 40 Tage und 40 Nächte. Wahrlich eine<br />
geeignete Vorbereitung für einen, <strong>de</strong>r beauftragt wur<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ein Abbild <strong>de</strong>r Dinge,<br />
die er gesehen hatte, zu schaffen. Der Er<strong>de</strong> völlig enthoben, umhüllt von <strong>de</strong>r Wolke, die die<br />
Herrlichkeit Gottes umgab, erhielt seine Seele <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>s wun<strong>de</strong>rbaren Gegenstands<br />
seines Auftrages. Dann sprach Jehova zu ihm: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, daß<br />
ich in ihrer Mitte wohne. Nach allem, was ich dir zeige, . . . <strong>als</strong>o sollt ihr es machen“. Wir<br />
bekommen einen Einblick in Gottes Art, einen Knecht für Seine Absichten zu erziehen, und<br />
wir bemerken dabei vor allem zwei Dinge:<br />
1. daß Mose in <strong>de</strong>r Nähe Gottes ist, während er die Wahrheit erfährt, und an sich die<br />
Wirkung dieser Nähe sieht, und<br />
2. daß er die Wahrheit bewußt von Gott mitgeteilt erhält; er ist nicht nur in Seiner Nähe,<br />
son<strong>de</strong>rn er weiß, daß Er Selbst sie ihm mitteilt.<br />
Bevor Mose jedoch diesen neuen Dienst angetreten hat, ist das Volk Israel <strong>de</strong>r<br />
Götzendienerei verfallen und hat ein gol<strong>de</strong>nes Kalb gemacht, und er wird aufgerufen,<br />
von seiner erhabenen Stellung auf <strong>de</strong>m Berge hinabzusteigen und <strong>de</strong>n Abfall <strong>de</strong>s Volkes<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
von <strong>de</strong>m soeben geschlossenen Bun<strong>de</strong> zu erleben; und jetzt gibt er Gefühlen Ausdruck, die<br />
bezeugen, wie gut er gelernt hatte, auf die Verherrlichung Gottes bedacht zu sein. In dieser<br />
Hinsicht gibt es in <strong>de</strong>r ganzen Schrift kaum etwas, was seinen Worten in 2. Mo 32,11–13<br />
gleichkommt.<br />
Aber es waren die vergangenen 40 Tage und Nächte, die ihn befähigten, sie so hoch<br />
zu schätzen, und je<strong>de</strong>r seiner Schritte in dieser wichtigen Stun<strong>de</strong> zeigt, wie tief er in<br />
die Gedanken Gottes eingedrungen war. Er zerschmettert die Gesetzestafeln, <strong>de</strong>nn sie<br />
waren von seiten Israels schon gebrochen, und es war nun nicht <strong>de</strong>r Augenblick, sie ihnen<br />
vorzuhalten. Dann nimmt er das Götzenbild, das sie gemacht haben und verbrennt es mit<br />
Feuer, zermahlt es zu Pulver, streut es auf das Wasser und läßt das Volk davon trinken. Ihre<br />
Sün<strong>de</strong> mußte nicht nur beseitigt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn sie mußten sie auch selber schmecken.<br />
Sodann verlangt er Trennung vom Bösen und for<strong>de</strong>rt je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Seite Jehovas<br />
steht, die Abtrünnigen zu ergreifen. Im Augenblick einer gemeinsamen Sün<strong>de</strong> können die<br />
bußfertigen und sich <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Zeugen <strong>de</strong>n Abbruch aller ihrer früheren Beziehungen<br />
gar nicht klar genug zum Ausdruck bringen; sie müssen je<strong>de</strong> Spur davon vernichten, selbst<br />
bis zum To<strong>de</strong>, und Mose, <strong>de</strong>r treue Diener, ist dabei ihr Anführer.<br />
Nach<strong>de</strong>m er sie so gewissermaßen auf Gott vorbereitet hat, <strong>als</strong> Bußfertige und Abgeson<strong>de</strong>rte,<br />
kehrt er zu Gott zurück, um für sie einzutreten. Jehova weigert Sich, weiter mit <strong>de</strong>m Volk<br />
zu ziehen; Er for<strong>de</strong>rt, daß es seinen Schmuck ablegt, damit Er weiß, was Er ihm tun soll<br />
(Kap. 33). In diesem Augenblick großer Ungewißheit weiß Mose, <strong>de</strong>r die Heiligkeit Gottes<br />
kennt, was er mit <strong>de</strong>m Volke zu tun hat und wie Beziehungen wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n<br />
können. Er schlägt das Zelt außerhalb <strong>de</strong>s mit Schuld bela<strong>de</strong>nen Lagers auf, damit je<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r sich unter <strong>de</strong>m Gefühl <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> ge<strong>de</strong>mütigt hatte und nach Jehova verlangte, Ihn<br />
dort aufsuchen könne, abgeson<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>r Verunreinigung. Diese Tat kam <strong>de</strong>m Willen<br />
Jehovas entgegen und stellte Seine Gegenwart <strong>de</strong>m Volke wie<strong>de</strong>r her. Die Wolkensäule stieg<br />
hernie<strong>de</strong>r und stand am Eingang <strong>de</strong>s Zeltes, und Jehova re<strong>de</strong>te mit Mose von Angesicht<br />
zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freun<strong>de</strong> re<strong>de</strong>t. Er verheißt ihm nicht nur, daß<br />
Seine Gegenwart mit ihm sein wird, son<strong>de</strong>rn gibt auch seinem Bitten nach, Seinen Platz<br />
inmitten Israels wie<strong>de</strong>r einzunehmen. In welch eine Nähe zu Gott ist Mose getreten! Die<br />
äußersten Schwierigkeiten eröffnen ihm nur in höherem Maße die Hilfsquellen Gottes; er<br />
erreicht sie aber erst, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>r Heiligkeit Gottes entsprechend gehan<strong>de</strong>lt hat. Er<br />
hat sowohl Gott <strong>als</strong> auch <strong>de</strong>n Menschen mehr erkannt, <strong>de</strong>n Menschen <strong>als</strong> unzuverlässig<br />
und in allen Umstän<strong>de</strong>n versagend; Jehova <strong>als</strong> Zuflucht seines Herzens und <strong>als</strong> sein ewiges<br />
Teil. Und so stellt er, <strong>als</strong> Gott allen seinen Wünschen entsprochen hatte, die aufrichtige<br />
Bitte: Laß mich doch <strong>de</strong>ine Herrlichkeit sehen“! Damit sagt er: Ich habe genug von <strong>de</strong>m<br />
Menschengeschlecht gesehen, um mich von ihm abzuwen<strong>de</strong>n, und ich habe genug von Gott<br />
gesehen, um zu begehren, Ihn in Seiner Fülle zu sehen.‘Dieser Wunsch wur<strong>de</strong> erhört (Kap<br />
34); aber noch völliger und ein<strong>de</strong>utiger wur<strong>de</strong> er erfüllt, <strong>als</strong> er auf <strong>de</strong>m Berge <strong>de</strong>r Verklärung<br />
(Lk 9,30+ 31) zusammen mit Elias mit <strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>n Ausgang besprach, <strong>de</strong>n Er sowohl für<br />
das hartnäckige Israel <strong>als</strong> auch für alle Erlösten erfüllen sollte.<br />
Wir haben nun <strong>de</strong>n Aufstieg Moses bis zum höchsten Platz, <strong>de</strong>r je einem Menschen<br />
eingeräumt wor<strong>de</strong>n ist, verfolgt. Dem Apostel Paulus, einem Manne in Christo, wur<strong>de</strong>n<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 72
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
größere und an<strong>de</strong>re Herrlichkeiten geoffenbart, aber „es stand in Israel kein Prophet mehr<br />
auf wie Mose, welchen Jehova gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht“. Paulus mußte<br />
einen Dorn im Fleische haben, damit er sich nicht überhöbe. Wir dürfen daher nicht<br />
überrascht sein, zu sehen, daß Mose bald beweist, daß er auf Grund seiner Schwachheit die<br />
hohe Stellung, die er erhalten hat, nicht bewahren kann.<br />
Er, <strong>de</strong>r soviel von <strong>de</strong>r Macht Gottes gesehen hat, vergißt sie und tut, <strong>als</strong> kenne er sie nicht,<br />
<strong>als</strong> er durch das Böse und <strong>de</strong>n Unglauben <strong>de</strong>s Volkes bedrängt wird (4. Mo 11). Er sagt: „Ich<br />
allein vermag nicht dieses ganze Volk zu tragen, <strong>de</strong>nn es ist mir zu schwer“. Der Mensch<br />
kann die hohe Stellung, zu <strong>de</strong>r ihn Gott beruft, nicht aufrechterhalten, ohne ab und zu seine<br />
Schwachheit zu erkennen. Wenn wir nicht das To<strong>de</strong>surteil in uns selbst haben, wer<strong>de</strong>n wir<br />
Selbstvertrauen fassen. Hätte Mose, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Herrlichkeit gewesen war, dies gewußt, so<br />
hätte er we<strong>de</strong>r in Kraft noch in Schwachheit auf sich geblickt, son<strong>de</strong>rn auf „Gott, <strong>de</strong>r die<br />
Toten auferweckt“. Er wird nun vor <strong>de</strong>n 70 Ältesten Israels ge<strong>de</strong>mütigt, vor <strong>de</strong>nen er früher<br />
erhoben wor<strong>de</strong>n war. Der Geist, <strong>de</strong>r auf ihm war, ist jetzt auf ihnen. Wir wissen, daß er<br />
auf <strong>de</strong>n Vorschlag seines Schwiegervaters hin erlaubte, daß dieser Sauerteig hereinkam,<br />
zwar in mil<strong>de</strong>rer Form, aber jetzt hat er sich weiter entwickelt, wie immer, wenn ihm<br />
freies Feld gelassen wird. Es ist eine Zeit <strong>de</strong>r Demütigung für Mose, für uns aber nicht<br />
weniger interessant <strong>als</strong> die Zeit seiner Erhöhung, <strong>de</strong>nn sie erleuchtet die Art <strong>de</strong>r göttlichen<br />
Zucht, in <strong>de</strong>r er sich befin<strong>de</strong>t. Seine Unterwerfung und seine Anerkennung <strong>de</strong>s Wirkens<br />
Jehovas ist sehr lehrreich, und sein Interesse an seiner Arbeit wird dadurch, daß er teilweise<br />
verdrängt wor<strong>de</strong>n ist nicht vermin<strong>de</strong>rt. Er ta<strong>de</strong>lt Josua, weil er für ihn eifert. Aber obwohl<br />
Jehova <strong>de</strong>n Unglauben Seines Knechtes so behan<strong>de</strong>lt hat, erlaubt Er nicht, daß Menschen<br />
ihn mißachten o<strong>de</strong>r geringschätzen (Kap. 12). Die Ursache <strong>de</strong>s Ta<strong>de</strong>ls war wahr, <strong>de</strong>nn er<br />
hatte eine kuschitische Frau geheiratet, und Aaron und Mirjam waren scheinbar durch<br />
die Demütigung, die Mose soeben erfahren hatte, ermutigt wor<strong>de</strong>n. Aber Jehova rächt<br />
ihn aufs <strong>de</strong>utlichste und schrecklichste; und Mose wird zum Fürsprecher <strong>de</strong>r Schuldigen.<br />
Jehova Selbst darf Zurechtweisungen geben, nicht aber <strong>de</strong>r Mensch. Die Art, in <strong>de</strong>r Mose<br />
die Vorwürfe ertrug, beweist, wie viel er in <strong>de</strong>r Schule Gottes gelernt hatte und wie <strong>de</strong>mütig<br />
er im Herzen war. Wir sahen, wie sein gerechter Zorn ausbrach, <strong>als</strong> Gottes Herrlichkeit und<br />
Ehre auf <strong>de</strong>m Spiel stand; aber wenn er persönlich angegriffen wird, schweigt er.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Beispiel dafür fin<strong>de</strong>n wir im Falle Korahs (Kap. 16). Anstatt sich und sein Amt<br />
zu rechtfertigen, überläßt Mose Jehova die Entscheidung, Der sie auch trifft, und zwar durch<br />
ein furchtbares Gericht an <strong>de</strong>n Übeltätern. Wie<strong>de</strong>rum ist es Mose, <strong>de</strong>r die Gedanken Gottes<br />
kennt und weiß, was <strong>de</strong>r Plage Einhalt gebieten kann. Er macht Gebrauch von seinem Amt<br />
<strong>als</strong> Priester, wie ehem<strong>als</strong> im Falle <strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Kalbes, <strong>als</strong> er sich für das Volk bei Gott<br />
verwen<strong>de</strong>t hat.<br />
Wir kommen nun (Kap. 20) zur letzten Begebenheit im Leben Moses, die wir betrachten<br />
wollen, <strong>als</strong> er das Recht, Kanaan zu betreten, verwirkt, weil er es unterließ, Jehova vor<br />
<strong>de</strong>m Volk zu heiligen. Dies geschah im 40. Jahre ihrer Wan<strong>de</strong>rung, gera<strong>de</strong>, <strong>als</strong> Mose im<br />
Begriff stand, das glückliche En<strong>de</strong> aller seiner Mühen und die Erfüllung <strong>de</strong>r Verheißungen<br />
Gottes zu erleben. Er versagte gera<strong>de</strong> in jenem Stück, in <strong>de</strong>m er sonst so hervortrat. Er<br />
unterläßt es, Jehova, Dessen Ehre ihm so kostbar war, in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Volkes zu heiligen,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 73
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
und macht sich dadurch untauglich, das Volk in das Land seines Erbes zu führen, <strong>als</strong> sie<br />
schon an <strong>de</strong>ssen Grenze stehen. Als die Gemein<strong>de</strong> nach Wasser schrie‘sagte Gott ihm:<br />
„Nimm <strong>de</strong>n Stab und versammle die Gemein<strong>de</strong>, du und <strong>de</strong>in Bru<strong>de</strong>r Aaron, und re<strong>de</strong>t vor<br />
ihren Augen zu <strong>de</strong>m Felsen, so wird er sein Wasser geben“. Statt<strong>de</strong>ssen stelIt Mose, durch<br />
seine Erbitterung fortgerissen, das Volk und sagt- „Wer<strong>de</strong>n WIR euch Wasser aus diesem<br />
Felsen hervorbringen“? und er erhebt seinen Stab und schlägt <strong>de</strong>n Felsen zweimal. Jehova<br />
han<strong>de</strong>lte jetzt in Gna<strong>de</strong>n durch das Priestertum gegen das Volk. Der Felsen brauchte nicht<br />
mehr geschlagen zu wer<strong>de</strong>n. Mose ist in diesem Augenblick nicht in Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n<br />
Gedanken und Absichten Gottes – er hat in seinem Dienst versagt und seine Führerschaft<br />
verwirkt. So ist <strong>de</strong>r Charakter <strong>de</strong>r Zucht Gottes! Kein noch so treuer Dienst während langer<br />
Jahre kann die Strafe für Anmaßung in diesem Dienst mil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r abwen<strong>de</strong>n. Paulus<br />
wollte entgegen <strong>de</strong>r Mahnung <strong>de</strong>s Geistes nach Jerusalem gehen, und die Strafe dafür war<br />
lange Gefangenschaft.<br />
Gott kann und wird ohne Zweifel Seine Knechte an <strong>de</strong>m Platz gebrauchen, <strong>de</strong>n ihr<br />
Versagen ihnen einbringt. Paulus wur<strong>de</strong> so im Gefängnis ein Werkzeug in einem neuen und<br />
beson<strong>de</strong>ren Dienst. Was seine Briefe für ihn waren, das war für Mose das 5. Buch: Gott muß<br />
das Fleisch, das sie zu Handlungen in Unabhängigkeit von Ihm geführt hat, unterwerfen.<br />
Mose begann seine Laufbahn, in<strong>de</strong>m er ein gutes Werk in eigener Kraft durchführen wollte<br />
und erdul<strong>de</strong>te <strong>de</strong>swegen manches Jahr <strong>de</strong>r Einsamkeit. Nun legt er ‚sich auf <strong>de</strong>m Berge<br />
Pisga nie<strong>de</strong>r (5.Mo 34), nach<strong>de</strong>m er das gelobte Land gesehen hat von <strong>de</strong>m er ausgeschlossen<br />
ist, weil er, während er für Gottes Volk han<strong>de</strong>lte, es in Unabhängigkeit von Gott tat, Dessen<br />
Diener er war.<br />
Sein erstes Versagen ist seinem letzten sehr ähnlich. Aber obwohl er bezüglich seiner<br />
Sendung und seines Dienstes so gezüchtigt wor<strong>de</strong>n ist, verliert er nichts von seiner<br />
persönlichen Nähe zu Gott, ja er gewinnt auf diese Art noch etwas, <strong>de</strong>nn Jehova zeigt<br />
ihm das Land. So war es auch mit Paulus. Während er die Strafe für seinen Fehler im<br />
Gefängnis erdul<strong>de</strong>te, fand er mehr <strong>de</strong>nn je, daß Christus alles für ihn war; und sicher<br />
hat Mose auf <strong>de</strong>m Berge Pisga gespürt, daß Gott für ihn mehr be<strong>de</strong>utete <strong>als</strong> selbst das<br />
verheißene Land o<strong>de</strong>r die Führerschaft dorthin. Seine Unterwerfung unter <strong>de</strong>n Willen<br />
Gottes ist sehr schön (4. Mo 27,12–23), und die Bereitwilligkeit mit <strong>de</strong>r er seine Wür<strong>de</strong><br />
und sein Amt auf Josua übertragen läßt verrät <strong>de</strong>utlich, daß er sich selbst, sein Fleisch,<br />
gekreuzigt hat. Während sein Auge das Erbe betrachtet, erlei<strong>de</strong>t er die Kreuzigung seines<br />
Fleisches. Er legt sich nie<strong>de</strong>r, um zu sterben, aber Jehova nimmt sich seines Körpers an;<br />
Satan streitet vergeblich darum (Jud 9). Bald wird <strong>de</strong>r Leib Moses <strong>als</strong> ein verherrlichter Leib<br />
auferstehen, gleich <strong>de</strong>m verherrlichten Leibe unseres Herrn, gemäß <strong>de</strong>r Macht, die Er hat,<br />
alle Dinge Sich Selbst zu unterwerfen.<br />
Zurückschauend möchte ich auf vier große Perio<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zucht im Leben Moses aufmerksam<br />
machen. Die erste: 40 Jahre Verbannung im Lan<strong>de</strong> Midian, weil er versucht hatte, in eigener<br />
Kraft die Gna<strong>de</strong>nabsicht seiner Seele auszuführen. Gewiß gibt es bei manchem ernsten<br />
jungen Diener Christi ebensoviel beständiges Versagen. Er ist offenkundig so erfolglos und<br />
entmutigt, daß er in die Einsamkeit zu Gott geführt wird, bis er erkennt, daß er nicht auf<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 74
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Mose<br />
sich selbst vertrauen darf; und dieser Abschnitt ist been<strong>de</strong>t, <strong>als</strong> seine Seele durch Zeichen<br />
und Offenbarungen <strong>de</strong>r Macht Gottes befestigt ist.<br />
Die zweite Perio<strong>de</strong> ist noch dunkler und schrecklicher. Jehova sucht ihn zu töten, weil er<br />
seinen Sohn nicht beschnitten hat. Er ist hier nicht <strong>de</strong>r Wüstenwan<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r erfährt, wie<br />
kraftlos er <strong>als</strong> Mensch ist, son<strong>de</strong>rn Jehova ist gegen ihn, weil er in seiner Gedankenlosigkeit<br />
das Unbeschnittene <strong>als</strong> Knecht Jehovas mit Jehova in Verbindung brachte. Jehova sucht ihn<br />
zu töten -das Leben wegzunehmen, das Mose in seinem Sohn nicht durch die Beschneidung<br />
verurteilt hatte. Der alte Mensch muß gekreuzigt wer<strong>de</strong>n. Wir sind beschnitten durch das<br />
Ausziehen <strong>de</strong>s Leibes <strong>de</strong>s Fleisches, in <strong>de</strong>r Beschneidung <strong>de</strong>s Christus.<br />
Das dritte Beispiel <strong>de</strong>r Zucht ist die Einführung Moses in Gottes Herrlichkeit während 40<br />
Tagen und Nächten. Jetzt will Gott ihn nicht töten <strong>als</strong> Menschen auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />
in<strong>de</strong>m Er ihn in <strong>de</strong>r Herrlichkeit über alle Menschen stellt belehrt Er ihn in allen Seinen<br />
Wegen und wünscht, daß er auf Er<strong>de</strong>n Abbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r wahren Dinge – in <strong>de</strong>n Himmeln –<br />
verfertigt (2. Mo 25; Hebr 8,5).<br />
Der vierte Abschnitt zeigt uns Mose, <strong>als</strong> er auf <strong>de</strong>m Berge Pisga wirklich durch <strong>de</strong>n Tod<br />
gehen muß, weil seine Lippen törichte Worte gere<strong>de</strong>t haben, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n heiligsten Dienst für<br />
Gott verrichtete. Der Tod muß sein; aber zugleich sieht und überblickt sein Auge klar und<br />
<strong>de</strong>utlich das Erbteil, das Gott für Sein Volk bereitgelegt hat. – Amen.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Josua<br />
Josua<br />
In 2. Mose 17,9 wird Josua das erste Mal erwähnt, <strong>als</strong> er von Mose <strong>de</strong>n Auftrag erhält, die<br />
ausgewählten Männer gegen Amalek zu führen. Daraus können wir schließen, daß er für<br />
diese Aufgabe am geeignetsten war. Wenn wir uns mit <strong>de</strong>r Geschichte irgen<strong>de</strong>ines Knechtes<br />
Gottes beschäftigen, ist es beson<strong>de</strong>rs interessant, diesen in <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren Licht und in<br />
<strong>de</strong>m Zustand, in <strong>de</strong>m er uns zuerst vorgestellt wird, zu erkennen, <strong>de</strong>nn darin sehen wir<br />
seine Beson<strong>de</strong>rheit, die seinen ganzen Weg kennzeichnet.<br />
Das gilt auch für Josua. Ein Vorbild auf Christum und Diener Christi, wird er uns zunächst<br />
<strong>als</strong> Kriegsheld vorgestellt, <strong>de</strong>r bereit ist, <strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>n Israels entgegenzutreten, und ist<br />
so ein Vorbild auf <strong>de</strong>n Anführer unserer Errettung (Hebr 2,10). Josuas erster Streit ist<br />
wi<strong>de</strong>r Amalek, das uns das Fleisch o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n natürlichen Menschen in tätigem Wi<strong>de</strong>rstand<br />
gegen <strong>de</strong>n Vormarsch <strong>de</strong>s Volkes Gottes darstellt. Ägypten ist eigentlich mehr die Welt,<br />
während Amalek das verkörperte Fleisch ist; Assyrien schließlich ist die alte Natur mit<br />
ihren Verlockungen und Einflüssen. Der Streit mit Amalek war für Israel <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>s<br />
Kampfes und hier erscheint Josua zum ersten Mal <strong>als</strong> Führer auf <strong>de</strong>m Schauplatz. Er besiegt<br />
<strong>de</strong>n Feind mit <strong>de</strong>r Schärfe <strong>de</strong>s Schwertes; aber durch diesen Sieg erfährt er, wovon <strong>de</strong>r Sieg<br />
abhängig ist. Er lernt, in die Wechselfälle <strong>de</strong>s Streites verwickelt, das Volk in Abhängigkeit<br />
von einem unsichtbaren Mittler zum Siege zu führen. Mose steht mit <strong>de</strong>m Stabe Gottes in<br />
seiner Hand auf <strong>de</strong>m Gipfel <strong>de</strong>s Hügels. Sobald seine Hän<strong>de</strong> sinken‘läßt <strong>de</strong>r Erfolg nach,<br />
und gera<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>s Kampfglücks lernt Josua die Abhängigkeit von Gott, und<br />
er siegt infolge seiner Abhängigkeit. Er gibt ein praktisches Beispiel für das Wort „Bewirket<br />
eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern; <strong>de</strong>nn Gott ist es, <strong>de</strong>r in euch wirkt sowohl das<br />
Wollen <strong>als</strong> auch das Wirken, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,12).<br />
Es ist ein wirklicher Streit, buchstäblich ein Gefecht Mann gegen Mann, und <strong>de</strong>r Sieg<br />
schwankt hin und her zwischen <strong>de</strong>n Kämpfen<strong>de</strong>n. Gott ist die Quelle sowohl <strong>de</strong>s Wollens<br />
<strong>als</strong> auch <strong>de</strong>s Wirkens. Der Glaube hält Josua aufrecht. Er weiß Mose mit <strong>de</strong>m Stabe Gottes<br />
in <strong>de</strong>r Hand auf <strong>de</strong>m Hügel, und so lernt er zu Anfang seiner Laufbahn die Wechselfälle<br />
<strong>de</strong>s Kampfes in Abhängigkeit zu ertragen und wun<strong>de</strong>rbar zu siegen. Es gibt <strong>de</strong>r Seele große<br />
Kraft, mit <strong>de</strong>n Schwierigkeiten unserer Wan<strong>de</strong>rung gekämpft, und in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Herrn<br />
gesiegt zu haben und sagen zu können: „Alles vermag ich in <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r mich kräftigt“. Das<br />
erfährt Josua bei seinem ersten Schritt <strong>als</strong> Führer Israels und er han<strong>de</strong>lt danach; und da dies<br />
sein erster Sieg war, <strong>de</strong>r wie Davids Sieg über Goliath auf alle noch folgen<strong>de</strong>n hin<strong>de</strong>utete,<br />
befiehlt Jehova, daß dies nicht nur in ein Buch geschrieben wer<strong>de</strong>n sollte, son<strong>de</strong>rn in die<br />
Ohren Josuas gelegt wer<strong>de</strong>n sollte, „daß ich das Gedächtnis Amaleks gänzlich unter <strong>de</strong>m<br />
Himmel austilgen wer<strong>de</strong>“. Welch eine Ermunterung muß das für Josua in seinen vielen<br />
späteren Kämpfen gewesen sein! Er konnte sich darauf stützen, wenn <strong>de</strong>r Mut ihn verlassen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 76
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Josua<br />
wollte. Wenn Jehova geschworen hatte, seinen ersten Feind zu vernichten, sollte Er dann<br />
nicht ebenso treu sein in bezug auf die übrigen?<br />
Sodann sehen wir Josua <strong>als</strong> Diener Moses (Kap. 32), <strong>als</strong> dieser auf <strong>de</strong>n Berg berufen wird,<br />
um die Tafeln <strong>de</strong>s Zeugnisses zu empfangen. Diese Bemerkung über Josua ist nur kurz,<br />
aber wichtig, <strong>de</strong>nn sie zeigt uns, daß <strong>de</strong>m Mann <strong>de</strong>r Tat, <strong>de</strong>r er auf Er<strong>de</strong>n war, die ernsten<br />
und wun<strong>de</strong>rbaren Offenbarungen <strong>de</strong>s unsichtbaren Gottes nicht fremd waren. Er wußte<br />
nicht nur gegen die Fein<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Volkes Gottes zu kämpfen, son<strong>de</strong>rn er erfuhr auch das<br />
Wesen <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes, wodurch er für <strong>de</strong>n Dienst hier auf Er<strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>. Innerlich war er (wie <strong>de</strong>r Herr Jesus auf vollkommene Weise) in Verbindung mit<br />
<strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes, äußerlich ein Kriegsmann von Jugend an; und durch bei<strong>de</strong>s bil<strong>de</strong>te<br />
Gott ihn für seinen späteren Dienst. Die Gemeinschaft in <strong>de</strong>r Herrlichkeit auf <strong>de</strong>m Berge<br />
war ebenso notwendig wie die Wechselfälle <strong>de</strong>s Kampfes auf <strong>de</strong>m Schlachtfeld. Im Kampf<br />
gegen Amalek befand Josua sich auf einem Gebiet <strong>de</strong>s Dienstes, auf <strong>de</strong>m Berge ist es ein<br />
an<strong>de</strong>res, – das Gebiet <strong>de</strong>r Gemeinschaft mit Gott, dort wird seine Kenntnis <strong>de</strong>s Willens<br />
Gottes erweitert – eine sehr gesegnete Zeit <strong>de</strong>r Belehrung. Aber selbst in dieser hohen<br />
Stellung <strong>de</strong>r Gemeinschaft hält Josua an seiner Berufung fest. Als Mose sich wandte und<br />
vom Berg hinabstieg, und <strong>de</strong>r Lärm <strong>de</strong>s abtrünnigen Volkes an ihre Ohren drang, lautet<br />
Josuas Erklärung: „Kriegsgeschrei ist im Lager“! (Kap 32, 17).<br />
Er <strong>de</strong>utet das Geschrei <strong>de</strong>r Götzendiener gemäß <strong>de</strong>s Eindruckes, <strong>de</strong>n es auf ihn macht.<br />
Aber <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Schauplatz <strong>de</strong>r Abgötterei vor ihm liegt, und Mose das Zelt außerhalb <strong>de</strong>s<br />
Lagers aufschlägt, beweist Josua, welchen Wert die gesegnete Zeit <strong>de</strong>r Belehrung auf <strong>de</strong>m<br />
Berge für ihn hat: er nimmt <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung ein und weigert sich, sich mit <strong>de</strong>in<br />
verunreinigten Lager zu vereinigen. Wir lesen: Josua, <strong>de</strong>r Sohn Nuns, ein Jüngling, wich<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s Zeltes“ (33,11). Er hatte erfahren, was es heißt, im Schirm <strong>de</strong>s<br />
Allmächtigen zu bleiben. Wenn auch Mose in seinem Dienst hin und her gehen mußte,<br />
dieser Jüngling, <strong>de</strong>n Gott belehrte, wußte, daß es für ihn besser war, bei Gott in <strong>de</strong>m<br />
abgeson<strong>de</strong>rten Zelt zu bleiben. Der Dienst rief Ihn nicht ins Lager, <strong>de</strong>shalb hielt er sich<br />
vollkommen davon abgeson<strong>de</strong>rt bei Gott. Mose muß seinen Dienst erfüllen und betritt<br />
das Lager. Aber wenn für uns keine Gelegenheit zum Dienst darin besteht, laßt uns so<br />
weit wie möglich davon getrennt bleiben, <strong>de</strong>nn die Trennung wird uns zubereiten, <strong>de</strong>n<br />
wirkungsvollsten Dienst zu tun, wenn wir dazu berufen sind.<br />
Bloße Kenntnis <strong>de</strong>s Willens und <strong>de</strong>r Ratschlüsse Gottes ist nicht das volle Ergebnis unserer<br />
Nähe zu Ihm, son<strong>de</strong>rn das Bewußtsein <strong>de</strong>ssen, was Ihm gebührt und was Seinem Willen<br />
entspricht; mit an<strong>de</strong>ren Worten: Heiligkeit, und sie ist das große Ziel <strong>de</strong>r väterlichen Zucht.<br />
Josua muß jedoch noch mehr lernen. Wir sehen ihn wie<strong>de</strong>r in 4. Mo 11, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n<br />
Willen Gottes mißversteht. Dieselbe Wahrheit, die ihn zuvor vor <strong>de</strong>r verunreinigen<strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaft und in Übereinstimmung mit Gottes Willen bewahrt hatte, wird jetzt von<br />
ihm benutzt, um Gott zu wehren. Es ist sehr wichtig, daß wir uns erinnern, daß Gott<br />
Selbst uns beraten muß und nicht irgen<strong>de</strong>ine Wahrheit. Als Israel abtrünnig war, war das<br />
abgeson<strong>de</strong>rte Zelt ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r Wahrheit und <strong>de</strong>s Segens. Als aber Eldad und<br />
Medad im Lager weissagten, mußte <strong>de</strong>r Geist Gottes anerkannt wer<strong>de</strong>n, auch wenn sie<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 77
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Josua<br />
nicht zum Zelt gekommen waren. Daher ta<strong>de</strong>lt Mose Josua, weil er nach Menschenweise<br />
und nicht nach <strong>de</strong>r Weise Gottes dachte. Das Herz war im rechten Zustand, aber es hatte<br />
<strong>de</strong>n Rat <strong>de</strong>s Fleisches angenommen und mußte <strong>de</strong>shalb geta<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Diese Zucht war<br />
hart, aber notwendig, und wirksam <strong>als</strong> Vorbereitung für die neue, göttliche Art, in <strong>de</strong>r Gott<br />
Sein Volk führt.<br />
Josua weiß nun, daß er auf sich selbst nicht vertrauen kann und wird beauftragt, das Land<br />
auszukundschaften. Mose zeichnet ihn dadurch aus, daß er ihm <strong>de</strong>n Namen Josua statt<br />
Hosea gibt (4.Mo 13,16). Daraus können wir entnehmen, daß er gemäß seinem neuen<br />
Namen einen neuen Dienst antritt. Bisher war er nur <strong>de</strong>r Diener Moses gewesen und<br />
hatte seine Anordnungen ausgeführt. Nun erhält er mit noch elf an<strong>de</strong>ren Fürsten <strong>de</strong>s<br />
Volkes <strong>de</strong>n Auftrag, das Land auszukundschaften. Nur Kaleb und Josua bringen günstige<br />
Nachricht zurück und bestätigen Gottes Verheißung und die Vortrefflichkeit <strong>de</strong>ssen, was Er<br />
geschworen hatte ihnen zu geben; aber sie stan<strong>de</strong>n allein inmitten <strong>de</strong>s Unglaubens ihrer<br />
Genossen. Wie hart sie geprüft wur<strong>de</strong>n und wie sehr sie die Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Volkes fühlten,<br />
sehen wir daran, daß sie ihre Klei<strong>de</strong>r zerreißen und mutig die Vortrefflichkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />
bestätigen, in<strong>de</strong>m sie erklären, daß ihr Eingang in das Land nicht von ihrer eigenen Stärke<br />
abhängt, son<strong>de</strong>rn davon, ob Jehova Gefallen an ihnen hat. Aber die ganze Gemein<strong>de</strong> sagte,<br />
daß man sie steinigen solle, und nur das Erscheinen <strong>de</strong>r Herrlichkeit Jehovas, die an <strong>de</strong>m<br />
Zelte „allen Kin<strong>de</strong>rn Israel“ erstrahlte, hin<strong>de</strong>rte sie an <strong>de</strong>r Ausführung ihrer bösen Absicht.<br />
Wir sehen hier, wie Gott Josua während seiner Erziehung verschie<strong>de</strong>ne Unterweisungen gibt.<br />
Josua hatte Gott <strong>als</strong> <strong>de</strong>n Befreier kennengelernt, aber hier macht er die erste Bekanntschaft<br />
mit <strong>de</strong>m Land, das Gott Seinem Volk verheißen hatte, und in das er selbst sie einmal führen<br />
sollte.<br />
Mose und Josua hatten in ihrer Stellung <strong>als</strong> Diener verschie<strong>de</strong>ne Aufgaben. Mose führte das<br />
Volk aus Ägypten heraus, Josua führte es in Kanaan ein. Mose ist ein Vorbild auf <strong>de</strong>n Herrn,<br />
Der <strong>de</strong>n Teufel auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> besiegte, Josua, wie Er uns in die gesegneten Ergebnisse <strong>de</strong>s<br />
Lebens und <strong>de</strong>r Ruhe einführt. Um aber für diese große Aufgabe geeignet zu sein, bedurfte<br />
Josua <strong>de</strong>r Erziehung. Er sollte das Land nicht nur sehen, son<strong>de</strong>rn er mußte <strong>de</strong>n Charakter<br />
<strong>de</strong>s Volkes, das er dorthin führen sollte, sehen und erkennen. Und nicht nur das, son<strong>de</strong>rn,<br />
nach<strong>de</strong>m er das Land gesehen hat – nach<strong>de</strong>m er seinen Glauben an Gottes Absicht und an<br />
Seine Macht, sie einzuführen, mit <strong>de</strong>m Herzen bewiesen und mit <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> bekannt hat<br />
und <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand und die Wut dieses Volkes ertragen hat, muß er noch 40<br />
Jahre warten, ehe er das Teil, worauf sein Glaube gewartet hat, sehen und ergreifen kann.<br />
Sicher wur<strong>de</strong> sein Glaube durch die lange Erziehung geprüft. Die Geschichte Josuas wird<br />
hier scheinbar unterbrochen; es ist ihm nicht gelungen, das Volk zum Verständnis seiner<br />
Berufung zu bringen und er zieht sich gewissermaßen vom öffentlichen Leben zurück, aber<br />
nur, um seinen Platz in <strong>de</strong>m Augenblick wie<strong>de</strong>r einzunehmen, in <strong>de</strong>m er dazu berufen wird.<br />
In <strong>de</strong>n 40 Jahren in <strong>de</strong>r Wüste ist sein Glaube sicherlich vertieft wor<strong>de</strong>n. Während er sah,<br />
wie die Ungläubigen einer nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren starben, bis von <strong>de</strong>r alten Generation nur er<br />
und Kaleb übrig waren, bestätigte ihm <strong>de</strong>r Tod je<strong>de</strong>s einzelnen von ihnen, wie gesegnet <strong>de</strong>r<br />
Glaube und wie ver<strong>de</strong>rblich für je<strong>de</strong> Segnung und je<strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>r Unglaube ist. Wie Mose<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Josua<br />
in Midian mußte er 40 Jahre auf Jehova warten und Geduld, die wichtigste Eigenschaft<br />
eines Knechtes Gottes, lernen.<br />
Es hat nie Glauben gegeben, ohne frühere o<strong>de</strong>r spätere Wirksamkeit. So sagt Jakobus:<br />
„Die Schrift ward erfüllt, welche sagt: Abraham aber glaubte Gott, und es wur<strong>de</strong> ihm zur<br />
Gerechtigkeit gerechnet“. Der Glaube muß festgehalten wer<strong>de</strong>n, bis die Wirksamkeit ihn<br />
offenbart, und er stärkt die Seele, weil er Abhängigkeit von Gott ist.<br />
Der Fa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Geschichte Josuas wird dort wie<strong>de</strong>r aufgenommen, wo er abgerissen ist. Er<br />
hatte <strong>de</strong>n Israeliten versichert, daß sie wohl imstan<strong>de</strong> seien, hinzuziehen und das Land in<br />
Besitz zu nehmen. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wüstenreise erscheint Josua wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Schauplatz, da<br />
Mose untauglich ist, das Volk in das Land zu führen. Als die Zeit gekommen ist, wird er zu<br />
diesem beson<strong>de</strong>ren Dienst bestimmt (4.Mo 27,18–22). Er mag sich oft gefragt haben, wohin<br />
<strong>de</strong>r Glaube, <strong>de</strong>r ihn vor 40 Jahren erleuchtet und befähigt hatte, die Herrlichkeit <strong>de</strong>s Erbteils<br />
zu preisen, ihn noch führen wür<strong>de</strong>, aber <strong>de</strong>r Glaube rechtfertigt Gott immer. Je weniger<br />
sichtbare Beweise es gibt, <strong>de</strong>sto mehr ist die Seele auf Gott geworfen, und dadurch wird <strong>de</strong>r<br />
Glaube gestärkt, <strong>de</strong>nn Er bestätigt die Wirklichkeit, unabhängig von allem Äußerlichen.<br />
Josuas Glaube wird vollkommen bestätigt, und nun, „voll Geistes <strong>de</strong>r Weisheit“ und durch<br />
all die Jahre <strong>de</strong>r Erziehung vorbereitet, wird er nicht nur von Mose bestimmt für <strong>de</strong>n Dienst,<br />
son<strong>de</strong>rn persönlich von Jehova mit dieser großen Sendung beauftragt und ermuntert. „je<strong>de</strong>n<br />
Ort, auf <strong>de</strong>n eure Fußsohle freien wird, habe ich euch gegeben“, war das Wort Jehovas an<br />
Josua. Wir können je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r endlosen Fel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Herrlichkeit durchwan<strong>de</strong>rn, die auf ewig<br />
unser sind. Und nicht nur das, ihre Wirklichkeit und ihr Wert wird uns auf Er<strong>de</strong>n bezeugt,<br />
wie bei Stephanus, <strong>als</strong> er Jesus und die Herrlichkeit sah.<br />
Aber wir dürfen nicht vergessen, daß Josua eigentlich <strong>de</strong>r Nachfolger (<strong>de</strong>r Fortsetzer <strong>de</strong>s<br />
Werkes) Moses war, und daß bei<strong>de</strong> – in verschie<strong>de</strong>ner Weise – Vorbil<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Herrn Jesus<br />
sind. Mose führt mich bis zum To<strong>de</strong> Christi; Josua führt mich siegreich aus <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> heraus.<br />
Daher sagt Jehova, <strong>als</strong> er Josua, <strong>de</strong>m Sohn Nuns, „<strong>de</strong>m Diener Moses“, seinen Auftrag gibt:<br />
„Mein Knecht Mose ist gestorben; und nun, mache dich auf, gehe über diesen Jordan, du<br />
und dieses ganze Volk, in das Land, das ich ihnen . . . gebe . . . Sei stark und mutig! <strong>de</strong>nn du,<br />
du sollst diesem Volk das Land <strong>als</strong> Erbe austeilen, das ich ihren Vätern geschworen habe,<br />
ihnen zu geben“. Demzufolge sollte er sie nicht nur zu ihrem Besitz führen, son<strong>de</strong>rn ihnen<br />
dadurch, daß er das Erbe austeilte, einen festen Platz geben. Das ist ein Vorbild auf das En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Werkes unseres Herrn, das Er ankündigte, <strong>als</strong> Er sagte: Ich gehe hin, euch eine Stätte<br />
zu bereiten“. Josuas Dienst ist erst vollen<strong>de</strong>t, wenn er dies vollbracht hat. Daher fin<strong>de</strong>n<br />
wir im zweiten Teil seiner Geschichte die Prüfungen und Schwierigkeiten, die ihm bei <strong>de</strong>r<br />
Erfüllung dieser Aufgabe entgegentreten.<br />
Schon Jahre vorher hatte Josua geglaubt, daß Gott sie in das Land bringen könnte und wür<strong>de</strong>.<br />
Das war <strong>de</strong>r feste Grund Josuas, <strong>de</strong>nn „ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen“.<br />
Aber nun wird das, was er im Glauben solange genossen hat, Wirklichkeit, und er ist nicht<br />
träge darin. Er kündigt <strong>de</strong>n Vorstehern an: „In noch drei Tagen wer<strong>de</strong>t ihr über diesen<br />
Jordan ziehen, um hinzukommen, das Land in Besitz zu nehmen“. „Bereitet euch Zehrung“,<br />
sagt er. Sie sollten sich mit ganzem Herzen, aber mit heiliger Ruhe auf <strong>de</strong>n Weg machen.<br />
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Josua<br />
„Heiliget euch; <strong>de</strong>nn morgen wird Jehova in eurer Mitte Wun<strong>de</strong>r tun“. Ich übergehe die<br />
wun<strong>de</strong>rbare Szene <strong>de</strong>s Durchzugs durch <strong>de</strong>n Jordan mit ihrer Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>nn darüber ist<br />
an an<strong>de</strong>rer Stelle ausführlich geschrieben wor<strong>de</strong>n; wir haben es hier nur mit <strong>de</strong>r Beziehung<br />
Jehovas zu Josua zutun. Die Absicht Jehovas hinsichtlich Josuas wird in Josua 3,7 und<br />
Josua 4,14 <strong>de</strong>utlich: „An diesem Tage will ich beginnen, dich in <strong>de</strong>n Augen von ganz Israel<br />
groß zu machen“. Fast <strong>als</strong> einziger war er 40 Jahre zuvor fest für Gottes Absicht und Macht<br />
inmitten <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>s Unglaubens <strong>de</strong>s Volkes eingestan<strong>de</strong>n. Nun sollte er vor<br />
ganz Israel großgemacht wer<strong>de</strong>n, und die Gegenwart Jehovas mit ihm wur<strong>de</strong> eine ebenso<br />
große Tatsache wie bei Mose. Es war ein herrlicher Augenblick in seiner Geschichte, und<br />
er entsprach <strong>de</strong>m Charakter seines Glaubens. Auf <strong>de</strong>r einen Seite ist Josua ein Vorbild auf<br />
<strong>de</strong>n Herrn Jesu in seinem Gelingen, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ist er ein Beispiel für uns in <strong>de</strong>n<br />
Kämpfen, durch die er geht, ehe er <strong>de</strong>n Erfolg erreicht.<br />
Ich will keine Lebensbeschreibung Josuas geben und muß mich daher (nach<strong>de</strong>m ich nur<br />
seine großen Taten aufgezählt habe) auf die Übungen beschränken, durch die seine Seele<br />
geht. Seine erste Tat <strong>als</strong> Führer ist <strong>de</strong>r Durchgang durch <strong>de</strong>n Jordan; sodann die Abwälzung<br />
<strong>de</strong>r Schan<strong>de</strong> Ägyptens bei Gilgal; und schließlich <strong>de</strong>r Fall Jerichos o<strong>de</strong>r die Inbesitznahme<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s und die Austeilung <strong>de</strong>s Erbteiles (Jos 15). Das sind seine großen Taten. Seine<br />
Übungen können wir mehr ins Einzelne gehend betrachten, die erste ist die Nie<strong>de</strong>rlage<br />
von Ai (Kap. 7). Sie war die erste Nie<strong>de</strong>rlage seiner glänzen<strong>de</strong>n Laufbahn. Der Jordan<br />
war durchschritten, die Schan<strong>de</strong> Ägyptens abgewälzt, die Mauern Jerichos durch Glauben<br />
gestürzt und das Land auf herrliche Weise in Besitz genommen – wie groß muß seine Not<br />
und Enttäuschung gewesen sein, <strong>als</strong> er Israel vor <strong>de</strong>n Männern von Ai fliehen sah! Das hatte<br />
er schwerlich erwartet. Segen und Erfolg waren bisher seine Begleiter gewesen, aber jetzt<br />
befand er sich in großer Not. Er zerriß seine Klei<strong>de</strong>r und fiel zur Er<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>r. Er erfährt zum<br />
ersten Mal, wie leicht <strong>de</strong>r Mensch im Augenblick <strong>de</strong>r vollsten Segnungen fallen kann. Er<br />
hatte das Versagen <strong>de</strong>s Volkes in <strong>de</strong>r Wüste gesehen, diese Nie<strong>de</strong>rlage aber fin<strong>de</strong>t in Kanaan<br />
statt, und das verursacht seiner Seele beson<strong>de</strong>re Qual. Wie gut verstehen wir seinen Schrei:<br />
„Bitte, Herr, was soll ich sagen, nach<strong>de</strong>m Israel vor seinen Fein<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Rücken gekehrt hat“?<br />
je größer die Wahrheit und die Segnung ist, die das Herz kennt und genießt, <strong>de</strong>sto größer ist<br />
die Bestürzung, die eine Nie<strong>de</strong>rlage in <strong>de</strong>m Herzen hervorruft, das <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes<br />
treu ist.<br />
Aber Josua hatte, wie viele von uns, in diesem Abschnitt seiner Geschichte etwas Wichtiges<br />
zu lernen: alles was wir früher erworben o<strong>de</strong>r genossen haben, vermag uns nicht vor<br />
Nie<strong>de</strong>rlage o<strong>de</strong>r Fall zu bewahren, wenn wir im Herzen Grundsätze o<strong>de</strong>r Tatsachen, die im<br />
Wi<strong>de</strong>rspruch zu Gott stehen, gedul<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r uns damit vereinigt haben. In Unkenntnis <strong>de</strong>r<br />
Ursache betet, trauert Josua und macht Jehova sogar Vorhaltungen. Sein Glaube schwankt<br />
in <strong>de</strong>r Größe seiner Not. Aber aus <strong>de</strong>m Ta<strong>de</strong>l Jehovas sehen wir, daß es ihm an geistlicher<br />
Weisheit mangelte, <strong>de</strong>nn sonst hätte er, so wie er Gott kannte, schließen müssen, daß<br />
Er nicht zugelassen hätte, daß Sein Volk eine Nie<strong>de</strong>rlage erlitt, wenn nicht eine böse<br />
Abweichung von Ihm vorhan<strong>de</strong>n wäre. Er hätte das verborgene Böse suchen sollen, statt<br />
Jehova Vorwürfe zu machen. Das Gebet kann nie Nachlässigkeit im Werk wie<strong>de</strong>rgutmachen;<br />
es führt zum Werk, – sucht Kraft und Licht für das Werk, aber wenn ich das Licht, das ich<br />
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Josua<br />
schon besitze, nicht gebrauche, wird kein Gebet mir mehr Licht verschaffen, <strong>de</strong>nn wenn ich<br />
<strong>de</strong>r Offenbarung, die ich empfangen habe, nicht glaube, bin ich nicht imstan<strong>de</strong>, mehr zu<br />
empfangen.<br />
Jehova schilt Josua, weil er vor Ihm in unwissen<strong>de</strong>r, untätiger Trauer liegt. Er sagt: „Stehe<br />
auf! Warum liegst du <strong>de</strong>nn auf <strong>de</strong>inem Angesicht? Israel hat gesündigt . . . und auch haben<br />
sie von <strong>de</strong>m Verbannten genommen“. Dann fährt Er fort und kündigt an, was getan wer<strong>de</strong>n<br />
muß, um Seine Gegenwart unter ihnen wie<strong>de</strong>rzuerlangen.<br />
Wir sehen, daß Israel das Erbe jetzt antrat, das uns Gottes Königreich und das himmlische<br />
Teil Seiner Heiligen vorstellt. Sie waren ein Volk. Die Sün<strong>de</strong> eines einzigen betraf das ganze<br />
Volk. Bei uns ist die Einheit geistlich, und es sollte uns eine Mahnung sein, daß, wenn<br />
unter solchen, die nur nach <strong>de</strong>m Fleische verbun<strong>de</strong>n waren, durch die Sün<strong>de</strong> eines Mannes<br />
solch ein offenbares Unglück hervorgerufen wur<strong>de</strong>, das in viel stärkerem Maße in <strong>de</strong>r<br />
Versammlung <strong>de</strong>r Fall ist, wo je<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist ein Glied <strong>de</strong>s einen Leibes ist.<br />
Es war neu für Josua, das das heimliche Abweichen von Gott dieses einen Mannes im Heer<br />
auf so unheilvolle Weise das Vorschreiten und <strong>de</strong>n Segen ganz Israels unterbrechen konnte.<br />
Er ist dadurch erschüttert und läßt nahezu seinen Glauben, <strong>de</strong>r ihn so kennzeichnete, fahren.<br />
Aber welch ein wahres Verständnis <strong>de</strong>r Größe und Herrlichkeit Gottes hat er in <strong>de</strong>r tiefsten<br />
Not! „Was wirst du für <strong>de</strong>inen großen Namen tun?“ ist seine erste Frage.<br />
Zunächst ordnet Jehova an, Nachforschungen anzustellen. Die ganze Gemein<strong>de</strong> muß vor<br />
Ihm erscheinen. Große Sorgfalt, geduldige und vorsichtige Untersuchung ist notwendig.<br />
Das Los fällt, aber die Entscheidung liegt bei Jehova.<br />
Nun zeigt Josua, daß er <strong>de</strong>r Lage gewachsen ist. Er steht „<strong>de</strong>s Morgens früh auf“, um die<br />
Ursache zu ent<strong>de</strong>cken, und rasch und entschlossen wird das Urteil ausgesprochen und an<br />
<strong>de</strong>m Übertreter vollzogen. „Da nahm Josua Achan . . . und das Silber und <strong>de</strong>n Mantel und die<br />
gol<strong>de</strong>ne Stange und seine Söhne und seine Töchter, und seine Rin<strong>de</strong>r und seine Esel und sein<br />
Kleinvieh und sein Zelt und alles, was er hatte und sie brachten sie hinauf in das Tal Achor.<br />
Und Josua sprach: Wie hast du uns in Trübsal gebracht! Jehova wird dich in Trübsal bringen<br />
an diesem Tage! Und ganz Israel steinigte ihn, und sie verbrannten sie mit Feuer . . . “ Nicht<br />
ein Stück seines Besitzes wird verschont. So bezeugt Josua, das, je näher ein Mensch Gott<br />
ist, und je größer die Segnungen sind, die er genießt, <strong>de</strong>sto vollkommener und ein<strong>de</strong>utiger<br />
muß er alles und je<strong>de</strong>n brandmarken, <strong>de</strong>r Seine Herrlichkeit schmälert. Der Josua, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
äußeren Feind nicht fürchtet, <strong>de</strong>r gesehen hat, wie die ganze Schöpfung sich vor seinen<br />
siegen<strong>de</strong>n Schritten beugte, ist <strong>de</strong>rselbe, <strong>de</strong>r so treu und wirksam das Böse im Innern<br />
hinaustut. Bei<strong>de</strong>s ist untrennbar miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Macht bleibt Macht, in welcher<br />
Weise sie auch immer ausgeübt wer<strong>de</strong>n mag. Macht über <strong>de</strong>n Kanaaniter, <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rsacher<br />
<strong>de</strong>r Verwirklichung unseres himmlischen Erbes, verbürgt auch Macht über das Böse im<br />
Innern. Das eine hatte Josua auf ruhmvolle Weise, mit erhobener Hand, kennengelernt, das<br />
an<strong>de</strong>re erfährt er jetzt gebeugt und kummervoll in geheimer Zwiesprache mit Gott, aber mit<br />
<strong>de</strong>rselben wun<strong>de</strong>r<strong>de</strong>rbaren Dazwischenkunft Seiner Macht. Laßt uns stets daran <strong>de</strong>nken: je<br />
größer unsere Siege hinsichtlich <strong>de</strong>s Erbes, <strong>de</strong>sto strenger muß die Abson<strong>de</strong>rung von allem,<br />
was nicht in Übereinstimmung mit Gott ist, sein.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Josua<br />
Die Sün<strong>de</strong> Achans war nicht von gewöhnlicher Art. Sie war doppelt schwer, eine doppelte<br />
Übertretung <strong>de</strong>s Gebotes Gottes, und daher verhängnisvoll für einen himmlischen Streiter.<br />
Er hatte einen von Gott verfluchten Mantel, und Gold und Silber, das <strong>de</strong>m Schatz Jehovas<br />
gehörte, genommen. Er bewies dadurch die Ver<strong>de</strong>rbtheit <strong>de</strong>s Herzens, das die Treulosigkeit<br />
besitzt, seinen eigenen Vorteil und Genuß zu suchen, während es die Beweise <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
vor Augen hat.<br />
Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> dieser großen Übung erfährt Josua, wie er Ai besiegen kann. Nicht öffentlich<br />
und mit Macht, wie bei Jericho, <strong>de</strong>nn die Sün<strong>de</strong> hat ihre Folgen, auch wenn <strong>de</strong>r Riß geheilt<br />
ist. Die Eroberung ist jedoch nicht weniger wirkungsvoll, und <strong>de</strong>r Glaube erkennt die<br />
gleiche geistliche Kraft, obwohl das Heer nicht beson<strong>de</strong>rs hervortritt. Aber Josua muß<br />
noch lernen, und in Kap. 9 wird eine neue Art <strong>de</strong>r Übung dargestellt, die wie<strong>de</strong>rum durch<br />
vorübergehen<strong>de</strong>n Mangel an Abhängigkeit von Gott bei ihm und <strong>de</strong>n Fürsten hervorgerufen<br />
wur<strong>de</strong>. Der Fallstrick liegt nur nicht innerhalb son<strong>de</strong>rn außerhalb <strong>de</strong>s Volkes. Die Gibeoniter<br />
„han<strong>de</strong>lten mit List“ und täuschen Josua, so daß er Frie<strong>de</strong>n mit ihnen schließt, ohne Jehova<br />
um Rat zu fragen. Darin lag <strong>de</strong>r Grund <strong>de</strong>s Falles, <strong>de</strong>nn sobald die Abhängigkeit von Gott<br />
nur einen Augenblick aufgegeben wird, und sei es in <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> eines Sieges, muß unfehlbar<br />
Versagen daraus hervorkommen.<br />
Das hatte Josua <strong>als</strong> erstes beim Streit gegen Amalek erfahren, wie wir gesehen haben, und<br />
sogar jetzt noch, nach so vielen Jahren <strong>de</strong>r Erziehung und <strong>de</strong>s Krieges, wird dadurch sein<br />
Vormarsch gehemmt. Die Sün<strong>de</strong> Achans war gegen Gott; die <strong>de</strong>r Gibeoniter mehr gegen<br />
Israel gerichtet; <strong>de</strong>r Mensch wollte vor seinem Mitmenschen <strong>als</strong> etwas an<strong>de</strong>res erscheinen,<br />
<strong>als</strong> er war, damit er aufgenommen wür<strong>de</strong>, Die Sün<strong>de</strong> war eine an<strong>de</strong>re, <strong>als</strong>o ist auch die<br />
Strafe an<strong>de</strong>rs geartet; bei Achan gab es nur gänzliche, nichts verschonen<strong>de</strong> Verdammung,<br />
hier ständige, öffentliche Strafe. Die Betrüger erhalten die schwerste Strafe: sie wer<strong>de</strong>n<br />
Knechte Israels. aber die Betrogenen, d. h. Israel, lei<strong>de</strong>n auch, <strong>de</strong>nn wären sie <strong>de</strong>n Wegen<br />
und <strong>de</strong>m Willen Jehovas gefolgt, wäre die Unterwerfung vollständig gewesen. Gewiß hatte<br />
Josua in all <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Übungen <strong>de</strong>n Willen Gottes klarer erkannt. Unmittelbar<br />
hierauf beginnt sein ruhmvoller, ununterbrochener Siegeszug, und bis zum En<strong>de</strong> seines<br />
Weges erhält er keine Nie<strong>de</strong>rlage mehr. Von Gott hoch geehrt, unterwirft er einen Feind<br />
nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren, und Jehova hält „auf die Stimme eines Menschen“ (Kap. 10,14) selbst<br />
<strong>de</strong>n Lauf <strong>de</strong>r Natur an (Sonne und Mond bleiben stehen). Welch ein Augenblick muß es<br />
gewesen sein, <strong>als</strong> Josua und sein Heer die Fein<strong>de</strong> endgültig besiegt und vernichtet hatten,<br />
von Ka<strong>de</strong>s–Barnea bis Gaza, – Ka<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Schauplatz <strong>de</strong>s früheren Unglaubens <strong>de</strong>s Volkes<br />
und <strong>de</strong>s festen, unwan<strong>de</strong>lbaren Glaubens Josuas!<br />
Der nächste wichtige Abschnitt ist die Verteilung <strong>de</strong>s Erbes an die Stämme (Kap. 13–19)<br />
gemäß <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren Gebot Jehovas. Nach<strong>de</strong>m Josua dies been<strong>de</strong>t hat, erhält er selbst ein<br />
persönliches Erbteil (19, 49–50), in <strong>de</strong>m er eine Stadt baute und darin wohnte.<br />
Josuas Taten stellen uns vier verschie<strong>de</strong>ne mit <strong>de</strong>m neuen, himmlischen Erbe in Verbindung<br />
stehen<strong>de</strong> Segnungen vor:<br />
1. Das Durchschreiten <strong>de</strong>s Jordans (Kap. 3).<br />
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Josua<br />
2.Die Abwälzung <strong>de</strong>r Schan<strong>de</strong> Ägyptens (Kap. 5).<br />
3. Die Einnahme Jerichos usw. (Kap. 6–12).<br />
4. Die Austeilung <strong>de</strong>s Erbes (Kap. 13–19).<br />
An<strong>de</strong>rerseits erhielt er drei wichtige Lehren in Verbindung mit seiner Führerschaft in das<br />
Land Kanaan hinein.<br />
1. Er mußte erfahren, wie das ganze Heer geschwächt und seine Kraft durch die Sün<strong>de</strong> eines<br />
Mannes beraubt wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
2. Er wur<strong>de</strong> selbst betrogen und verführt, weil er es unterlassen hatte, <strong>de</strong>n Rat Jehovas zu<br />
befragen.<br />
3. Als letztes erkannte er, wie wenig er sich darauf verlassen konnte, daß die Gemein<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r Israel <strong>de</strong>m Platz und <strong>de</strong>m Weg <strong>de</strong>s Segens anhing, zu <strong>de</strong>m sie berufen waren. Das<br />
wird uns in <strong>de</strong>n Kapiteln 23–24 <strong>als</strong> Schlußszene dargestellt.<br />
Er hatte das Volk durch Gottes Güte zu wun<strong>de</strong>rbaren Segen geführt. Gott war treu gewesen,<br />
aber sie wollten we<strong>de</strong>r treu noch Zeugen Seiner Gna<strong>de</strong> sein. Welch ein Kummer für Josua,<br />
nach<strong>de</strong>m alles gemäß <strong>de</strong>r Verheißung Gottes erfüllt und sein eigener Glaube vollkommen<br />
bestätigt war, zu wissen, daß er auf die Gemein<strong>de</strong> kein Vertrauen setzen konnte! Diese<br />
Überzeugung muß er schon in <strong>de</strong>m Augenblick gewonnen haben, da er aus <strong>de</strong>m Lager das<br />
Geschrei <strong>de</strong>r Abgötterei hörte, <strong>als</strong> mit Mose vom heiligen Berge herabstieg; und wir sehen<br />
wie<strong>de</strong>r, wie schon oft, daß die Übungen am Anfang und am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Weges sich entsprechen.<br />
Wie schmerzlich für die Seele, voraussehen zu müssen, daß in kurzer Zeit wenige o<strong>de</strong>r<br />
niemand die Segnungen zu würdigen weiß, die er ihnen vorgestellt hat und an <strong>de</strong>ren Genuß<br />
sie sich so lange erfreut haben! Dasselbe erfuhr Paulus, <strong>als</strong> alle, die in Asien waren, sich<br />
von ihm abgewandt hatten (2. Tim. 1).<br />
Aber was war seine Hilfsquelle? „Er nahm einen großen Stein und richtete ihn daselbst auf<br />
unter <strong>de</strong>r Terebinthe, die bei <strong>de</strong>m Heiligtum Jehovas steht. Und Josua sprach zu <strong>de</strong>m ganzen<br />
Volke: Siehe dieser Stein soll Zeuge gegen uns sein, <strong>de</strong>nn er hat alle Worte Jehovas gehört,<br />
die er mit uns gere<strong>de</strong>t hat; und er soll Zeuge gegen euch sein, damit ihr euren Gott nicht<br />
verleugnet“. Dieser Stein ist ein Bild von Christus, und im Blick auf Ihn <strong>als</strong> <strong>de</strong>n einzigen<br />
„treuen Zeugen“ beschließt Josua seinen Weg. In seiner letzten Zeit beweist er noch einmal,<br />
wie wirksam die Erziehung Gottes gewesen war, <strong>de</strong>nn jetzt ruhte sein Herz nur in Ihm,<br />
Den dieser Stein vorbildlich darstellte. Daher hält er in <strong>de</strong>r Abhängigkeit eines von Gott<br />
Belehrten die Wahrheit Gottes aufrichtig fest, ohne von Menschen irgen<strong>de</strong>twas zu erhoffen,<br />
aber sicher und ruhig, weil seine Hoffnung auf Gott ist.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
Um Gi<strong>de</strong>ons Geschichte und seinen Dienst verstehen und würdigen zu können, müssen<br />
wir <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s Volkes Gottes überschauen, <strong>als</strong> Gi<strong>de</strong>on berufen wur<strong>de</strong>, ein Zeuge und<br />
Diener unter ihnen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Israel war sieben Jahre von Midian unterdrückt und beherrscht wor<strong>de</strong>n. Ihre Fein<strong>de</strong><br />
herrschten eine vollkommene Zeit (7) über sie, weil sie gegen die Herrschaft Gottes aufsässig<br />
gewor<strong>de</strong>n waren; so erfahren sie im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Segens und <strong>de</strong>r Vorrechte <strong>de</strong>n Gegensatz<br />
zwischen <strong>de</strong>r Herrschaft Gottes und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Menschen. Wir wer<strong>de</strong>n immer von irgend<br />
jemand o<strong>de</strong>r irgend etwas beherrscht; wenn nicht von Gott, dann von <strong>de</strong>r Macht, die Gott<br />
und Seinem Volke feindlich ist; und wir wer<strong>de</strong>n dieser Macht oft unterworfen, um zu<br />
erkennen, wieviel besser die Macht Gottes ist <strong>als</strong> die Macht <strong>de</strong>r Welt, unter <strong>de</strong>r wir gequält<br />
und aufgerieben wer<strong>de</strong>n. Dieser Zucht sind alle Kin<strong>de</strong>r Gottes ausgesetzt, und die Kirche<br />
hat sie auf bittere Weise erfahren; <strong>de</strong>nn statt ihre Vorrechte und Segnungen zu genießen,<br />
hat sie sich <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Welt unterworfen. Gequält und beunruhigt suchen viele <strong>de</strong>r<br />
Treuen hier und da, in <strong>de</strong>n Klüften <strong>de</strong>r Berge, <strong>de</strong>n Höhlen und Bergfesten, um eine kurze<br />
Ruhepause von <strong>de</strong>r drücken<strong>de</strong>n Herrschaft zu genießen, die zugelassen wor<strong>de</strong>n ist, weil die<br />
Kirche die Autorität Christi abgewiesen hat.<br />
Der größte Diener lei<strong>de</strong>t am schwersten; er muß <strong>de</strong>n Zustand vollkommen erkannt haben,<br />
ehe er han<strong>de</strong>ln kann. Er muß mit <strong>de</strong>m Volke unter <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Prüfung gelitten<br />
haben; er muß die Tiefen <strong>de</strong>s Elends, zu <strong>de</strong>nen sie geführt wur<strong>de</strong>n, erfahren haben; wenn<br />
er nicht weiß, woher und wohin er das Volk heraufführen soll, kann er ihm nicht seinen<br />
Bedürfnissen entsprechend helfen. Er muß Geduld haben und <strong>de</strong>n Schmerz <strong>de</strong>s Urteils<br />
kennen, wenn er die Befreiung, die er herbeiführen soll, richtig würdigen soll. Paulus war<br />
<strong>de</strong>r frommste Pharisäer und wußte am besten um die bösen Auswirkungen <strong>de</strong>r Vorurteile<br />
<strong>de</strong>r Pharisäer. Daher konnte er sie, nach<strong>de</strong>m er von Gott belehrt war, am wirksamsten<br />
und treffendsten bloßstellen und zum Schweigen bringen. Er, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r alten Natur in<br />
die Tiefen dieser Vorurteile eingedrungen war, konnte unter <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> keines von ihnen<br />
unaufge<strong>de</strong>ckt und unerkannt lassen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr bereitet Seine Diener zu, gera<strong>de</strong> das<br />
Böse anzuprangern, wozu sie ihre eigene alte Natur geleitet hat. „Und du, bist du einst<br />
zurückgekehrt, so stärke <strong>de</strong>ine Brü<strong>de</strong>r“.<br />
So wur<strong>de</strong> Gi<strong>de</strong>on vorbereitet; noch nicht durch die Erkenntnis seiner eigenen bösen Natur,<br />
son<strong>de</strong>rn durch die praktische Einsmachung mit <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen sich das Volk Israel<br />
auf Grund seiner Verfehlungen befand. Er litt mit ihnen und hatte sicher mit eingestimmt,<br />
<strong>als</strong> sie wegen <strong>de</strong>r Midianiter zu Jehova schrien. Aber ehe er <strong>als</strong> Befreier auf <strong>de</strong>m Schauplatz<br />
in Erscheinung tritt, gibt Jehova eine Antwort auf das Schreien, in<strong>de</strong>m er (durch <strong>de</strong>n Mund<br />
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Gi<strong>de</strong>on<br />
eines Propheten) <strong>de</strong>m Volk vor Augen führt, wie es von Ihm abgewichen war (Ri 6,8–10).<br />
Zuerst zeigt <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Seele ihren Abfall und ihre Verfehlung. Das Wort Gottes ist<br />
„durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist . . . und ein Beurteiler <strong>de</strong>r Gedanken<br />
und Gesinnungen <strong>de</strong>s Herzens“. Es offenbart <strong>de</strong>r Seele ihren wahren Zustand, und die<br />
Propheten haben immer durch das Wort zu <strong>de</strong>n Seelen gere<strong>de</strong>t. Durch sie wur<strong>de</strong>n die<br />
Geheimnisse <strong>de</strong>r Herzen geoffenbart und nachgewiesen. Als <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>m samaritischen<br />
Weibe ihren sittlichen Zustand geoffenbart hatte, erklärte sie Ihn sofort für einen Propheten.<br />
Auch hier sehen wir, wie die Israeliten durch die Überführung ihres Gewissens auf die<br />
nahen<strong>de</strong> Befreiung vorbereitet wer<strong>de</strong>n. Unmittelbar danach eröffnet <strong>de</strong>r Engel Jehovas die<br />
Verbindung zu <strong>de</strong>m ausersehenen Befreier, <strong>de</strong>ssen Eignung für das Werk in seiner Stellung<br />
und seiner Beschäftigung zum Ausdruck kommt. „Und Gi<strong>de</strong>on . . . schlug eben Weizen aus<br />
in <strong>de</strong>r Kelter, um ihn vor Midian zu flüchten“. Das kennzeichnet diesen Mann. Das Eisen war<br />
in seine Seele gedrungen, aber seine Kraft hatte ihn am Tage <strong>de</strong>s Unglücks nicht verlassen,<br />
und wahre Kraft zeigt sich gera<strong>de</strong> darin, daß sie in <strong>de</strong>m Augenblick, da sie gebraucht wird,<br />
vorhan<strong>de</strong>n ist; die Not bringt eine sonst verborgene Fähigkeit ans Licht. Gi<strong>de</strong>ons Kraft<br />
war <strong>de</strong>r Lage gewachsen; er stärkte das Übrige, das sterben wollte, und während er so<br />
seine Treue im Geringsten offenbarte, offenbart sich ihm <strong>de</strong>r Engel Jehovas, nach<strong>de</strong>m er<br />
ihn beobachtet hat, und sagt zu ihm: „Jehova ist mit dir, du tapferer Held“. Scheinbar eine<br />
eigenartige Anre<strong>de</strong> für einen armen Mann, <strong>de</strong>r Weizen drischt! Aber Jehova schätzt ihn<br />
nicht <strong>als</strong> Menschen; Er kennt das Gefäß, das Er gebrauchen kann und Er weiß, was es<br />
vollbringen kann. Der Apostel Paulus sagt: „Er hat mich treu erachtet, in<strong>de</strong>m er (mich) in<br />
<strong>de</strong>n Dienst stellte . . . “ Er bezeichnet Gi<strong>de</strong>on <strong>als</strong> einen „tapferen Hel<strong>de</strong>n“, weil Er Gi<strong>de</strong>ons<br />
Bemühungen, <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Segnungen zu verwahren, würdigt, und Er beruft ihn zu einer<br />
erhabeneren Sendung und zu einem größeren Dienst.<br />
Offenbar hatte Gi<strong>de</strong>on über die Wege Jehovas nachgedacht, <strong>de</strong>nn er antwortet: „Bitte, mein<br />
Herr! wenn Jehova mit uns ist, warum hat <strong>de</strong>nn dieses alles uns betroffen? Und wo sind<br />
alle seine Wun<strong>de</strong>r, die unsere Väter uns erzählt haben, in<strong>de</strong>m sie sprachen: Hat Jehova uns<br />
nicht aus Ägypten herauf geführt? Und nun hat Jehova uns verlassen und uns in die Hand<br />
Midians gegeben“. An dieser Erwi<strong>de</strong>rung sehen wir, daß er nicht nur wußte, wie Jehova in<br />
früheren Zeiten mit Israel gehan<strong>de</strong>lt hatte, son<strong>de</strong>rn auch, daß sie sich nun unter Seinem<br />
Gericht befan<strong>de</strong>n. In bei<strong>de</strong>m sah er Gott allein. Daher „wandte sich Jehova zu ihm“ und<br />
befahl ihm: „Gehe hin in dieser <strong>de</strong>iner Kraft, und rette Israel aus <strong>de</strong>r Hand Midians! Habe<br />
ich dich nicht gesandt“? Der Knecht Gottes muß wissen und glauben, daß in Gott die Macht<br />
ist, die ihn allein aufrichten und nie<strong>de</strong>rwerfen kann; das ist <strong>de</strong>r Grundstein <strong>de</strong>r Seele für<br />
je<strong>de</strong> Befreiung.<br />
Gi<strong>de</strong>on wußte das; aber es ist ein großer Unterschied, ob man anerkennt, daß alle Macht<br />
Gott gehört, o<strong>de</strong>r sieht, daß sie für uns wirksam ist; und da jene Überzeugung uns unsere<br />
eigene Machtlosigkeit um so mehr fühlen läßt, wird sie Verzagtheit hervorrufen, wenn wir<br />
nicht in <strong>de</strong>r Sicherheit ruhen, daß Gott für uns und durch uns han<strong>de</strong>lt. Gi<strong>de</strong>on kann nicht<br />
sehen, wie die Verbindung zwischen Gott und Menschen zustan<strong>de</strong>kommen soll, so daß <strong>de</strong>r<br />
Mensch Gottes Macht und Willen ausführen kann und er macht seine Unbe<strong>de</strong>utendheit<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 85
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
und Unzulänglichkeit geltend. Aber Jehova gibt ihm eine Verheißung, um ihn zu stärken:<br />
„Ich wer<strong>de</strong> mit dir sein, und du wirst Midian schlagen wie einen Mann“.<br />
So groß diese Verheißung war, Gi<strong>de</strong>on war nicht fähig, sie für sich in Anspruch zu nehmen;<br />
so wun<strong>de</strong>rbar sie seinen Umstän<strong>de</strong>n entgegenkam, er vermochte nicht, sie anzunehmen, bis<br />
zu <strong>de</strong>m Augenblick, da er in seiner Seele die Verbindung zwischen sich und Gott erfährt und<br />
seiner Annahme sicher ist. Dann ruft er: „Wenn ich <strong>de</strong>nn Gna<strong>de</strong> in <strong>de</strong>inen Augen gefun<strong>de</strong>n<br />
habe, so gib mir ein Zeichen, daß du es bist, <strong>de</strong>r mit mir re<strong>de</strong>t“. Dann bringt er sein Opfer,<br />
das er nach <strong>de</strong>n Anweisungen <strong>de</strong>s Engels darbringt (V. 18–22); Jehova nimmt das Opfer an,<br />
läßt es verbrennen und entschwin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Augen Gi<strong>de</strong>ons, <strong>als</strong> Er ihm <strong>de</strong>n unzweifelhaften<br />
Beweis nicht nur Seiner Gegenwart und Macht, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Annahme Gi<strong>de</strong>ons gegeben<br />
hat. Gi<strong>de</strong>on hatte ein Zeichen erbeten, damit seine Seele in <strong>de</strong>m großen, ihm aufgetragenen<br />
Dienst auf die verheißene Hilfe Gottes vertrauen könne. Denn <strong>als</strong> gefallener, von Gott<br />
entfrem<strong>de</strong>ter Mensch sah er keinen Grund für die Abhängigkeit, und die Annahme seines<br />
Opfers ist beinahe zu viel für ihn. Die Offenbarung Jehovas überzeugt Gi<strong>de</strong>on von Seiner<br />
Nähe, die natürlicherweise für ihn <strong>de</strong>n Tod be<strong>de</strong>utet, was er auch erkennt, <strong>de</strong>nn er ruft aus:<br />
„Ach, Herr Jehova!<br />
Dieweil ich <strong>de</strong>n Engel Jehovas gesehen habe von Angesicht zu Angesicht1 Aber das<br />
Wort Jehovas beruhigt seine Seele. „Frie<strong>de</strong> dir! fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben“.<br />
Daraufhin baut Gi<strong>de</strong>on einen Altar, <strong>de</strong>r die Beziehung zeigt, in <strong>de</strong>r er nun zu Gott steht, und<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r feste Grund seiner Seele ist, ehe er seinen Dienst beginnt. Der Altar, die Grundlage<br />
seines Nahens, heißt: Jehova–Schalom (Jehova ist Frie<strong>de</strong>).<br />
Auf diese Weise wird Gi<strong>de</strong>on für das Werk, zu <strong>de</strong>m er berufen ist, vorbereitet, und es ist für<br />
je<strong>de</strong>n Diener nützlich, inwieweit er in gleicher Weise für <strong>de</strong>n Dienst zubereitet wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Ich habe diese Vorbereitungen so eingehend behan<strong>de</strong>lt, weil ich erst dann meine eigenen<br />
Interessen von <strong>de</strong>r Vermischung mit <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>s Dienstes, zu <strong>de</strong>m ich berufen bin,<br />
fernhalten kann, wenn ich meiner Annehmung bei Gott und meiner Ruhe in Ihm sicher bin.<br />
Viele versuchen, <strong>de</strong>m Herrn zu dienen und hoffen, dadurch Ruhe und Frie<strong>de</strong>n für ihre<br />
Seelen zu erlangen. Sie hören nicht auf mit <strong>de</strong>m Dienst und bewerten ihn danach, ob er<br />
ihnen die ersehnte Erleichterung bringt. Zwar muß je<strong>de</strong> Seele, die für Gott wirkt, in <strong>de</strong>m<br />
Wissen um Seine Gna<strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t sein, aber wenn dies zum Gegenstand gemacht wird,<br />
wird <strong>de</strong>r Dienst von seinem wahren Zweck entfrem<strong>de</strong>t, und seine eigentliche Triebkraft<br />
geht verloren. Nur eine in Gott glückliche Seele kann wahren Dienst ausüben, <strong>de</strong>nn sie ist<br />
glücklich, Sein Mitarbeiter zu sein. Der Dienst darf nicht durch seine Wirkungen auf mich<br />
beeinflußt wer<strong>de</strong>n, er muß ausschließlich im Blick auf <strong>de</strong>n Willen Gottes getan wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie<strong>de</strong>rum versuchen an<strong>de</strong>re zu dienen, ohne dazu befähigt zu sein; sie sind bei öffentlichem<br />
Auftreten beständig mit sich selbst beschäftigt. Entwe<strong>de</strong>r wissen sie nicht, wo sie Ruhe und<br />
Frie<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n können, o<strong>de</strong>r, wenn sie bei<strong>de</strong>s gefun<strong>de</strong>n haben, wan<strong>de</strong>ln sie nicht in <strong>de</strong>r<br />
Kraft, die <strong>de</strong>r Glaube mit &ich bringt.<br />
Nach<strong>de</strong>m Gi<strong>de</strong>on bei Jehova–Schalom angebetet hat (<strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Altars verrät die Art<br />
<strong>de</strong>r Anbetung), wird ihm noch „in selbiger Nacht“ die Art seines Dienstes mitgeteilt. Wenn<br />
wir bereit sind, <strong>de</strong>n Segen zu empfangen, wird er nicht aufgeschoben. Die Nacht ist nicht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 86
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
die Zeit <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns, und <strong>de</strong>r Mensch wür<strong>de</strong> vielleicht sagen: „Morgen will ich gehen’,<br />
aber von Gott empfangen wir in <strong>de</strong>m Augenblick, wo wir dazu bereit sind. Sobald Isaak<br />
Beerseba, <strong>de</strong>n wahren Ort <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung, erreicht hatte, erschien Jehova ihm „in selbiger<br />
Nacht“; <strong>als</strong> Jakob Paddan–Aram verließ, „begegneten ihm Engel Gottes“. Sobald wir in<br />
Übereinstimmung mit Gott wan<strong>de</strong>ln, befin<strong>de</strong>n wir uns im Lichte und in <strong>de</strong>r Kraft Gottes.<br />
„In selbiger Nacht“ erhält Gi<strong>de</strong>on <strong>de</strong>n Auftrag, von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die ihm zuteil gewor<strong>de</strong>n ist,<br />
zu zeugen, und zwar auf folgen<strong>de</strong> Weise: „Nimm <strong>de</strong>n Farren <strong>de</strong>ines Vaters, und zwar <strong>de</strong>n<br />
zweiten Farren von 7 Jahren; und reiße nie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Altar <strong>de</strong>s Baal, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>inem Vater gehört,<br />
– und die Aschera, die bei <strong>de</strong>mselben ist, haue um“. Der erste Kreis, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r treue Diener<br />
beweist, wie ernst es ihm in <strong>de</strong>r Seele mit seinem Dienst ist, ist das Haus seines Vaters;<br />
und die Macht und Entschie<strong>de</strong>nheit, mit <strong>de</strong>r das geschieht, umreißt schon an<strong>de</strong>utend die<br />
zukünftige Laufbahn und die Fähigkeit Gi<strong>de</strong>ons. Der Herr Jesus begann Seinen göttlichen<br />
Weg in „Nazareth, wo er erzogen war“. So muß Gi<strong>de</strong>on hier in kühner und entschlossener<br />
Weise seinem Vaterhause, und durch es <strong>de</strong>r ganzen Stadt, das Licht verkündigen, das in<br />
seiner Seele aufgegangen war, und das ihm zugleich <strong>de</strong>n Auftrag und die Kraft gab, Zeugnis<br />
abzulegen. Der Götzendienst im Hause seines Vaters mußte völlig abgeschafft wer<strong>de</strong>n.<br />
Gi<strong>de</strong>on gehorcht, aber er tut es bei Nacht, weil er sich fürchtete, es bei Tage zu tun. Das ist<br />
eine Einmischung <strong>de</strong>s Fleisches. Sein Glaube war noch nicht stark genug, ihm die Kraft zu<br />
geben, kühn in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu zeugen; aber wozu ihn sein Glaube befähigte, das tat er.<br />
Auch wo das Wort Gottes angenommen und ihm Glauben geleistet wird, auch dort ist das<br />
Zeugnis oft nur schwach. Mancher treue Christ ist nicht im rechten Zustand, so ein Zeugnis<br />
zu sein, wie er sein könnte. Es ist besser, wenn Gehorsam und Zeugnis zusammengehen;<br />
aber auch, wenn das Fleisch das Zeugnis schwächt, kann es doch <strong>de</strong>n Gehorsam nicht<br />
verhin<strong>de</strong>rn, vorausgesetzt, daß Glaube vorhan<strong>de</strong>n ist. Paulus war sowohl Diener <strong>als</strong> auch<br />
Zeuge. Es ist das höchste Vorrecht eines Dieners, nicht nur zu gehorchen und darzureichen,<br />
son<strong>de</strong>rn von seiner Übereinstimmung mit <strong>de</strong>m Dienst zeugen zu können. Wenn das Fleisch<br />
wirksam ist – wenn wir unserer alten Natur Raum geben, wird unser Zeugnis gefähr<strong>de</strong>t, wir<br />
verlieren unsere Ruhe und die Kontrolle über uns selbst, die für einen Zeugen notwendig<br />
sind. Aber <strong>de</strong>r Glaube besteht auf Gehorsam, wenn auch „bei Nacht“. Unser Herz und<br />
Sinn muß in Frie<strong>de</strong>n bewahrt bleiben, sonst können wir selbst Taten <strong>de</strong>s Glaubens nicht<br />
ohne Verlust hinsichtlich <strong>de</strong>s Zeugnisses vollbringen. Die Gefühle <strong>de</strong>s Fleisches sind keine<br />
Entschuldigung, wenn wir das, wozu uns <strong>de</strong>r Glaube befähigt, nicht tun. Es kann geschehen,<br />
daß wir ihretwegen einen höheren Platz <strong>de</strong>s Zeugnisses verlieren, aber nichts darf <strong>de</strong>n<br />
Gehorsam gegenüber <strong>de</strong>m Worte Gottes hemmen. Wenn wir treu sind, wer<strong>de</strong>n unsere Taten<br />
für sich sprechen und daraus folgt das Zeugnis, wenn es sie auch nicht begleitet. So war<br />
es bei Gi<strong>de</strong>on. Schon zu Beginn erfährt er die Feindschaft seines Volkes gegen Treue zur<br />
Wahrheit. Aber wie wenig weiß die Welt, daß all ihr böser Wi<strong>de</strong>rstand immer eine Kraft<br />
hervorruft, die mehr <strong>als</strong> ausreicht, nur ihn zu überwin<strong>de</strong>n! Dem Geschrei <strong>de</strong>r Leute um<br />
Herausgabe und Tötung Gi<strong>de</strong>ons stellt Joas seinen Vorschlag entgegen, Baal für sich selbst<br />
rechten zu lassen, wenn er ein Gott ist, und Gi<strong>de</strong>on wird nach dieser Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
Jerub–Baal genannt.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
Mit welcher Gna<strong>de</strong> und Weisheit bereitete Jehova Seinen Diener auf das Werk vor, das Er<br />
nach Seinem Ratschlag ihm anvertrauen wollte! Mit uns sind Seine Wege sehr ähnlich. Seine<br />
Absicht ist, <strong>de</strong>r Seele zu versichern, daß wir, so gewiß wie Christus über alle Macht <strong>de</strong>s Bösen<br />
triumphiert hat, wissen dürfen, daß je<strong>de</strong>s Auftreten und je<strong>de</strong> Offenbarung <strong>de</strong>s Bösen für uns<br />
eigentlich nur ein Beweis <strong>de</strong>ssen ist, daß uns eine Kraft zur Verfügung steht, die ihm mehr<br />
<strong>als</strong> überlegen ist. Und mehr noch: je größer <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>s Bösen ist, <strong>de</strong>sto <strong>de</strong>utlicher<br />
und offenbarer wird die Macht sein, die ihn überwin<strong>de</strong>t und zum Schweigen bringt. Es sollte<br />
uns in allen Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lebens ein Trost sein, daß „wenn <strong>de</strong>r Feind herankommt wie<br />
Wasserfluten, erhebt <strong>de</strong>r Geist Jehovas das Panier wi<strong>de</strong>r ihn“. Das ist für <strong>de</strong>n treuen Diener<br />
in schweren Zeiten eine sehr wichtige Wahrheit; sie wird <strong>de</strong>shalb durch die göttliche Macht<br />
in das Herz Gi<strong>de</strong>ons gelegt, und sie wird jetzt kundgetan vor <strong>de</strong>n Midianitern und allen<br />
Söhnen <strong>de</strong>s Ostens, die im Tale Jisreel lagern. „Und <strong>de</strong>r Geist Jehovas kam über Gi<strong>de</strong>on; und<br />
er stieg in die Posaune, und die Abieseriter wur<strong>de</strong>n zusammengerufen, ihm nach“. Zwei<br />
große Erfahrungen hatte seine Seele schon gemacht, durch die er für dieses Werk geeignet<br />
wur<strong>de</strong>. Die eine war, daß seine Seele in ihrer Beziehung zu Gott am Altar Jehova–Schalom<br />
befestigt wur<strong>de</strong>; die an<strong>de</strong>re war seine Treue hinsichtlich <strong>de</strong>r Wahrheit Gottes in <strong>de</strong>r völligen<br />
Abschaffung <strong>de</strong>s Götzendienstes. So vorbereitet, beginnt er seinen öffentlichen Dienst. Aber<br />
obschon er durch die göttliche Kraft die Männer von Abieser, Aser, Sebulon und Naphtali<br />
um sich versammelt hat und sich anschickt, angesichts <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s zu han<strong>de</strong>ln, muß er<br />
hier wie<strong>de</strong>rum erfahren, daß er nicht fortschreiten kann, wenn er nicht <strong>de</strong>r Unterstützung<br />
Gottes sicher ist.<br />
Wie schwankend und <strong>de</strong>mütigend ist das verborgene Verhalten <strong>de</strong>r Seele, das uns bei diesem<br />
treuen Knecht so eingehend geschil<strong>de</strong>rt wird. Äußerlich erkennt man bei ihm nichts <strong>als</strong><br />
Kühnheit und Kraft. Es ist gut für uns, daß wir es mit einem Gott zu tun haben, <strong>de</strong>r unserer<br />
Schwachheit ebenso gnädig und verständnisvoll gegenübersteht wie <strong>de</strong>r Schwachheit<br />
Gi<strong>de</strong>ons. Durch beson<strong>de</strong>re Zeichen und Mitteilungen überzeugt <strong>de</strong>r gnädige Herr die Seele<br />
seines Dieners von <strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>r Verheißungen, in <strong>de</strong>nen er sogleich hätte ruhen sollen.<br />
Es ist ein Unterschied, ob wir ein Zeichen suchen, damit unser Glaube an Gott gestärkt<br />
wird, o<strong>de</strong>r ob wir es for<strong>de</strong>rn, um zu erkennen, ob <strong>de</strong>r Pfad, auf <strong>de</strong>m wir wan<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>r<br />
richtige ist, und ob Gott uns dabei beisteht. Das erstere kann <strong>de</strong>r Herr nicht gewähren<br />
o<strong>de</strong>r zulassen. „Kein Zeichen wird ihm gegeben wer<strong>de</strong>n“, sagt er <strong>de</strong>m Volk <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n, <strong>als</strong><br />
sie ein Zeichen sehen wollten <strong>als</strong> Grundlage ihres Glaubens. Der göttliche Pfad muß im<br />
Glauben betreten wer<strong>de</strong>n, ohne Zeichen; aber <strong>de</strong>r Herr gewährt <strong>de</strong>r Seele fortwährend<br />
Zeichen, um sie, die schon auf <strong>de</strong>m rechten Pfa<strong>de</strong> ist, zu befestigen und ihr zu versichern,<br />
daß sie darauf Erfolg haben wird. Die Seele, die wahrhaft abhängig von Gott ist, und ein<br />
beson<strong>de</strong>res Werk beginnt, will sich nicht <strong>de</strong>r eigenen Fähigkeiten bewußt sein, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>ren Gottes, und zwar im abstrakten, wenn ich so sagen darf, d. h., daß sie es mit Dem zu<br />
tun hat, Dessen Macht – und die Fähigkeit, sie anzuwen<strong>de</strong>n – allen For<strong>de</strong>rungen gewachsen<br />
ist. Diese Erziehung befestigt die Seele und bringt sie auf <strong>de</strong>n ihr vorgezeichneten Weg.<br />
In ähnlicher Weise wird sie je<strong>de</strong>m Diener zuteil; er wird entsprechend <strong>de</strong>n Bedürfnissen<br />
nach <strong>de</strong>r Macht Gottes mit dieser bekanntgemacht. Schwache Punkte in unserem Glauben<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 88
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
wer<strong>de</strong>n um so eher sichtbar, je mehr <strong>de</strong>r Glaube beansprucht wird. Viele versagen auf <strong>de</strong>m<br />
Wege, weil sie die Größe und stete Bereitschaft <strong>de</strong>r Macht Gottes nicht erfahren haben.<br />
Gi<strong>de</strong>on ent<strong>de</strong>ckt, was wir alle ent<strong>de</strong>cken wer<strong>de</strong>n: daß Gott in Seiner Gna<strong>de</strong> ihn in diesem<br />
Punkte entgegenkommt, was er auch wünscht, um ganz sicher zu gehen. Ob es nun Tau<br />
auf <strong>de</strong>m Vließe allein, und Trockenheit auf <strong>de</strong>m ganzen Bo<strong>de</strong>n ist, o<strong>de</strong>r umgekehrt, Gott<br />
gewährt es, um Gi<strong>de</strong>on zu befestigen. Nun ist er bereit, und er „und alles Volk, das mit ihm<br />
war, machten sich früh auf, und sie lagerten sich an <strong>de</strong>r Quelle Harod“. Hier tritt Jehova<br />
dazwischen, um das Werk <strong>als</strong> Seines zu erklären. Israel soll keinen Anlaß haben, &ich gegen<br />
Gott zu rühmen und zu sagen: „Meine Hand hat mich gerettet“! Deshalb muß Gi<strong>de</strong>on vor<br />
<strong>de</strong>n Ohren <strong>de</strong>s Volkes ausrufen: „Wer furchtsam und verzagt ist, kehre um und wen<strong>de</strong> sich<br />
zurück vom Gebirge Gilead“! Es ist wohl eine Glaubensprobe für Gi<strong>de</strong>on gewesen, <strong>als</strong> er<br />
sah, daß 22000 vom Volk umkehrten; aber von solchen Prüfungen wird <strong>de</strong>r Glaube immer<br />
begleitet sein. Wenn Gi<strong>de</strong>on glaubt, darf er nicht beunruhigt wer<strong>de</strong>n, wenn er sieht, wie die<br />
Mittel, mit <strong>de</strong>nen er sein Ziel zu erreichen hoffte, fast ganz zusammenschmelzen. Aber er<br />
ist jetzt erstarkt in Gott und wird durch das gnädige Han<strong>de</strong>ln Gottes nicht entmutigt; es<br />
ist ja auch nicht nötig, <strong>de</strong>nn für einen Glaubensmann ist es besser, von einigen wenigen<br />
Treuen begleitet zu sein, <strong>als</strong> von einer Menge von Schwachen und Wankelmütigen. Aber<br />
obwohl weniger <strong>als</strong> ein Drittel <strong>de</strong>r ursprünglichen Anzahl übrigbleibt, sagt Jehova: „Noch<br />
ist <strong>de</strong>s Volkes zu viel“, und Er befiehlt, die ganze übriggebliebene Schar einer Prüfung<br />
zu unterziehen, damit sich herausstelle, wer wirklich für Krieg und Zeugnis geeignet<br />
sei. Die Probe ist für das menschliche Auge eine einfache und unwichtige, aber in ihrer<br />
geistlichen Anwendung eine grundsätzliche. Sie offenbarte, ob die Männer nur das eine Ziel<br />
vor Augen hatten, o<strong>de</strong>r ob sie sich für einen Augenblick davon ablenken ließen, um sich<br />
einer fleischlichen Erquickung hinzugeben.<br />
Das will die Prüfung durch das Wasser besagen. 9700 waren nicht von ganzem Herzen<br />
bereit, <strong>de</strong>nn sie ließen sich auf ihre Kniee nie<strong>de</strong>r, um zu trinken. Sie waren wohl bereit zum<br />
Kriege, aber dies Ziel beherrschte <strong>de</strong>n Wunsch nach persönlichem Genuß nicht völlig. Nur<br />
300 wer<strong>de</strong>n so zielbewußt erfun<strong>de</strong>n, daß sie nur kosten und weitereilen. Ach, wenn wir<br />
einer solchen Probe unterzogen wür<strong>de</strong>n, wie wenige von uns wür<strong>de</strong>n dann zu <strong>de</strong>r Schar<br />
Gi<strong>de</strong>ons zählen! Viele wür<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n 32000 gehören, die mit ihm auszogen, o<strong>de</strong>r auch zu<br />
<strong>de</strong>n 10000, die die erste Sichtung überstan<strong>de</strong>n; aber wie wenige kennen die Verachtung <strong>de</strong>s<br />
Fleisches, die sie befähigte, ohne Rücksicht auf persönlichen Genuß weiterzueilen und <strong>de</strong>n<br />
guten Kampf <strong>de</strong>s Glaubens zu kämpfen! Es bestand nur ein kleiner Unterschied zwischen<br />
<strong>de</strong>nen, die leckten und <strong>de</strong>nen, die sich auf ihre Kniee nie<strong>de</strong>rließen, um zu trinken, und<br />
gewiß war Wasser eine notwendige Erquickung für durstige Krieger. Aber die Art, wie<br />
die Männer es zu sich nahmen, offenbarte <strong>de</strong>n Zustand ihrer Herzen. Die Belehrung für<br />
uns liegt darin, daß, wenn wir nicht <strong>de</strong>n Herrn und Seine Verherrlichung zum alleinigen<br />
Gegenstand unseres Han<strong>de</strong>lns haben, Er uns nicht <strong>als</strong> Befreier gebrauchen kann, wenn Er<br />
uns in Seiner Gna<strong>de</strong> auch an <strong>de</strong>r Befreiung teilhaben läßt, die Er durch treuere Kämpfer<br />
zustan<strong>de</strong>gebracht hat.<br />
Sowohl für Gi<strong>de</strong>on <strong>als</strong> auch für seine Gefolgsleute muß diese Auslese eine Glaubensprobe<br />
gewesen sein, <strong>de</strong>nn durch das Sinken <strong>de</strong>r Anzahl wur<strong>de</strong> er immer mehr zur Abhängigkeit<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 89
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
von Gott getrieben, und viele wären durch eine so gründliche Prüfung beunruhigt wor<strong>de</strong>n;<br />
aber <strong>de</strong>r Unbelehrte ist <strong>de</strong>n Prüfungen <strong>de</strong>s Kampfes nie gewachsen. „In selbiger Nacht (nun,<br />
da die Schar bereit ist, darf es keinen Aufschub mehr geben), da sprach Jehova zu ihm:<br />
Mache dich auf, gehe in das Lager hinab; <strong>de</strong>nn ich habe es in <strong>de</strong>ine Hand gegeben“. Aber<br />
in beson<strong>de</strong>rer Güte, und gewillt, je<strong>de</strong>m Schwanken in Gi<strong>de</strong>ons Glauben zu begegnen und<br />
ihn zu stärken, fügt Er hinzu: „Und wenn du dich fürchtest, hinabzugehen, so gehe mit<br />
Pura, <strong>de</strong>inem Knaben, zum Lager hinab; und du wirst hören, was sie re<strong>de</strong>n; und danach<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ine Hän<strong>de</strong> erstarken, und du wirst in das Lager hinabgehen“. Wie vielfältig<br />
sind die Wege <strong>de</strong>s Herrn hinsichtlich Seiner Diener! Im Lager <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> wird durch die<br />
Auslegung eines Traumes <strong>de</strong>r Sieg Gi<strong>de</strong>ons angekündigt, und er hört, wie sie schon ihre<br />
Nie<strong>de</strong>rlage vorausahnen. Dadurch wird Gi<strong>de</strong>on sehr ermutigt; er betet an und kehrt in<br />
voller Siegesgewißheit zurück, ehe noch <strong>de</strong>r Kampf begonnen hat. Bei <strong>de</strong>n Einzelheiten<br />
dieses Kampfes –o<strong>de</strong>r besser: dieses Sieges, <strong>de</strong>nn es war mehr eine Verfolgung <strong>als</strong> ein<br />
Kampf – brauche ich nicht zu verweilen, es bleibt nur zu erwähnen, daß hier wahrhaft<br />
Kraft in Schwachheit vollbracht wur<strong>de</strong>. Fackeln in Krügen – Schätze in ir<strong>de</strong>nen Gefäßen,<br />
und Posaunen, um zu verkün<strong>de</strong>n, daß sie für Jehova stritten –waren die einzigen Waffen<br />
<strong>de</strong>r kleinen Schar, bis bei <strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>n das Schwert <strong>de</strong>s einen gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren gerichtet<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Der Sieg Gi<strong>de</strong>ons war vollständig, und es wur<strong>de</strong> bestätigt, daß er ein Werkzeug in Gottes<br />
Hand war, durch das die Befreiung Seines Volkes bewirkt wur<strong>de</strong>. Aber welch eine Erziehung<br />
war nötig, bis es soweit war. Wie wenig wissen wir von <strong>de</strong>r Feindschaft unserer Natur gegen<br />
<strong>de</strong>n Willen Gottes, wenn wir glauben, <strong>de</strong>n Dienst auf uns nehmen zu können ohne jene<br />
Selbstverleugnung, die nur durch die eigene Erfahrung und die Kenntnis <strong>de</strong>r Erhabenheit<br />
<strong>de</strong>r Wege und Ratschlüsse Gottes gelernt wer<strong>de</strong>n kann! Was wir schätzen, wer<strong>de</strong>n wir nicht<br />
eher aufgeben, <strong>als</strong> bis wir etwas Besseres gefun<strong>de</strong>n haben; und <strong>de</strong>r Mensch ist so erfüllt von<br />
sich selbst und seinem eigenen Willen, daß er, ehe er die Überlegenheit <strong>de</strong>s Willens Gottes<br />
erkennt, we<strong>de</strong>r ein gehorsamer noch ein geeigneter Diener sein kann, d. h., einer, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Willen und die Absichten seines Herrn ausführt. Dies muß oft erst durch verschie<strong>de</strong>nartige,<br />
schmerzliche Wege erfahren wer<strong>de</strong>n. Jona lernte <strong>de</strong>n Gehorsam im Bauch <strong>de</strong>s Fisches, <strong>de</strong>nn<br />
er lernte dort, allein auf Gott zu vertrauen, aber <strong>de</strong>r Verlust <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rbaums unterwies<br />
ihn in <strong>de</strong>m Willen und <strong>de</strong>r Natur Gottes. Ein von Gott belehrter Diener fin<strong>de</strong>t immer einen<br />
Weg, sein Werk zu tun, wie schwierig es auch scheinen mag. je größer die Schwierigkeiten,<br />
<strong>de</strong>sto <strong>de</strong>utlicher muß <strong>de</strong>r Beweis sein, daß unsere Hilfsquellen von an<strong>de</strong>rer Art sind <strong>als</strong><br />
diejenigen, die gegen uns aufgeboten wer<strong>de</strong>n, und das erweist sich sowohl im Kleinen <strong>als</strong><br />
auch im Großen <strong>als</strong> wahr.<br />
Kaum ist Midian besiegt, da sieht Gi<strong>de</strong>on sich vor eine an<strong>de</strong>re Schwierigkeit gestellt: <strong>de</strong>n<br />
Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>rer, die <strong>als</strong> seine Freun<strong>de</strong> gelten. Es erfor<strong>de</strong>rt mehr Weisheit, diese Art <strong>de</strong>s<br />
Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s zu überwin<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> <strong>de</strong>n von anerkannten Fein<strong>de</strong>n. Die Art und Weise, wie er<br />
sich gegen die bei<strong>de</strong>n Gruppen seiner ihm wi<strong>de</strong>rstehen<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r verhält, ist für uns sehr<br />
lehrreich. Bei <strong>de</strong>n Männern von Ephraim (Kap. 8), die ihn schelten, weil er sie nicht zum<br />
Streit aufgerufen hat, nimmt er <strong>de</strong>n niedrigeren Platz ein, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r wahre,<br />
weise und göttliche Standpunkt gegenüber <strong>de</strong>nen ist, die beson<strong>de</strong>rs hervortreten wollen.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Gi<strong>de</strong>on<br />
Gi<strong>de</strong>on hätte erwi<strong>de</strong>rn können, daß er und die 300 Männer beson<strong>de</strong>rs von Gott berufen<br />
und auserwählt waren; aber er tut es nicht und überläßt die Männer von Ephraim <strong>de</strong>r<br />
Zufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>m Maße an Ehre, das Gott ihnen gegeben hat. Aber mit <strong>de</strong>n Männern<br />
von Sukkoth und Pnuel, die sich weigerten, <strong>de</strong>n ermatteten Verfolgern einige Laibe Brot<br />
zu geben, verfährt er an<strong>de</strong>rs. Hier ist Nachsicht nicht am Platze, <strong>de</strong>nn ihr Betragen ist<br />
Wi<strong>de</strong>rstand gegen die Sache Gottes und Verrat an Seinem Namen und Seiner Herrlichkeit.<br />
Das Prinzip ist im Haushalt <strong>de</strong>s Gesetzes das gleiche wie in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>. Es gibt Fälle,<br />
<strong>de</strong>nen wir in Gna<strong>de</strong> begegnen müssen, aber wir sind an<strong>de</strong>rerseits berufen, mit Ernst für <strong>de</strong>n<br />
Glauben zu kämpfen. „Ich wollte, daß sie sich auch abschnitten, die euch aufwiegeln“! sagt<br />
<strong>de</strong>r Apostel, und „wenn jemand diese Lehre nicht bringt, nehmet ihn nicht in euer Haus<br />
auf, grüßet ihn auch nicht“.<br />
In Kap. 8,22 sehen wir Gi<strong>de</strong>on wie<strong>de</strong>rum, aber nun zum letzten Mal, unter einer neuen,<br />
beson<strong>de</strong>ren Art <strong>de</strong>r Erziehung. Großer Dienst erzeugt oft Selbstzufrie<strong>de</strong>nheit und <strong>de</strong>n<br />
Wunsch nach einer Erhöhung, die die Ungeistlichen uns nur zu gerne gewähren. Das Volk<br />
for<strong>de</strong>rt Gi<strong>de</strong>on auf, über sie zu herrschen, aber er antwortet: „Nicht ich will über euch<br />
herrschen, . . . Jehova soll über euch herrschen“. Wie konnte er <strong>de</strong>n Platz Gottes annehmen,<br />
Der ihn so gesegnet und geehrt hatte? Bis hier sprach er in <strong>de</strong>r Weisheit <strong>de</strong>s Geistes, aber<br />
seine Bitte um die Ohrringe ihrer Beute offenbart <strong>de</strong>n geheimen Wunsch, an seine Dienste<br />
zu erinnern, obschon er <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> und Macht nicht angenommen hatte. Solch<br />
ein Wunsch. konnte in<strong>de</strong>ssen nur ein Fallstrick wer<strong>de</strong>n, sei es nun in Form eines Ephods<br />
o<strong>de</strong>r etwas an<strong>de</strong>rem. So ging es auch Gi<strong>de</strong>on und seinem Hause (V. 27 b).<br />
Welch eine warnen<strong>de</strong> Lehre ist es für uns, zu sehen, wie ein Diener Gottes nach<br />
einer so langen Erziehung für das Werk Gottes, in einem Augenblick sozusagen<br />
die Selbstbeherrschung verliert, und wie er, <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Dienst einen so hohen,<br />
hervorragen<strong>de</strong>n Platz erlangt hat, vor unseren Augen hinabsinkt. Wir lernen daraus, daß,<br />
obschon wir einen Platz öffentlicher Ehrung zurückweisen, wir noch nicht gefeit sind gegen<br />
<strong>de</strong>n feineren, aber gefährlichen Fallstrick <strong>de</strong>r Annahme, daß das An<strong>de</strong>nken an unseren<br />
Dienst in irgen<strong>de</strong>iner Weise zur Ehre Gottes beitragen könnte; <strong>de</strong>nn das hieße, <strong>de</strong>n Dienst<br />
<strong>als</strong> Mittel zur Selbstverherrlichung benutzen, und das muß „uns und unserem Hause zum<br />
Fallstrick wer<strong>de</strong>n“.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
Simson<br />
Simson ist <strong>de</strong>r letzte <strong>de</strong>r Richter, in einer Zeit, während <strong>de</strong>r Jehova Sein Volk auf seine<br />
Fähigkeit prüfte, Ihm bezüglich <strong>de</strong>r Regierung, die nicht durch eine sichtbare Ordnung<br />
dargestellt wur<strong>de</strong>, zu vertrauen.<br />
Sie hatten beständig versagt und waren <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>nen tributpflichtig gewor<strong>de</strong>n, die sie<br />
eigentlich aus <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> vertrieben haben sollten. Für das Volk Gottes gibt es keinen<br />
Mittelweg. Es steht entwe<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>r Welt und zeugt für Gott gegen sie, o<strong>de</strong>r aber<br />
es befin<strong>de</strong>t sich in Knechtschaft unter <strong>de</strong>r Welt. Wenn Israel sich nicht von Gott über<br />
<strong>de</strong>n Nationen erhalten lassen wollte, dann wur<strong>de</strong>n sie <strong>als</strong> Gefangene von <strong>de</strong>n Nationen<br />
weggeführt; sie konnten nie gleichberechtigt nebeneinan<strong>de</strong>r bestehen. Entwe<strong>de</strong>r waren<br />
sie Sieger o<strong>de</strong>r aber Sklaven. Die Knechtschaft war ihre Züchtigung von Gott, weil sie<br />
nicht Sieger waren; Jehova war nicht mit ihnen. Wenn sie von Jehova abfielen, waren sie<br />
schwächer <strong>als</strong> die Nationen. Ein Christ ohne Gemeinschaft ist immer schwächer <strong>als</strong> die<br />
Welt, weil er die Quelle seiner Kraft verlassen hat, und er wird daher von <strong>de</strong>r Welt, die ihn<br />
auf so mannigfache Art versucht, leicht in <strong>de</strong>n Bann gezogen.<br />
Jehova bestellte Richter, um das Volk von seinen Fein<strong>de</strong>n zu erretten, <strong>als</strong> sie die Sün<strong>de</strong> ihres<br />
Abfalls von Ihm in <strong>de</strong>m Maße erkannten, wie Er ihnen die Erkenntnis gab.<br />
Zur Zeit <strong>de</strong>r Geburt Simsons war das Volk Israel 40 Jahre unter <strong>de</strong>r Herrschaft <strong>de</strong>r Philister.<br />
Das war die längste Zeit <strong>de</strong>r Knechtschaft unter <strong>de</strong>n Richtern. Simson wird bestellt, um sie<br />
von dieser langen Knechtschaft zu befreien. Und weil sie die letzte und härteste während<br />
dieser ereignisreichen Perio<strong>de</strong> war, wer<strong>de</strong>n uns nicht nur die näheren Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geburt<br />
<strong>de</strong>s Erretters mitgeteilt, son<strong>de</strong>rn auch die Gesinnung und die Erwartungen seiner Eltern<br />
vor seiner Geburt.<br />
Simson sollte „ein Nasir Gottes . . . sein von Mutterleibe an“. Um das Volk aus <strong>de</strong>r<br />
Unterjochung, in die es durch seine Verbindung mit <strong>de</strong>m Unheiligen geraten war, befreien<br />
zu können, mußte er von allen Freu<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>nen sie teilnahmen, vollkommen getrennt<br />
sein. Seine Mutter wird diesbezüglich belehrt und erzieht ihn auch <strong>de</strong>mgemäß. Unsere<br />
früheste Erziehung und die Gesellschaft in <strong>de</strong>r wir uns befin<strong>de</strong>n, üben eine beson<strong>de</strong>re,<br />
anhalten<strong>de</strong> Wirkung auf uns im späteren Leben aus. Simson war ein Nasir, aber er wuchs in<br />
<strong>de</strong>r Nähe und <strong>de</strong>r Bekanntschaft mit <strong>de</strong>n Philistern auf; daher scheint er sich nie <strong>de</strong>s großen<br />
sittlichen Unterschie<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r zwischen einem Nasir und einem Philister bestehen sollte,<br />
bewußt zu sein. Auch unter <strong>de</strong>n Christen unserer Tage kann man in dieser Hinsicht große<br />
Unwissenheit und Mangel an Erkenntnis wahrnehmen. Persönliches „Nasiräertum“ wird<br />
vielfach anerkannt, während Verbindung und Verkehr mit <strong>de</strong>r Welt aufrechterhalten wird.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
So ist das erste, was uns von Simson berichtet wird, <strong>de</strong>r Versuch, da eine Vereinigung<br />
herbeizuführen, wo es keine Vereinigung geben konnte (Ri 14). Seine Eltern können das<br />
nicht verstehen, und wir lesen: sie „wußten aber nicht, daß es von Jehova war; <strong>de</strong>nn er<br />
suchte eine Gelegenheit an <strong>de</strong>n Philistern.“<br />
Wohlgemerkt, nicht die Vereinigung war von Jehova, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r beabsichtigte Wi<strong>de</strong>rstreit<br />
gegen die Philister; nicht das Mittel, son<strong>de</strong>rn das Ziel. Nach <strong>de</strong>m Willen Gottes konnte<br />
es keine Vereinigung geben. Im Gegenteil wer<strong>de</strong>n bei je<strong>de</strong>r angestrebten Vereinigung<br />
von so grundverschie<strong>de</strong>nen Elementen die Unterschie<strong>de</strong> um so <strong>de</strong>utlicher aufge<strong>de</strong>ckt,<br />
Das von Simson angewandte Mittel war nicht göttlich; son<strong>de</strong>rn die Absicht war göttlich,<br />
während das Mittel offenbar menschlich war. Daher wird die Ehe verhin<strong>de</strong>rt, während<br />
Gottes Absicht ausgeführt wird. Es ist etwas Großes, mit einer richtigen Absicht zu beginnen,<br />
<strong>de</strong>nn wenn sie von Gott kommt, muß sie früher o<strong>de</strong>r später durchgeführt wer<strong>de</strong>n, obschon<br />
notwendigerweise auf Kosten alles <strong>de</strong>ssen, was das Ich hereingebracht hat.<br />
Mose wollte sein Volk aus Ägypten erretten, aber bei seinem ersten Versuch vertraute er auf<br />
seine eigenen Hilfsquellen und sein Plan schlug fehl, aber schließlich siegte er ruhmreich<br />
durch die Macht Gottes. In ähnlicher Weise war Petrus bereit, für <strong>de</strong>n Herrn zu sterben,<br />
was schließlich auch geschehen ist; aber wie viel Demütigungen mußte er erfahren bis sein<br />
Wunsch verwirklicht wur<strong>de</strong>!<br />
Der Herr belehrt uns so, daß die menschlichen Grundsätze beiseitegesetzt wer<strong>de</strong>n und<br />
Seine Macht in uns vollkommen zur Darstellung kommt. Diese Wahrheit wird sehr schön<br />
illustriert durch <strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r Geschichte Simsons, <strong>de</strong>n wir jetzt betrachten wollen. „Und<br />
Simson ging . . . nach Timna hinab, und <strong>als</strong> sie an die Weinberge von Timna kamen, siehe,<br />
da brüllte ein junger Löwe ihm entgegen. Und <strong>de</strong>r Geist Jehovas geriet über ihn, und er<br />
zerriß ihn, wie man ein Böcklein zerreißt; und er hatte gar nichts in seiner Hand.“ Jehova<br />
zeigt ihm hier, daß er nicht durch eine unheilige Verbindung mit <strong>de</strong>r Welt, son<strong>de</strong>rn durch<br />
ausgesprochenen Wi<strong>de</strong>rstand gegen sie siegen muß, und am En<strong>de</strong> wird das auch von Simson<br />
erreicht.<br />
Die Wahrheit, die durch diese Lektion ans Licht kommt (für die Welt ist sie ein „Rätsel“),<br />
führt zur Auflösung seiner Ehe, und bringt ihn zur offenen Feindschaft gegen die Philister.<br />
Wir wollen diese Unterweisung ein wenig eingehen<strong>de</strong>r betrachten. Wie wir gesehen haben,<br />
beginnt Simson mit einer richtigen Absicht; aber infolge seines Umganges mit <strong>de</strong>n Philistern<br />
versucht er, eine Tochter dieses unbeschnittenen Volkes zu heiraten. Aber gera<strong>de</strong> <strong>als</strong> er<br />
<strong>de</strong>n Ort erreicht, wo er seine Absicht vollen<strong>de</strong>n will, brüllt ein junger Löwe ihm entgegen.<br />
Auf diese Weise will Gott ihm klarmachen, daß <strong>de</strong>r Geist Gottes ihn befähigen kann, <strong>de</strong>n<br />
gegenwärtigen Feind ohne je<strong>de</strong> Hilfe – ganz zu schweigen von menschlichen Plänen betreffs<br />
einer Vereinigung mit <strong>de</strong>m Unheiligen – zu überwin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn „er hatte gar nichts in <strong>de</strong>r<br />
Hand.“ Unbewaffnet tritt Simson diesem schrecklichen Gegner entgegen und besiegt ihn so<br />
vollständig, daß er ihn in <strong>de</strong>r Kraft Gottes zerreißt, „wie man ein Böcklein zerreißt.“ Welch<br />
ein Augenblick! Es war ein Kampf auf Leben und Tod! Wie notwendig ist es für die Seele,<br />
an die Macht <strong>de</strong>s lebendigen Gottes im Tale <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>sschattens zu glauben – Seine Macht,<br />
die uns aus <strong>de</strong>m Rachen <strong>de</strong>s Löwen zu erretten vermag, zu kennen! Das hätte für Simson<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
ein Vorgeschmack von <strong>de</strong>r Art seiner Aufgabe sein sollen, wie es die Erscheinung auf <strong>de</strong>m<br />
Wege nach Damaskus ein Leben lang für Paulus war, <strong>de</strong>nn er sollte ein Diener und Zeuge<br />
<strong>de</strong>ssen sein, was er gesehen hatte, „<strong>als</strong> auch worin ich dir erscheinen wer<strong>de</strong>“ (Apg 26,16).<br />
Die Art unserer ersten Bekanntschaft mit Gott <strong>de</strong>utet schon <strong>de</strong>n Weg an, auf <strong>de</strong>m Er uns<br />
hier auf Er<strong>de</strong>n zu führen wünscht.<br />
Aber Simson lernte nur langsam; unbeeindruckt von dieser wun<strong>de</strong>rbaren Belehrung verfolgt<br />
er seine Absicht, schließt einen Vertrag ab und kehrt nach einiger Zeit zurück, um ihn<br />
zu bestätigen. Dabei führt ihn sein Weg wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Ort vorbei, wo er solch eine<br />
außeror<strong>de</strong>ntliche Errettung erlebt hat, wo es aber, wenn er nur aufmerkte, eine weitere<br />
Unterweisung für ihn gab. Als er seinen besiegten Gegner betrachtet, fin<strong>de</strong>t er Honig im<br />
Gerippe <strong>de</strong>s Löwen, und er teilt ihn mit seinen Eltern, die nicht wußten, woher er kam. Das<br />
ist <strong>de</strong>r Anlaß zu <strong>de</strong>m Rätsel, das Simson wohl kannte, das er aber nicht auf seine eigenen<br />
Umstän<strong>de</strong> anzuwen<strong>de</strong>n imstan<strong>de</strong> war. Ach, wie oft ist es <strong>de</strong>r Fall bei uns, und wie viel<br />
Kummer bereitet uns unser Eigenwille, weil wir das Wort nicht im Glauben annehmen und<br />
auf uns anwen<strong>de</strong>n. Denn es ist offenbar, daß wir eine Wahrheit praktisch nur annehmen,<br />
wenn wir überzeugt sind, daß sie auf unsere Umstän<strong>de</strong> paßt, und ich glaube, daß <strong>de</strong>r Herr<br />
will, daß wir diese Überzeugung haben, ehe wir uns die Wahrheit zunutze machen. Das<br />
erklärt auch, warum es oft zugelassen wird, daß wir bei unseren Plänen beharren, nach<strong>de</strong>m<br />
wir eine Wahrheit gelernt haben, die, wenn wir sie wirklich angenommen hätten, alle unsere<br />
Pläne verdrängt hätte, weil sie uns auf Gott hingewiesen hätte. Das Geheimnis unserer<br />
Kraft mit Gott wird <strong>de</strong>m natürlichen Menschen immer ein Rätsel bleiben. Die Macht, die<br />
Simson erfahren hatte, war <strong>de</strong>n Philistern ein völliges Geheimnis.<br />
In<strong>de</strong>m Simson dieses Rätsel vorlegte, zeigte er die große Kluft zwischen <strong>de</strong>n Philistern und<br />
sich selbst, und auch seine zukünftige Frau befin<strong>de</strong>t sich auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite. Eine unter<br />
solchen Umstän<strong>de</strong>n angestrebte Verbindung muß damit en<strong>de</strong>n, daß die Frau die Sache <strong>de</strong>r<br />
Philister <strong>de</strong>rjenigen ihres anerkannten Herrn vorzieht, und sie tut es auch. Ihre Zuneigung<br />
zu ihm gibt <strong>de</strong>r Furcht vor ihren eigenen Landsleuten nach, die drohen, sie zu töten, wenn<br />
sie ihn nicht verrät. Wenn sie nur in wahrer Zuneigung an ihm gehangen hätte, wür<strong>de</strong> er<br />
sie ganz sicher vor <strong>de</strong>m Untergang bewahrt haben; aber sie tut es nicht und verrät ihn, für<br />
<strong>de</strong>n sie hätte lei<strong>de</strong>n müssen. Ein trauriges, aber wahres Bild <strong>de</strong>r Christenheit, und es spricht<br />
zu einem je<strong>de</strong>n von uns! Simson wird von <strong>de</strong>rjenigen verraten, <strong>de</strong>r er am meisten vertraute,<br />
bei <strong>de</strong>r er natürlich am wenigsten Verrat vermutete; aber Jehova wen<strong>de</strong>t alles zum Segen,<br />
die Ehe wird gelöst, damit er die Strafe bezahlen kann, <strong>de</strong>r er sich unterworfen hatte, <strong>als</strong> er<br />
<strong>de</strong>r Philisterin sein Geheimnis eröffnete.<br />
So hatte <strong>de</strong>r Kampf mit <strong>de</strong>m Löwen doch noch das erreicht, was Gott mit Simson<br />
beabsichtigte, aber nur, weil Simson erst spät verstand, was er sogleich hätte verstehen<br />
sollen. Das Rätsel „Aus <strong>de</strong>m Fresser kam Fraß“ – d. h. die Simson durch jenen Streit<br />
geoffenbarte Wahrheit – war die Auflösung seiner unheiligen Verbindung, wobei <strong>de</strong>r<br />
Ratschluß Gottes, <strong>de</strong>n Simson gera<strong>de</strong> durch diese Verbindung ausführen wollte, durch ihren<br />
Bruch bestätigt wur<strong>de</strong>. Die Philister benutzen die Kenntnis <strong>de</strong>s göttlichen Geheimnisses,<br />
die sie unrechtmäßig erworben haben, und das berechtigt Simson, durch <strong>de</strong>n Geist Gottes<br />
gestärkt, ihnen eine gerechte Vergeltung zu geben. Zunächst geht Simson nach Askelon,<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
erschlägt 30 Mann, nimmt ihre ausgezogenen Gewän<strong>de</strong>r und gibt die Wechselklei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nen,<br />
die das Rätsel kundgetan hatten. Danach läßt er auf Grund ihrer ungerechten Verfügung<br />
über seine Frau 300 Schakale mit Fackeln zwischen je zwei Schwänzen los in das stehen<strong>de</strong><br />
Getrei<strong>de</strong>, die Garbenhaufen und die Olivengärten. Er bezahlt die Schuld, in die ihn die<br />
Philister mit unrechtmäßigen Mitteln verstrickt hatten, an sie selbst zurück. So sollte es<br />
auch heute bei <strong>de</strong>m Knecht Christi sein. Die Christenheit hat das göttliche Geheimnis<br />
unrechtmäßig an sich gerissen und darauf ihren Anspruch, die Kirche Gottes zu sein,<br />
gegrün<strong>de</strong>t. Der Diener fin<strong>de</strong>t sich innerhalb einer Christenheit, die öffentlich im Besitz <strong>de</strong>r<br />
Wahrheit Gottes ist, die <strong>de</strong>m natürlichen Menschen ein Rätsel bleibt und die von ihm nur<br />
für fleischliche Zwecke benutzt wird, und dazu, <strong>de</strong>m Anteil jener, die die Wahrheit wirklich<br />
besitzen, zu wi<strong>de</strong>rstehen. Mittels dieser Wahrheit hebt <strong>de</strong>r treue Diener nicht nur <strong>de</strong>n<br />
unrechtmäßigen Anspruch <strong>de</strong>r Welt auf, son<strong>de</strong>rn zieht dadurch auch die Trennungslinie<br />
zwischen sich und <strong>de</strong>m bloßen Bekenner.<br />
Simsons zweite Tat, die dadurch veranlaßt wor<strong>de</strong>n war, daß seine Frau seinem Gesellen<br />
gegeben wor<strong>de</strong>n war, erregte die Philister zu größerer Gewalttat. Sie üben ihre Rache<br />
nicht an Simson aus, son<strong>de</strong>rn an ihr, die ihn und das Haus ihres Vaters verraten hatte, –<br />
es ereilt sie das Schicksal, das sie so gefürchtet hatte, aus Furcht vor <strong>de</strong>m sie treulos an<br />
Simson gehan<strong>de</strong>lt hatte. Wir sehen, daß das, was wir in Unglauben und Ungerechtigkeit<br />
fliehen, schließlich doch unser Ver<strong>de</strong>rben wird. Wir mögen ihm eine Zeitlang entgehen, aber<br />
schließlich ist die Flucht <strong>de</strong>r sicherste Weg dorthin. Diese Tat vergrößert jedoch Simsons<br />
Recht auf Rache, und wir lesen: „er schlug sie, Schenkel samt Hüfte, und richtete eine große<br />
Nie<strong>de</strong>rlage unter ihnen an. Und er ging hinab und wohnte in <strong>de</strong>r Kluft <strong>de</strong>s Felsens Etam“<br />
(Kap. 15, 8).<br />
Nach diesen verschie<strong>de</strong>nen Übungen und durch seinen Dienst ist Simson ein so großer Feind<br />
<strong>de</strong>r Philister gewor<strong>de</strong>n, daß sie mit einem Heer heraufziehen und sein Leben for<strong>de</strong>rn. Wenn<br />
<strong>de</strong>r Knecht Gottes <strong>de</strong>r Welt keinen Raum gibt, und sie ihn in keiner Weise überlisten kann,<br />
dann wird ihre offene Feindschaft losbrechen. Derselbe Geist <strong>de</strong>r Feindseligkeit, <strong>de</strong>r gegen<br />
unseren Herrn rief: „Kreuzige, kreuzige Ihn“, beseelt die Philister hier, die nach Simsons<br />
Leben trachten. Juda, <strong>de</strong>r Stamm, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Schilo hervorkommen sollte, offenbart<br />
gegenüber Simson <strong>de</strong>nselben Mangel an göttlichen Grundsätzen, <strong>de</strong>r ihn auch später<br />
kennzeichnete, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n Herrn Jesus an Pilatus überlieferte. „Da zogen 3000 Mann von<br />
Juda zur Kluft <strong>de</strong>s Felsens Etam hinab und sprachen zu Simson: Weißt du nicht, daß die<br />
Philister über uns herrschen? Und warum hast du uns das getan? . . . Da sprachen sie zu ihm:<br />
Um dich zu bin<strong>de</strong>n, sind wir herabgekommen, daß wir dich in die Hand <strong>de</strong>r Philister liefern.“<br />
Was mochte Simson in diesem Augenblick bewegen, <strong>als</strong> er sah, wie wenig seine Absichten<br />
und Taten von seinem eigenen Volke, für das er gekämpft hatte, gewürdigt wur<strong>de</strong>n! Wie<br />
ähnlich erging es Ihm, von Dem gesagt wird: „Er kam in das Seinige, und die Seinigen<br />
nahmen ihn nicht an“ (mit <strong>de</strong>m Unterschied, daß Simson auf einer sittlich unermeßlich viel<br />
tieferen Stufe stand)! Welch einen ganz beson<strong>de</strong>ren Kummer muß <strong>de</strong>r treue Diener von<br />
<strong>de</strong>nen erdul<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen er in so aufrichtiger Weise gedient hat! Es ist eine harte Prüfung,<br />
nach einem so hervorragen<strong>de</strong>n Dienst <strong>als</strong> nutzlos verstoßen und verurteilt zu wer<strong>de</strong>n, aber<br />
Simson ist ihr gewachsen. Ja, noch mehr: in <strong>de</strong>r Macht Gottes und in <strong>de</strong>r Sanftmut Seiner<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
Gna<strong>de</strong> tut er seinem eigenen Volk, wie undankbar es auch ist, nichts zulei<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn läßt sie<br />
nur schwören, daß sie nicht selbst über ihn herfallen. Trotz<strong>de</strong>m bin<strong>de</strong>n sie ihn und führen<br />
ihn aus <strong>de</strong>m Felsen herauf. Und <strong>als</strong> die Philister ihm entgegenjauchzten, geriet <strong>de</strong>r Geist<br />
Jehovas über ihn, und die Stricke, die an seinen Armen waren, wur<strong>de</strong>n wie Flachsfä<strong>de</strong>n,<br />
die vom Feuer versengt sind, und seine Ban<strong>de</strong> schmolzen weg von seinen Hän<strong>de</strong>n. Er fand<br />
einen frischen Eselskinnbacken, und er nahm ihn und erschlug damit 1000 Mann.<br />
Simson war sowohl von <strong>de</strong>r Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Philistern <strong>als</strong> auch von <strong>de</strong>r Knechtschaft<br />
unter <strong>de</strong>n Philistern befreit wor<strong>de</strong>n und hatte sich in die Kluft Etam in Juda <strong>als</strong> Befreier<br />
Israels und gleichzeitig <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Schrecken <strong>de</strong>r Philister zurückgezogen. Aber Juda hat keinen<br />
Glauben und liefert ihn <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong> aus. Das führt zu <strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>r Macht Simsons<br />
und zu seinem Recht, Israel zu richten, was im letzten Vers <strong>de</strong>s Kapitels (15, 20) bemerkt<br />
wird. Nach<strong>de</strong>m ihn <strong>de</strong>r Geist durch viele Übungen geführt hat, nimmt er jetzt <strong>de</strong>n Platz ein,<br />
für <strong>de</strong>n er ausersehen war.<br />
Wir dürfen <strong>de</strong>n Schluß <strong>de</strong>r eben genannten Offenbarung jedoch nicht übersehen. Nach<strong>de</strong>m<br />
er mit einem Kinnbacken einen großen Sieg errungen und voll Freu<strong>de</strong> darüber ein<br />
Siegeslied angestimmt hat, wirft er <strong>de</strong>n Eselskinnbacken fort, und dann wird er von seinen<br />
persönlichen Bedürfnissen gequält. „Es dürstete ihn sehr.“ Große Dienste für an<strong>de</strong>re können<br />
<strong>de</strong>r Seele nicht das Notwendigste geben; das kann nur <strong>de</strong>r Herr. Auch wenn unser Dienst<br />
noch so hervorragend ist, wird unsere Seele verhungern, wenn sie nicht unmittelbar vom<br />
Herrn erhalten wird, <strong>de</strong>nn nur <strong>de</strong>r Dienst kann sie nicht erhalten. Im Gegenteil, je größer<br />
<strong>de</strong>r Dienst ist, <strong>de</strong>sto mehr wer<strong>de</strong>n wir uns unserer Bedürfnisse und unserer Abhängigkeit<br />
von <strong>de</strong>r Unterstützung Gottes bewußt. Der größte Dienst schenkt <strong>de</strong>r mü<strong>de</strong>n Seele nicht<br />
einen Tropfen Erquickung. Sie muß von Gott kommen. Gott erhört <strong>de</strong>n Ruf Simsons, und er<br />
nennt <strong>de</strong>n Ort En-Hakore, „Quelle <strong>de</strong>s Rufen<strong>de</strong>n“. Er ge<strong>de</strong>nkt nicht seines Dienstes, son<strong>de</strong>rn<br />
seiner Abhängigkeit von Gott. Nun, da Simson sowohl in <strong>de</strong>r Abhängigkeit <strong>als</strong> auch im<br />
Dienste erprobt ist, wird berichtet, daß er Israel 20 Jahre richtete.<br />
Zurückschauend können wir diesen ersten Teil <strong>de</strong>r Geschichte Simsons von zwei<br />
Gesichtspunkten aus betrachten. Wir haben gesehen, daß seine geplante Vereinigung<br />
mit einer Philisterin eine unheilige Vereinigung war, und daß Gott ihn durch Zucht von <strong>de</strong>r<br />
Unmöglichkeit einer solchen Verbindung überzeugen mußte, und wir haben diese Zucht<br />
betrachtet. Wenn wir ihn <strong>als</strong> Israeliten und Nasiräer betrachten, trifft dies zu, aber ich<br />
glaube, es gibt noch eine an<strong>de</strong>re Seite, die in <strong>de</strong>n Worten: „Sein Vater und seine Mutter<br />
aber wußten nicht, daß es von Jehova war“ (Kap 17, 4) zum Ausdruck kommt. Das heißt,<br />
daß die Knechtschaft und die Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Unbeschnittenen fast eine notwendige<br />
Folge <strong>de</strong>r Stellung war (das Volk Israel befand sich unter <strong>de</strong>m Gericht Gottes), <strong>de</strong>r er durch<br />
seine Geburt unterworfen war. Obwohl er ein Nasir war, war er auf Grund <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s<br />
seines Volkes dieser ver<strong>de</strong>rbten Gemeinschaft ausgesetzt und war dafür verantwortlich;<br />
und während er auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite belehrt wird, sich von ihr loszumachen, wird<br />
ihm an<strong>de</strong>rerseits erlaubt, eine Vereinigung zu planen, die ein Zugeständnis an die ihm<br />
übergebene Verantwortlichkeit, an <strong>de</strong>ren Vorhan<strong>de</strong>nsein er persönlich keinen Anteil hatte,<br />
war. Diese Verbindung wur<strong>de</strong> nicht zugelassen, weil sie an sich unheilig war; aber das<br />
Vorhaben kommt <strong>de</strong>r zweifachen Absicht Gottes bei Seiner Unterweisung entgegen. Auf<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
<strong>de</strong>r einen Seite bringt es die Folgen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Volkes zur Geltung, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
ist es für Simson eine Gelegenheit, sich durch die Macht Gottes daraus zu befreien und<br />
zum Erretter Seines Volkes zu wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>rselben Weise ist je<strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r geboren<br />
wird, <strong>de</strong>r Strafe für Adams Sün<strong>de</strong> unterworfen, ehe er selbst auch nur eine Sün<strong>de</strong> begangen<br />
hat. So war es in Israel, so ist es in <strong>de</strong>r Kirche. Je<strong>de</strong>r einzelne ist sowohl <strong>de</strong>n Verlusten<br />
und Strafen, <strong>als</strong> auch <strong>de</strong>n Vorrechten, die das Ganze betreffen, unterworfen. Er kann die<br />
Vorrechte nicht genießen, ohne diesen Verbindlichkeiten, die wirkliche Hin<strong>de</strong>rnisse für <strong>de</strong>n<br />
Genuß <strong>de</strong>r Vorrechte sind, nachzukommen. Das war Kains Fehler; in<strong>de</strong>m er Jehova eine<br />
Opfergabe darbrachte, nahm er <strong>de</strong>n Platz eines vor Gott Angenehmgemachten ein, ohne<br />
<strong>de</strong>n Ansprüchen Gottes auf ihn, wegen <strong>de</strong>r in ihm wohnen<strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>, Genüge geleistet zu<br />
haben. Derselbe Grundsatz trifft für die Kirche zu. Wir müssen sowohl ihren Verfall <strong>als</strong><br />
auch ihre Vorrechte und Wür<strong>de</strong>n tragen.<br />
Aber ein Mann <strong>de</strong>r Kraft darf sich diesen Folgen nicht einfach beugen, ohne sich zu bemühen,<br />
das Böse zu ahn<strong>de</strong>n, und sich, seine Familie und sein Volk ihm zu entziehen. Er kann das<br />
nicht ableugnen, <strong>de</strong>m er gerechterweise unterworfen ist, aber er wird die Schwierigkeiten<br />
auch nicht dadurch vergrößern, daß er persönlich die Sün<strong>de</strong> seines Volkes vermehrt. Daher<br />
war Simson ein Nasir von seiner Geburt an, und war aus eben diesem Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r<br />
geeignet war, <strong>de</strong>n Platz eines Dieners und Erretters einzunehmen. Während er persönlich<br />
abgeson<strong>de</strong>rt war, ließ er eine rechtliche Verbindung zwischen Israel und <strong>de</strong>n Philistern zu,<br />
in<strong>de</strong>m er eine Verschwägerung mit einer von ihren Stammesgenossen im Sinn hatte. Das<br />
war unvereinbar, aber zunächst läßt Gott so viel zu, damit Simson, <strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>r Kraft, die<br />
ge<strong>de</strong>mütigte Stellung Israels bekennen sollte, aber mehr wird nach <strong>de</strong>n Ratschlüssen Gottes<br />
nicht notwendig und erlaubt. Um diese Verbindung zu verhin<strong>de</strong>rn und Israel von seinen<br />
Unterdrückern zu befreien, wird schnell ein triftiger Grund gefun<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>m Kampf<br />
erreicht Simson <strong>de</strong>n Felsen Etam, wird dort <strong>als</strong> Erretter <strong>de</strong>s Volkes bestätigt und richtet es<br />
20 Jahre lang.<br />
Damit ist <strong>de</strong>r erste Teil <strong>de</strong>r Geschichte Simsons been<strong>de</strong>t. Der zweite zeigt, wie er wie<strong>de</strong>r –<br />
aber auf einer niedrigeren Stufe – mit <strong>de</strong>n Philistern in Berührung kommt und wie er<br />
<strong>de</strong>shalb lei<strong>de</strong>t. Beim ersten Mal erstrebte er die Verbindung, weil er „eine Gelegenheit“<br />
an ihnen suchte; er wur<strong>de</strong> auf wun<strong>de</strong>rbare Weise unterstützt und zum Richter <strong>de</strong>s Volkes<br />
erhoben. jetzt aber sucht er ihre Gesellschaft auf Grund seiner fleischlichen Lust, und<br />
obwohl er, <strong>als</strong> er bereute, seine Kraft wie<strong>de</strong>rerlangte, konnte er nie mehr die Stellung von<br />
Etam <strong>als</strong> Richter <strong>de</strong>s Volkes Israel einnehmen, und das re<strong>de</strong>t sehr <strong>de</strong>utlich zu uns. Wenn<br />
wir <strong>de</strong>n Verfall <strong>de</strong>r Kirche mit <strong>de</strong>r Absicht bekennen, unseren daraus hervorgegangenen<br />
Verpflichtungen nachzukommen, wer<strong>de</strong>n wir Hilfe zu unserer Befreiung erhalten. Aber<br />
wenn wir wie<strong>de</strong>r Gemeinschaft in „<strong>de</strong>m großen Hause“ (2.Tim 2,20) suchen, für das wir uns<br />
verantwortlich gefühlt haben, wer<strong>de</strong>n wir bestimmt hineingezogen, und wenn wir auch<br />
später einzelne Taten vollbringen mögen, so wer<strong>de</strong>n wir doch nie <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>s Zeugnisses<br />
für Gott o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Erretters Seines Volkes einnehmen können.<br />
„Und Simson ging nach Gasa, und er sah daselbst eine Hure und ging zu ihr ein“ (Kap. 16).<br />
Er erneuert die unheilige Verbindung, aber er wird doch die Machenschaften <strong>de</strong>r Philister<br />
gegen ihn gewahr, und wird befähigt, jene auf wun<strong>de</strong>rbare Weise zu besiegen, <strong>de</strong>nn „um<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
Mitternacht stand er auf und ergriff die Flügel <strong>de</strong>s Stadttores und die bei<strong>de</strong>n Pfosten und<br />
riß sie samt <strong>de</strong>m Riegel heraus und legte sie auf seine Schultern; und er trug sie auf<br />
<strong>de</strong>n Gipfel <strong>de</strong>s Berges, <strong>de</strong>r gegen Hebron hin liegt.“ Obwohl Simson auf bemerkenswerte<br />
Weise errettet wur<strong>de</strong>, mußte dieser Vorfall eine Warnung für ihn sein. Oft wird die<br />
Seele von ihrem ersten Schritt rückwärts unter großen Kraftbeweisen wie<strong>de</strong>rhergestellt,<br />
obschon es erst bei Mitternacht geschehen mag, d. h., daß das Zeugnis hinter <strong>de</strong>r Errettung<br />
zurücksteht. Die Reise <strong>de</strong>s Apostels Paulus nach Jerusalem ist ein Beispiel von einem<br />
solchen Rückwärtsschritt auch er kann erst bei Mitternacht seine Wi<strong>de</strong>rsacher überlisten<br />
und, von römischen Soldaten begleitet, entfliehen. Es ist fürwahr ein Segen, wenn solche<br />
Zucht die Seele dazu bringt, diese Gemeinschaft zu mei<strong>de</strong>n! Bei Paulus war es so; aber<br />
Simson lernt daraus nicht, <strong>de</strong>nn „es geschah hernach, da liebte er ein Weib im Tale Sorek,<br />
ihr Name war Delila.“ Hier wer<strong>de</strong>n wir vor <strong>de</strong>n traurigsten, <strong>de</strong>mütigendsten Vorfall im<br />
Leben <strong>de</strong>s Knechtes Gottes gestellt. Kein noch so großer Verrat von seiten Delilas (die ein<br />
Bild <strong>de</strong>r Welt in <strong>de</strong>r Vereinigung von Verlockung und Feindseligkeit ist) vermag Simson<br />
zur Erkenntnis <strong>de</strong>s wahren Charakters <strong>de</strong>r Person zu bringen, mit <strong>de</strong>r er sich vereinigt<br />
hat. Wo war sein Feingefühl, daß er mit jemand, <strong>de</strong>r sein Vertrauen erschlich, um ihn zu<br />
ver<strong>de</strong>rben, die engste Gemeinschaft pflegen konnte? Zunächst vertraute er ihr nicht, und<br />
solange er seine Zurückhaltung und das göttliche Geheimnis bewahrt, ist er sicher; aber wie<br />
<strong>de</strong>mütigend ist es, sich <strong>als</strong> mächtiger Mann in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n einer f<strong>als</strong>chen Frau zu befin<strong>de</strong>n.<br />
Wahrlich, wenn wir sehen, wie die Stärksten betrogen wer<strong>de</strong>n können und nicht einmal die<br />
greifbarsten Beweise ihren verdunkelten Sinn erhellen, dann können wir sagen: „Niemand<br />
rühme sich seiner Kraft.“ Groß ist die Gna<strong>de</strong> unseres Gottes, Der uns sogar auf einem<br />
Abwege bis zum letztmöglichen Punkt bewacht. Simson ist siegreich, bis er das Geheimnis<br />
seiner Kraft verrät – das Kennzeichen Seines Nasiräertums und seiner Abson<strong>de</strong>rung für<br />
Gott; aber in <strong>de</strong>m Augenblick verläßt er die Quelle seiner Kraft, er verliert das Kennzeichen<br />
<strong>de</strong>s Knechtes Gottes – das nicht für die Ohren <strong>de</strong>r Unbeschnittenen bestimmt war. Solange<br />
das Kennzeichen vorhan<strong>de</strong>n war, gab Gott ihm Beistand und Ehre. Wir sehen oft, daß Gott<br />
Seinen Knecht, <strong>de</strong>r das Geheimnis <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung bewahrt, unterstützt, auch wenn er<br />
durch Verlockungen <strong>de</strong>s Fleisches angezogen wird; aber sobald dies Kennzeichen aufgegeben<br />
wird, ist es mit <strong>de</strong>m Beistand vorbei. Es ist nur ein kleiner Schritt von <strong>de</strong>n Verlockungen<br />
<strong>de</strong>r Welt zum tödlichen Übel. Simson gibt erst <strong>de</strong>r Versuchung nach, dann gibt er die<br />
Abson<strong>de</strong>rung auf und wird schließlich in die Hand <strong>de</strong>r Philister überliefert, wo seine Augen<br />
ausgestochen wer<strong>de</strong>n. Welch eine harte, schmerzliche Zucht muß Simson jetzt erdul<strong>de</strong>n!<br />
Mit ehernen Fesseln gebun<strong>de</strong>n, muß er „mahlen im Gefängnis“. Das ist das Ergebnis seines<br />
Eigenwillens und <strong>de</strong>r Aufgabe seines Platzes <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung. Im Gefängnis beginnt sein<br />
Haar wie<strong>de</strong>r zu wachsen, das Zeichen <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung wird erneuert, aber sein Augenlicht<br />
ist verloren! Wie ernst! Das Kennzeichen wird wie<strong>de</strong>rhergestellt, die Kraft ist wirksam, aber<br />
die Macht zeigt sich erst im To<strong>de</strong>.<br />
Wie nun im To<strong>de</strong> Christi alle Fein<strong>de</strong> praktisch besiegt wor<strong>de</strong>n sind, so bleibt <strong>de</strong>r Tod<br />
allein <strong>als</strong> Platz <strong>de</strong>s Zeugnisses für einen Diener wie Simson, <strong>de</strong>r mit offenen Augen<br />
gera<strong>de</strong> die Verbindung eingegangen ist, die er früher so bekämpft hatte, und, <strong>als</strong> sein<br />
Herz wie<strong>de</strong>rhergestellt war, zurückwies. Als sein Haar gewachsen ist, ist <strong>de</strong>r einzige Ort<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 98
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Simson<br />
<strong>de</strong>s Zeugnisses für ihn <strong>de</strong>r Tod – öffentlicher, praktischer Tod, bei <strong>de</strong>m er offenbart, daß<br />
Gott mit ihm ist. Der wie<strong>de</strong>rhergestellte Nasir bekun<strong>de</strong>t seine Buße in <strong>de</strong>r Vollkommenheit<br />
seiner Selbstaufgabe: er stirbt. Nicht das „Haar“ kennzeichnet ihn, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Tod. Simson<br />
starb mit <strong>de</strong>n Gottlosen, aber in seiner letzten Anstrengung – jenem schrecklichen Gericht,<br />
das auf <strong>de</strong>n Menschen infolge <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> lastet – verherrlichte er Gott, <strong>de</strong>nn „es waren<br />
<strong>de</strong>r Toten, die er in seinem To<strong>de</strong> tötete, mehr <strong>als</strong> <strong>de</strong>rer, die er in seinem Leben getötet<br />
hatte.“ Das ist die wahre Grabschrift je<strong>de</strong>r Seele, die die Macht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s Christi erfahren<br />
hat, <strong>de</strong>nn dort hat <strong>de</strong>r Sieger je<strong>de</strong>n Feind besiegt, selbst <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r die Macht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s hat,<br />
zur Verherrlichung und zum Preise Gottes. Daraus lernen wir, daß <strong>de</strong>r Tod das einzige<br />
Heilmittel für die Begier<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Fleisches ist.<br />
Das ist das En<strong>de</strong> Simsons. Niemand kam ihm an Kraft gleich; sein En<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>mütigend für<br />
das Fleisch, aber es verherrlicht Gott und rechtfertigt Seine nie fehlen<strong>de</strong> Weisheit und Zucht<br />
in bezug auf Seine Knechte. Möchten wir alle lernen, mehr in Abson<strong>de</strong>rung zu wan<strong>de</strong>ln<br />
und unser Nasiräertum zu bewahren, damit wir Zeugen für unseren Herrn sein können und<br />
vor <strong>de</strong>r Unterdrückung <strong>de</strong>r Welt bewahrt bleiben! Möchten wir aus <strong>de</strong>r Geschichte Simsons<br />
lernen, wie leicht Abson<strong>de</strong>rung aufgegeben wer<strong>de</strong>n kann, wenn wir in Gemeinschaft mit<br />
<strong>de</strong>r Welt kommen. Aber auch, wie wir Gott doch noch verherrlichen können, auch wenn<br />
unser Zeugnis durch Verfehlungen beeinträchtigt ist, wenn es in <strong>de</strong>r Ruhe und Stetigkeit<br />
geschieht, mit <strong>de</strong>r wir an unserem Leibe das Sterben Jesu herumtragen, damit das Leben<br />
Jesu an unserem Leibe offenbar wer<strong>de</strong>.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 99
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
Ruth<br />
Die Geschichte zu verfolgen, durch die eine Frau befähigt wird, <strong>de</strong>n Platz eines Zeugnisses<br />
für Gott auf Er<strong>de</strong>n einzunehmen, muß sicherlich ein interessantes und wichtiges Studium<br />
für uns bieten. Zugleich ist es ein Studium, das in unseren Tagen beson<strong>de</strong>rs notwendig<br />
ist, sowohl im Blick auf <strong>de</strong>n einzelnen wie auch in bezug auf die Kirche. Das Weib<br />
wur<strong>de</strong> gebil<strong>de</strong>t, um eine Gehilfin für <strong>de</strong>n Mann zu sein, ihm entsprechend. Es scheint,<br />
daß sie diese hohe Stellung bei <strong>de</strong>m Sün<strong>de</strong>nfall eingebüßt hat und von da an mehr in<br />
einer abhängigen und untergeordneten Stellung, <strong>als</strong> in einer Stellung <strong>de</strong>r Gleichheit und<br />
Hilfeleistung, geschaut wird. Die Gna<strong>de</strong> ist die große Kundmachung <strong>de</strong>r Liebe Gottes,<br />
und es ist <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>: „Wo die Sün<strong>de</strong> überströmend gewor<strong>de</strong>n, ist die<br />
Gna<strong>de</strong> noch überschwenglicher gewor<strong>de</strong>n!“ Gera<strong>de</strong> dort, wo sich Versagen und Schwäche<br />
am meisten gezeigt haben, betätigt sich die göttliche Gna<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung.<br />
Die Wie<strong>de</strong>rherstellung ist aber stets mit einem Gefühl <strong>de</strong>s Versagens und <strong>de</strong>r Schwäche<br />
verbun<strong>de</strong>n, über welche die Gna<strong>de</strong> triumphiert hat. Führt unser teurer Herr eine Seele in<br />
die Segnungen Seiner Gna<strong>de</strong> ein, so muß Er sie notwendigerweise über die Gerechtigkeit<br />
und über die Güte Seiner Handlungen belehren. In <strong>de</strong>m Maße, wie wir „<strong>de</strong>n Herrn Jesus<br />
Christus gelernt haben“, verstehen wir diese bei<strong>de</strong>n Seiten in unseren Herzen und Gewissen,<br />
und die Mittel und einzelnen Abschnitte <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung belehren uns über die<br />
Erziehungswege und die Zurechtweisung <strong>de</strong>s Herrn. Er leitet uns Schritt für Schritt dahin,<br />
zu erkennen, wie wir Seiner Gna<strong>de</strong> bedürfen. Er bereitet uns für Seine Gna<strong>de</strong> zu, in<strong>de</strong>m Er<br />
in uns jene Selbstverleugnung hervorbringt, die für Seine Gabe Raum schafft. Gott lehrt uns<br />
durch Seine Zucht einzusehen, wie das Fleisch uns behin<strong>de</strong>rt. Er zeigt uns, was das Fleisch<br />
ist, und beschäftigt Sich mit ihm, um es beiseitezusetzen.<br />
Welche Gna<strong>de</strong> ist es daher von <strong>de</strong>m Herrn, uns durch die Vorbil<strong>de</strong>r, die Er uns in Seinem<br />
Worte vor Augen stellt, über die Grundsätze <strong>de</strong>r Zucht zu belehren, die uns nach Seinen<br />
eigenen Absichten für <strong>de</strong>n Dienst und für die Herrlichkeit passend machen soll.<br />
Dies ist es, was wir auch bei Ruth fin<strong>de</strong>n und was unser Interesse an ihrer Geschichte<br />
hervorruft. Wir wer<strong>de</strong>n hier belehrt, wie Gott eine Frau leitete, die einem beson<strong>de</strong>rs<br />
verachteten Stamm, <strong>de</strong>n Moabitern, angehörte, und wie Er sie dazu befähigte, die erhabene<br />
Stellung, zum königlichen Geschlecht Israels zu gehören, einzunehmen, ja, sowohl die<br />
Segnungen <strong>de</strong>r Rahel <strong>als</strong> auch <strong>de</strong>r Lea in sich zu vereinigen. Wir können nicht aufmerksam<br />
genug <strong>de</strong>n Weg und die geistige Einstellung betrachten, die zu diesem großen Ziel führten.<br />
Elimelech, Noomi und ihre bei<strong>de</strong>n Söhne waren wegen <strong>de</strong>r in ihrem eigenen Land<br />
herrschen<strong>de</strong>n Hungersnot aus Bethlehem in Juda in das Land Moab ausgewan<strong>de</strong>rt. Es war<br />
ein Zeichen <strong>de</strong>s Verfalls und <strong>de</strong>s Gerichts, daß ein lsraelit sein eigenes Land verlassen mußte,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 100
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
weil es jener natürlichen Segnungen ermangelte, die einem heidnischen Land geschenkt<br />
wur<strong>de</strong>n. Die notwendige Folge dieses Zustan<strong>de</strong>s war es, daß Elimelechs bei<strong>de</strong> Söhne sich<br />
moabitische Frauen nahmen. In<strong>de</strong>m ein Sohn <strong>de</strong>s verheißenen Samens eine moabitische<br />
Frau heiratete, erhob er sie aus ihrer niedrigen Stellung, obwohl er dadurch gleichzeitig<br />
seine eigene Stellung verdunkelte und sie preisgab, in<strong>de</strong>m er im Lan<strong>de</strong> Moab wohnte. Ruth<br />
wur<strong>de</strong> somit durch ihre Heirat aus ihrer niedrigen nationalen Stellung in die Verbindung<br />
mit einem Stamm <strong>de</strong>s Volkes Israel erhoben. Bei <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> ihres Mannes mußte sie, eine<br />
Witwe, <strong>de</strong>r nur eine verwitwete Schwiegermutter verblieben war, entwe<strong>de</strong>r wie Orpa in<br />
ihren früheren niedrigen Zustand zurückfallen, o<strong>de</strong>r sie mußte versuchen, jene Stellung<br />
aufrecht zu erhalten, zu <strong>de</strong>r sie erhoben wor<strong>de</strong>n war. Dies konnte nur dadurch geschehen,<br />
daß sie an ihrer Verbindung zu Israel festhielt, selbst auf Kosten persönlicher Vorteile;<br />
das heißt, in<strong>de</strong>m sie an Noomi festhielt, obwohl alle natürlichen Erwartungen aus diesem<br />
Verhältnis verloren schienen. Ruth wählte diesen Weg, nicht mit Berechnung irgendwelcher<br />
Art, welchen stellungsmäßigen Vorteil ein solches Festhalten an ihrer Schwiegermutter ihr<br />
bringen wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn geleitet von <strong>de</strong>m höheren Beweggrund persönlicher Anhänglichkeit<br />
zu <strong>de</strong>rjenigen, durch die sie aus ihrem Zustand <strong>de</strong>r Niedrigkeit bereits so hoch erhoben<br />
wor<strong>de</strong>n war. Ihre Handlungsweise und die Folgen dieses Weges wer<strong>de</strong>n uns im einzelnen<br />
in diesem interessanten Buch mit großer Genauigkeit mitgeteilt, <strong>als</strong> ein Gegenstand von<br />
großer Be<strong>de</strong>utung für uns selbst. Denn, mögen wir Ruth <strong>als</strong> ein Bild <strong>de</strong>r Kirche, o<strong>de</strong>r eines<br />
Heiligen aus <strong>de</strong>m Hei<strong>de</strong>ntum, o<strong>de</strong>r aber je<strong>de</strong>s Gläubigen betrachten, so stellt ihre Geschichte<br />
ein Kapitel über Gottes Handlungsweise dar, das für uns sehr lehrreich ist.<br />
Als welches Vorbild wir Ruth auch betrachten mögen, – ein einfältiges Festhalten an <strong>de</strong>r<br />
erkannten Wahrheit ist das erste Merkmal. Und dieses Merkmal ist in Ruth in lieblicher<br />
Weise ausgeprägt. Sie opfert je<strong>de</strong> Aussicht auf eine Verän<strong>de</strong>rung ihres Zustan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />
Zuneigung zu Noomi, mag kommen, was wolle. Sie sagt zu ihr: „Dringe nicht in mich,<br />
dich zu verlassen, hinter dir weg umzukehren; <strong>de</strong>nn wohin du gehst, will ich gehen, und<br />
wo du weilst, will ich weilen; <strong>de</strong>in Volk ist mein Volk, und <strong>de</strong>in Gott ist mein Gott; wo<br />
du stirbst, will ich sterben, und daselbst will ich begraben wer<strong>de</strong>n. So soll mir Jehova<br />
tun und so hinzufügen, nur <strong>de</strong>r Tod soll schei<strong>de</strong>n zwischen mir und dir!“ – Welch ein<br />
Ausspruch ist dies! Es ist die Sprache <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r sich einem Ziel unbeirrbar verschrieben<br />
hat. Welcher Ausdruck einer Seele, die fest entschlossen ist, von <strong>de</strong>r Wahrheit Gottes, <strong>de</strong>r<br />
Verbindung mit all Seinen Absichten und Segnungen, nicht zu weichen! Der erste Teil<br />
<strong>de</strong>r Waffenrüstung Gottes (Eph 6) ist das „Umgürtetsein mit Wahrheit“, und das erste<br />
Erfor<strong>de</strong>rnis eines Knechtes in Christo, beson<strong>de</strong>rs wenn es sich um die zurückgezogene<br />
Sphäre einer Frau han<strong>de</strong>lt, ist das einfältige Festhalten an <strong>de</strong>r Wahrheit Gottes.<br />
Noomi stellte, wie wir gesehen haben, das Bin<strong>de</strong>glied zum Volke Israel dar. Ruth mag<br />
darüber keine klare Erkenntnis gehabt haben, aber das gera<strong>de</strong> läßt ihre Hingabe nur um<br />
so bewun<strong>de</strong>rnswerter erscheinen. Denn wäre ihr Wissen größer gewesen, so hätte sie<br />
mehr Grund und Ansporn zu ihrem Han<strong>de</strong>ln gehabt, anstelle <strong>de</strong>r reinen Zuneigung und<br />
Wertschätzung, durch die sie sich leiten ließ.<br />
Wenn ein Herz die Wahrheit ergreift, ohne von <strong>de</strong>m Warum zu wissen, aber mit <strong>de</strong>r<br />
Entschlossenheit, sie zu „erwerben, und nicht wie<strong>de</strong>r zu verkaufen“ (Spr 23,23), so können<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 101
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
wir gewiß sein, daß sich die Wahrheit <strong>de</strong>m Herzen weiter offenbaren wird und daß <strong>de</strong>m,<br />
<strong>de</strong>r da hat, „hinzugefügt wer<strong>de</strong>n wird.“(Mt 13,12) Hingabe an ein wahres Ziel vere<strong>de</strong>lt<br />
eine Frau. Besitzt sie die Hingabe nicht, so fehlt ihr die erste Eigenschaft ihrer Stellung.<br />
Versagt sie in dieser und <strong>de</strong>nkt an sich selbst, wie Eva <strong>de</strong>m Adam gegenüber, o<strong>de</strong>r die<br />
Kirche Christus gegenüber, so wird je<strong>de</strong> Unordnung die Folge sein. Die Hingabe an die<br />
Wahrheit, an das was wir <strong>als</strong> das wirklich Wahre und Gute erkannt haben, ist das erste<br />
große Merkmal einer Seele, die zum Dienst und Zeugnis bereitet und befähigt ist. Besitzen<br />
wir diese Eigenschaft nicht, so wer<strong>de</strong>n alle unsere Wege notwendigerweise unvollkommen<br />
sein, <strong>de</strong>nn wir können dann kein genau erkanntes Ziel vor Augen haben. Um ein Zeuge<br />
Gottes zu sein unter <strong>de</strong>nen, die einer Lüge über Ihn geglaubt und in ihr gewan<strong>de</strong>lt haben<br />
und sich ihrer Gottesfeindschaft brüsten, müssen wir zuerst und vor allem an<strong>de</strong>ren mit<br />
Glaubensmut für die Wahrheit eintreten. Mangelt es an dieser Eigenschaft bei uns, so ist<br />
augenscheinlich unsere Befähigung zum Zeugendienst mangelhaft. Mehr <strong>als</strong> das: in<strong>de</strong>m<br />
wir versuchen, ein Zeugnis zu sein, verunehren wir gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Namen, Dem wir zu dienen<br />
meinen. Unser Herz ist nicht vollkommen darauf gerichtet, die erste Voraussetzung <strong>de</strong>s<br />
Dienstes zu erfüllen. Wir mögen eine gewisse Zuneigung besitzen, wie Orpa sie durch ihren<br />
Kuß ausdrückte, aber, wie bei ihr, ruht unsere Zuneigung nicht auf <strong>de</strong>m allein Wahren, und<br />
wir wer<strong>de</strong>n uns bald abwen<strong>de</strong>n auf unsere eigenen Wege. Die Wirklichkeit <strong>de</strong>s einfältigen<br />
Festhaltens an <strong>de</strong>r Wahrheit kann uns nicht ernst genug vor die Seele gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenn unsere Herzen mit tiefer Liebe zum Herrn erfüllt sind, trachten wir danach,<br />
Gemeinschaft mit Ihm zu haben. Er ist <strong>de</strong>r Gegenstand unserer Zuneigung, und in <strong>de</strong>m Maße<br />
unserer Liebe hangen wir Dem an, Der sie hervorgerufen hat. In <strong>de</strong>m Maße, wie wir Ihn<br />
verehren, wer<strong>de</strong>n wir Ihm gleichgestaltet. Nichts an<strong>de</strong>res kann eine wahrhaft hingegebene<br />
Seele befriedigen. Die Wahrheit über Seine Person kann auf keinen Fall preisgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n, und F<strong>als</strong>ches wird abgelehnt. Ich verweile beson<strong>de</strong>rs bei diesem Punkt, weil die<br />
Stellung eines wahren Dieners <strong>de</strong>r Kirche in so starkem Maße davon abhängt. Ruth war,<br />
wie wir gesehen haben, einfältig und unbeirrbar in ihrem Herzensentschluß. Sie gibt uns<br />
daher ein treffen<strong>de</strong>s Bild dieser so wichtigen Eigenschaft, die auch, wie wir sehen wer<strong>de</strong>n,<br />
reichen Lohn empfing.<br />
Aber ehe wir uns mit diesem Lohn beschäftigen, wollen wir noch eine an<strong>de</strong>re Eigenschaft<br />
betrachten, die in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Ruth so stark hervortritt und uns reiche Beispiele<br />
liefert, und das ist <strong>de</strong>r einfache Gehorsam in <strong>de</strong>r untergeordnetsten und unbeachtetsten<br />
Stellung <strong>de</strong>s Dienstes. Sie betrat das Land Israel in unzertrennlicher Gemeinschaft mit <strong>de</strong>r<br />
einstigen Noomi (“Liebliche“), aus <strong>de</strong>r jetzt eine Mara (“Bittere“) gewor<strong>de</strong>n war. In<strong>de</strong>m<br />
sie sich mit ihren Umstän<strong>de</strong>n abgefun<strong>de</strong>n hatte, nein, in<strong>de</strong>m sie mit ihnen zufrie<strong>de</strong>n war,<br />
wen<strong>de</strong>t sie sich <strong>de</strong>m kleinsten sich ihr bieten<strong>de</strong>n Ausweg zu – was stets ein Beweis einer<br />
gesun<strong>de</strong>n und aktiven Seele ist– und ergreift ihn ohne Zau<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Zweifel. Sie sagt: „Laß<br />
mich doch aufs Feld gehen und unter <strong>de</strong>n Ähren lesen hinter <strong>de</strong>m her, in <strong>de</strong>ssen Augen ich<br />
Gna<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>“.<br />
Es ist <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utigste Beweis wahrer Kraft, wenn wir in einer Notlage nicht nur ergeben<br />
sind, son<strong>de</strong>rn auch bereit sind, je<strong>de</strong>n kleinen Ausweg zu benutzen, und fähig sind, uns<br />
zu erniedrigen, und dadurch vor allen – auch vor unserer eigenen Seele – zu bezeugen,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 102
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
daß Gott uns nicht vergessen hat und daß das, was wir gera<strong>de</strong> vor uns sehen, völlig zur<br />
Befriedigung unserer Bedürfnisse ausreicht. Wir bedürfen nur <strong>de</strong>r Demut, um die Umstän<strong>de</strong><br />
so zu beurteilen. Sollten wir an<strong>de</strong>rs re<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r empfin<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong>n wir Seine Fürsorge<br />
und Anteilnahme an uns antasten. Ruth sieht, daß <strong>de</strong>r einzige Ausweg für sie ist, Ähren<br />
zu lesen, und so wen<strong>de</strong>t sie sich <strong>de</strong>m Ährenlesen zu, und gera<strong>de</strong> dies war <strong>de</strong>r vom Herrn<br />
für sie bestimmte Weg. Zweifellos war es ein sehr niedriger, unbeachteter Dienst, aber <strong>de</strong>r<br />
Herr sieht nicht, wie <strong>de</strong>r Mensch sieht, und Er leitete sie auf rechtem Wege. „Er lehrt die<br />
Sanftmütigen seinen Weg“ (Ps 25,9); <strong>de</strong>swegen „traf sie zufällig das Feldstück <strong>de</strong>s Boas,<br />
<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Geschlecht Elimelechs war“. „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht wer<strong>de</strong>n“<br />
(Luk 18,14). Sind wir Ihm unterworfen, so wer<strong>de</strong>n wir zur Fülle <strong>de</strong>r Segnung geführt.<br />
Ergreifen wir nicht <strong>de</strong>n geringen Ausweg, <strong>de</strong>n Er uns bietet, so wer<strong>de</strong>n wir nie das Ziel<br />
<strong>de</strong>r Segnung erreichen. Ruth war die <strong>de</strong>mütige, sich mühen<strong>de</strong> Magd, und <strong>als</strong> solche erhält<br />
sie wegen ihrer Hingabe an Noomi ihren Lohn. Beachte es wohl! Es ist ihre Hingabe, die<br />
belohnt wird, mehr <strong>als</strong> ihr Dienst. Boas sagt zu ihr: „Es ist mir alles wohl berichtet wor<strong>de</strong>n,<br />
was du an <strong>de</strong>iner Schwiegermutter getan hast nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>ines Mannes, in<strong>de</strong>m du<br />
<strong>de</strong>inen Vater und <strong>de</strong>ine Mutter und das Land <strong>de</strong>iner Geburt verlassen hast und zu einem<br />
Volke gezogen bist, das du früher nicht kanntest. Jehova vergelte dir <strong>de</strong>in Tun, und voll<br />
sei <strong>de</strong>in Lohn von Jehova, <strong>de</strong>m Gott Israels, unter <strong>de</strong>ssen Flügeln Zuflucht zu suchen du<br />
gekommen bist!“<br />
Boas segnete sie – eine Segnung, an <strong>de</strong>r er später (wie es bei Segnen<strong>de</strong>n stets <strong>de</strong>r Fall ist)<br />
selber teilhatte – und zugleich befahl er seinen Jünglingen: „Auch zwischen <strong>de</strong>n Garben mag<br />
sie auflesen, und ihr sollt sie nicht beschämen; und auch sollt ihr selbst aus <strong>de</strong>n Bün<strong>de</strong>ln<br />
Ähren für sie herausziehen und sie liegen lassen, damit sie sie auflese, und sollt sie nicht<br />
schelten.“ So sehen wir, daß Ruth mehr zuteil wird aufgrund ihrer Hingabe an Noomi,<br />
<strong>als</strong> sie durch ihre mühevolle und unermüdliche Arbeit erhielt. Und dies ist stets <strong>de</strong>r Fall.<br />
Wie groß <strong>de</strong>r Lohn für treuen Dienst auch sein mag, er wird von <strong>de</strong>r Belohnung treuer<br />
Hingabe unermeßlich übertroffen. Wäre Ruth auf das Feld zum Ährenlesen gegangen wie<br />
die an<strong>de</strong>ren Mäg<strong>de</strong> es taten, so hätte sie das bekommen, was ihr zustand und was ihrer<br />
Mühe entsprach, nicht mehr. Aber bei ihr war es etwas ganz an<strong>de</strong>res. Die Hingabe an eine<br />
an<strong>de</strong>re Person (Noomi) war die Triebfe<strong>de</strong>r ihres ganzen Han<strong>de</strong>lns. Der Erfolg war für sie<br />
(wie er auch uns zuteil wird, wenn wir von <strong>de</strong>m gleichen Geiste beseelt sind), daß die Ernte<br />
überströmend war. Nicht nur das, son<strong>de</strong>rn die ergebene Seele wird weitergeführt, Schritt<br />
um Schritt, bis sie wahre Ruhe, Ehre und zuletzt ein Erbteil erlangt.<br />
Der Schluß ihrer Geschichte zeigt uns, wie sie schließlich die Frau <strong>de</strong>s Boas, <strong>de</strong>s wahren<br />
Blutsverwandten, wird, <strong>de</strong>r das Erbe löst, und wie sie gemäß <strong>de</strong>m Segen, <strong>de</strong>r über sie<br />
ausgesprochen wur<strong>de</strong>, das königliche Haus Davids erbaut, „wie Rahel und wie Lea, welche<br />
bei<strong>de</strong> das Haus Israel erbaut haben.“ Die Moabitin tritt in enge Verbindung zu <strong>de</strong>m<br />
Thron Judas, und durch sie wird <strong>de</strong>r Name ihres Blutsverwandten und Lösers mächtig in<br />
Bethlehem–Ephrata, <strong>de</strong>r Stätte <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Auferstehung, – <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbare Abschluß<br />
eines so geringen Anfangs, aber völlig <strong>de</strong>n Wegen <strong>de</strong>r göttlichen Erziehung entsprechend.<br />
Und nun, wo wir diesen Schluß <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Ruth erreicht haben, laßt uns, zum<br />
Gewinn für unsere Seelen, innehalten, um <strong>de</strong>n Erziehungsweg zu überschauen, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 103
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
Herr sie zu diesem Platz <strong>de</strong>r Ruhe und Ehre führte (<strong>de</strong>r gleiche Weg, auf <strong>de</strong>m Er tatsächlich<br />
je<strong>de</strong> Seele führt, die das gleiche Ziel erreicht). Denn es ist segensreich für uns, zu beachten,<br />
wie Er zuerst entleert, ehe Er füllt, wie Er erniedrigt, ehe Er erhöht. Ruth war zunächst<br />
eine Witwe, ohne alle menschliche Hoffnung für jenen Lebensweg, <strong>de</strong>r für sie ehrenvoll<br />
gewesen war und zu <strong>de</strong>m sie durch ihre Verbindung mit einem Sohne Israels erhoben<br />
wur<strong>de</strong>. Dann gibt sie Heimat, Verwandtschaft und die natürlichen Aussichten preis, die<br />
sie durch eine Rückkehr zu ihrer früheren nie<strong>de</strong>ren Stellung <strong>als</strong> Moabitin hätte haben<br />
mögen, um <strong>de</strong>r Gemeinschaft mit <strong>de</strong>rjenigen willen, die mit ihrer Witwenschaft verbun<strong>de</strong>n,<br />
aber aus „Lieblichkeit“ zu Bitterkeit gewor<strong>de</strong>n war, und <strong>de</strong>ren Gemeinschaft für Ruth<br />
ununterbrochene <strong>de</strong>mütige Mühe be<strong>de</strong>utete. In<strong>de</strong>m sie keinen Ausweg, wie beschei<strong>de</strong>n er<br />
auch war, ablehnt o<strong>de</strong>r geringschätzt, geht sie Tag für Tag ihren niedrigen, mühevollen,<br />
anspruchslosen Weg und erlebt dabei täglich, wie gnädig und barmherzig <strong>de</strong>r Herr zu ihr<br />
ist. Dies erfüllt sie mit Bewun<strong>de</strong>rung und Staunen, <strong>de</strong>nn am ersten Tage sagt sie zu Boas,<br />
in<strong>de</strong>m sie auf ihr Angesicht fällt und sich zur Er<strong>de</strong> nie<strong>de</strong>rbeugt: „Warum habe ich Gna<strong>de</strong><br />
gefun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>inen Augen, daß du mich beachtest, da ich doch eine Frem<strong>de</strong> bin“? Die Seele<br />
ist noch wenig zubereitet für Gottes unerwartete Gna<strong>de</strong>nbezeugung. Doch was war diese<br />
im Vergleich zu <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die noch folgen sollte? Was war ihre frühere Stellung, vor ihrer<br />
Witwenschaft, verglichen mit <strong>de</strong>r Stellung voller Ehre und Wür<strong>de</strong>, in die <strong>de</strong>r Herr sie jetzt<br />
stellte? Gesegnete Witwenschaft, die sie für solch eine Stellung zubereitete! Gesegnetes<br />
Wirken, das dorthin führte auf <strong>de</strong>n Pfa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r einfältigen Herzenshingabe und Demut!<br />
Gepriesen sei Gott, <strong>de</strong>r in solcher Weise an ihr han<strong>de</strong>lte!<br />
Wir erinnern uns daran, daß Ruth nach Bethlehem kam zu Beginn <strong>de</strong>r Gerstenernte, die<br />
unmittelbar nach <strong>de</strong>m Passahfest einsetzte, und daß sie ihren Dienst während <strong>de</strong>r sieben<br />
Wochen <strong>de</strong>r Ernte fortsetzte (eine vollkommene Zeitspanne gemäß <strong>de</strong>m symbolischen<br />
Zahlengebrauch <strong>de</strong>r Heiligen Schrift), bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Weizenernte, das ist bis Pfingsten.<br />
Erst nach Pfingsten for<strong>de</strong>rt Boas sie <strong>als</strong> sein Eigentum. Ich erwähne dies <strong>als</strong> be<strong>de</strong>utsam, ob<br />
wir nun Ruth <strong>als</strong> ein Vorbild vom praktischen o<strong>de</strong>r vom stellungsmäßigen Standpunkt aus<br />
betrachten, <strong>de</strong>nn das Pfingstfest bezeichnete <strong>de</strong>n Vollgenuß <strong>de</strong>r Segnung, wie er durch das<br />
Hernie<strong>de</strong>rkommen <strong>de</strong>s Heiligen Geistes eingeführt wur<strong>de</strong>. Nach einer Zeitspanne von sieben<br />
Wochen zwischen <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn und <strong>de</strong>n Geschehnissen in Apostelgeschichte 2<br />
wur<strong>de</strong> jener große Tag <strong>de</strong>r Pfingsten erfüllt, auf <strong>de</strong>n alle früheren Pfingstfeste hinge<strong>de</strong>utet<br />
hatten, und die Braut wur<strong>de</strong> in die Stellung <strong>de</strong>s Vorranges eingeführt. An<strong>de</strong>rerseits kann die<br />
Kirche aber, obwohl sie jetzt in <strong>de</strong>n Segnungen <strong>de</strong>s Pfingsttages steht, die hohen Vorrechte,<br />
die ihr geschenkt wur<strong>de</strong>n, nicht verwirklichen, wenn sie nicht in Treue gegenüber <strong>de</strong>r ihr<br />
anvertrauten Wahrheit und in geduldigem, pflichttreuem Dienst vorangeht. Der Grund<br />
hiervon ist leicht zu erkennen.<br />
Wenn ich <strong>de</strong>m Herrn, insoweit ich Ihn kenne, nicht treu bin, wer<strong>de</strong> ich nicht von Seinem<br />
Geiste geleitet. Wandle ich aber nicht im Geiste, dann kann ich unter keinen Umstän<strong>de</strong>n die<br />
Vorrechte und die traute Gemeinschaft verwirklichen, die <strong>de</strong>r Brautstellung entsprechen,<br />
und in die <strong>de</strong>r Heilige Geist uns einführen möchte. Was aber in bezug auf die Kirche wahr<br />
ist, ist auch wahr in bezug auf je<strong>de</strong>s einzelne Glied. Es wur<strong>de</strong> uns hier <strong>als</strong> Symbol das Weib<br />
hingestellt, weil sie, <strong>als</strong> Einheit, die Kirche, die Braut <strong>de</strong>s letzten Adam, darstellen sollte,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 104
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Ruth<br />
erlöst aus <strong>de</strong>m Ruin und <strong>de</strong>r Schan<strong>de</strong>, in die das erste Weib sie gestürzt hatte. Sei es nun<br />
Mann o<strong>de</strong>r Frau, wenn wir nicht in Unterwürfigkeit unter die Wahrheit in geduldigem<br />
<strong>de</strong>mütigem, unbeachtetem Dienst <strong>als</strong> Fremdlinge über die Er<strong>de</strong> pilgern, so können wir<br />
nicht in die Stellung und <strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>r Ruhe eingehen, <strong>de</strong>n unser Boas je<strong>de</strong>r treuen Ruth im<br />
Geiste auch heute darbietet. Je mehr wir Seine Wege mit uns verstehen lernen, je besser<br />
wer<strong>de</strong>n wir erkennen, wie Er je<strong>de</strong>n von uns in dieser Weise erzieht: Er belehrt uns, <strong>als</strong> treu<br />
gemäß <strong>de</strong>m uns geschenkten Licht, darin bis zum vollen Genuß Seiner Liebe zu gelangen;<br />
<strong>als</strong> „Witwen“ in dieser Welt zu wan<strong>de</strong>ln, die Ihm ergeben sind, die Ihm geduldig und in<br />
Niedrigkeit dienen, glücklich in <strong>de</strong>m Bewußtsein <strong>de</strong>ssen, was jetzt bereits unser Teil ist<br />
– unsere Einsmachung mit Ihm und <strong>de</strong>r Besitz alles <strong>de</strong>ssen, an <strong>de</strong>m Seine Liebe uns hier<br />
schon Anteil geben kann. Lehre uns, o Herr, Dir treu zu folgen!<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
Samuel<br />
Wenn wir <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s Volkes Gottes zu irgen<strong>de</strong>iner Zeit verstehen, dann können wir<br />
auch erfassen, warum <strong>de</strong>r Diener, <strong>de</strong>r am meisten zum Dienst an diesem Volke benutzt<br />
wird, in seinem eigenen Leben und in seinen Umstän<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Dienst zubereitet wer<strong>de</strong>n<br />
muß. Ein ungeeigneter Knecht, wie willig er auch sein mag, kann nur einen unzulänglichen<br />
Dienst leisten. Wir können in <strong>de</strong>r Schrift feststellen, daß die Zubereitung und Erziehung<br />
<strong>de</strong>s Dieners immer im Zusammenhang steht mit <strong>de</strong>m Platz, zu <strong>de</strong>m er bestimmt ist ihn<br />
einzunehmen. Israel hatte bis zur Zeit Samuels keinen König; „ein je<strong>de</strong>r tat, was recht war<br />
in seinen Augen“. Israel mußte daher durch Erfahrung lernen, daß, „wer auf sein Herz<br />
vertraut, ein Tor ist“, und daß es nur eine Folge <strong>de</strong>s göttlichen Eingreifens war, wenn es je<br />
von <strong>de</strong>nen, die es bedrückten, errettet wur<strong>de</strong>. Nicht nur das, son<strong>de</strong>rn Israel selbst <strong>als</strong> Volk<br />
entfernte sich auf je<strong>de</strong> Art mehr und mehr davon, Gott über sich gebührend anzuerkennen.<br />
Während dieser Zustand <strong>de</strong>r Dinge fortschreitet, wird Samuel geboren. Er nimmt aber seinen<br />
Platz <strong>als</strong> Knecht Gottes erst ein, nach<strong>de</strong>m Eli gestorben ist, <strong>de</strong>r das Opfer von Verhältnissen<br />
war, die er verurteilte, aber gegen die er nicht stark genug war, sie zu än<strong>de</strong>rn.<br />
Samuels Mutter ist ein Bild <strong>de</strong>s gläubigen Überrestes Israels zu jener Zeit, und Samuel selbst<br />
ein Bild <strong>de</strong>s Segens, <strong>de</strong>r jenem Überrest geschenkt wird. Hanna betete zum Herrn in <strong>de</strong>r<br />
Bitterkeit ihrer Seele wegen ihres Kummers und ihrer Kränkung seitens <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rsacherin.<br />
Sie verzichtete dabei auf Formen und äußeren Schein. In unausgesprochenen Seufzern ihrer<br />
Seele flehte sie zum Herrn, so daß <strong>de</strong>r heilige Priester nach <strong>de</strong>m Gesetz sie mißverstand,<br />
Die Trauern<strong>de</strong> in Israel ist weiser <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Hohepriester, <strong>de</strong>nn sie empfand ihren Zustand<br />
und ihren Kummer. Ihre Antwort auf seinen Vorwurf berichtigt ihn, und er hat Gna<strong>de</strong>, die<br />
Zurechtweisung anzunehmen.<br />
Hanna flehte um Samuel. Was <strong>de</strong>m Bedürfnis einer aufrichtigen, heiligen, trauern<strong>de</strong>n Seele<br />
entsprach, das war auch angemessen für die ganze Familie <strong>de</strong>s Volkes Gottes. Die Erhörung<br />
<strong>de</strong>s Gebets <strong>de</strong>r Hanna war auch zugleich die Erhörung alles bekümmerten Flehens in Israel.<br />
Samuel sollte je<strong>de</strong>m und allem entsprechen. Er ist die Antwort auf das Gebet <strong>de</strong>r Betrübnis,<br />
und so ist er <strong>de</strong>m Herrn geweiht, um in Seiner Gegenwart zu bleiben.<br />
Laßt uns nun Samuel selber betrachten. Je mehr sein Verständnis erwacht, je klarer wird<br />
er sich bewußt, daß er <strong>als</strong> Erhörung eines Gebets berufen ist, und daß er aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Herrn geweiht wur<strong>de</strong>, um stets vor Ihm zu sein. Bereits sehr früh muß er eine<br />
Vorstellung seiner göttlichen Berufung gehabt haben. Auf alle Fälle ist es offenbar, daß er<br />
die beste Erziehung dafür hatte. Wenn die vorher bekümmerte, nie<strong>de</strong>rgedrückte Hanna ihn<br />
<strong>als</strong> Gebetserhörung empfangen und ihn an <strong>de</strong>n Herrn <strong>als</strong> Seine Gabe zurückgegeben hatte,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 106
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
mußte Samuel dadurch nicht ständig an die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gebets erinnert wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren<br />
lebendiger Beweis er selbst ist?<br />
Bei Simson, <strong>de</strong>m letzten <strong>de</strong>r Richter, sehen wir die Macht <strong>de</strong>m Menschen übergeben;<br />
und obwohl er hier und da Hel<strong>de</strong>ntaten vollbrachte, so wur<strong>de</strong> doch mehr durch <strong>de</strong>n Tod<br />
dieses Zeugen erreicht <strong>als</strong> durch sein Leben. Bei Samuel wird ein neuer Zustand <strong>de</strong>r Dinge<br />
eingeführt. Die bekümmerte Seele, die zu Gott ruft, wird erhört und die Antwort, in <strong>de</strong>r<br />
Person von Samuel selbst, wird <strong>de</strong>r Kanal <strong>de</strong>r Errettung mittels <strong>de</strong>s Gebets. Die gleiche<br />
Macht, die ihn ins Dasein rief, soll er jetzt ausüben zu Gunsten seines lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Volkes, nicht<br />
<strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mann physischer Kraft, wie Simson, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>s Gebets. Außer<strong>de</strong>m<br />
wird durch die Erfahrung <strong>de</strong>r Hanna ein wahrer Grundsatz aufgestellt – daß die Segnung,<br />
die Gott uns persönlich schenkt, auch groß genug ist für Sein ganzes Volk.<br />
Im Gebet liegt nicht nur ein Ausdruck <strong>de</strong>r Abhängigkeit, son<strong>de</strong>rn die wahrhaft beten<strong>de</strong> Seele<br />
erwartet auch eine Antwort o<strong>de</strong>r Mitteilung von Gott. Ehe wir aber tief und wirklich gelernt<br />
haben, was Gebet ist, mögen wir uns, wie Samuel, in <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s Beten<strong>de</strong>n befin<strong>de</strong>n und<br />
doch nicht imstan<strong>de</strong> sein, die Stimme <strong>de</strong>s Herrn zu verstehen. So fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>m ersten<br />
aufgezeichneten Bericht aus Samuels praktischem Leben (Kap 3) die Worte, da Samuel<br />
„vor <strong>de</strong>m Herrn diente“, und daß er sich nie<strong>de</strong>rgelegt hatte um zu schlafen, ehe die Lampe<br />
Gottes im Tempel Jehovas erloschen war. Die ganze Szene ist ein Bild <strong>de</strong>s moralischen<br />
Zustan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Nation zu jener Zeit. „Das Wort Jehovas war selten in jenen Tagen, Gesichte<br />
waren nicht häufig“. „Eli lag an seinem Orte seine Augen aber hatten begonnen, blö<strong>de</strong> zu<br />
wer<strong>de</strong>n, er konnte nicht sehen“. Samuel hatte sich hingelegt <strong>als</strong> „die Lampe Gottes noch<br />
nicht erloschen war“. Diese Worte zeigen an, daß man es gewohnheitsmäßig zuließ, daß<br />
die Lampe Gottes erlosch, was aber gegen die göttliche Anordnung verstieß. Alles <strong>de</strong>utete<br />
Schwäche an. Samuel wird <strong>als</strong> Antwort auf Hannas Gebet gegeben – Hanna selbst ist das<br />
Bild <strong>de</strong>s trauern<strong>de</strong>n Überrestes. Daher tritt Samuel in <strong>de</strong>n Tempel ein <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Repräsentant,<br />
<strong>de</strong>r lebendige Zeuge von <strong>de</strong>r Macht und <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>s Gebets, wie wir auch von ihm im<br />
Psalm 99 lesen: „Samuel unter <strong>de</strong>nen, die seinen Namen anrufen!“<br />
Um aber einen solchen Dienst ausüben zu können, o<strong>de</strong>r um <strong>de</strong>n ihm zugewiesenen Platz<br />
auszufüllen, muß er zuerst lernen, die Stimme <strong>de</strong>s Herrn zu verstehen. Man mag sich am<br />
rechten Platz befin<strong>de</strong>n und trotz<strong>de</strong>m die lebendigen Segnungen nicht kennen, die mit diesem<br />
Platz verbun<strong>de</strong>n sind. Samuel wird uns vorgestellt <strong>als</strong> einer, <strong>de</strong>r durch Warten auf Gott das<br />
Unglück heilen kann, das Simson bei all seiner großen Kraft nicht zu heilen imstan<strong>de</strong> war.<br />
Er ist <strong>de</strong>r Zeuge <strong>de</strong>r Erhabenheit <strong>de</strong>s Gebets über alle persönliche Macht. Wenn er aber <strong>de</strong>r<br />
Zeuge für die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gebets sein soll, so muß er für seinen Dienst durch göttliche<br />
Erziehung zubereitet wer<strong>de</strong>n. Die erste große Lektion, nach<strong>de</strong>m wir uns Gott genaht haben,<br />
ist, die Mitteilung <strong>de</strong>s Herrn in unserer Seele zu verstehen, Seine Stimme zu kennen.<br />
Welchen Nutzen hat es, Ihm zu nahen, wenn man nie ein klares Licht o<strong>de</strong>r eine Mitteilung<br />
von Ihm empfängt? Ich halte es für die höchste und gesegnetste Stellung <strong>de</strong>r Seele, und<br />
für etwas, das für <strong>de</strong>n Hinzunahen<strong>de</strong>n unter allen Umstän<strong>de</strong>n notwendig ist, ein klares<br />
Verständnis <strong>de</strong>r Gedanken <strong>de</strong>s Herrn zu erlangen. Viele nahen Gott im Gebet, gleichen aber<br />
allzusehr <strong>de</strong>m Samuel zu Anfang dieser Szene, <strong>de</strong>r unfähig war, die Mitteilungen <strong>de</strong>s Herrn<br />
wahrzunehmen. Wieviele anhalten<strong>de</strong> Beter gibt es, die wohl durch ihre Gebete beruhigt<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
und getröstet wer<strong>de</strong>n, die aber doch keine klare, gewisse Anweisung vom Herrn über <strong>de</strong>n<br />
Gegenstand ihrer Gebete erhalten o<strong>de</strong>r auch nur zu erhalten trachten. Nun, Gebete dieser<br />
Art wer<strong>de</strong>n nie die Kraft und Freu<strong>de</strong> vermitteln können, die <strong>de</strong>r empfängt, <strong>de</strong>r im Glauben<br />
erkennt, was <strong>de</strong>s Herrn Wille ist. Ich sage nicht, daß <strong>de</strong>r Herr uns genau mitteilt, was Er<br />
tun wird – obwohl ich selbst dieses in beson<strong>de</strong>ren Fällen erwarten wür<strong>de</strong>, wenn einfältiges<br />
Warten auf Ihn voraufgegangen ist.<br />
Zu Anfang <strong>de</strong>s Dienstes Samuels lehrt <strong>de</strong>r Herr Samuel Seine Stimme kennen und eröffnet<br />
ihm zugleich Sein Wort. Und dies ist die sichere Grundlage <strong>de</strong>s Zeugnisses seines Lebens,<br />
nämlich, das Angesicht <strong>de</strong>s Herrn in je<strong>de</strong>r Lage zu suchen und unter Seinen Propheten<br />
gekannt zu sein <strong>als</strong> einer, <strong>de</strong>r „Seinen Namen anrief“. Samuel hatte nun nicht nur die Stimme<br />
<strong>de</strong>s Herrn kennengelernt, son<strong>de</strong>rn auch das Wort <strong>de</strong>s Herrn, das sind Seine Absichten.<br />
Wenn wir die Stimme <strong>de</strong>s Herrn kennen, wer<strong>de</strong>n wir Seine Absichten leicht verstehen<br />
können, wie sie uns in Seinem Wort mitgeteilt wer<strong>de</strong>n. Samuel weiß nun, was Gottes<br />
Gedanken über <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r Dinge sind, und „sein Wort erging an ganz Israel“. Wir<br />
haben, wenn wir von Gott belehrt wor<strong>de</strong>n sind, auch Kraft zum Zeugnis.<br />
Ein Mensch aber, <strong>de</strong>r bezeugt, alle seine Quellen in Gott gefun<strong>de</strong>n zu haben, darf nicht<br />
einen glatten, leichten Lebensweg erwarten. Samuel sieht zu Beginn seines Zeugnisses o<strong>de</strong>r<br />
Dienstes (Kap 4) Israel in <strong>de</strong>n niedrigsten Zustand versetzt, geschlagen vor <strong>de</strong>n Philistern,<br />
<strong>de</strong>r La<strong>de</strong> Gottes beraubt, die Priester getötet und Eli ums Leben gekommen. Unglücksschläge<br />
können <strong>de</strong>n Mann <strong>de</strong>s Gebetes aber nicht entmutigen. Trotz<strong>de</strong>m muß es seine Seele in<br />
Übung gebracht haben, einen solchen Zusammenbruch gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m Augenblick zu sehen,<br />
<strong>als</strong> er seinen Dienst antritt. Alles schien verloren, aber <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r gelernt hat, die Stimme<br />
Gottes zu unterschei<strong>de</strong>n und Sein Wort zu verstehen, läßt sich nicht entmutigen, wenn<br />
auch alle Stützen <strong>de</strong>r göttlichen Herrschaft umgestürzt wer<strong>de</strong>n sollten. Samuel war ein<br />
solcher Mann, und er konnte mit Gott rechnen. Er sagt (Kap 7): „Versammelt ganz Israel<br />
nach Mizpa, und ich will Jehova für euch bitten’. Es ist beachtenswert, daß er vorher das<br />
Volk gewarnt und es dahin geführt hatte, <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>n Göttern abzusagen und <strong>de</strong>m Herrn<br />
allein zu dienen. „Die Kin<strong>de</strong>r Israel taten die Baalim und die Astaroth hinweg und dienten<br />
Jehova allein“. Wenn ich Gott erkenne, so erkenne ich Seine Natur, ich erkenne Ihn in<br />
Einfalt und Klarheit <strong>als</strong> <strong>de</strong>n einzigen Herrn, und Seinen Namen <strong>als</strong> <strong>de</strong>n einzigen Namen. Wo<br />
ein f<strong>als</strong>ches Verständnis gegenüber <strong>de</strong>m wahren Gott, o<strong>de</strong>r ein Eingreifen <strong>de</strong>s Menschen<br />
nach seinen eigenen Gedanken vorliegt, da entsteht immer eine Schranke, und Gott zu<br />
fin<strong>de</strong>n wird verzögert. Samuel rief das Volk auf, Jehova allein zu dienen und die frem<strong>de</strong>n<br />
Götter hinwegzutun. Dies ist unumgänglich nötig, wenn Errettung bei <strong>de</strong>m Herrn gesucht<br />
wird. Wo dies fehlt, da kann unser Mangel an Gebetserhörung stets auf diese Unterlassung<br />
zurückgeführt wer<strong>de</strong>n. Der Herr ist dann nicht einzig und allein unser Gott. Habsucht ist<br />
Götzendienst, das heißt, das Herz sucht etwas an<strong>de</strong>res neben Gott. Ein Habsüchtiger kann<br />
nicht sagen, daß er <strong>de</strong>m Herrn allein dient. Infolge<strong>de</strong>ssen kann er nicht vom Herrn die<br />
Befreiung aus Not erwarten, <strong>de</strong>nn dies wür<strong>de</strong> ihn nicht näher mit <strong>de</strong>m Herrn verbin<strong>de</strong>n; die<br />
Befreiung von einem augenblicklichen Druck wür<strong>de</strong> ihn vielmehr um so mehr befähigen,<br />
die Wünsche seines Herzens ungestört zu befriedigen. Samuel führte das Volk in jenen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 108
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
Zustand <strong>de</strong>r Seele, in <strong>de</strong>m es Jehova suchen konnte. Der neue und wun<strong>de</strong>rbare Weg, auf<br />
<strong>de</strong>m Gott das Volk von seinen Fein<strong>de</strong>n erretten wür<strong>de</strong>, sollte ihm nun enthüllt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir lesen: „Und sie versammelten sich nach Mizpa und schöpften Wasser und gossen es<br />
aus vor Jehova; und sie fasteten an selbigem Tage und sprachen daselbst: Wir haben gegen<br />
Jehova gesündigt“ (1.Sam 7,6)! Dies ist stets <strong>de</strong>r wahre Weg. Die Seele wird wie<strong>de</strong>rhergestellt<br />
vor Gott, ehe sie sich in <strong>de</strong>n Kampf mit irgendwelchen Fein<strong>de</strong>n einlassen kann. Samuel<br />
führte das Volk Gottes dahin, und nun ist es bereit und wartet auf das Eingreifen Gottes.<br />
Aber in <strong>de</strong>m Augenblick, wo es sich auf die Fein<strong>de</strong> vorbereitet in<strong>de</strong>m es auf Gott wartet,<br />
veranlaßt Satan seine Sendboten (die Philister), sich <strong>de</strong>m Volk Gottes entgegenzustellen und<br />
<strong>de</strong>n Streit wie<strong>de</strong>r aufzunehmen. „Und die Philister hörten, daß die Kin<strong>de</strong>r Israel sich nach<br />
Mizpa versammelt hatten, und die Fürsten <strong>de</strong>r Philister zogen wi<strong>de</strong>r Israel herauf“. Israel,<br />
obwohl ge<strong>de</strong>mütigt und wie<strong>de</strong>rhergestellt in <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn, hat noch nicht<br />
genug Erfahrung von <strong>de</strong>r Macht Gottes zu seinen Gunsten gemacht, um unerschrocken <strong>de</strong>r<br />
Gewalt <strong>de</strong>s Menschen gegenüberzustehen. Eine Seele mag sich in voller Gewißheit vor Gott<br />
befin<strong>de</strong>n und sich auf Seine Annahme stützen, und doch kann sie sich vor <strong>de</strong>r Gewalt <strong>de</strong>s<br />
Bösen und <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Finsternis sehr fürchten. Nichts kann die Seele von <strong>de</strong>r Angst<br />
befreien <strong>als</strong> nur die Erfahrung. Ich meine die Erfahrung, die wir mit Gott machen, in<strong>de</strong>m<br />
die Seele Gebrauch macht von <strong>de</strong>r Macht Gottes, die sie in ihrer Annahme bereits genießt.<br />
Petrus machte diese Erfahrung nach seiner Befreiung durch <strong>de</strong>n Engel, <strong>als</strong> er sagte: „Nun<br />
weiß ich in Wahrheit, daß <strong>de</strong>r Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus <strong>de</strong>r<br />
Hand <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s . . .“<br />
Die Menschenfurcht bleibt oft, obwohl die Seele sich in Frie<strong>de</strong>n mit Gott befin<strong>de</strong>n mag.<br />
Aber wenn ich sagen kann: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was<br />
kann, mir ein Mensch tun?“, so ist dies das Ergebnis <strong>de</strong>r Erfahrung.<br />
Es ist daher nicht verwun<strong>de</strong>rlich, daß die Kin<strong>de</strong>r Israel sich fürchteten, <strong>als</strong> sie von <strong>de</strong>m<br />
Herannahen <strong>de</strong>r Philisterfürsten hörten? Aber sie hatten im gewissen Maße <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s<br />
Gebets in <strong>de</strong>n Augen Gottes erkannt, und sie sagen zu Samuel: „Laß nicht ab, für uns zu<br />
Jehova, unserem Gott, zu schreien, daß er uns von <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r Philister rette!“ Sie wußten.<br />
worin Samuels große Kraft bestand. „Und Samuel nahm ein Milchlamm und opferte es ganz<br />
<strong>als</strong> Brandopfer <strong>de</strong>m Jehova; und Samuel schrie zu Jehova für Israel, und Jehova erhörte ihn.<br />
Es geschah nämlich, während Samuel das Brandopfer opferte, da rückten die Philister heran<br />
zum Streit wi<strong>de</strong>r Israel. Und Jehova donnerte mit starkem Donner an selbigem Tage über<br />
<strong>de</strong>n Philistern und verwirrte sie, und sie wur<strong>de</strong>n vor Israel geschlagen.“<br />
Der Herr schenkt stets <strong>de</strong>m Beter, <strong>de</strong>r sich auf Ihn stützt, eine Rettung, die über die eigenen<br />
höchsten Vorstellungen hinaus geht, und dazu auf keinem gewöhnlichen o<strong>de</strong>r menschlichen<br />
Wege verwirklicht wird. Wie bei Paulus im Gefängnis zu Philippi, so han<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r Herr auch<br />
hier in einer ganz unerwarteten Weise, an die niemand gedacht hatte, weil sie über die<br />
menschliche Vorstellung hinausging. Der Donner Gottes ist die Antwort auf das Gebet, und<br />
die Philister wer<strong>de</strong>n verwirrt.<br />
Israel nimmt die Verfolgung auf und „schlug sie bis unterhalb Beth-Kar“. Wenn wir unsere<br />
Fein<strong>de</strong> geschlagen sehen, so können wir sie, wenn wir überhaupt Mut besitzen, leicht<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
verfolgen und in die Flucht schlagen. Wir haben aber keine Macht, zu han<strong>de</strong>ln, bis die<br />
Dazwischenkunft <strong>de</strong>s Herrn unseren Herzen die Zusicherung gibt, daß wir han<strong>de</strong>ln dürfen.<br />
Wenn wir wissen, daß Gott auf unserer Seite ist, so können wir sagen: „Wer wird wi<strong>de</strong>r uns<br />
sein?“ Samuel mußte <strong>de</strong>r so offensichtlichen Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn einen Ge<strong>de</strong>nkstein setzen,<br />
<strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> Durchhilfe, <strong>als</strong> Antwort auf unser Warten auf <strong>de</strong>n Herrn, ist ein Eben-Eser für<br />
uns. Es ist in Wirklichkeit ein Eben-Eser unseres Herrn und Erlösers, <strong>de</strong>s auserwählten<br />
Ecksteins. Er ist uns die Offenbarung <strong>de</strong>r zärtlichen Liebe unseres Gottes, und wenn uns<br />
Barmherzigkeit geschenkt wird, so wird das Herz in <strong>de</strong>r Erinnerung an Ihn belebt. Es ist<br />
in einer solchen Stellung, daß wir das Wort verstehen lernen: „Alles vermag ich in <strong>de</strong>m,<br />
<strong>de</strong>r mich kräftigt“. Wir haben das erheben<strong>de</strong> Bewußtsein, daß Er <strong>de</strong>r Fels unserer Hilfe ist.<br />
Welch glücklicher Dienst für Samuel, nach <strong>de</strong>r Bedrängnis seines Herzens, durch die er im<br />
Blick auf die Zerstörung um ihn her hindurchgegangen sein mußte! Die Gna<strong>de</strong> war eine<br />
bleiben<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong> – je<strong>de</strong>s Eben-Eser ist ein bleiben<strong>de</strong>s! Die Philister waren ge<strong>de</strong>mütigt und<br />
„sie kamen fortan nicht mehr in die Grenzen Israels; und die Hand Jehovas war wi<strong>de</strong>r die<br />
Philister alle Tage Samuels“, <strong>de</strong>s Mannes <strong>de</strong>s Gebets.<br />
Samuel war nun in seiner Berufung, Israel zu richten, bestätigt. Durch seine Abhängigkeit<br />
von Gott hatte er aus <strong>de</strong>n göttlichen Quellen schöpfen dürfen. Und nun nimmt er seinen<br />
Platz <strong>als</strong> Richter eines erlösten Volkes ein. Er zog umher nach Bethel und Gilgal und Mizpa.<br />
Der letzte Ort darf nicht vergessen wer<strong>de</strong>n, dort hatte er seine Berufung bewiesen. Samuel<br />
wohnte in Rama, und daheim lebte er das aus, was er draußen unter Beweis stellte, <strong>de</strong>nn „er<br />
baute daselbst Jehova einen Altar“.<br />
Wir haben nun <strong>de</strong>n Weg verfolgt, auf <strong>de</strong>m Samuel lernte, durch Gebet und Abhängigkeit<br />
von Gott Sein Volk aus <strong>de</strong>r tiefsten Erniedrigung und Ohnmacht zu befreien, bis er <strong>als</strong><br />
Ergebnis ihr Richter wur<strong>de</strong>. Und hier, möchte ich sagen, schließt ein Abschnitt seines<br />
Lebens, eines Lebens <strong>de</strong>r Abhängigkeit.<br />
Aber ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Denn es ist die Eigentümlichkeit, und auch <strong>de</strong>r<br />
Segen eines Lebens in Abhängigkeit, daß Du, kaum hast Du ein Ziel (vielleicht nach<br />
mühevollen Übungen) erreicht, sogleich in <strong>de</strong>n nächsten Abschnitt eintreten mußt, <strong>als</strong><br />
direkte Folge <strong>de</strong>r Stellung, die Du durch <strong>de</strong>s Herrn Gna<strong>de</strong> erreicht hast. Samuel war, durch<br />
seine Abhängigkeit von Gott, eine wun<strong>de</strong>rbare Befreiung von äußeren Fein<strong>de</strong>n geschenkt<br />
wor<strong>de</strong>n. Die Philister sind unterdrückt, und er selbst richtet Israel. Aber ach, es ist mit<br />
ihm wie mit uns allen; wenn die Natur ins Mittel tritt und wirksam wird, versagt er, und<br />
Unordnung ist die Folge.<br />
Es ist offenbar eine Regung <strong>de</strong>r Natur bei Samuel, seine Söhne <strong>als</strong> Richter im Lan<strong>de</strong><br />
einzusetzen, <strong>als</strong> er alt gewor<strong>de</strong>n war. Eine lange Zeit seines Lebens hindurch sah man bei<br />
ihm die Früchte seiner ersten großen und tiefen Übungen in <strong>de</strong>r Abhängigkeit. Aber nun,<br />
wo er alt ist, scheint er in weltgemäßes Planen zurückzufallen, in<strong>de</strong>m er seine Söhne zu<br />
Richtern macht. Es ist jetzt nicht Abhängigkeit von Gott, son<strong>de</strong>rn fleischliche Berechnung,<br />
und sie erweist sich <strong>als</strong> ein Mißerfolg. „Seine Söhne wan<strong>de</strong>lten nicht in seinen Wegen;<br />
und sie neigten sich <strong>de</strong>m Gewinne nach und nahmen Geschenke und beugten das Recht“.<br />
Wir lesen in 1.Samuel 8,4–5: „Da versammelten sich alte Ältesten von Israel und kamen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 110
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
zu Samuel nach Rama; und sie sprachen zu ihm: Siehe, du bist alt gewor<strong>de</strong>n, und <strong>de</strong>ine<br />
Söhne wan<strong>de</strong>ln nicht in <strong>de</strong>inen Wegen. Nun setze einen König ein über uns, daß er uns<br />
richte, gleich allen Nationen“. Dies ist ein schwerer Augenblick für Samuel, aber ein<br />
Augenblick <strong>de</strong>r tiefen Belehrung für ihn wie auch für uns. Wenn <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Segen<br />
<strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott gekannt hat, sich dahin abziehen läßt, nach eigenem Ermessen<br />
zu <strong>de</strong>nken und zu han<strong>de</strong>ln, kann ihm keine größere Gna<strong>de</strong> wi<strong>de</strong>rfahren <strong>als</strong> daß er in solche<br />
Schwierigkeiten verstrickt wird, daß nichts <strong>als</strong> zur Abhängigkeit von Gott zurückzukehren<br />
ihm Hilfe verschaffen kann.<br />
Zwei schmerzliche Wahrheiten waren in <strong>de</strong>r Bitte <strong>de</strong>r Ältesten enthalten, die Samuel in<br />
große Übung bringen mußten. Erstens, das Versagen seines Ratschlusses bezüglich seiner<br />
eigenen Söhne. Dies ist <strong>de</strong>r Punkt, <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>n Mann am meisten schmerzen muß, und je<br />
wertvoller <strong>de</strong>r Mann, je stärker das Gefühl <strong>de</strong>s Schmerzes. Zweitens, die Eigenwilligkeit<br />
und Gottlosigkeit <strong>de</strong>s Volkes, die in <strong>de</strong>r Bitte um einen König zum Ausdruck kommt. Armer<br />
Samuel! Seine Familie hatte ihn enttäuscht, und seine Nation hatte alle seine Mühe und<br />
Arbeit auf böse Weise vergolten. Es sind jetzt nicht mehr die Philister, es ist ihr eigenes<br />
inneres Ver<strong>de</strong>rben. Welch ein Augenblick! Was konnte <strong>de</strong>r betagte Samuel tun? Wir lesen:<br />
„Und Samuel betete zu Jehova“. Die Notlage hat dazu gedient, seine Seele zu <strong>de</strong>m alten<br />
und wohlbekannten Kanal <strong>de</strong>r Abhängigkeit zurückzuführen. Und, wie es bei <strong>de</strong>m wirklich<br />
Abhängigen, <strong>de</strong>r Gottes Verherrlichung sucht, stets <strong>de</strong>r Fall sein wird: Gott antwortet ihm<br />
in äußerst gnädiger und tröstlicher Weise, in<strong>de</strong>m er auf all die Gefühle Seines Knechtes<br />
eingeht. „Nicht dich haben sie verworfen, son<strong>de</strong>rn mich haben sie verworfen, daß ich nicht<br />
König über sie sein soll.“<br />
Samuel war das Bin<strong>de</strong>glied zwischen <strong>de</strong>n Richtern und <strong>de</strong>m Königtum, o<strong>de</strong>r das Bild <strong>de</strong>r<br />
Treuen in <strong>de</strong>m Zwischenraum zwischen <strong>de</strong>m offenbaren Versagen Israels, <strong>als</strong> eines von Gott<br />
regierten Volkes, und <strong>de</strong>r Errichtung <strong>de</strong>s Königtums. Simson war es, <strong>de</strong>r jenen Zeitabschnitt<br />
angemessen been<strong>de</strong>te, <strong>de</strong>r hauptsächlich durch die Macht in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Menschen<br />
gekennzeichnet war, in<strong>de</strong>m er selbst das ausgesprochenste Beispiel dieses Abschnittes<br />
darstellt.<br />
Samuel stellt uns eine ganz an<strong>de</strong>re Ordnung <strong>de</strong>r Macht vor Augen, einer Macht, die stärker<br />
ist, <strong>als</strong> alle vorangegangenen, nämlich die Macht <strong>de</strong>s Gebets und <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott.<br />
Er zeigt uns, wie gesegnet es ist in Gemeinschaft mit Gott voranzugehen, und wie groß die<br />
Rettungen sind, die aus dieser Abhängigkeit hervorkommen. Er verbin<strong>de</strong>t uns auch mit <strong>de</strong>m<br />
Königtum und wird selbst abgelöst durch Gottes gesalbten König David. Zunächst muß er<br />
aber seinen Platz Saul einräumen. Denn <strong>de</strong>r Zeuge <strong>de</strong>s Vertrauens auf Gott, <strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>s<br />
Gebets, muß sich schicken, all <strong>de</strong>r Feindseligkeit, wie lange sie auch währen mag, in Geduld<br />
zu begegnen, die sich erhebt, um seinen Glauben auf die Probe zu stellen. Saul entsprach<br />
<strong>de</strong>m, was Israel sich unter einem König vorstellte, und Gott gestattete seine Einsetzung.<br />
Was Ismael für Isaak war, das war Saul für David: <strong>de</strong>r Gegensatz <strong>de</strong>s natürlichen zu <strong>de</strong>m<br />
geistlichen Menschen. Der König nach <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Menschen wird erst geprüft,<br />
ehe <strong>de</strong>r Herr Seinen König einsetzt. Der betagte Samuel, <strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>s Gebets und <strong>de</strong>r<br />
Abhängigkeit von Gott, wird beauftragt, Saul zu berufen und zu salben. Gott gestattete die<br />
Einsetzung <strong>de</strong>s Mannes, <strong>de</strong>r in Wahrheit das Wunschbild Israels war. Und mehr <strong>als</strong> das, „<strong>de</strong>r<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
Geist Gottes geriet über ihn, und er weissagte“. Wie das Gesetz <strong>de</strong>r Seele, die wirklich durch<br />
es Gott sucht, erst zeigt, wie wahrhaft schuldig sie ist, so mußte Saul beweisen, wie unfähig<br />
Israel war, sich selbst durch einen König seiner eigenen Wahl zu helfen, selbst wenn dieser<br />
von Gott zugelassen wur<strong>de</strong>.<br />
Samuel wird nun einen Erziehungsweg geführt, <strong>de</strong>r sehr verschie<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m zu Anfang<br />
seiner öffentlichen Laufbahn ist. Als ein Greis am En<strong>de</strong> seines Lebens stehend, und am En<strong>de</strong><br />
seines Zeugnisses für die Glückseligkeit <strong>de</strong>s Vertrauens auf Gott, muß er nun in Geduld<br />
tragen und mitwirken, solange er es noch vermag. Während diese Erziehung andauert, muß<br />
er all die traurigen und bitteren Gefühle unterdrücken, welche seine Gedanken bestürmen<br />
mögen. Er muß auf Gott warten, er muß auf das En<strong>de</strong> warten, bis Gott dieses En<strong>de</strong> einführt.<br />
Seine Haltung und sein Tun in diesem traurigen Abschnitt seines Dienstes sind sehr<br />
ermutigend für uns. Es ist leichter, sich emporzurichten und in Gott zu ruhen, in<strong>de</strong>m man<br />
auf Seine Rettung vor offenbaren Fein<strong>de</strong>n, wie <strong>de</strong>n Philistern, vertraut, <strong>als</strong> anzuerkennen<br />
und mitzuwirken in all <strong>de</strong>m, was um uns her wohlmeinend zu sein bekennt. Samuel<br />
unterwirft sich, im Gehorsam gegenüber <strong>de</strong>m Herrn, <strong>de</strong>r Prüfung eines menschlichen<br />
Königs, erkennt ihn an und bezeugt ihn <strong>als</strong> von Gott erwählt, bis sich das Gegenteil erweist.<br />
Zu gleicher Zeit verfolgt er aber zwei Grundsätze in <strong>de</strong>r Handlungsweise: Treue <strong>de</strong>m Volk<br />
gegenüber, daß er vor <strong>de</strong>m Abfall und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Zucht warnt, aber auch Treue<br />
Gott gegenüber. Die Treue Gott gegenüber leitete ihn dahin, sich augenblicklich von <strong>de</strong>m<br />
König loszusagen, <strong>als</strong> dieser die von Gott festgelegten Richtlinien verließ.<br />
Wir wollen uns daran erinnern, daß Samuel in Abhängigkeit von Gott das Volk Israel zur<br />
Sicherheit und Rettung von seinen Fein<strong>de</strong>n geführt hatte, daß er aber irrte, <strong>als</strong> er meinte,<br />
seine Söhne könnten ihn in dieser seiner Stellung ablösen. Er kommt in Übungen und<br />
Lei<strong>de</strong>n durch ihre Unzulänglichkeit und Untreue. Und nun sagt sich das Volk durch seine<br />
Ältesten von <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott los, die ihm in <strong>de</strong>r Person Samuels<br />
solche Segnungen gebracht hatte. Sie wollen zu menschlicher Größe zurückkehren, aber<br />
jetzt nicht mehr durch Werkzeuge, die Gott Sich erwählt hat, son<strong>de</strong>rn durch einen König<br />
„nach Art <strong>de</strong>r Nationen“. Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Richtern und <strong>de</strong>n Königen ist<br />
dieser: Die Richter leiteten das Volk auf Grund eines direkten Auftrags von Gottes Seite<br />
aus, die Könige nahmen ihre Stellung auf Grund öffentlicher Annahme seitens <strong>de</strong>s Volkes<br />
ein. Samuel befin<strong>de</strong>t sich jetzt in einer Stellung, die <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s Mose ähnlich war,<br />
<strong>als</strong> das Volk sich erbot, das ganze Gesetz zu halten: Er musste beiseite stehen und ihnen<br />
<strong>de</strong>n Versuch überlassen, um, wenn sie versagten (was unausbleiblich <strong>de</strong>r Fall sein wür<strong>de</strong>)<br />
imstan<strong>de</strong> zu sein, sich in die Bresche zu stellen und das göttliche Heilmittel anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Samuel stellte <strong>de</strong>m Volk in vollem Umfang und ganzer Eindringlichkeit seinen Abfall und<br />
<strong>de</strong>ssen Folgen vor Augen. Zu gleicher Zeit aber steht er <strong>als</strong> Vorbild vor uns durch seine<br />
bereitwillige Hilfe und sein Ertragen Saul gegenüber, solange dies möglich war. Welch ein<br />
Erziehungsweg für ihn! Der Wert <strong>de</strong>s Vertrauens auf Gott wird von ihm mehr benötigt und<br />
bewiesen <strong>als</strong> je zuvor. Wie wird seine Seele dadurch belebt! Seine Söhne haben versagt und<br />
sind zu einem Anstoß gewor<strong>de</strong>n; das Volk weist die Abhängigkeit von Gott von sich und<br />
sucht einen König, <strong>de</strong>r Ihn ersetzen soll – Samuel aber verfolgt seinen Weg durch all diese<br />
Umstän<strong>de</strong> hindurch.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
Er wird nun vom Herrn angewiesen, das Volk ernstlich zu ermahnen und ihm die Weise<br />
<strong>de</strong>s Königs vorzustellen, <strong>de</strong>r über es herrschen soll. Und er tut dies in umfassen<strong>de</strong>r und<br />
klarer Weise. Der Mann <strong>de</strong>s Glaubens wird beauftragt, je<strong>de</strong>n Schritt, <strong>de</strong>r sich gegen <strong>de</strong>n<br />
Glauben richtet, bloßzustellen und zu verurteilen. Nach<strong>de</strong>m er dies getan hat, kann er<br />
geduldig warten, während die Unabhängigkeit <strong>de</strong>s Menschen auf die Probe gestellt wird.<br />
Nein, er genehmigt sie und erkennt sie an, soweit er dazu die göttliche Befugnis besitzt.<br />
Seine Handlungsweise Saul gegenüber ist sehr schön. Er empfängt ihn nicht nur <strong>als</strong> <strong>de</strong>n<br />
geehrten Gast, er sagt ihm auch, daß all das Begehren Israels auf ihn gerichtet sei. Und<br />
nicht nur das, son<strong>de</strong>rn er ließ ihn auch <strong>de</strong>n Ehrenplatz unter <strong>de</strong>n Gela<strong>de</strong>nen einnehmen.<br />
Um ihn noch weiter auszuzeichnen, wird ihm das Schulterstück vorgesetzt, wobei Samuel<br />
sagt: „Siehe, das Zurückbehaltene!“ Und dann „nahm Samuel die Ölflasche und goß sie aus<br />
auf sein Haupt, und er küßte ihn und sprach: Ist es nicht <strong>als</strong>o, daß Jehova dich zum Fürsten<br />
über sein Erbteil gesalbt hat?“ Welch eine Übung für Samuel, auf diese Weise zu han<strong>de</strong>ln!<br />
Er zeigt uns die huldvolle Handlungsweise und ruhige Unterwerfung einer Seele, die sich in<br />
<strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott praktisch übt, ja, die darin bereits geübt ist. Er ist <strong>de</strong>r wirklich<br />
Abhängige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Geschehnissen nicht vorausgreift, son<strong>de</strong>rn sich geduldig einer Ordnung<br />
<strong>de</strong>r Dinge unterwirft, die zwar versagen muß, aber jetzt noch nicht <strong>als</strong> solche geoffenbart<br />
ist.<br />
Als nächste Handlung sehen wir Samuel das Volk zusammenrufen vor Jehova zu Mizpa<br />
(1.Sam 10,17). Zu diesem Ort bestand eine wichtige Verbindung, <strong>de</strong>nn dort hatte sich das<br />
Volk zu Jehova zurückgewandt und hatte <strong>de</strong>n Segen <strong>de</strong>s Gebets gelernt (1.Sam 7,5+6). Hier<br />
stellt er Saul <strong>de</strong>m Volke vor. Samuel sagte zu <strong>de</strong>m Volk: „Habt ihr gesehen, <strong>de</strong>n Jehova<br />
erwählt hat? Denn keiner ist wie er im ganzen Volke.“ Er kann mit Wür<strong>de</strong>, mit Gna<strong>de</strong> und<br />
sogar mit Freu<strong>de</strong> zusehen, wie er selbst beiseitegesetzt wird, weil es so <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>s Herrn<br />
war. Er ist nur <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mütige, abhängige Diener, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Herrn versteht, wenn sich<br />
neue und ungekannte Umstän<strong>de</strong> ergeben. Ständig fin<strong>de</strong>n wir bei uns eine Neigung, einen<br />
einmal erkannten Rechtsgrundsatz unter allen er<strong>de</strong>nklichen Umstän<strong>de</strong>n durchzusetzen.<br />
Der Grundsatz mag wahr sein, und wenn dies <strong>de</strong>r Fall ist, so wird er sich auch <strong>als</strong> solcher<br />
erweisen. Gott aber stellt oft <strong>de</strong>n Gegner bloß, ehe Er Seinem Gericht <strong>de</strong>n freien Lauf läßt,<br />
und die wirklich abhängige Seele, wie diejenige Samuels, wird mit Gott übereinstimmen<br />
und in Gerechtigkeit und Liebe vorangehen.<br />
In Kapitel 11 Vers 14 sagt Samuel zu <strong>de</strong>m Volk: „Kommt und laßt uns nach Gilgal gehen und<br />
daselbst das Königtum erneuern.“ Es zeigt sich kein Unwille, nichts von einem Zwang in<br />
Samuels Handlungsweise. Als Saul sich durch seine Eigenschaften <strong>de</strong>s Königtums würdig<br />
erwiesen hatte, tritt Samuel hervor und ermuntert das Volk, <strong>de</strong>n höchsten Standpunkt<br />
einzunehmen: Das Königtum in Gilgal zu erneuern und Saul an <strong>de</strong>r Stätte zu krönen, die<br />
geheiligt war durch all die großen Kraftentfaltungen <strong>de</strong>r Wahrheit und Macht, welche die<br />
leuchtendste Stun<strong>de</strong> ihrer Geschichte kennzeichnete. Wie Abraham Lot mit Wür<strong>de</strong> und<br />
Selbstverleugnung Platz macht, so tut es Samuel Saul gegenüber. Nein, Samuel steht größer<br />
da, <strong>de</strong>nn er ehrte, schützte und beriet Saul solange es noch von irgendwelchem Nutzen war.<br />
Und von jenem Zeitpunkt an zieht er sich nach seinem eigenen Hause zurück, in<strong>de</strong>m er<br />
<strong>de</strong>n Ausgang Gott überließ. Aber, obwohl er voller Liebe ist, ist er auch im gleichen Maße<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 113
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
gerecht. Und daher stellt er <strong>de</strong>m Volk in voller Ausführlichkeit vor Augen, wie groß ihre<br />
Sün<strong>de</strong> ist, einen König zu begehren. Zu gleicher Zeit rief er aber zum Herrn, und Jehova<br />
sandte Donner und Regen. Samuel schrickt nicht davor zurück, <strong>de</strong>m Volk seine große Sün<strong>de</strong><br />
vorzustellen, obwohl er je<strong>de</strong> Bereitschaft gezeigt hat, mit ihm zu tragen und obwohl er ihm<br />
jetzt zusichert, daß er nicht aufhören wer<strong>de</strong>, Fürbitte für es einzulegen.<br />
Wer könnte diese Dinge so völlig und rein miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> nur die Seele, die<br />
sich auf Gott stützt? Es ist wun<strong>de</strong>rbar, welche Fähigkeit man erwirbt, sowohl gütig <strong>als</strong><br />
auch gerecht zu han<strong>de</strong>ln, wenn man wirklich in Abhängigkeit mit Gott wan<strong>de</strong>lt. Die Liebe<br />
erdul<strong>de</strong>t alles und läßt alles zu, soweit sie es nur kann – sie be<strong>de</strong>ckt eine Menge von Sün<strong>de</strong>n.<br />
Aber in <strong>de</strong>m Augenblick, in <strong>de</strong>m Gott verunehrt o<strong>de</strong>r Seine Wahrheit entstellt wird, macht<br />
die Gerechtigkeit ihre unbeugsamen For<strong>de</strong>rungen geltend, und <strong>de</strong>r Schuldige, möge er sein,<br />
wer er wolle, erhält sein verdientes Urteil. So war es bei Saul. Samuel hat ihn geehrt und ihm<br />
Beistand geleistet, solange er <strong>als</strong> Mensch unter Menschen in Aufrichtigkeit wan<strong>de</strong>lte. Aber<br />
in <strong>de</strong>m Augenblick, <strong>als</strong> er gegen die Anordnungen Gottes verstieß (<strong>als</strong> Saul das Brandopfer<br />
opferte), schonte Samuel ihn nicht. Als Saul ihm entgegenkam, um ihn zu begrüßen, sagte<br />
er: „Was hast du getan!“ Und er fügte dann hinzu: „Du hast töricht gehan<strong>de</strong>lt, du hast nicht<br />
beobachtet das Gebot Jehovas, <strong>de</strong>ines Gottes, daß er dir geboten hat; <strong>de</strong>nn jetzt hätte Jehova<br />
<strong>de</strong>in Königtum über Israel bestätigt auf ewig; nun aber wird <strong>de</strong>in Königtum nicht bestehen.<br />
Jehova hat sich einen Mann gesucht nach seinem Herzen, und Jehova hat ihn zum Fürsten<br />
über sein Volk bestellt; <strong>de</strong>nn du hast nicht beobachtet, was Jehova dir geboten hatte“.<br />
Wenn wir in völliger Liebe wan<strong>de</strong>ln, und gleichzeitig in wirklicher Treue Gott gegenüber,<br />
so können wir versichert sein, daß <strong>de</strong>r Herr, nach<strong>de</strong>m Er uns erprobt hat, das verborgene<br />
Böse offenbar machen wird, das wir vor Ihn brachten, nur weil es nicht aufge<strong>de</strong>ckt war.<br />
Es ist Liebe, so lange zu einem Menschen zu stehen, wie Gottes Wort es gestattet. Aber<br />
die Liebe muß aufhören, wenn irgen<strong>de</strong>in Angriff gegen Gottes Anordnungen gemacht<br />
wird. Je<strong>de</strong>s Gefühl <strong>de</strong>m Menschen gegenüber muß zurücktreten, um die Vorschriften<br />
Gottes zu vertreten. Demjenigen, <strong>de</strong>r, wie Samuel, es gelernt hat, in Nachsicht und Liebe<br />
gegenüber einem Saul zu han<strong>de</strong>ln, während er sich gleichzeitig gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
Unabhängigkeit stellt, wird endlich eine Gelegenheit gegeben wer<strong>de</strong>n, die Anmaßung <strong>de</strong>s<br />
Fleisches bloßzustellen.<br />
Saul verurteilt sich selbst wegen seines Eingriffs in <strong>de</strong>n Priesterdienst – einer Handlung, die<br />
stets die Frucht menschlicher Unabhängigkeit ist (die Handlungsweise eines Kain wur<strong>de</strong><br />
durch die Anmaßung Korahs zur Vollendung gebracht, vergl. Judas 11). Samuel weiß, daß<br />
das Königtum nicht in Saul aufgerichtet wer<strong>de</strong>n kann, aber er stellt ihn nochm<strong>als</strong> auf die<br />
Probe, in<strong>de</strong>m er ihn gegen die Amalekiter aussen<strong>de</strong>t. Saul versagt nochm<strong>als</strong>, und Samuel<br />
wird in tiefe Betrübnis versetzt. Er hatte <strong>de</strong>n bösen Tag nicht herbeigewünscht, obwohl er<br />
ihn vorausgesehen hatte. Er ist in solcher Betrübnis über diesen Zusammenbruch, daß er,<br />
wie ein Jeremia, die ganze Nacht zu Jehova schreit. Als Folge davon sehen wir, in welch<br />
angemessener und treuer Weise er han<strong>de</strong>lt, <strong>als</strong> die Zeit zum Han<strong>de</strong>ln gekommen ist. Er „hieb<br />
Agag in Stücke“ und wen<strong>de</strong>t sich an Saul mit einem Urteil, das nicht nur nie<strong>de</strong>rschmetternd<br />
ist, son<strong>de</strong>rn auch göttliche Grundsätze aufzeigt, die weit über das Licht und die Erkenntnis<br />
<strong>de</strong>r Haushaltung hinausgehen, in <strong>de</strong>r er diente. Welche Unterweisung gibt uns Samuels<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 114
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Samuel<br />
Gesinnung in dieser Szene! Er hat zu Saul gehalten in <strong>de</strong>r Hoffnung, daß <strong>de</strong>m Volke Gottes<br />
Hilfe durch ihn erwachsen wür<strong>de</strong>. Nun aber, da er überzeugt davon ist, daß keine Hoffnung<br />
mehr vorhan<strong>de</strong>n ist, geht Samuel nach seinem Hause in Rama. „Und Samuel sah Saul nicht<br />
mehr bis zum Tage seines To<strong>de</strong>s.“ Nicht, daß er gleichgültig ihm gegenüber gewor<strong>de</strong>n wäre,<br />
<strong>de</strong>nn es heißt: „Samuel trauerte um Saul“. Er hatte, mehr <strong>als</strong> man erwarten wür<strong>de</strong>, damit<br />
gerechnet, daß Israel durch Saul geholfen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Aber er mußte lernen, daß <strong>de</strong>r<br />
Repräsentant <strong>de</strong>s Volkes ein Versager sein mußte. Ihm wird diese Erkenntnis in Gna<strong>de</strong>n<br />
zuteil, wie es bei je<strong>de</strong>r Seele <strong>de</strong>r Fall sein wird, die Gott wirklich treu ergeben ist. Durch<br />
seine Treue, sein einfältiges Auge, war Samuel „voller Licht“ – leuchtend! Und wenn er<br />
einen Augenblick lang zuviel von <strong>de</strong>m erwartet hatte, was nach Gottes Zulassung auf die<br />
Probe gestellt wer<strong>de</strong>n sollte, während er in Liebe zu <strong>de</strong>n Menschen und in Treue Gott<br />
gegenüber han<strong>de</strong>lte, so wur<strong>de</strong> er am Schluß vollkommen darin gerechtfertigt, daß er sich<br />
von <strong>de</strong>m menschlichen König lossagte. Dies ist eine wichtige Lektion für <strong>de</strong>n Diener Gottes.<br />
Zweifellos trauerte Samuel um Saul. Auch <strong>de</strong>r Herr trauerte um Jerusalem. Samuel war<br />
betrübt über <strong>de</strong>n Ruin aller menschlicher Hoffnungen. Aber <strong>de</strong>r treue Gott, Der Seinen<br />
Knecht an seine jetzige Stätte betrübter Zurückgezogenheit geführt hatte, überwältigt durch<br />
das Versagen <strong>de</strong>s Königtums, macht nun Seine Güte gegen Samuel voll, in<strong>de</strong>m Er ihm<br />
Seinen eigenen König zeigt und ihn mit <strong>de</strong>ssen Salbung beauftragt. Wie muß das Herz<br />
Samuels erleichtert und beglückt gewesen sein, <strong>als</strong> er sich endlich in <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>s<br />
Königs Gottes befand, <strong>de</strong>s Mannes nach <strong>de</strong>m Herzen Gottes! Aber nicht nur das. Als David<br />
von Saul verfolgt wur<strong>de</strong>, da war Samuel sein Gefährte in <strong>de</strong>r Verbannung: „Er (David) und<br />
Samuel gingen hin und wohnten zu Najoth“ (Kap 19, 18).<br />
Welch ein Abschluß! Wie gesegnet und angemessen nach einer solchen Geschichte! Samuel<br />
verliert sich in David. Nach<strong>de</strong>m er während <strong>de</strong>r Zeit seiner Verwerfung bei ihm gewohnt<br />
hatte, verläßt Samuel, <strong>de</strong>r Mann <strong>de</strong>s Gebets und <strong>de</strong>r Abhängigkeit, <strong>de</strong>n Schauplatz seines<br />
früheren Dienstes, seiner Übungen und seiner Erziehung (Kap 25,1), ehe <strong>de</strong>r rechtmäßige<br />
König – <strong>de</strong>r Gesalbte Gottes, zu <strong>de</strong>m Samuel sich bekannt hatte – das Zepter ergreift.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 115
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
David<br />
Wenn wir die Erziehungswege Gottes verstehen wollen, die David geführt wur<strong>de</strong>, ist es<br />
nötig, daß wir Den im Auge haben, Den David vorbildlich darstellte. Die Wesenszüge jenes<br />
Einen konnten von David nur ange<strong>de</strong>utet und im Vorbild dargestellt wer<strong>de</strong>n auf Grund<br />
göttlicher Belehrung und unter Abtötung seiner eigenen Natur. Hinsichtlich seiner Stellung<br />
war David ständig ein Bild <strong>de</strong>s Herrn Jesus Christus. Da er aber ein Mensch von gleichen<br />
Gemütsbewegungen wie wir war, so hatte er es, je höher seine Berufung war, um so mehr<br />
nötig, daß seine alte Natur beiseitegesetzt wur<strong>de</strong>, damit er in seinem Seelenzustand seiner<br />
hohen Stellung entsprechen konnte. Wir wer<strong>de</strong>n daher sehen, daß das große Ziel aller<br />
Zucht, durch die er gehen mußte, war, ihn für die Stellung fähig zu machen, in die Gott in<br />
Seiner Gna<strong>de</strong> ihn berufen hatte.<br />
Ist es nicht so auch bei uns allen? Müssen wir nicht in die Zucht genommen und zubereitet<br />
wer<strong>de</strong>n für je<strong>de</strong> Stellung, die Gottes Gna<strong>de</strong> uns überträgt? je höher die Gna<strong>de</strong> uns zu <strong>de</strong>m<br />
Bewußtsein ihrer selbst erhebt, je nötiger haben wir die Reinigung. Wie dies geschieht,<br />
das wür<strong>de</strong> unsere persönliche Lebensgeschichte, wenn sie gewissenhaft nie<strong>de</strong>rgeschrieben<br />
wür<strong>de</strong>, im Einzelnen ergeben. Damit wir nun lernen, Seine Zucht an uns sorgfältig und<br />
richtig zu beachten und zu beurteilen, legt uns unser treuer Gott die Geschichte Seiner Wege<br />
mit an<strong>de</strong>ren nie<strong>de</strong>rgeschrieben vor, die <strong>de</strong>n Weg vor uns gepilgert sind. Die Geschichte<br />
Davids ist eine eindrucksvolle Illustration jener wun<strong>de</strong>rbaren Zucht und Ermahnung,<br />
durch die Gott erzieht, – die Unterwerfung und Beiseitesetzung unserer selbst, um alles zu<br />
unterdrücken, was Seiner Gna<strong>de</strong> und Seinen Absichten zuwi<strong>de</strong>rläuft.<br />
1. Samuel 16. David wird zuerst erwähnt, <strong>als</strong> Samuel von Gott gesandt wird, um ihn zum<br />
König an Sauls Stelle zu salben. Hier, in <strong>de</strong>m ersten uns mitgeteilten Abschnitt seines<br />
Lebens, können wir die Spuren <strong>de</strong>s Charakters und <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>ssen sehen, <strong>de</strong>r unsere<br />
Aufmerksamkeit später in so reichem Maße auf sich lenkt. Wir fin<strong>de</strong>n ihn, <strong>de</strong>n jüngsten<br />
Sohn Jesses, abwesend von zu Hause, bei <strong>de</strong>r Hut <strong>de</strong>r Schafe seines Vaters in <strong>de</strong>r Wüste.<br />
Dabei zeigt uns sein Angesicht – dieser untrügliche Spiegel <strong>de</strong>s innersten Wesens –, welche<br />
Art von Mensch vor uns steht: Er war „rötlich, dazu schön von Augen und von gutem<br />
Ansehen“. Und <strong>als</strong> Samuel ihn gesalbt hatte, „geriet <strong>de</strong>r Geist Jehovas über David von<br />
selbigem Tage an und hinfort.“<br />
Vorbildlich stellt <strong>de</strong>r gesalbte David unseren Herrn dar nach <strong>de</strong>r Taufe <strong>de</strong>s Johannes, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r<br />
Heilige Geist vom Himmel hernie<strong>de</strong>rkam und auf Ihm blieb. So wie <strong>de</strong>r Herr, <strong>als</strong> eine Folge<br />
dieser Salbung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes, Seinen öffentlichen Dienst aufnahm, ebenso tritt auch<br />
David, das Vorbild, seinen Dienst nun an. Unser Herr, voller Gna<strong>de</strong> und Wahrheit, wur<strong>de</strong><br />
dadurch umso mehr <strong>de</strong>m Bösen um Sich her ausgesetzt. Und bei David, sobald <strong>de</strong>r Geist<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 116
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Gottes auf ihn gekommen war, „wich <strong>de</strong>r Geist Jehovas von Saul, und ein böser Geist von<br />
Jehova ängstigte ihn-. David ahnte sicher nicht, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Geist auf ihn kam, daß sein erster<br />
Dienst <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mann. Gottes es sein wür<strong>de</strong>, die Gewaltsamkeit, die geistliche Gewalttätigkeit<br />
zu besänftigen, die sich in <strong>de</strong>m Haupt <strong>de</strong>s Königreichs zeigte. Es war Saul geraten wor<strong>de</strong>n,<br />
einen Mann zu suchen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Lautenspiels kundig war, um <strong>de</strong>n bösen Geist von ihm zu<br />
vertreiben. Und gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r für diesen Dienst vorgeschlagen wird, ist David. Er wird<br />
in angemessener Weise beschrieben <strong>als</strong> einer, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Spielens kundig ist, und ein tapferer<br />
Held und ein Kriegsmann, und <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> verständig und ein schöner Mann; und Jehova ist<br />
mit ihm.“ – „Und es geschah, wenn <strong>de</strong>r Geist von Gott über Saul kam, so nahm David die<br />
Laute und spielte mit seiner Hand; und Saul fand Erleichterung, und es wur<strong>de</strong> ihm wohl,<br />
und <strong>de</strong>r böse Geist wich von ihm.“ Für David, <strong>de</strong>n gesalbten König Gottes, war das ein<br />
scheinbar geringer Dienst, könnten wir sagen. Aber was für ein moralisches Vorrecht! Es<br />
scheint nur etwas Geringes zu sein, auf einer Laute zu spielen. Aber geringe Dienste, die in<br />
<strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Geistes Gottes verrichtet wer<strong>de</strong>n, haben die erstaunlichsten Ergebnisse zur<br />
Folge.<br />
Der Herr nahm während Seines Er<strong>de</strong>nwan<strong>de</strong>ls <strong>de</strong>n gleichen Platz ein in bezug auf das<br />
Böse und all die Gewalttätigkeit, die Ihn hier umgaben. Für David aber be<strong>de</strong>utete dies auch<br />
Zucht. Ob er verstan<strong>de</strong>n hatte, was die Salbung in ihren vollen Auswirkungen be<strong>de</strong>utete,<br />
wird uns nicht mitgeteilt. Wenn wir aber daran <strong>de</strong>nken, daß <strong>de</strong>r Geist Gottes auf ihn<br />
hernie<strong>de</strong>rgekommen war, so glauben wir, daß er empfun<strong>de</strong>n haben muß, daß er die<br />
Befähigung für ein höheres Amt besaß. Hier aber zeigt sich die Echtheit wahrer Kraft<br />
in <strong>de</strong>r Unterwerfung unter Gottes Willen. Es war Gottes Berufung, die ihn an diesen Platz<br />
stellte; <strong>de</strong>r König Saul brauchte seinen Dienst, und er verrichtete ihn ohne Wi<strong>de</strong>rre<strong>de</strong>.<br />
Vielmehr, mit großer Geschicklichkeit! Treue im Geringsten beweist die Fähigkeit für das<br />
Größere. Und David lernt bei seinem ersten öffentlichen Auftreten, die großen Fähigkeiten,<br />
die Gott ihm gegeben hat, zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s im Augenblick am meisten benötigten Guten<br />
zu verwen<strong>de</strong>n. Was hätte edler o<strong>de</strong>r königlicher sein können!<br />
1. Samuel 17. Obwohl David von Saul sehr geliebt wur<strong>de</strong>, und er ihn zu seinem Waffenträger<br />
machte, scheint es doch, daß er nur gelegentlich in <strong>de</strong>r Gegenwart Sauls weilte, und daß<br />
er das Hüten <strong>de</strong>r Schafe seines Vaters in <strong>de</strong>r Wüste nicht aufgegeben hatte. Denn <strong>als</strong> Saul<br />
im Terebinthental in die Schlacht gegen die Philister zieht ist David nicht bei ihm, und es<br />
wird uns ausdrücklich mitgeteilt, daß er zurückgekehrt war, um die Schafe seines Vaters zu<br />
Bethlehem zu wei<strong>de</strong>n, und daß David von da aus, auf Grund <strong>de</strong>r Weisung seines Vaters,<br />
zum Kriegsschauplatz kam – ich nehme an, etwa 40 Tage nach Ausbruch <strong>de</strong>s Kampfes. Ich<br />
erwähne dies, weil es uns die wechseln<strong>de</strong>n Wege zeigt die in <strong>de</strong>r göttlichen Erziehung so<br />
wertvoll und nötig sind. David war ein Insasse <strong>de</strong>s Palastes gewesen, <strong>de</strong>r Waffenträger <strong>de</strong>s<br />
Königs, sehr geliebt von ihm, und er hatte <strong>de</strong>m König überdies einen einzigartigen Dienst<br />
erwiesen. Aber er verläßt diesen Schauplatz, um zu <strong>de</strong>m niedrigen Dienst zurückzukehren,<br />
die Schafe seines Vaters in <strong>de</strong>r Wüste zu hüten. Dort dient er in Zurückgezogenheit mit<br />
gleichem Eifer und gleichem Fleiß wie an höchster Stelle, und er beweist durch seine<br />
Willigkeit, die eine Arbeitsstätte mit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren zu vertauschen, die wahre Kraft <strong>de</strong>r Seele<br />
und Aufrichtigkeit seiner Absicht <strong>als</strong> ein treuer Diener, was auch immer von ihm verlangt<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 117
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
wur<strong>de</strong>. Ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>rer und hervorragen<strong>de</strong>r Dienst steht ihm jedoch nun bevor. Doch <strong>de</strong>r<br />
Weg zu diesem Dienst ist ein sehr geringer Weg. Denn auf Anordnung seines Vaters verläßt<br />
er die Wüste und die Hut <strong>de</strong>r Schafe, um einen sehr einfachen Auftrag auszuführen, nämlich,<br />
seinen Brü<strong>de</strong>rn Lebensmittel zu bringen und nach ihrem Wohlergehen zu fragen. Während<br />
er diesen Auftrag ausführt zeigt sich ihm eine Möglichkeit, eine For<strong>de</strong>rung in ihm, von <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit Gottes Zeugnis zu geben. Einer solchen For<strong>de</strong>rung zu entsprechen, dazu ist<br />
<strong>de</strong>r Mensch Gottes stets bereit. Nach<strong>de</strong>m David sich zuerst seines Auftrags entledigt hat,<br />
wird seine Aufmerksamkeit erregt, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n Philister die Schlachtreihen <strong>de</strong>s lebendigen<br />
Gottes schmähen hört. Sein Geist wird in ihm erregt, und er beschließt sofort, <strong>de</strong>m Philister<br />
entgegenzutreten. (Wie besitzergreifend und zum sofortigen Han<strong>de</strong>ln drängend ist die<br />
Kraft Gottes!) Obwohl er nur mit einem geringen Auftrag betraut war, ist David doch<br />
bereit, sich augenblicklich mit großem Eifer und großer Tapferkeit in <strong>de</strong>n hervorragendsten<br />
Dienst zu stellen, zugleich aber auch mit schöner Einfachheit. In<strong>de</strong>m er die Rüstung Sauls<br />
zurückweist, die er „nie versucht“ hatte, ergreift er, was für ihn am natürlichsten war, fünf<br />
glatte Steine aus <strong>de</strong>m Bach. Er zeigt dadurch, daß er nichts Höheres brauchte, <strong>als</strong> die Mittel,<br />
die zum Bereich seiner Tätigkeit gehörten. Mit <strong>de</strong>r einfachen Ausrüstung eines Hirten ist er<br />
zufrie<strong>de</strong>n und furchtlos, er kann <strong>de</strong>m furchtbaren Feind mit einem Stabe, einer Hirtentasche,<br />
einer Schleu<strong>de</strong>r und fünf Steinen entgegenzutreten – fünf „glatte Steine“!<br />
Wie völlig muß er im Besitz göttlicher Kraft gewesen sein, um sie mit solcher Ruhe und<br />
Besonnenheit anzuwen<strong>de</strong>n! David tritt Goliath entgegen, wie er einem Kin<strong>de</strong> hätte begegnen<br />
können, und er erwi<strong>de</strong>rt seine Herausfor<strong>de</strong>rung mit all <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> eines Menschen, <strong>de</strong>r die<br />
Macht kennt, auf die er sich <strong>als</strong> seine Waffe be<strong>de</strong>nkenlos stützt. Vertrauen auf Gott, Dessen<br />
Durchhilfe er in seinen persönlichen Wüstenkämpfen mit <strong>de</strong>m Löwen und <strong>de</strong>m Bären<br />
erfahren hatte, machte ihn furchtlos und sicher bei <strong>de</strong>r Begegnung mit einem furchtbaren<br />
Feind, vor <strong>de</strong>m das ganze Heer Israels zitterte. Ein Stein genügte, und <strong>de</strong>r Riese stürzte<br />
zu Bo<strong>de</strong>n! David, in richtiger Anwendung <strong>de</strong>r Mittel, nach<strong>de</strong>m er vorher Sauls Rüstung<br />
<strong>als</strong> ein Mittel zum Sieg abgelehnt hatte, ergreift nun rechtmäßigen Besitz von <strong>de</strong>m, was<br />
er erobert hatte, Er nahm das Schwert Goliaths und „hieb ihm <strong>de</strong>n Kopf damit ab’. Je<strong>de</strong><br />
Handlungsweise zeugt von <strong>de</strong>r Angemessenheit und Weisheit göttlicher Kraft.<br />
1. Samuel 18. Wie es bei <strong>de</strong>m Herrn Selbst war, so bleiben auch Davids größte Verdienste<br />
ohne Anerkennung, ausgenommen durch <strong>de</strong>n kleinen Überrest, <strong>de</strong>r mit Seiner Person<br />
verbun<strong>de</strong>n war, und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m armen Weibe in Lukas 7 gleicht. Sie empfand, daß <strong>de</strong>r Herr<br />
alles für sie be<strong>de</strong>utete, während <strong>de</strong>r Pharisäer und die Hochgestellten in sich hohl waren<br />
und <strong>de</strong>m Herrn ablehnend gegenüberstan<strong>de</strong>n. Sicherlich schätzte <strong>de</strong>r Herr die Liebe Seiner<br />
Jünger, und sie erfreute Ihn auf Seinem Er<strong>de</strong>nweg, auf <strong>de</strong>m Er von <strong>de</strong>n Menschen so<br />
verkannt und beiseitegesetzt wur<strong>de</strong>. David wur<strong>de</strong> noch größerer Trost gewährt in <strong>de</strong>r<br />
wun<strong>de</strong>rbaren, ergreifen<strong>de</strong>n Zuneigung und Verbindung mit Jonathan, <strong>de</strong>r ihm treu blieb.<br />
Er mußte aber auch lernen, daß dies alles war, worauf er rechnen konnte. Mochte sein<br />
Dienst auch noch so erhaben sein, er durfte sich nicht auf die stützen, <strong>de</strong>nen er gedient<br />
hatte, son<strong>de</strong>rn nur auf <strong>de</strong>n einen, <strong>de</strong>ssen Zuneigung er gewonnen hatte. Es mußte eine<br />
Herzensverbindung sein, nicht die Gunst <strong>de</strong>s Volkes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Königs – ein gesegnete<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Erfahrung für je<strong>de</strong>n Diener, ein schöner und heiliger Pfad, zu <strong>de</strong>in die Seele hingeleitet<br />
wird.<br />
Die Undankbarkeit schlägt bald in Feindschaft um. Saul benei<strong>de</strong>t jetzt David und er „sah<br />
scheel auf David von jenem Tage und hinfort“. Saul ist, wie ich empfin<strong>de</strong>, ein Bild <strong>de</strong>r Welt,<br />
die ein religiöses Kleid trägt so wie das Christentum durch die Welt gestützt wird. Je treuer<br />
wir in dieser Welt sind, je stärker for<strong>de</strong>rn wir ihre Feindschaft heraus. Aber wie för<strong>de</strong>rlich<br />
ist diese Feindschaft für <strong>de</strong>n Mann Gottes! Bleibt er treu, so treibt sie ihn schließlich dazu,<br />
jegliche Gemeinschaft mit <strong>de</strong>r Welt aufzugeben. Denn so treu sein Dienst auch sein mag,<br />
er kann nie siegen. Ich möchte nicht sagen, daß David kein Recht hatte, das Haus Sauls<br />
aufzusuchen. In<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Herrn darstellte, befand er sich dort <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Befreier. Aber am<br />
Schluß ist er gezwungen, zu gehen, so wie je<strong>de</strong>r treue Knecht früher o<strong>de</strong>r später feststellen<br />
wird, daß er entwe<strong>de</strong>r fällt o<strong>de</strong>r alle Gemeinschaft mit <strong>de</strong>r Welt aufgeben muß.<br />
Auf die verschie<strong>de</strong>nste Weise versucht Saul, die Vernichtung Davids herbeizuführen. So<br />
ein bitterer und unverdienter Haß mag uns in Erstaunen versetzen. Aber er zeigt uns<br />
lediglich die Bosheit <strong>de</strong>s weltlichen Bekenners, <strong>de</strong>r durch das größte Maß an Güte und<br />
Hilfe nicht entwaffnet wer<strong>de</strong>n kann. David zeigt uns hier das Bild eines Menschen, <strong>de</strong>m<br />
es ein Bedürfnis ist, inmitten seines Volkes zu dienen – ein edler Entschluß, <strong>de</strong>r sich in<br />
vollkommener Weise in <strong>de</strong>m wahren David, <strong>de</strong>m größten Knecht Gottes, in Jesus, zeigte.<br />
Saul versucht nun, David dadurch zu fangen, daß er ihm seine älteste Tochter unter <strong>de</strong>r<br />
Bedingung zusagt, daß er die Streite Jehovas streite. Denn er ist im Bösen noch nicht so<br />
verhärtet, daß er öffentlich die Hand an ihn legen wür<strong>de</strong>. Er dachte aber: „Die Hand <strong>de</strong>r<br />
Philister soll wi<strong>de</strong>r ihn sein!“ David bekommt Merab nie zum Weibe; offenbar hätte er<br />
dies <strong>als</strong> eine ganz unerwartete Ehrung angesehen. Aber es kam nicht zu dieser Ehrung. Es<br />
ist <strong>de</strong>r stete Tropfen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Stein höhlt und dies war stets die Art <strong>de</strong>r Zucht, die David<br />
nötig hatte. Wie muß er unter <strong>de</strong>m Betrug und <strong>de</strong>n Intrigen gelitten haben, auf die er<br />
so wenig vorbereitet war, <strong>als</strong> er <strong>de</strong>n Kreis um <strong>de</strong>n König betrat! Die Edlen und Starken<br />
können schlecht die gemeine Gesinnung <strong>de</strong>s Nei<strong>de</strong>s ertragen. David lernte aber dadurch<br />
das trügerische Wesen <strong>de</strong>r Gottlosen kennen. Saul gibt Merab, allem Recht und Ehrgefühl<br />
zuwi<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m Adriel zum Weibe. Aber in<strong>de</strong>m er immer noch nach <strong>de</strong>r Vernichtung Davids<br />
dürstet, bietet er ihm Michal <strong>als</strong> eine Falle an, nämlich mit <strong>de</strong>r Bedingung, daß er <strong>als</strong><br />
Heiratsgabe „hun<strong>de</strong>rt Vorhäute <strong>de</strong>r Philister“ bringen müsse. David geht willig darauf ein.<br />
In<strong>de</strong>m er sich nicht an die Begrenzung <strong>de</strong>s Abkommens hält, geht er in <strong>de</strong>r Großzügigkeit<br />
seines Wesens über die gestellte Bedingung hinaus (<strong>de</strong>nn er will nieman<strong>de</strong>s Schuldner sein),<br />
und erschlägt „unter <strong>de</strong>n Philistern zweihun<strong>de</strong>rt Mann“. Je höher wir jedoch über <strong>de</strong>m<br />
Geiste <strong>de</strong>r Welt stehen, je mehr wird sie uns hassen. Saul wur<strong>de</strong> nun „David feind alle Tage-.<br />
Dieser treue Diener muß nun eingesehen haben, daß alle seine Güte und sein Dienst am Hof<br />
nichts ausrichteten. Vermehrte Ehre brachte ihm nur tödlicheren und tiefgewurzelten Haß<br />
ein. In geringem Maße muß er die Gefühle Dessen empfun<strong>de</strong>n haben, Der sagte: „Wenn<br />
ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein an<strong>de</strong>rer getan hat, so hätten sie keine<br />
Sün<strong>de</strong> . . . Sie haben mich ohne Ursache gehaßt“.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
1. Samuel 19. Dieser Haß verbirgt sich jetzt nicht mehr unter einem schützen<strong>de</strong>n Mantel.<br />
Denn Saul re<strong>de</strong>te zu seinem Sohne Jonathan und zu allen seinen Knechten, daß er David<br />
töten wolle“. David wird durch Jonathan, <strong>de</strong>r großes Wohlgefallen an David hatte, wegen<br />
dieser Absicht gewarnt. Wie gnädig und barmherzig sind die Wege Gottes mit Seinem<br />
Volk! Wenn Er es für nötig befin<strong>de</strong>t, Seinen Knecht durch eine bittere Erfahrung das Böse<br />
einer Gemeinschaft mit <strong>de</strong>r Welt zu zeigen, von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Knecht sich abson<strong>de</strong>rn muß, so<br />
sorgt Gott gleichzeitig für ein ergebenes Herz, auf das sich Sein Knecht völlig verlassen<br />
kann! David hatte einen Lichtblick, einen Ort <strong>de</strong>r Geborgenheit, eine Zuflucht, die sein<br />
großes Gegenbild nur wenig auf Er<strong>de</strong>n kannte. Jonathan warnt ihn, vermittelt zwischen<br />
ihm und seinem Vater, Saul läßt sich erweichen, und David „war vor ihm wie früher“. Alle<br />
diese wechseln<strong>de</strong>n Erziehungswege sind nötig. Wenn wir so gering gewor<strong>de</strong>n sind, daß wir<br />
uns „verbergen am Bergungsorte“, so wird unsere Zuflucht in Gott <strong>als</strong> eine Wirklichkeit<br />
nicht nur bezeugt, son<strong>de</strong>rn sie wird uns selbst bewiesen. Wenn dann die äußeren Umstän<strong>de</strong><br />
wie<strong>de</strong>r günstig sind, und wir vergleichen die Ruhe, die wir dank <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> genießen<br />
mit <strong>de</strong>rjenigen, die wir genossen haben, <strong>als</strong> wir – menschlich betrachtet – in aussichtsloser<br />
Lage waren, dann merken wir <strong>de</strong>n großen Unterschied: Die geringere Hilfsquelle kann uns<br />
nie die Ruhe bieten, die wir in <strong>de</strong>r höheren Quelle fin<strong>de</strong>n.<br />
David, <strong>de</strong>m sich die Gunst Sauls wie<strong>de</strong>r zugewen<strong>de</strong>t hat, dient mit Eifer, aber er wird bald<br />
wie<strong>de</strong>r angegriffen, und kann nur durch eine List Mich<strong>als</strong> entfliehen, – <strong>de</strong>rjenigen, die Saul<br />
<strong>als</strong> Falle für David benutzen wollte. Nach<strong>de</strong>m er nun überzeugt ist, daß er nicht länger im<br />
königlichen Palast bleiben kann, flieht er, in<strong>de</strong>m er seine Stellung und alles, was einem<br />
Mann wertvoll ist, aufgibt, mit Ausnahme seines Lebens. Und wohin wen<strong>de</strong>t er sich? Wohin<br />
treibt ihn natürlicherweise <strong>de</strong>r Bruch mit Saul? Zu Samuel in Rama. Samuel hatte sich, nach<br />
einem weiteren Erziehungswege, ebenfalls aus <strong>de</strong>r Gemeinschaft mit Saul zurückgezogen.<br />
Nun war <strong>de</strong>r wahre König, nach allen vergeblichen Versuchen, <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Macht<br />
zu dienen und sie für sich zu gewinnen, ebenfalls zum Rücktritt gezwungen wor<strong>de</strong>n. Und,<br />
in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n göttlichen Pfad beschreitet, kann er nicht an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> <strong>de</strong>m begegnen, <strong>de</strong>r ihn<br />
bereits zurückgelegt hat. David und Samuel, <strong>de</strong>r Diener und <strong>de</strong>r Prophet, wer<strong>de</strong>n durch<br />
etwas Gemeinsames verbun<strong>de</strong>n, – <strong>de</strong>r eine betritt gera<strong>de</strong> die Schule Gottes, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
verläßt sie. David war noch ein jugendlicher Schüler, während Samuel betagt und in dieser<br />
Schule wohl ausgebil<strong>de</strong>t war. Aber durch <strong>de</strong>n verwandten Geist und durch ein gleiches Ziel<br />
begegnen sie sich und wohnen zusammen. Und dies ist <strong>de</strong>r wahre, heilige und göttliche Weg,<br />
Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Heiligen zu erlangen. Hast Du <strong>de</strong>n göttlichen Weg durchschritten<br />
und ich betrete ihn, so müssen wir einan<strong>de</strong>r begegnen und zusammen wan<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>nn wenn<br />
auch die Wege <strong>de</strong>r Menschen viele sind, so ist Gottes Weg nur einer.<br />
Was hatte David nun durch dies alles gelernt, <strong>als</strong> er gezwungen war, um seines Lebens<br />
willen zu fliehen und Schutz und Teilnahme bei <strong>de</strong>m abgeson<strong>de</strong>rten Propheten zu suchen?<br />
Er hatte durch Erfahrung gelernt, was es heißt, seinen Platz in <strong>de</strong>r Welt behaupten zu<br />
wollen, die sich <strong>de</strong>m Namen nach zu Gott bekannte. Von <strong>de</strong>r Nutzlosigkeit dieses Versuches,<br />
und noch mehr von <strong>de</strong>r Bosheit, die ihm entgegenstand, nun überzeugt, betritt er einen<br />
neuen Pfad. Er lernt nun, was es heißt, allein unter Gottes Hand voranzugehen, getrennt<br />
von allen, <strong>de</strong>nen er zu dienen bereit war. Er hatte die Gunst <strong>de</strong>r Welt geschmeckt, die in<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
ihrem Wesen so gefährlich und ungewiß ist, nun muß er sich in <strong>de</strong>r Trübsal <strong>de</strong>r Verwerfung<br />
üben.<br />
Wir müssen daran <strong>de</strong>nken, daß David Gottes eigene Wahl für <strong>de</strong>n Thron Israels darstellte.<br />
Außer<strong>de</strong>m war er gleich zu Anfang seiner Laufbahn für seine hohe Stellung gesalbt wor<strong>de</strong>n.<br />
Um diese Stellung aber nach Gottes Gedanken beklei<strong>de</strong>n zu können, mußte er in jenen<br />
Wesenszügen geübt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m König Gottes geziemen. Es ist stets Gottes Art, zuerst<br />
zu berufen, und dann zuzubereiten. Bei <strong>de</strong>n Menschen ist es umgekehrt: sie bedürfen <strong>de</strong>r<br />
Ausbildung vor ihrer Ernennung. Wir aber dürfen uns darauf getrost verlassen, daß Gott<br />
uns für je<strong>de</strong>s Amt, für je<strong>de</strong> Aufgabe, für die Er uns bestimmt hat, auch zubereiten wird,<br />
wenn Er uns dahin berufen hat. Der göttliche Grundsatz heißt, wie einer es ausdrückte:<br />
„Zuerst <strong>de</strong>n Lorbeer tragen, dann beginnt <strong>de</strong>r Kampf“. So war Gottes erste Handlung David<br />
gegenüber, ihn zum König zu berufen, und hieraus erwuchsen alle seine Erfahrungen, Taten<br />
und Schwierigkeiten. Denn ich bin <strong>de</strong>r Annahme, daß er erst nach seiner Salbung „<strong>de</strong>n<br />
Löwen und <strong>de</strong>n Bär“ tötete. Aber welch ein langer Weg <strong>de</strong>r Prüfung war nötig, ehe er<br />
geeignet war, die hohe Stellung einzunehmen, zu <strong>de</strong>r er bestimmt wor<strong>de</strong>n war! Zu <strong>de</strong>m<br />
Zeitpunkt, <strong>de</strong>n wir jetzt betrachten, hatte er zwei Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Erziehung durchschritten. Der<br />
eine verlief daheim, bei <strong>de</strong>r Hut <strong>de</strong>r Schafe seines Vaters, in <strong>de</strong>r Wüste, wobei er sich<br />
tapfer und erfolgreich erwiesen hatte. Der zweite Pfad führte ihn an die höchste Stelle<br />
in <strong>de</strong>r Welt, <strong>de</strong>r religiösen Welt, von einigen geliebt, vom Volke verehrt, aber genei<strong>de</strong>t<br />
vom König; abwechselnd <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Gunst, <strong>de</strong>s Betruges und <strong>de</strong>r Feindschaft,<br />
und schließlich gezwungen, seine Stellung aufzugeben und um seines Lebens willen zu<br />
fliehen. In unserer Lebensgeschichte wer<strong>de</strong>n wir stets fin<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r erste Lebenskreis<br />
die Haupt-Wesenszüge umschließt und darstellt, die alle folgen<strong>de</strong>n Kreise kennzeichnen.<br />
Folglich ist nichts wichtiger für einen Christen <strong>als</strong> die Art, wie und unter welcher Führung<br />
er seinen ersten Lebenskreis beginnt und durchschreitet. Bei David hatte dieser erste Kreis<br />
eine schöne Ordnung und wies all die Bestandteile sittlicher Schönheit auf, die sich in<br />
<strong>de</strong>n weiteren Kreisen so vielfältig zeigt, wie wir es noch sehen wer<strong>de</strong>n. Er betrat nun<br />
seinen dritten Erziehungspfad, <strong>de</strong>r sich bis zum To<strong>de</strong> Sauls erstreckt, und <strong>als</strong> die Zeit seiner<br />
Verwerfung bezeichnet wer<strong>de</strong>n kann, in welcher <strong>de</strong>r Herrscher Israels, Saul, nach seinem<br />
Leben trachtete. Es war eine Zeit beson<strong>de</strong>ren Lei<strong>de</strong>ns, aber auch großer, vielfältiger und<br />
gesegneter Erfahrungen <strong>de</strong>r Güte Gottes, wie auch <strong>de</strong>r Schwäche seiner eigenen Natur.<br />
Wir haben gesehen, daß David floh und in Rama bei <strong>de</strong>m Propheten wohnte, <strong>de</strong>r sich<br />
bekümmert in Treue von <strong>de</strong>r Szene und <strong>de</strong>n Verbindungen zurückgezogen hatte, von<br />
<strong>de</strong>nen David nun vertrieben wur<strong>de</strong>. Sie wer<strong>de</strong>n gemeinsam ohne Zweifel tief und bitterlich<br />
getrauert haben über die Mißherrschaft Sauls, <strong>de</strong>r ebenso unbarmherzig war, wie später<br />
ein Hero<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r David selbst bis hierher verfolgt. Als er es aber unternimmt, sie in<br />
ihrem Bergungsort aufzuspüren, bezwingt ihn <strong>de</strong>r Geist Gottes, und David wird zu Anfang<br />
dieses neuen und betrüblichen Weges vor Augen geführt, wie sichtbar Gott ihn in seiner<br />
scheinbaren Schutzlosigkeit unter Seinen Schutz nehmen kann.<br />
1. Samuel 20. David ist aber noch nicht bereit, seine Position ohne Kampf aufzugeben.<br />
Er verläßt Najoth, um Jonathan aufzusuchen und von ihm zu erfahren, ob seine Stellung<br />
unwie<strong>de</strong>rbringlich verloren ist. Sie treffen sich, ein Zeichen wird ausgemacht, das Sauls<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Unversöhnlichkeit bestätigt; Davids Schicksal scheint besiegelt, Er verläßt sein Versteck<br />
und läßt, mit Jonathan vereint, <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong>n Schmerz eines vollen Herzens freien Lauf.<br />
Immer noch beherrscht, und <strong>de</strong>n Anstand wahrend, <strong>als</strong> er Jonathan entgegenging, „fiel<br />
er auf sein Antlitz zur Er<strong>de</strong> und beugte sich dreimal nie<strong>de</strong>r; und sie küßten einan<strong>de</strong>r und<br />
weinten miteinan<strong>de</strong>r, bis David über die Maßen weinte.“ Welche Szene war es, welch ein<br />
Losreißen! Das letzte Bin<strong>de</strong>glied, das David mit <strong>de</strong>m fruchtbaren und einst herrlichen<br />
Schauplatz seines Han<strong>de</strong>lns verband, ist zerbrochen. In einem Augenblick ist er alles <strong>de</strong>ssen<br />
beraubt, was er schätzte und liebte. Ehre, Stellung, Dienst schwin<strong>de</strong>n vor seinen Augen<br />
dahin, ja selbst die Gemeinschaft <strong>de</strong>s Herzens, das ihm immer noch treu blieb. Von nun an<br />
muß er seine öffentliche Laufbahn aufgeben, seine Verbindung zum König, seine tapferen<br />
Kämpfe für sein Volk gegen <strong>de</strong>ssen Fein<strong>de</strong>, und die Liebe und Teilnahme Jonathans. Er muß<br />
sich aus <strong>de</strong>r öffentlichkeit zurückziehen und sie scheinbar mit Nutzlosigkeit vertauschen.<br />
Wir alle wissen, was es für die menschliche Natur be<strong>de</strong>utet, das aufzugeben, was sie<br />
erwartete o<strong>de</strong>r besaß, – wie schwer ist es, mit irgendwelcher Freudigkeit zu <strong>de</strong>m früheren<br />
Zustand zurückzukehren. Aus welchem Grun<strong>de</strong> geschah dies alles? Um <strong>de</strong>s ungerechten<br />
und tödlichen Hasses <strong>de</strong>s Herrschers Israels willen. Wenn David nicht erkennen konnte, wie<br />
wir es heute können, daß es Gott Selbst war, Der die Wege lenkte, um David weiterzubil<strong>de</strong>n<br />
und für spätere Größe passend zu machen, so hätte er wohl zu Bo<strong>de</strong>n geschmettert wer<strong>de</strong>n<br />
können. Der Kampf mit <strong>de</strong>m Löwen und <strong>de</strong>m Bären, mit Goliath und <strong>de</strong>n Philistern war<br />
mit diesem Schlage nicht zu vergleichen. Groß muß die Einsamkeit seiner Seele in jenen<br />
Stun<strong>de</strong>n gewesen sein. Und <strong>als</strong> <strong>de</strong>r hochgelobte Herr über Jerusalem weinte, müssen<br />
sicherlich Schmerzen <strong>de</strong>r gleichen Art, wenn auch unvergleichlich tiefere und heiligere,<br />
Sein zartfühlen<strong>de</strong>s Herz durchfurcht haben. David und Jonathan trennen sich mit einem<br />
Ei<strong>de</strong> und in ungestörter Verbun<strong>de</strong>nheit; aber ihre Lebenswege gehen nun auseinan<strong>de</strong>r.<br />
David, <strong>de</strong>r verworfene König, muß noch eine Lei<strong>de</strong>nszeit durchmachen und in dieser an<strong>de</strong>re<br />
Gefährten seines Lei<strong>de</strong>ns und seiner Verwerfung fin<strong>de</strong>n; während Jonathan „in die Stadt“<br />
zurückkehren mußte, zum Hause seines Vaters, <strong>de</strong>m Bin<strong>de</strong>glied, das er nicht abstreifen<br />
kann. Diese Szene zeigt uns im Vorbild <strong>de</strong>n wahren David in Seiner Verwerfung und, <strong>de</strong>n<br />
jüdischen Überrest, <strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r mit Ihm lei<strong>de</strong>t noch mit Ihm herrscht.<br />
1. Samuel 21. David wur<strong>de</strong> in völliger Abhängigkeit auf Gott geworfen, und seine erste<br />
Handlung nach <strong>de</strong>r von uns betrachteten Trennung ist sein Gang zu <strong>de</strong>m Hohenpriester.<br />
Die Seele, die <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r Abhängigkeit einnimmt, wen<strong>de</strong>t sich stets (wenn auch vielleicht<br />
ohne klare Rechenschaft über <strong>de</strong>n Beweggrund) zu Gottes anerkanntem Zeugnis auf Er<strong>de</strong>n.<br />
Ich glaube, daß wir, wenn wir <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r Verbannung in <strong>de</strong>r Welt um <strong>de</strong>s Herrn willen<br />
(wenn es uns auch noch so wenig bewußt ist) einnehmen, stets instinktiv die Kirche<br />
(Versammlung), <strong>als</strong> Gottes aufgestelltes Zeugnis auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, aufsuchen. David tut das<br />
im Prinzip, wenn wir auch mit Recht seine Unaufrichtigkeit Ahimelech gegenüber ta<strong>de</strong>ln<br />
mögen. Selten jedoch han<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r neue Mensch, ohne das <strong>de</strong>r alte, in <strong>de</strong>m Versuch <strong>de</strong>s<br />
Mitwirkens, Schwäche und sittlichen Tiefstand beweist. David erhält von Ahimelech sowohl<br />
Brot <strong>als</strong> auch ein Schwert (tatsächlich das Schwert Goliaths, ein An<strong>de</strong>nken an seinen ersten<br />
öffentlichen Sieg). Er nahm in diesem Augenblick bildlich <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>s Herrn in Israel ein,<br />
<strong>als</strong> Dessen Jünger, durch <strong>de</strong>n Hunger getrieben, die Ähren <strong>de</strong>s stehen<strong>de</strong>n Getrei<strong>de</strong>s, durch<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
das sie hindurchgingen, zwischen <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n rieben. Aber wie bricht das rein menschliche<br />
Vorbild unter zu großer Belastung zusammen, und zeigt dadurch in umso größerer Klarheit<br />
die Vollkommenheit <strong>de</strong>s göttlichen und zugleich menschlichen Gegenbil<strong>de</strong>s.<br />
Und nun verfehlt sich David noch weiter. So groß ist seine Furcht vor Saul, obwohl er<br />
die Trophäe seines Sieges über <strong>de</strong>n Riesen in <strong>de</strong>r Hand hält, daß er das Land verläßt, <strong>de</strong>n<br />
ersten Platz <strong>de</strong>s Vorrechts aufgibt und zu Achis, <strong>de</strong>m König von Gath, flieht! Trotz <strong>de</strong>r<br />
ihm zuteil gewor<strong>de</strong>nen Nahrung und Bewaffnung aus Gottes Heiligtum gibt er sich <strong>de</strong>m<br />
Unglauben hin und verläßt das Erbteil Jehovas. Unglaube führt uns aber stets in die Not,<br />
<strong>de</strong>r wir zu entgehen trachten, und die wir, wie wir später lernen, durch <strong>de</strong>n Glauben hätten<br />
überwin<strong>de</strong>n können. Die Knechte <strong>de</strong>s Achis erkennen ihn gar bald, und David nimmt <strong>als</strong><br />
nächstes Zuflucht dazu, sich wahnsinnig zu stellen. Wie <strong>de</strong>mütigend ist das! Nun aber<br />
beginnt seine Seele, sich allein mit Gott zu beschäftigen, und die ganze vorangegangene<br />
Zucht fängt an, Frucht zu tragen. Es ist notwendig, daß er nicht nur alles, was er in <strong>de</strong>r<br />
Welt hochschätzte, vor sich dahinschwin<strong>de</strong>n sieht, son<strong>de</strong>rn er muß auch seine persönliche<br />
Demütigung empfin<strong>de</strong>n, und dann erst erschließt sich ihm <strong>de</strong>r wahre Charakter und Wert<br />
<strong>de</strong>r Hilfsquellen in Gott. Zu diesem Zeitpunkt war es, daß <strong>de</strong>r Geist Gottes die lieblichen,<br />
vertrauensvollen Zeilen <strong>de</strong>s 34. Psalms durch Davids Seele ziehen läßt: „Jehova will ich<br />
preisen allezeit!“ Er ruft aus: Ich suchte Jehova, und er antwortete mir; und aus allen<br />
meinen Beängstigungen errettete er mich“. Durch bittere Prüfungen hindurch hatte er<br />
diese gesegneten Aussprüche erreicht. Und an <strong>de</strong>mselben Ort, sozusagen, wirkt <strong>de</strong>r Geist<br />
Gottes immer noch die gleichen Ausrufe bei <strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n gleichen Weg gehen. Aus <strong>de</strong>r<br />
Welt hinausgetrieben, persönlich ge<strong>de</strong>mütigt vor <strong>de</strong>n Menschen und in seinen eigenen<br />
Augen, seine eigene „Arglist“ verurteilend, kann er nun sagen: Jehova erlöst die Seele seiner<br />
Knechte; und alle, die auf ihn trauen, wer<strong>de</strong>n nicht büßen.“<br />
1. Samuel 22. David verläßt Achis mit <strong>de</strong>m Psalm 34 auf <strong>de</strong>n Lippen und flieht nach Adullam.<br />
Er befin<strong>de</strong>t sich wie<strong>de</strong>r im Lan<strong>de</strong>, wenn er auch nur eine Höhle zur Verfügung hat. Und<br />
dorthin versammelt sich zu ihm nicht nur sein eigenes Haus, son<strong>de</strong>rn alle, die in Bedrängnis<br />
o<strong>de</strong>r in Schul<strong>de</strong>n usw. sind. In<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r Abhängigkeit für sich selbst erkannt<br />
hat, kann er <strong>de</strong>r Mittelpunkt und Führer für die Armen <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Herzen<br />
die Herrschaft Sauls nicht anerkannten. Und diese können seinem Glauben folgen, <strong>de</strong>n<br />
Ausgang seines Wan<strong>de</strong>ls anschauen. Während seines Aufenthalts in <strong>de</strong>r Höhle dichtet er<br />
drei Psalmen (Ps 142, Ps 57, Ps 52) und <strong>de</strong>n 52. Psalm, diesen, wie ich annehme, nach<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r Prophet und <strong>de</strong>r Priester zu ihm gekommen waren. Er bezeugt volles Vertrauen auf<br />
Gott, bis vorübergezogen das Ver<strong>de</strong>rben“, obwohl er gleichzeitig die Gefahren empfin<strong>de</strong>t,<br />
die ihn umgeben. Sein „Herz ist befestigt“, darum will er „singen und Psalmen singen“.<br />
Wir schrecken natürlicherweise vor Übungen und Kümmernis zurück. Wenn wir aber die<br />
Hilfsquellen in Gott genießen, zu <strong>de</strong>nen unsere Übungen uns erst Zuflucht nehmen ließen,<br />
so ge<strong>de</strong>nken wir nicht mehr <strong>de</strong>r Mühsal <strong>de</strong>s Weges, <strong>de</strong>r uns dorthin führte.<br />
Psalm 52 ist <strong>de</strong>r Ausspruch Davids, <strong>als</strong> er von Doegs Handlungsweise hört. Er erkennt die<br />
göttliche Zucht in all seiner Mühsal: „Ich wer<strong>de</strong> dich preisen ewiglich, weil du es getan hast.“<br />
Wie formte <strong>de</strong>r Geist Gottes je<strong>de</strong> Übung zu einem Anlaß um, Davids Seele mit <strong>de</strong>n tiefen<br />
Akkor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s geistlichen Lie<strong>de</strong>s und mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Herrlichkeit zu beschäftigen! Wenn<br />
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David<br />
ein Paulus bis in <strong>de</strong>n dritten Himmel entrückt wur<strong>de</strong> und unaussprechliche Worte hörte, so<br />
hörte <strong>de</strong>r ausgestoßene David in <strong>de</strong>r Höhle und <strong>de</strong>r Einö<strong>de</strong> sicherlich in seiner Seele die<br />
erhabenen Weisen <strong>de</strong>s Sieges Gottes über je<strong>de</strong>n Feind. Er hörte nicht nur die Harfenspieler<br />
auf ihren Harfen spielen, son<strong>de</strong>rn sein eigenes Herz wur<strong>de</strong> von Gott zum Klingen gebracht.<br />
Und die göttliche Musik ermunterte <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s verworfenen Königs.<br />
1. Samuel 23. Kehila ist <strong>de</strong>r nächste Gegenstand in diesem interessanten Bericht. Was auch<br />
<strong>de</strong>r Druck o<strong>de</strong>r die Übung unserer eigenen Stellung sein mag, wenn wir uns in <strong>de</strong>m Geist<br />
und Seelenzustand <strong>de</strong>s Psalms 57 befin<strong>de</strong>n, so können wir nicht von <strong>de</strong>r Not irgendwelcher<br />
Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Volkes Gottes hören, ohne zur Hilfe bereit zu sein, wenn diese in unserer Macht<br />
liegt. Als es daher David berichtet wur<strong>de</strong>: „Siehe, die Philister streiten wi<strong>de</strong>r Kehila, und<br />
sie plün<strong>de</strong>rn die Tennen“, da befragte er Jehova und sprach: „Soll ich hinziehen und diese<br />
Philister schlagen?“ Und <strong>de</strong>r Herr antwortet: „Ziehe hin, und schlage die Philister und rette<br />
Kehila!“ Der Mann wahrer Macht und Erfahrung <strong>de</strong>r Hilfe Gottes wen<strong>de</strong>t sich stets zu<br />
Gott, ehe er irgen<strong>de</strong>twas unternimmt. Davids Männer versuchen, ihn zu entmutigen, aber,<br />
nach<strong>de</strong>m er sein eigenes Herz und seine Betrübnis bezwungen hat, muß er nun auch lernen,<br />
über <strong>de</strong>m Unglauben seiner Genossen zu stehen. Er fragt zum zweiten Male, und nach<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r Herr ihm eine weitere Zusage gegeben hat, geht er mit seinen Leuten hinab nach Kehila<br />
und ist völlig erfolgreich. Er rettet die Einwohner von Kehila. Dies sollte jedoch dazu dienen,<br />
nur eine neue Reihe von Übung und Prüfungen <strong>de</strong>s Herzens für ihn herbeizuführen. Wie<strong>de</strong>r<br />
einmal bleiben seine Dienste unbelohnt. Saul kommt hinab, Kehila zu belagern. David<br />
befragt Jehova, ob die Männer, die er eben von <strong>de</strong>n Philistern befreit hat, ihn überliefern<br />
wer<strong>de</strong>n, und die göttliche Antwort sagt, daß sie es tun wer<strong>de</strong>n.<br />
Lasst uns hier <strong>de</strong>n Unterschied in Davids Art Gott zu befragen in diesem und im ersten Fall<br />
beachten (Vers -1–4). Es scheint, daß er keinen Gebrauch von <strong>de</strong>m Priester machte, <strong>als</strong> er die<br />
Weisung wegen <strong>de</strong>r Errettung Kehilas erbat. Hier aber, <strong>als</strong> er „erfuhr, daß Saul Böses wi<strong>de</strong>r<br />
ihn schmie<strong>de</strong>te“ und er <strong>de</strong>n Weg seiner eigenen Handlungsweise erfahren wollte, sagt er zu<br />
<strong>de</strong>m Priester: „Bringe das Ephod her!“ und er stellt auf diese Weise seine Frage an <strong>de</strong>n Herrn.<br />
Dieser Unterschied ist lehrreich. Im ersten Fall war es eine einfache Frage, ob er an<strong>de</strong>ren<br />
einen Dienst erweisen sollte o<strong>de</strong>r nicht. Ohne seine Beweggrün<strong>de</strong> zu ergrün<strong>de</strong>n, braucht er<br />
sich wegen Weisung nur an <strong>de</strong>n Herrn zu wen<strong>de</strong>n. Wenn aber unsere eigenen Interessen<br />
auf <strong>de</strong>m Spiele stehen, besteht eine viel größere Wahrscheinlichkeit, daß wir uns vom<br />
eigenen Willen leiten lassen, und es an Einfalt <strong>de</strong>s Herzens und <strong>de</strong>r Absichten fehlt. Wir<br />
brauchen umso mehr, unsere volle Annahme zu verwirklichen und unsere Beweggrün<strong>de</strong> zu<br />
prüfen. Und hier kommt das Priesteramt zur Geltung. In bei<strong>de</strong>n Fällen war Gottes Antwort<br />
unverzüglich und unmißverständlich. Und es ist sehr lehrreich, die Art von Frage und<br />
Antwort zwischen David und <strong>de</strong>m Herrn zu beachten. Welches Vertrauen und welche<br />
Einfachheit zeigt sich in diesem Gespräch! David stellt seine klaren, einfachen Fragen, und<br />
Jehova antwortet ebenso einfach und klar. David hatte keine Zuflucht <strong>als</strong> nur beim Herrn;<br />
dies lernte er je mehr und mehr in je<strong>de</strong>m Abschnitt seines Lebens. Je<strong>de</strong> Seele, die sich in <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn befin<strong>de</strong>t und sich wahrhaft auf Ihn verläßt, wird dieselbe Erfahrung<br />
machen. Je einfältiger eine solche Seele ist, je befähigter ist sie für einen hohen, erhabenen.<br />
Dienst. Wer stark im Herrn ist, kann alle seine Kräfte nach Gottes Ratschluß einsetzen,<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
um an<strong>de</strong>ren zu helfen und zu dienen, dabei in voller Abhängigkeit vom Herrn stehend. Er<br />
beweist dabei, daß seine Hilfsquellen ihn über je<strong>de</strong> Belohnung seitens <strong>de</strong>rer stellen, <strong>de</strong>nen<br />
er dient. Es ist klar, daß uns nicht alle Dienstleistungen Davids berichtet wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r<br />
alle Erfahrungen, durch die er hindurchging. Wahrscheinlich ist uns ein Beispiel für je<strong>de</strong><br />
beson<strong>de</strong>re Führungslinie in seinem Leben nie<strong>de</strong>rgeschrieben. Der Bericht von Kehila zeigt<br />
uns, wie ich meine, <strong>de</strong>n verworfenen König bei seinem unbelohnten Dienst <strong>de</strong>n Bürgern<br />
gegenüber. Und diese Begebenheit enthält notwendige Belehrung für ihn, nein, auch für<br />
je<strong>de</strong>n einzelnen, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m wahren David durch diese böse Welt zu wan<strong>de</strong>ln begehrt.<br />
David flieht nun wohin irgend er gehen konnte“ (Vers 13) und bleibt schließlich auf einem<br />
Gebirge in <strong>de</strong>r Wüste Siph. Hier sucht Jonathan ihn auf und „stärkte seine Hand in Gott’,<br />
dadurch die Voraussage <strong>de</strong>s Glaubens erfüllend, die David in Psalm 142 ausgesprochen<br />
hatte: „Die Gerechten wer<strong>de</strong>n mich umringen“. Wie gnädiglich ermuntert <strong>de</strong>r Herr uns<br />
durch menschliches Mitgefühl, wenn wir die Einö<strong>de</strong> allein im Vertrauen auf Ihn betreten<br />
haben! Wie lieblich ist es für die Seele, diese Beweise Seines lieben<strong>de</strong>n Herzens zu erkennen!<br />
Doch wird die Freu<strong>de</strong> und Ermutigung, die er durch Jonathans Besuch empfangen hatte,<br />
bald durch die unverdiente Feindschaft seitens <strong>de</strong>r Siphiter getrübt, die Davids Versteck<br />
verraten, um Sauls Wohlwollen zu gewinnen.<br />
Ob David bei dieser Gelegenheit, <strong>als</strong> ihm <strong>de</strong>r Verrat <strong>de</strong>r Siphiter erstm<strong>als</strong> bekannt wur<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>n Psalm 54 aussprach, o<strong>de</strong>r erst später, ist nicht wesentlich, Für uns ist wichtig zu wissen,<br />
in welchem inneren Zustand er sich dam<strong>als</strong> befand, und dies wird uns in <strong>de</strong>m Psalm<br />
gezeigt. „Frem<strong>de</strong> sind wi<strong>de</strong>r mich aufgestan<strong>de</strong>n, aber er kann hinzufügen: Siehe, Gott ist<br />
mein Helfer“. Wie sehr wur<strong>de</strong> dies verwirklicht! Gera<strong>de</strong>, <strong>als</strong> es Saul und seinen Männern<br />
gelungen war, ihn zu umzingeln, um ihn gefangenzunehmen, trifft ein Bote bei Saul ein und<br />
spricht zu ihm: „Eile und komm, <strong>de</strong>nn die Philister sind ins Land eingefallen!“ David ist<br />
gerettet, und <strong>de</strong>r Ort erhält zum An<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>n Namen „Fels <strong>de</strong>r Trennung“.<br />
Auf diese Weise wird die Macht <strong>de</strong>s Menschen zunichte gemacht. Der Mensch kann nie<br />
gegen zwei verschie<strong>de</strong>ne Fein<strong>de</strong> streiten, und er muß einen entfliehen lassen, um <strong>de</strong>m<br />
an<strong>de</strong>ren entgegenzutreten. David lernte in dieser Notlage, <strong>als</strong> alle Hoffnung fast verloren<br />
schien, wie es <strong>de</strong>m Herrn ein Leichtes, ein Geringes ist, ihn zu retten. Es ist sehr wichtig. für<br />
einen Knecht praktischerweise diese verschie<strong>de</strong>nen Beweise <strong>de</strong>r göttlichen Fürsorge für ihn<br />
zu erfahren, so daß er, „gestärkt durch die Macht seiner Stärke“, sagen kann: „Alles vermag<br />
ich in <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r mich kräftigt“. Dies ist eine neue wichtige Lektion für David während<br />
<strong>de</strong>r Zeit seiner Verwerfung. In Adullam und im Wal<strong>de</strong> Hereth fin<strong>de</strong>t er Gefährten und<br />
Anteilnahme. Zu Kehila darf er einen hervorragen<strong>de</strong>n Dienst verrichten, wobei er Sauls<br />
Pläne dadurch durchkreuzt, daß er sich. nicht in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ihm Hörigen begibt. In <strong>de</strong>r<br />
Wüste Maon, fast schon in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s, wird er durch die Dazwischenkunft <strong>de</strong>s<br />
Herrn gerettet. So lernte er auf verschie<strong>de</strong>ne und wun<strong>de</strong>rbare Weise die Wege Gottes in<br />
einer bösen und feindlichen Welt kennen. Und je mehr er in dieser Erkenntnis wuchs, je<br />
besser wur<strong>de</strong> er befähigt, das Volk Gottes auf solch einem Schauplatz zu führen und zu<br />
regieren.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 125
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Davids Gegenbild, <strong>de</strong>r hochgelobte Herr Jesus, bedurfte keiner <strong>de</strong>rartigen Belehrung. Er<br />
wußte, was im Menschen war, und er allein ist <strong>de</strong>r wahre Herr und König. David zeigt<br />
uns aber ein schönes Bild <strong>de</strong>s menschlichen Gefäßes, mit großen Fähigkeiten und einem<br />
bereitwilligen Geist, die göttlichen Weisungen und Wege zu beherzigen. Seine Umstän<strong>de</strong><br />
verän<strong>de</strong>rn sich sehr häufig, aber wenn er sich an seine Lektion <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott<br />
hält, ist er stets auf <strong>de</strong>m rechten Pfa<strong>de</strong>.<br />
1. Samuel 24. Nach einer kurzen Ruhepause auf <strong>de</strong>n Bergfesten von Engedi wird David<br />
wie<strong>de</strong>r von Saul gesucht, <strong>de</strong>r diesmal mit dreitausend auserlesenen Männern aus Israel gegen<br />
ihn auszieht. Saul genügt es nicht mehr, David einzeln zu verfolgen, er verfolgt Seinen Plan<br />
mit organisierter Macht und tödlicher Absicht. David muß diese Drangsal ertragen, aber er<br />
wird am En<strong>de</strong> erkennen, daß, je größer die Gewaltsamkeit ihm gegenübertritt, je einfacher<br />
und wirksamer Gottes Mittel sind, ihn zu befreien. Saul erfuhr bei Kehila dadurch eine<br />
Nie<strong>de</strong>rlage, daß David <strong>de</strong>n Ort aufgab. Bei <strong>de</strong>m Fels <strong>de</strong>r Trennung wur<strong>de</strong> Sauls Plan durch<br />
einen Einfall <strong>de</strong>r Philister vereitelt. Und auf sehr beschämen<strong>de</strong> Weise wird er bei Engedi<br />
durch Davids maßvolles und treues Verhalten geschlagen, <strong>de</strong>m er sein Leben verdankt. Wie<br />
wenig wußte Saul, in <strong>de</strong>r Bosheit seines Herzens, daß er sich durch das Betreten <strong>de</strong>r Höhle<br />
in die Hand seines gesuchten Opfers begab, o<strong>de</strong>r wie tief er moralisch ge<strong>de</strong>mütigt wer<strong>de</strong>n<br />
sollte durch <strong>de</strong>n Kontrast zwischen ihm und David, <strong>de</strong>r sich in dieser Szene zeigte. Die<br />
großzügige Erhabenheit Davids über das Böse leuchtet über die Feindschaft Sauls in so<br />
hellem Licht hervor, daß sie eine Anerkennung für David von <strong>de</strong>n Lippen <strong>de</strong>s Verfolgers Saul<br />
hervorbringt. Saul wird sich im Vergleich mit David seiner eigenen Erniedrigung so bewußt,<br />
daß er für <strong>de</strong>n Augenblick um die Gunst <strong>de</strong>s Flüchtlings bittet und ihm seine rechtmäßige<br />
Königstellung zuerkennt, obwohl er doch mit seiner ganzen Macht, mit einem auserlesenen<br />
Heer ausgezogen war, ihn zu vernichten. Was David betrifft, so hielt er dadurch, daß er<br />
statt in Absichten <strong>de</strong>r Rache in Gna<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lte, die göttliche Handlungsweise <strong>de</strong>r Welt<br />
gegenüber aufrecht, die heute unter <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> steht, ihren rechtmäßigen König verworfen<br />
zu haben.<br />
1. Samuel 25. Dies Kapitel zeigt uns einen an<strong>de</strong>ren Pfad <strong>de</strong>r Erfahrung. Hier wer<strong>de</strong>n wir<br />
fin<strong>de</strong>n, daß David für einen Augenblick die Lektion über die Macht <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> außer Acht<br />
läßt, die sein Han<strong>de</strong>ln vorher so be<strong>de</strong>utsam gekennzeichnet hatte. Dies ist für uns eine<br />
Warnung betreffs <strong>de</strong>r Tücke unserer Natur, die uns zu einer Handlungsweise verleiten<br />
kann, die <strong>de</strong>r kurz vorher noch gezeigten Weise völlig wi<strong>de</strong>rspricht. Überdies lernen wir<br />
hier, daß wir eher jemand gegenüber aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> fallen, auf <strong>de</strong>ssen Freundschaft und<br />
Dankbarkeit wir einen Anspruch haben, <strong>als</strong> einem offenen Fein<strong>de</strong> gegenüber. David wird<br />
durch Nab<strong>als</strong> unbarmherziges Verhalten so gereizt, daß er sich zu sofortiger Rache an ihm<br />
entschließt. Er wird von seinem rachesüchtigen Pfad durch die lehrreichste Begebenheit<br />
und Verbindung zurückgehalten, die Gottes Knechte je in dieser Christus verwerfen<strong>de</strong>n<br />
Welt erfahren können.<br />
Abigail stellt im Bil<strong>de</strong> die Kirche dar. Und wenn wir David <strong>als</strong> ein Vorbild <strong>de</strong>s Herrn ansehen,<br />
so stellt Abigail <strong>de</strong>n Ausgleich am Tage seiner Verwerfung dar für alles, was er in <strong>de</strong>m<br />
Königtum verloren hatte. Sie ist selbst dort bei ihm, wo ein Jonathan ihm nicht folgen<br />
konnte, und nach<strong>de</strong>m sie seine Gefährtin in <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>n gewesen war, teilt sie mit ihm Thron<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 126
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
und Herrlichkeit. Wir müssen aber David auch <strong>als</strong> <strong>de</strong>n treuen Knecht betrachten, nicht<br />
<strong>als</strong> einen vollkommenen, wie <strong>de</strong>n Herrn, son<strong>de</strong>rn <strong>als</strong> unter Gottes Zucht und Erziehung<br />
stehend.<br />
Bei dieser Betrachtungsweise stellt Abigails Einfluß auf ihn vorbildlich <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kirche dar,<br />
<strong>de</strong>ren Stellung und Gefühle, wenn sie zum Ausdruck kommen, alle Rachevorstellungen<br />
unterdrücken. Nabal bleibt um Abigails willen verschont, die in Davids Seele die gesegnete<br />
und erhabene Stellung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> wachrief und bestärkte, die ihm in seiner Verwerfung<br />
geziemte. Sie ist es, die auch freudig Mühe und Sorge mit ihm teilt. So wur<strong>de</strong> die Wüste<br />
Maon zu einem ereignisreichen Schauplatz für David, gera<strong>de</strong> so, wie es ein großer Tag in<br />
unserem Leben <strong>als</strong> Christen ist, wenn uns die Kirche in ihrer Berufung und ihrem Wesen<br />
erstmalig vor Augen gestellt wird. Denn mancher Gottesknecht, <strong>de</strong>r die Anmaßung <strong>de</strong>r<br />
religiösen Welt empfin<strong>de</strong>t (wie David sie in <strong>de</strong>r Person Sauls empfand), hat Abigail nicht<br />
gefun<strong>de</strong>n, hat nicht völlig erfaßt, was die Kirche in <strong>de</strong>n Gedanken Christi ist, um dann darin<br />
einen Gegenstand <strong>de</strong>s Interesses, <strong>de</strong>r Zuneigung und <strong>de</strong>r Gemeinschaft zu fin<strong>de</strong>n, ja, eine<br />
Stütze auf <strong>de</strong>m Pfad <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> beim Durchschreiten dieser Welt. Wie Abigail für David<br />
eine Oase in <strong>de</strong>r Wüste war, so ist die Kirche die einzige Oase sowohl für das Herz Christi<br />
<strong>als</strong> auch für Seine Knechte jetzt auf dieser Er<strong>de</strong>, sie ist <strong>de</strong>r Mittelpunkt und Gegenstand<br />
Seiner Zuneigung.<br />
Bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r Pfa<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>nen Gott Seinen Knecht erzieht, ist es wichtig, daran zu<br />
<strong>de</strong>nken, daß die Erziehung immer im Hinblick auf die Stellung stattfin<strong>de</strong>t, für die <strong>de</strong>r Knecht<br />
bestimmt ist. David ist jetzt in <strong>de</strong>r Vorbereitung für seinen großen Wirkungskreis. Ehe er<br />
in diesen Dienst eintritt, ist es nötig, daß er die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn auf ihren verschie<strong>de</strong>nen<br />
Pfa<strong>de</strong>n kennenlernt.<br />
Wir haben gera<strong>de</strong> gesehen, wie <strong>de</strong>r Herr ihm in <strong>de</strong>r Wüste half und ihn auf eine von<br />
ihm ganz unerwartete Weise ermunterte, wobei alle Umstän<strong>de</strong> auf wun<strong>de</strong>rbare Art die<br />
zarte und überströmen<strong>de</strong> Liebe <strong>de</strong>s Herrn kundmachten. Wenn Adam im Garten E<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Gemeinschaft und Hilfe durch Eva bedurfte, wieviel mehr bedurfte David einer Abigail in<br />
<strong>de</strong>r Wüste! Je größer die Not, umso größer <strong>de</strong>r Segen <strong>de</strong>r Durchhilfe.“ Diese Erfahrung muß<br />
Davids Seele gemacht haben.<br />
1. Samuel 26. Doch nach diesem lichten Punkt umringen ihn wie<strong>de</strong>r die Wasser <strong>de</strong>r<br />
Verfolgung. Durch die Siphiter angestachelt, verfolgt Saul ihn wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Wüste. David<br />
ersah daraus, daß <strong>de</strong>r schreckliche Ausgang nahe bevorstand. Dem geistlichen Menschen,<br />
<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Welt verfolgt wird, wird immer ein sehr klares Empfin<strong>de</strong>n über Art und<br />
Wesen <strong>de</strong>r Macht gegeben, die ihm gegenübersteht. Dies geschah auch jetzt bei David.<br />
Er kundschaftet Saul und sein Heer aus, erkennt <strong>de</strong>n Weg, <strong>de</strong>n er selbst gehen muß,<br />
und betritt diesen ohne Zau<strong>de</strong>rn, nach<strong>de</strong>m er sich einen Gefährten gesucht hat. Und zu<br />
welchem Zweck? Einfach dazu, zu zeigen, daß er seinem Feind kein Leid zufügen wür<strong>de</strong>,<br />
selbst wenn dieser sich in seiner Macht befän<strong>de</strong>. „Saul lag schlafend in <strong>de</strong>r Wagenburg,<br />
und sein Speer war in die Er<strong>de</strong> gesteckt zu seinen Häupten. . . „, <strong>als</strong> David und Abisai<br />
herzunahten. Abisai wollte <strong>de</strong>n schlafen<strong>de</strong>n König töten, aber David verhin<strong>de</strong>rte es, in<strong>de</strong>m<br />
er sehr bestimmt und feierlich sein Vertrauen bezeugt, daß Gott sein Rächer sein wür<strong>de</strong>.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 127
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Die einzigen Trophäen, die er mitnimmt, sind <strong>de</strong>r Speer und <strong>de</strong>r Wasserkrug, ein Beweis<br />
<strong>de</strong>r Art seines Unternehmens. Der Speer (das Werkzeug <strong>de</strong>s Krieges) wur<strong>de</strong> zurückgegeben,<br />
aber wir hören nicht von <strong>de</strong>r Rückgabe <strong>de</strong>s Kruges. Saul erkennt zum zweiten Male Davids<br />
Sieg <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> an und sagt <strong>als</strong> Antwort auf Davids Vorhaltung: „Ich habe gesündigt; kehre<br />
zurück, mein Sohn David! <strong>de</strong>nn ich will dir nichts übles mehr tun, darum, daß mein Leben<br />
an diesem Tage teuer gewesen ist in <strong>de</strong>inen Augen.“ Welch einen Beweis <strong>de</strong>r mächtigen Kraft<br />
Gottes durfte David in diesem Falle schauen! So erfuhr er, was er nach seiner endgültigen<br />
Befreiung ausrufen konnte: „Er streckte seine Hand aus von <strong>de</strong>r Höhe, er nahm mich, er<br />
zog mich aus großen Wassern!“<br />
1. Samuel 27. Aber ach, in unseren größten Rettungen sind wir uns oft <strong>de</strong>r erwiesenen<br />
Gna<strong>de</strong> am wenigsten bewußt. Gera<strong>de</strong> die Undankbarkeit unserer Fein<strong>de</strong> ruft eine Reaktion<br />
in uns hervor, wenn wir nicht <strong>de</strong>rartig ge<strong>de</strong>mütigt und zerbrochen sind, daß wir mit <strong>de</strong>m<br />
Lobpreis <strong>de</strong>s Herrn anstatt mit uns selbst beschäftigt sind. Nach<strong>de</strong>m wir so in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s<br />
Herrn gelegen haben, sind wir uns unserer eigenen Kraftlosigkeit umso mehr bewußt, wenn<br />
wir nicht in Seiner Hand, im Preisen Ihm ergeben, verbleiben. Kraftlosigkeit mit Glauben<br />
verbun<strong>de</strong>n bin<strong>de</strong>t uns umso stärker an Gott <strong>als</strong> <strong>de</strong>n sicheren Fels unserer Kraft und die<br />
Quelle, die uns versorgt.<br />
Kraftlosigkeit ohne Glauben aber treibt uns stets dazu, menschliche Hilfe zu suchen. Nach<br />
großen göttlichen Durchhilfen gehen wir oft einen verkehrten Schritt, teils <strong>de</strong>swegen, weil<br />
wir die Glaubensenergie aufgegeben haben, die durch die Notlage hervorgerufen wur<strong>de</strong>,<br />
teils weil unsere Natur trachtet, <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Glauben bedingten Einengung ihrer Triebe<br />
zu entfliehen. Das Fleisch begehrt in Umstän<strong>de</strong> zu kommen, die keine Glaubensenergie<br />
notwendig machen. So wird David nach seinem großen Sieg über Saul eine Beute seiner<br />
eigenen Gefühle und Befürchtungen und spricht in seinem Herzen: „Nun wer<strong>de</strong> ich eines<br />
Tages durch die Hand Sauls umkommen; mir ist nichts besser, <strong>als</strong> daß ich eilends in das Land<br />
<strong>de</strong>r Philister entrinne. . . “ Dieser Plan steht in offenbarem Gegensatz zu <strong>de</strong>n Worten, die er<br />
vor so kurzer Zeit zu Saul gesprochen hatte. Aber wie bald vergißt man die Überzeugungen<br />
<strong>de</strong>s Glaubens wenn man sich an das Fleisch wen<strong>de</strong>t! Eben hatte er noch gesagt: „Also möge<br />
meine Seele hochgeachtet sein in <strong>de</strong>n Augen Jehovas, und er möge mich erretten aus aller<br />
Bedrängnis!“ Jetzt aber ist er so verzagt, daß er bereit ist, das Erbteil Jehovas aufzugeben.<br />
„Und David machte sich auf und ging hinüber, er und sechshun<strong>de</strong>rt Mann, die bei ihm<br />
waren, zu Achis, <strong>de</strong>m Sohne Maoks, <strong>de</strong>m König von Gath.“ Wir haben gesehen, daß er<br />
schon einmal Schutz bei Achis gesucht hatte und dam<strong>als</strong> froh war, sich unter Demütigung<br />
wie<strong>de</strong>r zu entfernen. Warum begibt er sich nun erneut dorthin? Er veranschaulicht hier<br />
praktisch die beson<strong>de</strong>re und sehr notwendige Zucht, unter die eine Seele leicht kommen<br />
kann. Welches auch die Ursache unseres Versagens zu Anfang sein mag, und selbst wenn<br />
wir sie zeitweilig überwin<strong>de</strong>n, sie wird uns unweigerlich wie<strong>de</strong>r entgegentreten, und wenn<br />
wir nicht wirksam von ihr befreit sind, wird sie uns in noch bitterer und schlimmerer Form<br />
zu Fall zu bringen suchen. Denn wenn ein bestimmter Schößling meiner alten Natur weiter<br />
treiben will, so muß sicherlich die göttliche Zucht zu seiner Unterdrückung angewen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. Wird er nicht in Kürze beseitigt, so wird er sich bestimmt immer wie<strong>de</strong>r zeigen,<br />
und bei je<strong>de</strong>m erneuten Aufleben (weil eine gründliche Abtötung nicht stattfand) muß <strong>als</strong><br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 128
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Folge eine um so strengere Zucht einsetzen. David tritt in nähere Beziehungen zu Achis,<br />
und erhält Ziklag von ihm. Es ist wun<strong>de</strong>rbar, zu sehen, wie <strong>de</strong>r Herr Seinen Knechten<br />
gestattet ihre eigenen Pläne auszuarbeiten. Nach<strong>de</strong>m sie aber zurechtgewiesen sind und<br />
das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r eigenen Planungen gesehen haben, führt Er sie hinauf zu einem größeren<br />
und erhabenerem Dienst, vorausgesetzt, daß sie Ihm im Prinzip treu geblieben sind. Ich<br />
glaube, daß dies auch bei David <strong>de</strong>r Fall war, so tief sein Versagen an dieser Stelle auch sein<br />
mochte. Wir hören nichts davon, daß er Götzendienst trieb o<strong>de</strong>r daß er vergaß, daß Israel<br />
das Volk Gottes war. Er betrog Achis und erniedrigte sich dadurch in moralischer Weise,<br />
aber er blieb im Prinzip Gott treu, und <strong>als</strong> seine Natur unterworfen wor<strong>de</strong>n war, wur<strong>de</strong> er<br />
aus seiner <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Stellung heraus und zum öffentlichen und aktiven Dienst geführt.<br />
Ziklag be<strong>de</strong>utete <strong>de</strong>n letzten Strich <strong>de</strong>r Meisterhand, um David für <strong>de</strong>n Thron zuzubereiten,<br />
und es muß uns daher beson<strong>de</strong>rs interessieren. David zieht im Unglauben dorthin, bleibt<br />
dort über ein Jahr, gewinnt die Zuneigung <strong>de</strong>s Achis durch f<strong>als</strong>che Vorstellungen.<br />
1. Samuel 28,1+2 u. 29+30. David versucht sogar, mit Achis in <strong>de</strong>n Kampf gegen Israel zu<br />
ziehen. In Anbetracht seines früheren Weges müssen wir wohl annehmen, daß die Fürsten<br />
<strong>de</strong>r Philister diesen Versuch Davids richtig <strong>de</strong>uteten. Denn wenn David auch betrügen<br />
konnte, so hätte er doch nie das Schwert gegen sein eigenes Volk ergriffen außer mit <strong>de</strong>r<br />
Absicht, ihm schließlich eine Hilfe zu sein. Dies wird vorausgesehen, und Achis ist gegen<br />
seinen Willen gezwungen, Davids Dienste abzulehnen und ihn fortzuschicken. Und nun,<br />
durch indirektes Eingreifen <strong>de</strong>s Herrn aus seiner f<strong>als</strong>chen und bedrücken<strong>de</strong>n Stellung befreit,<br />
muß er die nachfolgen<strong>de</strong> Zucht erfahren. Während seines Doppelspiels fällt das Gericht auf<br />
Ziklag, und David und seine Gefährten fin<strong>de</strong>n es bei ihrer Rückkehr mit Feuer verbrannt<br />
und ihre Frauen, Söhne und Töchter gefangen weggeführt! Wir wissen heute, was David in<br />
jenem nie<strong>de</strong>rschmettern<strong>de</strong>n Augenblick nicht wußte, nämlich, daß <strong>de</strong>r gleiche Gott, <strong>de</strong>r<br />
ihn so schwer züchtigte, ihm das Königtum bereitete. Denn zur gleichen Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong><br />
Saul auf <strong>de</strong>m Gebirge Gilboa getötet. David aber war nicht passend für <strong>de</strong>n Thron o<strong>de</strong>r für<br />
irgendwelche diesbezügliche Botschaft, bis er gezüchtigt und in wahre Abhängigkeit zu<br />
Gott gebracht wor<strong>de</strong>n war. Der erste und letzte Schritt zum Thron hin ist die Abhängigkeit,<br />
sie ist das einzige von Gott anerkannte Recht auf diesen hohen Platz. Infolge<strong>de</strong>ssen wird<br />
David in Ziklag mehr ge<strong>de</strong>mütigt und verlassen <strong>als</strong> zu irgen<strong>de</strong>inem an<strong>de</strong>ren Zeitpunkt<br />
seines Lebens. Nicht nur war sein eigener Schmerz im Blick auf seinen großen Verlust sehr<br />
tief, das Versagen auf <strong>de</strong>m bisherigen Weg muß (wie stets bei einem <strong>de</strong>rartigen Schmerz)<br />
sein Elend noch vergrößert haben. Endlich kam noch <strong>als</strong> größter Schlag hinzu, daß seine<br />
alten, ihm so eng verbun<strong>de</strong>nen Gefährten davon sprachen, ihn zu steinigen. Solch einen<br />
Augenblick hatte er noch nie durchgemacht und erlebte ihn auch nie wie<strong>de</strong>r. Seine Fein<strong>de</strong><br />
(die Amalekiter) hatten ihn überlistet, und befan<strong>de</strong>n sich außer Reichweite; und was mußte<br />
<strong>de</strong>m Kriegsmann schlimmer sein, <strong>als</strong> sich hintergangen zu wissen, ohne eine Möglichkeit<br />
<strong>de</strong>r Vergeltung zu haben? Er befand sich wahrlich unter <strong>de</strong>n Pfeilen <strong>de</strong>s Allmächtigen,<br />
er musste die züchtigen<strong>de</strong> Rute fühlen um <strong>de</strong>r f<strong>als</strong>chen Stellung willen, die er außerhalb<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Stätte <strong>de</strong>s Vorrechtes eingenommen hatte. Menschliche Hilfe o<strong>de</strong>r<br />
Stütze war nicht vorhan<strong>de</strong>n; im Gegenteil, Gefahr und Verschwörung umlauerten ihn. Gott<br />
züchtigte ihn, seine Freun<strong>de</strong> zürnten ihm, <strong>de</strong>r Feind war unerreichbar. Was aber war die<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 129
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Folge? „Aber David stärkte sich in Jehova, seinem Gott.“ Es ist sehr anregend, wenn wir<br />
uns ab und zu <strong>de</strong>n Psalmen zuwen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Atemzügen <strong>de</strong>r Seele Davids unter <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Umstän<strong>de</strong>n lauschen, <strong>de</strong>ren Beschreibung uns in seiner Lebensgeschichte<br />
gegeben ist. Wir fin<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r Psalm 56 <strong>de</strong>r Not seiner Seele Ausdruck verlieh, verursacht<br />
durch seinen verkehrten und <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Aufenthalt in Gath. Ob <strong>de</strong>r Psalm in jenen<br />
Zeitraum fällt, <strong>de</strong>n wir gera<strong>de</strong> betrachten, o<strong>de</strong>r nicht, so drückt er doch in einer Fülle das<br />
aus, was dam<strong>als</strong> auf ihn einstürmte. Alles menschlichen Vertrauens beraubt, wen<strong>de</strong>t er<br />
sich zu Gott, in vollem Bewußtsein seines eigenen Versagens. „Auf Gott vertraue ich, ich<br />
wer<strong>de</strong> mich nicht fürchten; was sollte <strong>de</strong>r Mensch mir tun? Auf mir, o Gott, sind <strong>de</strong>ine<br />
Gelüb<strong>de</strong>, ich wer<strong>de</strong> dir Dankopfer entrichten. Denn du hast meine Seele vom To<strong>de</strong> errettet,<br />
ja, meine Füße vom Sturz.“ Es ist gesegnet zu irgen<strong>de</strong>iner Zeit eine richtige Erkenntnis<br />
Gottes erlangt zu haben. Denn wenn wir diese besitzen, wer<strong>de</strong>n wir auf <strong>de</strong>r Höhe unseres<br />
eigenen Versagens am besten wissen, daß Gott unsere einzige Zuflucht ist möge auch Seine<br />
Züchtigung schmerzhaft sein und mögen wir uns auch verlassen und hilflos befin<strong>de</strong>n. Jetzt<br />
gibt es für David keine Furcht mehr. Er ist „erwacht“ und wird „erleuchtet“ (vergl. Eph 5,14).<br />
„Bringe mir doch das Ephod her“ sagt er zu Abjathar, <strong>de</strong>m Priester. Denn wenn die Seele<br />
<strong>de</strong>n Pfad <strong>de</strong>s Glaubens von neuem betritt, so ist sie sich <strong>de</strong>r Notwendigkeit ihrer Annahme<br />
bei Gott beson<strong>de</strong>rs bewußt. Und nun hat er seinen alten Kurs <strong>de</strong>s Vertrauens eingeschlagen,<br />
zweifellos mit neuer Kraft. Wie bei Kehila, so fragt er auch hier <strong>de</strong>n Herrn: „Soll ich<br />
dieser Schar nachjagen? wer<strong>de</strong> ich sie erreichen?“ Und Er antwortete ihm in beson<strong>de</strong>rs<br />
zusichern<strong>de</strong>r und ermutigen<strong>de</strong>r Weise: jage nach, <strong>de</strong>nn du wirst sie gewißlich erreichen<br />
und wirst gewißlich erretten.“ So hat die aufrichtige Seele innerhalb eines Augenblicks ihre<br />
richtige Stellung vor Gott wie<strong>de</strong>r eingenommen. „Da zog David hin, er und die sechshun<strong>de</strong>rt<br />
Mann, die bei ihm waren“; zweihun<strong>de</strong>rt aber blieben am Bache Besor zurück, weil sie zu<br />
ermattet waren. Der Pfad <strong>de</strong>s Glaubens stellt stets unsere Kraft auf die Probe, und je<strong>de</strong><br />
Verlegenheit bietet nur eine Gelegenheit für eine größere Entfaltung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die uns<br />
aufrecht erhält. Die Begebenheit gibt Veranlassung zu einer „Satzung für Israel bis auf<br />
diesen Tag“, die charakteristisch für die Gna<strong>de</strong> ist die die Verfolger im Augenblick geleitete.<br />
David versagt nicht. Weise und gnädig (wie <strong>de</strong>r es stets ist, <strong>de</strong>r nach Gottes Ratschluß<br />
wan<strong>de</strong>lt), vermag er, je<strong>de</strong>s Vorkommnis zum Nutzen zu gebrauchen. Der fast verhungerte<br />
Ägypter erregt seine Aufmerksamkeit; auf je<strong>de</strong>n Fall durfte er ihn nicht in seinem Zustand<br />
lassen, wie wir es oft in unserer Eile bereit sind, zu tun. Hätte er ihn aber unbeachtet<br />
gelassen, so wäre ihm <strong>de</strong>r richtige Fingerzeig zum erwünschten Ziel verlorengegangen.<br />
Der aufgefun<strong>de</strong>ne Ägypter führt David zum Lager seiner Fein<strong>de</strong>, und er schlug die ganze<br />
Schar, gewann alles zurück, was sie mitgenommen hatten, rettete seine bei<strong>de</strong>n Frauen und<br />
alle an<strong>de</strong>ren. Und nun, zum Bache Besor zurückgekehrt, veranschaulicht er, wie eine im<br />
Genuß <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> Seele befähigt ist, diese Gna<strong>de</strong> an<strong>de</strong>ren zu bezeugen. Er setzt<br />
die Selbstsucht <strong>de</strong>s natürlichen Herzens beiseite und stellt jenen göttlichen Grundsatz auf:<br />
„Wie das Teil <strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Streit hinabzieht, so soll auch das Teil <strong>de</strong>ssen sein, <strong>de</strong>r<br />
bei <strong>de</strong>in Geräte bleibt; gemeinsam sollen sie teilen. Und so geschah es von jenem Tage an<br />
und hinfort; und er machte es zur Satzung und zum Recht für Israel bis auf diesen Tag“.<br />
Welch ein Denkmal, welches An<strong>de</strong>nken an die letzten Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verwerfung Davids! Und<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
welche Ankündigung <strong>de</strong>r Herrschaft, die er nunmehr antreten sollte! Diese Satzung <strong>de</strong>s<br />
siegreichen aber ungekrönten David (in <strong>de</strong>r gleichen Stellung, die <strong>de</strong>r Herr jetzt Seinem Volk<br />
gegenüber einnimmt) hat einen sehr be<strong>de</strong>utsamen Inhalt und verkörpert <strong>de</strong>n Grundsatz,<br />
<strong>de</strong>r heute für die Kirche gilt, daß je<strong>de</strong>s Glied am Leibe in bezug auf Verlust o<strong>de</strong>r Gewinn<br />
von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>rn abhängig ist. Ein neuer und wun<strong>de</strong>rbarer Grundsatz, würdig <strong>de</strong>r<br />
Stun<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r er eingesetzt wur<strong>de</strong>! Es ist <strong>de</strong>r Heilige Geist, <strong>de</strong>r die Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s abwesen<strong>de</strong>n<br />
Herrn in einem Leibe vereinigt und sie voneinan<strong>de</strong>r abhängig und untrennbar voneinan<strong>de</strong>r<br />
einsetzt. Mögen wir unsere Herzen <strong>de</strong>r Weisheit öffnen, um die tiefen Gedanken Gottes zu<br />
verstehen.<br />
Wir haben nun das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s dritten Abschnitts o<strong>de</strong>r Kreises in Davids ereignisreichem<br />
Leben erreicht, und damit <strong>de</strong>n Abschluß jenes wun<strong>de</strong>rbaren Zubereitungsvorganges, <strong>de</strong>r<br />
nötig war, um ihn für die hohe und ehrenvolle Stellung zuzubereiten, zu <strong>de</strong>r er schon<br />
so früh erwählt und gesalbt wor<strong>de</strong>n war. Wir treten nun in ein neues Kapitel seiner<br />
Geschichte ein. Die Zeit seiner Verwerfung ist vorüber, und die neue, glorreiche Stellung,<br />
die er einnehmen soll, wird für ihn zubereitet. Der Erziehungsweg <strong>de</strong>s Flüchten<strong>de</strong>n und<br />
Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>s zwar rechtmäßigen Erben <strong>de</strong>s Thrones, en<strong>de</strong>te zu Ziklag, das für ihn <strong>de</strong>r<br />
Schauplatz bitterer Trauer und Enttäuschung war, aber auch wun<strong>de</strong>rbarer Errettung und<br />
Wie<strong>de</strong>rherstellung. Und gera<strong>de</strong> an jenem Ort, nach seiner Rückkehr von <strong>de</strong>r Vernichtung<br />
<strong>de</strong>r Amalekiter, und nach<strong>de</strong>m er Geschenke aus <strong>de</strong>r Beute „<strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> Jehovas“ allen Orten<br />
gesandt hatte, an <strong>de</strong>nen er und seine Männer sich aufgehalten hatten, erreicht ihn die<br />
be<strong>de</strong>utsame Kun<strong>de</strong> vom To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mannes, <strong>de</strong>ssen Platz auf <strong>de</strong>m Thron er einnehmen sollte!<br />
Welch ein bemerkenswertes Zusammentreffen von Umstän<strong>de</strong>n! Die verkohlten Ruinen<br />
von Ziklag zeugten von <strong>de</strong>r Zucht, die er so tief empfun<strong>de</strong>n aber auch nötig gehabt hatte,<br />
während die Geschenke, die er hierhin und dorthin sandte, von <strong>de</strong>m Ersatz und <strong>de</strong>m Siege<br />
sprachen, die ihm geschenkt wur<strong>de</strong>n. Der Kontrast zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Zeugnissen ist<br />
eindrucksvoll, das eine sein eigenes Versagen darstellend, das an<strong>de</strong>re in noch weiterem und<br />
bestimmteren Sinn die Güte und Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn.<br />
In wahrhaft königlicher Weise han<strong>de</strong>lte David, ehe er noch wußte, daß er bereits König<br />
war und daß <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r ihm <strong>de</strong>n Weg zum Thron verwehrt hatte, auf <strong>de</strong>m Gebirge Gilboa<br />
gefallen war. Es entspricht <strong>de</strong>n Wegen Gottes, daß wir die geistige Bereitschaft für unsere<br />
Stellung besitzen, wenn <strong>de</strong>r Zeitpunkt gekommen ist, sie einzunehmen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Zustand<br />
bezeichnet die Stellung. O<strong>de</strong>r richtiger, <strong>de</strong>r Zustand ist unbefriedigt, bis er die Stellung<br />
erreicht, die ihm entspricht. Die Zubereitung seines Herzens erfolgt von Gott aus, und<br />
wir können sicher sein, daß wir für eine gewünschte Stellung nur zubereitet sind, wenn<br />
wir im Geiste dieser Stellung han<strong>de</strong>ln, an<strong>de</strong>rnfalls wür<strong>de</strong>n wir, in die Stellung gebracht,<br />
ungeeignet für diese erfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es ist zwar richtig, daß wir nicht wissen und nicht<br />
zu wissen brauchen, wie wir in <strong>de</strong>r verheißenen Stellung zu han<strong>de</strong>ln haben, ehe wir nicht<br />
die Stellung tatsächlich eingenommen haben, <strong>de</strong>nn die Tätigkeit <strong>de</strong>s Glaubens wirkt sich in<br />
<strong>de</strong>r Gegenwart aus. Wir können und sollten aber bereits im Geiste <strong>de</strong>r besseren Stellung<br />
entsprechend han<strong>de</strong>ln, und wenn wir darin keine Freu<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n, so ist das göttliche Leben<br />
in uns nicht befriedigt, <strong>de</strong>nn dieses sucht <strong>de</strong>n ihm entsprechen<strong>de</strong>n Lebensbereich auf, und<br />
die aus diesem Leben hervorgebrachten Gefühle sind ein Beweis seines Vorhan<strong>de</strong>nseins.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
2. Samuel 1. David hatte sich nach seiner Rückkehr von <strong>de</strong>m Beutezug zwei Tage in Ziklag<br />
aufgehalten ehe er Kun<strong>de</strong> vom To<strong>de</strong> Sauls erhielt. Denn es war am „dritten Tage“, daß<br />
ihm dieses Ereignis und die näheren Umstän<strong>de</strong> von einem Amalekiter berichtet wur<strong>de</strong>n,<br />
welcher sprach: „Ich trat zu ihm hin und tötete ihn, <strong>de</strong>nn ich wußte, daß er seinen Fall nicht<br />
überleben wür<strong>de</strong>. Und ich nahm das Dia<strong>de</strong>m, das auf seinem Haupte, und die Armspange,<br />
die an seinem Arme war, und habe sie zu meinem Herrn hierher gebracht.“ Aber wie nimmt<br />
David diese Kun<strong>de</strong> und die Trophäen auf? Er „faßte seine Klei<strong>de</strong>r und zerriß sie . . . Und sie<br />
klagten und weinten und fasteten bis an <strong>de</strong>n Abend“, Und was <strong>de</strong>n Überbringer betrifft, –<br />
David befahl seine sofortige Hinrichtung. Wenn Gottes Gericht sein Volk trifft, mag das<br />
Gericht auch noch so verdient und von <strong>de</strong>n Getreuen vorausgesagt sein, so ist es für die<br />
Frommen doch immer eine ernste und ergreifen<strong>de</strong> Sache. Kein wahrer David konnte in<br />
einem solchen Augenblick an <strong>de</strong>n Vorteil <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Geschehen für ihn erwachsen<br />
mochte. Die Seele versucht vielmehr, <strong>de</strong>n Grund <strong>de</strong>s göttlichen Eingreifens zu ermessen,<br />
und das Gefühl, daß Gott han<strong>de</strong>lt, bringt das eigene Ich zum Schweigen. Wie viele und<br />
schwere Stürme hatten Davids Geist in jenen drei Tagen geübt! Er hatte nicht nur die<br />
beson<strong>de</strong>re Barmherzigkeit <strong>de</strong>s Herrn sich selber gegenüber erfahren, son<strong>de</strong>rn er wird nun<br />
mit diesem einzigartigen Gericht bekanntgemacht, das ihn in <strong>de</strong>r Verbindung mit Israel<br />
so stark beschäftigt, daß er im Augenblick <strong>de</strong>ssen Be<strong>de</strong>utung für seine eigene Stellung<br />
übersieht. überdies konnte er es nicht zulassen, daß <strong>de</strong>r Amalekiter, <strong>de</strong>r die Nachricht<br />
überbracht hatte, weiterleben sollte. Denn er bewies seinen Anspruch auf <strong>de</strong>n Thron gera<strong>de</strong><br />
in seinem unnachgiebigen Kampf gegen die Amalekiter, im Gegensatz zu Saul, <strong>de</strong>ssen<br />
Königtum von Jehova verworfen wur<strong>de</strong>, weil er Amalek verschont hatte (1. Sam 15), und<br />
<strong>de</strong>r nun, unter Gottes unfehlbarer Vergeltung, durch einen Amalekiter getötet und seines<br />
königlichen Schmucks beraubt wor<strong>de</strong>n war, Es stand daher in Übereinstimmung mit Gottes<br />
Wegen und Willen, daß David sein Anrecht auf <strong>de</strong>n Thron durch unbeugsame Rache an<br />
Amalek beweisen sollte. Zweifellos führte <strong>de</strong>r Herr in Seiner Gna<strong>de</strong> eine solche Erbitterung<br />
Davids gegen <strong>de</strong>n Feind Israels schon herbei, bevor David <strong>de</strong>n Thron erreichte, in<strong>de</strong>m Er<br />
<strong>de</strong>n Amalekitern gestattete, David an <strong>de</strong>r empfindlichsten Stelle zu verletzen. Treuer Gott,<br />
dies ist oftm<strong>als</strong> Deine gnädige Handlungsweise<br />
2. Samuel 2. Für die gottselige Seele ergibt sich stets ein neues Verlangen nach Gottes Rat<br />
und Führung, wenn Schwierigkeiten o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> hinweggeräumt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die<br />
Seele bedarf dann <strong>de</strong>r Anweisung, wie die gegebenen Vorteile richtig zu nützen sind. Wenn<br />
es an Urteilskraft mangelt, kann oft großer Verlust entstehen. David befragte daher „Jehova<br />
und sprach: Soll ich in eine <strong>de</strong>r Städte Judas hinaufziehen?<br />
Und Jehova sprach zu ihm: Ziehe hinauf. Und David sprach: Wohin soll ich hinaufziehen:<br />
Und er sprach: Nach Hebron.“ Welche einfache, glückliche und lehrreiche Abhängigkeit!<br />
Wie an<strong>de</strong>rs ist seine Verfassung, wo er jetzt Ziklag verläßt, gegenüber <strong>de</strong>r Verfassung, in<br />
<strong>de</strong>r er es dam<strong>als</strong> betrat! Wie gesegnet ist die Frucht <strong>de</strong>r göttlichen Zucht, die er nun genießt<br />
<strong>als</strong> er hinaufzieht nach Hebron, geleitet und aufrechterhalten durch die klare Anweisung<br />
Gottes! Welche Kraft und Schlichtheit kennzeichnen <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Mannes, <strong>de</strong>r sich auf<br />
die Anweisungen Gottes stützt! David zieht nach Hebron, und „auch seine Männer, die<br />
bei ihm waren, hieß David hinaufzuziehen, einen je<strong>de</strong>n mit seinem Hause“. Wenn mein<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 132
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Vertrauen auf Gott durch die alte Natur nicht behin<strong>de</strong>rt ist, so umfaßt es alle Dinge, die mich<br />
betreffen. Ich erkenne, daß Gottes Anteilnahme an mir alle meine Bedürfnisse umfassen<br />
muß, sonst wäre sie nicht völlige Fürsorge.<br />
Wenn kein Haar von meinem Haupte ohne Ihn zur Er<strong>de</strong> fallen kann, so ist es für <strong>de</strong>n Glauben<br />
offenbar, daß alles was mich betrifft, nun in Seiner Hand ruht. Von diesem Standpunkt aus<br />
han<strong>de</strong>lnd, nahm David alle seine Männer mit, und je<strong>de</strong>r Mann sein Haus. Nichts Geringeres<br />
hätte <strong>de</strong>m Vertrauen auf Gottes Wort entsprochen, das zu ihm gesagt hatte: „Ziehe hinauf<br />
nach Hebron.“ Wenn wir in Glauben und Abhängigkeit beginnen, so wird je<strong>de</strong>r Umstand<br />
unseren Glauben sowohl wie die Weisheit unseres Weges bestätigen. So fin<strong>de</strong>n wir auch in<br />
Vers 4, daß „die Männer von Juda kamen und salbten daselbst David zum König über das<br />
Haus Juda“.<br />
Obwohl David nun in die königliche Wür<strong>de</strong> eingesetzt war, entsprach doch diese Stellung<br />
bei weitem nicht <strong>de</strong>rjenigen, zu <strong>de</strong>r er auserwählt und von Samuel gesalbt wor<strong>de</strong>n war.<br />
Sieben weitere Jahre und sechs Monate mußten vergehen, ehe die ganze Nation ihn <strong>als</strong><br />
König anerkennen sollte (Vers 11).<br />
Auch sollte <strong>de</strong>r „Streit“ noch lang sein „zwischen <strong>de</strong>m Hause Sauls und <strong>de</strong>m Hause Davids“,<br />
obwohl David „immerfort stärker wur<strong>de</strong>“. Mit wie langsamen und gemessenen Schritten<br />
führt <strong>de</strong>r Herr Seine Knechte an ihren festgesetzten Platz! Der Platz wird zweifellos in<br />
dieser Welt nie ganz erreicht, <strong>de</strong>nn obwohl Paulus sagen kann: Dies eine tue ich“, so muß<br />
er doch bekennen, daß er jene gewisse Stellung noch nicht er griffen hat, die er in <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit einnehmen wird. je mehr er sich aber danach ausstreckte, je besser erfüllte<br />
er seine Berufung und seinen Dienst. Wie oft wird <strong>de</strong>r Knecht Gottes, wie einst David,<br />
für eine Zeit nach Hebron versetzt, das heißt –, nur in die teilweise Ausübung <strong>de</strong>s für<br />
ihn vorausbestimmten Dienstes eingeführt, und wie notwendig ist dies, um in ihm die<br />
richtigen Eigenschaften hervorzurufen. Wir mögen vor Feindschaft zurückschrecken, aber<br />
wenn keine vorhan<strong>de</strong>n wäre, wür<strong>de</strong>n wir nie die Ausflüsse <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> schmecken, die uns<br />
durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist mitgeteilt wird. David wer<strong>de</strong>n nun viele Gelegenheiten geboten,<br />
seine Befähigung für die erwünschte Stellung zu beweisen, die er nie gehabt o<strong>de</strong>r wohl nie<br />
genützt hätte, wenn er sogleich <strong>de</strong>n Thron über ganz Israel eingenommen hätte.<br />
Seine erste Handlung ist, eine Botschaft <strong>de</strong>r Anerkennung und Ermutigung an die Männer<br />
von Jabes-Gilead zu sen<strong>de</strong>n, die sich zu Saul bekannt hatten. Dies war große Gna<strong>de</strong> und die<br />
wahre Wür<strong>de</strong> eines Mannes <strong>de</strong>r Macht, <strong>de</strong>r zum Führen und Herrschen befähigt war. Der<br />
Thron wird durch Gerechtigkeit befestigt, und <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r nicht unparteiisches Recht sprechen<br />
kann, kann nicht nach göttlichen Gedanken regieren. Ein Christ wan<strong>de</strong>lt in Gerechtigkeit<br />
und Liebe, in<strong>de</strong>m er allen Ansprüchen aus bei<strong>de</strong>m gerecht und voll Genüge leistet, und<br />
die Schwachen und Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Benötigten versorgt. David kann selbst einem<br />
Fein<strong>de</strong> das verdiente Lob geben, und dies befestigt das Gewicht seiner moralischen Stellung.<br />
Obwohl er auch durch Enttäuschungen und Irrtümer geht, wird er doch stärker und stärker<br />
und lernt dabei während <strong>de</strong>r ganzen Zeit seine wahre Laufbahn vor Gott zu beschreiten.<br />
2. Samuel 3. Abner wen<strong>de</strong>t sich im Zorn vom Hause Sauls ab (V. 9 ff) und wirbt um David,<br />
<strong>de</strong>r sich bereitfin<strong>de</strong>t, mit ihm ein Bündnis zu schließen unter <strong>de</strong>r Bedingung, daß er ihm<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
sein Weib Michal, Sauls Tochter, ausliefere. Es ist schwer, Davids Beweggrund für diese<br />
For<strong>de</strong>rung zu verstehen. Was auch <strong>de</strong>r Grund war, diese Handlung brachte keinem von<br />
bei<strong>de</strong>n Ehre ein. Wenn die Herausgabe <strong>de</strong>r Michal für Davids Natur eine Genugtuung<br />
war, so muß <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>re Meuchelmord Joabs an Abner ein bitterer Rückschlag für ihn<br />
gewesen sein. Gera<strong>de</strong>, <strong>als</strong> er auf diesen Mann <strong>de</strong>r Tapferkeit gerechnet haben mochte<br />
<strong>als</strong> das vorausbestimmte Werkzeug, um das erwünschte Ziel zu erreichen, wird Abner<br />
nie<strong>de</strong>rgestreckt. Ein tiefer Weg <strong>de</strong>r Zucht lag für ihn in diesem traurigen Ereignis. Kein<br />
Wun<strong>de</strong>r, daß er um Abner wehklagte. In seiner Klage bekannte er seinen eigenen abhängigen<br />
Zustand. Er muß es empfun<strong>de</strong>n haben, welch ein furchtbarer Fleck auf seiner Regierung<br />
dadurch lastete, daß das Schwert seines eigenen Heerobersten auf diese Weise seine gerechte<br />
Herrschaft durchkreuzt hatte. Er mußte aber lernen, auf nieman<strong>de</strong>n seine Hoffnungen zu<br />
setzen. Und selbst dieses Ereignis wen<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Herr am En<strong>de</strong> zu seinem Nutzen. Denn<br />
das Volk nahm Kenntnis von seiner großen Trauer und empfand Wohlgefallen daran. Was<br />
Menschen <strong>als</strong> ein großes Unglück hinstellen wür<strong>de</strong>n, kann Gott zugunsten Seines Knechtes<br />
in das Gegenteil verwan<strong>de</strong>ln, David mochte mit Recht sagen: Ich aber bin heute schwach,<br />
obschon zum König gesalbt“. Diese Demütigung aber ging nur <strong>de</strong>r Erhöhung voran. Wir<br />
müssen unser Bedürfnis nach Gottes Hilfe empfin<strong>de</strong>n und kennen, ehe Er uns öffentlich<br />
helfen kann.<br />
2. Samuel 4. Diese Begebenheit, vom menschlichen Gesichtspunkt aus ein so großes<br />
Mißgeschick, diente letztlich dazu, das Haus Sauls in bemerkenswerter Weise zu schwächen,<br />
<strong>de</strong>nn Isboseth wird von zweien seiner Obersten getötet. Dadurch wird Davids Rivale<br />
hinweggetan, ohne daß irgendwelche Schuld auf David fällt, was nicht so gewesen wäre,<br />
wenn die Tat mit Hilfe von Abners Schwert ausgeführt wor<strong>de</strong>n wäre. O, wür<strong>de</strong>n wir nur<br />
<strong>de</strong>m Herrn vertrauen, so wür<strong>de</strong>n wir sehen, daß die Dinge, die wir mit unserer schwachen<br />
Urteilskraft <strong>als</strong> uns entgegenstehend betrachten, von Ihm durchaus für uns angeordnet<br />
wur<strong>de</strong>n. Der vor Gott ge<strong>de</strong>mütigte und auf Ihn warten<strong>de</strong> David han<strong>de</strong>lt in diesem Fall<br />
<strong>de</strong>s tückischen Mor<strong>de</strong>s so, wie es ihm geziemte, in<strong>de</strong>m er das gerechte To<strong>de</strong>surteil die<br />
Schuldigen treffen läßt und die nun entstan<strong>de</strong>ne Lage aus <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Herrn annimmt.<br />
Denn das letzte Hin<strong>de</strong>rnis zu seiner Anerkennung <strong>als</strong> König Israels war nun hinweggeräumt.<br />
2. Samuel 5. „Und alle Stämme Israels kamen zu David nach Hebron . . . und <strong>de</strong>r König David<br />
machte einen Bund mit ihnen zu Hebron, vor Jehova; und sie salbten David zum König über<br />
Israel“. In 1. Chr 12,38 wer<strong>de</strong>n uns <strong>de</strong>r Charakter und die Eigenschaften <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>s<br />
Volkes Israel dargestellt, die sich in Hebron versammelte, um ihn <strong>als</strong> König anzuerkennen:<br />
„Alle diese Kriegsleute, die sich in Schlachtreihen ordneten, kamen mit ungeteiltem Herzen<br />
nach Hebron, um David zum König über ganz Israel zu machen. Und auch alle übrigen in<br />
Israel waren eines Herzens, David zum König zu machen.“<br />
So hat dieser vielgeprüfte Knecht nach einem Zwischenraum von ungefähr einundzwanzig<br />
Jahren seinen verheißenen Platz eingenommen. Die Schritte zu diesem Ziele hin waren nur<br />
langsam gewesen. Tief und mancherlei Art war seine Zubereitung für diesen Platz. Nicht<br />
<strong>de</strong>r geringste Teil dieser Zucht fiel in die Zeit <strong>de</strong>r letzten siebeneinhalb Jahre, in <strong>de</strong>nen er<br />
nur im teilweisen Besitz <strong>de</strong>s Königtums war. Nun, wo er das Ziel erreicht hat, wollen wir<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 134
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
festzustellen suchen, wie er <strong>de</strong>n Platz ausfüllt. Dabei müssen wir immer daran <strong>de</strong>nken, daß<br />
seine Unterweisung weiter fortgesetzt wird, jetzt zwar unter an<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n.<br />
2. Samuel 6. Die erste uns berichtete Handlung Davids, nach<strong>de</strong>m er auf <strong>de</strong>n Thron<br />
erhoben ist, ist sein Versuch, die La<strong>de</strong> Gottes zurückzubringen. Ein aufrichtiger und Gott<br />
gemäßer Wunsch, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>m Herrn die Erstlinge unseres Gutes zu bringen ist die natürliche<br />
Handlungsweise <strong>de</strong>r Seele, die die Segnungen bewußt aus Gottes Hand empfängt. Aber wie<br />
oft ver<strong>de</strong>rben wir die Ausführung unserer besten Absichten infolge <strong>de</strong>s Einflusses unserer<br />
Umgebung. Sie, mit <strong>de</strong>r wir Gemeinschaft haben, entspricht aber stets unserem eigenen<br />
praktischen Zustand. Davids Geist wünscht, die La<strong>de</strong> Gottes heraufzubringen, „<strong>de</strong>nn wir<br />
haben sie in <strong>de</strong>n Tagen Sauls nicht befragt“. In<strong>de</strong>m er aber zweifellos zu jener Zeit mit <strong>de</strong>n<br />
Heeresobersten stark in Anspruch genommen ist, die für ihn das Mittel gewesen waren <strong>de</strong>n<br />
Thron zu erreichen, befragt er diese über die Rückführung <strong>de</strong>r La<strong>de</strong>, statt sich an Jehova<br />
zu wen<strong>de</strong>n. Die Folge ist, wie es stets so sein wird, daß ein menschlich erdachter Plan zur<br />
Ausführung kommen soll. Ein von Rin<strong>de</strong>rn gezogener Wagen wird für die Überführung<br />
bestimmt, statt die La<strong>de</strong> nach göttlicher Anweisung von Leviten tragen zu lassen. Was<br />
konnte aus dieser Handlungsweise an<strong>de</strong>res erwachsen <strong>als</strong> Gericht in <strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>r<br />
Heiligkeit Gottes? Ussa wird getötet, ein Schlag für David, <strong>de</strong>r ihn daran erinnerte, daß<br />
Jehova nahe war, und daß David, wenn er die Werke Gottes ausführen wollte, dies nur nach<br />
<strong>de</strong>n Gedanken Gottes tun konnte. David scheint dies aber nicht sofort erfaßt zu haben. Wir<br />
lesen, daß er darüber „entbrannte“, daß er sich vor Jehova fürchtete und sprach: „Wie soll<br />
die La<strong>de</strong> Jehovas zu mir kommen?“ Überdies ließ er die La<strong>de</strong> drei Monate lang im Hause<br />
Obed-Edoms, <strong>de</strong>s Gathiters.<br />
1. Chronika 13-16. Hier lesen wir von zwei Kämpfen Davids gegen die Philister zwischen<br />
seinem ersten Versuch, die La<strong>de</strong> heraufzuholen, und <strong>de</strong>r schließlichen Ausführung. Ob die<br />
Kämpfe tatsächlich zu jenem Zeitpunkt stattfan<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r so anzusetzen sind, wie im Buche<br />
Samuel berichtet wird, mag fraglich sein. Der Geist Gottes gibt uns aber in <strong>de</strong>r Chronika<br />
stets die moralische Reihenfolge <strong>de</strong>r Ereignisse. Ich bin daher davon überzeugt, daß sie<br />
uns dort in dieser Anordnung berichtet wer<strong>de</strong>n, um uns die Lektion zu zeigen, die David<br />
dam<strong>als</strong> lernen mußte. Daß er sie das erste Mal nicht beobachtete, brachte ihn zu Fall. Wenn<br />
er das Wesen und die Größe <strong>de</strong>r Macht Gottes aufrichtig und tief empfun<strong>de</strong>n hatte (wie<br />
zu Baal Perazim, wo Gott <strong>de</strong>n Feind durchbrach „gleich einem Wasserdurchbruch“, <strong>als</strong><br />
Antwort auf die einfältige und gesegnete Abhängigkeit, mit <strong>de</strong>r David Ihn befragte und<br />
sich von Ihm Schritt um Schritt führen ließ), so wäre ihm die Trauer und Demütigung<br />
von Perez-Ussa erspart geblieben. Selbst wenn wir große Siege über die Welt errungen<br />
haben, ach, wie oft vermengen wir dann unsere Anbetung mit irgendwelchen weltlichen<br />
Bestandteilen, die unsere aufrichtigen Absichten zunichte machen. Wenn ich nicht völlig<br />
erkenne, daß die Welt und je<strong>de</strong> Verbindung zu ihr beiseite gesetzt sind, wer<strong>de</strong> ich sicherlich<br />
irgendwelches von ihr entlehntes Gedankengut beibehalten, das dann <strong>de</strong>r Wahrheit und<br />
Gna<strong>de</strong> Gottes zuwi<strong>de</strong>rläuft. Im ersten <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kämpfe wird David gezeigt, welchen<br />
persönlichen Sieg Gott Seinem Knecht schenkt, wenn er Ihm vertraut; <strong>de</strong>nn er hatte <strong>de</strong>n<br />
Herrn in <strong>de</strong>r gleichen völligen Abhängigkeit befragt, wie zur Zeit seines Aufenthaltes <strong>als</strong><br />
Flüchtling in <strong>de</strong>r Wüste Maon. Abhängigkeit ist aber um so kostbarer, wenn unsere Stellung<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 135
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
<strong>de</strong>rart ist, daß sie, menschlich gesprochen, die Abhängigkeit von Gott unnötig erscheinen<br />
läßt. Gott hatte verheißen, die Philister in seine Hand zu geben, und die Nie<strong>de</strong>rlage war<br />
so groß, daß David sagte: „Gott hat meine Fein<strong>de</strong> durch meine Hand durchbrochen, gleich<br />
einem Wasserdurchbruch. Daher gab man jenem Ort <strong>de</strong>n Namen Baal-Perazim“. Es ist<br />
aber eine Sache, zu fühlen und zu wissen, daß ich persönlich <strong>de</strong>r Welt gegenüber siegreich<br />
bin (vorher kann ich keine Ruhe fin<strong>de</strong>n), und eine ganz an<strong>de</strong>re Sache, zu erkennen, daß<br />
Gott es ist, <strong>de</strong>r mir Sieg schenkt, das heißt, daß Er mir meine Fein<strong>de</strong> unterwirft, und, noch<br />
weitergehend, daß ich erst in Tätigkeit treten und zum Kampfe vorgehen kann, wenn das<br />
„Daherschreiten“ Gottes gehört wird (1. Chr 14,15). Denn dann weiß ich, daß Er „vor mir<br />
ausgezogen ist, um das Heerlager <strong>de</strong>r Philister zu schlagen“.<br />
Dies waren die gesegneten Erfahrungen, durch die <strong>de</strong>r Herr Seinen Knecht führte. Sie<br />
reichten wahrlich aus, ihn davon abzuhalten, sich dadurch zu erniedrigen, daß er sich<br />
Formen und I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Philister aneignete, anstatt Jehova und Sein Wort zu befragen!<br />
Im Verlauf von drei Monaten, in <strong>de</strong>nen David gewarnt, gezüchtigt und so gnädiglich belehrt<br />
wor<strong>de</strong>n war, hört er von <strong>de</strong>m Segen, <strong>de</strong>r auf Obed-Edoms Haus aus <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>s<br />
Gottes kam, Dessen Heiligkeit vor so kurzer Zeit sich im Gericht gezeigt hatte, um die<br />
Anmaßung <strong>de</strong>s Fleisches hinwegzufegen. Und er trifft Vorbereitungen, um die La<strong>de</strong> Gottes in<br />
die Stadt Davids mit Freu<strong>de</strong>n hinaufzubringen. Er macht eine Ankündigung, die tatsächlich<br />
ein Eingeständnis seines eigenen Fehlers ist: „Die La<strong>de</strong> Gottes soll niemand tragen <strong>als</strong><br />
nur die Leviten; <strong>de</strong>nn sie hat Jehova erwählt, um die La<strong>de</strong> Gottes zu tragen und seinen<br />
Dienst zu verrichten ewiglich“. Die Einzelheiten dieses lehrreichen Vorfalls fin<strong>de</strong>n wir<br />
in 1. Chronika 15+16, und wir tun gut, die Gesinnung Davids bei dieser Begebenheit zu<br />
beachten. Er han<strong>de</strong>lt sowohl <strong>als</strong> Priester wie <strong>als</strong> König, er gibt Befehle und Anordnungen für<br />
alles, er ist überdies selber mit einem Ephod und einem Gewand aus feinem Leinen beklei<strong>de</strong>t,<br />
und er tanzte vor Jehova mit all seiner Macht. Welch einen Unterschied gegenüber seinem<br />
ersten Versuch, die La<strong>de</strong> hinaufzubringen, sehen wir hier, in Macht, Zeugnis und Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Herzens! Wie eindrucksvoll ist das Glück <strong>de</strong>s Herzens, das sich mit <strong>de</strong>m Herrn beschäftigt,<br />
und wie gleichgültig ist ihm alle fleischliche Geringschätzung! Dies muß <strong>de</strong>r glücklichste<br />
Augenblick in Davids Leben gewesen sein, und zugleich ein Augenblick höchster Ehre, <strong>als</strong><br />
er sagte: Stehe auf, Jehova, zu <strong>de</strong>iner Ruhe, du und die La<strong>de</strong> <strong>de</strong>iner Stärke!“ Und dam<strong>als</strong><br />
war es, daß er „zum ersten Male Asaph und seinen Brü<strong>de</strong>rn auftrug, Jehova zu preisen“<br />
(1. Chr 16,7–36).<br />
Ein strahlen<strong>de</strong>r und gesegneter Augenblick, nach all seinem Kummer und aller Zucht! Fülle<br />
<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> gibt ihm seine Beschäftigung mit <strong>de</strong>m Herrn, und mit göttlichem Geschick<br />
ordnet er alle Einzelheiten <strong>de</strong>s levitischen Dienstes an! Die Szene wird durch keinen Mißton<br />
gestört, außer durch die Tochter Sauls, <strong>de</strong>ren Herz nicht in Einklang mit <strong>de</strong>r ganzen Szene<br />
ist, so daß sie kein Mitgefühl mit David haben und kein Verständnis für ihn aufbringen<br />
kann, <strong>de</strong>nn sie verachtete ihn in ihrem Herzen. So muß David in dieser Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong><br />
durch eine unangemessene Verbindung lei<strong>de</strong>n. Und wie oft ist dies <strong>de</strong>r Fall! Mancher führt<br />
einen annehmbaren Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>m verdunkelten Licht <strong>de</strong>r bekennen<strong>de</strong>n Christenheit,<br />
verrät sich aber bald, wenn er in das helle Licht <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes gestellt wird. Wenn<br />
dieser Zwischenfall aber eine Wolke am getrübten Himmel über Davids Haupt war, so barg<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 136
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
sie zugleich eine Segnung und Befreiung für ihn. Denn diese ungleiche Verbindung sollte<br />
ihn nun nicht weiter fesseln. Die Trennungslinie wird von nun an für immer zwischen<br />
ihnen gezogen. In <strong>de</strong>r Wüste hatte Gott ihm eine Abigail gegeben, eine verwandte Seele, um<br />
seine Verwerfung zu teilen. Und jetzt, <strong>als</strong> er die La<strong>de</strong> Gottes zu ihrer Ruhe auf <strong>de</strong>m Berge<br />
Zion geleitet, unter <strong>de</strong>r grenzenlosen Freu<strong>de</strong> einer Seele, die über die Erhebung Jehovas<br />
jubelt, da bricht er das letzte Bin<strong>de</strong>glied zur Welt. Seine heilige Freu<strong>de</strong> entfrem<strong>de</strong>t ihm das<br />
Herz <strong>de</strong>rjenigen, <strong>de</strong>ren innerster weltlicher Sinn sich hier offenbart.<br />
Es erscheint wahrscheinlich, daß David <strong>de</strong>n 30. Psalm aussprach, <strong>als</strong> er sich „wandte, um<br />
sein Haus zu segnen“ (1. Chr 16,43). Da konnte er sagen: „Meine Wehklage hast du mir in<br />
einen Reigen verwan<strong>de</strong>lt, mein Sacktuch hast du gelöst und mit Freu<strong>de</strong> mich umgürtet“.<br />
Er war nun zur Höhe <strong>de</strong>s Wohlergehens aufgestiegen und konnte sagen: „Ich wer<strong>de</strong> nicht<br />
wanken ewiglich“. Seine Seele erfreute sich in Einfalt alles <strong>de</strong>ssen, was ihm aus Gottes<br />
Hand zuteil wur<strong>de</strong>. Und hier ruft er aus: „Ich will dich erheben, Jehova, <strong>de</strong>nn du hast mich<br />
emporgezogen und hast nicht über mich sich freuen lassen meine Fein<strong>de</strong>.“<br />
1. Chronika 17. In diesem Geiste war es, daß David in seinem Hause saß und zu Nathan, <strong>de</strong>m<br />
Propheten, sprach: „Siehe, ich wohne in einem Hause von Ze<strong>de</strong>rn, und die La<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
Jehovas wohnt unter Teppichen’. Es war das durchaus natürliche und fromme Gefühl einer<br />
Seele, die in so lebendiger Weise die Liebe und Güte <strong>de</strong>s Herrn genoß, und <strong>als</strong> solches wur<strong>de</strong><br />
es von Nathan gelobt. Es entsprach jedoch nicht <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Herrn, und wir lernen<br />
daraus, daß die aufrichtigsten und scheinbar geistlichsten Wünsche und Absichten nicht<br />
vertrauenswürdig sind und nicht ausgeführt wer<strong>de</strong>n dürfen, ehe wir direkte Anweisung<br />
vom Herrn erbeten haben. „Und es geschah in selbiger Nacht, da geschah das Wort Gottes<br />
zu Nathan <strong>als</strong>o: Gehe hin und sprich zu David, meinem Knechte: So spricht Jehova: Nicht<br />
du sollst mir das Haus zur Wohnung bauen. . . « Und <strong>de</strong>r Herr fährt fort, ihm zu sagen, wie<br />
Er Seinem Knecht ein Haus bauen wird! Wenn unser Becher überfließt, sind wir geneigt, auf<br />
<strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, die Gottes Güte uns gewährt, uns einen Dienst für Ihn vorzunehmen,<br />
zu <strong>de</strong>m wir gar nicht geeignet sind, obwohl die Absicht durchaus lauter sein mag. Gottes<br />
Wort weist uns aber stets unseren richtigen Platz zu, wie es hier David gegenüber geschieht,<br />
wobei ihm noch eine erweiterte und wun<strong>de</strong>rbare Enthüllung <strong>de</strong>r Anteilnahme <strong>de</strong>s Herrn<br />
an ihn persönlich gezeigt wird. Es ist gut, großen Eifer für die Ehre <strong>de</strong>s Herrn zu haben,<br />
aber Sein Wort, das unsere ungeeigneten Pläne korrigiert, wird uns sicherlich auch Seine<br />
eigene unermeßliche Anteilnahme an uns enthüllen. Dieses lernt David hier, und nun kann<br />
er hingehen und sich vor Jehova nie<strong>de</strong>rsetzen in voller Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s<br />
Herrn, und in jener Beiseitesetzung seiner selbst, die allein durch die Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn<br />
hervorgerufen wird. Wie sehr wir Ihn auch für Seine Gaben preisen, und diese wirklich aus<br />
Seiner Hand empfangen mögen, so sind wir doch fähig, wenn wir im „Hause <strong>de</strong>r Ze<strong>de</strong>rn“<br />
sitzen, unsere gebühren<strong>de</strong> Berufung und Stellung mißzuverstehen. Setzen wir uns aber<br />
„vor Jehova nie<strong>de</strong>r“ und lauschen Ihm, wie Er uns Seine Gedanken enthüllt, und uns Seine<br />
Anteilnahme an uns bezeugt, so wird alles an seinen richtigen Platz gerückt und wir rufen<br />
aus. „Wer bin ich, daß du mich bis hierher gebracht hast?“<br />
1. Chronika 18. Nach diesem unterwirft David die Philister, schlägt Moab, und <strong>de</strong>n König von<br />
Zoba bei Hamath, <strong>als</strong> er hineinzog, um seine Macht am Strome Euphrat zu befestigen. Der<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Herr behütet ihn, wohin immer er sich wen<strong>de</strong>t. David legt Besatzungen in Edom und die<br />
Edomiter wer<strong>de</strong>n seine Knechte; die Syrer fliehen vor Israel, sie wollten <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />
Ammon nicht mehr zu Hilfe kommen. Kurz, <strong>de</strong>r Herr schenkt David in beispielloser<br />
Art <strong>de</strong>n vollen Segen <strong>de</strong>s Erfolges und Wohlergehens. Wie stellt sich David zu diesen<br />
Segnungen? Er war in zweifacher Weise gesegnet wor<strong>de</strong>n, geistlich und zeitlich. Geistlich,<br />
<strong>als</strong> er in die Gemeinschaft mit Gottes Gedanken und Absichten eingeführt wur<strong>de</strong>, Gottes<br />
grenzenloses Interesse an seiner Person erkannte und seine unvollkommenen Wünsche<br />
sich in <strong>de</strong>r Unbegrenztheit <strong>de</strong>r göttlichen Verheißungen und Absichten verloren. Zeitlich in<br />
Segnungen, in <strong>de</strong>r Erhabenheit <strong>de</strong>r Wege Gottes und Seiner Gaben für Seinen Knecht. Ist<br />
er fähig, dies alles zu ertragen? Feindschaft stellt <strong>de</strong>n Charakter auf die Probe, in<strong>de</strong>m sie<br />
die Hilfsquellen in uns selbst herausfor<strong>de</strong>rt. Wohlergehen aber stellt das Fleisch und die<br />
Kraft <strong>de</strong>r Selbstbeherrschung auf die Probe. Bei Feindschaft strengen wir alle Kräfte an und<br />
wollen sie beweisen, um aus <strong>de</strong>r schwierigen Lage herauszukommen. Wohlergehen dagegen<br />
bietet uns Gelegenheit, unseren natürlichen Neigungen die Zügel schießen zu lassen.<br />
2. Samuel 11. Gott hatte David auf wun<strong>de</strong>rbare Weise gezeigt, wie überreich und freigebig<br />
Er Seine Hand auftun konnte um ihn zu segnen, Sein Wohlstand war grenzenlos. In diesem<br />
Zustand bietet sich seinem Fleische eine Gelegenheit. Er fällt.<br />
Mit welchem Eifer hascht das arme Herz nach Wohlergehen und Gna<strong>de</strong> und vergißt<br />
dabei, daß solche Geschöpfe, wie wir es sind, keine neue Gna<strong>de</strong> erlangen können ohne<br />
gleichzeitig einer neuen Prüfung für das Fleisch ausgesetzt zu wer<strong>de</strong>n. Und je mehr wir in<br />
<strong>de</strong>n natürlichen Dingen unserer Umgebung ruhen, je größer ist die Gelegenheit für unser<br />
Fleisch, sich zu zeigen. Der Herr weiß, daß die Quelle <strong>de</strong>s Bösen vorhan<strong>de</strong>n ist. Und obwohl<br />
wir so sehr ge<strong>de</strong>mütigt wer<strong>de</strong>n durch die Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Bösen, so ist diese Bloßstellung<br />
doch nötig, damit uns die Quelle gezeigt wer<strong>de</strong>. In Wirklichkeit sind wir unter Gottes<br />
einsetzen<strong>de</strong>m Gericht nicht schlechter <strong>als</strong> vorher, <strong>de</strong>nn Er wußte von Anfang, wozu wir<br />
fähig waren.<br />
Von seiner Sün<strong>de</strong> wahrhaft überführt, ist David nun, wie wir in Psalm 51 sehen,<br />
nie<strong>de</strong>rgebeugt und sein Geist <strong>de</strong>mütig und „zerbrochen“ in <strong>de</strong>r Erkenntnis seiner eigenen<br />
Ver<strong>de</strong>rbtheit. Er hatte bereits vorher einen <strong>de</strong>mütigen und zerbrochenen Geist gezeigt <strong>als</strong><br />
Folge <strong>de</strong>r bloßgestellten Schwachheit seiner Natur. Nun zeigt sich dieser Geist in <strong>de</strong>r tiefen<br />
Erniedrigung durch die Ver<strong>de</strong>rbtheit seiner Natur. In seinem Bekenntnis hierüber gibt er<br />
<strong>de</strong>m Schrei aus <strong>de</strong>m Herzen Israels an jenem Tage Ausdruck, wenn es „<strong>de</strong>n anschauen wird,<br />
welchen es durchstochen hat“ und vor Ihm ge<strong>de</strong>mütigt wird in bezug auf seine „Blutschuld“.<br />
Wie schmerzlich dieser Augenblick auch sowohl für David wie für Israel ist, so wird doch<br />
bei<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> in diesem Augenblick das Heil Gottes am völligsten geoffenbart. Denn je<br />
tiefer ich gesunken bin, um so kostbarer ist mir die Befreiung.<br />
David wird hiernach durch Gottes wun<strong>de</strong>rbare Gna<strong>de</strong> in eine tiefere Erkenntnis <strong>de</strong>s Heils<br />
eingeführt. Er lernt erkennen, was Gott für <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r ist, aber auch, daß Sün<strong>de</strong> gegen<br />
unseren Nächsten durch zeitliche Züchtigung heimgesucht wer<strong>de</strong>n muß. Gott ist gerecht<br />
in Seinen Regierungswegen mit <strong>de</strong>n Menschenkin<strong>de</strong>rn, und <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich gegen an<strong>de</strong>re<br />
versündigt, muß auch öffentlich bestraft wer<strong>de</strong>n. Viele sündigen nur gegen Gott und erlei<strong>de</strong>n<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 138
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
dann Strafe an ihrem Fleische, eine Züchtigung, die zwischen ihnen und Gott ausgeführt<br />
wird. Wenn durch die Sün<strong>de</strong> aber an<strong>de</strong>re Scha<strong>de</strong>n erlei<strong>de</strong>n, so muß die Züchtigung eine<br />
öffentliche sein.<br />
2. Samuel 12. Davids Kind stirbt. Aber bald zeigen sich wie<strong>de</strong>r die gesegneten Früchte<br />
<strong>de</strong>r Zucht in seiner Seele. Sie ist wie<strong>de</strong>r in Abhängigkeit und Unterordnung. Während<br />
das Kind noch lebte, flehte er um seinetwillen zum Herrn. Während er zwar weit entfernt<br />
davon ist, die Zucht <strong>de</strong>s Herrn zu verachten, empfin<strong>de</strong>t er sie <strong>de</strong>nnoch offenbar äußerst<br />
schmerzlich. Als das Kind aber gestorben ist, erkennt er <strong>de</strong>n Ratschluß Gottes in völliger<br />
Unterwerfung an. „Da stand David von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> auf und wusch und salbte sich.“ Es war für<br />
ihn ein Augenblick tiefster Finsternis gewesen, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> Mitteilung <strong>de</strong>s Herrn, um <strong>de</strong>n<br />
Schmerz seines Herzens zu lin<strong>de</strong>rn, hatte ihm gefehlt. Ich glaube, daß dies allgemein <strong>de</strong>r<br />
Fall ist, wenn wir unter Gottes Züchtigung lei<strong>de</strong>n. Es ist notwendig, daß wir <strong>de</strong>n gerechten<br />
Zuchtweg Gottes empfin<strong>de</strong>n. Und während wir durch die Züchtigung <strong>als</strong> Folge unserer<br />
Sün<strong>de</strong> hindurchgehen, sind wir uns keines Lichtes und keiner Gemeinschaft bewußt. Wir<br />
dürfen jedoch aus <strong>de</strong>r Züchtigung mit erneuerter Kraft und Stärke hervorgehen, wie es<br />
bei David <strong>de</strong>r Fall war. Denn wir fin<strong>de</strong>n ihn gleich darauf im Kampf gegen Rabba (Vers 29)<br />
im vollen Sieg. Er betritt wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n rechten Pfad, und Ehre und Segnungen wer<strong>de</strong>n ihm<br />
wie<strong>de</strong>r zuteil. Gott zeigt ihm, so unbeugsam Er auch im Gericht ist, daß Seine Liebe und<br />
Fürsorge David gegenüber unverän<strong>de</strong>rt geblieben sind.<br />
Trotz<strong>de</strong>m war <strong>de</strong>r Urteilsspruch ergangen und von Nathan (Verse 10 u. 11) verkün<strong>de</strong>t<br />
wor<strong>de</strong>n: „So soll von <strong>de</strong>inem Hause das Schwert nicht weichen ewiglich.“ Obwohl Davids<br />
Seele an <strong>de</strong>r Frucht seiner Sün<strong>de</strong> so bitter gestraft wor<strong>de</strong>n war, weil er sich nicht selbst<br />
gerichtet hatte, und obwohl er nun auch soweit wie<strong>de</strong>rhergestellt war, so mußte er weiterhin<br />
die Züchtigung <strong>de</strong>r gerechten Regierungswege Gottes erdul<strong>de</strong>n, die ihn vor <strong>de</strong>n Menschen<br />
<strong>de</strong>mütigten.<br />
2. Samuel 13+14. Damit gelangen wir zu jenem Abschnitt seiner Geschichte, in <strong>de</strong>m er<br />
infolge <strong>de</strong>s Bösen seiner eigenen Kin<strong>de</strong>r durch Trübsal und Demütigung geht, Es gibt<br />
wohl keine empfindlichere Weise, wie einem Mann das Gefühl <strong>de</strong>s Bösen in <strong>de</strong>r eigenen<br />
Natur zum Bewußtsein gebracht und wie er tiefer vor <strong>de</strong>n Menschen ge<strong>de</strong>mütigt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Mängel in <strong>de</strong>r Selbstzucht eines Elternteiles wer<strong>de</strong>n sich an seinen Kin<strong>de</strong>rn offenbar<br />
machen, und von ihren jüngsten Kin<strong>de</strong>rjahren an wird er in schmerzlicher Weise erfahren<br />
müssen, was in seiner eigenen Natur unterdrückt und gekreuzigt wer<strong>de</strong>n muß, obwohl<br />
er möglicherweise niem<strong>als</strong> genau die gleichen Sün<strong>de</strong>n begangen hat, die sich an seinen<br />
Kin<strong>de</strong>rn zeigen. Kin<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n die Fortsetzung <strong>de</strong>s Lebens <strong>de</strong>r Eltern hier auf Er<strong>de</strong>n und<br />
zeigen <strong>de</strong>utliche Abbil<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>ren Natur.<br />
Ich halte dafür, daß Amnon gemäß <strong>de</strong>m Gesetz für seine Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Tod hätte erlei<strong>de</strong>n<br />
müssen (Kap. 13, 4). David versäumt es, „gerecht und in <strong>de</strong>r Furcht Gottes‘“ zu regieren. Das<br />
Gericht ereilt Amnon durch die Hand seines Bru<strong>de</strong>rs Absalom, <strong>de</strong>r wegen dieser Mordschuld<br />
aus <strong>de</strong>m Königreich entflieht. David gibt <strong>de</strong>r Strategie Joabs nach und ist so schwach, nicht<br />
nur die Rückkehr Absaloms zu gestatten, son<strong>de</strong>rn ihn nach einiger Zeit wie<strong>de</strong>r in seine<br />
Gunst aufzunehmen (Kap. 14).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 139
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Es dauert nicht lange, bis diese Schwäche und Ungerechtigkeit die bittersten Früchte trägt.<br />
Denn wenn wir ungerechterweise jemand verschonen, um damit unseren eigenen Gefühlen<br />
nach zugeben, so setzen wir uns stets <strong>de</strong>m Bösen <strong>de</strong>r Natur aus, das wir hätten eindämmen<br />
und verurteilen sollen.<br />
2. Samuel 15. Nach <strong>de</strong>r Mitteilung über die Aufnahme Absaloms durch seinen Vater führt<br />
uns bereits <strong>de</strong>r nächste Vers in Absaloms Absichten <strong>de</strong>r Empörung und Ermordung seines<br />
Vaters ein (Kap. 15,1).<br />
David muß nun fliehen. Was für ein trauriger und <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>r Anblick, ihn zu sehen,<br />
<strong>de</strong>r zu solcher Ehre und so hoher Stellung erhoben wor<strong>de</strong>n war, wie er nun vom Throne<br />
steigt und Jerusalem verläßt vor <strong>de</strong>n Wogen <strong>de</strong>s Tumults und Aufruhrs, <strong>de</strong>r von seinem<br />
eigenen Sohn hervorgerufen und genährt wird! Er war schon einmal durch einen ähnlichen<br />
Augenblick geschritten, aber unter an<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n. Das Leid von Ziklag war ebenfalls<br />
eine Zuchtmaßnahme, aber dort war es auf allen Seiten <strong>de</strong>r Mensch gewesen. Hier dagegen<br />
geht es um <strong>de</strong>n Verlust Jerusalems, <strong>de</strong>s Berges Zion, <strong>de</strong>n er liebte, seiner Stellung und<br />
alles an<strong>de</strong>ren, und nicht durch die Hand <strong>de</strong>r Amalekiter, son<strong>de</strong>rn durch die seines eigenen<br />
Sohnes.<br />
Doch er gibt alles auf, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Ausgang in eine an<strong>de</strong>re Hand legt: „Wenn ich Gna<strong>de</strong><br />
fin<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Augen Jehovas, so wird er mich zurückbringen und mich sie (die La<strong>de</strong> Gottes)<br />
und seine Wohnung sehen lassen. . . “ „David aber ging die Anhöhe <strong>de</strong>r Olivenbäume hinauf<br />
und weinte, während er hinaufging; und sein Haupt war verhüllt, und er ging barfuß.“ Wie<br />
sehr die Züchtigung jener Stun<strong>de</strong> in seine Seele eindrang, wird uns in Psalm 3 gesagt: „Viele<br />
sagen von meiner Seele: Es ist keine Rettung für ihn bei Gott!“ Aber was folgt dann? „Mit<br />
meiner Stimme rufe ich zu Jehova, und er antwortet mir von seinem heiligen Berge!“ Der<br />
wahre Wert <strong>de</strong>r Trübsal und Prüfung besteht darin, die Seele zu einem einfältigen Vertrauen<br />
auf Gott zu führen. David hatte hierin gefehlt. Während er dam<strong>als</strong> in <strong>de</strong>n ihm verordneten<br />
Dienst nicht hinausgezogen war, und sich dadurch selbst in Versuchung und Sün<strong>de</strong> brachte<br />
(Kap. -ii, :t), wird er nun durch seinen eigenen Sohn in einen Krieg hineingerissen. Wenn<br />
wir vor <strong>de</strong>m Dienst zum rückschrecken, zu <strong>de</strong>m wir berufen wer<strong>de</strong>n, bringen wir uns nicht<br />
nur selber in Schwierigkeiten, son<strong>de</strong>rn wir beweisen, wie einst Jona, daß wir ein tieferes<br />
Geübtwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Seele nötig haben, um für unsere Berufung tauglich gemacht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rnatürlichen und bitteren Kampf erneuert David, <strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Knecht, sein<br />
Vertrauen auf Gott.<br />
2. Samuel 16. Und von <strong>de</strong>m Augenblick an, wo er sagen konnte: „Ich legte mich nie<strong>de</strong>r und<br />
schlief“ (Ps 3,5) verlief alles günstig für ihn. (Ich fühle mich veranlaßt, diese Worte an die<br />
Stelle zu setzen, wo es heißt: „Und <strong>de</strong>r König (David) und alles Volk, das bei ihm war, kamen<br />
ermattet an, und er erholte sich daselbst“, Vers 14. Er sagt: „Ich erwachte, <strong>de</strong>nn Jehova stützt<br />
mich. Nicht fürchte ich mich vor Zehntausen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Volkes, die sich ringsum wi<strong>de</strong>r mich<br />
gesetzt haben.- Wenn wir auf Grund unseres Vertrauens auf Gott schlafen können, dann<br />
haben wir keine Furcht vor Menschen, so mächtig o<strong>de</strong>r so nahe sie sein mögen.<br />
2. Samuel 17+18. Ahitophels Rat wird verworfen und David kehrt nach Jerusalem zurück.<br />
Absalom aber mußte fallen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 140
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
2. Samuel 21. David geht durch an<strong>de</strong>re Trübsale. Seine Geschichte zeigt uns in erster Linie,<br />
wie fortwährend die Übung seiner Seele fortgesetzt wer<strong>de</strong>n muß. Nach <strong>de</strong>r Befreiung<br />
von Scheba (Kap. 20) kommt eine Hungersnot über das Land, die drei Jahre nacheinan<strong>de</strong>r<br />
andauert. Diese führt ihn dazu, <strong>de</strong>n Herrn wie<strong>de</strong>r zu befragen, und Er sagt ihm, daß die<br />
Heimsuchung wegen Saul und <strong>de</strong>ssen Bluthaus gekommen sei. Im weiteren Verlauf wer<strong>de</strong>n<br />
die Letzten dieses Hauses ausgerottet. Nach diesem entstand ein weiterer Streit mit <strong>de</strong>n<br />
Philistern (Vers 15). Am En<strong>de</strong> seiner Laufbahn, wie zu <strong>de</strong>ren Anfang, steht er wie<strong>de</strong>r einem<br />
Riesen gegenüber – nicht <strong>de</strong>mselben Riesen, <strong>de</strong>nn was wir einmal wirklich besiegt haben,<br />
brauchen wir nicht zum zweiten Male zu besiegen. Aber an<strong>de</strong>re Riesen erheben sich und<br />
stellen unsere Kraft auf die Probe, und wir müssen erkennen, daß das, was <strong>de</strong>m Glauben ein<br />
Leichtes ist, <strong>de</strong>mjenigen, <strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>r Glaubensübung steht, gefährlich wer<strong>de</strong>n kann. Hat<br />
unser Vertrauen auf Gott nachgelassen, so ist auch unsere Wi<strong>de</strong>rstandsfähigkeit geringer,<br />
so weitgehend auch unsere Erfahrung und Festigkeit sein mag, David war hier „ermattet“;<br />
<strong>als</strong> aber <strong>de</strong>r Riese „gedachte, David zu erschlagen kam Abisai ihm zu Hilfe und tötete <strong>de</strong>n<br />
Philister.<br />
2. Samuel 24 u. 1. Chronika 21. Noch eine weitere Zucht beson<strong>de</strong>rer Art ist notwendig<br />
für diesen schon so viel gezüchtigten Knecht, und zwar am En<strong>de</strong> seines Lebens. Manche<br />
Jahre waren verflossen, seit<strong>de</strong>m er gewünscht hatte, <strong>de</strong>m Herrn ein Haus zu bauen – ein<br />
Wunsch, <strong>de</strong>r an sich gut war, aber zu <strong>de</strong>ssen Verwirklichung er nicht berufen war. Der<br />
Herr erlaubte daher die Ausführung nicht, obwohl Er gleichzeitig David reichlich an seiner<br />
Seele segnete durch die Offenbarung <strong>de</strong>r göttlichen Anteilnahme an seiner Person. Erst<br />
am En<strong>de</strong> seines Lebens wird ihm gezeigt, wie wenig geschickt er tatsächlich für <strong>de</strong>n Bau<br />
<strong>de</strong>s Hauses <strong>de</strong>s Herrn war, <strong>de</strong>nn er wußte noch nicht einmal, wo es gebaut wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Diese Erkenntnis wird ihm zuteil <strong>als</strong> die Frucht <strong>de</strong>r göttlichen Züchtigung wegen seines<br />
Versagens. Der Platz für <strong>de</strong>n Tempel wird ihm gezeigt in seinem moralischen Wert und<br />
seiner Eignung. So konnte er, in<strong>de</strong>m seine Seele das Wesen jener Gna<strong>de</strong> erkannte, die die<br />
Grundlage von allem bil<strong>de</strong>te, seine letzten Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Vorbereitungen für <strong>de</strong>n Tempelbau<br />
widmen.<br />
Als David Ruhe hatte von allen seinen Fein<strong>de</strong>n und sich natürlicherweise seiner erhabenen<br />
Stellung bewußt war, nutzt Satan dies aus, in<strong>de</strong>m er ihn versucht, das Volk zu zählen, und<br />
sich dadurch seiner irdischen Hilfsquellen zu erfreuen (Kap. 24). Gott war es gewesen,<br />
Der ihn zu seiner jetzigen Stellung erhoben hatte, aber das menschliche Herz will Gottes<br />
Gaben zusammenzählen, um sich darin unabhängig vom Geber zu fühlen. Alles, was er<br />
besaß, verdankte er in einzigartiger, wun<strong>de</strong>rbarer Weise Gottes Güte. So war es eine sehr<br />
offensichtliche, beschämen<strong>de</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>s Fleisches, wenn er zu En<strong>de</strong> seiner Laufbahn<br />
seinen Wunsch öffentlich kundgab, für groß zu gelten aufgrund <strong>de</strong>r Zahl seines Volkes, und<br />
nicht aufgrund <strong>de</strong>s Beistan<strong>de</strong>s Gottes, Der ihn bis hierher gestützt hatte. Der Herr sucht ihn<br />
diesetwegen heim, gestattet ihm aber, eine von drei Plagen zu wählen. Sind wir gestrauchelt,<br />
so ist Zucht nötig, um das Fleisch zurechtzuweisen. War die Verfehlung privater Natur, so<br />
ist die Züchtigung eine persönliche, wenn auch nicht weniger schmerzvolle; wenn sie aber<br />
öffentlicher Natur war, so muß auch die Züchtigung in <strong>de</strong>r öffentlichkeit erfolgen, <strong>de</strong>nn<br />
Gott erweist Seine Gerechtigkeit gegenüber allen Seinen Geschöpfen. David ist in seiner<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 141
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
Seele wie<strong>de</strong>rhergestellt, <strong>de</strong>nn er erwählt die Züchtigung, welche am unmittelbarsten aus<br />
<strong>de</strong>r Hand Jehovas kommt, und zeigt dadurch seine erneute Abhängigkeit.<br />
Und nun eröffnet sich ihm ein neues und wun<strong>de</strong>rbares Segensgebiet. Der rührendste<br />
Beweis <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes, die aus Seiner Liebe hervorströmt, ist dies, daß uns, wenn die<br />
Wie<strong>de</strong>rherstellung völlig ist, stets eine weitere Offenbarung <strong>de</strong>r Fülle unserer Annahme bei<br />
Ihm geschenkt wird. Als das Schwert Jehovas über Jerusalem ausgestreckt war, und David<br />
im Bewußtsein seiner Schuld ganz auf Gott geworfen war, da offenbarte Gott Seine Gna<strong>de</strong>.<br />
Der Prophet Gad wird gesandt, um ihm zu sagen, daß er hinaufgehen und einen Altar auf<br />
<strong>de</strong>r Tenne Ornans, <strong>de</strong>s Jebusiters, errichten solle. David hat an diesem Altar Annahme bei<br />
Gott gefun<strong>de</strong>n, während er sich fürchtete, zum Brandopferaltar auf <strong>de</strong>r Höhe von Gibeon<br />
zu gehen, welcher zu <strong>de</strong>r ersten Hütte unter <strong>de</strong>m Gesetz gehörte. Und nun erfährt er hier<br />
zum ersten Male, wo <strong>de</strong>r Standort <strong>de</strong>s Tempels sein soll. Lange vorher hatte er versucht,<br />
diesen Tempel aufzurichten, – dieses Bild von <strong>de</strong>m Herrn Jesus Christus. Aber noch nie<br />
war er <strong>de</strong>rart ge<strong>de</strong>mütigt gewesen, daß Gott ihn über <strong>de</strong>n richtigen Ort belehren konnte.<br />
Auch hatte er, wie viele von im , nicht jene Übungen <strong>de</strong>r Seele gekannt und jenen Lektionen<br />
<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> sich unterworfen, um auch nur die Anfangsgrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Arbeit zu kennen, für<br />
die er sich geeignet gedünkt hatte. Es ist gut, hohe und große Dienste zu begehren, aber<br />
wir müssen zubereitet sein, um sie auf göttlichem Wege auszuführen. Wenn Jakobus und<br />
Johannes begehren, im Reiche Christi zu Seiner Rechten und Linken zu sitzen, waren sie<br />
dann fähig, von <strong>de</strong>m Kelch zu trinken, <strong>de</strong>n Er trank, und mit <strong>de</strong>r Taufe getauft zu wer<strong>de</strong>n,<br />
mit <strong>de</strong>r Er getauft wur<strong>de</strong>? David hat nun eine Erkenntnis <strong>de</strong>r göttlichen Gna<strong>de</strong> erlangt,<br />
die ihm vorher unbekannt war. Sie befähigt ihn nun, <strong>de</strong>n Ort für jenen Bau zu fin<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>r Christus <strong>als</strong> Den darstellte, Der es Selbst auslebte, daß die Gna<strong>de</strong> über das Gericht<br />
triumphiert. Daher konnte David sagen. „Dieses hier soll das Haus Jehovas Gottes sein, und<br />
dies <strong>de</strong>r Altar zum Brandopfer für Israel.“ Und daselbst wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tempel errichtet.<br />
1. Chronika 22. Es bleibt uns nur noch übrig, das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lebens Davids zu betrachten.<br />
Es scheint, daß er, nach <strong>de</strong>r Züchtigung und Unterweisung auf <strong>de</strong>m Berge Morija, sich mit<br />
Fleiß <strong>de</strong>r Zubereitung <strong>de</strong>r Materialien für <strong>de</strong>n Tempel widmete.<br />
1. Chronika 23-33. Außer<strong>de</strong>m, nach<strong>de</strong>m er Salomo, seinen Sohn, <strong>als</strong> König über Israel<br />
eingesetzt hatte (Kap. 23), versammelte er alle Obersten Israels und die Priester und<br />
Leviten und teilte sie in ihre Abteilungen ein. Schöner und gesegneter Beschluß seines<br />
ereignisreichen und lehrreichen Lebens, das bezüglich <strong>de</strong>s Zeugnisses in geziemen<strong>de</strong>r Weise<br />
durch seine Ansprache an alle Obersten Israels abgeschlossen wird! Dies ist das En<strong>de</strong> seiner<br />
öffentlichen Laufbahn.<br />
2. Samuel 23. Aber welches waren seine ganz persönlichen Gedanken? In seinen „letzten<br />
Worten“ verleiht er ihnen Ausdruck. Dort hören wir über seine eigenen Gefühle und<br />
Beurteilungen über alles, – über Gottes Gna<strong>de</strong> ihm gegenüber, über seinen eigenen<br />
unvollkommenen Zustand, über die Hoffnung seiner Seele und <strong>de</strong>n Gegenstand ihres<br />
Vertrauens. Und endlich seine Einschätzung <strong>de</strong>r Welt in ihrer Feindschaft gegen Gott,<br />
ausgedrückt mit <strong>de</strong>r Bezeichnung „Männer Beli<strong>als</strong>“.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 142
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
David<br />
In<strong>de</strong>m wir diese hoch interessanten und erfahrungsreichen „letzten Worte“ in unserer Seele<br />
bewegen und <strong>de</strong>s Kreises <strong>de</strong>r Treuen und Tapferen einge<strong>de</strong>nk sind, die ihn begleitet hatten<br />
und nicht vergessen wer<strong>de</strong>n (Verse 8 ff), mögen wir die Geschichte <strong>de</strong>s „Mannes nach<br />
Gottes Herzen“ beschließen unter <strong>de</strong>m Schall <strong>de</strong>s Psalm-Gesanges: „Wun<strong>de</strong>rbar sind <strong>de</strong>ine<br />
Werke, und meine Seele weiß es sehr wohl¡(Ps 139,14)<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 143
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
Elia<br />
Die Stellung <strong>de</strong>s Elias in <strong>de</strong>n Wegen Gottes mit Seinem Volke verleiht <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>r<br />
Geschichte <strong>de</strong>s Propheten ein beson<strong>de</strong>res Interesse. Es war Gna<strong>de</strong>, welche die Art <strong>de</strong>s<br />
Dienstes, <strong>de</strong>r in jener bemerkenswerten Zeit von ihm gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, in ihm entwickelte;<br />
sie unterwarf ihn zugleich <strong>de</strong>r Erziehung, die ihn für jenen Dienst formen und erziehen<br />
sollte. Gott ernennt <strong>de</strong>n Diener, <strong>de</strong>r geeignet ist, Seinen Willen auszuführen, nach Seinem<br />
Eigenen Ratschluss und stattet ihn mit Kraft für seinen Auftrag aus. Gleichwohl steht <strong>de</strong>r<br />
Diener ständig in Gefahr, <strong>de</strong>n Planungen seines Fleisches zu folgen, wenn er nicht durch<br />
die Hand Gottes kontrolliert und geübt wird. Es spielt dabei keine Rolle, wie fromm und<br />
göttlich seine Absicht ist; <strong>de</strong>nn wir täuschen uns sehr, wenn wir glauben, daß <strong>de</strong>r Besitz<br />
göttlicher Gedanken allein schon zum Dienste befähigt; es kommt entschei<strong>de</strong>nd auch darauf<br />
an, daß wir diese Gedanken treu und wirksam zum Ausdruck bringen, und das erfor<strong>de</strong>rt<br />
eine Zucht, die wir oft nicht verstehen. Zurechtweisungen für bekannte Fehler können<br />
wir leicht begreifen; aber jene beson<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>r Schulung, die <strong>de</strong>n Menschen zu Gottes<br />
Werkzeug und Zeugen erzieht, verstehen wir ebensowenig wie die Pflanzen erfassen, daß sie<br />
die Wechselfälle <strong>de</strong>s Winters durchstehen müssen, um eine reichere Ernte hervorzubringen.<br />
Die öffentliche Laufbahn <strong>de</strong>s Elias begann damit, daß er Ahab das Gericht ankündigte<br />
(1. Kön 17). Das aber war keineswegs auch <strong>de</strong>r Anfang seiner persönlichen Übungen; <strong>de</strong>nn<br />
das hier so zuversichtlich angekündigte Gericht war nach Jakobus 5, 17 eine direkte Antwort<br />
auf sein Gebet. „So wahr Jehova lebt, <strong>de</strong>r Gott Israels sagt Elia, „vor <strong>de</strong>ssen Angesicht ich<br />
stehe, wenn es in diesen Jahren Tau und Regen geben wird, es sei <strong>de</strong>nn auf mein Wort“.<br />
Und warum hatte er das erbeten? Ahabs Bosheit war in <strong>de</strong>n Augen Jehovas größer <strong>als</strong><br />
die Bosheit alter seiner Vorgänger. Er hatte Isabel geheiratet, die Tochter <strong>de</strong>s Königs <strong>de</strong>r<br />
Zidonier, und er hatte <strong>de</strong>m Baal in <strong>de</strong>ssen Haus einen Altar errichtet.<br />
Elia, „ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir“, aber ein gerechter Mann,<br />
<strong>de</strong>r in Abhängigkeit von Gott lebte, konnte diese Greuel inmitten <strong>de</strong>s Volkes Gottes nicht<br />
gleichgültig hinnehmen; <strong>de</strong>shalb „betete er ernstlich“, daß Jehova solchermaßen im Gericht<br />
zum Volk re<strong>de</strong>n und Seinen Namen rechtfertigen möge. Er vertraute auf Gott und blickte<br />
auf Ihn in <strong>de</strong>r Erwartung, daß Jehova Sein Volk strafen und zu <strong>de</strong>r Abhängigkeit führen<br />
möge, die er selbst besaß. Der Entzug alltäglicher Wohltaten auf die Dauer von dreieinhalb<br />
Jahren sollte sie an die Quelle aller Segnungen erinnern und Besinnung sowie Umkehr<br />
bewirken.<br />
Der Verlust natürlicher Wohltaten durch übernatürliche Mittel vermittelt <strong>de</strong>n Menschen<br />
immer das Gefühl <strong>de</strong>r Notwendigkeit, zum Schöpfer aufzublicken. Wird <strong>de</strong>r Lauf <strong>de</strong>r<br />
Natur durch eine ihm unbekannte Macht aufgehalten, so fühlt er, auch wenn er im Genuß<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 144
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
<strong>de</strong>r gewöhnlichen Segnungen selten an Gott <strong>de</strong>nkt, daß es nur ein Hilfsmittel gibt: Ihn<br />
anzurufen, <strong>de</strong>n er bislang verunehrt und verlassen hat. Betrübt und bedrückt durch die<br />
Abtrünnigkeit Israels, fin<strong>de</strong>t Elia im Gebet Erleichterung für sein Herz und empfängt so von<br />
Gott das Heilmittel, das Sein Volk und Ahab, <strong>de</strong>n König, dazu führen soll, je<strong>de</strong> Segnung, die<br />
sie genießen, <strong>als</strong> aus <strong>de</strong>r Hand Gottes kommend anzuerkennen. Wie interessant ist danach<br />
schon <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Elias!<br />
Nach<strong>de</strong>m er im Verborgenen gebetet hat, tritt er zum ersten Mal hervor, um das Ergebnis<br />
dieses Gebets zu verkün<strong>de</strong>n und erweist sich damit <strong>als</strong> ein gesegneter und zubereiteter<br />
Zeuge in einer so bösen, schrecklichen Zeit. Aber sein Zeugnis schließt auch – <strong>de</strong>r Heilige<br />
Geist bekräftigt es Jahrhun<strong>de</strong>rte später – die Bestätigung dafür, daß „das inbrünstige Gebet<br />
eines Gerechten viel vermag“, durch je<strong>de</strong> Seele ein, die gelernt hat, in allen Lagen auf Gott<br />
zu warten. Seine erste Begegnung mit Ahab (1. Kön 17,1) zeigt, mit welcher Wür<strong>de</strong> und<br />
Kraft <strong>de</strong>r von Gott unterwiesene Mann gegen die Ver<strong>de</strong>rbtheit seiner Tage zeugt. Es ist<br />
eindrucksvoll zu sehen‘wie ein einzelner, bisher unbekannter Mann in <strong>de</strong>r Kraft Gottes<br />
aufsteht und zu <strong>de</strong>m König von Israel spricht: „Wenn es in diesen Jahren Tau und Regen<br />
geben wird, es sei <strong>de</strong>nn auf mein Wort“! Elia nahm damit die Vorrangstellung ein, die Ahab<br />
verwirkt hatte. Der König von Israel hätte Gottes hervorragendster Diener sein sollen;<br />
aber er hatte sich in trauriger Weise vom Wege Gottes abgewandt, und Jehova sen<strong>de</strong>t nun<br />
Seinen Eigenen Diener, <strong>de</strong>r im Geheimen unterwiesen wur<strong>de</strong>, Botschaft und Zeugnis davon<br />
zu Überbringen, daß Er – Gott – an höchster Stelle über alles waltet. Der Regen, auf <strong>de</strong>n<br />
die Pflanzen <strong>de</strong>s Erdbo<strong>de</strong>ns angewiesen sind, wür<strong>de</strong> nicht fallen, es sei <strong>de</strong>nn auf das Wort<br />
Seines Dieners.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Diener die göttliche Botschaft ausgerichtet hat, führt Gott ihn einen<br />
bemerkenswerten Weg. „Gehe von hinnen und verbirg dich am Bache Krith. Und es soll<br />
geschehen, aus <strong>de</strong>m Bache wirst du trinken, und ich habe <strong>de</strong>n Raben geboten, dich daselbst<br />
zu versorgen“. Elia soll nicht außerhalb <strong>de</strong>r Trübsale, mit <strong>de</strong>nen Gott Sein Volk heimsucht,<br />
son<strong>de</strong>rn in Abhängigkeit von Gott in <strong>de</strong>n Trübsalen stehen. So ist es mit je<strong>de</strong>m treuen<br />
Diener. Diese Zeit, die für <strong>de</strong>n Eigenwillen voll ungemil<strong>de</strong>rter Trübsal ist, erweist sich<br />
für <strong>de</strong>n Mann <strong>de</strong>s Glaubens <strong>als</strong> beson<strong>de</strong>rs nutzbringend. Wenn sein Gebet auf eine so<br />
eindringliche Weise beantwortet wur<strong>de</strong>, so mußte er aus eben diesem Grun<strong>de</strong> noch größere<br />
Abhängigkeit dadurch lernen, daß die Trübsale, für die er gebetet hatte, auch ihn selbst<br />
heimsuchen wür<strong>de</strong>n, wenn er sich nicht strikt an <strong>de</strong>n Pfad <strong>de</strong>s Glaubens hielte.<br />
Wenn unsere Bitten gnädig erhört wer<strong>de</strong>n, neigen wir häufig dazu, <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r<br />
Abhängigkeit aufzugeben, während die empfangene Segnung doch gera<strong>de</strong> das Gegenteil<br />
bewirken sollte. Der Glaube allein stellt <strong>de</strong>n Diener über die Trübsale <strong>de</strong>s Volkes Gottes<br />
und nicht die Umstän<strong>de</strong>, die für ihn bestellt sind. Elia mußte sich verbergen; aber gleich<br />
Dem, Den er im Vorbil<strong>de</strong> darstellte, mußte er in Israel bleiben, wenn auch verborgen und<br />
unbekannt; <strong>de</strong>nn Gott sorgte zunächst für ihn. Gewissermaßen mit Eigener Hand ernährte<br />
Er ihn. Raben, die im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Vögeln wegen ihrer Gefräßigkeit die Fütterung<br />
ihrer Brut vernachlässigen, sie wer<strong>de</strong>n von Gott zu Dienern <strong>de</strong>r Bedürfnisse Seines Knechtes<br />
gemacht. „Und er trank aus <strong>de</strong>m Bache“.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 145
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
Aber kurz danach bekam er die Hungersnot und die Trockenheit im Lan<strong>de</strong> noch stärker<br />
zu fühlen: Da vertrocknete <strong>de</strong>r Bach; <strong>de</strong>nn es war kein Regen im Lan<strong>de</strong>“. Er sollte die<br />
Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Volkes Gottes noch empfindlicher spüren, auch wenn er sich diese nicht durch<br />
persönlichen Eigenwillen zugezogen hatte; aber zugleich durfte er auf Gott vertrauen und<br />
sagen: „Jehova ist meine Hilfe“. Das war auch die Erfahrung unseres gelobten Herrn, und<br />
zwar in <strong>de</strong>r Vollkommenheit ‚ die Ihn immer kennzeichnete. Als Er Seine Verwerfung<br />
von Seiten Israels fühlte, und erkannte, wie ihre Herzen sich Ihm verschlossen, bezieht Er<br />
Sich auf diese Vorgänge (Lk 4). Er benutzte sie dazu, Seinen Zuhörern zu zeigen, daß Er<br />
nicht ohne Hilfsquellen war. Wenn Ihm Israel die Aufnahme versagte, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>rselbe Gott,<br />
<strong>de</strong>r eine Witwe aus <strong>de</strong>n Nationen zur Wirtin <strong>de</strong>s Elias bestellt hatte, <strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
Aufnahme in <strong>de</strong>n Herzen <strong>de</strong>r Nationen außerhalb Israels verschaffen.<br />
Nach<strong>de</strong>m Elia gelernt hatte, im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verheißung wegen seines täglichen Unterhalts auf<br />
Jehova zu warten, hörte er nun das Wort: „Mache dich auf, gehe nach Zarpath, das zu Zidon<br />
gehört, und bleibe daselbst; siehe ich habe daselbst einer Witwe geboten, dich zu versorgen“.<br />
Das war eine neue Art <strong>de</strong>r Erziehung; sie eröffnete ihm einen Dienst. Er, ein Israelit, sollte<br />
das Land <strong>de</strong>r Verheißung verlassen und bei einer Witwe aus <strong>de</strong>n Nationen wohnen, um<br />
von ihr versorgt zu wer<strong>de</strong>n. Auch <strong>de</strong>r Herr wohnte während Seiner Verwerfung von seiten<br />
Israels in gewissem Sinne bei <strong>de</strong>n Nationen, und es ist gesegnet zu sehen, daß je<strong>de</strong>r treue<br />
Diener auf einen Pfad geführt wird, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Seinen in mancher Hinsicht ähnlich ist. Elia<br />
gehorcht und offenbart – wie <strong>de</strong>r Herr – die wun<strong>de</strong>rbare Gna<strong>de</strong> Gottes mit <strong>de</strong>n Menschen<br />
an seinem neuen Aufenthaltsort. Schon am Eingang <strong>de</strong>r Stadt traf er jene Witwe; <strong>de</strong>nn<br />
wenn <strong>de</strong>r Glaube auf das Wort Gottes hin han<strong>de</strong>lt, fin<strong>de</strong>t sich stets das Richtige am richtigen<br />
Ort. Elia hätte an <strong>de</strong>r Witwe vorübergehen und eine wohlhaben<strong>de</strong>re suchen können, <strong>de</strong>nn<br />
sie war arm. Aber sein Auge war auf Gott gerichtet, <strong>de</strong>r geboten hatte, daß diese Witwe<br />
ihn versorgen sollte, und <strong>de</strong>shalb ließ er sich durch ihre Armut nicht entmutigen. Ohne<br />
weiteres for<strong>de</strong>rte er sie auf: „Hole mir doch ein wenig Wasser im Gefäß, daß ich trinke“!<br />
Meines Erachtens fühlt eine von Gott geleitete Seele stets <strong>de</strong>n rechten Weg; sie zweifelt<br />
nicht, son<strong>de</strong>rn bittet, und zwar zunächst um geringfügige Dinge und erst später – kühner<br />
wer<strong>de</strong>nd – um mehr.<br />
So auch hier. Als Elia sah, daß die Witwe ihre Arbeit willig unterbrach und die For<strong>de</strong>rungen,<br />
die die Not an sie richtete, zurückstellte, wagte er es, mehr zu bitten und stellte auf diese<br />
Weise fest, ob sie die Witwe war, zu <strong>de</strong>r Gott ihn gesandt hatte. Sie war bereit, alles mit ihm<br />
zu teilen, was sie besaß; aber <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Prophet erbat, was sie nicht hatte, war sie gezwungen<br />
ihre ganze Armut zu enthüllen. Mit diesem Bekenntnis aber schuf sie die Voraussetzung, daß<br />
Elia in <strong>de</strong>r ganzen Größe Dessen auftreten konnte, Dessen Diener er war. Wie herrlich ist<br />
dieser Augenblick, wo <strong>de</strong>r Glaube mit vollem Bewußtsein in <strong>de</strong>n Ratschluß Gottes eintritt,<br />
nach<strong>de</strong>m er auf seinem Wege sorgfältig <strong>de</strong>m Strahl <strong>de</strong>s göttlichen Lichts gefolgt war, das<br />
wohl ihm, aber nicht nach außen hin erkennbar war.<br />
So war es mit Elia. Das Wort Jehovas hatte ihn nun erreicht, und er verkün<strong>de</strong>te es <strong>de</strong>r<br />
Witwe: „Das Mehl im Topfe soll nicht ausgehen und das Öl im Kruge nicht abnehmen bis<br />
auf <strong>de</strong>n Tag, da Jehova Regen geben wird auf <strong>de</strong>n Erdbo<strong>de</strong>n“. Er nimmt <strong>als</strong>bald seinen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 146
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
Aufenthaltsort in ihrem Hause und wird ein ganzes Jahr in bemerkenswerter Weise von<br />
Jehova erhalten. Wir versäumen oft, das Wort Gottes entgegenzunehmen, weil wir uns nicht<br />
dort befin<strong>de</strong>n, wo es uns erreichen kann d. h. wir gelangen nicht dahin, wo <strong>de</strong>r Herr uns<br />
zur Verherrlichung Seines Namens gebrauchen kann. Nur dort sind wir imstan<strong>de</strong>, Seinen<br />
Namen in voller Kraft zu verkündigen und uns im Genuß <strong>de</strong>s Segens zu erhalten, in <strong>de</strong>n<br />
Er uns eingeführt hat. Muß es für Elia nicht eine beson<strong>de</strong>re Ermunterung gewesen sein,<br />
Tag für Tag zu erfahren, wie Gott ihn in diesem armen, verlassenen Hause erhielt? Müssen<br />
Brot und Öl, die er dort täglich zu sich nahm, nicht wohlschmeckend gewesen sein, wenn<br />
seine Seele sich vergegenwärtigte, daß diese Gabe unmittelbar – am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „vielen Tage“<br />
dürfte kein Stäubchen Mehl mehr im Topfe gewesen sein, <strong>als</strong> an ihrem Anfang –, aus Gottes<br />
Hand kamen? Was für gesegnete, wichtige Erkenntnisse wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Elia im Hause jener<br />
Witwe zuteil! Er durfte im Vorbild das ganze Ausmaß göttlicher Segnungen in bezug auf <strong>de</strong>n<br />
Menschen erleben, die später im Sohne Gottes völlig geoffenbart wer<strong>de</strong>n sollten. Er erfuhr,<br />
daß Gott vor <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> bewahren, <strong>de</strong>r Not auf Er<strong>de</strong>n begegnen und <strong>de</strong>m Übel abhelfen<br />
konnte.<br />
Aber er sollte jenes Haus nicht verlassen, ohne in ein noch größeres Geheimnis eingeführt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Der Sohn <strong>de</strong>r Witwe stirbt, und Elia, obwohl er nicht ohne Hilfsquellen war, geht<br />
durch tiefe Seelenübungen, ehe er sich die Gna<strong>de</strong>, die in Gott ist, um einer solchen Not zu<br />
begegnen, aneignet (Verse 17–24). Er kommt jetzt mit einem Kummer in Berührung, <strong>de</strong>r ihn<br />
tief beeindrucken muß. Die Witwe hat ihren einzigen Sohn, ihre letzte Verbindung zur Er<strong>de</strong>,<br />
verloren; sie bietet ein ergreifen<strong>de</strong>s Bild menschlicher Traurigkeit und Verlassenheit. Doch<br />
noch viel näher muß es <strong>de</strong>m Propheten gehen, daß sie ihm <strong>de</strong>n Tod ihres Sohnes zur Last<br />
legt (V. 18). Aber Gott war im Begriff, Seine Macht und Gna<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Überwindung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s<br />
und <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Lebens zu offenbaren; <strong>de</strong>nn es ging jetzt nicht mehr um Bewahrung<br />
vor <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> und seinen Schrecken, son<strong>de</strong>rn um Auferweckung aus <strong>de</strong>n Toten. Er bediente<br />
sich dazu <strong>de</strong>s Elias und unterwies ihn so in hervorragen<strong>de</strong>r Weise im Mächtigsten Seiner<br />
Werke. Die Seelenübungen <strong>de</strong>s Propheten aus <strong>de</strong>m Vorwurf <strong>de</strong>r trauern<strong>de</strong>n Witwe und<br />
die Empfindungen seiner Seele hinsichtlich <strong>de</strong>r Macht Gottes, die Leben aus <strong>de</strong>n Toten<br />
gab, waren von beson<strong>de</strong>rer und wun<strong>de</strong>rbarer Art. Wie tief mußte ihn auf Grund solcher<br />
Erfahrungen das dankbare Zeugnis <strong>de</strong>r Witwe nach <strong>de</strong>r Auferstehung ihres Sohnes berührt<br />
haben: „Nunmehr erkenne ich, daß du ein Mann Gottes bist, und daß das Wort Jehovas<br />
in <strong>de</strong>inem Mun<strong>de</strong> Wahrheit ist“. Durch das große Werk <strong>de</strong>r Auferweckung wur<strong>de</strong> Gott<br />
geehrt und sein Diener gerechtfertigt. Nach<strong>de</strong>m Elia diese tiefen Belehrungen über die<br />
Gna<strong>de</strong> und Macht Gottes im Hause <strong>de</strong>r Witwe aus <strong>de</strong>n Nationen – im Vorbil<strong>de</strong> herrliche<br />
Offenbarungen <strong>de</strong>rselben Gna<strong>de</strong> und Macht, die <strong>de</strong>n Nationen in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r „Trockenheit“<br />
in Israel gegeben wor<strong>de</strong>n sind – empfangen hat, bekommt er Befehl, sich Ahab zu zeigen,<br />
um ihm zu bezeugen, daß Jehova nun Regen auf <strong>de</strong>n Erdbo<strong>de</strong>n geben wer<strong>de</strong> (Kap 18,1). Er,<br />
<strong>de</strong>r bisher vor Israel verborgen war und <strong>de</strong>n Ahab vergeblich in je<strong>de</strong>m Volk und Königreich<br />
gesucht hatte, kommt an diesem Wen<strong>de</strong>punkt, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r König mit Obadja verabre<strong>de</strong>t hatte,<br />
das Land unter sich zu teilen um Gras zu suchen, hervor und zeigt sich.<br />
Zuerst begegnet er Obadja. Der treue Überrest erkennt immer <strong>als</strong> erster <strong>de</strong>n Propheten<br />
Gottes, und wenn sein Glaube auch wankt, er wird schließlich doch überzeugt und kann<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
<strong>de</strong>m Gottlosen die Zukunft Dessen verkün<strong>de</strong>n, in Dessen Hand sich <strong>de</strong>r Segen befin<strong>de</strong>t. Als<br />
Ahab <strong>de</strong>m Elia begegnet, fährt er ihn an: „Bist du da, <strong>de</strong>r Israel in Trübsal bringt“? Aber<br />
Elia weist ihn zurecht, daß er selbst – <strong>de</strong>r König – und das Haus seines Vaters Ursache<br />
<strong>de</strong>r Trübsal sind. Der Mann, <strong>de</strong>r die Gna<strong>de</strong> erfahren hat und <strong>de</strong>r <strong>als</strong> <strong>de</strong>ren Zeuge und<br />
Diener vor <strong>de</strong>n Gottlosen tritt, kann seinen Anklagen eine Kraft und Schärfe geben, wie<br />
es <strong>de</strong>r Vertreter <strong>de</strong>s Gesetzes niem<strong>als</strong> vermöchte, jener <strong>de</strong>ckt Fehler auf, um zu heilen und<br />
wie<strong>de</strong>rherzustellen; dieser kann nur bloßstellen und fühlen, daß er für das, was er ta<strong>de</strong>lt,<br />
kein Heilmittel besitzt.<br />
Elia for<strong>de</strong>rt nun die Propheten <strong>de</strong>s Baal zu einem offenen Probezeichen heraus, das beweisen<br />
soll, wer Gott ist: Jehova o<strong>de</strong>r Baal, und es ist für ihn <strong>de</strong>r herrlichste Augenblick, <strong>als</strong> er<br />
allein hervortritt, um die Wahrheit Gottes gegen alle Anmaßungen f<strong>als</strong>cher Propheten zu<br />
behaupten. Er schlägt eine Probe vor, und Gott antwortet angesichts <strong>de</strong>s ganzen Volkes<br />
durch Feuer. Dieses Feuer vom Himmel, welches das Opfer verzehrt, ist <strong>de</strong>r höchste Beweis<br />
Gottes und Seiner Wahrheit, daß Er <strong>de</strong>n Menschen auf Grund <strong>de</strong>r Sühnung annimmt. Dies<br />
geschieht in Gna<strong>de</strong>, aber auch in <strong>de</strong>r ganzen Kraft und Furchtbarkeit Seiner Heiligkeit. Der<br />
Mensch empfin<strong>de</strong>t das nachhaltig, empfängt damit aber auch die Versicherung, daß Gott<br />
reinen, heiligen Grund hat, wenn Er ihn <strong>als</strong> Sün<strong>de</strong>r aufnimmt. So wird die Annahme nicht<br />
nur <strong>als</strong> göttlich erkannt, son<strong>de</strong>rn zugleich auch ihre ewige Gültigkeit und Vollkommenheit<br />
garantiert und <strong>de</strong>r Seele das Gefühl von <strong>de</strong>r Heiligkeit Dessen vermittelt, <strong>de</strong>r annimmt.<br />
Welch ein Augenblick <strong>de</strong>r Kraft und Belehrung für Elia, <strong>als</strong> er, auf Gott wartend, mutig für<br />
Ihn eintritt und die f<strong>als</strong>chen Propheten jener Tage durch eine einfache Probe, die übrigens<br />
vom Volke verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, entlarvt und schließlich vernichtet. Welchen Segen muß seine<br />
Seele empfangen haben, <strong>als</strong> er mit Gott zu Rate ging, während er <strong>de</strong>m König und <strong>de</strong>m ganzen<br />
Volke gegenüberstand! Welche Ruhe liegt in <strong>de</strong>r Abhängigkeit von Gott! Der Mann Gottes<br />
konnte geduldig beiseite stehen und <strong>de</strong>n Propheten <strong>de</strong>s Baal erlauben, alles zu versuchen<br />
und sich ganz zu verausgaben, um letzten En<strong>de</strong>s doch nur die Machtlosigkeit ihres Götzen<br />
zu erweisen. Als er dann hervortritt, um <strong>de</strong>n Altar Jehovas nach <strong>de</strong>r göttlichen Ordnung<br />
wie<strong>de</strong>rherzustellen, han<strong>de</strong>lt er für Gott und mit Gott und zeigt, wie reichlich Jehova Seine<br />
Macht <strong>de</strong>m vergeßlichen Volke gegenüber entfalten kann. Welch ein tiefes glückliches<br />
Verständnis Gottes muß Elia gehabt haben, <strong>als</strong> er ihm so diente! Er hatte Gott am Bache<br />
Krith und in Zarpath so gut kennengelernt, daß er für diese öffentlichen Kundgebungen<br />
zubereitet war und sie mit Ruhe und Wür<strong>de</strong> auf sich nehmen konnte.<br />
Das Volk kommt zur Einsicht; es erkennt seine Bosheit und kehrt zu Jehova um. Der Zweck<br />
<strong>de</strong>r Heimsuchung durch die Dürre war dadurch erreicht. Das Volk hatte gelernt, daß <strong>de</strong>r<br />
Gott, <strong>de</strong>n es verachtet hatte, die alleinige Quelle all seiner Segnungen war. Nach<strong>de</strong>m Elia die<br />
Wahrheit durch die Tötung <strong>de</strong>r f<strong>als</strong>chen Propheten gerechtfertigt hatte, wur<strong>de</strong> das Gericht<br />
weggenommen; <strong>de</strong>nn Gott hebt die Zucht immer dann auf, wenn ihr Ziel erreicht ist. Der<br />
Diener, <strong>de</strong>r die Wahrheit angesichts <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> treu aufrechterhalten hat, wird nun <strong>als</strong><br />
Kanal <strong>de</strong>r Segnungen Gottes für Sein Volk benutzt. Er kann zu Ahab sagen: „Gehe hinauf,<br />
iß und trink, <strong>de</strong>nn es ist ein Rauschen eines gewaltigen Regens“. Aber was tut er selbst? Er<br />
steigt auf <strong>de</strong>n Gipfel <strong>de</strong>s Karmel, beugt sich zur Er<strong>de</strong> und legt sein Angesicht zwischen seine<br />
Knie; <strong>de</strong>nn die Kraft und Macht, mit <strong>de</strong>r Gott Seinen Diener für das öffentliche Zeugnis<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 148
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
versieht, kann nie die tiefen Übungen ersetzen, durch die die Seele gehen muß, wenn sie<br />
zum Werkzeug Seiner Gna<strong>de</strong> gemacht wird. Auch unser hochgelobter Herr verbrachte<br />
nach einem Tagewerk voll großer Kraft die Nacht im Gebet, im Gespräch mit Seinem Vater.<br />
Tätige Kundgebungen können niem<strong>als</strong> diese enge Gemeinschaft mit Gott ersetzen. Der<br />
wahre Diener wird diese Gemeinschaft um so mehr suchen und schätzen, je häufiger er<br />
öffentlich für Gott wirkt, damit er Dessen Gedanken erkennen und auf Seine Absichten<br />
eingehen kann.<br />
Elia wartet auf Gott, und es ist sehr lehrreich zu beobachten, wie ein Mann, <strong>de</strong>r Feuer vom<br />
Himmel herabrufen konnte, mit gespanntem Ernst auf die Offenbarung <strong>de</strong>r Segnungen<br />
Gottes warten muß. Siebenmal sen<strong>de</strong>t er seinen Knaben, nach irgen<strong>de</strong>inem Anzeichen<br />
<strong>de</strong>r verheißenen Segnung auszuschauen, bis endlich ein winziges Zeichen erscheint: „eine<br />
Wolke, klein wie eines Mannes Hand“. Das genügt <strong>de</strong>m Glauben. Der Prophet kündigt Ahab<br />
an, daß diese unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Erscheinung <strong>de</strong>n erbetenen und ersehnten Segen herbeiführen<br />
wer<strong>de</strong>, und „die Hand Jehovas kam über Elia; und er gürtete seine Len<strong>de</strong>n und lief vor Ahab<br />
her bis nach Jisreel hin“.<br />
Wie groß war <strong>de</strong>r Erfolg, <strong>de</strong>n Elia durch seinen Glauben und seine Mühe erreicht hatte!<br />
Was wäre wohl imstan<strong>de</strong> gewesen, die Glaubensstärke eines so hervorragen<strong>de</strong>r Ehre und<br />
Macht von Gott gewürdigten Mannes zu erschüttern! Aber „arglistig ist das Herz, mehr <strong>als</strong><br />
alles“. Es ist nicht selten in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Diener Gottes, daß sie im Anschluß an ihre<br />
größten Erfolge von einer tiefgreifen<strong>de</strong>n Mutlosigkeit befallen wer<strong>de</strong>n. So war es bei David.<br />
Nach einer außergewöhnlichen Rettung vor Saul resignierte er: Nun wer<strong>de</strong> ich eines Tages<br />
durch die Hand Sauls umkommen“ und suchte Zuflucht bei Achis (1. Sam 27,1). Auch Jona<br />
ermattete auf <strong>de</strong>m Höhepunkt seines Wirkens. Nach <strong>de</strong>r gewaltigen Wirkung seiner Predigt,<br />
die zur Abwendung <strong>de</strong>s angekündigten göttlichen Gerichts über Ninive gereichte, zog er<br />
sich zornig zurück und versagte sich <strong>de</strong>m Dienst. Ähnlich han<strong>de</strong>lt Elia. Er hatte die Macht<br />
Gottes in zahlreichen Geschehnissen so handgreiflich erfahren; aber <strong>als</strong> er von Isebels<br />
Drohung, ihn umzubringen, hörte, „machte er sich auf und ging fort um seines Lebens<br />
willen, und kam nach Beerseba, und er ließ seinen Knaben dort zurück. Er selbst aber ging<br />
in die Wüste, eine Tagesreise weit, und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch.<br />
Und er bat, daß seine Seele stürbe, und sprach: Es ist genug; nimm nun Jehova, meine Seele,<br />
<strong>de</strong>nn ich bin nicht besser <strong>als</strong> meine Väter“ (1. Kön 19,4). Welch ein Gegensatz zwischen <strong>de</strong>m<br />
Mann <strong>de</strong>s Glaubens auf <strong>de</strong>m Karmel und <strong>de</strong>mselben Mann tags o<strong>de</strong>r Tage danach unter <strong>de</strong>m<br />
Ginsterstrauch! Wie schwach und kraftlos wird doch selbst <strong>de</strong>r hervorragendste Diener<br />
Gottes, wenn sein Glaube schwin<strong>de</strong>t. Aber solche Rückschläge und Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Dunkelheit<br />
– wie <strong>de</strong>mütigend sie auch sein mögen –, sind ebenso Teil <strong>de</strong>r Erziehung Gottes, wie die<br />
leuchten<strong>de</strong>n Augenblicke <strong>de</strong>r Bewährung; <strong>de</strong>r Diener erfährt so die Macht <strong>de</strong>s Unsichtbaren<br />
an sich selbst. Das war das Geheimnis <strong>de</strong>r Kraft Moses. Er hielt standhaft aus, <strong>als</strong> sähe er<br />
<strong>de</strong>n Unsichtbaren. Wer viel mit <strong>de</strong>n äußeren Wegen Gottes beschäftigt ist, braucht diese<br />
beson<strong>de</strong>re innere persönliche Erziehung <strong>als</strong> Stütze <strong>de</strong>s Glaubens umso mehr.<br />
Elia verlässt das Land und wan<strong>de</strong>rt allein in die Wüste; er son<strong>de</strong>rt sich von seinen<br />
Mitmenschen ab. Welch ein Weg! Auf nieman<strong>de</strong>n vertrauend, von keinem umsorgt,<br />
fühlt er sich nur in <strong>de</strong>r völligen Trennung sicher. Unser hochgelobter Herr konnte Sich<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 149
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
<strong>de</strong>n Menschen nicht anvertrauen; <strong>de</strong>nn er wußte, was im Menschen ist; aber Elia floh<br />
die menschliche Gesellschaft aus Furcht und Bitterkeit <strong>de</strong>r Seele und suchte <strong>de</strong>n Tod<br />
aus <strong>de</strong>r Hand Gottes. Gepriesen sei Gott, daß Er voll innigen Mitgefühls ist und die<br />
nie<strong>de</strong>rgeschlagene Seele bewahrt – „er ist einge<strong>de</strong>nk, daß wir Staub sind“. Er gewährt<br />
<strong>de</strong>m einsamen mü<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>rer eine Erleichterung dadurch, daß Er ihn <strong>de</strong>s Bewußtseins<br />
seiner vermeintlich so schwierigen Lage entrückt: „Und er legte sich nie<strong>de</strong>r und schlief ein<br />
unter <strong>de</strong>m Ginsterstrauch“. Da berührte ihn ein Engel und mahnte: „Stehe auf, iß! Und er<br />
aß und trank und legte sich wie<strong>de</strong>r hin“. Der auf heißen Steinen gebackene Kuchen und <strong>de</strong>r<br />
Krug Wasser zu seinen Häupten bezeugten das Interesse und die Fürsorge Gottes für Elia<br />
offenkundiger, <strong>als</strong> seine Versorgung durch die Raben und die Witwe; <strong>de</strong>r Dienst <strong>de</strong>s Engels<br />
aber unterstrich, welchen persönlichen Anteil Jehova am Geschehen um Seinen Knecht<br />
nahm. Einsam wie er war, wur<strong>de</strong> Elia nicht allein und unversorgt gelassen. Ein Engel wur<strong>de</strong><br />
ihm <strong>als</strong> Diener und Begleiter beigegeben, <strong>de</strong>r ihn in seinem Schlaf bewachte und ihn nun<br />
zum zweiten Male anrührte und mit wachsen<strong>de</strong>r Besorgtheit auffor<strong>de</strong>rte: „Stehe auf, iß!<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Weg ist zu weit für dich“. Der Weg war sehr weit – er sollte ihn zum Horeb<br />
führen. Die zweifache Versorgung mit Nahrung veranschaulicht die beson<strong>de</strong>re Weise <strong>de</strong>r<br />
Vorbereitung unserer Seele auf eine Zeit tiefer Übung, vorgebil<strong>de</strong>t durch jene 40 Tage in<br />
<strong>de</strong>r Wüste, in <strong>de</strong>r die bewußte Verbindung mit <strong>de</strong>n Dingen menschlicher Anteilnahme<br />
und Unterstützung aufgehoben ist. Sie geht in <strong>de</strong>r Regel – unser Herr und Mose bil<strong>de</strong>n<br />
Ausnahmen – <strong>de</strong>r Prüfung voraus und wird auch Elia zuteil, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kraft dieser Speise<br />
40 Tage und 40 Nächte lang wan<strong>de</strong>rt, ehe er <strong>de</strong>n Berg Gottes erreicht.<br />
Dieser Weg einer 40-tägigen Wüstenwan<strong>de</strong>rung, ohne Nahrung und menschliche<br />
Unterstützung kann <strong>de</strong>m nicht erspart wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Gott in Seiner unmittelbaren<br />
Wirklichkeit in bezug auf sich selbst und Seine Absichten auf Er<strong>de</strong>n kennenlernen will. Am<br />
Horeb, <strong>de</strong>m Berge Gottes, ist alles bloß und aufge<strong>de</strong>ckt; Elia hat es mit Gott zu tun, und nur<br />
mit Gott, Der Seine persönlichen Mitteilungen mit <strong>de</strong>r forschen<strong>de</strong>n Frage eröffnet: „Was tust<br />
du hier, Elia“? Sodann heißt Er <strong>de</strong>n Propheten, <strong>de</strong>r sich in die Höhle zurückgezogen hatte:<br />
„Gehe hinaus und stelle dich auf <strong>de</strong>n Berg vor Jehova“! Gott war im Begriff, Sich ihm in<br />
eindringlicher Weise zu offenbaren. Aber Er war nicht in <strong>de</strong>m Win<strong>de</strong>, nicht in <strong>de</strong>m Erdbeben<br />
und nicht in <strong>de</strong>m Feuer, wiewohl Er Sich so kundgeben konnte. Elia erfuhr, daß es etwas<br />
Tieferes, Heiligeres und Persönlicheres gibt, daß das leichte Säuseln Gottes größer ist <strong>als</strong><br />
alle äußeren Kundgebungen, und diese Erfahrung hatte er sehr nötig, weil das machtvolle<br />
Einschreiten Jehovas auf <strong>de</strong>m Karmel seinen Blick auf Kosten <strong>de</strong>r persönlichen Verbindung<br />
mit Gott so gefesselt hatte, daß ihm die nachfolgen<strong>de</strong> Entwicklung zur Enttäuschung<br />
gereichte.<br />
Diese Verbindung zu erneuern, war das Ziel <strong>de</strong>r anziehen<strong>de</strong>n Bemühungen <strong>de</strong>s Engels unter<br />
<strong>de</strong>m Ginsterstrauch; <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r 40-tägigen Reise zum Horeb aber bestand darin, die<br />
Regungen <strong>de</strong>r Seele bloßzulegen, und <strong>de</strong>m Propheten dort, fern von <strong>de</strong>n Menschen, eine so<br />
gesegnete Belehrung durch Gott Selbst nahe zu bringen. Es stand ihm wohl an, daß er sein<br />
Angesicht mit seinem Mantel verhüllte und schweigend zuhörte. Auch auf die wie<strong>de</strong>rholte<br />
Frage: „Was tust du hier“? hatte er keine befriedigen<strong>de</strong> Antwort, und so bekommt er <strong>de</strong>n<br />
Befehl: „Gehe, kehre zurück’! Es ging darum, die Ratschlüsse Jehovas auszuführen, und Elia<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 150
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
wur<strong>de</strong> mit dieser Aufgabe betraut: <strong>de</strong>r gottlose König sollte abgesetzt und in Israel sollte das<br />
Schwert gezogen wer<strong>de</strong>n. Was aber das Zeugnis anlangte, so war Elia nicht wie er meinte,<br />
„allein übriggeblieben“, son<strong>de</strong>rn Gott hatte sich einen treuen Überrest von siebentausend<br />
übriggelassen, alle die Knie, die sich nicht vor <strong>de</strong>m Baal gebeugt hatten. Wie beschämend<br />
mußte <strong>de</strong>m Elia seine Fehlschätzung und wie <strong>de</strong>mütigend die Auffor<strong>de</strong>rung für ihn sein,<br />
einen an<strong>de</strong>ren zum Propheten an seiner Statt zu salben. Sie zeigt ihm, daß, wie be<strong>de</strong>utend<br />
sein Dienst auch gewesen sein mochte, Gott nicht auf ihn angewiesen war. Obwohl sich<br />
sein irdisches Zeugnis damit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> zuneigen sollte, hatte Gott <strong>de</strong>nnoch eine einzigartige<br />
Segnung für Seinen Diener bereit, die ihm jedoch, – soweit erkennbar –, hier noch nicht<br />
geoffenbart wur<strong>de</strong>. Welche wun<strong>de</strong>rbare Erziehung war Elia zuteil gewor<strong>de</strong>n! Wie an<strong>de</strong>rs<br />
muß sein Bild von <strong>de</strong>r Vorstellung Gottes über sich selbst und die Menschen gewesen sein,<br />
<strong>als</strong> er <strong>de</strong>n Heiligen Berg verließ! Er war <strong>de</strong>mütig gewor<strong>de</strong>n, wahrhaft für Gott eingenommen<br />
und im Innern seiner Seele mit Ihm verbun<strong>de</strong>n, und er schätzte an<strong>de</strong>re höher <strong>als</strong> sich selbst.<br />
Die Erstlingsfrüchte dieser Belehrung auf <strong>de</strong>m Horeb zeigen sich schon in seiner ersten Tat,<br />
<strong>de</strong>r Berufung Elisas; es scheint, daß er diesen mit <strong>de</strong>r Salbung sowohl Hasaels <strong>als</strong> auch Jehus<br />
betraute (2. Kön 8 + 9). Aber auch sein ganzer späterer Weg beweist, welchen Nutzen er aus<br />
<strong>de</strong>r Belehrung gezogen hatte (Kap 21, 17ff). Als er Ahab im Weinberg Naboths begegnet,<br />
klagt er ihn furchtlos an und verkündigt das Gericht Gottes über ihn und Isebel. Gott tut<br />
durch ihn kund, wie betrübend es in Seinen Augen ist, wenn jemand – und vor allem ein<br />
Hochgestellter –, einen Angehörigen Seines Volkes <strong>de</strong>s ihm von Gott zuerkannten Erbteils<br />
beraubt, und wie solch eine Tat ein sehr ernstes Gericht nach sich zieht; das ist ein schöner<br />
Dienst für <strong>de</strong>n Mann, <strong>de</strong>r durch Erziehung die Gefühle Gottes für Sein Volk kennengelernt<br />
hat.<br />
Elia fürchtet sich nicht, <strong>de</strong>r Verkün<strong>de</strong>r dieser „Magna charta“, dieses Freiheitsbriefes zu<br />
sein, wodurch Gott zeigt, daß Er es nicht dul<strong>de</strong>t, wenn eines <strong>de</strong>r Seinen Seiner Gabe<br />
beraubt wird, und daß Er über <strong>de</strong>n Räuber ein schnelles und schreckliches Gericht verhängt.<br />
Dieser Grundsatz kommt auch in an<strong>de</strong>ren Zusammenhängen zum Ausdruck. „Wenn jemand<br />
<strong>de</strong>n Tempel Gottes verdirbt, <strong>de</strong>n wird Gott ver<strong>de</strong>rben“. – „Ich wollte, daß sie sich auch<br />
abschnitten, die euch aufwiegeln“! – Wehe jenem Menschen, durch <strong>de</strong>n das Ärgernis<br />
kommt“! Der Ausspruch Gottes durch Elia erreicht das Gewissen <strong>de</strong>s Königs. Ahab <strong>de</strong>mütigt<br />
sich, und Gott in Seiner nie ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gna<strong>de</strong> teilt Seinem Diener mit, daß Er <strong>de</strong>n Vollzug<br />
<strong>de</strong>s über <strong>de</strong>n König ausgesprochenen Urteils aufschieben wer<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> Jona, <strong>de</strong>r nicht<br />
zu gleicher Reife gelangt, aufbegehrt hatte, weil die Güte Gottes seine eigenen Vorhersagen<br />
durchkreuzte, ist Elia zufrie<strong>de</strong>n und stimmt völlig mit <strong>de</strong>n Gedanken Gottes überein. Wer<br />
selbst die Gna<strong>de</strong> kennengelernt hat, kann die Wege <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> mit an<strong>de</strong>ren verstehen.<br />
Der letzte Akt seines öffentlichen Zeugnisses (2. Kön 1) ist <strong>de</strong>r Ta<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Propheten an <strong>de</strong>n<br />
König von Israel, weil dieser – <strong>als</strong> ob kein Gott in Israel wäre – zu Baal-Sebub gesandt hatte,<br />
um zu erfahren, ob er von seiner Krankheit genesen wür<strong>de</strong>. Der Abfall war so furchtbar<br />
und vollständig gewor<strong>de</strong>n, daß die Existenz Jehovas völlig übersehen wird. Elia verkündigt<br />
inmitten dieses Zustan<strong>de</strong>s, daß <strong>de</strong>r Tod die Wahrheit und die Existenz Gottes rechtfertigen<br />
muß, wenn <strong>de</strong>r Unglaube keinen Beweis anerkennt und gelten läßt. „Von <strong>de</strong>m Bette, das du<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 151
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
bestiegen hast, sollst du nicht herabkommen, son<strong>de</strong>rn du wirst gewißlich sterben“. Wenn<br />
wir nicht glauben, daß Gott ist, bleibt nur <strong>de</strong>r Tod.<br />
Es ist die Sendung Elias, diese tiefernste Wahrheit zu verkün<strong>de</strong>n. Er tat es, zog sich sodann<br />
von <strong>de</strong>m schuldbela<strong>de</strong>nen Schauplatz zurück und weilte auf <strong>de</strong>m Gipfel eines Berges<br />
unangreifbar und in <strong>de</strong>r bewußten Kraft sittlicher Abson<strong>de</strong>rung und Erhabenheit. Ist das<br />
<strong>de</strong>rselbe Mann, <strong>de</strong>r um seines Lebens willen in die Wüste geflohen war? Oberste und ihre<br />
Scharen fürchtet er jetzt nicht. Das Feuer Gottes – es war nicht die Stimme Gottes, wie er<br />
auf <strong>de</strong>m Horeb erkannt hatte – steht ihm jetzt zur Verfügung; er kann damit seine Fein<strong>de</strong><br />
vernichten. Zweimal bestätigt Gott auf so wun<strong>de</strong>rbare Weise die Autorität Seines Dieners<br />
und sagt ihm dann, er solle hinabsteigen und seine Sendung erfüllen. Elia gehorcht. Am Hofe<br />
<strong>de</strong>s Königs schien sein Leben wohl in <strong>de</strong>r Hand seiner Gegner zu stehen, aber im <strong>de</strong>r Macht<br />
Gottes war er dort ebenso unangreifbar wie auf <strong>de</strong>m Gipfel <strong>de</strong>s Berges. Unerschrocken<br />
wie<strong>de</strong>rholt er <strong>de</strong>shalb Gottes ernstes Urteil im Beisein <strong>de</strong>s Königs und rechtfertigt so Gottes<br />
Namen im Zentrum <strong>de</strong>r Macht und Bosheit <strong>de</strong>s Abfalls. Wie würdig schloß dieser Ausklang<br />
seine gesegnete und ruhmvolle Laufbahn, sein öffentliches Wirken ab. Wahrhaftig, dieser<br />
Mann und sein Werk erfüllen uns mit Bewun<strong>de</strong>rung; sie überwältigen das Herz, unseren<br />
Gott zu preisen: „Wie vollkommen bereitest Du Deine Diener zu Deiner Verherrlichung<br />
und zur Erkenntnis und Verwirklichung Deiner Absichten zu“!<br />
Elias öffentliches Auftreten ist been<strong>de</strong>t. Der Abschluß seiner persönlichen Geschichte auf<br />
Er<strong>de</strong>n aber ist mit einer Fülle von Herrlichkeit verbun<strong>de</strong>n, die alle Darreichungen weit<br />
übertrifft. Jehova hatte sich vorgesetzt, ihn nun auf eine einzigartige Weise zu Sich in <strong>de</strong>n<br />
Himmel zu holen. Er wollte ihn – wie Henoch – entrücken „damit er <strong>de</strong>n Tod nicht sehen<br />
sollte“. Ohne Zweifel wußte er, was Gott mit ihm vorhatte, und es ist sehr be<strong>de</strong>utungsvoll<br />
und auf gesegnete Weise belehrend, wie er im Blick auf seinen Weggang von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> und<br />
insbeson<strong>de</strong>re auf die Art dieses Weggangs die letzten Stun<strong>de</strong>n auf Er<strong>de</strong>n verbrachte. In<br />
diesen letzten Stun<strong>de</strong>n bemüht er sich, eine persönliche Verbindung zu all <strong>de</strong>n Orten in<br />
Israel zu knüpfen, die auf beson<strong>de</strong>re Weise an die Wege Gottes mit Seinem Volke erinnerten.<br />
In Gilgal war die Schan<strong>de</strong> Ägyptens abgewälzt wor<strong>de</strong>n; in Bethel hatte Jakob jene Leiter<br />
gesehen, die an <strong>de</strong>n Himmel reichte! In Jericho hatte die Gna<strong>de</strong> Gottes allen Wi<strong>de</strong>rstand<br />
und alle Bosheit <strong>de</strong>r Menschen überwun<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r Jordan aber – hier trat Elia ab, sicherlich<br />
nicht ohne sich beim Durchschreiten <strong>de</strong>s Flusses an Israels herrlichen Einzug in das Land<br />
zu erinnern – sprach vom To<strong>de</strong>, vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen im Fleische.<br />
Vor ihm lag nun die Aussicht, <strong>de</strong>m Schauplatz <strong>de</strong>s Abfalles, wo man die Gna<strong>de</strong> verachtet<br />
hatte, entrückt zu wer<strong>de</strong>n in Herrlichkeit. Aber Elias Herz ist – gleich <strong>de</strong>m seines großen<br />
Gegenbil<strong>de</strong>s – doch noch ganz für die Interessen Seines Gottes auf Er<strong>de</strong>n da. Er mußte zu<br />
diesem Zweck viele Meilen wan<strong>de</strong>rn; aber er scheute keine persönliche Anstrengung und<br />
ließ sich selbst von <strong>de</strong>r Tatsache, daß sein Teil ein so herrliches sein sollte, nicht abziehen,<br />
wenn es sich um die Belange <strong>de</strong>s irdischen Zeugnisses und um die Verherrlichung <strong>de</strong>s Herrn<br />
han<strong>de</strong>lte, für <strong>de</strong>n er vielfältig und treu gezeugt hatte. So erreichte er schließlich <strong>de</strong>n Ort, wo<br />
im Vorbild die Wasser <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s über <strong>de</strong>n alten Menschen in seiner ver<strong>de</strong>rbten, gefallenen<br />
Natur zusammengeschlagen waren; aber ihn erwartete hier <strong>de</strong>r feurige Wagen, welcher<br />
ihn in die Herrlichkeit bringen sollte. In dieser Herrlichkeit ist er später zu vertrautem<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elia<br />
Gespräch mit seinem Herrn auf <strong>de</strong>m heiligen Berg erschienen, und in ihr wird er wie<strong>de</strong>r<br />
erscheinen, wenn <strong>de</strong>r Herr zur Befreiung <strong>de</strong>s treuen Überrestes kommen wird, <strong>de</strong>r in<br />
sittlicher Beziehung jenen siebentausend Übriggelassenen gleicht, von <strong>de</strong>ren Existenz Elia<br />
an <strong>de</strong>n Tagen seiner Mutlosigkeit erfuhr – Er, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Reinigung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s von allen<br />
Befleckungen mit Seinen Erlösten die Freu<strong>de</strong> Seines Königreiches genießen wird.<br />
Welch ein Weg war <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>s Elia! – umsäumt von Prüfungen und To<strong>de</strong>skämpfen, aber<br />
voller Belehrung aus <strong>de</strong>m Herzen Dessen, Dem zu dienen seine Freu<strong>de</strong> und Herrlichkeit<br />
war – ein Weg, <strong>de</strong>r mit Gebet im Verborgenen und mit Harren auf <strong>de</strong>n lebendigen Gott<br />
betreten wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r mit einem einzigartigen Triumph en<strong>de</strong>te; ein Wagen von Feuer<br />
führte <strong>de</strong>n Propheten empor zu seinem Gott.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
Elisa<br />
Die erste Erwähnung <strong>de</strong>s Elisa geschieht durch Jehova Selbst, <strong>als</strong> Er Elia wegen <strong>de</strong>ssen<br />
Verzagtheit und Selbstüberhebung, – er urteilte, daß alle versagt hätten und er <strong>de</strong>r einzige<br />
Zeuge Gottes auf Er<strong>de</strong>n sei –, ta<strong>de</strong>lte und ihn anwies, Elisa, <strong>de</strong>n Sohn Saphats, an seiner<br />
Statt zu salben (1.Kön 19,16). Da Elia wegen seiner Mutlosigkeit beiseitegesetzt wur<strong>de</strong>, war<br />
anzunehmen, daß <strong>de</strong>r an seiner Statt gesalbte Prophet ein nach Charakter und Absichten<br />
ganz an<strong>de</strong>rs gearteter Mann, nämlich eine kühne und ausdauern<strong>de</strong> Natur sein wür<strong>de</strong>. Auch<br />
seine irdische Beschäftigung <strong>de</strong>utet dies an und weist – wie oftm<strong>als</strong> in <strong>de</strong>r Schrift – auf<br />
seinen zukünftigen Dienst und die Art seines Weges hin. Elia fin<strong>de</strong>t ihn, <strong>als</strong> er „gera<strong>de</strong><br />
pflügte mit 12 Joch Rin<strong>de</strong>rn vor sich her, und er war bei <strong>de</strong>m zwölften“; er erweist sich damit<br />
<strong>als</strong> ein tatkräftiger, ausdauern<strong>de</strong>r Landmann. Elia wirft im Vorübergehen Seinen Mantel<br />
auf ihn und gibt ihm dadurch wohl zu verstehen, daß er mit <strong>de</strong>m Mantel auch Berufung<br />
und Auftrag <strong>de</strong>s Trägers übernehmen soll. So begreift es Elisa auch, bittet jedoch – in<strong>de</strong>m<br />
er vorerst noch seiner natürlichen Zuneigung nachgibt –, um die Erlaubnis, zurückkehren<br />
und Vater und Mutter küssen zu dürfen. Die Erwi<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Propheten ist geeignet, ihm<br />
seine eigene Verantwortung bewußt zu machen. „Geh, kehre zurück! <strong>de</strong>nn was habe ich dir<br />
getan?“ Es war seine Sache, das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Elia mit ihm richtig zu beurteilen.<br />
Daß damit ein göttlicher Ruf an ihn erging, sagte ihm sein geistliches Gefühl. Er gehorchte<br />
wohl nicht unverzüglich, han<strong>de</strong>lte aber <strong>de</strong>nnoch einsichtig. Er kehrte nur nach Hause<br />
zurück, um die natürlichen Bindungen in feierlicher Weise zu lösen. Er „nahm das Joch<br />
Rin<strong>de</strong>r und schlachtete es, und mit <strong>de</strong>m Geschirr <strong>de</strong>r Rin<strong>de</strong>r kochte er das Fleisch <strong>de</strong>rselben<br />
und gab es <strong>de</strong>n Leuten, und sie aßen.“ Er verfügte über das was ihm gehörte, zum Wohle<br />
an<strong>de</strong>rer und bezeugte damit zugleich seine Bereitschaft, sich Jehova zu übergeben. In<br />
gewisser Hinsicht verkaufte er, was er hatte, und gab es <strong>de</strong>n Armen; dann aber machte er<br />
„sich auf und folgte Elia nach und diente ihm“. Die erste Antwort eines Menschen auf <strong>de</strong>n<br />
Ruf Gottes ist sehr bezeichnend für die Art und <strong>de</strong>n Charakter <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Weges; wie<br />
sehr dies für Elisa gilt, wer<strong>de</strong>n wir noch sehen. Obwohl er zu Anfang ein wenig zau<strong>de</strong>rt,<br />
folgt er Elia schließlich nach, und zwar nicht müssend o<strong>de</strong>r gezwungenermaßen, son<strong>de</strong>rn<br />
mit aufrichtig gutem Willen und betritt so eine Bahn, auf <strong>de</strong>r er ein Diener und Zeuge <strong>de</strong>r<br />
bemerkenswertesten Wege und Werke Gottes wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Nach <strong>de</strong>m Worte Jehovas sollte er Prophet an Elias Statt sein; d. h. er sollte <strong>de</strong>ssen Dienst<br />
ergänzen, so daß bei<strong>de</strong>r Wirken eine Einheit bil<strong>de</strong>ten. Deshalb hören wir erst wie<strong>de</strong>r von<br />
ihm, <strong>als</strong> Elia im Begriff steht, die Er<strong>de</strong> zu verlassen. Er ist nun Begleiter <strong>de</strong>s Elia und<br />
Zeuge von <strong>de</strong>ssen Entrückung. An diesem Tage – <strong>de</strong>m letzten <strong>de</strong>s Elia, <strong>de</strong>m ersten im<br />
Dienste <strong>de</strong>s Elisa; <strong>de</strong>nn an diesem Tage wird er in sein Amt eingesetzt –, empfängt er eine<br />
be<strong>de</strong>utungsvolle Unterweisung. Die Söhne <strong>de</strong>r Propheten sagen ihm einstimmig, dass dies<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 154
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
<strong>de</strong>r letzte Tag seines Herrn ist, und während er diesen ganzen letzten Tag gemeinsam mit<br />
Elia wan<strong>de</strong>lt, wird er über <strong>de</strong>n Eifer und die Pflichten eines Dieners Gottes belehrt und<br />
erfährt zugleich, auf welche herrliche Weise Gott Seinen Diener aus <strong>de</strong>m Bereich seiner<br />
Tätigkeit wegnimmt.<br />
Dann begann seine Laufbahn. Wenn er von Natur aus stark und für schwere und geduldige<br />
Arbeit geeignet war, so vermittelte ihm das Erlebnis <strong>de</strong>r Entrückung <strong>de</strong>s Elia eine so große<br />
geistige Kraft und eine so lebendige Anschauung von <strong>de</strong>n Wegen und <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes,<br />
daß er während seiner ganzen Laufbahn hiervon zehren konnte. Seine Vorstellung von<br />
Gott wur<strong>de</strong> hier geformt, und sein Dienst durch die Mitteilungen und Ermahnungen bei<br />
seiner Einsetzung maßgeblich geför<strong>de</strong>rt. Elisa konnte nie vergessen, daß die Macht, die er<br />
empfangen hatte, Folge jener Einheit <strong>de</strong>s Geistes mit Elia war, <strong>de</strong>ssen Entrückung er mit<br />
gespannter Aufmerksamkeit verfolgt hatte; <strong>de</strong>nn auf seine Bitte um ein zweifaches Teil<br />
von seinem Geiste hatte Elia geantwortet: „Wenn du mich sehen wirst, wann ich von dir<br />
genommen wer<strong>de</strong>, so soll dir <strong>als</strong>o geschehen; wenn aber nicht, so wird es nicht geschehen!“<br />
„Und Elisa sah es!“ Hier liegt die Quelle all seiner späteren Kraft. Die Söhne <strong>de</strong>r Propheten<br />
bezeugen es: „Der Geist <strong>de</strong>s Elia ruht auf Elisa¡Sicher hat ihm <strong>de</strong>r Geist Gottes diesen<br />
eindrucksvollen Beginn immer wie<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>n Blick gestellt, wie sich auch Paulus oft daran<br />
erinnerte, wie er auf seinem Wege nach Damaskus von <strong>de</strong>r „Herrlichkeit jenes Lichtes“<br />
zu Bo<strong>de</strong>n geworfen wor<strong>de</strong>n war. Ohne Zweifel <strong>de</strong>uten die Morgendämmerung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
Gottes in unseren Seelen und ihre Wirkungen auf uns die Züge an, die uns in <strong>de</strong>r Folge<br />
kennzeichnen wer<strong>de</strong>n; die Weise, in <strong>de</strong>r das Evangelium <strong>de</strong>m Menschen vorgestellt und<br />
von ihm aufgenommen wird, läßt <strong>de</strong>n Charakter seines Weges ahnen.<br />
Die erste Prüfung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r sich Elisa am Beginn seiner Laufbahn unterziehen muß,<br />
ist <strong>de</strong>r Jordan, das Bild <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s an sich. Es han<strong>de</strong>lt sich hier nicht um die Macht, son<strong>de</strong>rn<br />
um das Wesen <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s <strong>als</strong> <strong>de</strong>r letzten Schranke zwischen <strong>de</strong>r Wüste und Kanaan. Diese<br />
Probe war für einen Mann wie Elisa in beson<strong>de</strong>rer Weise geeignet, ihn schon zu Anfang<br />
mit <strong>de</strong>r Kraft bekanntzumachen, die ihn in das Erbe Gottes einführt, wozu <strong>de</strong>r Jordan das<br />
Eingangstor ist. Nur wer <strong>de</strong>n Jordan überquert, ist im Lan<strong>de</strong> und erfährt, wie Gott ihn dort<br />
erhalten und alle seine Fein<strong>de</strong> vor ihm vertreiben wird. Elia hatte <strong>de</strong>n Jordan durchschritten,<br />
um das Land zu verlassen und damit gegen <strong>de</strong>ssen Bosheit zu zeugen, während ihm <strong>de</strong>r<br />
Himmel <strong>als</strong> sein persönliches Teil geöffnet war. Elisa hingegen durchschreitet ihn, um das<br />
Land wie<strong>de</strong>r in Gna<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Geistes Gottes zu betreten, <strong>de</strong>r je<strong>de</strong> Schwierigkeit<br />
zu überwin<strong>de</strong>n vermag.<br />
Die Erfahrungen <strong>de</strong>s Elisa sind vorbildlich; auch auf die Kirche kam <strong>de</strong>r Geist infolge<br />
ihrer Vereinigung mit ihrem aufgefahrenen Herrn in zweifacher Macht. Sie sind aber auch<br />
gesegnet. Seine Augen hatten die Macht und die Herrlichkeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes bei <strong>de</strong>r<br />
Aufnahme Seines Dieners verfolgt, und nun ist er Zeuge <strong>de</strong>rselben Macht auf Er<strong>de</strong>n, <strong>als</strong><br />
die Wasser <strong>de</strong>s Jordan sich vor ihm teilen, damit er <strong>de</strong>n ihm verordneten Dienst beginnen<br />
kann; zugleich aber erfährt er, daß Gott alle Schranken vor ihm nie<strong>de</strong>rschlagen wer<strong>de</strong>.<br />
Gleich Stephanus hatte er gesehen, wie Gott <strong>de</strong>n Menschen zu Seiner eigenen Herrlichkeit<br />
emporhob, und wie jener beweist er, daß ihm die Macht Gottes Sieg über <strong>de</strong>n Tod verleiht.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
Elisas erster Arbeitsbereich im Lan<strong>de</strong> ist Jericho, und <strong>de</strong>r erste Wi<strong>de</strong>rstand, <strong>de</strong>r ihm begegnet,<br />
kommt von solchen, die ihrer Berufung gemäß seine Mitarbeiter hätten sein sollen. Obwohl<br />
die Söhne <strong>de</strong>r Propheten die Macht, die die Wasser <strong>de</strong>s Jordan gespalten hatte, gesehen und<br />
anerkannt haben, weigern sie sich, an die Entrückung Elias zu glauben, und verharren –<br />
wie ihre Fragen beweisen –, im Unglauben, bis Elisa ihrem Verlangen nachgibt, um sie<br />
von ihrer Torheit zu überführen; <strong>de</strong>nn wenn <strong>de</strong>r Mensch nicht auf die Warnungen <strong>de</strong>s<br />
Geistes achtet, muß er aus seinen eigenen Fehlern lernen. An<strong>de</strong>rerseits erkennt Elisa aus<br />
ihrem Verhalten, daß er von <strong>de</strong>n Söhnen <strong>de</strong>r Propheten, <strong>de</strong>n zu jener Zeit verordneten<br />
Dienern, keine Hilfe o<strong>de</strong>r Mitarbeit erwarten kann, daß er vielmehr bereit sein muß, ihrer<br />
Unwissenheit und ihrem mangeln<strong>de</strong>n Verständnis <strong>de</strong>s Willens Gottes zu begegnen. Das<br />
ist eine sehr notwendige Ent<strong>de</strong>ckung für <strong>de</strong>n Diener Gottes in bösen Tagen, und in einer<br />
solchen Zeit <strong>de</strong>s Verfalls war Elisa berufen zu dienen.<br />
Auf <strong>de</strong>n Jordan folgt Jericho. Nach<strong>de</strong>m Elisa die Gna<strong>de</strong> Gottes in ihrer ganzen Tiefe –<br />
ihren herrlichen Segen in <strong>de</strong>r Entrückung <strong>de</strong>s Elias in <strong>de</strong>n Himmel und ihre Macht auf<br />
Er<strong>de</strong>n, <strong>als</strong> sie ihm <strong>de</strong>n Weg durch <strong>de</strong>n Jordan bahnte, – überschaut hat, muß er – gleich<br />
Saulus von Tarsus – ihr Diener an einem von Gott am weitesten entfernten Ort im Lan<strong>de</strong><br />
Israel wer<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>s Fluches. Die Männer <strong>de</strong>r Stadt beschreiben mit diesem Ort<br />
sinnbildlich <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r ganzen Welt: „Die Lage <strong>de</strong>r Stadt ist gut, wie mein Herr sieht,<br />
aber das Wasser ist schlecht, und das Land ist unfruchtbar“. Welch ein treffen<strong>de</strong>s Bild! Schön<br />
anzusehen, aber unfruchtbar in bezug auf das, was allein die Bedürfnisse <strong>de</strong>r Menschen<br />
befriedigen kann. Doch Elisa vermag <strong>de</strong>r Not abzuhelfen. Es ist ein erhabener Augenblick<br />
voll großer Erquickung für seine Seele, <strong>als</strong> er <strong>als</strong> Werkzeug <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes das Wort<br />
Jehovas aussprechen darf: „Ich habe dieses Wasser gesund gemacht“. Nach<strong>de</strong>m er Salz aus<br />
einer neuen Schale hineingeworfen hatte, wur<strong>de</strong> es „gesund bis auf diesen Tag“.<br />
Dieser Dienst, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Elisa zur Befestigung in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> gereichen mußte, die er bediente,<br />
wur<strong>de</strong> durch eine sehr einfache, aber wirksame Erziehung zu Wege gebracht. Wer an sich<br />
selbst die Gna<strong>de</strong> und Macht Jehovas droben im Himmel und hier auf Er<strong>de</strong>n erfahren hat,<br />
weiß, wie er auf einem sittlich so abgelegenen Schauplatz wie Jericho für Ihn zu han<strong>de</strong>ln<br />
hat – dieses Wissen kennzeichnete auch unseren Herrn während Seines ganzen Wirkens<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>. Aber wenn Elisa <strong>de</strong>r Diener <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> war, so mußte er auch erfahren, was<br />
es heißt, verworfen zu wer<strong>de</strong>n, und das an einem Ort, <strong>de</strong>r durch die Gunst Gottes und<br />
die Offenbarung Seiner Güte ganz beson<strong>de</strong>rs ausgezeichnet war. Von Bethel, <strong>de</strong>m Hause<br />
Gottes, kommen kleine Knaben, die die Himmelfahrt <strong>de</strong>s Elias verspotten und Elisa zurufen:<br />
„Komm herauf Kahlkopf“! (Der englische Text stimmt mit <strong>de</strong>r Anmerkung zu 2. Könige 2,23<br />
überein: „Steige hinauf, Kahlkopf! Steige hinauf, Kahlkopf!“.) Aber die Wahrheit Gottes muß<br />
gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n, und, obwohl Elisa Diener <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> ist, muß er die verurteilen, die<br />
ihr wi<strong>de</strong>rsprechen, auch wenn es nur Knaben sind. „Und er wandte sich um und sah sie an<br />
und fluchte ihnen im Namen Jehovas. Da kamen zwei Bären aus <strong>de</strong>m Wal<strong>de</strong> und zerrissen<br />
von ihnen 42 Kin<strong>de</strong>r.“ So lernt <strong>de</strong>r Prophet in Jericho und Bethel zwei sehr unterschiedliche<br />
Lektionen. Dort ist es die Gna<strong>de</strong> Gottes, die <strong>de</strong>m Bedürfnis <strong>de</strong>r Menschen begegnet, hier<br />
<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch <strong>de</strong>s Menschen und das darauf folgen<strong>de</strong> schreckliche Gericht an <strong>de</strong>m Ort,<br />
wo Gott Seine größte Gunst erzeigt hatte.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 156
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
Elisa zieht sich nun vorübergehend in die Einsamkeit <strong>de</strong>s Berges Karmel zurück, um im<br />
Anschluß daran seinen Wirkungskreis, Samaria, erneut aufzusuchen und die Sendung<br />
<strong>de</strong>s Elias zu vollen<strong>de</strong>n. Wir müssen uns hierbei erinnern, daß Elisa, im Gegensatz zu Elia,<br />
seinen Dienst bei <strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>r Macht Gottes, <strong>als</strong> sich <strong>de</strong>r Himmel zur Aufnahme<br />
<strong>de</strong>s Menschen öffnete, aufgenommen hat, weil daraus zu schließen ist, daß uns mit seiner<br />
Geschichte gezeigt wer<strong>de</strong>n soll, wie Jehova einen Menschen führt und verwen<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r von<br />
droben kommt, im übertragenen Sinn <strong>als</strong>o nicht von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ist.<br />
In Samaria wird ihm <strong>de</strong>r politische und sittliche Zustand von ganz Israel eröffnet (Kap 3).<br />
Moab ist abgefallen, und <strong>de</strong>r .König von Juda befin<strong>de</strong>t sich in unheiliger Verbindung mit<br />
<strong>de</strong>n Königen von Israel und Edom; alle drei drohen zu Grun<strong>de</strong> zu gehen, nicht durch die<br />
Macht <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s, son<strong>de</strong>rn aus Mangel an Wasser. In welch einer Lage und Gesellschaft<br />
befin<strong>de</strong>t sich Josaphat, <strong>de</strong>r Gesalbte Jehovas, ein wahrhaft frommer Mann! Er stellt in<br />
diesem kritischen Augenblick die Frage <strong>de</strong>s Menschen, <strong>de</strong>r Jehova kennt, sich aber von Ihm<br />
entfernt hat: „Ist hier kein Prophet Jehovas . . . ?“ Diese Frage ruft Elisa auf <strong>de</strong>n Plan. Er hat<br />
erkannt, wie wichtig dieser Augenblick für das Zeugnis Gottes, das ihm anvertraut war,<br />
aber auch für seine persönliche Belehrung, ist. Inmitten <strong>de</strong>s sittlichen Verfalls prangert<br />
er, wie unser Herr in späteren Zeiten, <strong>de</strong>n Abfall Israels an, verbin<strong>de</strong>t sich zugleich mit<br />
<strong>de</strong>m kleinen Überrest, <strong>de</strong>r Gott geblieben war. „Was haben wir miteinan<strong>de</strong>r zu schaffen“?<br />
fragt er <strong>de</strong>n König von Israel, „wenn ich nicht auf die Person Josaphats, <strong>de</strong>s Königs von<br />
Juda, Rücksicht nähme, so wür<strong>de</strong> ich dich nicht anblicken, noch dich ansehen“! Elisa sieht<br />
wohl das Elend in Israel, erkennt auch die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Überrestes; die Einsicht in die<br />
Gedanken Gottes zur Lage <strong>de</strong>r Dinge bleibt ihm aber vorerst versagt. Er muß warten und<br />
nach einem Saitenspieler schicken. „Und es geschah, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Saitenspieler spielte, da kam<br />
die Hand Jehovas über ihn.“ Seine Gedanken mußten erst von <strong>de</strong>r Verwirrung und <strong>de</strong>r<br />
Verzweiflung um ihn her abgelenkt und auf eine geistliche Schau abgestimmt wer<strong>de</strong>n, ehe<br />
sie Jehova gebrauchen konnte. Sein Dienst war von oben; und er war <strong>de</strong>shalb in Gefahr vom<br />
Strom <strong>de</strong>r irdischen Entwicklungen überwältigt zu wer<strong>de</strong>n. Davon mußte er abgezogen und<br />
zu <strong>de</strong>r Freiheit geleitet wer<strong>de</strong>n, die Voraussetzung für die Erkenntnis <strong>de</strong>r Gedanken und<br />
Absichten Gottes ist. Hierzu diente ihm die Musik. Sie bewirkte jenen ruhigen, unbeirrbaren<br />
Geisteszustand in ihm, <strong>de</strong>r ihn zum Verständnis und zur Aufnahme <strong>de</strong>r Gedanken Gottes<br />
über das Geschehen um ihn her befähigte. Wer wissen möchte, was von droben ist, muß<br />
ruhig wer<strong>de</strong>n und sich über die Umstän<strong>de</strong> erheben, sonst wird er <strong>de</strong>n Ratschluß und die<br />
Gedanken Gottes nicht erkennen, <strong>als</strong>o auch nicht gottgemäß han<strong>de</strong>ln können.<br />
Elisa hatte inmitten <strong>de</strong>s Abfalls in einer mehr verborgenen Weise gedient. Nun kommt<br />
er mit <strong>de</strong>m Verfall und <strong>de</strong>r Not Israels in Berührung, und lernt hierbei still zu wer<strong>de</strong>n,<br />
ehe er das bemerkenswerte Eingreifen Gottes für Sein Volk ankündigt. Es ist ein großer<br />
Augenblick, wenn <strong>de</strong>r Mensch im Stillesein die Rettung Jehovas sehen darf. Mit <strong>de</strong>r<br />
herrlichen Offenbarung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes hatte sein Dienst begonnen; er hatte <strong>als</strong>o zunächst<br />
gesehen, was Gott ist. jetzt lernt er das Volk <strong>de</strong>s Gottes <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> und Herrlichkeit kennen,<br />
erfährt, wie groß <strong>de</strong>r Verfall und die Bedrängnis dieses abtrünnigen und ungläubigen Volkes<br />
sind, und sieht, wie Gott je<strong>de</strong>r einzelnen Not begegnet. Diese Übungen gereichen ihm zum<br />
persönlichen Wachstum in <strong>de</strong>r Erkenntnis <strong>de</strong>r Macht und <strong>de</strong>r Hilfsquellen Gottes.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
Zeugnis von <strong>de</strong>m Verfall in Israel gibt <strong>de</strong>r Schrei jenes Weibes von <strong>de</strong>n Weibern <strong>de</strong>r Söhne<br />
<strong>de</strong>r Propheten: „Dein Knecht, mein Mann, ist gestorben, und du weißt ja, daß <strong>de</strong>in Knecht<br />
Jehova fürchtete; und <strong>de</strong>r Schuldherr ist gekommen, um sich meine bei<strong>de</strong>n Knaben zu<br />
Knechten zu nehmen.“ Bemerkenswert hieran ist nicht so sehr die Art <strong>de</strong>r Notlage, <strong>als</strong><br />
vielmehr die Tatsache, daß die Witwe eines <strong>de</strong>r Propheten Jehovas in Seinem eigenen<br />
Land überhaupt in eine solche Zwangslage geraten konnte. Daß hier nicht rechtzeitig<br />
Abhilfe geschaffen wur<strong>de</strong>, zeigt wie vollständig das Volk die Fürsorge Gottes vergessen und<br />
mißachtet haben muß.<br />
Elisa, <strong>als</strong> Zeuge dieses Elends, zeigt sich zunächst ganz unvorbereitet für einen solchen<br />
Fall. Anscheinend fassungslos fragt er: „Was soll ich für dich tun“? Niem<strong>als</strong> zuvor hatte er<br />
solches Elend erlebt; wie sollte er ihm begegnen? Er sollte in „erster Linie lernen, auf Gott<br />
zu vertrauen, um in diesem Vertrauen das rechte Verständnis dafür zu erlangen, was zu<br />
tun sei. Der erste Schritt <strong>de</strong>s einfältig auf Gott vertrauen<strong>de</strong>n Herzens in dieser Richtung<br />
ist die Feststellung, was Gott dargereicht hat. Diesen Schritt tut Elisa. Sage mir, was du im<br />
Hause hast.“ Als er hört, daß die Witwe einen Krug Öl besitzt, weist er sie an, von ihren<br />
Nachbarn leere Gefäße – nur diese wür<strong>de</strong> sie ihnen schul<strong>de</strong>n – zu erbitten, <strong>de</strong>nn Gott war<br />
im Begriff, alte Gefäße zu füllen, die sie aufzutreiben vermochte. Elisa wird das Vorrecht<br />
<strong>de</strong>r Erkenntnis zuteil, daß die Gabe in Fülle nicht nur ausreichen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Schuldherrn<br />
zufrie<strong>de</strong>nzustellen, son<strong>de</strong>rn auch die Witwe und ihre Söhne zu versorgen. So großzügig<br />
und freigebig ist die Gna<strong>de</strong>, die Gott erweist; wie anziehend und belebend muß sie sich auf<br />
<strong>de</strong>n auswirken, <strong>de</strong>r sie bezeugt und in Seinem Dienste erlebt.<br />
Aber Elisa sollte nicht nur Zeuge dieses Geschehens sein; er sollte durch gleiche Übungen<br />
gehen und die Not an sich selbst erfahren, um <strong>de</strong>n in die Augen fallen<strong>de</strong>n Gegensatz zu <strong>de</strong>r<br />
Offenbarung <strong>de</strong>r Herrlichkeit, von <strong>de</strong>r er ausgegangen war, zu spüren und die Trübsal so<br />
unmittelbar zu erleben, daß er <strong>de</strong>m Volke Gottes in <strong>de</strong>ssen Nöten mit Verständnis begegnen<br />
und aus <strong>de</strong>r Fülle Gottes rechtzeitig Hilfe darreichen konnte, Er mußte <strong>de</strong>shalb selbst im<br />
Erbteil Gottes lei<strong>de</strong>n, im gleichen Geiste wie Er, Der nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlegen<br />
konnte, und Der – obwohl Er Herr <strong>de</strong>r Welt war – einigen Frauen zu Dank verpflichtet<br />
war“, die ihm mit ihrer Habe dienten“. Ganz ähnlich ergeht es <strong>de</strong>m Elisa (Kap. 4, 8). Eine<br />
Frau, eine Sunamitin nimmt sich seiner an und gewährt ihm Brot und Wohnung. So lernt er<br />
im kleinen Maßstab die Hoffnungen und Nöte <strong>de</strong>s Volkes, aber auch die Grundsätze <strong>de</strong>r<br />
Absichten Gottes praktisch kennen. In gleicher Weise verfuhr Gott mit Noah in <strong>de</strong>r Arche,<br />
mit Abraham auf <strong>de</strong>m Berge Morija, mit Paulus im Hinblick auf die Kirche. Israel glich<br />
zu jener Zeit <strong>de</strong>r Sunamitin; <strong>de</strong>ren Mann war alt, sie hatten kein Kind, das ihren Namen<br />
fortpflanzen wür<strong>de</strong>. So war auch das Volk im Verfall und ohne Erbe, <strong>de</strong>r es zu neuem Leben<br />
und neuen Hoffnungen hätte tragen können.<br />
Gehasi, wohl ein Bild von Israel nach <strong>de</strong>m Fleische, sieht diese Lage und berichtet <strong>de</strong>m<br />
Propheten darüber. Dieser verheißt einen Sohn. Die Verheißung geht zwar in Erfüllung,<br />
aber vor <strong>de</strong>r Ernte, vor <strong>de</strong>m Fest <strong>de</strong>r Einbringung, stirbt das Kind. Wie plötzlich und völlig<br />
wird damit die späte Hoffnung <strong>de</strong>r Familie wie<strong>de</strong>r zerstört. In ihrer Not eilt die Mutter zu<br />
<strong>de</strong>m Propheten, <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Einsamkeit <strong>de</strong>s Karmel keine Nachricht von <strong>de</strong>r Trübsal erreicht<br />
hat, in die Israel – verkörpert in dieser Frau – geraten ist (Vers 27). Er erhält nun Kenntnis<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 158
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
von <strong>de</strong>m Geschehen und soll die wun<strong>de</strong>rbare Art und Weise erleben, auf die Gott Sein Volk<br />
aus diesem Tiefstand befreien will. Das ist für Elisa eine ganz neue Erfahrung, und er wird<br />
langsam, Schritt für Schritt, dahin gebracht. Er muß erkennen, daß Gehasi und sein eigener<br />
Prophetenstab nicht imstan<strong>de</strong> sind, <strong>de</strong>m Tod mit Erfolg zu begegnen; er erfährt am eigenen<br />
Leibe, daß dies nur das Leben bewirken kann. Durch die Macht Gottes wird er selbst das<br />
Werkzeug, das <strong>de</strong>m toten Kin<strong>de</strong> das Leben mitteilt: ein einfaches, <strong>de</strong>utliches Vorbild auf<br />
Den, Der Selbst das ewige Leben war und Der auf die Er<strong>de</strong> kam, um es zu geben. Es ist<br />
ein wun<strong>de</strong>rbarer Platz, <strong>de</strong>r hier einem Menschen zugewiesen wird, und eine wun<strong>de</strong>rbare<br />
Entfaltung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes, die Elisa befähigt, einen Kummer zu beheben, von <strong>de</strong>m er<br />
bisher nichts wußte. In all <strong>de</strong>n Übungen, die damit verbun<strong>de</strong>n waren, – er ging im Hause<br />
dahin und dorthin, stieg wie<strong>de</strong>r hinauf, beugte sich über das Kind und betete –, erfuhr er auf<br />
verhaltene Art, was unser Herr auf so vollkommene Weise erdul<strong>de</strong>te: die Schrecklichkeit<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>n Segen <strong>de</strong>s Lebens.<br />
Sodann fin<strong>de</strong>n wir Elisa in Gilgal. Die Söhne <strong>de</strong>r Propheten sitzen vor ihm, und er begegnet<br />
<strong>de</strong>r Hungersnot im Lan<strong>de</strong>. Wer die Macht und Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s lebenspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gottes erfahren<br />
hat, kann im Vertrauen auf Ihn angesichts aller Bekenner ohne Schwierigkeit die zufälligen<br />
Nöte lin<strong>de</strong>rn, die uns auf <strong>de</strong>m Wege über diesen bösen Schauplatz heimsuchen. Er sagt<br />
zu seinem Knaben: „Setze <strong>de</strong>n großen Topf auf und koche ein Gericht für die Söhne <strong>de</strong>r<br />
Propheten.- Doch was Elisa <strong>als</strong> Diener Gottes vorbereitet, wird durch die Einmischung<br />
<strong>de</strong>s Ungläubigen verdorben. Die wil<strong>de</strong>n Koloquinten, von <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r sie fand, für eine<br />
Bereicherung gehalten, fügten <strong>de</strong>m Gericht – wie alle menschlichen Zusätze zum Glauben<br />
und <strong>de</strong>n Wegen Gottes – nur <strong>de</strong>n Tod hinzu. Aber Elisa ist <strong>de</strong>r Not im unbeirrbaren<br />
Vertrauen auf <strong>de</strong>n lebenspen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gott gewachsen. In<strong>de</strong>m er Mehl in <strong>de</strong>n Topf wirft,<br />
vernichtet er das tödliche Element. Die Seele, die einfältig auf Gott vertraut, wird immer<br />
zum Ziele gelangen; <strong>de</strong>nn sie han<strong>de</strong>lt im Glauben, auch wenn sie dabei Unterbrechungen<br />
und Hin<strong>de</strong>rnisse an Stellen überwin<strong>de</strong>n muß, wo sie sie am wenigsten erwartet. Durch<br />
Übungen wächst <strong>de</strong>r Glaube und die Erfahrung bereichert ihn nach Breite und Tiefe. Elisa<br />
ist nun fähig, das Volk (100 Männer) mit nur „Zwanzig Gerstenbroten, und Gartenkorn<br />
in seinem Sacke“ zu speisen und die Einwendungen <strong>de</strong>s ungläubigen Dieners kurzerhand<br />
abzutun: „Gib es <strong>de</strong>n Leuten, daß sie essen! <strong>de</strong>nn so spricht Jehova: Man wird essen und<br />
übriglassen.“<br />
Elisa ist jetzt praktisch soweit in <strong>de</strong>r Macht Gottes unterwiesen, daß seine Ausstrahlung <strong>als</strong><br />
Prophet Gottes die Grenzen Israels überschreitet (2.Kön 5). „Laß ihn doch zu mir kommen,<br />
und er soll erkennen, daß ein Prophet in Israel ist.“ Diese Auffor<strong>de</strong>rung gilt Naamann, <strong>de</strong>m<br />
Syrer, und <strong>als</strong> dieser ihr Folge leistet, läßt er ihm lediglich durch einen Boten bestellen:<br />
„Gehe hin und ba<strong>de</strong> dich siebenmal im Jordan, so wird dir <strong>de</strong>in Fleisch wie<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n, und<br />
du wirst rein sein.“<br />
Trotz aller Bereitwilligkeit, <strong>de</strong>n Aussätzigen zu heilen, sieht er die Person nicht an und<br />
bewahrt die einem Diener Gottes geziemen<strong>de</strong> Wür<strong>de</strong>. Er führt Naamann zu Errettung und<br />
Heilung; aber er macht kein Aufheben von <strong>de</strong>r hohen Stellung <strong>de</strong>s Heerobersten von Syrien<br />
und weigert sich, irgen<strong>de</strong>twas von Naamann anzunehmen, nach<strong>de</strong>m dieser geheilt ist. Er<br />
steht in <strong>de</strong>r Abhängigkeit, die einen wahren Diener Gottes kennzeichnete. Im krassen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 159
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
Gegensatz hierzu steht das Verhalten <strong>de</strong>s Gehasi. Aus <strong>de</strong>m Urteil, das an ihm vollzogen wird,<br />
lernen wir, daß, wer nach <strong>de</strong>n Gütern dieser Welt greift und sie sich aneignet, unweigerlich<br />
von ihrem Aussatz angesteckt wird.<br />
An Elisa ist bemerkenswert, daß in seiner Geschichte ein weniger offenbares Bedürfnis<br />
nach Zucht zutage tritt, <strong>als</strong> bei an<strong>de</strong>ren Dienern. Er ist von Oben begabt, und weiß auf<br />
seinem ganzen Wege die Gna<strong>de</strong> Gottes in angemessener und wohltuen<strong>de</strong>r Weise, je nach<br />
<strong>de</strong>n Bedürfnissen darzustellen, <strong>de</strong>nen er begegnet. Er wur<strong>de</strong> in verborgener Weise dazu<br />
erzogen, sich Gott soweit zu überlassen, daß er Dessen Gedanken völlig enthüllen konnte,<br />
und <strong>de</strong>r offenbare Beweis dafür, daß eine solche Erziehung wirklich und in sehr wirksamer<br />
Weise stattgefun<strong>de</strong>n haben muß, sind die Sanftmut und Einfalt <strong>de</strong>s Herzens, mit <strong>de</strong>nen er<br />
in <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Lagen gottgemäß han<strong>de</strong>lt. In diesem Lichte besehen, ist kein<br />
Leben interessanter <strong>als</strong> das <strong>de</strong>s Elisa; die einfach göttliche Art, in <strong>de</strong>r er <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Schwierigkeiten begegnet, ist sehr schön. Wie belehrend für uns ist es, ihm zu folgen und zu<br />
sehen, wie sich <strong>de</strong>r Diener in <strong>de</strong>n mannigfaltigsten Umstän<strong>de</strong>n verhält und wie Jehova ihn<br />
benutzt, um jene Gna<strong>de</strong> zu enthüllen, die in so erhabener Weise und in ewiger Macht durch<br />
<strong>de</strong>n größten aller Diener, <strong>de</strong>n Sohn Seiner Liebe, geoffenbart wer<strong>de</strong>n sollte. Als Diener<br />
Gottes je<strong>de</strong>r Lage gewachsen zu sein, be<strong>de</strong>utet das En<strong>de</strong> aller Erziehung.<br />
Vor unseren Augen entwickelt sich nun eine Folge wun<strong>de</strong>rbarer Tätigkeiten inmitten<br />
persönlichen wie auch nationalen Unglücks; sie umfaßt im Prinzip wohl je<strong>de</strong> Stufe<br />
menschlichen Kummers (Kap 6). Zunächst schlugen die Söhne <strong>de</strong>r Propheten, die Enge <strong>de</strong>s<br />
Ortes fühlend, <strong>de</strong>m Elisa vor, Wohnung am Jordan zu nehmen. Er ging mit ihnen zu <strong>de</strong>m<br />
Fluß hinab. Als einer von ihnen aber einen Baum fällte, fiel das Eisen ins Wasser, und er<br />
schrie: „Ach, mein Herr! und es war entlehnt!“ Elisa begreift seinen Kummer und seine<br />
Not sofort; er versteht, daß es nicht nur um <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>s Eisens, son<strong>de</strong>rn auch um die<br />
Ehre <strong>de</strong>s Mannes geht, <strong>de</strong>nn „es war entlehnt“. Die warme Anteilnahme <strong>de</strong>s Propheten<br />
an dieser Not ist rührend; er besitzt Mitgefühl und zugleich die Macht, je<strong>de</strong>m ängstlichen<br />
menschlichen Gefühl zu begegnen. „Und <strong>de</strong>r Mann Gottes sprach: Wohin ist es gefallen?<br />
Und er zeigte ihm die Stelle; da schnitt er ein Holz ab und warf es hinein und machte das<br />
Eisen schwimmen. Und er sprach: Nimm es dir auf! und er streckte seine Hand aus und<br />
nahm es.“<br />
Es wird nun berichtet, wie Elisa die Nie<strong>de</strong>rlage <strong>de</strong>s syrischen Königs herbeiführt, in<strong>de</strong>m<br />
er <strong>de</strong>m König von Israel <strong>de</strong>ssen Ankunft mitteilt (Kap. 6,9). Der König von Syrien,<br />
<strong>de</strong>swegen aufgebracht gegen Elisa – sen<strong>de</strong>t Spione, die <strong>de</strong>n Aufenthaltsort <strong>de</strong>s Propheten<br />
auskundschaften sollen. Nach<strong>de</strong>m er erfahren hat, daß Elisa zu Dothan ist, sen<strong>de</strong>t er Pfer<strong>de</strong><br />
und Wagen dorthin und läßt die Stadt umstellen. Es ist bezeichnend, daß er wegen <strong>de</strong>r Person<br />
eines einzelnen, unbewaffneten Mannes ein kriegerisches Aufgebot für nötig erachtet; aber<br />
es ist ein <strong>de</strong>utlicher Beweis dafür, daß <strong>de</strong>r Gottlose instinktiv seine Hilflosigkeit in <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart <strong>de</strong>r Macht Gottes fühlt, auch wenn diese nur in einem einzelnen Menschen<br />
wirksam ist. Davon zeugt auch jene Schar mit Schwertern und Stöcken, die ausgesandt<br />
wur<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Herrn zu ergreifen. Dieses syrische Heer war so groß, daß Elisas Diener<br />
erschrokken ausrief: „Ach, mein Herr! was sollen wir tun!“ Die Antwort <strong>de</strong>s Elisa kam<br />
aus <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Glaubens, <strong>de</strong>r seiner Seele Ruhe gab: „Fürchte dich nicht! <strong>de</strong>nn mehr<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 160
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
sind <strong>de</strong>rer, die bei uns, <strong>als</strong> <strong>de</strong>rer, die bei ihnen sind.“ – „Wenn Gott für uns ist, wer wi<strong>de</strong>r<br />
uns?“ Das war auch die Erfahrung seiner Seele; <strong>de</strong>shalb konnte er nun – frei von aller<br />
Furchtsamkeit -für an<strong>de</strong>re ins Mittel treten und bitten, daß dasselbe Bild, das vor seinem<br />
Glaubensauge stand, auch seinem Knaben gezeigt wer<strong>de</strong>n möchte. „Jehova, öffne doch seine<br />
Augen, daß er sehe“! Bereitwillig erfüllt Jehova diese Bitte. Die Augen <strong>de</strong>s jungen Mannes<br />
wer<strong>de</strong>n geöffnet; er sieht <strong>de</strong>n Berg „voll feuriger Rosse und Wagen, rings um Elisa her- und<br />
gelangt so zu gleicher Ruhe. Es genügt nämlich nicht, selbst im Glauben an <strong>de</strong>n Beistand<br />
Gottes zu ruhen und an<strong>de</strong>re zur Nachahmung aufzufor<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn ich muß versuchen,<br />
ihnen das Bewusstsein von <strong>de</strong>r Macht dieses Beistan<strong>de</strong>s zu vermitteln und sie so zur Ruhe<br />
kommen zu lassen.<br />
Die Fürbitte für seinen Knaben bestand darin, daß diesem die Augen geöffnet wer<strong>de</strong>n<br />
möchten, damit er das Heer Gottes sehen könnte, jetzt bat er, daß die Augen seiner Fein<strong>de</strong><br />
geschlossen wer<strong>de</strong>n möchten, und er wird wie<strong>de</strong>rum erhört. Jehova „schlug sie mit Blindheit<br />
nach <strong>de</strong>m Worte Elisas“. Sie waren damit völlig in seine Hand gegeben; aber er verfährt<br />
behutsam mit ihnen. Wohl führt er sie weg nach Samaria, erlaubt aber in rühren<strong>de</strong>r,<br />
belehren<strong>de</strong>r Güte und Gna<strong>de</strong> nicht, daß Rache an seinen Gefangenen genommen wird.<br />
Seine Anweisung lautet: „Setze ihnen Brot und Wasser vor, daß sie essen und trinken, und<br />
dann zu ihrem Herrn ziehen“. Wie einfach und wun<strong>de</strong>rbar ist es, wenn ein Mensch so in die<br />
Gedanken und Hilfsquellen Gottes eingeführt ist, daß er je<strong>de</strong>m Ereignis mit göttlicher Gna<strong>de</strong><br />
und Kraft begegnen kann. Elisa behan<strong>de</strong>lt in dieser Einsicht <strong>de</strong>n Diener mit <strong>de</strong>r gleichen<br />
Anteilnahme und Aufmerksamkeit wie <strong>de</strong>n König, mißt <strong>de</strong>m Verlust eines geliehenen Eisens<br />
ebensoviel Wert bei wie <strong>de</strong>r Abschnürung einer Stadt durch ein Kriegsheer und beweist<br />
so, daß <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Macht und Gna<strong>de</strong> Gottes alles einschließt, <strong>de</strong>n Hohen und <strong>de</strong>n<br />
Niedrigen, das größte wie das kleinste Ereignis!<br />
In <strong>de</strong>r Folge (Vers 24) wird dargetan, daß das menschliche Herz unter <strong>de</strong>m Einfluß <strong>de</strong>r<br />
To<strong>de</strong>sfurcht keinen Gna<strong>de</strong>nbeweis, und sei er auch noch so groß, im Gedächtnis behält und<br />
recht zu würdigen weiß. Der König von Israel gerät durch eine Hungersnot in Samaria in<br />
eine große Notlage, und in<strong>de</strong>m er Elisa die Schuld daran gibt, schwört er ihm Rache. Obwohl<br />
Elisa Zeuge und Diener <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> und Macht Gottes in <strong>de</strong>r Abwendung vielfachen Elends<br />
war, versagt ihm <strong>de</strong>r König in <strong>de</strong>r Folgezeit nicht nur Achtung und Anerkennung, son<strong>de</strong>rn<br />
bedroht auch sein Leben, für <strong>de</strong>n Fall, daß er <strong>de</strong>m Volke weitere Hilfe verweigern wür<strong>de</strong>.<br />
Zu diesem Zeitpunkt sitzt <strong>de</strong>r Prophet in seinem Hause und die Ältesten sitzen bei ihm,<br />
wohl um gemeinsam mit ihm auf Gottes Weisung zu harren. Sie warten nicht vergeblich.<br />
Jehova unterrichtet seinen Knecht von <strong>de</strong>r bösen Absicht <strong>de</strong>s Königs und tut ihm Seinen<br />
Beschluß kund. Als <strong>de</strong>r Bote eintritt und sagt: „Siehe, dieses Unglück ist von Jehova; was<br />
soll ich noch auf Jehova harren“? war die Zeit gekommen, das Wort Jehovas zu verkün<strong>de</strong>n:<br />
„So Spricht Jehova: Morgen um diese Zeit wird ein Maß Feinmehl einen Sekel gelten, und<br />
zwei Maß Gerste einen Sekel im Tor von Samaria.“ Und so geschah es.<br />
Dieser größte ist zugleich <strong>de</strong>r letzte aufgezeichnete öffentliche Dienst Elisas in Israel. Er<br />
war von Gott berufen wor<strong>de</strong>n, um seine Macht und Gna<strong>de</strong> im ganzen Bereich menschlicher<br />
Bedürfnisse zu offenbaren. Er hat sich dieser Aufgabe willig entledigt. Das Ergebnis seines<br />
Wirkens aber kann, wie bei seinem großen Gegenbil<strong>de</strong>, dahin zusammengefaßt wer<strong>de</strong>n:<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 161
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
„Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt.“ Er<br />
betraut einen an<strong>de</strong>ren mit <strong>de</strong>r Aufgabe, Jehu zum König über Israel zu salben (Kap. 9).<br />
Als letzte öffentliche Begebenheit im Leben Elisas wird sein Zusammentreffen mit Hasael in<br />
Damaskus berichtet. Jehova hatte ihm geoffenbart, daß Ben-Hadad, <strong>de</strong>r König von Syrien,<br />
sterben wür<strong>de</strong>. Elisa weinte, <strong>als</strong> er Hasael anschaute, weil er wußte, wie übel dieser <strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn Israel mitspielen wür<strong>de</strong>, Sodann verlieren wir unseren Propheten aus <strong>de</strong>n Augen.<br />
Als Zeuge <strong>de</strong>r alles übersteigen<strong>de</strong>n Macht Gottes über <strong>de</strong>n Tod und <strong>de</strong>r Herrlichkeit jenseits<br />
<strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s war er aufgetreten und hatte auf seinem irdischen Weg gemäß <strong>de</strong>r geoffenbarten<br />
Macht Gottes die Art und Weise und die Fülle Seiner Gna<strong>de</strong> und Hilfe für die Menschen<br />
entfaltet. Nun entschwin<strong>de</strong>t er unseren Blicken, voll Trauer über das, was er über das<br />
Volk Gottes kommen sah, obgleich es nur die Folge <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> und Torheit Israels war. In<br />
<strong>de</strong>rselben Weise been<strong>de</strong>te ein Größerer <strong>als</strong> Elisa Seinen öffentlich nicht anerkannten Dienst<br />
inmitten dieses Volkes und Seine Verbindung mit Israel. Er weinte über die Stadt, die sich<br />
geweigert hatte, zu erkennen, was zu ihrem Frie<strong>de</strong>n diente, und die unter das Gericht Gottes<br />
kam, weil sie die Zeit ihrer Heimsuchung nicht erkannt hatte; dann ließ Er im Dienste <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Elisa auf schwache Weise im Vorbild darstellte, Sein vollkommenes Leben und<br />
ging in <strong>de</strong>n Tod. Für diesen Tod am Kreuz konnte Elisa kein Vorbild sein. Und doch, <strong>als</strong><br />
„Elisa an seiner Krankheit erkrankte, an welcher er starb“ (2.Kön 13,14), <strong>als</strong> er nicht mehr<br />
öffentlich zeugen konnte, <strong>als</strong> Joas, <strong>de</strong>r König von Israel, zu ihm herabkam und weinend über<br />
seinem Angesicht mit gleichen Worten wie Elisa einst bei <strong>de</strong>r Entrückung <strong>de</strong>s Elias sagte:<br />
„Mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter“!, weil die Sonne Israels im Begriffe war mit<br />
<strong>de</strong>r Person dieses großen Propheten unterzugehen, – selbst dann, im Augenblick <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s,<br />
ist er stark in <strong>de</strong>r Macht und Gna<strong>de</strong> Gottes. Er for<strong>de</strong>rt Joas auf, Bogen und Pfeile zu holen,<br />
und heißt ihn die Hand auf <strong>de</strong>n Bogen zu legen; dann tut er seine Hand auf die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Königs und sagt: „Öffne das Fenster gegen Morgen!“ Joas gehorcht und schießt nach <strong>de</strong>r<br />
Weisung <strong>de</strong>s Propheten. Und Elisa sprach: „Ein Pfeil <strong>de</strong>r Rettung von Jehova“; <strong>de</strong>nn die<br />
Gna<strong>de</strong> Jehovas gegen sein Volk war noch nicht erschöpft. Sie verhieß nicht nur Rettung<br />
vor Syrien, son<strong>de</strong>rn sprach auch von kommen<strong>de</strong>r Herrlichkeit, wie die Schußrichtung nach<br />
<strong>de</strong>m Osten, zur aufgehen<strong>de</strong>n Sonne hin<strong>de</strong>utete. In<strong>de</strong>m Elisa vom Schauplatz abtrat, versank<br />
er so gewissermaßen im Westen, aber im Blick auf die kommen<strong>de</strong> Macht und Herrlichkeit,<br />
die wie <strong>de</strong>r Glanz <strong>de</strong>r Sonne nach <strong>de</strong>m Regen erstrahlen wür<strong>de</strong>. Im Vertrauen darauf heißt<br />
er <strong>de</strong>n König, die Pfeile zu nehmen und auf die Er<strong>de</strong> zu schlagen. „Und er schlug dreimal<br />
und hielt inne. Da ward <strong>de</strong>r Mann Gottes zornig über ihn und sprach: Du hättest fünf- o<strong>de</strong>r<br />
sechsmal schlagen sollen, dann wür<strong>de</strong>st du die Syrer bis zur Vernichtung geschlagen haben;<br />
nun aber wirst du die Syrer dreimal schlagen.“<br />
Die letzten Augenblicke <strong>de</strong>s sterben<strong>de</strong>n Propheten wer<strong>de</strong>n durch die Enttäuschung<br />
verdunkelt, daß das Volk, <strong>de</strong>m er gedient hatte, die ihm angebotene Gna<strong>de</strong> nicht in ihrem<br />
vollen Umfange ergreifen konnte. Der König hatte keine Kraft, ein Werkzeug dieser Gna<strong>de</strong><br />
zu sein; <strong>de</strong>nn wahre Kraft zeigt sich immer im bewußten, völligen und freudigen Gehorsam,<br />
<strong>de</strong>r von Herzen kommt. Wo Glaube ist, wirkt er nach <strong>de</strong>m Maße seiner Größe, und die<br />
äußeren Taten stehen immer im Einklang zu <strong>de</strong>r inneren Kraft. Wie gesegnet und wie<br />
übereinstimmend mit seinem Leben schei<strong>de</strong>t unser Prophet von hinnen! In seinem To<strong>de</strong><br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 162
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Elisa<br />
umfängt ihn kommen<strong>de</strong> Herrlichkeit und Errettung, vermischt mit <strong>de</strong>m schwachen Glauben<br />
<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>nen er gedient hatte.<br />
Elisa stirbt; aber die Macht, die seinen ganzen Weg kennzeichnete, wirkt in seinem To<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>rgestalt weiter, daß die bloße Berührung mit seinen Gebeinen einem Leichnam, <strong>de</strong>r in<br />
sein Grab geworfen wur<strong>de</strong>, das Leben wie<strong>de</strong>rgab. So wur<strong>de</strong>n in ihm die Macht Gottes in<br />
Gna<strong>de</strong> und das Auferstehungsleben entfaltet; aber er ist nicht nur eine Stimme aus <strong>de</strong>n<br />
Toten, son<strong>de</strong>rn ein Unterpfand <strong>de</strong>r Macht, die Israel einmal zum Leben zurückbringen wird.<br />
Der Herr wirke es, daß wir von Ihm lernen, sanftmütig und von Herzen <strong>de</strong>mütig zu sein,<br />
und Seinen Willen zu tun, damit Er uns für die Äußerungen Seiner Gna<strong>de</strong> im Kleinen wie<br />
im Großen gebrauchen kann wie Er will, zum Preise Seines Namens.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 163
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
Hiskia<br />
Nichts ist anziehen<strong>de</strong>r und lehrreicher, <strong>als</strong> die Wege Gottes mit einem Menschen, <strong>de</strong>r –<br />
von gleicher Natur und gleichen Gefühlen wie wir – benutzt und befähigt wird, Seinen<br />
Willen zu tun. Sie zeigen, wie die Gna<strong>de</strong> Gottes wirkt und wo sie behin<strong>de</strong>rt wird, und<br />
wie <strong>de</strong>r Mensch durch sie geformt und bewacht wird. Diese Art <strong>de</strong>r Erklärung lehrt uns,<br />
wie Gott einen Menschen in Seinem Dienste verwen<strong>de</strong>n kann und wie ein Knecht fällt,<br />
wenn er sich nicht einfach von Gott leiten läßt. Wer einen klaren Begriff von <strong>de</strong>r göttlichen<br />
Erziehung bekommen will, muß diese Gesichtspunkte beachten. Die Schrift entfaltet am<br />
einzelnen Beispiel Art und Charakter <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>r Knecht Gottes durchschreiten<br />
muß. Beschäftigen wir uns damit näher und beobachten wir die Unterweisungen, die <strong>de</strong>r<br />
Einzelne erhält, so gelangen wir zum Verständnis <strong>de</strong>r Gedanken Gottes in jener Zeit.<br />
Hiskia lebte während einer ereignisreichen, sehr kritischen Zeit in Israel, und wie er von<br />
Gott für diese Zeit vorbereitet und unterwiesen wird, ist höchst aufschlußreich. Es besteht<br />
oft in <strong>de</strong>n wesentlichsten Punkten große Ähnlichkeit zwischen <strong>de</strong>r Stellung, die wir selbst<br />
berufen sind einzunehmen, und <strong>de</strong>rjenigen, die von ausgezeichneten Knechten Gottes<br />
eingenommen wird. Die Beschäftigung damit, wie Gott einen vorzüglichen Knecht führt,<br />
gereicht oft zur För<strong>de</strong>rung eines schwächeren Gefäßes, das über seinen unmittelbaren<br />
Bereich hinaus unbekannt ist, obwohl es die Wege Gottes ebenso wahrhaftig erfahren und<br />
unter Seiner Hand ebenso vollständig erzogen wer<strong>de</strong>n kann, wie <strong>de</strong>r hervorragendste und<br />
ausgezeichnetste Knecht.<br />
An Hiskia wird uns zunächst gezeigt, wie er gestärkt wur<strong>de</strong>, um das Zeugnis Jehovas<br />
auf beispielhafte Weise erneuern zu können, und zwar zu einer Zeit, <strong>als</strong> alles auf einem<br />
Tiefstand angelangt war und sich scheinbar im unaufhaltsamen Verfall befand. Sein Leben<br />
beweist aber auch, wie er lernte, in Gott zu ruhen, während seine Seele vom En<strong>de</strong> und von<br />
<strong>de</strong>r Verödung alles Irdischen überzeugt war. Seine Geschichte ist sehr anziehend, weil sie<br />
bekun<strong>de</strong>t, wie Gott Seinen Knecht voranführt, ihn zur Ausführung Seines Willens und zum<br />
Wan<strong>de</strong>ln auf Seinen Wegen befähigt und ihm <strong>de</strong>nnoch die Einsicht vermittelt, daß, wie<br />
erfolgreich ein Mensch auch sein mag, doch alles verwirkt ist, wenn er sich abwen<strong>de</strong>t und<br />
auf an<strong>de</strong>re Menschen vertraut.<br />
Das Leben Hiskias ist in seinen großen Linien bewegt und sehr instruktiv. Die<br />
Aufzeichnungen über sein Wirken beginnen mit <strong>de</strong>r Feststellung– „Er tat die Höhen hinweg,<br />
und zerschlug die Bildsäulen, und rottete die Aschera aus, und zertrümmerte die eherne<br />
Schlange, welche Mose gemacht hatte; <strong>de</strong>nn bis zu jenen Tagen hatten die Kin<strong>de</strong>r Israel<br />
ihr geräuchert, und man nannte sie Nechustan“ (2. Kön 18, 4). Es war eine kühne und<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tat, mit <strong>de</strong>r er seine öffentliche Laufbahn <strong>als</strong> Knecht Gottes begann; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 164
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
Höhendienst war lange Zeit hindurch in ausgeprägter Form geübt wor<strong>de</strong>n. Höhen gab es vor,<br />
zu und nach <strong>de</strong>n Tagen Salomos (vergl. 1.Kön 3,3). Durch welche Erziehungsmaßnahmen<br />
Hiskia die Eignung zu einer schnellen und entschie<strong>de</strong>nen Handlungsweise erlangt hat, wird<br />
uns nicht mitgeteilt. Nach <strong>de</strong>m Bericht über die Wege seines Vaters und <strong>de</strong>m Zustand, in<br />
<strong>de</strong>m sich das Zeugnis Jehovas dam<strong>als</strong> befand, hätte man je<strong>de</strong>nfalls nicht ohne weiteres<br />
erwarten können, daß ein 25 jähriger junger Mann unmittelbar nach seiner Thronbesteigung<br />
mit solcher Tatkraft und Entschie<strong>de</strong>nheit han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>. Er entsteigt <strong>de</strong>m Schutt und <strong>de</strong>n<br />
Trümmern früherer Größe, <strong>als</strong> ob er nichts damit zu tun hätte, und gelehrt wor<strong>de</strong>n wäre,<br />
sich von alle<strong>de</strong>m zu trennen und es bloßzustellen. Er verhält sich an<strong>de</strong>rerseits wie ein<br />
zweiter David, <strong>de</strong>r im übertragenen Sinne seine Brü<strong>de</strong>r im Terebinthental besucht. Getrennt<br />
von ihnen und doch in ihrer Mitte, schickt er sich an, alles zu beseitigen, was Gott entehrt.<br />
Das <strong>de</strong>utet auf eine Schule hin, in <strong>de</strong>r ihm diese Gedanken eingepflanzt wur<strong>de</strong>n.<br />
Die Weise, wie wir han<strong>de</strong>ln, zeigt <strong>de</strong>n Charakter <strong>de</strong>r Grundsätze, die wir in uns<br />
aufgenommen haben. Davids Erziehung in <strong>de</strong>r Wüste bereitete ihn auf das Zusammentreffen<br />
mit Goliath vor; Hiskia muß auf eine an<strong>de</strong>re Art vorbereitet und geübt wor<strong>de</strong>n sein, sonst<br />
hätte er <strong>de</strong>r Unordnung, die ihn umgab, nicht durch so vollkommene Reformen begegnen<br />
können. Häufig erproben und erziehen die ungeordneten Zustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Knecht Gottes<br />
selbst. Der eine unterwirft sich ihnen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re beklagt sie, ein dritter begegnet ihnen mit<br />
schwachen, unzulänglichen Mitteln; wer aber in seinem Herzen von Gott belehrt ist, kann<br />
nur für die wahre, göttliche Ordnung eintreten. Er schließt keinen Kompromiß, son<strong>de</strong>rn<br />
besteht auf <strong>de</strong>r Maßnahme, die Gott entspricht, was sie auch immer koste.<br />
Daß eine göttliche Erziehung, gleichviel ob im verborgenen o<strong>de</strong>r offenkundig –,<br />
stattgefun<strong>de</strong>n hat, erkennt man an <strong>de</strong>n Früchten, die hierdurch genährt und entwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die erhabene Stellung eines wohlerzogenen und treuen Knechtes zeigt sich bei<br />
Hiskia darin, daß er nicht nur die Bildsäulen und die Aschera, son<strong>de</strong>rn auch die eherne<br />
Schlange zertrümmerte und damit eine Gefahr, – die Kin<strong>de</strong>r Israel räucherten ihr –,<br />
beseitigte, die bis dahin von an<strong>de</strong>ren Knechten Gottes übersehen wor<strong>de</strong>n war. Seine ersten<br />
Maßnahmen gelten <strong>als</strong>o <strong>de</strong>r uneingeschränkten Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Ehre Gottes; erst<br />
danach verficht er, mit Kraft gestärkt, nach allen Seiten die Rechte seiner Berufung und<br />
seine wahre Wür<strong>de</strong> <strong>als</strong> König von Juda. „Und Jehova war mit ihm; überall wohin er zog,<br />
gelang es ihm. Und er empörte sich gegen <strong>de</strong>n König von Assyrien und diente ihm nicht“<br />
(2.Kön 18,7). Hiskia machte jedoch nicht nur seine wahre Stellung <strong>als</strong> Gottes König geltend,<br />
son<strong>de</strong>rn hielt auch das Zeugnis für Gott voll und ganz aufrecht.<br />
Es genügt nicht, unseren Fein<strong>de</strong>n zu wi<strong>de</strong>rstehen und sie zu zwingen, von ihren<br />
Anmaßungen abzustehen, son<strong>de</strong>rn wir müssen auch die Wahrheit Gottes zur Darstellung<br />
bringen. Hiskia zeigt sich nicht nur seinen Fein<strong>de</strong>n Überlegen, son<strong>de</strong>rn widmet sich auch<br />
in tätiger Weise <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>s Zeugnisses Gottes. „Im ersten Jahre seiner<br />
Regierung, im ersten Monat, öffnete er die Türen <strong>de</strong>s Hauses Jehovas und besserte sie<br />
aus“ (2.Chron 29,3). Das bewirkte Segen für die Stadt, und zwar in so reichem und vollem<br />
Maße, daß es heißt: „Und es war große Freu<strong>de</strong> in Jerusalem; <strong>de</strong>nn seit <strong>de</strong>n Tagen Salomos,<br />
<strong>de</strong>s Sohnes Davids, <strong>de</strong>s Königs von Israel, war <strong>de</strong>sgleichen in Jerusalem nicht gewesen“<br />
(2.Chron 30,26). Aber er beschränkte sich nicht auf Jerusalem und auf die Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 165
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
<strong>de</strong>s Tempels. „Desgleichen tat Jehiskia in ganz Juda. Und er tat was gut und recht und<br />
wahr war vor Jehova, seinem Gott“ (2.Chron 31,20). Wer <strong>de</strong>m Bösen wi<strong>de</strong>rsteht und<br />
das Gute tätig verficht, beweist, daß er im Besitz göttlicher Kraft ist; er kennt keine<br />
Einseitigkeit. Wo hingegen nur Überzeugung, aber ]keine göttliche Kraft vorhan<strong>de</strong>n ist, wird<br />
alles unvollkommen bleiben. „Schlaff hängen die Beine <strong>de</strong>s Lahmen herab“ (Spr 26,7). So<br />
mögen große Anstrengungen da sein, <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong> zu wi<strong>de</strong>rstehen, aber ohne entsprechen<strong>de</strong><br />
Bemühungen, die Wahrheit wie<strong>de</strong>rzuerlangen, während an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>r ausgesprochene<br />
Wunsch da sein mag, die Wahrheit wie<strong>de</strong>rzuerlangen, man sich jedoch abquält mit <strong>de</strong>m was<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit feindlich ist. Man mag nach <strong>de</strong>r Unterdrückung <strong>de</strong>s Bösen rufen, ohne auf<br />
das Zeugnis Gottes zu achten, o<strong>de</strong>r das was Christo wirklich zuwi<strong>de</strong>r ist, stillschweigend<br />
dul<strong>de</strong>n und zugleich Seinen Namen bekennen.<br />
Hiskia ist kein Lahmer; er steht fest auf bei<strong>de</strong>n Füßen, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>m Bösen wi<strong>de</strong>rsteht und<br />
zugleich die Wahrheit Gottes in ihrer wahren Kraft und Vortrefflichkeit verwirklicht.<br />
Der beschriebene Zeitabschnitt fällt in die ersten 14 Jahre <strong>de</strong>r Regierung Hiskias; es war eine<br />
glückliche, nützliche Zeit. Aber auch <strong>de</strong>r Nützliche muß mit sich selbst zu En<strong>de</strong> kommen<br />
und erkennen, daß sein alles in Gott liegt. Wir können immer wie<strong>de</strong>r beobachten, daß<br />
mancher Knecht Gottes zunächst in Vorbereitung auf einen nützlichen Weg gezüchtigt, ein<br />
an<strong>de</strong>rer hingegen im Anschluß an eine nützliche Zeit heimgesucht wird, damit er erkennt,<br />
wie wahr und vollkommen Gott Selbst weit über allem an<strong>de</strong>ren steht.<br />
Das 14. Jahr war beson<strong>de</strong>rs ereignisreich: „Und im 14. Jahre <strong>de</strong>s Königs Hiskia zog Sanherib,<br />
<strong>de</strong>r König von Assyrien herauf wi<strong>de</strong>r alle festen Städte Judas und nahm sie ein“ (2.Kön 18,13),<br />
und „Nach diesen Dingen (d. h., nach <strong>de</strong>m, was oben kurz ange<strong>de</strong>utet wur<strong>de</strong>) und dieser<br />
Treue kam Sanherib, <strong>de</strong>r König von Assyrien, und er drang in Juda ein“ (2.Chron 32,1). Auch<br />
wur<strong>de</strong> Hiskia in jenen Tagen krank zum Sterben. Diese Krankheit muß im 14. Jahr seiner<br />
Regierung aufgetreten sein, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Genesung wur<strong>de</strong>n ihm 15 weitere Lebensjahre<br />
geschenkt, und er regierte insgesamt 29 Jahre (2.Kön 18,2). Dass die Krankheit nach <strong>de</strong>m<br />
zweiten Einfall Sanheribs erwähnt wird, dürfte vorbildliche Be<strong>de</strong>utung haben. Hiskias<br />
Übungen während seiner Krankheit stellen dar, was Israel vor seiner endgültigen Errettung<br />
durchzustehen haben wird. Es ist ein schönes und anziehen<strong>de</strong>s Bild, Hiskia –14 Jahre lang,<br />
d. h. eine doppelt vollkommene Zeit vor Gott in Wür<strong>de</strong> und Treue auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> wan<strong>de</strong>ln zu<br />
sehen.<br />
Aber nun wird er in ganz an<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> geführt. Prüfungen von außen und von innen<br />
liegen auf ihm. Der König von Assyrien bedrückt ihn und versetzt ihn in Furcht, und Gott<br />
Selbst prüft ihn tief und schmerzlich. Er scheint beim ersten Einfall Sanheribs <strong>de</strong>n Glauben<br />
verloren zu haben; an<strong>de</strong>rnfalls wäre unverständlich, daß Sanherib seinen Angriff noch<br />
fortsetzte, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n gefor<strong>de</strong>rten Tribut erhalten hatte. Die Geschichte stellt sich im<br />
Einzelnen so dar, daß Sanherib im 14. Jahre Hiskias heraufzog und einige Städte in Juda<br />
belagerte. Dam<strong>als</strong> kaufte Hiskia sich los und vereinbarte, ein bestimmtes Lösegeld zu zahlen.<br />
In <strong>de</strong>r Folge fiel Sanherib aber erneut in Juda ein – möglicherweise nach seiner Rückkehr<br />
aus Ägypten – und bedrohte Jerusalem. Zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Einfällen wur<strong>de</strong> Hiskia von<br />
einer schweren Krankheit heimgesucht und in tiefe Seelenübungen geführt. 14 Jahre lang<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 166
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
hatte er mit Gott gewan<strong>de</strong>lt, und hatte Ge<strong>de</strong>ihen. Nun steht er vor <strong>de</strong>r ersten Nie<strong>de</strong>rlage in<br />
seinem Leben. Anstatt – wie er es einst getan hatte – <strong>de</strong>n Angriff <strong>de</strong>s Königs von Assyrien<br />
abzuschlagen, kauft er sich frei.<br />
Am Anfang seiner Regierung hatte er sich ohne sichtbare Hilfsquellen gegen <strong>de</strong>n König von<br />
Assyrien empört und ihm <strong>de</strong>n Gehorsam verweigert. Jetzt dagegen, nach<strong>de</strong>m ihm Erfolg<br />
verliehen und er in Macht nach allen Seiten hin gesichert war, zeigt er sich unfähig und<br />
kraftlos, eine Stellung zu halten, die er allein durch <strong>de</strong>n Glauben errungen hatte. So erklärt<br />
sich das Versagen vieler Knechte Gottes! Wer Gott in Abhängigkeit dient, sieht Seinen<br />
Weg und geht ihn kühn und unbeirrt, selbst wenn sich keine Hilfe zum Überwin<strong>de</strong>n zeigt.<br />
Wer aber auf die Früchte seiner Treue, auf die Besitztümer und Hilfsquellen blickt, die<br />
er empfangen hat, fürchtet, sie durch ein neues Wagnis zu verlieren, zumal wenn er sie<br />
nicht von Ihm und mit Ihm besitzt. So war es mit Hiskia. Er, in <strong>de</strong>ssen Hän<strong>de</strong>n göttliche<br />
Rechte lagen, hatte <strong>de</strong>n richtigen Platz so furchtlos eingenommen, bediente sich nun aber<br />
<strong>de</strong>s unwürdigen Mittels, sich von <strong>de</strong>m Assyrer loszukaufen, <strong>de</strong>m er einst glaubensstark<br />
die Stirn geboten hatte. Welch ein Gegensatz zwischen <strong>de</strong>m Vertrauen, das <strong>de</strong>r Glaube an<br />
Gott gibt, und <strong>de</strong>r Zuversicht, die man selbst aus besten menschlichen Hilfsquellen ableiten<br />
kann! Mit Gott <strong>als</strong> Helfer kann sich Hiskia auch unter schwierigsten Umstän<strong>de</strong>n weigern,<br />
<strong>de</strong>m König von Assyrien zu dienen; im Vertrauen auf Macht und Ge<strong>de</strong>ihen aber sinkt er auf<br />
die Stellung eines Tributpflichtigen ab.<br />
Zu dieser Zeit dürfte er von seiner Krankheit heimgesucht wor<strong>de</strong>n sein. Sicherlich geschah<br />
dies nicht ohne Zweck. Gott wollte ihm <strong>de</strong>n Tod und <strong>de</strong>ssen Schrecklichkeit für <strong>de</strong>n<br />
Menschen vor Augen stellen. Durch <strong>de</strong>n Mund <strong>de</strong>s Propheten Jesaja läßt Er ihm sagen:<br />
„Bestelle <strong>de</strong>in Haus, <strong>de</strong>nn du wirst sterben und nicht genesen. Da wandte Hiskia sein<br />
Angesicht gegen die Wand und betete zu Jehova und sprach: Ach, Jehova! ge<strong>de</strong>nke doch,<br />
daß ich vor <strong>de</strong>inem Angesicht gewan<strong>de</strong>lt habe in Wahrheit und mit ungeteiltem Herzen, und<br />
daß ich getan, was gut ist in <strong>de</strong>inen Augen! Und Hiskia weinte sehr“ (Jes 38; vgl. 2.Kön 20,3).<br />
Diese Übung und Erziehung muß auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Art je<strong>de</strong>r Gläubige erfahren<br />
und ertragen. Es gilt, <strong>de</strong>n für die alte Natur furchtbaren Augenblick <strong>de</strong>r Erkenntnis <strong>de</strong>s<br />
nahen<strong>de</strong>n To<strong>de</strong>s zu überstehen, sich damit abzufin<strong>de</strong>n, daß alles, was <strong>de</strong>m Menschen teuer<br />
ist, was ihn mit seinen eigenen Werken und seinem Willen verbin<strong>de</strong>t, in Zerfall sinkt! Der<br />
Mensch, wie er in sich selbst ist, vergeht. je größer seine Stellung hier ist, je ausge<strong>de</strong>hnter<br />
seine Beschäftigungen, je angenehmer seine Verbindungen und je ausgeprägter seine<br />
Zuneigungen sind, soviel größer ist <strong>de</strong>r Schmerz, <strong>de</strong>m er im To<strong>de</strong> unterworfen ist.<br />
Hiskia war ein hervorragen<strong>de</strong>r und beson<strong>de</strong>rs nützlicher Mann, <strong>de</strong>r in Wahrheit und mit<br />
ungeteiltem Herzen vor Gott gewan<strong>de</strong>lt hatte. Er litt angesichts <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s nicht an Zweifeln<br />
über seine endgültige Errettung; son<strong>de</strong>rn ihn bedrückte die Trennung von allem, was ihn<br />
hier anzog und beschäftigte. Wie hätte er <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mittelpunkt nützlicher Wirksamkeit und<br />
Macht, und auch aus an<strong>de</strong>ren Erwägungen, es leicht hinnehmen können, daß er so plötzlich<br />
seiner Stellung und seines Wirkungsbereichs durch eine so finstere Macht wie <strong>de</strong>n Tod<br />
beraubt wer<strong>de</strong>n sollte? Wer begreift, was es heißt, von allem, was man <strong>als</strong> Mensch liebt,<br />
von <strong>de</strong>nen, die uns Liebe entgegenbringen und in ihrer Existenz an uns gebun<strong>de</strong>n sind, so<br />
jäh abgeschnitten zu wer<strong>de</strong>n, wird Hiskia nicht verurteilen, son<strong>de</strong>rn mit ihm mitfühlen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 167
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
Sein Verhalten zeigt uns, wie ein Mann Gottes, eine wie<strong>de</strong>rgeborene Seele, <strong>de</strong>n Schmerz<br />
fühlt. Was kann rühren<strong>de</strong>r sein <strong>als</strong> seine eigenen Worte über seine Seelenübungen<br />
angesichts <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Auch <strong>de</strong>r Christ muß durch <strong>de</strong>n Tod hindurchgehen, wenn er vor <strong>de</strong>r<br />
Ankunft <strong>de</strong>s Herrn von dieser Er<strong>de</strong> abgerufen wird; aber er weiß, daß er auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Seite <strong>de</strong>s Grabes, getrennt vom Fleische, Leben in Christo hat. Das Bewußtsein aber, daß<br />
ihm dieses Leben in Christo unendlich viel mehr schenkt <strong>als</strong> er im To<strong>de</strong> verliert, macht<br />
ihm das Sterben leicht. Aber wir müssen die Aufgabe unserer Existenz <strong>als</strong> Mensch bereits<br />
jetzt in sittlicher Weise im Kreuz Christi lernen; diese Aufgabe – d. h. <strong>de</strong>r Tod – ist an<br />
sich äußerst schmerzlich, wenn auch notwendig. Sie vermittelt uns nicht zuletzt auch<br />
die Erkenntnis, daß Güte und Nützlichkeit <strong>de</strong>s Menschen die Härte <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>n<br />
Schmerz nicht mil<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn noch fühlbarer machen. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei ja nicht<br />
um <strong>de</strong>n bloßen To<strong>de</strong>sschmerz eines nie<strong>de</strong>ren Lebewesens, son<strong>de</strong>rn um die jähe gewaltsame<br />
Lösung meiner Verbindung zu allem, was mich anzieht und fesselt, was das Leben wertvoll<br />
und großartig macht. Abgesehen von <strong>de</strong>m Fall, daß ein Mensch infolge tiefen Kummers<br />
o<strong>de</strong>r schwerer Krankheit von sich aus nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> verlangt, ist es immer bitter, ohne<br />
himmlische Hoffnung von alle<strong>de</strong>m abgeschnitten zu wer<strong>de</strong>n, Dieser Bitterkeit gibt Hiskia<br />
mit <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Worten Ausdruck: „In <strong>de</strong>r Ruhe meiner Tage soll ich hingehen zu <strong>de</strong>n<br />
Pforten <strong>de</strong>s Scheol, bin beraubt <strong>de</strong>s Restes meiner Jahre. Ich sprach: Ich wer<strong>de</strong> Jehova nicht<br />
sehen, Jehova im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lebendigen; ich wer<strong>de</strong> Menschen nicht mehr erblicken bei<br />
<strong>de</strong>n Bewohnern <strong>de</strong>s Totenreiches. Meine Wohnung ist abgebrochen und ward von mir<br />
weggeführt wie ein Hirtenzelt. Ich habe, <strong>de</strong>m Weber gleich, mein Leben aufgerollt: vom<br />
Trumme schnitt er mich los. Vom Tage bis zur Nacht wirst du ein En<strong>de</strong> mit mir machen!<br />
Wie eine Schwalbe, wie ein Kranich, so klagte ich; ich girrte wie die Taube. Schmachtend<br />
blickten meine Augen zur Höhe“ (Jes 38,10–12.14).<br />
Diese Worte Hiskias zeugen von <strong>de</strong>n Übungen, <strong>de</strong>nen er während dieser strengen Prüfung<br />
unterzogen wur<strong>de</strong> und die ihn zu neuer Erkenntnis führen: „O Herr, mir ist bange! Tritt<br />
<strong>als</strong> Bürge für mich ein“ (Jes 38,14)! Er sieht nun die Auferstehung, erfährt die Vergebung<br />
und kann jetzt sagen: „O Herr! durch dieses lebt man, und in je<strong>de</strong>r Hinsicht ist darin das<br />
Leben meines Geistes. Und du machst mich gesund und erhältst mich am Leben. Du, du<br />
zogest liebevoll meine Seele aus <strong>de</strong>r Vernichtung Grube; <strong>de</strong>nn alle meine Sün<strong>de</strong>n hast du<br />
hinter <strong>de</strong>inen Rücken geworfen. Der Leben<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r preist dich, wie ich heute“<br />
(Verse 16–17+19).<br />
Die Zucht hat ihr gesegnetes Ziel erreicht; die schreckliche Prüfung hat ihn gelehrt,<br />
vollkommen in Gott <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Quelle <strong>de</strong>s Lebens zu ruhen. Wer mit Gott lebt, wird das<br />
Sterben <strong>de</strong>s alten Menschen an sich und <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r damit in Verbindung stehen<strong>de</strong>n<br />
Dinge nicht hoch veranschlagen; ihm geht es darum, daß ihm <strong>de</strong>r Tod <strong>als</strong> Mensch in<br />
beson<strong>de</strong>rer Weise die Befähigung zu einem Gott entsprechen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l vermittelt. Die<br />
Verwirklichung dieser Fähigkeit be<strong>de</strong>utet die Zusammenfassung und das ENDE aller Zucht.<br />
Wer sich für tot hält und <strong>de</strong>m Geist erlaubt, Christum im Herzen lebendig zu erhalten,<br />
wird durch diese Zucht nur in <strong>de</strong>m geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, was er in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Lebens<br />
angenommen hat; aber <strong>de</strong>r Tod – hier <strong>de</strong>r sittliche Tod – ist unmittelbare Wirklichkeit<br />
und sehr schmerzlich; wir können ihn nur in <strong>de</strong>in Maße, wie wir im Leben Christi stehen,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 168
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
freudig auf uns nehmen und sagen: „Der Leben<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r preist dich, wie ich<br />
heute“.<br />
Hiskia hat eine wun<strong>de</strong>rbare Erfahrung gemacht. Er hat erlebt, was es heißt, im Tale <strong>de</strong>s<br />
To<strong>de</strong>sschattens zu wan<strong>de</strong>rn, wo die Lichter nach und nach erlöschen; er hat das Zerreißen<br />
<strong>de</strong>r silbernen Schnur, aber auch die große Macht Gottes verspürt, die ihn Me<strong>de</strong>r emporhob.<br />
Wird er nun <strong>als</strong> ein solchermaßen belehrter und in <strong>de</strong>r Erkenntnis erneuerter Mensch<br />
wan<strong>de</strong>ln? Aus seiner weiteren Geschichte ersehen wir, welchen Übungen eine so erzogene<br />
Seele unterworfen wird, wie sie erneut in <strong>de</strong>r Versuchung fällt, aber im Fallen <strong>de</strong>nnoch<br />
<strong>de</strong>n Nutzen erfahrener tiefgreifen<strong>de</strong>r Zucht beweist, <strong>de</strong>r sich – so wi<strong>de</strong>rspruchsvoll es<br />
klingen mag – in beson<strong>de</strong>rer Schwachheit und zugleich in beson<strong>de</strong>rer Stärke offenbart: <strong>de</strong>r<br />
Schwachheit <strong>de</strong>s alten Menschen und <strong>de</strong>r Kraft empfangener Gna<strong>de</strong>.<br />
Wer <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> zuschreibt, sie verhülle das Fleisch und schütze es vor Ent<strong>de</strong>ckung, verkennt<br />
ihr Wesen. Sie ist wohl bestrebt, das Fleisch zu unterdrücken und nie<strong>de</strong>rzuhalten; aber sie<br />
gibt ihm niem<strong>als</strong> eine unechte Färbung o<strong>de</strong>r einen unwahren Anstrich. Im Gegenteil, je<br />
wirksamer die Gna<strong>de</strong> ist, um so <strong>de</strong>utlicher wird die Häßlichkeit <strong>de</strong>s nicht unterworfenen<br />
und gerichteten Fleisches hervorgekehrt, so daß es nicht ungewöhnlich ist, einem Ausbruch<br />
<strong>de</strong>s Fleisches o<strong>de</strong>r seinen bloßgelegten Neigungen in <strong>de</strong>r alten Natur dort zu begegnen, wo<br />
die Gna<strong>de</strong> in ihrer ganzen Tiefe tätig wird. Als Petrus <strong>de</strong>n Herrn verleugnete, wur<strong>de</strong> sein<br />
Fleisch bloßgestellt, während ihn <strong>de</strong>r tiefe Zug <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> in seiner Seele zur Reue leitete.<br />
Nach<strong>de</strong>m Paulus in seiner Seele mit <strong>de</strong>n Reichtümern <strong>de</strong>r Herrlichkeit erfüllt wor<strong>de</strong>n war,<br />
muß ihm ein Dorn im Fleische, das sonst vielleicht gar nicht hervorgetreten wäre, gegeben<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Gna<strong>de</strong> ist es, die das Böse in mir ans Licht bringt und mich auf diesem Wege<br />
entschie<strong>de</strong>ner weiterführt. Wenn ich nahe beim Herrn wandle, wird das Böse ent<strong>de</strong>ckt<br />
wer<strong>de</strong>n, ehe es zu wirken anfängt, an<strong>de</strong>rnfalls aber verhin<strong>de</strong>rt die Tatsache, daß ich in <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> stehe, nicht die Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Bösen. Wird es erkannt und vor Gott gerichtet, so<br />
wird es hinweggetan, ohne daß es sich öffentlich in Handlungen verrät; wenn aber nicht,<br />
wird – die Gna<strong>de</strong> es nicht ver<strong>de</strong>cken. Es wird ans Licht gebracht und von Gott verurteilt<br />
wer<strong>de</strong>n, da es von mir nicht verurteilt wor<strong>de</strong>n ist; „<strong>de</strong>nn wenn wir uns selbst beurteilten,<br />
so wür<strong>de</strong>n wir nicht gerichtet“. je weiter wir in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> fortschreiten, um so mehr<br />
wird diese die mangeln<strong>de</strong> Unterdrückung <strong>de</strong>s Fleisches enthüllen, d. h., wenn wir nicht in<br />
Abhängigkeit von Gott wan<strong>de</strong>ln, von Dem wir die Gna<strong>de</strong> empfangen haben.<br />
In seinem Verhalten zu <strong>de</strong>n Gesandten von Babel verrät Hiskia seine Natur; er, <strong>de</strong>r in<br />
tiefen Seelenübungen <strong>de</strong>n Entschluß gefaßt hatte: „Ich will sachte wallen alle meine Jahre“<br />
(Jes 38,15), ist gegen die Schmeichelei <strong>de</strong>r Welt noch nicht gefeit. „Hiskia hörte sie an, und<br />
er zeigte ihnen sein ganzes Schatzhaus: das Silber und das Gold, und die Gewürze und das<br />
köstliche Öl; und sein ganzes Zeughaus, und alles, was sich in seinen Schätzen vorfand;<br />
es war nichts in seinem Hause und in seiner ganzen Herrschaft, was Hiskia ihnen nicht<br />
gezeigt hätte“ (2.Kön 20,13).<br />
Obwohl dieser Mann so tiefgreifen<strong>de</strong> Erfahrungen im Tal <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>sschattens gemacht hatte,<br />
sucht er <strong>de</strong>nnoch von Babel anerkannt und geehrt zu wer<strong>de</strong>n. Ein Knecht Gottes hätte<br />
eine solche Anerkennung abweisen sollen; aber er gab nach und brachte <strong>de</strong>mzufolge das<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 169
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hiskia<br />
Gericht über sein Haus. Welch ein schlagen<strong>de</strong>r Beweis von <strong>de</strong>r Unverbesserlichkeit <strong>de</strong>r<br />
menschlichen Natur! Wer anerkannt und geehrt wird, wird damit erprobt. Der Schmelztiegel<br />
für das Silber . . . und ein Mann nach Maßgabe seines Lobes“ (Spr 27,21). Die einfache<br />
Tatsache, daß Anerkennung und Ehre unser Fleisch befriedigen, bezeugt ein<strong>de</strong>utig die<br />
Gefahr, die damit für uns verbun<strong>de</strong>n ist. Hiskia strauchelt hinein. Welch ein Fall für einen<br />
Menschen, <strong>de</strong>r in Übungen <strong>de</strong>r Seele Tod und Auferstehung erfahren hatte! Babel verkörpert<br />
die Welt in ihrem selbstsüchtigen, unabhängigen Vorgehen; die Gunst <strong>de</strong>r Welt aber ist<br />
trügerisch. Sie gereicht nur dazu, Hiskias schwache Seite bloßzustellen; das Gericht aber<br />
trifft nicht nur ihn, son<strong>de</strong>rn sein ganzes Haus. Das Urteil richtet seine Natur, nicht nur das<br />
Ärgernis, das die Frucht <strong>de</strong>r Natur war.<br />
Wenn die Schmeichelei Babels die Schwachheit und Eitelkeit Hiskias – dies ist immer die<br />
Folge weltlichen Ge<strong>de</strong>ihens – offenbarte, so zeugt <strong>de</strong>r Einfall und die furchtbare Drohung<br />
<strong>de</strong>s Assyrers (2.Kön 18,17) nur von <strong>de</strong>r Kraft seines Vertrauens auf Gott. Die große Zucht,<br />
die er erdul<strong>de</strong>t hatte, war nicht wirkungslos geblieben. Dem Menschen gegenüber bewahrt<br />
er nunmehr eine ruhige, unerschütterliche Wür<strong>de</strong>. Es war sein Gebot angesichts <strong>de</strong>r Boten<br />
<strong>de</strong>s Königs von Assyrien: „Ihr sollt ihm nicht antworten“! aber vor Jehova. schüttet er<br />
sein Herz aus; Ihm klagt er alle seine Not. Einst hatte er in Schwachheit versucht, <strong>de</strong>n<br />
Eindringling mit Geld abzufin<strong>de</strong>n, aber jetzt zerreißt er seine Klei<strong>de</strong>r, hüllt sich. in Sacktuch<br />
und geht in das Haus Jehovas. Seiner Stellung und seinem Betragen nach verhält er sich<br />
genau umgekehrt wie bei <strong>de</strong>n Gesandten von Babel, und das entsprach einem, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
To<strong>de</strong> ernporgehoben war, <strong>de</strong>r erfahren hatte, was <strong>de</strong>r Tod wirklich ist. jetzt ist Hiskia nichts<br />
in sich selbst, son<strong>de</strong>rn seine Hoffnung ist auf Gott gerichtet.<br />
Jehova hatte ihm nicht nur Genesung von seiner Krankheit, son<strong>de</strong>rn auch Befreiung vom<br />
Assyrer verheißen (2.Kön 20,6), und Sein Sieg ist immer vollständig, sowohl über uns<br />
selbst <strong>als</strong> auch über je<strong>de</strong>n Unterdrücker. Unter <strong>de</strong>m gefährlichen Einfluß eines Systems <strong>de</strong>r<br />
Huldigung und Schmeichelei war Hiskia im Verkehr mit <strong>de</strong>n Gesandten von Babel gefallen<br />
und mußte unter <strong>de</strong>r Regierung Gottes durch die Bekanntschaft mit <strong>de</strong>m Tod und das, was<br />
Gott im To<strong>de</strong> ist, zurechtgebracht wer<strong>de</strong>n. Unter <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>s Assyrers aber wen<strong>de</strong>t er<br />
sich zu Gott und erfährt eine wun<strong>de</strong>rbare Errettung aus <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r Assyrer durch das<br />
Eingreifen Gottes. Dies ist das letzte Ereignis, das die Schrift aus seinem Leben berichtet.<br />
Es schließt in geeigneter Weise die Geschichte seiner Erziehung ab. Er hat erfahren, daß<br />
ein durch das Tal <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s geführter Mensch leichter ausharren kann, wenn Tod und<br />
Bedrückung vor ihm stehen, <strong>als</strong> wenn er anerkannt und schmeichelnd geehrt wird, und er<br />
hat gelernt, daß alles Fleisch Gras ist. Gott wird nun alles in allem für seine Seele. Wenn<br />
wir dahingelangt sind, ist <strong>de</strong>r Zweck aller Erziehung erreicht. Möchten wir lernen und in<br />
Geduld wan<strong>de</strong>ln, damit wir vollkommen wer<strong>de</strong>n und nichts ermangeln!<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 170
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
Jesaja<br />
Für eine Zeit wie die heutige ist es lehrreich, die Erziehung zu studieren, <strong>de</strong>r die Propheten<br />
<strong>de</strong>s Alten Testaments unterworfen waren. Zweck dieser Erziehung war es, die Wahrheit<br />
Gottes unter Seinem Volke neu zu beleben und diesem für <strong>de</strong>n Fall mangeln<strong>de</strong>r Bußfertigkeit<br />
das Urteil zu verkün<strong>de</strong>n. Daher war es das Bestreben Satans in jenen Zeiten f<strong>als</strong>che<br />
Propheten einzuschleusen, ebenso wie es heute f<strong>als</strong>che Lehren gibt.<br />
Jesaja weissagte in <strong>de</strong>n Tagen Ussijas, Jothams, Ahas und Jehiskias. Die Wahrheit, von <strong>de</strong>r<br />
er zeugen sollte, wird ihm durch ein Gesicht vermittelt. Es geht um Juda und Jerusalem,<br />
<strong>de</strong>n königlichen Stamm, die Stadt Gottes und <strong>de</strong>n Abfall Judas. „Mein Volk hat kein<br />
Verständnis . . . Von <strong>de</strong>r Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesun<strong>de</strong>s an ihm“, und <strong>de</strong>nnoch:<br />
„Zion wird erlöst wer<strong>de</strong>n durch Gericht, und seine Rückkehren<strong>de</strong>n durch Gerechtigkeit“.<br />
„Das Wort, welches Jesaja, <strong>de</strong>r Sohn Amoz, über Jerusalem und Juda geschaut hat“, ist in<br />
<strong>de</strong>n Kapiteln 2–5 verzeichnet.<br />
Auf das Gesicht und das Wort Jehovas folgen nun die persönlichen Erfahrungen <strong>de</strong>s<br />
Propheten (Kap 6). Er sieht Jehova in Herrlichkeit, <strong>de</strong>n König, <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r Heerscharen.<br />
Das Anschauen dieser Herrlichkeit aber bewirkt die Befähigung zum Dienst. Diese<br />
Unterweisung schlägt Wurzeln; sie macht <strong>de</strong>n Propheten zum geeigneten Kanal <strong>de</strong>r<br />
Mitteilungen Gottes. „Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah“ (Joh 12, 41). Die<br />
Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Dienst dürfte sich danach richten, in welchem Maße die Seele von <strong>de</strong>m<br />
Bewußtsein <strong>de</strong>s Gefühls <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes erfüllt ist, so daß im Ergebnis <strong>de</strong>r Zustand<br />
<strong>de</strong>r Seele mit <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Dienstes übereinstimmt. Die Erscheinung Jehovas in Herrlichkeit<br />
wur<strong>de</strong> nicht auf einige wenige Personen beschränkt, son<strong>de</strong>rn ist in gewissem Maße je<strong>de</strong>m<br />
Seiner Knechte zuteil gewor<strong>de</strong>n. Sie prägte <strong>de</strong>n Charakter und das Ausmaß ihres Auftrages.<br />
Je nach<strong>de</strong>m, wie Gott <strong>de</strong>m Einzelnen erschien, so offenbarte Er Sich ihm; wie Er Sich<br />
aber offenbarte, so bestimmte Er auch <strong>de</strong>n Dienst. Er erschien <strong>de</strong>m Abraham, <strong>de</strong>m Mose,<br />
<strong>de</strong>m Josua in Seiner Herrlichkeit, aber doch jeweils in einem beson<strong>de</strong>ren Charakter und<br />
bestimmte dadurch die Linie <strong>de</strong>r Sendung <strong>de</strong>s einzelnen Knechtes. Da gab Er ihnen Seine<br />
Gedanken im Umriß, und sie erhielten <strong>de</strong>n Eindruck, <strong>de</strong>n sie in ihrem irdischen Lauf niem<strong>als</strong><br />
vergessen sollten. So empfing Paulus sein Evangelium, und strauchelte er in diesen Begriffen,<br />
mußte er zu <strong>de</strong>m zurückkehren, was dam<strong>als</strong> durch <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s lebendigen Gottes in seine<br />
Seele geschrieben wor<strong>de</strong>n war. So wird auch Jesaja für die Pflichten seines Amtes zubereitet.<br />
Jehova erscheint auch ihm in Herrlichkeit und stellt ihm, wie immer, <strong>de</strong>n schrecklichen<br />
Gegensatz zwischen seiner Natur und <strong>de</strong>r Heiligkeit Gottes vor. Dies gereicht zu einer tiefen<br />
Erkenntnis seiner eigenen Untauglichkeit für Gott, die ihn mit Furcht und Scham erfüllt.<br />
Die Gegenwart <strong>de</strong>r Herrlichkeit bewirkt stets eine umfassen<strong>de</strong> persönliche Demütigung;<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 171
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
aber sie reicht auch Gna<strong>de</strong> dar. Eine glühen<strong>de</strong> Kohle vom Altar berührt seine Lippen wie<br />
<strong>de</strong>r Kuß <strong>de</strong>n verlorenen Sohn und das Wort überzeugt sein Herz von <strong>de</strong>r Wirksamkeit<br />
dieser gna<strong>de</strong>nvollen Berührung: „Siehe, dieses hat <strong>de</strong>ine Lippen berührt; und so ist <strong>de</strong>ine<br />
Ungerechtigkeit gewichen und <strong>de</strong>ine Sün<strong>de</strong> gesühnt“. Der begna<strong>de</strong>te Knecht erhält eine<br />
wun<strong>de</strong>rbare Offenbarung durch die Versicherung, daß er in <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes von <strong>de</strong>r<br />
Ungerechtigkeit befreit und seine Sün<strong>de</strong> gesühnt ist. Das ist nicht die erste Lektion, wohl<br />
aber die größte, die <strong>de</strong>n Knecht in seinem Lauf am wirksamsten stärken wird. Die Frucht<br />
dieser Erziehung zeigt sich <strong>als</strong>bald. Als Jehova ruft: „Wen soll ich sen<strong>de</strong>n?“ antwortet Jesaja<br />
bereitwillig: „Hier bin ich, sen<strong>de</strong> mich! Dann erhält er seinen Auftrag, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Zustand<br />
Israels von jenem bis zum heutigen Tage entspricht und auf <strong>de</strong>n sich unser Herr in Joh 12<br />
und <strong>de</strong>r Apostel Paulus in Apg 28 bezieht.<br />
Jehova weist <strong>de</strong>n Propheten sodann an: „Gehe doch hinaus, <strong>de</strong>m Ahas entgegen, du und<br />
<strong>de</strong>in Sohn Schear-Jaschub, an das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wasserleitung <strong>de</strong>s oberen Teiches, nach <strong>de</strong>r<br />
Straße <strong>de</strong>s Walkerfel<strong>de</strong>s hin“. Diese Botschaft Gottes wird ihm und seinem Sohn anvertraut.<br />
Welch anziehen<strong>de</strong>r Ausdruck völliger Treue! Aber es ist auch bemerkenswert, wie <strong>de</strong>r Vater<br />
vor Gott steht und im Kin<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Glaube <strong>de</strong>s Vaters <strong>de</strong>utlich wird.<br />
Den Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Worten, die <strong>de</strong>r Prophet <strong>de</strong>m König Ahas <strong>als</strong> die Gedanken<br />
und Gna<strong>de</strong>nabsichten Gottes mitteilt, und <strong>de</strong>m, was er selbst praktisch darstellen soll,<br />
zeigt die folgen<strong>de</strong> Anweisung (Kap 8,1). Jesaja hat eine große Tafel zu nehmen und darauf<br />
mit Menschengriffel zu schreiben: „Es eilt <strong>de</strong>r Raub, bald kommt die Beute“. So wird<br />
berichtet, daß ein Eilen zur Beute stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, und es ist <strong>de</strong>r Sohn <strong>de</strong>s Propheten, <strong>de</strong>r<br />
durch seinen Namen von dieser gnädigen Dazwischenkunft Gottes Zeugnis ablegt. Wie<br />
be<strong>de</strong>utungsvoll ist Jesajas Hingabe an Gott; sie bewirkt, daß alles, was von ihm ausgeht –<br />
die Nachkommenschaft ist ein anschauliches Bild hiervon – in lebendiger Darstellung die<br />
Gedanken und die Gunst Gottes an<strong>de</strong>utet! Wie gesegnet ist es, wenn <strong>de</strong>r Knecht nicht nur<br />
die Gedanken und Absichten Gottes offenbart, son<strong>de</strong>rn auch in seinem Sohn, seinem eigenen<br />
Geschlecht, praktisch das Zeugnis <strong>de</strong>r jeweiligen Wege Gottes zum Ausdruck kommt. Wie<br />
wirkungsvoll hat sich die Erziehung Gottes erwiesen, wenn <strong>de</strong>r Knecht zugleich Gottes<br />
Werkzeug und Zeuge ist!<br />
Der Prophet erkannte <strong>als</strong>o die Dinge nicht nur so, wie sie sich tatsächlich darstellten,<br />
son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> von Gott auch unterwiesen, sie in <strong>de</strong>r Ordnung zu sehen, wie sie hernach<br />
zur Herrlichkeit Gottes verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n sollten, wie sie einmal sein wür<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Folge<br />
berichtet er: Denn <strong>als</strong>o hat Jehova zu mir gesprochen, in<strong>de</strong>m seine Hand stark auf mir war<br />
und er mich warnte, nicht auf <strong>de</strong>m Wege dieses Volkes zu wan<strong>de</strong>ln“. Dann wer<strong>de</strong>n ihm die<br />
Gedanken Christi während Dessen Verwerfung mitgeteilt (Verse 12–18) und <strong>de</strong>r Prophet<br />
stellt Ihn in seinem eigenen Herzen dar. Jehova hat ihn mit starker Hand gewarnt und ihm<br />
Erkenntnis über Seine Gedanken für <strong>de</strong>n nämlichen Zeitraum geschenkt, in <strong>de</strong>m wir leben.<br />
Was nun folgt, zeigt <strong>de</strong>n Kummer Israels (Kap 9–22).<br />
Dass <strong>de</strong>m Propheten <strong>de</strong>r Beginn und die Vollendung <strong>de</strong>s Segens vorgestellt wer<strong>de</strong>n (Kap<br />
9,1–7) beweist, wie ihn <strong>de</strong>r Herr für Seinen Dienst in arger Zeit – Jesaja lebte während<br />
<strong>de</strong>r ganzen 16jährigen Regierungszeit <strong>de</strong>s Ahas und mehr <strong>als</strong> 25 Jahre unter <strong>de</strong>r Regierung<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 172
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
Hiskias – vor und zubereitet. Welch eine traurige, eigenartige Zeit war das! Welch ein<br />
Gegensatz zwischen <strong>de</strong>r Geschichte unseres Propheten und <strong>de</strong>r Geschichte Israels nach<br />
2.Kön 16! Wie umfassend war er aber auch durch gesegnete Unterweisungen zu einer<br />
gottgemäßen Behandlung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s Bösen ausgerüstet, das sich dam<strong>als</strong><br />
in Israel breitmachte. Seine Erziehung geschah durch das Wort, und das ist besser <strong>als</strong> eine<br />
Erziehung durch die Umstän<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam, und unter<br />
seinem Einfluß wird man „entsetzt“ wie Daniel.<br />
Ahas war <strong>de</strong>r erste König von Juda, <strong>de</strong>r seinen Sohn durchs Feuer gehen ließ. Er nahm<br />
daher <strong>de</strong>n ver<strong>de</strong>rblichen Götzendienst an, <strong>de</strong>r sich in Israel eingenistet hatte und wan<strong>de</strong>lte<br />
so in <strong>de</strong>n Wegen <strong>de</strong>r Könige von Israel. Die sittliche Linie, die Juda vom Zehnstämme-Reich<br />
geschie<strong>de</strong>n hatte, verschwand auf diese Weise mehr und mehr zugunsten einer Entwicklung,<br />
wie sie auch in <strong>de</strong>r Christenheit zu beobachten ist, wo sich die Verteidigung <strong>de</strong>r Bibel und<br />
<strong>de</strong>r Rechte Gottes immer stärker ver<strong>de</strong>rblichen Einflüssen unterwerfen. Ahas opferte und<br />
räucherte auf <strong>de</strong>n Höhen, auf <strong>de</strong>n Bergen und unter je<strong>de</strong>m grünen Baum. Er suchte seine<br />
Hilfe bei Tiglath-Pileser und vervollständigte seinen Abfall dadurch, daß er einen Altar<br />
nach <strong>de</strong>m Muster, das er in Damaskus gesehen hatte, errichtete. So sah es um diese Zeit<br />
<strong>de</strong>r Prophetie Jesajas in Juda aus, und dieser Zustand hielt an, bis Ahas starb (Kap 14). Die<br />
Belehrung, die Jesajas in dieser schweren Zeit erhielt, befähigte und ermächtigte ihn, <strong>de</strong>n<br />
Überrest zu <strong>de</strong>n Absichten und Ratschlüssen Gottes zurückzuführen. Was das Sichtbare<br />
anging, So war alles, vom Throne an abwärts, dazu angetan, ihn zu entmutigen; aber die ihm<br />
gegebenen Mitteilungen waren so lebendig und einzigartig, daß er sich über alles Sichtbare<br />
erheben und in <strong>de</strong>n schönen Bereich <strong>de</strong>r zukünftigen Wege Gottes auf Er<strong>de</strong>n versenken<br />
konnte, wie es einem gottesfürchtigen Ju<strong>de</strong>n entsprach.<br />
Ein kurzer Überblick über die weitere Prophetie <strong>de</strong>s Jesajas führt uns zunächst die zukünftige<br />
Segnung Israels vor Augen, die im Galiäa <strong>de</strong>r Nationen begann und sich bis zu ihrer<br />
Vollendung im Reiche erstreckt (Kap 9, 1–7, s. a. Fußnote V. 1). Auf welche gesegnete Weise<br />
muß eine solche Enthüllung <strong>de</strong>n Seher für <strong>de</strong>n Dienst Jehovas in jenen bösen Tagen gestärkt<br />
haben! <strong>de</strong>nn nichts läßt uns so über <strong>de</strong>n Dingen stehen wie das Wissen um ihren Ausgang,<br />
Wer das Geheimnis <strong>de</strong>s Ergebnisses kennt, hat <strong>de</strong>n Schlüssel <strong>de</strong>r Stellung. Dieser Schlüssel<br />
wird hier <strong>de</strong>m Jesaja anvertraut; aber je<strong>de</strong>r wahre Knecht Gottes wird in böser Zeit durch<br />
die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn in ähnlicher Weise ausgerüstet wer<strong>de</strong>n. Er wird vor <strong>de</strong>r Zeit erfahren,<br />
ob das Volk Gottes gesegnet o<strong>de</strong>r infolge seiner Bosheit gezüchtigt wer<strong>de</strong>n soll. Aber die<br />
Gna<strong>de</strong> und die Gerechtigkeit Gottes wer<strong>de</strong>n durch die Schlechtigkeit <strong>de</strong>s Menschen nur<br />
noch augenscheinlicher hervorgekehrt.<br />
Daher wird Jesaja nicht nur die zukünftige Errettung <strong>de</strong>s Volkes Gottes gezeigt, son<strong>de</strong>rn<br />
auch das über Israel verhängte Gericht, wie <strong>de</strong>r Assyrer, „die Rute meines Zorns“, es<br />
zertreten wird gleich Straßenkot (vgl. Kap 10, 5+6). Dann wird <strong>de</strong>r Überrest umkehren<br />
(V. 21), wie <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Sohnes <strong>de</strong>s Propheten – Schear-Jaschub – besagt (vgl. 7,3). Es ist<br />
sehr ermutigend für einen Knecht Gottes in einer solchen Zeit, daß sein eigener Sohn einen<br />
solchen beziehungsvollen Namen trägt.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 173
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
Wie verschie<strong>de</strong>nartig und passend sind doch die Metho<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r gepriesene Gott<br />
<strong>de</strong>n Knecht in Seinem Dienst erquickt und befestigt.<br />
Nach <strong>de</strong>m Einblick in <strong>de</strong>n Zustand und die Segnungen <strong>de</strong>s Überrestes im Einzelnen (bis<br />
zum En<strong>de</strong> von Kap 12) wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Propheten <strong>de</strong>r Aufstieg und <strong>de</strong>r Fall Babels geoffenbart<br />
(Kap 13 u. 14 bis Vers 27). Es ist bemerkenswert, daß Babel zu jener Zeit geschichtlich völlig<br />
unbe<strong>de</strong>utend war; aber <strong>de</strong>r Geist Gottes urteilt nicht nach menschlichem, son<strong>de</strong>rn nach<br />
Seinem Eigenen Maßstab und unterweist Seinen Knecht, wie Er Babel einschätzt und wie<br />
böse die Grundsätze waren, die es entwickelt hatte. Diese Art und Weise, wie dies geschieht,<br />
verdient unsere volle Aufmerksamkeit, weil sie uns zeigt, wie ein Knecht Gottes für die<br />
Zeiten und Umstän<strong>de</strong>, in die er gestellt ist, zubereitet wird.<br />
Jesaja betritt nun einen neuen Zeitraum, Hiskia hat <strong>de</strong>n Thron bestiegen, Durch ihn<br />
wird Juda Rettung erlangen; aber erst muß das Gericht kommen. Der Prophet schil<strong>de</strong>rt<br />
zunächst in einer kurzen Zusammenfassung die Lei<strong>de</strong>n Israels und die Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
<strong>de</strong>s Überrestes (Kap 14,28–32). In alle<strong>de</strong>m müssen ihm in solchen Zeiten das Wort und<br />
<strong>de</strong>r Ratschluß Gottes zur eigenen Belehrung und Bewahrung gereichen, wenn er die ihm<br />
verordnete Aufgabe gottgemäß lösen will. Erst hernach wird gezeigt, wie umfassend er<br />
für diesen Platz zubereitet und wie sehr er mit <strong>de</strong>n Absichten Gottes vertraut war. Für<br />
einen Diener, <strong>de</strong>r – wie Jesaja – in <strong>de</strong>r Herrlichkeit <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes zur Ruhe gelangt<br />
ist, gibt es nur eine wirksame Vorbereitung: die Erziehung durch das Wort; und Jesaja<br />
erfährt in <strong>de</strong>r Folge (Kap 15 bis 36), was Juda und die mit ihm in Verbindung stehen<strong>de</strong>n<br />
Nationen in <strong>de</strong>n Augen Gottes sind. Nach<strong>de</strong>m ihm auch das Gericht Gottes über Moab,<br />
Damaskus, Äthiopien und Ägypten – eingeleitet durch die assyrische Macht – gezeigt<br />
wor<strong>de</strong>n ist, tritt er selbst <strong>als</strong> Zeuge <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n, die sie erdul<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n (Kap 20,2) auf,<br />
in<strong>de</strong>m er das Sacktuch von seinen Len<strong>de</strong>n löst, seine Sandalen von seinen Füßen zieht<br />
und nackt und barfuß einhergeht. So erfährt er im Vorbild am eigenen Leibe dieselben<br />
Lei<strong>de</strong>n, die er <strong>de</strong>n Aufsässigen und Gedankenlosen prophezeit; unverdient erdul<strong>de</strong>t er was<br />
sie verdientermaßen erdul<strong>de</strong>n müssen, und das, obwohl es sich um Ägypten han<strong>de</strong>lt. So<br />
wird er zu einem lebendigen Selbstzeugnis <strong>de</strong>ssen, was er bewußt und mit Anteilnahme<br />
voraussagt. Das ist eine sehr notwendige Übung für <strong>de</strong>n Propheten, <strong>de</strong>r damit die dritte<br />
Stufe seiner Erziehung -nach <strong>de</strong>r Ruhe in <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes und <strong>de</strong>r Gewißheit, daß<br />
Gottes Gedanken auch durch seine Nachkommen bezeugt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, nunmehr das<br />
persönliche Lei<strong>de</strong>n <strong>als</strong> Darstellung <strong>de</strong>s prophetischen Wortes – erreicht hat.<br />
Eine an<strong>de</strong>re sehr notwendige Erfahrung folgt unmittelbar (Kap 21). In seinem Geist nimmt er<br />
nun schreckliche Dinge wahr, <strong>de</strong>ren Verwirklichung ihm Kummer und Sorge bereiten. Voll<br />
Schmerz und Pein sieht er das Emporkommen <strong>de</strong>r Perser und wie diese Babel vernichten.<br />
Der Räuber raubt, und er krümmt sich, daß er nicht hören, ist bestürzt, daß er nicht sehen<br />
kann. Der Prophet ist keine bloße Maschine; er versteht und fühlt Art und Charakter <strong>de</strong>r<br />
Dinge, die er bedient. Der Fall Babylons hat ihn nahezu überwältigt, obwohl damit die<br />
Nation gerichtet wird, die ehe<strong>de</strong>m die Geißel Israels war. Jesaja empfin<strong>de</strong>t in seiner Seele vor<br />
Jehova die ganze Schrecklichkeit <strong>de</strong>s Gerichts. Er ist kein unbeteiligter Zuschauer, son<strong>de</strong>rn<br />
Teilhaber <strong>de</strong>r Trübsale, die vor seinen Augen vorüberziehen, bevor irgen<strong>de</strong>in an<strong>de</strong>rer lei<strong>de</strong>t,<br />
und das ist wahre Erziehung, wenn <strong>de</strong>r Knecht die Art und Wirkung <strong>de</strong>r Wahrheiten,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 174
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
die er verkün<strong>de</strong>t, persönlich verspürt. In seinem Gemüt beson<strong>de</strong>rs erschüttert aber wird<br />
er von <strong>de</strong>r Welle <strong>de</strong>s Zorns, die über das Ju<strong>de</strong>ntum kommt (Kap 22). Er klagt: „Schauet<br />
von mir weg, daß ich bitterlich weine; dringet nicht in mich, um mich zu trösten über die<br />
Zerstörung <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes!“ (22,4). Nach diesem Kummer <strong>de</strong>s Herzens führt<br />
ihn seine Sendung zu Schebna, <strong>de</strong>r über das Haus ist“ (V. 13), um ihm anzukündigen, daß<br />
alle seine Größe, selbst die mit seinem Grab verbun<strong>de</strong>ne, verschwin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>; er soll zum<br />
Beispiel für die Art <strong>de</strong>s Gerichts über Jerusalem wer<strong>de</strong>n. Jehova wird „zu einem Knäuel<br />
dich fest zusammenrollen, wie einen Ball dich wegschleu<strong>de</strong>rn in ein geräumiges Land. Dort<br />
sollst du sterben und dorthin sollen <strong>de</strong>ine Prachtwagen kommen, du Schan<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hauses<br />
<strong>de</strong>ines Herrn!“ Und <strong>de</strong>nnoch sollte diesem Hause in <strong>de</strong>r Person Eljakims Errettung wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Augenblick <strong>de</strong>s Gerichts wird <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgebeugte Knecht durch <strong>de</strong>n Ausblick auf die<br />
zukünftige Wie<strong>de</strong>rherstellung getröstet. Doch die Fülle und <strong>de</strong>r gründliche Charakter <strong>de</strong>s<br />
überwältigen<strong>de</strong>n Gerichts wird so weitgehend enthüllt, daß Jesaja, obgleich er die Gna<strong>de</strong><br />
Jehovas sieht, erkennt, was er selbst ist. So ruft er aus: „Ich vergehe, ich vergehe, wehe mir!“<br />
und verkün<strong>de</strong>t: „Die Er<strong>de</strong> klafft auseinan<strong>de</strong>r, die Er<strong>de</strong> zerberstet, die Er<strong>de</strong> schwankt hin<br />
und her; die Er<strong>de</strong> taumelt wie ein Trunkener und schaukelt wie eine Hängematte“ (Kap<br />
24,16+19). Aber wenn im Gericht <strong>de</strong>r Mond mit Scham be<strong>de</strong>ckt und die Sonne beschämt<br />
wird, herrscht „Jehova <strong>de</strong>r Heerscharen <strong>als</strong> König auf <strong>de</strong>m Berge Zion und in Jerusalem,<br />
und vor seinen Ältesten ist Herrlichkeit“.<br />
Angesichts dieser Erfahrung verwan<strong>de</strong>lt sich <strong>de</strong>r Kummer <strong>de</strong>s Propheten wegen <strong>de</strong>s<br />
drohen<strong>de</strong>n Gerichts in Lobpreis über das Reich und die Herrlichkeit. Da dieses Ziel aber<br />
nur durch Gericht erreicht wer<strong>de</strong>n kann, fährt <strong>de</strong>r Prophet fort, <strong>de</strong>n schweren Weg zu<br />
beschreiben, <strong>de</strong>n sie geführt wer<strong>de</strong>n sollten und warnt sie, sich durch die Prüfungen<br />
verleiten zu lassen, nach Ägypten hinabzuziehen (Kap 27–36). Aber anziehend ist die<br />
persönliche Verbun<strong>de</strong>nheit mit Gott, die darin zum Ausdruck kommt, daß er die großen<br />
Tatsachen erfährt und in seiner Seele durchschreiten darf, noch ehe er sie verkündigt. So<br />
wird er gewissermaßen zum Herrn <strong>de</strong>r Geschichte und ist doch zugleich Geschichtsschreiber,<br />
<strong>de</strong>r so vollständig in <strong>de</strong>m künftigen Geschehen aufzugehen vermag, dass er es mit<br />
lebendigem, persönlichem Interesse schil<strong>de</strong>rn kann, so wie große Geschichtsschreiber<br />
die Schauplätze großer Taten besucht haben, um die Empfindungen eines wirklich daran<br />
Beteiligten erfassen zu können. Der historische Bericht eines Beteiligten o<strong>de</strong>r Augenzeugen<br />
wirkt naturgemäß ganz an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> <strong>de</strong>r eines Unbeteiligten. So ist auch für <strong>de</strong>n Lehrer<br />
die persönliche Erfahrung in <strong>de</strong>n Wahrheiten, die er predigt o<strong>de</strong>r verkündigt, von<br />
unschätzbarem Wert.<br />
In <strong>de</strong>r fortlaufen<strong>de</strong>n Betrachtung kommen wir nun zu Sanheribs Einfall in Israel.<br />
Hiskia, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n zukünftigen Überrest darstellt, erlebt in diesem Zusammenhang zwei<br />
Prüfungen und zwei Errettungen: eine äußere aus <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Assyrers und eine<br />
innere, die gewissermaßen einer Auferstehung aus <strong>de</strong>n Toten gleicht. Gegenstand unserer<br />
Aufmerksamkeit ist in erster Linie die Rolle, die Jesaja in diesen bei<strong>de</strong>n Prüfungen spielt. Die<br />
Weise, wie ein Knecht han<strong>de</strong>lt, enthüllt die Wirkung <strong>de</strong>r Zucht, die er durchgemacht hat.<br />
Je<strong>de</strong>r Knecht benötigt und empfängt – wenn er darauf wartet – die geeignete Vorbereitung<br />
für <strong>de</strong>n Dienst. Wie gut ist, daß er diesen Dienst nicht kennt. Er wür<strong>de</strong> sonst darüber<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 175
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
nach<strong>de</strong>nken, wie er han<strong>de</strong>ln sollte, statt sich einfach von Gott vorbereiten zu lassen. Das<br />
läßt sich immer wie<strong>de</strong>r feststellen. Aber selbst die beste menschliche Vorbereitung und<br />
Durchführung eines göttlichen Auftrages reichen nicht hin; es bedarf hierzu <strong>de</strong>r lebendigen<br />
Kraft, die Gott allein darreichen kann und die Er <strong>de</strong>m verleiht, <strong>de</strong>n Er Selbst befähigt und<br />
zubereitet hat, auch wenn sich <strong>de</strong>r Diener <strong>de</strong>ssen nicht bewußt ist. Ein wahrer Knecht<br />
gleicht einem Garten, in <strong>de</strong>m je<strong>de</strong> Art von Frucht wächst, die <strong>de</strong>r Besitzer wünscht. Er weiß<br />
nicht, was von ihm verlangt wird, aber er ist zugerüstet, bereit zum Dienst, wenn Sein Herr<br />
es wünscht. Ist Mangel an Dienst, so ist das wohl darauf zurückzuführen, daß es an dieser<br />
Vorbereitung fehlt, die allein bewirkt wird durch das Wort Gottes. Deshalb muß sich <strong>de</strong>r<br />
Knecht unablässig mit <strong>de</strong>m Wort beschäftigen und so durchdringen lassen, daß er Gottes<br />
Willen gemäß han<strong>de</strong>ln kann, wenn die Auffor<strong>de</strong>rung dazu erfolgt.<br />
Es ist für je<strong>de</strong>n Knecht anziehend und be<strong>de</strong>utsam, die Art und Weisung seiner Zurüstung für<br />
<strong>de</strong>n Dienst zu verstehen. je schwieriger die Art <strong>de</strong>s Dienstes ist, <strong>de</strong>sto größer das Bedürfnis<br />
nach Vorbereitung. Erst wenn diese Erziehung zu abhängiger Bereitschaft gediehen ist,<br />
erfahren wir unseren Auftrag. Anweisungen, die uns vor<strong>de</strong>m gegeben wer<strong>de</strong>n, gleichen<br />
<strong>de</strong>n versiegelten Befehlen, die <strong>de</strong>r Kapitän eines Schiffes vor <strong>de</strong>m Auslaufen mit <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>r<br />
empfängt, sie erst auf hoher See zu öffnen. Es soll damit sichergestellt wer<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r<br />
Dienst nicht nach unseren Gedanken und Wünschen ausgerichtet, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>r Kraft<br />
gestaltet wird, die nach <strong>de</strong>r Weise und <strong>de</strong>n Gedanken Gottes wirkt. Das soll nicht heißen,<br />
daß sich <strong>de</strong>r Sprecher mit <strong>de</strong>m auszulegen<strong>de</strong>n Schriftwort nicht schon früher beschäftigt<br />
haben darf; aber es besteht die Gefahr, daß er sich sonst mehr von seiner Erkenntnis <strong>als</strong><br />
von <strong>de</strong>r Macht Christi, von <strong>de</strong>r Kraft und Salbung leiten läßt, die nur in Seiner Gegenwart<br />
erlangt wer<strong>de</strong>n können und ohne die selbst die größte Wahrheit, auch wenn sie in <strong>de</strong>r<br />
vollkommensten Weise dargeboten wird, kraft- und wirkungslos ist. Wer aber wahrhaft<br />
zubereitet ist, wird sicher nicht <strong>de</strong>r Einsicht ermangeln, die doch zweifellos zu seinem<br />
Dienste gehört und <strong>de</strong>shalb wesentlicher Teil <strong>de</strong>r Vorbereitung sein muß.<br />
So sind auch <strong>de</strong>m Propheten Jesaja viele Wahrheiten mitgeteilt wor<strong>de</strong>n, ehe er zu<br />
irgen<strong>de</strong>inem Dienst berufen wur<strong>de</strong>, aber die Art <strong>de</strong>s Dienstes, auf <strong>de</strong>n er vorbereitet wur<strong>de</strong>,<br />
erfuhr er nicht. Auch Abraham wußte nicht, daß <strong>de</strong>r Besuch und <strong>de</strong>r Segen Melchise<strong>de</strong>ks<br />
ihn auf das Zusammentreffen mit <strong>de</strong>m König von Sodom und <strong>de</strong>ssen Angebot vorbereiten<br />
sollten; aber <strong>als</strong> es dazu kam, zeigte er sich <strong>als</strong> so gründlich unterwiesen, daß er entschie<strong>de</strong>n<br />
alles Angebotene zurückwies – vom Fa<strong>de</strong>n bis zum Schuhriemen. Mose mußte sich 40<br />
Tage in <strong>de</strong>r Herrlichkeit aufhalten, einmal um die wahre, ganze Gestalt <strong>de</strong>r Stiftshütte<br />
kennenzulernen, zum an<strong>de</strong>rn aber auch, um sittlich für <strong>de</strong>n großen Dienst ausgerüstet<br />
zu wer<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>m er infolge <strong>de</strong>r Abgötterei Israels gerufen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Daher weiß<br />
er ohne Zögern und Unsicherheit, wie er zu han<strong>de</strong>ln hat, <strong>als</strong> er vom Berge herabsteigt<br />
und <strong>de</strong>n Abfall <strong>de</strong>s Volkes sieht – wie groß und furchtbar die Überraschung für ihn auch<br />
gewesen sein mag. Er hat we<strong>de</strong>r Menschenfurcht noch Zweifel an Gott; <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Augenblick fin<strong>de</strong>t ihn gewappnet und entschlussfähig. Er han<strong>de</strong>lt Gott gemäß, in<strong>de</strong>m er das<br />
Zelt nimmt und es weit außerhalb <strong>de</strong>s Lagers aufschlägt, abgeson<strong>de</strong>rt vom Götzendienst <strong>de</strong>s<br />
abtrünnigen Volkes. Die Vorbereitung <strong>de</strong>s Apostels Paulus auf <strong>de</strong>n Dienst ersehen wir aus<br />
<strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s Herrn „Hierzu bin ich dir erschienen, dich zu einem Diener und Zeugen zu<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
verordnen, sowohl <strong>de</strong>ssen, was du gesehen hast, <strong>als</strong> auch worin ich dir erscheinen wer<strong>de</strong>“.<br />
Und Petrus ist, <strong>als</strong> er das in Apg 10 beschriebene Gesicht sieht, mehr von <strong>de</strong>n Gedanken<br />
und <strong>de</strong>m Ratschluß Gottes <strong>als</strong> von <strong>de</strong>n Ausdrucksformen gegenüber Kornelius beeindruckt.<br />
Wenn wir wahrhaft und völlig von <strong>de</strong>n Gedanken Gottes erfüllt sind, ist die Art und Weise<br />
ihrer Darstellung auch in Übereinstimmung mit Seinem Willen.<br />
So wird Jesaja – nach<strong>de</strong>m er von Gottes Gedanken über Israel und alle mit Israel in<br />
Verbindung stehen<strong>de</strong>n Nationen erfahren hat – im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Augenblick zum Han<strong>de</strong>ln<br />
in <strong>de</strong>r zweifachen Prüfung Hiskias gerufen. Sein Dienst ist beispielhaft. Er ist <strong>de</strong>m König –<br />
<strong>de</strong>r Knecht Gottes sollte <strong>als</strong> solcher bekannt sein – nicht fremd und wird von ihm gerufen.<br />
„Und die Knechte <strong>de</strong>s Königs Hiskias kamen zu Jesaja“, um die Gedanken Jehovas durch<br />
ihn zu erfahren. Jesaja antwortet ihnen: „Also sollt ihr zu eurem Herrn sagen: So spricht<br />
Jehova: Fürchte dich nicht vor <strong>de</strong>n Worten, die du gehört hast, womit die Diener <strong>de</strong>s Königs<br />
von Assyrien mich gelästert haben. Siehe, ich will ihm einen Geist eingeben, daß er ein<br />
Gerücht hören und in sein Land zurückkehren wird, und ich will ihn durchs Schwert fällen<br />
in seinem Lan<strong>de</strong>“. Jesaja hat keine Furcht. Der Feind erscheint ihm <strong>als</strong> ungefährlich, weil<br />
seine Seele von <strong>de</strong>r Größe und Macht Gottes erfüllt ist. Diese Beurteilung ist <strong>de</strong>r sicherste<br />
Beweis, daß er sich nahe bei Ihm aufgehalten hat. Hiskias Krankheit zum To<strong>de</strong> war vor <strong>de</strong>m<br />
Einfall <strong>de</strong>s Assyrers, und es ist aufschlußreich zu beobachten, wie Jesaja in dieser ersten,<br />
persönlichen Prüfung han<strong>de</strong>lt, bevor wir seinen Dienst in <strong>de</strong>r zweiten, äußeren Prüfung<br />
betrachten.<br />
In Kap 38 lesen wir, daß Jesaja von Gott zu Hiskia gesandt wur<strong>de</strong>, um ihm zu verkün<strong>de</strong>n,<br />
daß er sterben und nicht genesen wür<strong>de</strong>. Welch eine Prüfung für Jesaja. Als Schützer <strong>de</strong>r<br />
Interessen Jehovas muß er sich in jener Zeit an <strong>de</strong>r Treue Hiskias erfreut haben; das soll<br />
nun aufhören. Er selbst ist dazu ausersehen, jenen Schlag anzukündigen, <strong>de</strong>r ihm praktisch<br />
<strong>de</strong>n ganzen Zusammenbruch und Verfall seines Volkes vor Augen stellt. Den Tod Hiskias<br />
vor Augen, muß er mit <strong>de</strong>r Auflösung Israels rechnen und ein solches En<strong>de</strong> schmerzhaft<br />
empfin<strong>de</strong>n. Es ist eine notwendige Zucht für <strong>de</strong>n Knecht das En<strong>de</strong> alles Fleischlichen völlig<br />
zu erfassen. Aber diese Erfahrung befähigt ihn für seinen zukünftigen Dienst, wenn er<br />
über Israel ausrufen muß: „Fürwahr, das Volk ist Gras. Das Gras ist verdorrt, die Blume ist<br />
abgefallen; aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit“. Das große Werkzeug <strong>de</strong>r<br />
Wie<strong>de</strong>rherstellung muß dahingehen wie eine Blume.<br />
Nach diesem großen Kummer – ein Knecht <strong>de</strong>s Herrn wird so geführt, damit er die<br />
Auferstehung wirklich und tiefgreifend verstehen lernt – wird er unterwiesen, <strong>de</strong>m Hiskia<br />
das Mittel zu seiner Heilung zu offenbaren (Kap 38,21). Als alle Hoffnung dahin ist und die<br />
kalte Hand <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s lähmend fühlbar wird, bricht das Licht in die Finsternis. Die Seele<br />
wird von <strong>de</strong>r tiefen Überzeugung erquickt, daß es einen Gott gibt, <strong>de</strong>r die Toten erweckt.<br />
Das war für Jesaja eine zukunftsprächtige Offenbarung im Blick auf sein Volk. Es sollte<br />
sterben, abgeschnitten wer<strong>de</strong>n, wie es in <strong>de</strong>r jetzigen Haushaltung geschehen ist; doch es<br />
gab Hoffnung auf ein Wie<strong>de</strong>raufleben, und in <strong>de</strong>r Tat, Israel wird wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Sodann kommt die Bedrückung durch <strong>de</strong>n Feind von außen, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r König von Assyrien<br />
in dieser Geschichte darstellt. Jesaja versichert Hiskia, daß er aus dieser Unterdrückung<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 177
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jesaja<br />
errettet wer<strong>de</strong>n wird (Kap 38, 6+7). Aber das ist nicht alles. Als Hiskia gegen Sanherib<br />
betet, überbringt ihm Jesaja nicht nur die Zusicherung <strong>de</strong>r Errettung, son<strong>de</strong>rn auch einen<br />
bemerkenswerten Gna<strong>de</strong>nbeweis für das Volk. „Und dies soll dir das Zeichen sein: man<br />
wird in diesem Jahr <strong>de</strong>n Nachwuchs <strong>de</strong>r Ernte essen, und im zweiten Jahr, was ausgesprosst<br />
ist; im dritten Jahre aber säet und erntet, und pflanzet Weinberge und esset ihre Frucht“.<br />
Und dann wird hinzugefügt: „Und das Entronnene vom Hause Juda, das übriggeblieben<br />
ist, wird wie<strong>de</strong>r wurzeln nach unten und Frucht tragen nach oben. Denn von Jerusalem<br />
wird ein Überrest ausgehen, und ein Entronnenes vom Berge Zion. Der Eifer Jehovas wird<br />
solches tun“! (2.Kön 19, 29–31). So entfalten sich jetzt nicht nur die Gedanken über <strong>de</strong>n<br />
Dienst zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Prophet berufen war, son<strong>de</strong>rn er muß probeweise auch in die bei<strong>de</strong>n<br />
Prüfungen eintreten, die sein Volk erwarteten: das Absinken bis in <strong>de</strong>n Tod wegen <strong>de</strong>r in<br />
ihnen wohnen<strong>de</strong>n Schwachheit und die vollständige Gefangennahme durch die Hand <strong>de</strong>s<br />
Fein<strong>de</strong>s. Aber diese tiefgreifen<strong>de</strong>n Erfahrungen waren nötig zu einem wahren Verständnis<br />
<strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Wege Gottes, mittels <strong>de</strong>ren Er die zweifache Errettung für das Volk<br />
Israel bewirken wollte. Hiervon weissagt Jesaja und darin schwelgt er von Kap 40 bis<br />
zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches. Welche wun<strong>de</strong>rbaren Einblicke wer<strong>de</strong>n ihm gewährt. Und obgleich<br />
sie zu jener Zeit noch nicht verwirklicht wer<strong>de</strong>n sollten und alle menschlichen Begriffe<br />
überstiegen, sah er doch praktisch und wirklichkeitsnahe die Zukunftswege Gottes mit<br />
Seinem Volke vor sich. So wird <strong>de</strong>r Knecht <strong>de</strong>s Herrn im Verborgenen durch die Entfaltung<br />
<strong>de</strong>r Gedanken Gottes zubereitet, damit er die Dinge gottgemäß zu beurteilen lernt; aber er<br />
muß auch persönlich in die zweifache Prüfung eintreten, nämlich in die To<strong>de</strong>sschwachheit<br />
<strong>de</strong>s Menschen in sich selbst und in die furchtbare Macht <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s, weil nur <strong>de</strong>r Knecht,<br />
<strong>de</strong>r sich diesen bei<strong>de</strong>n Tatsachen praktisch bewußt ist und Gottes Art <strong>de</strong>r Errettung aus<br />
ihnen erfahren hat, in angemessener Weise von Seinem Reich und Seiner Macht zeugen<br />
kann. Damit <strong>de</strong>r Knecht fähig ist, die ganze Fülle und Größe <strong>de</strong>r Zukunftspläne Gottes<br />
völlig zu verstehen, muß er <strong>de</strong>n Tod und <strong>de</strong>n Verfall aller Dinge aufgrund <strong>de</strong>r Macht, die<br />
Satan infolge <strong>de</strong>s Falles <strong>de</strong>s Menschen erlangt hat, praktisch erfahren. Wenn er dann auch<br />
die Macht <strong>de</strong>r Auferstehung in Gott durch Christus erlebt hat, ist er empfänglich für die<br />
Offenbarungen, die Gott <strong>de</strong>nen bereitet hat, die Ihn lieben. – Abraham war für die große<br />
Offenbarung im Blick auf seinen Samen zubereitet, nach<strong>de</strong>m er praktisch gelernt hatte,<br />
seine Hoffnung nur auf <strong>de</strong>n Gott zu setzen, Der aus <strong>de</strong>n Toten erwecken kann. Er hatte<br />
das En<strong>de</strong> alles Irdischen erkannt und konnte nun die Tatsache begreifen, daß in seinem<br />
Samen alle Nationen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gesegnet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Es ist eine folgenschwere Tatsache,<br />
daß niemand für die zukünftige Herrlichkeit, die für ihn aufbewahrt ist, bereit ist, <strong>de</strong>r<br />
nicht die Vollständigkeit <strong>de</strong>s irdischen Verfalls infolge <strong>de</strong>r vereinten Tätigkeit menschlicher<br />
Schwachheit und satanischer Macht erkannt hat. Gleich Jesaja mußten auch Mose und<br />
Paulus – wie gut sie auch für <strong>de</strong>n Dienst zubereitet waren – die zwei großen Wahrheiten<br />
lernen: <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstreit <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s von außen und die völlige Schwachheit <strong>de</strong>s Menschen<br />
in sich selbst, in <strong>de</strong>ssen Hand alles verdorben wird. Mit tiefem Verständnis für diese<br />
Wahrheiten bat Mose: „Laß mich doch <strong>de</strong>ine Herrlichkeit sehen!“ Und Paulus konnte sagen:<br />
„Ich habe Lust abzuschei<strong>de</strong>n und bei Christo zu sein“.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 178
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
Jeremia<br />
In <strong>de</strong>r traurigsten und ereignisreichsten Zeit <strong>de</strong>r Geschichte Israels war Jeremia berufen zu<br />
dienen, und aus seiner Geschichte können wir viel lernen hinsichtlich <strong>de</strong>s Charakters eines<br />
Gefäßes, das <strong>de</strong>r Herr in einer solchen Zeit benutzt und <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Art, in <strong>de</strong>r Er es für<br />
die ihm zugedachte Sendung passend macht.<br />
Jeremia war von <strong>de</strong>n Priestern zu Anathoth im Lan<strong>de</strong> Benjamin; er war durch Geburt und<br />
Gemeinschaft mit <strong>de</strong>r Hierarchie jener Zeiten verbun<strong>de</strong>n, und er wird berufen, gegen das,<br />
was ihm so nahe stand und so teuer war, zu zeugen. Gott wählt Sich Seine Werkzeuge<br />
selbst, und es ist offenbar, daß Er alles was sie betrifft, von vornherein ordnet, so daß das<br />
ganze Leben, selbst bis vor <strong>de</strong>r Geburt, die Spuren Seiner Führung trägt. Das ist anziehend<br />
und wun<strong>de</strong>rbar. Daher wird zu Jeremia gesagt: „Ehe ich dich im Mutterleibe bil<strong>de</strong>te, habe<br />
ich dich erkannt, und ehe du aus <strong>de</strong>m Mutterschoße hervorkamst, habe ich dich geheiligt:<br />
zum Propheten an die Nationen habe ich dich bestellt.“ Es ist bemerkenswert, daß es<br />
„an die Nationen“ heißt, <strong>de</strong>nn fast seine ganze Prophetie bezieht sich auf <strong>de</strong>n Fall und<br />
die Gefangenschaft Israels und die Unterwerfung <strong>de</strong>r umwohnen<strong>de</strong>n Nationen, mit <strong>de</strong>r<br />
sicheren Hoffnung auf eine strahlen<strong>de</strong> Zukunft. Das große vorherrschen<strong>de</strong> Gefühl in <strong>de</strong>m<br />
Werkzeug dieses großen Dienstes ist: „Ich bin jung“. – „Ach, Herr, Jehova! siehe, ich weiß<br />
nicht zu re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn ich bin jung!“ Das Gefühl <strong>de</strong>r Machtlosigkeit an sich ist nichts wert,<br />
aber wenn man seine Schwachheit in <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>r sicheren Hilfe <strong>de</strong>s Herrn fühlt,<br />
wird man völlig auf Ihn geworfen, und wenn man sich völlig auf Ihn stützt, dann hilft Er<br />
auch völlig. Daher ermutigt Jehova ihn: „Sage nicht: Ich bin jung; <strong>de</strong>nn zu allen, wohin ich<br />
dich sen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>, sollst du gehen, und alles was ich dir gebieten wer<strong>de</strong>, sollst du re<strong>de</strong>n.<br />
Fürchte dich nicht vor ihnen; <strong>de</strong>nn ich bin mit dir, um dich zu erretten, spricht Jehova.“ Die<br />
erste große Lektion in <strong>de</strong>r Schule Gottes lehrt mich – während ich das Gefühl habe, daß<br />
ich nur „ein Knabe“ bin –, daß ich, schwach hinsichtlich menschlicher Kraft, das sichere<br />
Vertrauen haben kann, hinzugehen wohin immer Gott mich sen<strong>de</strong>t, und zu re<strong>de</strong>n, was Er<br />
mir geboten hat zu re<strong>de</strong>n.<br />
Dann verleiht Jehova Jeremia eine Gabe. Er streckte Seine Hand aus und rührte seinen Mund<br />
an, „und Jehova sprach zu mir: siehe, ich lege meine Worte in <strong>de</strong>inen Mund.“ So bekommt<br />
er seinen Auftrag, <strong>de</strong>r so wichtig für die Geschichte eines Knechtes ist, wie es die Gabe <strong>de</strong>s<br />
Timotheus durch Hän<strong>de</strong>auflegen <strong>de</strong>r Ältestenschaft war; er bekommt ein Verständnis dafür,<br />
daß er nicht nur <strong>als</strong> ein Licht in die Welt gesandt ist, son<strong>de</strong>rn die bestimmte Art seines<br />
Dienstes wird ihm mitgeteilt. So empfängt Jeremia im Bil<strong>de</strong> eine Offenbarung von Jehova<br />
in Beziehung zu <strong>de</strong>r Art und <strong>de</strong>r Linie seines Dienstes. Es ist anziehend, zu bemerken, auf<br />
welche beson<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>utliche Weise je<strong>de</strong>r Knecht für sein Werk befähigt und bevollmächtigt<br />
wird. Durch zwei Sinnbil<strong>de</strong>r wird Jeremia mit einer göttlichen Grundlage für sein Werk<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 179
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
versehen: durch <strong>de</strong>n Man<strong>de</strong>lstab, <strong>de</strong>r besagt, daß Jehova ausführen wird, was Er gesagt hat,<br />
„ich wer<strong>de</strong> über mein Wort wachen, es auszuführen“; und durch <strong>de</strong>n sie<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Topf, „<strong>de</strong>ssen<br />
Vor<strong>de</strong>rteil gegen Sü<strong>de</strong>n gerichtet ist“, <strong>de</strong>r die Trübsale seines Zeugnisses gegen Israel und<br />
die Nachbar Nationen zeigt. Nun, da er im Herzen, in <strong>de</strong>n Absichten befestigt ist durch diese<br />
Gesichte, for<strong>de</strong>rt Jehova ihn auf (Verse 17–19), seine Len<strong>de</strong>n zu gürten und gutes Mutes zu<br />
sein, „damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache.“ So wird Jeremia für <strong>de</strong>n Dienst bereit<br />
gemacht, und in Kap. 2 wer<strong>de</strong>n ihm die Gedanken Jehovas geoffenbart. Das Herz Jehovas<br />
öffnet sich ihm hinsichtlich <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s von Israel, und das ruft bei ihm dieselbe Wirkung<br />
hervor, wie es bei Israel <strong>de</strong>r Fall sein sollte. „O, meine Erquickung im Kummer! Mein Herz<br />
ist siech in mir. siehe, die Stimme <strong>de</strong>s Geschreis <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes kommt aus<br />
fernem Lan<strong>de</strong>: Ist Jehova nicht in Zion, o<strong>de</strong>r ist ihr König nicht darin¿Warum haben sie<br />
mich gereizt durch ihre geschnitzten Bil<strong>de</strong>r, durch Nichtigkeiten <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong>? Vorüber ist<br />
die Ernte, die Obstlese ist zu En<strong>de</strong>, und wir sind nicht gerettet¡Ich bin geschlagen wegen <strong>de</strong>r<br />
Zerschmetterung <strong>de</strong>r Tochter meines Volkes; ich gehe trauernd einher, Entsetzen hat mich<br />
ergriffen. Ist kein B<strong>als</strong>am in Gilead, o<strong>de</strong>r kein Arzt daselbst? Denn warum ist <strong>de</strong>r Tochter<br />
meines Volkes kein Verband angelegt wor<strong>de</strong>n? O, dass mein Haupt Wasser wäre, und mein<br />
Auge ein Tränenquell, so wollte ich Tag und Nacht beweinen die Erschlagenen <strong>de</strong>r Tochter<br />
meines Volkes!’<br />
Es ist einer <strong>de</strong>r schönsten Züge im Charakter eines Knechtes, vom Wort Jehovas in <strong>de</strong>r<br />
vollsten und tiefsten Weise beeinflußt zu wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r es auf die, die es betrifft, wirkt.<br />
Keine Erziehung ist für einen Knecht wertvoller, <strong>als</strong> wenn er persönlich in die Be<strong>de</strong>utung<br />
und Kraft <strong>de</strong>r Gedanken Gottes eintritt, die er mitteilen soll, und sie so fühlt, wie <strong>de</strong>r Herr<br />
möchte, daß seine Hörer dadurch getroffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Dann, von Kap. 10, 19 bis zum En<strong>de</strong>, stellt er mehr das reumütige Volk dar. In <strong>de</strong>n vorigen<br />
Kapiteln ist es mehr sein Kummer und seine Bestürzung über die Gerichte Jehovas; hier<br />
sehen wir mehr die Sprache und Erfahrung jeman<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Gericht lei<strong>de</strong>t.<br />
Im En<strong>de</strong> von Kap. 11 wird er einer an<strong>de</strong>ren Erfahrung unterworfen, Nun ist es nicht <strong>de</strong>r<br />
Kummer <strong>de</strong>s Herzens wegen <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s von Israel, auch nicht das Gefühl, daß er sich<br />
unter <strong>de</strong>m Gericht Gottes befin<strong>de</strong>t; hier ist es die Verfolgung: Ich war wie ein zahmes Lamm,<br />
das zum Schlachten geführt wird“, die so stark ist, daß er die Gerechtigkeit <strong>de</strong>s Gerichtes<br />
über sie fühlt und ausruft: Laß mich <strong>de</strong>ine Rache an ihnen sehen; <strong>de</strong>nn dir habe ich meine<br />
Rechtssache anvertraut.“ Das war Verfolgung von <strong>de</strong>r schwersten Art, weil sie von seinem<br />
eigenen Volke kam. „Darum, so spricht Jehova über die Männer von Anathoth (seinem<br />
eigenen Land, Kap. 1, 1), welche nach <strong>de</strong>inem Leben trachten und sprechen. Du sollst nicht<br />
weissagen im Namen Jehovas, damit du nicht durch unsere Hän<strong>de</strong> sterbest, – darum, so<br />
spricht Jehova: Siehe, ich suche sie heim. Die Übung, durch die die Seele <strong>de</strong>s Propheten<br />
in Verbindung mit dieser Verfolgung geht, ist auffallend und anziehend. Es ist nicht die<br />
gewöhnliche Verfolgung seitens <strong>de</strong>r äußeren, unheiligen Welt, son<strong>de</strong>rn sein eigenes Volk<br />
will ihn nicht haben, ja bedroht ihn mit <strong>de</strong>m Tod. Das ist die schlimmste Art <strong>de</strong>r Verfolgung,<br />
die auch die heutige Zeit kennzeichnet. Die hartnäckigste Verfolgung ist diejenige, die <strong>de</strong>r<br />
treue Knecht Gottes von seiten <strong>de</strong>r „Männer von Anathoth“ erdul<strong>de</strong>t.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 180
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
Die darauf folgen<strong>de</strong>n Gedanken Jeremias fin<strong>de</strong>n wir in Kap. 12,1–4. In <strong>de</strong>n Versen 5–6 wird<br />
er ermahnt, nicht überrascht zu sein, <strong>de</strong>nn er hat nichts an<strong>de</strong>res zu erwarten. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />
bis V. 11 erfährt er die Gefühle Jehovas hinsichtlich Seines Erbteils, aber auch Seine Gna<strong>de</strong>,<br />
wenn sie Buße tun.<br />
Ich verweile bei diesem Teil <strong>de</strong>r Erziehung <strong>de</strong>s Propheten, weil in vielem Ähnlichkeit besteht<br />
zu <strong>de</strong>m, was ein Knecht <strong>de</strong>s Herrn heute durchmachen muß. Kein Knecht ist geeignet für<br />
das Werk <strong>de</strong>s Herrn, wenn er nicht durch Übungen geht, nicht nur hinsichtlich <strong>de</strong>ssen, wie<br />
er die Dinge fühlt, son<strong>de</strong>rn auch wie sie in <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Herrn sind.<br />
In Kap 13 wird ihm mittels eines leinenen Gürtels, <strong>de</strong>n er umlegt und später in einer<br />
Felsenspalte am Euphrat verbirgt, mitgeteilt, wie Jehova über Sein Volk <strong>de</strong>nkt; gleichwie<br />
<strong>de</strong>r Gürtel verdorben war und zu gar nichts mehr taugte, so wür<strong>de</strong> das Volk in seiner<br />
Verwerfung sein. Mit diesem einfachen Mittel wird <strong>de</strong>r Knecht in <strong>de</strong>n Gedanken Gottes über<br />
Sein Volk unterwiesen. Es ist interessant, daß <strong>de</strong>r Knecht nicht einfach durch mündliche<br />
Anweisungen für das Werk passend gemacht wird. Wie klein die Gefühle Jeremias über<br />
<strong>de</strong>n Gürtel vergleichsweise auch waren, <strong>als</strong> er ihn umlegte und <strong>als</strong> er verdorben war, so<br />
wur<strong>de</strong> ihm dadurch doch <strong>de</strong>utlich und handgreiflich ver Augen geführt, was Jehova für<br />
Sein Volk in <strong>de</strong>ssen erstem und in <strong>de</strong>ssen gefallenem Zustan<strong>de</strong> fühlte. Sein Verständnis war<br />
im Verhältnis zu <strong>de</strong>m Jehovas sehr klein, aber das Wichtige für <strong>de</strong>n Nutzen <strong>de</strong>s Knechtes<br />
ist, daß er einen wahren, wirklichen Begriff, – wie klein dieser auch sein mag – von <strong>de</strong>n<br />
Gefühlen Jehovas für Sein Volk unter <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Umstän<strong>de</strong>n bekommt. Wie wohl<br />
belehrt ein Knecht im Worte auch sein mag, so muß er doch in Umstän<strong>de</strong> geleitet wer<strong>de</strong>n,<br />
die ihn wirklich die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Wahrheit, die er verkün<strong>de</strong>t, verstehen lehren. Das<br />
Gefängnis war notwendig für Paulus, damit er <strong>de</strong>n Brief an die Epheser schreiben konnte,<br />
und Patmos für einen Johannes, damit er die Offenbarung empfangen konnte, Die Wahrheit,<br />
dieser Diamant, erfor<strong>de</strong>rt eine passen<strong>de</strong> Fassung.<br />
Mose war 40 Jahre in <strong>de</strong>r Wüste, ehe er ausgesandt wur<strong>de</strong>, um die Kin<strong>de</strong>r Israel da<br />
hindurchzuführen. Praktisch erleben wir alle, daß <strong>de</strong>r Himmel sich uns am strahlendsten<br />
öffnet, wenn wir von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> abgeschlossen sind und unter <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Menschen<br />
lei<strong>de</strong>n; wenn wir von <strong>de</strong>n Menschen verstoßen und hier alleine sind, können wir wahrhaft<br />
<strong>de</strong>n Tag wertschätzen, wenn das Reich dieser Welt das Reich unseres Herrn und Seines<br />
Christus sein wird.<br />
Die beson<strong>de</strong>re Macht eines Mannes Gottes, eines wahren Dieners, ist, daß er nicht nur ein<br />
Kanal, ein bloßes Mittel ist, son<strong>de</strong>rn daß er zumin<strong>de</strong>st in gewissem Maße die Gefühle seines<br />
Herrn, zu <strong>de</strong>nen ihm die Worte gegeben wer<strong>de</strong>n, übermitteln kann. Sicherlich gibt dies<br />
einem Evangelisten Kraft und Wirkung. Sein Herz ist von <strong>de</strong>r Liebe Gottes zu <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>rn<br />
berührt; sein Verständnis davon mag klein sein, aber es ist echt, und je nach <strong>de</strong>m, wie es<br />
ihn spürbar bewegt, wird er zum Dienst befähigt.<br />
Sodann gibt es noch etwas an<strong>de</strong>res. Wenn ein Knecht in irgen<strong>de</strong>inem Maße o<strong>de</strong>r lieber<br />
entsprechend seinem Maße, in die Gedanken Gottes eintritt, mit <strong>de</strong>n Worten, die Er ihm zu<br />
re<strong>de</strong>n gibt, ist er nicht nur ein wahrer Vertreter, son<strong>de</strong>rn fühlt göttlichen Kummer, wenn das<br />
Wort auf Ablehnung stößt, so daß er es in mitfühlen<strong>de</strong>r Weise zum Ausdruck bringt, aber<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 181
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
auch tief <strong>de</strong>n Eigensinn <strong>de</strong>s menschlichen Herzens fühlt, wenn es abgelehnt wird, Daher<br />
sagt Jeremia: „Wenn ihr aber nicht höret, so wird meine Seele im Verborgenen weinen<br />
wegen eures Hochmuts; und tränen wird mein Auge und von Tränen rinnen, weil die Her<strong>de</strong><br />
Jehovas gefangen weggeführt ist.“<br />
Kap. 14. „Das Wort Jehovas, welches zu Jeremia geschah betreffs <strong>de</strong>r Dürre.“ Der, größte<br />
Gna<strong>de</strong>nbeweis für einen Knecht ist, wenn <strong>de</strong>r Herr ihn mit Seinen Gedanken bezüglich<br />
gegenwärtiger und zukünftiger Ereignisse bekannt macht und ihn <strong>de</strong>rgestalt passend macht,<br />
sowohl das Traurige und Furchtbare <strong>als</strong> auch das Freudige und Angenehme zu hören. Viele<br />
Knechte können arbeiten, wenn alles hoffnungsvoll und ge<strong>de</strong>ihlich scheint, aber beim<br />
Auftauchen einer Wolke o<strong>de</strong>r bei einem Rückschlag wie Markus in Pamphylien o<strong>de</strong>r Demas<br />
<strong>de</strong>n Mut sinken lassen. Einem wahren Knecht kann <strong>de</strong>r Herr die kommen<strong>de</strong>n Trübsale<br />
ankündigen, und er ist durch die Gna<strong>de</strong> vorbereitet, ihnen im Geiste Christi zu begegnen.<br />
So wur<strong>de</strong> Jeremia die Dürre vorhergesagt, und er beweist und zeigt durch die Art, wie er<br />
die Mitteilung aufnahm, daß er das in ihn gesetzte Vertrauen verdiente. Zuerst treten ihm<br />
f<strong>als</strong>che Propheten entgegen, die die Herzen <strong>de</strong>s Volkes nähren und bedienen, und nicht<br />
geneigt sind, das ihnen wegen ihres Abweichens von Gott drohen<strong>de</strong> Gericht zu erkennen.<br />
Nichts befriedigt und täuscht das abtrünnige Herz so sehr, <strong>als</strong> wenn Männer mit großer<br />
Anmaßung versichern: „Ihr wer<strong>de</strong>t kein Schwert sehen, und Hunger wird euch nicht treffen,<br />
son<strong>de</strong>rn ich wer<strong>de</strong> euch einen sicheren Frie<strong>de</strong>n geben an diesem Orte“. (Kap 14, 13)<br />
Es ist sehr anziehend, die verschie<strong>de</strong>nartige Übung o<strong>de</strong>r Erziehung zu sehen, <strong>de</strong>r ein Knecht<br />
unterworfen wird, und zu bemerken, daß je<strong>de</strong> notwendig ist. Es ist nicht genug, daß Jeremia<br />
von <strong>de</strong>r Dürre erfährt, er muß betreffs ihrer auch einem religiösen Wi<strong>de</strong>rstand von seiten<br />
<strong>de</strong>r f<strong>als</strong>chen Propheten begegnen; aber nach<strong>de</strong>m er die Gedanken Jehovas über sie kennt,<br />
bringt er selbst die Gefühle zum Ausdruck, die die Gottesfürchtigen zu <strong>de</strong>r Zeit haben<br />
wür<strong>de</strong>n, und die wahres Bekenntnis und ernstliches Flehen hervorrufen.<br />
In Kap 15 erfahren wir einige <strong>de</strong>r tiefen Herzensübungen, die im Herzen <strong>de</strong>s Knechtes<br />
stattfin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zeit und unter <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n eines Jeremia lebt. Zuerst spricht<br />
Jehova zu ihm: „Wenn auch Mose und Samuel vor mir stän<strong>de</strong>n, so wür<strong>de</strong> meine Seele sich<br />
nicht zu diesem Volke wen<strong>de</strong>n.“ Das Urteil muß vollzogen wer<strong>de</strong>n, und danach wer<strong>de</strong>n<br />
uns in V. 10 die Gefühle Jeremias gezeigt. Es ist gut, wenn man die Gefahr fühlt, wenn<br />
man nur nicht seinen Gefühlen nachgibt und sich von ihnen leiten läßt. Unser gepriesener<br />
Herr konnte sagen: „Die Fluten <strong>de</strong>r Gottlosigkeit machen mir Angst.“ Zartgefühl ist kein<br />
Scha<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn ein Vorteil für einen Knecht, vorausgesetzt, daß er sich dadurch nicht<br />
beeinflussen läßt, <strong>de</strong>nn wenn das geschieht, fällt er in Sorge um sich selbst und Feigheit.<br />
Wenn ein Knecht Christi die Einsamkeit seines Platzes fühlt, braucht er sich nur an Gott um<br />
Hilfe zu wen<strong>de</strong>n, wie Jeremia in V. 15, und er wird ermuntert und ermutigt: „Darum spricht<br />
Jehova <strong>als</strong>o: „Wenn du umkehrst, so will ich dich zurückbringen, daß du vor mir stehest;<br />
und wenn du das Köstliche vom Gemeinen ausschei<strong>de</strong>st, so sollst du wie mein Mund sein.<br />
Jene sollen zu dir umkehren, aber du sollst nicht zu ihnen umkehren. Und ich wer<strong>de</strong> dich<br />
diesem Volk zu einer festen ehernen Mauer machen, und sie wer<strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>r dich streiten,<br />
aber dich nicht überwältigen; <strong>de</strong>nn ich bin mit dir, um dich zu erretten und dich zu befreien,<br />
spricht Jehova.“<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 182
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
In Kap 16 muß <strong>de</strong>r Prophet alles häusliche Glück zurückweisen. „Du sollst dir kein Weib<br />
nehmen und we<strong>de</strong>r Söhne noch Töchter haben an diesem Orte.“ Er soll sich auch von<br />
gemeinsamen Freu<strong>de</strong>n fernhalten. „Auch in ein Haus <strong>de</strong>s Gastmahls sollst du nicht gehen,<br />
bei ihnen zu sitzen, um zu essen und zu trinken.“ Der wahre Knecht muß immer lei<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong><br />
Art eigener Bequemlichkeit und eigenes Glückes muß an <strong>de</strong>m Ort, wo <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Herrn<br />
entehrt wird, versagt bleiben. Wir können gar nicht zu abgeson<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r zu entsagungsvoll<br />
sein. Wie verschie<strong>de</strong>nartig setzt sich die Erziehung eines Knechtes zusammen, in einer<br />
Zeit, wo das Volk Gottes von seiner wahren Stellung abgewichen und praktisch seinem<br />
Zustand und <strong>de</strong>m darauf folgen<strong>de</strong>n Gericht <strong>de</strong>s Herrn gegenüber gleichgültig ist. In V.10<br />
fin<strong>de</strong>t Jeremia seinen Trost und seine Zuflucht in Jehova: „Jehova, meine Stärke und mein<br />
Hort, und meine Zuflucht am Tage <strong>de</strong>r Bedrängnis!“ In Kap 17, wo er die Gefangenschaft<br />
Judas und <strong>de</strong>n Fluch Gottes wegen ihres Vertrauens auf Menschen ankündigt, begegnet<br />
er, während er sich für sich selbst zu Gott wen<strong>de</strong>t (V. 14), <strong>de</strong>m bitteren Hohn <strong>de</strong>r Spötter<br />
(V. 15+16), <strong>de</strong>r ihn noch mehr sich zu Gott wen<strong>de</strong>n läßt, wie die V. 17–18 zeigen. Diese ganze<br />
Übung ist nur dazu da, ihn auf eine beson<strong>de</strong>re Sendung vorzubereiten. Wie wenig verstehen<br />
wir die Art, wie ein Knecht Gottes auf das Werk, zu <strong>de</strong>m Er ihn bestimmt, vorbereitet wird!<br />
Sicher kann niemand sich mit <strong>de</strong>m Herzen mit <strong>de</strong>n Erfahrungen Jeremias beschäftigen, ohne<br />
durch die einem von Natur so furchtsamen und empfindlichen Menschen bewiesene Gna<strong>de</strong><br />
getröstet und gestärkt zu wer<strong>de</strong>n. In Kap 18 wird er zum Hause <strong>de</strong>s Töpfers hinabgesandt,<br />
um ein einfaches Bild von <strong>de</strong>r Gegenwart und <strong>de</strong>r Zukunft Israels zu bekommen: das<br />
mißratene Gefäß wird beiseitegesetzt, und ein an<strong>de</strong>res gemacht. Dann wird <strong>de</strong>r Prophet<br />
gesandt, um vor <strong>de</strong>m Volke zu zeugen, aber dadurch wird ihre Feindschaft so erregt, daß sie<br />
Anschläge gegen ihn ersinnen, so daß er, betrübt durch ihre Bosheit, sie <strong>als</strong> Gottes Fein<strong>de</strong><br />
betrachtet und schonungsloses Gericht auf sie herabruft.<br />
Der Herr gebe, daß in dieser Zeit, wo Sein Volk so sehr <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Töpfers<br />
mißratenen Gefäß gleicht, je<strong>de</strong>r Seiner Knechte unter Seiner erziehen<strong>de</strong>n Hand stehen<br />
möge, wie Jeremia, damit er <strong>de</strong>n Dienst, zu <strong>de</strong>m Er ihn berufen hat, kraftvoll erfüllen kann.<br />
Es ist ein Augenblick <strong>de</strong>r Furcht und <strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>ns, wenn <strong>de</strong>r Prophet <strong>de</strong>n Zusammenbruch<br />
alles <strong>de</strong>ssen, was <strong>de</strong>m Namen <strong>de</strong>s Herrn trägt, verkün<strong>de</strong>n muß. Jeremia wird aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />
das auf sehr klare, <strong>de</strong>utliche Weise zu tun; er soll einen ir<strong>de</strong>nen Krug kaufen, und von<br />
<strong>de</strong>n Ältesten <strong>de</strong>s Volkes und <strong>de</strong>r Priester nehmen und in das Tat <strong>de</strong>s Sohnes Hinnoms<br />
hinausgehen, und dort die Worte ausrufen, die Er zu ihm re<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Und du sollst<br />
<strong>de</strong>n Krug zerbrechen vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Männer, die mit dir gegangen sind, und zu<br />
ihnen sprechen: So spricht Jehova <strong>de</strong>r Heerscharen: Also wer<strong>de</strong> ich dieses Volk und<br />
diese Stadt zerschmettern, wie man ein Gefäß <strong>de</strong>s Töpfers zerschmettert, welches nicht<br />
wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n kann, Und man wird im Topheth begraben, aus Mangel an Raum<br />
zu begraben. Also wer<strong>de</strong> ich diesem Orte tun, spricht Jehova.“<br />
In dieser Tat <strong>de</strong>s Propheten ist eine beson<strong>de</strong>re Wirksamkeit. Niemand konnte die Be<strong>de</strong>utung<br />
dieser furchtbaren Ankündigung mißverstehen. Die Einfachheit und Deutlichkeit <strong>de</strong>r<br />
Ankündigung und <strong>de</strong>r unbeliebte, abgeson<strong>de</strong>rte Platz auf <strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>n Propheten stellte,<br />
erwecken in hohem Maße unser Mitgefühl, da sie die Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s treuen Knechtes inmitten<br />
<strong>de</strong>s Volkes Gottes darstellen, wo je<strong>de</strong> Geringschätzung ihn in doppelter Weise berührt:<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
einmal <strong>de</strong>utet sie hinsichtlich seines Dienstes einen Mangel an, zum an<strong>de</strong>ren betrifft sie<br />
ihn mehr <strong>de</strong>m Fleische nach, weil sie von seiten <strong>de</strong>rer kommt, die ihm so nahe stehen.<br />
Wie oft hat sich ein Diener, <strong>de</strong>r die Belastung seiner Geduld durch die Verkehrtheit <strong>de</strong>r<br />
Hausgenossen <strong>de</strong>s Glaubens nicht mehr ertragen konnte, einem mehr äußeren Dienst<br />
zugewandt und sich mehr mit evangelistischer Arbeit beschäftigt. Die großen Tugen<strong>de</strong>n<br />
eines Mannes wer<strong>de</strong>n dort am schwersten geprüft und am klarsten gesehen, wo er am<br />
meisten zu Hause ist, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs gesagt, wo ein je<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r größten Freiheit unabhängig<br />
von ihm han<strong>de</strong>ln kann. Der Mann, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n geringfügigen, aber beständigen Anfor<strong>de</strong>rungen,<br />
die in seinem häuslichen Leben, in <strong>de</strong>m Kreis, wo je<strong>de</strong>r am besten mit ihm bekannt ist, an<br />
sein Gemüt und seine Langmut gestellt wer<strong>de</strong>n, gewachsen ist, wird auch je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Anfor<strong>de</strong>rung genügen.<br />
Kap 20. Jeremia erdul<strong>de</strong>t nun Verfolgung von außen. Der Priester Paschchur, <strong>de</strong>r<br />
Oberaufseher im Hause Jehovas, schlägt ihn und legt ihn in <strong>de</strong>n Stock, und da war er<br />
<strong>de</strong>r Verachtung <strong>de</strong>s Volkes, das ihn <strong>als</strong> <strong>de</strong>n Gesandten Gottes hätte anerkennen sollen,<br />
ausgesetzt.<br />
Es ist nicht nur das körperliche Lei<strong>de</strong>n, das <strong>de</strong>n Knecht Gottes in <strong>de</strong>r Verfolgung so trifft,<br />
es ist das Gefühl, daß das Unrecht über das Recht triumphiert, während er unverdiente<br />
Schmach empfängt. Nichts ist so quälend wie Ungerechtigkeit. Es gibt bis hinab zum<br />
kleinsten Kin<strong>de</strong> kaum jemand, <strong>de</strong>r nicht durch ungerechte Strafe verwun<strong>de</strong>t wird. „Sie<br />
haben mir Böses für Gutes vergolten“, war eines <strong>de</strong>r tiefen Lei<strong>de</strong>n unseres Herrn, und<br />
je höher und größer das Gute ist, <strong>de</strong>sto mehr schmerzt das angetane Böse. Hinsichtlich<br />
Jeremias wer<strong>de</strong>n uns zwei Dinge berichtet: einmal, wie Jehova ihn rächen und Paschchur<br />
bestrafen wird. Wehe je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mann Gottes verfolgt o<strong>de</strong>r verletzt. „Wer dir flucht,<br />
sei verflucht.“ Jehova wird ihn nach seinen Werken belohnen, das wird klar <strong>als</strong> Absicht<br />
Gottes mitgeteilt. An<strong>de</strong>rerseits hat Jeremia seine eigene, innere Not <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r<br />
zu <strong>de</strong>m schmerzlichen Dienst bestimmt war, <strong>de</strong>m, was geliebt und heilig gehalten wird,<br />
Elend und Gericht anzukündigen. Aber in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Erziehung dieses Knechtes<br />
durch Jehova müssen die Augenblicke <strong>de</strong>r Schwachheit und <strong>de</strong>s Versagens ebenso erwähnt<br />
wer<strong>de</strong>n wie die <strong>de</strong>r Kraft und Stärke. Hier sehen wir die Schwachheit. Jeremia macht Jehova<br />
Vorwürfe, weil er wegen <strong>de</strong>r Verkündigung <strong>de</strong>r Wahrheit lei<strong>de</strong>n mußte, statt <strong>als</strong> Prophet<br />
aufgenommen und geehrt zu wer<strong>de</strong>n. Das war zu viel für seinen Glauben: „Jehova, du hast<br />
mich bere<strong>de</strong>t, und ich habe mich bere<strong>de</strong>n lassen“, sagt er. Manchmal geht ein Knecht durch<br />
so eine Dunkelheit in seinem Herzen, und seine Not ist so groß, daß er sogar sagt: „Verflucht<br />
sei <strong>de</strong>r Tag, an welchem ich geboren wur<strong>de</strong>.“ Es gibt kaum eine so große Demütigung wie<br />
das Gefühl <strong>de</strong>r Wertlosigkeit <strong>de</strong>r eigenen Existenz, und doch bereitet dieses Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />
Knecht zu, einfältiger und vorbehaltloser für Jehova dazusein. Mitten darin kann er sagen:<br />
„Singet Jehova, preiset Jehova! <strong>de</strong>nn er hat die Seele <strong>de</strong>s Armen errettet aus <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r<br />
Übeltäter.“<br />
Im 21. Kap. sen<strong>de</strong>t Ze<strong>de</strong>kia zu Jeremia, um zu erforschen, welches die Gedanken Jehovas<br />
über <strong>de</strong>n Krieg sind, <strong>de</strong>n Nebukadnezar gegen ihn begonnen hat. Jeremia wird jetzt <strong>als</strong><br />
Prophet Jehovas anerkannt; er ist ge<strong>de</strong>mütigt wor<strong>de</strong>n und nun hocherhoben und kann<br />
die Art <strong>de</strong>r Belagerung und die einzige Rettungsmöglichkeit verkün<strong>de</strong>n. Welch ein großes,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 184
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
wun<strong>de</strong>rbares Vorrecht für <strong>de</strong>n wahren Knecht Gottes! Welche Wechselfälle muß er erleben!<br />
Einmal nie<strong>de</strong>rgeworfen und <strong>de</strong>r Gegenstand von Schmach und Spott, dann wie<strong>de</strong>r geehrt<br />
<strong>als</strong> <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r die Gedanken Jehovas enthüllt.<br />
In Kap. 22 kommt noch etwas hinzu. Jeremia wird zum König von Juda gesandt. Es ist sehr<br />
ermutigend, zu sehen, wie Jehova einen Knecht, <strong>de</strong>r in solch einer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong><br />
treu ist, erhöht und ihm Vertrauen schenkt. Alles steht im Begriff zusammenzubrechen,<br />
und diejenigen, die <strong>de</strong>n bevorrechtigten Platz einnehmen, wollen sich wie in <strong>de</strong>r heutigen<br />
Zeit an <strong>de</strong>n Gedanken klammern, daß das Ver<strong>de</strong>rben noch nicht nahe. Jeremia wird sehr<br />
unbeliebt, weil er dabei beharrt, daß alles zerstört wer<strong>de</strong>n wird und daß es keine Rettung,<br />
nicht einmal für das nackte Leben gibt, außer sich <strong>de</strong>m Gericht und <strong>de</strong>r Gefangenschaft<br />
zu beugen. Welch ein Weg <strong>de</strong>r Belehrung war notwendig, um einen <strong>de</strong>r Priester Israels,<br />
wie Jeremia es war, zu veranlassen, <strong>de</strong>m Volke die Hoffnungslosigkeit seines Verbleibens in<br />
Jerusalem klarzumachen, und daß ihnen ferner keine Sicherheit gewährt wer<strong>de</strong>n konnte,<br />
<strong>als</strong> sich <strong>de</strong>m König von Assyrien gefangenzugeben. Es ist <strong>de</strong>m Grundsatz nach das gleiche,<br />
auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r treue Knecht heute in bezug auf die Kirche zu bestehen hat, daß es nämlich<br />
keine Machtstellung <strong>de</strong>r Kirche mehr gibt, wie das in <strong>de</strong>n ersten Tagen <strong>de</strong>r Kirche <strong>de</strong>r Fall<br />
war; <strong>de</strong>r Platz <strong>de</strong>r Gefangenschaft wird vom treuen Überrest anerkannt. Aber <strong>de</strong>r Knecht,<br />
<strong>de</strong>r in Treue dies an<strong>de</strong>ren ans Herz legt, muß es praktisch für sich selbst angenommen<br />
haben. Wie wenig kennen wir die Übungen, durch die <strong>de</strong>r Knecht, <strong>de</strong>r einst wie Simeon<br />
o<strong>de</strong>r Stephanus voll Hoffnung bezüglich <strong>de</strong>s Zeugnisses auf Er<strong>de</strong>n war, gehen muß! Welch<br />
einen Berg Morija muß er erklimmen, ehe er <strong>de</strong>n strahlen<strong>de</strong>n Morgen ohne Wolken, <strong>de</strong>n<br />
Tag Seiner Macht, sieht, wenn die Gefangenschaft gefangen geführt wird.<br />
In Kap. 23 wird Jeremia wegen <strong>de</strong>r f<strong>als</strong>chen Propheten belehrt, die das Volk mit <strong>de</strong>r<br />
Versicherung täuschen, daß es Frie<strong>de</strong>n haben wer<strong>de</strong>. So sind auch die Lehrer von Laodicäa<br />
(Offb 3,14–21), die die Seelen mit <strong>de</strong>m Gedanken in Sicherheit wiegen, daß ihnen nichts<br />
mangele. Das ist ein sicheres Zeichen, daß Christus nicht <strong>de</strong>r Gegenstand ihres Strebens<br />
ist, <strong>de</strong>nn wenn es so wäre, wür<strong>de</strong>n sie niem<strong>als</strong> <strong>de</strong>nken, sie hätten genug. Je mehr Er das<br />
Herz befriedigt, <strong>de</strong>sto mehr drängt es, Ihn besser zu erkennen und alles für Ihn aufzugeben.<br />
Darum heißt es immer: „um <strong>de</strong>ssentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte,<br />
auf daß ich Christum gewinne.“<br />
In Kap. 24 wer<strong>de</strong>n Jeremia zwei Körbe Feigen gezeigt, und „in <strong>de</strong>m einen Korbe waren<br />
sehr gute Feigen, gleich <strong>de</strong>n Frühfeigen; und in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Korbe waren sehr schlechte<br />
Feigen, die vor Schlechtigkeit nicht gegessen wer<strong>de</strong>n konnten.“ Sie sollen ihm zeigen, daß<br />
es in bezug auf Gott keine Neutralität gibt. Entwe<strong>de</strong>r sind die Feigen gut, ja, sehr gut,<br />
o<strong>de</strong>r so schlecht, daß man sie nicht essen kann; und dadurch wer<strong>de</strong>n die zwei Klassen von<br />
Menschen dargestellt: jene, die in die Gefangenschaft gehen, stellen die erste Klasse dar,<br />
und die, welche im Lan<strong>de</strong> Ägypten wohnen, die zweite.<br />
In Kap. 25 sagt Jeremia die 10 jährige Gefangenschaft vorher.<br />
In Kap. 26, 8 ergriffen die Priester und die Propheten und alles Volk ihn und sprachen:<br />
„Du mußt gewißlich sterben“; aber nach<strong>de</strong>m die Fürsten und alles Volk seine Verteidigung<br />
angehört haben, erklären sie: „Diesem Manne gebührt nicht die To<strong>de</strong>sstrafe; <strong>de</strong>nn er hat<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 185
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
im Namen Jehovas, unseres Gottes, zu uns gere<strong>de</strong>t.“ (V. 16) Der Fall <strong>de</strong>s Micha wird zu<br />
seinen Gunsten angeführt, und <strong>de</strong>r Urijas gegen ihn. „Doch die Hand Achikams, <strong>de</strong>s Sohnes<br />
Schaphans, war mit Jeremia, daß man ihn nicht in die Hand <strong>de</strong>s Volkes gab, um ihn zu töten.<br />
Wie vollständig muß ein Mensch für <strong>de</strong>n Herrn da sein, und wie vollständig getrennt von<br />
je<strong>de</strong>r irdischen Hoffnung, wenn er wie Stephanus <strong>de</strong>n Herrn vor Seinem eigenen Volk bis<br />
zum To<strong>de</strong> bekennen und festhalten muß! Das gibt <strong>de</strong>m Knecht eine große Entschie<strong>de</strong>nheit<br />
für <strong>de</strong>n Herrn und gegen die Menschen in seinem Dienst.<br />
Jeremia setzt seinen Dienst in Kap. 27 fort. Er soll in sich selbst <strong>de</strong>n Zustand darstellen,<br />
zu <strong>de</strong>m das Volk geführt wer<strong>de</strong>n wird. „So sprach Jehova zu mir: Mache dir Ban<strong>de</strong> und<br />
Jochstäbe, und lege sie um <strong>de</strong>inen H<strong>als</strong>.“ Nichts kennzeichnet <strong>de</strong>n wahren und wirklich<br />
von Gott erzogenen Knecht besser, <strong>als</strong> die Fügsamkeit und Bereitschaft, mit <strong>de</strong>r er von<br />
einem Dienst zum an<strong>de</strong>ren übergehen kann. Ein gleichgültiger Knecht wird immer dadurch<br />
gekennzeichnet, daß er sein Nichtbeantworten eines Hilferufes damit entschuldigt, daß er<br />
nicht in seinem Bereich liege, o<strong>de</strong>r daß er nicht zu seinem Werk gehöre. Und wirklich darf er<br />
seinen Dienst nicht aufdrängen, wenn er keine Kraft zum Dienen hat; aber es ist etwas ganz<br />
an<strong>de</strong>res, wenn ich <strong>de</strong>n Dienst fliehe mit <strong>de</strong>r Entschuldigung, er sei nicht meine Arbeit. Die<br />
einfache Frage heißt: Hat <strong>de</strong>r Herr mich dazu gerufen o<strong>de</strong>r nicht? Jeremia kann alles, was<br />
Jehova ihm gibt, auf sich nehmen. Der f<strong>als</strong>che Prophet Hananja versucht, seinen Worten zu<br />
wi<strong>de</strong>rsprechen und sie ungültig zu machen, aber Jeremia spricht das Urteil Jehovas über<br />
ihn aus. „Und <strong>de</strong>r Prophet Jeremia sprach zu <strong>de</strong>m Propheten Hananja: Höre doch, Hananja!<br />
Jehova hat dich nicht gesandt, son<strong>de</strong>rn du hast dieses Volk auf eine Lüge vertrauen lassen.<br />
Darum, so spricht Jehova: Siehe, ich werfe dich vom Erdbo<strong>de</strong>n hinweg; dieses Jahr wirst<br />
du sterben; <strong>de</strong>nn du hast Abfall gere<strong>de</strong>t wi<strong>de</strong>r Jehova. Und <strong>de</strong>r Prophet Hananja starb in<br />
<strong>de</strong>mselben Jahre, im siebenten Monat.“<br />
In Kap. 28 muß Jeremia <strong>de</strong>r f<strong>als</strong>chen Prophezeiung Hananjas begegnen, <strong>de</strong>r „im Hause<br />
Jehovas vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Priester und alles Volkes sagt: So spricht Jehova <strong>de</strong>r Heerscharen,<br />
<strong>de</strong>r Gott Israel, und sagt: Ich zerbreche das Joch <strong>de</strong>s Königs von Babel. Binnen zwei<br />
Jahren wer<strong>de</strong> ich alle Geräte <strong>de</strong>s Hauses Jehovas an diesen Ort zurückbringen, welche<br />
Nebukadnezar, <strong>de</strong>r König von Babel, von diesem Orte weggenommen und nach Babel<br />
gebracht hat. Und Jekonja, <strong>de</strong>n Sohn Jojakims, <strong>de</strong>n König von Juda, und alte Weggeführten<br />
von Juda, die nach Babel gekommen sind, wer<strong>de</strong> ich an diesen Ort zurückbringen, spricht<br />
Jehova; <strong>de</strong>nn ich wer<strong>de</strong> das Joch <strong>de</strong>s Königs von Babel zerbrechen.“<br />
Es ist ein äußerst schwerer, beängstigen<strong>de</strong>r Augenblick, wenn ein f<strong>als</strong>cher Lehrer, <strong>de</strong>r<br />
die Gefühle <strong>de</strong>s Volkes zu lenken weiß und mit großer Anmaßung ihren fleischlichen<br />
Hoffnungen Vorschub leistet, <strong>de</strong>m Knecht Jehovas wi<strong>de</strong>rsteht, so daß dieser in eine höchst<br />
einsame Stellung gegen die, <strong>de</strong>nen er in seinem Zeugnis dienen wollte, gedrängt wird.<br />
In <strong>de</strong>n Versen 6–9 re<strong>de</strong>t Jeremia wie ein wahrer Prophet <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns. Aber <strong>als</strong> Hananja<br />
die Jochstäbe vorn H<strong>als</strong>e <strong>de</strong>s Propheten nahm, sie zerbrach und vor <strong>de</strong>m ganzen Volke<br />
sagte: „So spricht Jehova: Ebenso wer<strong>de</strong> ich binnen zwei Jahren das Joch Nebukadnezars,<br />
<strong>de</strong>s Königs von Babel, zerbrechen vom H<strong>als</strong>e aller Nationen,“ da ging Jeremia seines Weges.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
Es ist immer weise, <strong>de</strong>n niedrigsten Platz einzunehmen, auch im Dienste <strong>de</strong>s Herrn, und<br />
wie Jeremia hier, unter Stillschweigen sich zurückzuziehen.<br />
Aber danach geschah das Wort Jehovas zu Jeremia: „Geh und sprich zu Hananja und sage: So<br />
spricht Jehova: Hölzerne Jochstäbe hast du zerbrochen, aber an ihrer Statt eiserne Jochstäbe<br />
gemacht.“ – „Höre doch, Hananja! Jehova hat dich nicht gesandt, son<strong>de</strong>rn du hast dieses<br />
Volk auf eine Lüge vertrauen lassen. Darum, so spricht Jehova: Siehe, ich werfe dich vom<br />
Erdbo<strong>de</strong>n hinweg; dieses Jahr wirst du sterben; <strong>de</strong>nn du hast Abfall gere<strong>de</strong>t wi<strong>de</strong>r Jehova.“<br />
So ist es, wenn wir uns in Selbsterniedrigung zurückziehen, von <strong>de</strong>n Menschen verdrängt<br />
dann kann <strong>de</strong>r Herr uns Seine Gedanken wissen lassen, und <strong>de</strong>r Feind wird beschämt. „Und<br />
<strong>de</strong>r Prophet Hananja starb im selben Jahre, im siebenten Monat.“<br />
In Kap 29 fin<strong>de</strong>n wir „die Worte <strong>de</strong>s Briefes, welchen <strong>de</strong>r Prophet Jeremia von Jerusalem an<br />
die übriggebliebenen Ältesten <strong>de</strong>r Weggeführten und an die Priester und an die Propheten<br />
und an das ganze Volk sandte, weiches Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt<br />
hatte, (nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r König Jekonja und die Königin, und die Kämmerer, die Fürsten von Juda<br />
und Jerusalem, und die Werkleute und die Schlosser aus Jerusalem weggezogen waren).“<br />
Wir haben hier das Wort Jehovas an alle diejenigen, die Er von Jerusalem nach Babel in<br />
die Gefangenschaft geführt hatte, und in <strong>de</strong>n Versen 24–32, was <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Heerscharen<br />
sprach und was Er Schemaja, <strong>de</strong>m Necheiamiter, tun wollte, <strong>de</strong>nn er hat Abfall gere<strong>de</strong>t<br />
wi<strong>de</strong>r Jehova.“<br />
In Kap. 30 weist Jehova, <strong>de</strong>r Gott Israels, Jeremia an, „alle Worte, die ich zu dir gere<strong>de</strong>t habe,<br />
in ein Buch“ zu schreiben. In Kap. 32, <strong>als</strong> Jeremia von Ze<strong>de</strong>kia im Gefängnishofe eingesperrt<br />
war, geschah das Wort Jehovas zu ihm <strong>als</strong>o: „Siehe, Hanarnel, <strong>de</strong>r Sohn Schallums, <strong>de</strong>ines<br />
Oheims, wird zu dir kommen und sagen: Kaufe dir mein Feld, das zu Anathoth ist; <strong>de</strong>nn du<br />
hast das Lösungsrecht um es zu kaufen.“<br />
Während Jeremia sicher wußte, daß alles in die Hand <strong>de</strong>s Königs von Babel übergehen wür<strong>de</strong>,<br />
glaubte er – gleich Abraham – Gott, „Der die Toten lebendig macht und das Nichtseien<strong>de</strong><br />
ruft, wie wenn es da wäre; <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>r Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat.“ (Röm 4,17+18)<br />
und daher in einer Zeit <strong>de</strong>r größten Nie<strong>de</strong>rlage und Hoffnungslosigkeit auf <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r<br />
Heerscharen, <strong>de</strong>n Gott Israels, rechnen konnte. „Es wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>rum Häuser und Fel<strong>de</strong>r<br />
und Weinberge in diesem Lan<strong>de</strong> gekauft wer<strong>de</strong>n.“ (Jer 32,15).<br />
In einem Gefängnis, durch die Gewalt <strong>de</strong>r Menschen seiner Freiheit beraubt, im Bewußtsein<br />
eines drohen<strong>de</strong>n und unausweichlichen Verfalls, wird Jeremia durch das Wort Gottes dahin<br />
geführt, zu sehen, daß in <strong>de</strong>r Zukunft all das gegenwärtige Elend been<strong>de</strong>t und eine völlige,<br />
gesegnete Wie<strong>de</strong>rherstellung aller Dinge stattfin<strong>de</strong>n wird. Er sieht <strong>de</strong>n gegenwärtigen<br />
Verfall <strong>als</strong> unvermeidlich, aber er ist berufen, im Glauben <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />
zu sehen.<br />
Bevor Jeremia sich nun zu einfältigem Glauben emporschwingen und sich in <strong>de</strong>r ihm so<br />
vorgestellten Zukunft erfreuen kann, muß er diesbezüglich zu Jehova beten (32,17–25).<br />
Es ist sehr wichtig, zu bemerken, daß die bloße Mitteilung <strong>de</strong>s Wortes, wie ein<strong>de</strong>utig es<br />
auch übermittelt o<strong>de</strong>r empfangen wird, nicht genügt. Es ist erfor<strong>de</strong>rlich, daß <strong>de</strong>r Knecht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 187
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
<strong>de</strong>swegen auf Gott wartet, wie Jeremia in V. 16–25. Dann geschah das Wort Jehovas zu<br />
Jeremia (V. 26): „Siehe, ich bin Jehova, <strong>de</strong>r Gott alles Fleisches; sollte mir irgen<strong>de</strong>in Ding<br />
unmöglich sein?“ Jehova eröffnet ihm Seine Absichten, selbst die gegenwärtige völlige<br />
Zerstörung Jerusalems, aber auch die zukünftige Wie<strong>de</strong>rherstellung Seines Volkes. siehe,<br />
ich wer<strong>de</strong> sie aus allen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn sammeln, wohin ich sie vertrieben haben wer<strong>de</strong> in<br />
meinem Zorn und in meinem Grimm und in großer Entrüstung; und ich wer<strong>de</strong> sie an diesen<br />
Ort zurückbringen und sie in Sicherheit wohnen lassen. Und sie wer<strong>de</strong>n mein Volk, und<br />
ich wer<strong>de</strong> ihr Gott sein.“ In Vers 41 lesen wir dann: Und ich wer<strong>de</strong> mich über sie freuen,<br />
ihnen wohlzutun, und wer<strong>de</strong> sie in diesem Lan<strong>de</strong> pflanzen in Wahrheit mit meinem ganzen<br />
Herzen und mit meiner ganzen Seele.“<br />
Der Knecht muß unvermeidliche völlige Zerstörung ankündigen, wo Selbstvertrauen,<br />
Eigenwille und die Anmaßung, die von Gott gegebene Stellung durch menschliches<br />
Bemühen zu halten, herrscht. Dann tritt schonungsloses Gericht ein, aber an<strong>de</strong>rerseits<br />
wird es eine völlige Wie<strong>de</strong>rherstellung aus <strong>de</strong>n Trümmern geben.<br />
Kap. 34. Als <strong>de</strong>r König von Babel und sein ganzes Heer gegen Jerusalem gestritten haben,<br />
wird Jeremia zu Ze<strong>de</strong>kia gesandt, um ihm zu sagen, daß die Stadt in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Königs<br />
von Babel fallen wür<strong>de</strong>, sein Leben aber verschont bleiben wür<strong>de</strong>. Es ist bemerkenswert,<br />
daß <strong>de</strong>r Knecht lernt, das Gericht durch Gna<strong>de</strong> zu mil<strong>de</strong>rn.<br />
Es ist sehr ernst und zieht das schwerste Gericht nach sich, wenn wir gegen unsere<br />
Überzeugung sündigen. Und das ist es gera<strong>de</strong>, worauf Ze<strong>de</strong>kia verfiel. Der König hatte<br />
einen Bund mit <strong>de</strong>m ganzen Volk geschlossen, um <strong>de</strong>m göttlichen Gebot, das Sabbathjahr zu<br />
halten, mehr Kraft zu geben, „damit ein je<strong>de</strong>r seinen Knecht und ein je<strong>de</strong>r seine Magd, <strong>de</strong>n<br />
Hebräer und die Hebräerin, frei entließe, so daß niemand mehr einen Ju<strong>de</strong>n, seinen Bru<strong>de</strong>r,<br />
zum Dienste anhielte.“ Zunächst war das ganze Volk einverstan<strong>de</strong>n und gehorchte, in<strong>de</strong>m<br />
es die Richtigkeit und Wahrheit <strong>de</strong>r Maßnahme zugab, aber später bereute es das Opfer, das<br />
damit verbun<strong>de</strong>n war und ergriff wie<strong>de</strong>r Besitz von <strong>de</strong>n Knechten, die freigelassen wor<strong>de</strong>n<br />
waren. So rechtfertigt ihre Handlungsweise die schwere Vergeltung, die Jeremia über sie<br />
ausspricht, und die im einzelnen am En<strong>de</strong> dieses Kapitels beschrieben wird.<br />
Kap. 35. Jeremia sieht an <strong>de</strong>r Treue <strong>de</strong>r Rekabiter gegen das Gebot ihres Vaters, wie treu<br />
Kin<strong>de</strong>r ihrem Vater nach <strong>de</strong>m Fleische sein können, und wie doch die Kin<strong>de</strong>r Israel ihrem<br />
Gott nicht gehorcht haben. Treue gegen einen gerechten Anspruch bringt hier Segen mit<br />
sich, daher soll es Jonadab, <strong>de</strong>m Sohne Rekabs, nicht an einem Manne fehlen, <strong>de</strong>r vor mir<br />
stehe, alle Tage.“<br />
Kap. 36. Jehova re<strong>de</strong>t zu Jeremia und spricht: „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe darauf<br />
alle die Worte, welche ich zu dir gere<strong>de</strong>t habe . . . Vielleicht wird das Haus Juda auf all das<br />
Böse hören, welches ich ihnen zu tun ge<strong>de</strong>nke, damit sie umkehren, ein je<strong>de</strong>r von seinem<br />
bösen Wege.“<br />
Es ist sehr anziehend, Grün<strong>de</strong> und Gelegenheit <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rschrift <strong>de</strong>r mündlichen<br />
Mitteilungen <strong>de</strong>r Propheten zu untersuchen. Wir lesen in 5.Mo 32, daß <strong>de</strong>r Grund, dieses<br />
Lied aufzuschreiben, es die Kin<strong>de</strong>r Israel zu lehren und in ihren Mund zu legen, war, „daß<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
dieses zum Zeugnis für mich wi<strong>de</strong>r die Kin<strong>de</strong>r Israel sei, <strong>als</strong> Erinnerung an die geduldige<br />
und treue Fürsorge Gottes für Sein Volk. Bei Jeremia ist <strong>de</strong>r Grund, das Volk wachzurütteln.<br />
Bei Lukas ist es, um die Gewißheit <strong>de</strong>r Dinge zu zeigen, „auf daß du die Zuverlässigkeit<br />
<strong>de</strong>r Dinge erkennest, in welchen du unterrichtet wor<strong>de</strong>n bist.“ Bei Johannes: „Diese aber<br />
sind geschrieben, auf daß ihr glaubet, daß Jesus <strong>de</strong>r Christus ist, <strong>de</strong>r Sohn Gottes, und<br />
auf dass ihr glaubend Leben habet in seinem Namen.“ Und in seinem Brief: „auf daß ihr<br />
wisset, daß ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Sohnes Gottes.“ Bei<br />
Paulus ist <strong>de</strong>r Grund, Irrtümer zu berichtigen o<strong>de</strong>r aufzu<strong>de</strong>cken, o<strong>de</strong>r auch um die Wahrheit<br />
mitzuteilen, wie an Ephesus, <strong>als</strong> er im Gefängnis war. Der König verbrennt dies Buch, <strong>als</strong><br />
Jehudi drei o<strong>de</strong>r vier Spalten gelesen hat (Kap. 36,22–26). Da sprach Jehova zu Jeremia: So<br />
spricht Jehova: Du hast diese Rolle verbrannt . . . Darum spricht Jehova <strong>als</strong>o über Jojakim,<br />
<strong>de</strong>n König von Juda: Er wird nieman<strong>de</strong>n haben, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Throne Davids sitze,“ usw.<br />
(Verse 30–32).<br />
Kap. 37. Ze<strong>de</strong>kia, <strong>de</strong>r Sohn Josias, folgt an die Stelle Konjas, <strong>de</strong>s Sohnes Jojakims, <strong>de</strong>n<br />
Nebukadnezar, <strong>de</strong>r König von Babel, zum König gemacht hatte im Lan<strong>de</strong> Juda. Aber we<strong>de</strong>r<br />
er, noch seine Knechte, noch das Volk <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s hörten auf die Worte Jehovas, welche er<br />
durch Jeremia, <strong>de</strong>n Propheten, gere<strong>de</strong>t hatte. „<br />
Der König sen<strong>de</strong>t zu Jeremia Männer, die ihm sagen sollten: „Bete doch für uns zu Jehova,<br />
unserem Gott!“ Das Heer Pharaos war aus Ägypten gekommen, und die Chaldäer, die<br />
Kun<strong>de</strong> von ihnen vernommen hatten, ließen ab von <strong>de</strong>r Belagerung Jerusalems und zogen<br />
ab. „Und das Wort Jehovas geschah zu Jeremia, <strong>de</strong>m Propheten, <strong>als</strong>o . . . So spricht Jehova:<br />
Täuschet euch nicht selbst, daß ihr sprechet: Die Chaldäer wer<strong>de</strong>n gewißlich von uns<br />
wegziehen; <strong>de</strong>nn sie wer<strong>de</strong>n nicht wegziehen. Denn wenn ihr auch das ganze Heer <strong>de</strong>r<br />
Chaldäer schlüget, die wi<strong>de</strong>r euch streiten, . . . so wür<strong>de</strong>n diese ein je<strong>de</strong>r in seinem Zelte<br />
aufstehen und diese Stadt mit Feuer verbrennen.“<br />
Nun geschieht in V.11 etwas sehr Bemerkenswertes: <strong>als</strong> das Heer <strong>de</strong>r Chaldäer aus Furcht<br />
vor <strong>de</strong>m Heere Pharaos abzog, ging Jeremia aus Jerusalem hinaus, um in das Land Benjamin<br />
unter das Volk zu gehen. Wegen seines Glaubens an das Wort Jehovas, das er verkün<strong>de</strong>t<br />
hatte, fürchtete er sich, in <strong>de</strong>r Stadt zu bleiben, aber er wird von <strong>de</strong>n Fürsten <strong>de</strong>s Volkes<br />
mißverstan<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r Anklage <strong>de</strong>s Befehlshabers <strong>de</strong>r Wache mehr Glauben schenken, daß<br />
er zu <strong>de</strong>n Chaldäern habe überlaufen wollen, in Zorn über ihn geraten, ihn schlagen und im<br />
Hause Jonathans <strong>de</strong>s Schreibers gefangensetzen.<br />
Wenn <strong>de</strong>r Knecht seine eigene Sicherheit sucht, setzt er sich <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong> aus. Es ging Jeremia<br />
besser, da er an seinem Platz aushielt, <strong>als</strong> bei seinem Rückzug in die Sicherheit. Er blieb<br />
viele Tage im Kerker, aber dann „sandte <strong>de</strong>r König Ze<strong>de</strong>kia hin und ließ ihn holen. Und<br />
<strong>de</strong>r König fragte ihn in seinem Hause insgeheim und sprach: Ist ein Wort da von seiten<br />
Jehovas?“ Wo es noch ein Gewissen gibt, dort kann es Verlangen nach <strong>de</strong>m Wort Jehovas<br />
geben, und wenn auch die Herzensbereitschaft zum Gehorsam fehlt, so ist doch <strong>de</strong>swegen<br />
im Herzen Unruhe. Danach, <strong>als</strong> Jeremia bittet, nicht in das Haus Jonathans zurückkehren<br />
zu müssen, um dort zu sterben, befahl Ze<strong>de</strong>kia, daß man „Jeremia in <strong>de</strong>n Gefängnishof<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
versetzte; und man gab ihm täglich einen Laib Brot aus <strong>de</strong>r Bäckerstraße, bis alles Brot in<br />
<strong>de</strong>r Stadt aufgezehrt war. So blieb Jeremia im Gefängnishof.“<br />
Kap. 38. Diese Erleichterung sollte für Jeremia nicht lange dauern, <strong>de</strong>nn die Fürsten hetzten<br />
<strong>de</strong>n König gegen ihn auf, daß er getötet wür<strong>de</strong>. Der König gab nach, und sie nahmen<br />
„Jeremia und warfen ihn in die Grube, . . . und sie ließen Jeremia mit Stricken hinab; und<br />
in <strong>de</strong>r Grube war kein Wasser, son<strong>de</strong>rn Schlamm, und Jeremia sank in <strong>de</strong>n Schlamm.“ Auf<br />
zweifache Weise erfährt Jeremia nun, wie eitel Menschenhilfe ist. Sein Fluchtversuch hatte<br />
ihn <strong>de</strong>r Verleumdung seiner Fein<strong>de</strong> preisgegeben, und jetzt erlaubt <strong>de</strong>r König, <strong>de</strong>r soeben<br />
noch seinem Wort gelauscht und auf seine Bitte die Gefangenschaft gemil<strong>de</strong>rt hat, daß er auf<br />
das Wort <strong>de</strong>r Fürsten in einen schrecklichen Kerker gesperrt wird. Aber Jehova tritt in <strong>de</strong>r<br />
Person Ebedmelechs, <strong>de</strong>s Äthiopiers, für ihn ein. Es ist sehr gesegnet und ermutigend, die<br />
unerwarteten Werkzeuge zu sehen, die <strong>de</strong>r Herr für die Hilfe und Rettung Seiner Knechte<br />
in Prüfungen gebraucht. Nach menschlichem Ermessen hat Jeremia nur einen qualvollen,<br />
langsamen Tod zu gewärtigen, <strong>als</strong> Ebedmelech <strong>de</strong>n König bittet, ihm die Erlaubnis zur<br />
Rettung <strong>de</strong>s Propheten zu geben. Diese Lei<strong>de</strong>n, die einen Israeliten, <strong>de</strong>ssen Hoffnungen so<br />
sehr mit <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> verbun<strong>de</strong>n waren, so schmerzlich trafen, bereiteten Jeremia für <strong>de</strong>n großen<br />
Dienst, <strong>de</strong>r vor ihm lag, zu. Er unternimmt ihn wie ein von <strong>de</strong>n Toten Auferstan<strong>de</strong>ner, o<strong>de</strong>r<br />
zumin<strong>de</strong>st wie jemand, <strong>de</strong>r mit allem Menschlichen zu En<strong>de</strong> gekommen ist. „Er blieb im<br />
Gefängnishof bis zu <strong>de</strong>m Tage, da Jerusalem eingenommen wur<strong>de</strong>.“<br />
Kap. 39. „Im 11. Jahre Ze<strong>de</strong>kias, im 4. Monat, am 9. <strong>de</strong>s Monats, wur<strong>de</strong> die Stadt erbrochen“<br />
(V. 2). Nach Jahren <strong>de</strong>r Geduld und persönlicher Lei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Worte Jeremias erfüllt.<br />
Nebukadnezar nimmt sich seiner jetzt an; er „gebot. . . durch Nebusaradan, <strong>de</strong>n Obersten<br />
<strong>de</strong>r Leibwache, und sprach: Nimm ihn und richte <strong>de</strong>ine Augen auf ihn und tue ihm nichts<br />
zulei<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn wie er zu dir re<strong>de</strong>n wird, so tue mit ihm.“ (V. 11–12) So sandten Nebusaradan<br />
und die Fürsten hin und holten Jeremia aus <strong>de</strong>m Gefängnishofe und übergaben ihn Gedalja,<br />
daß er ihn ins Haus hinausführte. „Und so wohnte er inmitten <strong>de</strong>s Volkes.“ (V. 13–14)<br />
Kap. 40. Jeremia ist von seinen Ban<strong>de</strong>n befreit und freigelassen. „Und Jeremia kam zu<br />
Gedalja, <strong>de</strong>m Sohne Achikams, nach Mizpa; und er wohnte bei ihm inmitten <strong>de</strong>s Volkes, das<br />
im Lan<strong>de</strong> übriggeblieben war.“ Er verbin<strong>de</strong>t sich mit <strong>de</strong>m schwachen Überrest, <strong>de</strong>r unter<br />
<strong>de</strong>m Statthalter <strong>de</strong>s Königs von Babel geblieben war.<br />
Kap. 41. Jeremia tritt nun in eine neue, große Erfahrung ein. Er hatte sich mit <strong>de</strong>m im Lan<strong>de</strong><br />
verbliebenen Überrest vereinigt, aber infolge <strong>de</strong>s Verrates Ismaels, <strong>de</strong>r alle Ju<strong>de</strong>n, und die<br />
Chaldäer, die bei ihm waren erschlagen hatte, zog er mit <strong>de</strong>m ganzen Überrest, <strong>de</strong>n man von<br />
Ismael zurückgebracht hatte, hin (V. 17), und sie machten Halt in <strong>de</strong>r Herberge Kimhams,<br />
um fortzuziehen nach Ägypten, aus Furcht vor <strong>de</strong>n Chaldäern. Dann kamen sie zu Jeremia<br />
(Kap 42,2) und sprachen: „Laß doch unser Flehen vor dich kommen, und bete für uns zu<br />
Jehova, <strong>de</strong>inem Gott, für diesen ganzen Oberrest; <strong>de</strong>nn wenige sind wir übriggeblieben von<br />
<strong>de</strong>n vielen, wie <strong>de</strong>ine Augen uns sehen: damit Jehova, <strong>de</strong>in Gott, uns <strong>de</strong>n Weg kundtue, auf<br />
welchem wir gehen, und die Sache, die wir tun sollen. Jeremia antwortet: „Siehe, ich will<br />
zu Jehova, eurem Gott, beten nach euren Worten; und es soll geschehen, je<strong>de</strong>s Wort, das<br />
Jehova euch antworten wird, wer<strong>de</strong> ich euch kundtun.“ Nach 10 Tagen geschah das Wort<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 190
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
Jehovas zu Jeremia, <strong>de</strong>r dann zu ihnen sagte: „Wenn ihr in diesem Lan<strong>de</strong> wohnen bleibet,<br />
so wer<strong>de</strong> ich euch bauen und nicht abbrechen, und euch pflanzen und nicht ausreißen . . .<br />
Fürchtet euch nicht vor <strong>de</strong>m König von Babel, . . . <strong>de</strong>nn ich bin mit euch, um euch . . . zu<br />
retten und zu befreien . . . Wenn ihr aber sprechet: . . . Nein, son<strong>de</strong>rn wir wollen in das Land<br />
Ägypten ziehen, wo wir keinen Krieg sehen und <strong>de</strong>n Schall <strong>de</strong>r Posaune nicht hören und<br />
nicht nach Brot hungern wer<strong>de</strong>n, . . . so wird es geschehen, daß das Schwert, vor <strong>de</strong>m ihr<br />
euch fürchtet, euch dort, im Lan<strong>de</strong> Ägypten erreichen wird, . . . und ihr wer<strong>de</strong>t dort sterben.“<br />
(42,10–16) Die Gedanken Jehovas wer<strong>de</strong>n ihnen <strong>als</strong>o durch Jeremia verkün<strong>de</strong>t, aber das<br />
Ergebnis ist, daß sie sich weigern, sie anzunehmen, wie sie es sich vorgenommen hatten<br />
(V. 5–6). So wird bewiesen, daß sie sich um <strong>de</strong>n Preis ihrer Seelen geirrt hatten (V. 20), <strong>als</strong><br />
sie Jeremia baten, Jehova für sie zu befragen. Die „frechen Männer“ antworten: „Du re<strong>de</strong>st<br />
Lügen!“ So gelangten sie in das Land Ägypten, <strong>de</strong>nn sie gehorchten <strong>de</strong>m Wort Jehovas nicht<br />
(Kap 43). Da geschah das Wort Jehovas zu Jeremia: „Nimm große Steine in <strong>de</strong>ine Hand und<br />
verbirg sie in <strong>de</strong>n Mörtel am Ziegelofen, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m Eingang <strong>de</strong>s Hauses <strong>de</strong>s Pharao in<br />
Tachpanes ist, vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r jüdischen Männer; und sprich zu ihnen: So spricht Jehova<br />
<strong>de</strong>r Heerscharen, <strong>de</strong>r Gott Israels: Siehe, ich sen<strong>de</strong> hin und hole Nebukadnezar, <strong>de</strong>n König<br />
von Babel, meinen Knecht, und setze seinen Thron über diese Steine, die ich verborgen<br />
habe; und er wird seinen Prachtteppich über ihnen ausbreiten.“<br />
Der Versuch <strong>de</strong>s Unglaubens, <strong>de</strong>n Schwierigkeiten auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s Gehorsams<br />
auszuweichen, zieht immer die gleiche Art von Schwierigkeiten in erschwerter Form<br />
nach sich. Da die Furcht vor Nebukadnezar sie veranlaßt hatte, <strong>de</strong>r Stimme Jehovas nicht<br />
zu gehorchen und in das Land Ägypten zu gehen, so sollte Nebukadnezar sie dort erreichen<br />
und sich mit Ägypten schmücken, wie ein Schafhirte sein Oberkleid um sich wikkelt.<br />
Kap. 44. Hier wird Jeremia über das Gericht unterwiesen, das auf <strong>de</strong>n Überrest, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />
Herzen noch Ägypten anhängt, kommen wür<strong>de</strong>.<br />
Es ist nicht leicht, <strong>de</strong>n Kummer und die Enttäuschung eines Knechtes wie Jeremia zu<br />
ermessen, <strong>de</strong>r viele Jahre lang das Volk Gottes beobachtet und vor <strong>de</strong>m kommen<strong>de</strong>n Gericht<br />
gewarnt hat und sich nun von Jerusalem entfernt und in Ägypten mit <strong>de</strong>m einst glücklichen<br />
Überrest verbun<strong>de</strong>n sieht, <strong>de</strong>m er dort ein noch schwereres Urteil zu verkün<strong>de</strong>n hat <strong>als</strong><br />
selbst in Jerusalem. Es ist eine höchst schmerzliche Erfahrung, wenn ein Knecht Gottes <strong>de</strong>n<br />
Zusammenbruch <strong>de</strong>s Werkes erlebt, das er so eifrig aufzubauen versucht hat. In <strong>de</strong>rselben<br />
Weise sah Stephanus die Auflösung Israels und Paulus die Auflösung <strong>de</strong>r Kirche.<br />
In Kap. 45 sehen wir die Wirkung auf Baruk. Als er die Worte aus <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> Jeremias<br />
in ein Buch schrieb, sagte er: „Wehe mir! <strong>de</strong>nn Jehova hat Kummer zu meinem Schmerze<br />
gefügt; ich bin mü<strong>de</strong> von meinem Seufzen, und Ruhe fin<strong>de</strong> ich nicht. Die Worte, die Jeremia<br />
sprach, offenbarten ihm nun die Gesinnung, in <strong>de</strong>r er selbst wan<strong>de</strong>ln soll. „So sollst du<br />
zu ihm sagen: So spricht Jehova: Siehe, was ich gebaut habe, breche ich ab; und was ich<br />
gepflanzt habe, reiße ich aus, und zwar das ganze Land. Und du, du trachtest nach großen<br />
Dingen für dich? Trachte nicht danach! <strong>de</strong>nn siehe, ich bringe Unglück über alles Fleisch,<br />
spricht Jehova; aber ich gebe dir <strong>de</strong>ine Seele zur Beute an allen Orten, wohin du ziehen<br />
wirst.“<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 191
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Jeremia<br />
Danach schließt Jeremias Zeugnis mit Aufzeichnungen <strong>de</strong>r Gerichte über Ägypten, die<br />
Philister, Moab, Ammon, Edom, Damaskus, Kedon, Hazor, Elam und Babel, – aber hernach<br />
soll Ägypten wie<strong>de</strong>r bewohnt wer<strong>de</strong>n wie in <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>r Vorzeit, spricht Jehova, (45,26)<br />
und Er wird die Gefangenschaft Moabs wen<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tage, (48,47) und Er wird am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tage die Gefangenschaft Elams wen<strong>de</strong>n, spricht Jehova(49,39).<br />
Kap. 50 und 51 beinhalten das Wort, welches Jehova über Babel, das Land <strong>de</strong>r Chaldäer,<br />
durch Jeremia gere<strong>de</strong>t hat. So schrieb Jeremia all das Übel, das über Babel kommen wür<strong>de</strong>,<br />
in ein Buch: „Und Jeremia sprach zu Seraja.: Wenn du nach Babel kommst, so sieh zu und<br />
lies alle diese Worte, und sprich. Jehova, du hast gegen diesen Ort gere<strong>de</strong>t, daß du ihn<br />
ausrotten wer<strong>de</strong>st, so daß kein Bewohner mehr darin sei, we<strong>de</strong>r Mensch noch Vieh, son<strong>de</strong>rn<br />
daß es zu ewigen Wüsteneien wer<strong>de</strong>n solle. Und es soll geschehen, wenn du dieses Buch zu<br />
En<strong>de</strong> gelesen hast, so bin<strong>de</strong> einen Stein daran und wirf es mitten in <strong>de</strong>n Euphrat und sprich:<br />
Also wird Babel versinken und nicht wie<strong>de</strong>r emporkommen wegen <strong>de</strong>s Unglücks, welches<br />
ich über dasselbe bringe; und sie wer<strong>de</strong>n erliegen.“ (Kap 51, 60–64) „Bis hierher die Worte<br />
Jeremias.“ Ein sehr geeigneter Schluß für sein langes, treues Zeugnis.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 192
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
Hesekiel<br />
Hesekiel ist Priester. Seine Stellung unter <strong>de</strong>n Gefangenen am Fluß Kebar bereitete ihn für<br />
die Gna<strong>de</strong> Gottes zu: „Da taten sich die Himmel auf, und ich sah Gerichte Gottes.“ Der<br />
Knecht muß notwendig in Umstän<strong>de</strong> versetzt wer<strong>de</strong>n, die ihn mehr befähigen, die Gunst<br />
Gottes zu würdigen, die völlig außerhalb und getrennt von allem Irdischen steht. Er sieht die<br />
Herrlichkeit sich von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> erheben, wegen <strong>de</strong>r Bosheit <strong>de</strong>s angeblichen Volkes Gottes,<br />
aber <strong>de</strong>nnoch steht an <strong>de</strong>r hellsten Stelle <strong>de</strong>r verschwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Herrlichkeit die Gestalt eines<br />
Menschen, die an<strong>de</strong>utet, daß, obwohl die Herrlichkeit die Er<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r Schlechtigkeit <strong>de</strong>r<br />
Menschen verläßt, <strong>de</strong>r Mensch <strong>de</strong>n strahlendsten Platz in <strong>de</strong>r Herrlichkeit einnehmen wird.<br />
Kap. 2. Nach<strong>de</strong>m Hesekiel die Wege Gottes im Lichte <strong>de</strong>r Herrlichkeit gesehen hat, wird<br />
ihm gesagt: „Stelle dich auf <strong>de</strong>ine Füße, und ich will mit dir re<strong>de</strong>n.“ Nun empfängt er seinen<br />
Auftrag. Jehova macht ihn mit <strong>de</strong>m Charakter <strong>de</strong>s Volkes bekannt, warnt ihn aber, nicht<br />
wie sie zu sein: „Sei nicht wi<strong>de</strong>rspenstig wie das wi<strong>de</strong>rspenstige Haus: tue <strong>de</strong>inen Mund auf<br />
und iß was ich dir gebe.“<br />
Kap. 3. „Und ich öffnete meinen Mund, und er gab mir diese Rolle zu essen . . . , und sie<br />
war in meinem Mun<strong>de</strong> süß wie Honig.“ Dann wird er gesandt, um zu <strong>de</strong>m Hause Israel zu<br />
re<strong>de</strong>n. Die Auffor<strong>de</strong>rung wird ihm tief eingedrückt; er soll sich nicht fürchten, <strong>de</strong>nn „ich<br />
habe <strong>de</strong>in Angesicht hart gemacht gegenüber ihrem Angesicht. Darüber hinaus wird er<br />
ermahnt: „Alle meine Worte . . . nimm in <strong>de</strong>in Herz auf und höre sie mit <strong>de</strong>inen Ohren.“<br />
Es ist höchst wichtig, daß <strong>de</strong>r Knecht Gottes die Wahrheit, die er an<strong>de</strong>ren nahebringen<br />
soll, selbst praktisch zur Darstellung bringt, und er muß re<strong>de</strong>n, ob sie hören wollen o<strong>de</strong>r<br />
nicht. Die in <strong>de</strong>n Versen 12–14 dargestellte Art seines Dienstes ist sehr bemerkenswert.<br />
„Und <strong>de</strong>r Geist hob mich empor; und ich hörte hinter mir <strong>de</strong>n Schall eines starken Getöses:<br />
„Gepriesen sei die Herrlichkeit Jehovas von ihrer Stätte her!“ . . . Und <strong>de</strong>r Geist hob mich<br />
empor und nahm mich hinweg; und ich fuhr dahin, erbittert in <strong>de</strong>r Glut meines Geistes; und<br />
die Hand Jehovas war stark auf mir.“ Welch wun<strong>de</strong>rbare, gna<strong>de</strong>nreiche Vorbereitung auf die<br />
ihm bestimmte Art <strong>de</strong>s Dienstes! Als er nach Tel-Abib kam, wo die Weggeführten am Flusse<br />
Kebar wohnten, sagte er: „Und es geschah am En<strong>de</strong> von sieben Tagen, da geschah das Wort<br />
Jehovas zu mir <strong>als</strong>o: Menschensohn, Menschensohn, ich habe dich <strong>de</strong>m Hause Israel zum<br />
Wächter gesetzt; und du sollst das Wort aus meinem Mun<strong>de</strong> hören und sie von meinetwegen<br />
warnen.“ (V. 16) Er war am rechten Orte, und mußte <strong>de</strong>nnoch auf das Wort Jehovas warten.<br />
Aber <strong>de</strong>r Prophet wird für einen wichtigen Dienst bestimmt, und in V. 22 lesen wir: „Mache<br />
dich auf, gehe hinaus in das Tal, und dort will ich mit dir re<strong>de</strong>n.“ Es ist interessant, zu<br />
bemerken, wie <strong>de</strong>r Knecht allmählich zubereitet wird, und zwar nicht nach einem vorher<br />
bekannten System o<strong>de</strong>r auf eine Weise, die <strong>de</strong>r Mensch ersinnen o<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>cken könnte.<br />
Hesekiel geht in das Tal hinaus: „und siehe, daselbst stand die Herrlichkeit Jehovas, gleich<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 193
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
<strong>de</strong>r Herrlichkeit, die ich am Flusse Kebar gesehen hatte; und ich fiel auf mein Angesicht<br />
nie<strong>de</strong>r.“ Dies ist die Vorbereitung auf die wun<strong>de</strong>rbaren und schweren Übungen geduldigen<br />
Lei<strong>de</strong>ns, die er in seinem Dienst ertragen mußte. In Kap. 4 wird zu Hesekiel gesagt: „Nimm<br />
dir einen Ziegelstein und lege ihn vor dich hin, und zeichne darauf eine Stadt, Jerusalem.<br />
Und mache eine Belagerung wi<strong>de</strong>r sie, und baue Belagerungstürme wi<strong>de</strong>r sie, und schütte<br />
wi<strong>de</strong>r sie einen Wall auf, und stelle Heerlager wi<strong>de</strong>r sie, und errichte Sturmböcke wi<strong>de</strong>r<br />
sie ringsum. Und du, nimm dir eine eiserne Pfanne und stelle sie <strong>als</strong> eine, eiserne Mauer<br />
zwischen dich und die Stadt: und richte <strong>de</strong>in Angesicht gegen sie, daß sie in Belagerung sei<br />
und du sie belagertest. Das sei ein Wahrzeichen <strong>de</strong>m Hause Israel.“ Der Knecht hat es mit<br />
Wirklichkeiten zu tun, die jedoch nur in sehr schwachem Maße <strong>de</strong>n wirklichen Tatsachen<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n, die er aber bis zu einem gewissen Gra<strong>de</strong> selbst erfahren muß. Es besteht ein<br />
großer Unterschied im Verhalten und in <strong>de</strong>r Kraft zwischen jemand, <strong>de</strong>r gewisse Umstän<strong>de</strong><br />
am eigenen Leibe erfahren, und jemand, <strong>de</strong>r nur von ihnen gehört hat, sei es auch sehr<br />
ausführlich. Es ist <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m Zeugen und <strong>de</strong>m Geschichtsschreiber.<br />
Hesekiel muß nun die Lei<strong>de</strong>n von Israel und Juda während <strong>de</strong>r Belagerung kennenlernen<br />
und erdul<strong>de</strong>n; er muß sie persönlich fühlen. Selbst wenn es für je<strong>de</strong>s Jahr nur ein Tag<br />
ist, muß er 390 Tage die Ungerechtigkeit tragen. „Und du sollst die Ungerechtigkeit <strong>de</strong>s<br />
Hauses Israel tragen. Und hast du diese vollen<strong>de</strong>t, so lege dich zum zweiten auf <strong>de</strong>ine<br />
rechte Seite und trage die Ungerechtigkeit <strong>de</strong>s Hauses Juda vierzig Tage; je einen Tag für<br />
ein Jahr habe ich dir auferlegt.“ Ebenso mußte er Brot nach Gewicht essen und Wasser<br />
nach Maß trinken, und zwar mit <strong>de</strong>m Gefühl <strong>de</strong>r größten Erniedrigung für <strong>de</strong>n natürlichen<br />
Menschen. Wie an<strong>de</strong>rs wür<strong>de</strong> ein Knecht Gottes seinen Dienst beginnen und verfolgen,<br />
wenn er vorher in seiner Seele <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r Dinge, von <strong>de</strong>m er spricht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n er zu<br />
verbessern sucht, wahrhaftig, wenn auch in schwacher Weise, erfahren hat. Ich glaube,<br />
dass man keine Seele vor Bösem warnen kann, das man nicht selbst durch die Gna<strong>de</strong><br />
bekämpft hat. Sei es <strong>de</strong>r Vogel, <strong>de</strong>r nicht vom Netz gefangen wor<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r einer, <strong>de</strong>r aus<br />
<strong>de</strong>r Schlinge <strong>de</strong>s Vogelstellers befreit wor<strong>de</strong>n ist, sie erfahren wie Petrus: „Und du, bist du<br />
einst zurückgekehrt, so stärke <strong>de</strong>ine Brü<strong>de</strong>r.“<br />
Kap. 5. Eine neue Erfahrung wartet nun auf Hesekiel. Sein Aussehen soll lei<strong>de</strong>n. Das<br />
teilweise Abschnei<strong>de</strong>n seines Haupthaares und seine Teilung nach Gewicht soll das Maß<br />
und <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s an Zahl kleinen Überrestes ausdrücken. „Und du sollst davon eine<br />
kleine Zahl nehmen und in <strong>de</strong>ine Rockzipfel bin<strong>de</strong>n. Und von diesen sollst du aberm<strong>als</strong><br />
nehmen und sie mitten ins Feuer werfen und sie mit Feuer verbrennen; davon wird ein<br />
Feuer ausgehen wi<strong>de</strong>r das ganze Haus Israel.‘Der Knecht soll mit Bewußtsein, in eigener<br />
Person, <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>r Zerstreuung und <strong>de</strong>s Verfalls <strong>de</strong>s Volkes erfahren. Paulus stellte in<br />
seinem Lebensweg die Wechselfälle und Lei<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r himmlische Wan<strong>de</strong>l mit sich bringt,<br />
dar. Er hat nichts, was das menschliche Auge sehen kann, und doch besitzt er alles, was<br />
zum Trost und zur Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s geistlich gesinnten Herzens nötig ist.<br />
In Kap 6 und 7 wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Propheten die Gerichte, die über das Volk kommen sollen,<br />
mitgeteilt. Ihm wird erzählt, wie Jehova mit ihnen han<strong>de</strong>ln wird, und wie schmerzlich ihr<br />
Weg <strong>de</strong>m Herzen Jehovas ist. Auf diese Weise wird <strong>de</strong>r Knecht gebührend von <strong>de</strong>r Bosheit<br />
<strong>de</strong>r Menschen beeindruckt. Erst wenn Jehova ihm Seine Gedanken darüber kundgetan<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 194
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
hat, kann er es richtig kennen. In Kap 8 wird <strong>de</strong>r Prophet in Gesichten Augenzeuge<br />
<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Greueltaten, die zu Jerusalem begangen wur<strong>de</strong>n. Der Mensch in <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit streckt Seine Hand aus und nahm mich beim Haarschopf meines Hauptes“,<br />
und brachte ihn nach Jerusalem. Die Erziehung eines Knechtes, <strong>de</strong>r berufen ist, das Urteil<br />
anzukündigen, ist von beson<strong>de</strong>rer und für die Person schwerer Art. Nicht nur muß er die<br />
Gedanken Gottes bezüglich <strong>de</strong>s Bösen kennen, son<strong>de</strong>rn er muß über die Art und Weise<br />
<strong>de</strong>sjenigen Bösen, über das das Urteil ausgesprochen wird, klar und <strong>de</strong>utlich unterrichtet<br />
sein. Dennoch darf er in keiner Weise damit verbun<strong>de</strong>n sein. Zunächst wird er in V. 5<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt: „Hebe nun <strong>de</strong>ine Augen auf gegen Nor<strong>de</strong>n! . . . und siehe, nördlich vom Tore<br />
<strong>de</strong>s Altars war dieses Bild <strong>de</strong>r Eifersucht, am Eingang.“ Sodann in V. 7.brachte er mich an<br />
<strong>de</strong>n Eingang <strong>de</strong>s Vorhofs; . . . Und er sprach zu mir: Gehe hinein und sieh die bösen Greuel,<br />
die sie hier verüben. Und ich ging hinein und sah: und siehe, da waren allerlei Gebil<strong>de</strong> von<br />
scheußlichem Gewürm und Vieh, und allerlei Götzen <strong>de</strong>s Hauses Israel, ringsumher an die<br />
Wand gezeichnet.“ Das verborgene Böse wird enthüllt. Dieser schreckliche Zustand war<br />
durch die Ältesten <strong>de</strong>s Volkes hervorgerufen, die von <strong>de</strong>n ver<strong>de</strong>rblichsten Auffassungen<br />
durchsäuert waren. „Jehova sieht uns nicht, Jehova hat das Land verlassen!“<br />
In V. 14 sehen wir das 3. Greuel: „Und er brachte mich an <strong>de</strong>n Eingang <strong>de</strong>s Tores <strong>de</strong>s Hauses<br />
Jehovas, das gegen Nor<strong>de</strong>n ist; und siehe, dort saßen die Weiber, welche <strong>de</strong>n Tammuz<br />
beweinten.“ Nicht nur Gesinnung und Gedanken, auch die Zuneigungen und Gefühle sind<br />
befleckt; je<strong>de</strong>s Element <strong>de</strong>s Volkes ist ver<strong>de</strong>rbt und götzendienerisch.<br />
In V. 16 sehen wir das vierte <strong>de</strong>r Greuel: „Und er brachte mich in <strong>de</strong>n inneren Vorhof <strong>de</strong>s<br />
Hauses Jehovas; und siehe, am Eingang <strong>de</strong>s Tempels Jehovas, zwischen <strong>de</strong>r Halle und <strong>de</strong>m<br />
Altar, waren 25 Männer, ihre Rücken gegen <strong>de</strong>n Tempel Jehovas und ihre Angesichter gegen<br />
Osten gerichtet; und sie bückten sich gegen Osten hin vor <strong>de</strong>r Sonne.<br />
Diese 4 verborgenen, tief eingewurzelten Greuel wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Propheten enthüllt, und in<br />
Kap. 9 wird ihm die Ausführung <strong>de</strong>s Urteils gezeigt. Aber vorher, o<strong>de</strong>r zu gleicher Zeit,<br />
geschieht etwas von außeror<strong>de</strong>ntlicher Be<strong>de</strong>utung: diejenigen, die sich voll Herzenskummer<br />
vom Bösen jener Zeit fernhalten, wer<strong>de</strong>n gekennzeichnet: „Mache ein Zeichen an die Stirnen<br />
<strong>de</strong>r Leute, welche seufzen und jammern über all die Greuel, die in ihrer Mitte geschehen.“<br />
Dem Manne Gottes ist das Urteil über das Volk Gottes immer etwas Schreckliches; daher<br />
heißt es: „Und es geschah, <strong>als</strong> sie schlugen, und ich allein übrigblieb, da fiel ich nie<strong>de</strong>r auf<br />
mein Angesicht und schrie und sprach: Ach, Herr, Jehova! willst du <strong>de</strong>n ganzen Oberrest<br />
Israels ver<strong>de</strong>rben, in<strong>de</strong>m du <strong>de</strong>inen Grimm über Jerusalem ausgießest?“<br />
In Kap. 10 wird Hesekiel nun eine ganz an<strong>de</strong>re Erfahrung zuteil. Es ist <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit Gottes, einerseits ein kummervoller Anblick, weil sie das Haus, die Er<strong>de</strong> verläßt,<br />
an<strong>de</strong>rseits <strong>de</strong>m Manne Gottes ein ermuntern<strong>de</strong>r Anblick, weil die Wege und Absichten (von<br />
<strong>de</strong>nen die „Rä<strong>de</strong>r“ im Vorbild sprechen) im voraus bestimmt und sicher sind. Das Gebil<strong>de</strong><br />
einer Menschenhand war unter <strong>de</strong>n Flügeln <strong>de</strong>r Cherubim: einst wür<strong>de</strong> ein Mensch zur<br />
Verherrlichung Gottes han<strong>de</strong>ln. Nichts ermuntert das Herz <strong>de</strong>s treuen Knechtes in Zeiten<br />
<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs so sehr wie <strong>de</strong>r ungetrübte Anblick <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes. Als die Sün<strong>de</strong><br />
Israels <strong>de</strong>n Geist Moses bedrückte, sagte er: „Laß mich doch <strong>de</strong>ine Herrlichkeit sehen!“<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 195
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
Ebenso sah Stephanus die in <strong>de</strong>m Menschen Christus Jesus geoffenbarte und versicherte<br />
Herrlichkeit, <strong>als</strong> die Sün<strong>de</strong> Israels vollständig gemacht wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m sie Ihn <strong>als</strong> <strong>de</strong>n König in<br />
Herrlichkeit verwarfen. Sie ist eine schöne Vorbereitung auf Lei<strong>de</strong>n, Dienst und Zeugnis auf<br />
Er<strong>de</strong>n. Aber nicht nur das, in Kap. 11 lesen wir „Und <strong>de</strong>r Geist hob mich empor und brachte<br />
mich zum östlichen Tor <strong>de</strong>s Hauses Jehovas“, damit er die öffentlichen Lehren <strong>de</strong>r Führer<br />
Israels anhören könnte, die sagen: „Es ist nicht an <strong>de</strong>r Zeit, Häuser zu bauen; sie ist <strong>de</strong>r Topf,<br />
und wir sind das Fleisch.“ Zweimal wird zu Hesekiel gesagt: „Weissage.“ – „Und es geschah,<br />
<strong>als</strong> ich weissagte, da starb Pelatja, <strong>de</strong>r Sohn Benajas.“ Der bloße Anblick <strong>de</strong>s Urteils berührte<br />
<strong>de</strong>n Propheten tief; <strong>de</strong>r Mann Gottes, wie große Gerichte er auch wegen <strong>de</strong>r Heiligkeit<br />
Gottes verkün<strong>de</strong>n mag, ist immer bewegt, wenn auch nur ein Mensch davon betroffen wird.<br />
Er sagt: „Und ich fiel nie<strong>de</strong>r auf mein Angesicht und schrie mit lauter Stimme und sprach:<br />
Ach, Herr, Jehova! willst du <strong>de</strong>m Oberrest Israels <strong>de</strong>n Garaus machen?“ Er wird durch eine<br />
Mitteilung Gottes über zukünftige Gna<strong>de</strong> gegen Israel getröstet. Die Herrlichkeit Gottes<br />
verläßt die Stadt, und Hesekiel kehrt zu <strong>de</strong>n Weggeführten zurück und erzählt ihnen alles,<br />
was Jehova ihm gezeigt hat. Die ganze frühere Erziehung war bestimmt, <strong>de</strong>n Propheten<br />
passend zu machen, <strong>de</strong>n Weggeführten die Gedanken Jehovas zu übermitteln.<br />
In Kap. 12 muß er wegen <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Volks wie<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Erfahrung machen. Er<br />
soll <strong>de</strong>m Hause Israel ein Zeichen sein. Und ich tat <strong>als</strong>o, wie mir geboten war. Meine Geräte<br />
trug ich wie Auswan<strong>de</strong>rergeräte bei Tage hinaus, und am Abend durchbrach ich mir die<br />
Mauer mit <strong>de</strong>r Hand; in dichter Finsternis trug ich sie hinaus, ich nahm sie vor, ihren Augen<br />
auf die Schulter.“ Es ist etwas Wun<strong>de</strong>rbares, daß <strong>de</strong>r Prophet sagen kann, er sei ein Zeichen,<br />
wie Paulus später sagen konnte: „Auf daß wir uns selbst euch zum Vorbild gäben, damit ihr<br />
uns nachahmet.“ Er zeigt, daß er persönlich die Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n Gerichts, vor <strong>de</strong>m<br />
er warnt, erdul<strong>de</strong>t. Weiter geschieht das Wort Jehovas zu ihm: „Menschensohn, mit Beben<br />
sollst du <strong>de</strong>in Brot essen, und mit Zittern und in Angst <strong>de</strong>in Wasser trinken. Und sprich<br />
zu <strong>de</strong>m Volke <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s: So spricht <strong>de</strong>r Herr, Jehova, von <strong>de</strong>n Bewohnern Jerusalems im<br />
Lan<strong>de</strong> Israel: In Angst wer<strong>de</strong>n sie ihr Brot essen und in Entsetzen ihr Wasser trinken, weil<br />
ihr Land verö<strong>de</strong>n wird von seiner Fülle wegen <strong>de</strong>r Gewalttat aller seiner Bewohner. Und die<br />
bewohnten Städte wer<strong>de</strong>n wüst, und das Land wird eine Einö<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n. Und ihr wer<strong>de</strong>t<br />
wissen, daß ich Jehova bin.“<br />
Es ist eine große Ermutigung, daß dieselben Lei<strong>de</strong>n an unseren Brü<strong>de</strong>rn, die in <strong>de</strong>r Welt<br />
sind, vollbracht wer<strong>de</strong>n, daß die Knechte Gottes zu an<strong>de</strong>ren Zeiten ebenso gelitten haben,<br />
wie wir jetzt: Hesekiel hatte mit <strong>de</strong>mselben Geist <strong>de</strong>s Unglaubens zu kämpfen wie wir in<br />
unseren Tagen. Wenn man heute sagt: „Wo ist die Verheißung Seiner Wie<strong>de</strong>rkunft?“ so<br />
sagte man dam<strong>als</strong>: „Die Tage wer<strong>de</strong>n sich in die Länge ziehen, und je<strong>de</strong>s Gesicht wird<br />
zunichte wer<strong>de</strong>n“. (Hes 12,22). je weniger <strong>de</strong>r natürliche Mensch von <strong>de</strong>n Absichten und<br />
Wegen Gottes sehen kann, <strong>de</strong>sto mehr vertraut <strong>de</strong>r geistliche Mensch einfältig auf das<br />
Wort Gottes und wird dadurch im Glauben gestärkt. Daher lautet die Antwort auf diesen<br />
Spott <strong>de</strong>r Ungläubigen: „Nahe sind die Tage und das Wort eines je<strong>de</strong>n Gerichts.“ Um <strong>de</strong>m<br />
Propheten die Wahrheit <strong>de</strong>ssen zu zeigen, geschieht wie<strong>de</strong>rum das Wort Jehovas zu ihm,<br />
und er soll zu <strong>de</strong>m Hause Israel sagen: „Keines meiner Worte soll mehr hinausgeschoben<br />
wer<strong>de</strong>n; das Wort, das ich re<strong>de</strong>, wird auch geschehen, spricht <strong>de</strong>r Herr, Jehova.“ Es folgt nun<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 196
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
ein wichtiger, schwerer Dienst für <strong>de</strong>n Propheten, vielleicht <strong>de</strong>r schwerste überhaupt in<br />
solcher Zeit. Die f<strong>als</strong>chen Lehrer unter <strong>de</strong>m Volk, Männer und Frauen, sollen bloßgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Für einen beson<strong>de</strong>ren Dienst ist eine beson<strong>de</strong>re Erziehung notwendig; und die<br />
einzige Möglichkeit, f<strong>als</strong>che Lehren heute zu wi<strong>de</strong>rlegen und zum Schweigen zu bringen<br />
ist die Tatsache <strong>de</strong>r baldigen Wie<strong>de</strong>rkunft Christi, und daß die Hoffnungen <strong>de</strong>r Menschen<br />
alle eitel sind. Kap. 13 belehrt <strong>de</strong>n Knecht über die Gedanken Gottes hinsichtlich dieser<br />
f<strong>als</strong>chen Propheten. Wir fin<strong>de</strong>n hier große Grundsätze zu unserer Hilfe und Leitung. Die<br />
übertünchte Wand wird schließlich fallen. Der Knecht muß lernen, seine Seele in Geduld<br />
zu beherrschen; eines <strong>de</strong>r Kennzeichen, daß er in <strong>de</strong>r göttlichen Kraft steht, ist die Geduld,<br />
mit <strong>de</strong>r er auf Gottes Zeit wartet, in<strong>de</strong>m er weiß, daß die Langmut <strong>de</strong>s Herrn Errettung ist.<br />
Wer glaubt, wird nichts übereilen. Wenn ich wahrhaft sicher bin, daß <strong>de</strong>r Herr an mich<br />
<strong>de</strong>nkt und zu meiner Rechten ist, kann ich geduldig auf Ihn warten und vertrauen, daß er es<br />
gutmachen wird. Hesekiel empfängt <strong>de</strong>n Platz <strong>de</strong>r größten göttlichen Ehre für einen Knecht<br />
auf Er<strong>de</strong>n: ein Licht für Gott zu sein. Das ist <strong>de</strong>r wahre Platz eines Knechtes und Propheten<br />
Gottes.<br />
Kap. 14. „Und es kamen Männer von <strong>de</strong>n Ältesten Israels zu mir, und sie setzten sich vor mir<br />
nie<strong>de</strong>r.“ Sicher sollten wir uns je<strong>de</strong>r Zucht gerne unterwerfen, damit wir für einen so großen<br />
Dienst passend gemacht wer<strong>de</strong>n. Wie gesegnet wäre es, wenn wir von Gott zubereitet<br />
wären, in diesen bösen Tagen die Erklärer Seiner Gedanken zu sein, so daß die Führer<br />
menschlicher Religionen sich zu uns um Licht und Belehrung wen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n; und soweit<br />
wir wirklich für Christum leben, sind wir von Ihm zu diesem Zweck bereitet und hingestellt,<br />
wie wenig wir auch anerkannt wer<strong>de</strong>n mögen. Hesekiel erhält hier nicht so sehr Erziehung<br />
<strong>als</strong> vielmehr Unterweisung; Erziehung ist die Voraussetzung für Unterweisung, und daher<br />
ist es anziehend und nützlich, die Zeit und Ordnung <strong>de</strong>r Unterweisung zu beachten.<br />
In Kap. 15 ist Israel <strong>de</strong>r Weinstock, von Natur aus nichts wert, ist er doch das Bild <strong>de</strong>s Volkes<br />
Gottes auf Er<strong>de</strong>n, das das Herz Gottes und <strong>de</strong>r Menschen erfreuen soll. Unter <strong>de</strong>n Bäumen<br />
<strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r Weinstock nichts, „wieviel weniger, wenn das Feuer das Holz verzehrt<br />
hat, . . . kann es dann noch zu einer Arbeit verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n!“ <strong>de</strong>nn Jehova spricht: „ich<br />
wer<strong>de</strong> mein Angesicht wi<strong>de</strong>r sie richten.“<br />
Kap 16 gibt einen Überblick über alle Gna<strong>de</strong>nwege Gottes mit Israel und zeigt im Einzelnen,<br />
wie sündig Israel gehan<strong>de</strong>lt hat. Daher wird zum Propheten gesagt: Menschensohn, tue<br />
Jerusalem seine Greuel kund.“ Der Knecht muß notwendigerweise nicht nur das Gericht<br />
Gottes an <strong>de</strong>m Weinstock – <strong>de</strong>m anerkannten Volke Gottes – sehen, son<strong>de</strong>rn ihnen ihren<br />
Fall und ihr Abweichen von <strong>de</strong>m Platz und <strong>de</strong>m Zustand, wohin Gott sie gestellt hatte,<br />
klar und <strong>de</strong>utlich vor Augen führen. So geschieht es jetzt. Vielleicht ist unser Dienst in<br />
diesem Punkt mangelhaft, d. h., daß wir Jerusalem seine Greuel nicht genügend kundtun.<br />
Ein Knecht ist niem<strong>als</strong> imstan<strong>de</strong>, mit Kraft und Schärfe das Abweichen an<strong>de</strong>rer aufzu<strong>de</strong>cken,<br />
wenn er nicht selbst davor bewahrt o<strong>de</strong>r errettet wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Bis zum En<strong>de</strong> von Kap 39 wird <strong>de</strong>r Prophet nun über die Gedanken Gottes hinsichtlich<br />
aller mit Israel in Verbindung stehen<strong>de</strong>n Nationen belehrt. Aber auch <strong>de</strong>r Ratschluß Gottes<br />
wird ihm verkün<strong>de</strong>t. Nun, nach<strong>de</strong>m die große Fülle <strong>de</strong>r Gerichte ihm verkün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 197
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Hesekiel<br />
ist, kann er mit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nbotschaft <strong>de</strong>s gepriesenen Gottes en<strong>de</strong>n. „Und ich wer<strong>de</strong> meine<br />
Herrlichkeit unter <strong>de</strong>n Nationen erweisen; und alle Nationen sollen mein Gericht sehen,<br />
welches ich gehalten, und meine Hand, die ich an sie gelegt habe. . . Und ich wer<strong>de</strong> mein<br />
Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen, wenn ich meinen Geist über das Haus Israel<br />
ausgegossen habe, spricht <strong>de</strong>r Herr, Jehova.“ Und zum Schluß sieht Hesekiel im Gesicht die<br />
Aufrichtung von Gottes Heiligtum inmitten Seines Volkes (Kap 40–48); ein ermuntern<strong>de</strong>s,<br />
gesegnetes En<strong>de</strong> seiner Erziehung <strong>als</strong> Knecht und Prophet Gottes.<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Paulus<br />
Zum ersten Mal in <strong>de</strong>r Schrift wird Paulus – dam<strong>als</strong> noch Saulus genannt – bei <strong>de</strong>r<br />
Steinigung <strong>de</strong>s Stephanus erwähnt. „Und die Zeugen legten ihre Klei<strong>de</strong>r ab zu <strong>de</strong>n<br />
Füßen eines Jünglings, genannt Saulus“. Später (Apg 22,20), spricht Paulus noch einmal<br />
davon: „Und <strong>als</strong> das Blut <strong>de</strong>ines Zeugen Stephanus vergossen wur<strong>de</strong>, stand auch ich<br />
dabei und willigte mit ein und verwahrte die Klei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rer, welche ihn umbrachten“. Die<br />
Be<strong>de</strong>utung, die er diesem beimißt, zeigt die Größe <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung, die durch Gna<strong>de</strong> in ihm<br />
stattgefun<strong>de</strong>n hatte. Je wahrhaftiger jemand im Leben und im Geiste Christi wan<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>sto<br />
<strong>de</strong>utlicher tritt <strong>de</strong>r Gegensatz zu seinem früheren, fleischlichen Gottesdienst hervor, <strong>als</strong> er<br />
<strong>de</strong>m Leben Gottes entfrem<strong>de</strong>t war wegen <strong>de</strong>r in ihm wohnen<strong>de</strong>n Unwissenheit. Das religiöse<br />
Ziel verrät auf so beson<strong>de</strong>re Weise die Art <strong>de</strong>r Feindschaft eines fleischlichen Sinnes gegen<br />
Gott, und hier kommt <strong>de</strong>r Gegensatz <strong>de</strong>s Sinnes Christi dazu ganz beson<strong>de</strong>rs zum Ausdruck.<br />
Ich glaube, daß die Feindschaft <strong>de</strong>s natürlichen Menschen gegen Gott nirgends so <strong>de</strong>utlich<br />
hervortritt wie in <strong>de</strong>r Religion. In seinem Bestreben, eine eigene Gerechtigkeit herzustellen,<br />
hat <strong>de</strong>r Mensch sich nicht <strong>de</strong>r Gerechtigkeit Gottes unterworfen. Daher war <strong>de</strong>r angesehene<br />
Pharisäer weiter von Gott entfernt <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Zöllner, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Gesellschaft Ausgestoßene.<br />
Der Herr sagt zu Seinen Jüngern: „Sie wer<strong>de</strong>n euch aus <strong>de</strong>r Synagoge ausschließen;<br />
es kommt aber die Stun<strong>de</strong>, daß je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst<br />
darzubringen“ (Joh 16,2). je mehr <strong>de</strong>r Mensch sich mit <strong>de</strong>m Gedanken vertraut macht daß<br />
er wie Kain die Entfernung zwischen sich und Gott überbrücken kann, <strong>de</strong>sto mehr haßt er<br />
Gottes Weg, diese Entfernung zu überbrücken. Daher erschlug Kain seinen Bru<strong>de</strong>r, „weil<br />
seine Werke böse waren, die seines Bru<strong>de</strong>rs aber gerecht“. Darum wer<strong>de</strong>n wir auch gewarnt<br />
vor <strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n Weg Kains gegangen sind. Niemand wür<strong>de</strong> auch nur einen Augenblick<br />
annehmen, daß ein gottloser Mensch von Gott irgendwelche Hilfe for<strong>de</strong>rt; aber <strong>de</strong>r religiöse<br />
Mensch, wie <strong>de</strong>r Jüngling im Evangelium, wird lieber betrübt Christum aufgeben <strong>als</strong> sein<br />
Kreuz aufnehmen und Ihm folgen.<br />
Es ist wichtig, <strong>de</strong>n Zustand einer Seele vor ihrer Bekehrung im Auge zu behalten. Paulus<br />
sagte, daß er bis auf diesen Tag mit allem guten Gewissen gewan<strong>de</strong>lt habe. Er hatte nicht<br />
das Gefühl, ein Sün<strong>de</strong>r zu sein, weil er das Gesetz nicht öffentlich gebrochen hatte, und<br />
je mehr er sich seiner sittlichen Vortrefflichkeit rühmte, <strong>de</strong>sto mehr Wi<strong>de</strong>rstand und<br />
Geringschätzung brachte er <strong>de</strong>r Lehre entgegen, welche besagte, daß die Erlösung nur<br />
durch Glauben an <strong>de</strong>n Tod und die Auferstehung Jesu Christi zu empfangen sei. Sicher hat<br />
Paulus die Re<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Stephanus gehört, aber je mehr er vom Licht <strong>de</strong>s Christentums sah,<br />
<strong>de</strong>sto stärker wur<strong>de</strong> seine Selbstgerechtigkeit angegriffen und <strong>de</strong>sto mehr wur<strong>de</strong> er in Wut<br />
gebracht und um so entschlossener war sein Wi<strong>de</strong>rstand.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 199
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
So war es bei Saulus, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r nächsten Mitteilung über ihn hat sein Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>n<br />
Höhepunkt erreicht. „Saulus aber, noch Drohung und Mord wi<strong>de</strong>r die Jünger <strong>de</strong>s Herrn<br />
schnaubend, ging zu <strong>de</strong>m Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus<br />
an die Synagogen, damit, wenn er etliche, die <strong>de</strong>s Weges wären, fän<strong>de</strong>, sowohl Männer <strong>als</strong><br />
Weiber, er sie gebun<strong>de</strong>n nach Jerusalem führe“ (Apg 9,1–2). In seiner Wut verläßt er das<br />
Land und reist nach Damaskus, einer frem<strong>de</strong>n Stadt. Es ist sehr ergreifend, <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s<br />
„Größten aller Sün<strong>de</strong>r“ in diesem Augenblick zu betrachten. Er befin<strong>de</strong>t sich auf <strong>de</strong>m Wege<br />
nach Damaskus, Grausamkeit schnaubend, unbeugsam in seinem Entschluß, die Kirche<br />
Gottes zu verwüsten. Wer könnte sich eine auch nur annähern<strong>de</strong> Vorstellung von <strong>de</strong>r Wut<br />
<strong>de</strong>s Saulus gegen Christum in diesem Augenblick machen? Der Wille <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Herzens in Selbstgerechtigkeit hat seinen Höhepunkt erreicht, – und jetzt, wo <strong>de</strong>r religiöse<br />
Mensch sich im Wi<strong>de</strong>rstand gegen Gottes Hauptinteresse von seiner schlimmsten Seite zeigt,<br />
jetzt strahlt die Gna<strong>de</strong> Gottes in ihrem hellsten Glanz hervor. Ein Licht aus <strong>de</strong>m Himmel,<br />
das <strong>de</strong>n Glanz <strong>de</strong>r Sonne übertrifft, umstrahlt Saulus; nicht <strong>de</strong>r Glanz <strong>de</strong>r Herrlichkeit,<br />
um Gerechtigkeit zu for<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn das Licht <strong>de</strong>s Evangeliums <strong>de</strong>r Herrlichkeit Christi,<br />
um <strong>de</strong>m „Größten aller Sün<strong>de</strong>r“ auf <strong>de</strong>m Gipfel seines Eigenwillens zu eröffnen, daß er<br />
einen Erlöser in <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes hat. Der selbstgerechte Mensch fin<strong>de</strong>t vor <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit Gottes keinen Platz; er fällt zu Bo<strong>de</strong>n, und dann hört er die Stimme <strong>de</strong>s Sohnes<br />
Gottes mit <strong>de</strong>n ewig <strong>de</strong>nkwürdigen Worten: „Ich bin Jesus, <strong>de</strong>n du verfolgst-. Niemand<br />
könnte die sittliche Umwälzung beschreiben, die jetzt in <strong>de</strong>r Seele Saulus‘am Werke ist;<br />
seine Religiosität, <strong>de</strong>ren er sich so gerühmt hat, wird zuschan<strong>de</strong>n. Er fällt vor <strong>de</strong>m Strahl <strong>de</strong>r<br />
göttlichen Herrlichkeit zu Bo<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>nnoch wer<strong>de</strong>n in eben diesem Licht seine Ohren<br />
geöffnet, damit sie hören, daß <strong>de</strong>rselbe Jesus, Der das Leben und die Ruhe <strong>de</strong>s Stephanus<br />
war (in <strong>de</strong>ssen Tod er eingewilligt hatte, weil jener an Christum glaubte) auch sein Erlöser<br />
ist, und daß, wie religiös und sittlich aufrichtig er auch war, sein großes Ziel gewesen war,<br />
Ihn in Seinen Glie<strong>de</strong>rn hier auf Er<strong>de</strong>n zu verfolgen. Hier wird das Geheimnis geoffenbart,<br />
daß <strong>de</strong>r Leib Christi auf Er<strong>de</strong>n ist.<br />
So ent<strong>de</strong>ckt Saulus, <strong>de</strong>ssen Wan<strong>de</strong>l beispielhaft war, so weit <strong>de</strong>r natürliche Mensch sehen<br />
konnte (obwohl er nichts sittlich Böses getan hatte, wodurch er die Ver<strong>de</strong>rbnis seines<br />
Herzens hätte ent<strong>de</strong>cken können), daß er selbst <strong>de</strong>r Größte <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>r ist, weil er <strong>de</strong>m<br />
Willen Gottes genau entgegengesetzt und mit allen ihm zu Gebote stehen<strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>n<br />
Hauptinteressen und <strong>de</strong>m Willen Gottes zu dieser Zeit entgegengewirkt hat. Welch eine<br />
Erniedrigung für <strong>de</strong>n selbstgerechten Pharisäer! Wenn <strong>de</strong>r ohne Ta<strong>de</strong>l wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Mensch<br />
<strong>de</strong>r Größte <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>r ist, ist es leicht zu sagen, daß „in mir, das ist in meinem Fleische,<br />
nichts Gutes wohnt“. Ein solcher braucht das Böse seiner Natur nicht durch Übertretung zu<br />
erfahren, wenn er durch seinen Willen, und nicht durch Gesetzesübertretung <strong>als</strong> Größter<br />
von allen Sün<strong>de</strong>rn verurteilt wird.<br />
Möchten unsere Herzen imstan<strong>de</strong> sein, ihm in die Region <strong>de</strong>s Lichts, in die er nun eintritt,<br />
zu folgen. Er ist bewußt blind gegenüber allem in dieser Welt, er lebt in ihr, aber er kann<br />
nichts in ihr erkennen o<strong>de</strong>r genießen, er ist durch die „Herrlichkeit jenes Lichtes“ von<br />
allem hier abgeschnitten und verbringt 3 Tage nicht sehend, und (er) aß nicht und trank<br />
nicht“. Wie anziehend ist es, <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Erziehung zu verfolgen, durch <strong>de</strong>n dieser große<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 200
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Knecht gehen mußte, und wir dürfen festhalten, daß die Gna<strong>de</strong>, die ihm zuteil wur<strong>de</strong>, auch<br />
für uns ist. Wir können uns eine gewisse Vorstellung von <strong>de</strong>n Seelenübungen machen,<br />
durch die er in jenen 3 Tagen ging. Wir alle gehen, wenn auch in verschie<strong>de</strong>nem Maße,<br />
durch eine ähnliche Erfahrung, wenn das Herz ausschließlich mit unserem Passahlamm<br />
beschäftigt ist, wenn wir, geschützt hinter <strong>de</strong>m Schutze Seines Blutes, zu unserer großen<br />
Erleichterung auf uns anwen<strong>de</strong>n, was Er in Seinem To<strong>de</strong> getragen hat, so wie Israel das<br />
Lamm aß, gebraten am Feuer und mit bitteren Kräutern. Für Paulus waren in jenen Tagen<br />
die Übungen zusammengedrängt, die bei uns oft über Jahre verteilt sind; sein Herz wur<strong>de</strong><br />
davon so ergriffen, daß selbst leibliche Bedürfnisse vergessen wer<strong>de</strong>n – er aß nicht und<br />
trank nicht. Schließlich geht die Übung vorüber; er ersteigt die Höhe, zu <strong>de</strong>r das Werk<br />
Christi ihn berechtigt, er wird angenommen, er betet, er ist am Tage <strong>de</strong>s Heils angelangt,<br />
jetzt ist die wohlangenehme Zeit. Der Beweis, daß für jemand die wohlangenehme Zeit<br />
gekommen ist, ist, daß er betet. „Deshalb wird je<strong>de</strong>r Fromme zu dir beten, zurzeit, wo du<br />
zu fin<strong>de</strong>n bist“. Ananias wird nun zu ihm gesandt, um ihn auf seinen neuen Lebensbereich<br />
vorzubereiten. Er kommt und sagt zu ihm: „. . . damit du wie<strong>de</strong>r sehend und mit Heiligem<br />
Geiste erfüllt wer<strong>de</strong>st“. Saulus steht nun in <strong>de</strong>r göttlichen Macht, er kann sich an seinem<br />
Erlöser in <strong>de</strong>r Herrlichkeit Gottes erfreuen, und <strong>als</strong>bald geht er in die Synagoge und predigt,<br />
daß Jesus <strong>de</strong>r Sohn Gottes ist, – ich glaube, daß diese große Wahrheit jetzt zum ersten<br />
Mal so vollkommen dargestellt wur<strong>de</strong>. Damit en<strong>de</strong>t das erste Kapitel dieser ereignisreichen<br />
Lebensgeschichte.<br />
Nach<strong>de</strong>m er so in <strong>de</strong>r Synagoge öffentlich bezeugt hat, daß Jesus <strong>de</strong>r Sohn Gottes ist –<br />
zugleich Quelle und Mittelpunkt <strong>de</strong>s gegenwärtigen Dienstes – scheint es, daß Saulus für<br />
zwei Jahre nach Arabien ging (Gal 1,17). Er, hatte Gott gefallen, Seinen Sohn in ihm zu<br />
offenbaren, und alles was er hat und ist, verdankt er ausschließlich dieser herrlichen Person,<br />
Im allgemeinen sind wir uns nicht genügend bewußt, daß Er <strong>de</strong>r Sohn Gottes ist; wir glauben<br />
es, aber wir verwirklichen es nicht, und doch erkennen wir die göttliche Natur sowohl<br />
unserer Stellung <strong>als</strong> auch unseres Zustan<strong>de</strong>s nur, wenn wir Ihn in <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> Seiner Person<br />
erkennen. Im Glauben an <strong>de</strong>n Sohn Gottes bin ich mit Bewußtsein ein lebendiger Stein.<br />
„Wer ist es, <strong>de</strong>r die Welt überwin<strong>de</strong>t, wenn nicht <strong>de</strong>r, welcher glaubt, daß Jesus <strong>de</strong>r Sohn<br />
Gottes ist“? – „Wer an <strong>de</strong>n Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst“ (1.Joh 5,5+10);<br />
und aller Dienst geht dahin, „bis wir alle hingelangen zu <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Glaubens und <strong>de</strong>r<br />
Erkenntnis <strong>de</strong>s Sohnes Gottes, zu <strong>de</strong>m erwachsenen Manne usw.“ (Eph 4,13). Ich habe länger<br />
hierbei verweilt, weil, je größer die einem Knecht anvertraute Kenntnis ist, es <strong>de</strong>sto nötiger<br />
und wichtiger ist, daß er ihretwegen viel mit Gott allein ist, damit er ihre Art und Wirkung<br />
zunächst auf sich selbst anwen<strong>de</strong>t, ehe er es unternimmt, sie an<strong>de</strong>ren bekanntzugeben.<br />
Dies „Wie<strong>de</strong>rkäuen“ ist von großer Be<strong>de</strong>utung. Wir fin<strong>de</strong>n nichts darüber, wie Saulus diese<br />
zwei Jahre in <strong>de</strong>r einsamen Gegend Arabiens verbracht hat, aber wir können daran Art<br />
und Wirkung einer solchen Erziehung erkennen und lernen. Sie ta<strong>de</strong>lt die Eilfertigkeit und<br />
Bereitschaft, mit <strong>de</strong>r heute viele in <strong>de</strong>n Dienst eintreten, in<strong>de</strong>m sie versuchen, an<strong>de</strong>re mit<br />
einem Maß an Wahrheit zu beeindrucken, das sie selbst noch nicht völlig ergriffen haben.<br />
Sicherlich sollte ein Knecht immer sagen können: Ich habe geglaubt und darum habe ich<br />
gere<strong>de</strong>t“. Josua – <strong>de</strong>r Geist Christi – ist auch jetzt immer <strong>de</strong>r Leiter. Es wird manchmal.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 201
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
geglaubt es sei ein Zeitverlust, daß ein Knecht, bevor er <strong>de</strong>n öffentlichen Dienst antritt<br />
zwei Jahre in <strong>de</strong>r Einsamkeit verbringen sollte. Offenbar dachte <strong>de</strong>r Herr im Hinblick auf<br />
Saulus nicht so, obwohl die Bedürfnisse dam<strong>als</strong>, und die Notwendigkeit seines Dienstes<br />
sehr groß waren. Es ist besser, Zeit für das Werk zu verlieren durch die Vorbereitung auf<br />
<strong>de</strong>n Dienst, <strong>als</strong> dadurch, dass man seine Fehler wie<strong>de</strong>rgutmachen muß, weil man ein Werk<br />
unternommen hat, <strong>de</strong>m man nicht gewachsen war.<br />
Später kehrt Saulus nach Damaskus zurück, und so völlig und treu war er <strong>de</strong>m Herrn<br />
ergeben, daß die Ju<strong>de</strong>n die Stadttore Tag und Nacht bewachten, um ihn zu töten. Der<br />
Landpfleger Aretas schloß sich <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n in ihrem bösen Vorhaben an. Alle, die in<br />
Christo Jesu gottesfürchtig leben wollen, wer<strong>de</strong>n Verfolgung erlei<strong>de</strong>n. je mehr wir für<br />
<strong>de</strong>n Herrn sind, <strong>de</strong>sto gewaffneter wird die Feindschaft <strong>de</strong>r Menschen gegen uns sein.<br />
Die selbstgerechten Ju<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Namen nach das Volk Gottes, und die Macht <strong>de</strong>r Welt in<br />
heidnischer Finsternis vereinen sich, um das Licht Gottes, sowie <strong>de</strong>n Menschen, in <strong>de</strong>m<br />
es scheint, zu zerstören. Saulus entkommt unter äußerst <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n aus<br />
Damaskus, im großen Gegensatz zu <strong>de</strong>r Art, wie er einige Jahre vorher dorthin gereist war.<br />
Er begibt sich jetzt nach Jerusalem. In seiner Einsamkeit in Arabien wur<strong>de</strong> er bestärkt in<br />
<strong>de</strong>m Ziel“, – dort wo (Christus ist, – aber er hat auch am eigenen Leibe <strong>de</strong>n bitteren Haß<br />
<strong>de</strong>s Menschen auf <strong>de</strong>n erhöhten Christus verspürt.<br />
Derart seelisch und praktisch zubereitet geht er nach Jerusalem, um Petrus zu sehen<br />
(Gal 1,18). Dort wird er einer beson<strong>de</strong>ren Prüfung unterworfen. Zweifellos war er, wie<br />
wir leicht ermessen können, mit <strong>de</strong>m Verlangen gekommen, Petrus zu sehen und in <strong>de</strong>r<br />
Versammlung zu Jerusalem zu sein; aber die jünger fürchteten sich alte vor ihm (Apg 9,26).<br />
Welch einen Schmerz bereitet ihm dieses Hin<strong>de</strong>rnis! Er, <strong>de</strong>r <strong>als</strong> Baumeister in <strong>de</strong>n Tempel<br />
Gottes berufen war, mußte selbst <strong>de</strong>n Argwohn <strong>de</strong>r Gläubigen erfahren.. die zögerten, ihn<br />
aufzunehmen. Jemand mußte ihn empfehlen, und Barnabas war es, <strong>de</strong>r diesen schönen<br />
Dienst für ihn tat, Er kam nach Jerusalem <strong>als</strong> das Gegenteil von <strong>de</strong>m mit allen Vollmachten<br />
versehenen Verfolger <strong>de</strong>r Kirche, <strong>de</strong>r er einst gewesen war – ein wun<strong>de</strong>rbarer Gegensatz –<br />
jetzt predigte er <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>n er einst ausrotten wollte, er sprach freimütig im Namen<br />
<strong>de</strong>s Herrn Jesus und stritt mit <strong>de</strong>n Hellenisten, die danach trachteten, ihn umzubringen.<br />
Aber das ist noch nicht alles; wir wissen, daß es während dieser Zeit geschah, daß er,<br />
Während er im Tempel betete, in Verzückung geriet und <strong>de</strong>r Herr ihm erschien und zu<br />
ihm sprach: „Eile, und gehe schnell aus Jerusalem hinaus, <strong>de</strong>nn sie wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>in Zeugnis<br />
über mich nicht annehmen“ (Apg 22,17–21). Sein eigenes Volk will ihn nicht annehmen.<br />
Das Wort „Gehe hin, <strong>de</strong>nn ich wer<strong>de</strong> dich weit weg zu <strong>de</strong>n Nationen sen<strong>de</strong>n“, muß eine<br />
große Prüfung für ihn gewesen sein. Als Verfolger hatte er mehr Erfolg gehabt, <strong>de</strong>nn <strong>als</strong><br />
Prediger <strong>de</strong>s Evangeliums Gottes. Wie verschie<strong>de</strong>nartig und beson<strong>de</strong>rs sind die Übungen,<br />
durch die <strong>de</strong>r Knecht zubereitet wird, damit er seinen Herrn erfreuen kann! Er entflieht<br />
aus Jerusalem und gelangt nach Tarsus, seiner Geburtsstadt. Der Knecht Gottes soll seinem<br />
eigenen Hause, seinen Nachbarn und Freun<strong>de</strong>n die großen Dinge verkün<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r Herr<br />
an ihm getan hat. Man nimmt an, daß Saulus dort mehrere Jahre blieb (vgl. Gal 1,21.). Als<br />
aber das Evangelium zu <strong>de</strong>n Griechen gelangte (Apg 11,20), zog Barnabas nach Tarsus,<br />
um Saulus zu sehen, nach<strong>de</strong>m er von Jerusalem nach Antiochien gesandt wor<strong>de</strong>n war,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 202
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
und „<strong>als</strong> er die Gna<strong>de</strong> Gottes sah, freute (er) sich“. – „Und <strong>als</strong> er ihn gefun<strong>de</strong>n hatte,<br />
brachte er ihn nach Antiochien. Es geschah ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in <strong>de</strong>r<br />
Versammlung zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten, und daß die Jünger<br />
zuerst in Antiochien Christen genannt wur<strong>de</strong>n“ (11,26). So sehen wir Saulus mit <strong>de</strong>r ersten<br />
Versammlung verbun<strong>de</strong>n, wo <strong>de</strong>r Unterschied zwischen Ju<strong>de</strong>n und Griechen in <strong>de</strong>m einen<br />
gemeinsamen Namen „Christen“ aufgehoben wird. Nach einem Jahr, einem be<strong>de</strong>utsamen<br />
Zeitraum, gehen Barnabas und Saulus nach Jerusalem (vgl. Apg 11,29–30).Wie schön ist <strong>de</strong>r<br />
Weg, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Knecht <strong>de</strong>s Herrn geführt wird! Saulus kehrt nach Jerusalem zurück, um<br />
zusammen mit Barnabas <strong>de</strong>r Träger einer zeitlichen Erleichterung für die Brü<strong>de</strong>r in Judäa<br />
zu sein, – fürwahr ein liebliches Zeugnis für die Gna<strong>de</strong>. Die Ju<strong>de</strong>n hatten die himmlischen<br />
Segnungen zurückgewiesen, und jetzt dienen ihnen die Nationen, die die himmlischen<br />
Segnungen empfangen haben, mit irdischen Dingen. „Barnabas aber und Saulus kehrten,<br />
nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Dienst erfüllt hatten‘von Jerusalem zurück und nahmen auch Johannes<br />
mit, <strong>de</strong>r Markus zubenannt war“ (Apg 12,25).<br />
In Apg. 13 kommen wir zu einem sehr wichtigen Abschnitt <strong>de</strong>r Geschichte dieses Knechtes<br />
Christi. Man nimmt an, daß jetzt, in <strong>de</strong>r Folge seiner Sendung durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist<br />
in <strong>de</strong>r Versammlung, seine Entrückung in das Paradies stattfand. Ich kann es nicht mit<br />
Bestimmtheit versichern, aber <strong>de</strong>r in 2.Kor 12 gegebenen Zeitangabe zufolge, stimmt es;<br />
es scheint <strong>als</strong>o sehr wahrscheinlich, daß sie zu dieser Zeit stattfand. Wir sehen in diesem<br />
Kapitel (13,1–3), dass die Versammlung große Kraft besaß. Es gab Propheten und Lehrer, und<br />
„während sie aber <strong>de</strong>m Herrn dienten und fasteten, sprach <strong>de</strong>r Heilige Geist: son<strong>de</strong>rt mir<br />
nun Barnabas und Saulus zu <strong>de</strong>m Werke aus, zu welchem ich sie berufen habe“. Es ist sehr<br />
interessant, daß diese Knechte, und vor allem Saulus, ihren Auftrag in <strong>de</strong>r Versammlung<br />
erhielten. Er war für ein beson<strong>de</strong>res Werk berufen, aber nun erhält er vom Heiligen Geiste in<br />
<strong>de</strong>r Versammlung, nicht von <strong>de</strong>n Aposteln in Jerusalem, Weisung, in das Werk einzutreten.<br />
Der Anfang ist immer bezeichnend. Er übt eine große Wirkung auf unseren Lauf aus. Wie<br />
gesegnet ist es, auf solche Art <strong>de</strong>n Dienst für die Versammlung zu beginnen! Saulus wur<strong>de</strong><br />
im Hause Gottes öffentlich durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist aufgerufen, sein Werk zu unternehmen,<br />
und diesen Augenblick konnte er während seines ganzen Dienstes unmöglich vergessen.<br />
Man übersieht in <strong>de</strong>r heutigen Zeit zu oft, daß <strong>de</strong>r Knecht in <strong>de</strong>r Versammlung und durch<br />
<strong>de</strong>n Heiligen Geist zu irgen<strong>de</strong>iner bestimmten Art <strong>de</strong>s Dienstes berufen wer<strong>de</strong>n sollte. Ich<br />
weiß, wie schwach wir sind, aber <strong>de</strong>nnoch glaube ich, daß die Knechte <strong>de</strong>s Herrn, wenn<br />
sie mit <strong>de</strong>m Herzen mehr bei <strong>de</strong>r Versammlung <strong>als</strong> <strong>de</strong>m Mittelpunkt <strong>de</strong>r Interessen Christi<br />
auf Er<strong>de</strong>n wären, genaue Anleitung vom Geist Gottes empfangen wür<strong>de</strong>n (wenn auch<br />
weniger offenbar <strong>als</strong> Barnabas und Saulus), und sich wie jene aufmachen wür<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>r<br />
Versammlung anerkannt wenn auch nicht in <strong>de</strong>r gleichen sichtbaren Weise. Ich sage dies,<br />
weil, während wir mit Recht davor zurückschrecken sollten, da aufzufallen, wo wir gefehlt<br />
haben, die innere Kraft doch verbleibt, weil <strong>de</strong>r Heilige Geist hier ist und Christus in <strong>de</strong>r<br />
Mitte <strong>de</strong>r Seinen ist, die sich in Seinem Namen versammeln.<br />
Die bei<strong>de</strong>n kommen nun nach Salamis auf Cypern, und nach<strong>de</strong>m sie die ganze Insel<br />
durchzogen haben (immer wird im Dienst auch die Geduld geübt), begegnen sie einem<br />
bemerkenswerten Beispiel von Wi<strong>de</strong>rstand in <strong>de</strong>m Feind. Ein Ju<strong>de</strong>, ein Zauberer, ist bei <strong>de</strong>m<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 203
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Höchsten <strong>de</strong>s Ortes, – einem aus <strong>de</strong>n Nationen, aber verständig. Letzterer rief Barnabas<br />
und Saulus zu sich und begehrte, das Wort Gottes zu hören, aber Elymas wi<strong>de</strong>rstand<br />
ihnen, in<strong>de</strong>m er versuchte, <strong>de</strong>n Prokonsul vom Glauben abwendig zu machen. Aber Saulus<br />
(“<strong>de</strong>r auch Paulus heißt“) ist <strong>de</strong>r Lage durch die Macht <strong>de</strong>s Herrn gewachsen. So erhält er<br />
schon am Anfang Seines Dienstes eine schöne Belehrung: er wird <strong>de</strong>r stärksten Art <strong>de</strong>s<br />
Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r ihm auf seinem Wege begegnen sollte, gegenübergestellt. Anstatt <strong>de</strong>m<br />
Hei<strong>de</strong>n zu helfen, <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s Herrn zu fin<strong>de</strong>n, bemüht sich jener Ju<strong>de</strong>, ihn gera<strong>de</strong><br />
vom Glauben abzuwen<strong>de</strong>n. Paulus, mit Heiligem Geiste erfüllt, legt seine schreckliche<br />
Botschaft bloß, und in<strong>de</strong>m er ihn für eine Zeit blind wer<strong>de</strong>n läßt, <strong>de</strong>utet er dadurch die<br />
sittliche Blindheit <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n an. Diese Begebenheit trug ohne Zweifel dazu bei, <strong>de</strong>n Apostel<br />
in <strong>de</strong>m Dienst, zu <strong>de</strong>m er ernannt war, zu befestigen.<br />
Wie wenig erkennen wir <strong>de</strong>n Weg, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Knecht geleitet wer<strong>de</strong>n muß, um für <strong>de</strong>n<br />
Dienst <strong>de</strong>s Herrn passend zu sein! Während Hin<strong>de</strong>rnisse auftauchen, was in einer Welt <strong>de</strong>r<br />
Sün<strong>de</strong> unvermeidlich ist, erfährt <strong>de</strong>r geübte Knecht in je<strong>de</strong>r Notlage die Allgenugsamkeit<br />
<strong>de</strong>s Herrn. Dann kann er sagen: „Mit meinem Gott wer<strong>de</strong> ich eine Mauer überspringen“<br />
(2.Sam 22,30). Ein leistungsfähiger Knecht lernt in <strong>de</strong>r Regel erst selbst <strong>de</strong>n Weg und die<br />
Kraft kennen, worin er die Gläubigen, führen soll. Der Glaube wird immer erprobt, und<br />
daraus folgt die Erfahrung. Mose lebt 40 Jahre in <strong>de</strong>r Wüste, ehe er berufen wur<strong>de</strong>, das Volk<br />
hindurchzuführen. – Der Apostel wird jedoch durch die Belehrung <strong>de</strong>s Prokonsuls erfreut.<br />
Sodann kommt er nach Perge, wo Markus, <strong>de</strong>r sie von Jerusalern begleitet hat, sie verläßt.<br />
Obwohl wir <strong>de</strong>n Grund nicht erfahren, können wir aus an<strong>de</strong>ren Schriftstellen entnehmen,<br />
daß es aus irgen<strong>de</strong>iner jüdischen Voreingenommenheit geschah, <strong>de</strong>nn später, <strong>als</strong> Barnabas<br />
darauf bestand, Markus (seinen Verwandten) mitzunehmen, weigerte Paulus sich; „es<br />
entstand nun eine Erbitterung, so daß sie sich voneinan<strong>de</strong>r trennten“. Ich bemerke dies<br />
beson<strong>de</strong>rs, weil es zeigt, daß die Hilfe und Unterstützung, die wir zu einer beson<strong>de</strong>ren Zeit<br />
empfangen und wofür wir dankbar sein dürfen, ganz und gar fehlen kann, wenn wir es<br />
am wenigsten erwarten. Wir sehen, welch ein Gewinn alle diese Übungen für <strong>de</strong>n Knecht<br />
sind, wie auch gesagt ist: „Gott will Leben und nicht Gewohnheit“. Daher wer<strong>de</strong>n wir kaum<br />
daß wir die Gna<strong>de</strong> in gewissen Umstän<strong>de</strong>n erfahren haben, schon in eine völlig neue Lage<br />
versetzt. Aber so ist <strong>de</strong>r Knecht in gewissem Maße, wie unser Apostel, in <strong>de</strong>r Lage, an<strong>de</strong>re<br />
zu trösten, wie er selbst von Gott getröstet wur<strong>de</strong>. Je<strong>de</strong> Begebenheit macht ihn passen<strong>de</strong>r für<br />
<strong>de</strong>n Dienst, während er mit <strong>de</strong>m Herrn wan<strong>de</strong>lt, Nach dieser ausge<strong>de</strong>hnten Missionsreise<br />
fin<strong>de</strong>n wir unseren Apostel in Antiochien in Pisidien (Apg 13,14) auf einer äußerst wichtigen<br />
Stufe seiner Sendung. Dort in <strong>de</strong>r Synagoge re<strong>de</strong>t er seine Zuhörer an: „Männer von Israel<br />
und die ihr Gott fürchtet“! Den Inhalt seiner Worte bil<strong>de</strong>t die bemerkenswerte Art, in <strong>de</strong>r<br />
Gott Israel begünstigt hat, und er en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>n Worten Habakuks: „Sehet nun zu, daß nicht<br />
über euch komme, was in <strong>de</strong>n Propheten gesagt ist. „Sehet, ihr Verächter, und verwun<strong>de</strong>rt<br />
euch und verschwin<strong>de</strong>t; <strong>de</strong>nn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht<br />
glauben wer<strong>de</strong>t, wenn es euch jemand erzählt“ (Apg 13,40+41).<br />
Der Augenblick ist wichtig; die Ju<strong>de</strong>n weisen das Zeugnis ab, die Nationen nehmen es<br />
an. Paulus und Barnabas schütteln <strong>de</strong>n Staub von ihren Füßen wi<strong>de</strong>r sie ab und wen<strong>de</strong>n<br />
sich freimütig zu <strong>de</strong>n Nationen. Es ist sehr anziehend, <strong>de</strong>n Weg, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r treue Knecht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 204
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
geführt wird, zu betrachten. Wie gnädig und ein<strong>de</strong>utig wird Paulus, <strong>de</strong>n so viele natürliche<br />
Zuneigungen mit <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n verban<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>m geführt, was Stephanus gesagt hatte: Ihr<br />
wi<strong>de</strong>rstreitet allezeit <strong>de</strong>m Heiligen Geiste“.<br />
Ich übergehe Kap. 14 und wen<strong>de</strong> mich kurz Paulus Rückkehr nach Antiochien zu, von<br />
wo er ausgegangen war, von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes gesandt. jetzt erlebt <strong>de</strong>r Knecht Gottes<br />
eine Zeit beson<strong>de</strong>rer Befriedigung. Als sie aber angekommen waren und die Versammlung<br />
zusammengebracht hatten, erzählten sie alles, was Gott mit ihnen getan, und daß er <strong>de</strong>n<br />
Nationen eine Tür <strong>de</strong>s Glaubens aufgetan habe. Sie verweilten aber eine nicht geringe Zeit<br />
bei <strong>de</strong>n Jüngern“ (Apg 14,27–28).<br />
In Apg 15,1–2 taucht nun eine große Krise in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Apostels auf. „Und<br />
etliche kamen von Judäa herab und lehrten die Brü<strong>de</strong>r: Wenn ihr nicht beschnitten wor<strong>de</strong>n<br />
seid nach <strong>de</strong>r Weise Moses’, so könnt ihr nicht errettet wer<strong>de</strong>n. Als nun ein Zwiespalt<br />
entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und <strong>de</strong>m Paulus und Barnabas,<br />
ordneten sie an, daß Paulus und Barnabas und etliche an<strong>de</strong>re von ihnen zu <strong>de</strong>n Aposteln<br />
und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage“.<br />
Diesmal kommt <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand von innen. Der Knecht muß immer <strong>als</strong> erster an <strong>de</strong>m Orte<br />
<strong>de</strong>r Verwerfung Christi lei<strong>de</strong>n. Er muß lernen, alle verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>r Feindseligkeit<br />
zu überwin<strong>de</strong>n, ehe er an<strong>de</strong>re die Gna<strong>de</strong> Gottes lehren kann, die allein uns in einer solchen<br />
Lage zu erhalten vermag. Paulus stellt sich diesem neuen Wi<strong>de</strong>rstand entgegen. Durch<br />
eine Offenbarung geleitet, geht er nach Jerusalem und hatte eine persönliche Unterredung<br />
mit Petrus, Jakobus und Johannes. Sie erkannten an, daß, wie Petrus das Evangelium <strong>de</strong>r<br />
Beschneidung, so Paulus das Evangelium <strong>de</strong>r Vorhaut anvertraut sei und gaben ihm die<br />
Rechte <strong>de</strong>r Gemeinschaft. Im Mittelpunkt aller jüdischen Interessen wird die Frage von <strong>de</strong>n<br />
Aposteln und Ältesten besprochen, und die ganze Versammlung stimmte ihrem endgültigen<br />
Urteil bei: Enthaltet euch „von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von<br />
Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahret, so wer<strong>de</strong>t ihr wohltun. Lebet wohl“ (15,29). Die<br />
Entscheidung ist von großer Be<strong>de</strong>utung: es ist die Dämmerung eines neuen Tages für die<br />
Christen. Sie sind befreit vom Gesetz Moses und wer<strong>de</strong>n nur durch göttliche Richtlinien<br />
geleitet.<br />
Aber dieses schöne Ge<strong>de</strong>ihen (<strong>als</strong> solches wur<strong>de</strong> es zweifellos von <strong>de</strong>m Apostel angesehen)<br />
bot, wie immer, Gelegenheit für neue, unerwartete Lei<strong>de</strong>n und Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>. Wie es scheint,<br />
hatte Petrus <strong>de</strong>n neuen Weg so völlig eingeschlagen, daß er völlige Gemeinschaft mit <strong>de</strong>nen<br />
aus <strong>de</strong>n Nationen pflegte, -er aß und trank mit ihnen, bis etliche von Jakobus kamen, –<br />
dann zog er sich zurück, weit er sich vor <strong>de</strong>nen aus <strong>de</strong>r Beschneidung fürchtete. Paulus<br />
mußte ihm ins Angesicht wi<strong>de</strong>rstehen, weil er ta<strong>de</strong>lnswürdig gehan<strong>de</strong>lt hatte. Welch eine<br />
schmerzliche Pflicht mußte <strong>de</strong>r Apostel an <strong>de</strong>m erfüllen, <strong>de</strong>n er für eine Säule gehalten<br />
hatte! Aber so traurig dies in jener strahlen<strong>de</strong>n Zeit auch für die Kirche war, es war ein<br />
noch größerer Kummer damit verbun<strong>de</strong>n. Barnabas, sein geliebter Gefährte, wur<strong>de</strong> durch<br />
die Heuchelei <strong>de</strong>s Petrus mit fortgerissen, und wo die Gesetzlichkeit wirksam ist, wird<br />
immer <strong>de</strong>r eigenen Vorliebe mehr nachgegeben <strong>als</strong> <strong>de</strong>n Interessen Christi; daher bestand<br />
Barnabas darauf, seinen Verwandten (Markus) mitzunehmen und segelte nach Cypern ab.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 205
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Mit einem neuen Gefährten (Silas) ging Paulus fort, nach<strong>de</strong>m die Brü<strong>de</strong>r ihn <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
Gottes anbefohlen hatten.<br />
Gemäß <strong>de</strong>m Beschluß, <strong>de</strong>r zu Jerusalem gefaßt wur<strong>de</strong>, brauchten sich die Gläubigen aus<br />
<strong>de</strong>n Nationen nicht <strong>de</strong>n mosaischen Gebräuchen zu unterwerfen. Ein schweres Joch wur<strong>de</strong><br />
damit abgeschafft. Von <strong>de</strong>n Häuptern <strong>de</strong>r Apostel war Paulus <strong>als</strong> <strong>de</strong>rjenige anerkannt<br />
wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m das Evangelium <strong>de</strong>r Vorhaut anvertraut war (Gal 2). Er hatte selbst auch<br />
erfahren, welch ein Element <strong>de</strong>r Unsicherheit besteht, solange man noch am Gesetz hängt,<br />
und zwar am Beispiel <strong>de</strong>r Gleichgültigkeit <strong>de</strong>s Barnabas. Solange das Gesetz noch anerkannt<br />
wird, muß das Fleisch in Kauf genommen wer<strong>de</strong>n. Es ist gut, wenn wir uns fragen, ob<br />
wir ganz von uns selbst entleert sind und die verschie<strong>de</strong>nen Übungen, durch die uns <strong>de</strong>r<br />
Herr geführt hat, zu Herzen genommen haben, während wir die Geschichte <strong>de</strong>s Apostels<br />
lesen und die verschie<strong>de</strong>nen rühren<strong>de</strong>n Wege sehen, auf <strong>de</strong>nen er zu einem seinem Herrn<br />
nützlichen Diener gemacht wur<strong>de</strong>. Da wir nun durch das Werk Christi in die Gegenwart <strong>de</strong>s<br />
Vaters versetzt sind – wie Christus Selbst –, und nicht ein Schatten <strong>de</strong>r einstigen Entfernung<br />
o<strong>de</strong>r ihre Ursache zurückgeblieben ist, ist es etwas Wichtiges für <strong>de</strong>n Gläubigen, und mehr<br />
noch für <strong>de</strong>n nützlichen Knecht, praktisch vom eigenen Willen befreit zu sein, damit er zu<br />
je<strong>de</strong>r Zeit bereit ist, <strong>de</strong>n Willen seines Gebieters zu tun. So mußte Paulus auch jetzt sagen:<br />
Der Wille <strong>de</strong>s Herrn geschehe.<br />
So geprüft, und wir könnten fast sagen enttäuscht, tritt er seine Reise an. Aber ein großes<br />
Zeichen <strong>de</strong>r göttlichen Gna<strong>de</strong> wird ihm zuteil. In Lystra begegnet er Timotheus. In <strong>de</strong>r<br />
Person dieses Jünglings schenkt <strong>de</strong>r Herr ihm gera<strong>de</strong> die Hilfe, <strong>de</strong>ren er bedarf, und macht<br />
so in vollem Maße <strong>de</strong>n durch das Fehlen <strong>de</strong>s Barnabas entstan<strong>de</strong>nen Verlust wie<strong>de</strong>r gut. Wie<br />
berühren uns diese beson<strong>de</strong>ren Beispiele <strong>de</strong>r Hilfe und Sorge <strong>de</strong>s Herrn für Seinen Diener!<br />
Jahre später kann Paulus von Timotheus schreiben: „Ich habe nieman<strong>de</strong>n gleichgesinnt,<br />
<strong>de</strong>r von Herzen für das Eure besorgt sein wird . . . Er [hat], wie ein Kind <strong>de</strong>m Vater, mit<br />
mir gedient . . . an <strong>de</strong>m Evangelium“ (Phil 2,20+22). So vom Herrn gesegnet, kann er seine<br />
Arbeit fortsetzen. Der Geist hin<strong>de</strong>rt ihn, das Wort in Kleinasien zu predigen, aber in einem<br />
Gesicht bei Nacht wird er gerufen, nach Mazedonien zu kommen. Der Knecht muß auf<br />
je<strong>de</strong>n Befehl bereit sein, auch wenn ein Umweg o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Unbequemlichkeit damit<br />
verbun<strong>de</strong>n ist.<br />
Jetzt betritt Paulus Europa; diese Tatsache ist von großer Be<strong>de</strong>utung. In <strong>de</strong>m Gesicht hatte<br />
ein Mann aus Macedonien ihn gedrängt, zu kommen, aber nun erscheint niemand, um<br />
ihn zu empfangen. Er hatte sicherlich begriffen, daß <strong>de</strong>r Herr ihn gerufen hatte, dort zu<br />
predigen, aber lange Zeit gab es nichts o<strong>de</strong>r nur wenig, das bewies, daß er das Wohlgefallen<br />
<strong>de</strong>s Herrn tat. „Und am Tage <strong>de</strong>s Sabbaths gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluß,<br />
wo es gebräuchlich war, das Gebet zu verrichten; und wir setzten uns nie<strong>de</strong>r und re<strong>de</strong>ten<br />
zu <strong>de</strong>n Weibern, die zusammengekommen waren“ (Apg 16,13). Dort öffnete <strong>de</strong>r Herr das<br />
Herz Lydias (aus Thyatira in Kleinasien, <strong>de</strong>m Land, wo Paulus verhin<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n war zu<br />
predigen), und sie bat sie: „Wenn ihr urteilt, daß ich <strong>de</strong>m Herrn treu sei, so kehret in mein<br />
Haus ein und bleibet. Und sie nötigte uns“ (V. 15). So fand <strong>de</strong>r Apostel an jenem Ort ein Haus.<br />
Es schien aber nicht, daß die Mazedonier <strong>de</strong>m Evangelium Aufnahme gewähren wür<strong>de</strong>n.<br />
Aber da geschah es, „daß uns eine gewisse Magd begegnete, die einen Wahrsagergeist hatte,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 206
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
welche ihren Herren vielen Gewinn einbrachte durch Wahrsagen. Diese folgte <strong>de</strong>m Paulus<br />
und uns nach und schrie und sprach: Diese Menschen sind Knechte Gottes, <strong>de</strong>s Höchsten, die<br />
euch <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s Heils verkündigen“. Als Folge davon, daß Paulus die Mitwirkung Satans<br />
zurückwies, entstand eine heftige Verwirrung. Es ist bemerkenswert, daß es in Europa ist,<br />
wo die Kirche öffentlich von <strong>de</strong>r Welt Unterstützung empfängt. Aber Paulus weist diese<br />
angebotene Hilfe nicht nur zurück, son<strong>de</strong>rn treibt im Namen Jesu Christi <strong>de</strong>n bösen Geist<br />
aus. Daraufhin erhob sich die ganze Macht an jenem Orte, die Volksmenge, wi<strong>de</strong>r sie, die<br />
Hauptleute rissen ihnen die Klei<strong>de</strong>r ab und befahlen, sie zu schlagen. Schließlich wur<strong>de</strong>n<br />
sie ins Gefängnis geworfen, und <strong>de</strong>r Kerkermeister brachte sie in das innerste Verließ und<br />
legte ihre Füße in <strong>de</strong>n Stock. Der Feind scheint die Oberhand gewonnen zu haben. Der<br />
Kerkermeister geht zur Ruhe. Doch Paulus und Silas beteten und lobsangen Gott, so daß<br />
die Gefangenen sie hörten. Um <strong>de</strong>s Herrn willen hatte Paulus alle Unterstützung seitens<br />
<strong>de</strong>r Welt abgeschlagen, und daher war die Welt entschlossen, ihn zu vernichten; aber <strong>de</strong>r<br />
Herr beweist jetzt, daß Er diejenigen ehrt, die Ihn ehren. Um Mitternacht „geschah ein<br />
großes Erdbeben, so daß die Grundfesten <strong>de</strong>s Gefängnisses erschüttert wur<strong>de</strong>n; und <strong>als</strong>bald<br />
öffneten sich alle Türen, und aller Ban<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n gelöst“. Nicht nur wird <strong>de</strong>r treue Knecht<br />
von Gott in Schutz genommen, son<strong>de</strong>rn vor ihm steht <strong>de</strong>r „mazedonische Mann“, in Gestalt<br />
<strong>de</strong>s Kerkermeisters und sucht Errettung. Paulus richtet seinen Blick auf <strong>de</strong>n Heiland. Das<br />
Wort wird an ihm gesegnet, er glaubt und frohlockt in Gott mit seinem ganzen Hause.<br />
Welch eine segensreiche Erfahrung für <strong>de</strong>n Knecht Gottes! Möchte sie mehr gekannt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wer die Mitarbeit <strong>de</strong>r Welt ganz und gar ablehnt, zieht sich schwere Verfolgung seitens eben<br />
dieser Welt zu. Aber die Nacht <strong>de</strong>s Kummers und <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> erleuchtet durch eine<br />
wun<strong>de</strong>rbare Offenbarung <strong>de</strong>r mächtigen Hand Gottes – ein Tisch wur<strong>de</strong> bereitet angesichts<br />
<strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> – das Herz <strong>de</strong>s Paulus wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r gestärkt. „Wenn Gott für uns ist, wer ist<br />
wi<strong>de</strong>r uns“?<br />
Apg 17. Nach<strong>de</strong>m Paulus Philippi verlassen hat, gelangt er nach Thessalonich, <strong>de</strong>r<br />
Hauptstadt Mazedoniens. Dort ging er in die Synagoge „und unterre<strong>de</strong>te sich an drei<br />
Sabbathen mit ihnen aus <strong>de</strong>n Schriften,“ so daß „etliche von ihnen glaubten und gesellten<br />
sich zu Paulus und Silas, und von <strong>de</strong>n anbeten<strong>de</strong>n Griechen eine große Menge, und <strong>de</strong>r<br />
vornehmsten Frauen nicht wenige“ (V. 4). Wie wir sehen wer<strong>de</strong>n, erkennt Paulus in diesem<br />
und <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Kapiteln die vollkommene Ver<strong>de</strong>rbtheit <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n <strong>als</strong> Nation. „Die Ju<strong>de</strong>n<br />
aber wur<strong>de</strong>n voll Nei<strong>de</strong>s“ und brachten einen Aufruhr zustan<strong>de</strong>. Sie verwirrten das Volk<br />
und die Obersten <strong>de</strong>r Stadt, so daß. <strong>de</strong>r Apostel in 1.Thess 2,14–16 sagen muß: . . . weil<br />
auch ihr dasselbe von <strong>de</strong>n eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n,<br />
die sowohl <strong>de</strong>n Herrn Jesum <strong>als</strong> auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung<br />
weggetrieben haben, und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, in<strong>de</strong>m sie<br />
uns wehren, zu <strong>de</strong>n Nationen zu re<strong>de</strong>n, auf daß sie errettet wer<strong>de</strong>n, damit sie ihre Sün<strong>de</strong>n<br />
allezeit vollmachen; aber <strong>de</strong>r Zorn ist völlig über sie gekommen“. In diesen Versen bringt<br />
Paulus das Urteil, zu <strong>de</strong>m er im Laufe seines Dienstes gelangt war, zum Ausdruck. Es muß<br />
bemerkt wer<strong>de</strong>n, daß, wenn das Herz vorn Heiligen Geist auf <strong>de</strong>n richtigen Gegenstand<br />
gelenkt wird, dieser nicht nur <strong>de</strong>utlicher vor die Seele gestellt wilrd, son<strong>de</strong>rn daß von Gott<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 207
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
bestimmte Umstän<strong>de</strong> dazu angetan sind, die Seele zu überzeugen, daß sie auf <strong>de</strong>m rechten<br />
Pfa<strong>de</strong> ist, so daß je<strong>de</strong> Versuchung, die sie ins Wanken bringen könnte, beseitigt wird.<br />
Bei Nacht sandten die Brü<strong>de</strong>r Paulus nach Beröa. Dort glaubten viele, „<strong>als</strong> aber die Ju<strong>de</strong>n<br />
von Thessalonich erfuhren, daß auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt<br />
wur<strong>de</strong>, kamen sie auch dorthin und erregten die Volksmenge“ (Kap 17,13). Wie<strong>de</strong>r stellen<br />
sich die Ju<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Werk <strong>de</strong>s Herrn in <strong>de</strong>n Weg. Nur wenig können wir davon verstehen,<br />
wie die unablässige Feindschaft <strong>de</strong>s Volkes Gottes nach <strong>de</strong>m Fleisch wi<strong>de</strong>r Christum das<br />
Herz <strong>de</strong>s Apostels Tag für Tag schmerzlicher berührte. Kraft <strong>de</strong>s Heiligen Geistes war sein<br />
Herz auf Christus gerichtet, aber zweifellos ließ Gott es zu, daß <strong>de</strong>r boshafte Haß <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n<br />
ihn von <strong>de</strong>r natürlichen Liebe, die er für sein Volk hegte, entwöhnte, damit er sich ungestört<br />
<strong>de</strong>m Wirkungskreis <strong>de</strong>s Herzens Christi hingeben könne.<br />
Sodann geht Paulus nach Athen, wo er ganz neue Erfahrungen macht. Es ist interessant,<br />
welch einer Reihe von verschie<strong>de</strong>nen Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Apostel unterworfen wird, bis er<br />
schließlich ganz von sich selbst entleert ist. Die Dinge, die wir versuchen, wer<strong>de</strong>n zu einem<br />
Prüfstein für uns. Hier, im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Gelehrsamkeit <strong>de</strong>r heidnischen Welt, ent<strong>de</strong>ckt<br />
<strong>de</strong>r Apostel <strong>de</strong>n wahren Zustand <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n. Ihrer natürlichen Weisheit folgend, hatten<br />
sie <strong>de</strong>m unbekannten Gott“ einen Altar errichtet, damit sie nur nicht <strong>de</strong>n Gott irgen<strong>de</strong>ines<br />
Volkes übersehen möchten. Diese Tatsache bot <strong>de</strong>m Apostel, <strong>als</strong> er auf <strong>de</strong>m Areopag stand,<br />
Gelegenheit, eine sehr gedrängte Zusammenfassung <strong>de</strong>r Wege Gottes mit <strong>de</strong>n Menschen zu<br />
geben; es war nicht einfach das Evangelium, obgleich das darin eingeschlossen war, es war<br />
eher die „Predigt“, wie sie in 2.Tim. 4,17 genannt wird.<br />
In Apg. 18 sehen wir Paulus in Korinth, Es ist nicht leicht, alles was dieser große Knecht<br />
auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Stufen, die er erklomm, erreichte, zu beschreiben o<strong>de</strong>r auch nur gut<br />
zu verstehen; aber es ist äußerst anziehend, zu erkennen, daß sie zusammen bewirkten, daß<br />
er ein wirkungsvollerer Diener <strong>de</strong>r Kirche wür<strong>de</strong>, da sie von Gott dazu bestimmt waren.<br />
Hier in Korinth „wur<strong>de</strong> Paulus hinsichtlich <strong>de</strong>s Wortes gedrängt und bezeugte <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n,<br />
daß Jesus <strong>de</strong>r Christus sei. Als sie aber wi<strong>de</strong>rstrebten und lästerten, schüttelte er die Klei<strong>de</strong>r<br />
aus und sprach zu ihnen: Euer Blut komme auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an<br />
wer<strong>de</strong> ich zu <strong>de</strong>n Nationen gehen“ (V. 6). Dies war ein großer Schritt: er hat jetzt erkannt,<br />
daß die Kirche von <strong>de</strong>r Synagoge <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n ganz verschie<strong>de</strong>n ist. Wie wir in V. 8 sehen,<br />
ermutigt <strong>de</strong>r Herr ihn in ganz beson<strong>de</strong>rer Weise: „Krispus aber, <strong>de</strong>r Vorsteher <strong>de</strong>r Synagoge,<br />
glaubte an <strong>de</strong>n Herrn mit seinem ganzen Hause; und viele <strong>de</strong>r Korinther, welche hörten,<br />
glaubten und wur<strong>de</strong>n getauft“. Die Korinther waren sehr üppige Menschen. Die Gna<strong>de</strong><br />
Gottes wur<strong>de</strong> ihnen auf das Reichlichste zuteil, aber ihre mangeln<strong>de</strong> Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>r Wahrheit zeigte <strong>de</strong>m Apostel, wie das Fleisch <strong>de</strong>m Worte Gottes ausweicht und<br />
wie von Gott reich begabte Männer bis zum Äußersten hinabsteigen können, wenn das<br />
Kreuz Christi mit seinen praktischen Wirkungen übersehen wird. Die Briefe <strong>de</strong>s Apostels<br />
Paulus an die Korinther sind daher von höchstem Interesse. Einerseits beschreiben sie<br />
uns, welche Segnungen sie besaßen, – sie hatten „in keiner Gna<strong>de</strong>ngabe Mangel“ und<br />
erwarteten die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi“ –, und sie zeigen uns an<strong>de</strong>rerseits,<br />
wie selbstsüchtig und unheilig sie überall, drinnen und draußen, in <strong>de</strong>r Versammlung und<br />
in <strong>de</strong>r Welt, gewesen waren.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 208
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Wir lesen, daß Paulus „zu Kenchräa das Haupt geschoren hatte, <strong>de</strong>nn er hatte ein Gelüb<strong>de</strong>“.<br />
Er hat sich noch nicht von <strong>de</strong>n Gebräuchen und Vorschriften <strong>de</strong>s Gesetzes losgemacht. Wir<br />
übersehen leicht, wie langsam und allmählich ein je<strong>de</strong>r von uns von seinen herrschen<strong>de</strong>n<br />
Neigungen befreit wird, und mehr noch, von irgendwelchen religiösen Vorurteilen, die das<br />
Gewissen beschweren.<br />
Paulus gelangt nun nach Ephesus, aber dort hält er sich nicht auf. „Als sie ihn aber baten,<br />
daß er längere Zeit bei ihnen bleiben möchte, willigte er nicht ein, son<strong>de</strong>rn nahm Abschied<br />
von ihnen und sagte: Ich muß durchaus das zukünftige Fest in Jerusalem halten; ich wer<strong>de</strong>,<br />
wenn Gott will, wie<strong>de</strong>r zu euch zurückkehren“ (V. 20+21). Wir sehen, daß Apollos dorthin<br />
kam, <strong>als</strong> Paulus nicht in Ephesus blieb, und wie das folgen<strong>de</strong> Kap. zeigt, wur<strong>de</strong> er dort<br />
gesegnet, <strong>de</strong>nn Paulus fin<strong>de</strong>t dort später etliche Jünger. Diese empfangen <strong>de</strong>n Heiligen<br />
Geist. Hier ist Paulus entschie<strong>de</strong>ner <strong>als</strong> zu Korinth. „Als aber etliche sich verhärteten und<br />
nicht glaubten, und vor <strong>de</strong>r Menge übel re<strong>de</strong>ten von <strong>de</strong>m Wege, trennte er sich von ihnen<br />
und son<strong>de</strong>rte die Jünger ab, in<strong>de</strong>m er sich täglich in <strong>de</strong>r Schule <strong>de</strong>s Tyrannus unterre<strong>de</strong>te“<br />
(Kap 19,9). Er hat sich nun endgültig abgeson<strong>de</strong>rt, und Ephesus wird <strong>de</strong>r große Mittelpunkt<br />
seines Werkes in Kleinasien, sowie die am meisten von Gott gesegnete Versammlung. Sie<br />
hatte einen höchst anziehen<strong>de</strong>n Anfang: die Hingabe <strong>de</strong>r Gläubigen ist sehr auffällig, und<br />
sie empfingen wirklich große geistliche Reichtümer, wie wir aus <strong>de</strong>m an sie gerichteten<br />
Brief sehen können. Das Wirken <strong>de</strong>s Apostels dort war mit großer Macht verbun<strong>de</strong>n<br />
(siehe V.11–12). Im 1. Brief an Timotheus sehen wir, welch ein beson<strong>de</strong>res Interesse Paulus<br />
für die Gläubigen in Ephesus hegte. Dort wur<strong>de</strong> er <strong>de</strong>m heftigen Wi<strong>de</strong>rstand, <strong>de</strong>r durch<br />
Demetrius angestachelt wur<strong>de</strong>, gegenübergestellt. Die ganze Stadt war von Aufruhr erfüllt.<br />
Demetrius brachte die heidnische Frömmigkeit in Aufruhr, damit er nicht seines Gewerbes<br />
beraubt wur<strong>de</strong>. So muß <strong>de</strong>r Apostel zu seinen Erfahrungen das schmerzliche Gefühl über<br />
die heidnische Unduldsamkeit hinzufügen.<br />
Um diese Zeit schrieb Paulus wahrscheinlich <strong>de</strong>n Brief an die Galater. Wie er die Korinther,<br />
<strong>de</strong>nen doch je<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong> zuteil gewor<strong>de</strong>n war, wegen ihrer Schlaffheit zurechtweisen mußte,<br />
so muß er jetzt die Galater ermahnen, weil sie sich, um das Fleisch zu unterdrücken, zum<br />
Gesetz zurückgewandt hatten. Sie hatten im Geiste angefangen und versuchten im Fleisch<br />
zu vollen<strong>de</strong>n. Die Versuche <strong>de</strong>s Fleisches, sich einen Platz zu verschaffen, sind eigenartig<br />
und tief eingewurzelt. „Haut um Haut, ja, alles was <strong>de</strong>r Mensch hat, gibt er für sein Leben“.<br />
Welch eine segensreiche Erziehung war es für <strong>de</strong>n Apostel, nicht nur diesen Mitteln, die das<br />
Werk Gottes ver<strong>de</strong>rben und entkräften wollten, gegenüberzustehen, son<strong>de</strong>rn zu erfahren,<br />
daß er sie mit einem beson<strong>de</strong>ren Worte <strong>de</strong>s Herrn vernichten konnte. Wenn die Korinther<br />
<strong>de</strong>n Tod Christi verstehen mußten, mit <strong>de</strong>m sie sich am Tische <strong>de</strong>s Herrn einsmachten, so<br />
mußten die Galater lernen, daß <strong>de</strong>r Geist Gottes wi<strong>de</strong>r das Fleisch gelüstet und wir die Lust<br />
<strong>de</strong>s Fleisches nicht vollbringen, wenn wir im Geiste wan<strong>de</strong>ln (Gal. 5).<br />
In Apg 20,16 sehen wir ein rühren<strong>de</strong>s Beispiel von <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>s Apostels für Ephesus.<br />
„Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten <strong>de</strong>r Versammlung herüber“<br />
(V. -17). Der Apostel erinnert sie an seine Arbeit und seine Lehrtätigkeit unter ihnen, (und<br />
zwar bevor er <strong>de</strong>n Brief an sie schrieb) und sagt ihnen zugleich, daß sie sein Angesicht nicht<br />
mehr sehen wür<strong>de</strong>n.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 209
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
Wir kommen nun zu <strong>de</strong>r tiefsten und traurigsten Lehre, die <strong>de</strong>r Apostel je erhielt. Auf <strong>de</strong>m<br />
Wege nach Jerusalem verweilte er im Hause Philippus’, <strong>de</strong>s Evangelisten, und dort nahm <strong>de</strong>r<br />
Prophet Agabus „<strong>de</strong>n Gürtel <strong>de</strong>s Paulus und band sich die Hän<strong>de</strong> und die Füße und sprach:<br />
Dies sagt <strong>de</strong>r Heilige Geist: Den Mann, <strong>de</strong>m dieser Gürtel gehört, wer<strong>de</strong>n die Ju<strong>de</strong>n in<br />
Jerusalem <strong>als</strong>o bin<strong>de</strong>n und in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Nationen überliefern. Als wir aber dies hörten,<br />
baten sowohl wir <strong>als</strong> die daselbst Wohnen<strong>de</strong>n, daß er nicht nach Jerusalem hinaufgehen<br />
möchte. Paulus aber antwortete: Was machet ihr, daß ihr weinet und mir das Herz brechet?<br />
Denn ich bin bereit, nicht allein gebun<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch in Jerusalem für <strong>de</strong>n<br />
Namen <strong>de</strong>s Herrn Jesu zu sterben. Als er sich aber nicht überre<strong>de</strong>n ließ, schwiegen wir<br />
und sprachen: Der Wille <strong>de</strong>s Herrn geschehe! Nach diesen Tagen aber machten wir unsere<br />
Sachen bereit und gingen hinauf nach Jerusalem“ (Kap. 21,11–15), Paulus besteht darauf,<br />
nach Jerusalem zu gehen. Ein merkwürdiger Drang beeinflußt <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>s Apostels, so<br />
daß er darauf besteht, nach Jerusalem zu gehen. Offenbar ließ <strong>de</strong>r Herr es zu, damit Sein<br />
Knecht selbst erfahren sollte, daß das Volk, das Christum, <strong>als</strong> Er auf Er<strong>de</strong>n war, verworfen<br />
und die unverzeihliche Sün<strong>de</strong> begangen hatte, <strong>de</strong>m Heiligen Geist zu wi<strong>de</strong>rstehen, in<strong>de</strong>m<br />
es Stephanus steinigte, <strong>de</strong>r freien Gna<strong>de</strong> Gottes noch ebenso hartnäckig wi<strong>de</strong>rstrebte wie<br />
eh und je. Das erfährt Paulus nun selbst. Er kommt nach Jerusalem, und Jakobus rät ihm:<br />
„Tue nun dieses, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelüb<strong>de</strong> auf sich haben.<br />
Diese nimm zu dir und reinige dich mit ihnen und trage die Kosten für sie, damit sie das<br />
Haupt scheren lassen; und alle wer<strong>de</strong>n erkennen, daß nichts an <strong>de</strong>m ist, wessen sie über<br />
dich berichtet sind, son<strong>de</strong>rn daß du selbst auch in <strong>de</strong>r Beobachtung <strong>de</strong>s Gesetzes wan<strong>de</strong>lst“.<br />
Diesen Rat befolgte Paulus (siehe V. 26). „Als aber die 7 Tage beinahe vollen<strong>de</strong>t waren,<br />
sahen ihn die Ju<strong>de</strong>n aus Asien im Tempel und brachten die ganze Volksmenge in Aufregung<br />
und legten die Hän<strong>de</strong> an ihn“. Der Oberste rettet <strong>de</strong>n Apostel aus <strong>de</strong>r Gewalt <strong>de</strong>s Pöbels,<br />
<strong>de</strong>r ihn getötet hätte, und schließlich wen<strong>de</strong>t sich Paulus von <strong>de</strong>n Stufen <strong>de</strong>r Burg aus in<br />
hebräischer Sprache an das Volk. Er berichtet, wie <strong>de</strong>r Herr ihn berufen hat, aber um seine<br />
Zuhörer, die Ju<strong>de</strong>n, zu fesseln, fügt er gewisse Einzelheiten hinzu, die <strong>de</strong>r Bericht in Kap. 9<br />
verschweigt, – und ebenso ist <strong>de</strong>r Bericht in Kap. 26 beson<strong>de</strong>rs für die Nationen bestimmt. –<br />
„Sie hörten ihm aber zu bis zu diesem Worte und erhoben ihre Stimme und sagten: Hinweg<br />
von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> mit einem solchen; <strong>de</strong>nn es geziemte sich nicht, daß er am Leben blieb! Als<br />
sie aber schrien und ihre Klei<strong>de</strong>r wegschleu<strong>de</strong>rten und Staub in die Luft warfen, befahl <strong>de</strong>r<br />
Oberste, daß er in das Lager gebracht wür<strong>de</strong>“ (Kap. 22,22–23). Das ist das Ergebnis; nichts<br />
<strong>als</strong> tödlicher Hag wird hervorgerufen; und <strong>de</strong>r Oberste, <strong>de</strong>r Vertreter <strong>de</strong>r irdischen Macht,<br />
war bereit, das Volk zu unterstützen.<br />
In Kap. 23 wird Paulus vor <strong>de</strong>n Hohen Rat gestellt, <strong>de</strong>nselben Gerichtshof, vor <strong>de</strong>m einst<br />
Stephanus stand und litt. Das Ergebnis erfahren wir in V. 10: „Als aber ein großer Zwiespalt<br />
entstand, fürchtete <strong>de</strong>r Oberste, Paulus möchte von ihnen zerrissen wer<strong>de</strong>n, und befahl, daß<br />
das Kriegsvolk hinabgehe und ihn aus ihrer Mitte wegreiße und ins Lager führe“. Es war<br />
keine Einigung zustan<strong>de</strong> gekommen; <strong>de</strong>r Beamte rettete Paulus aus ihren Hän<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r<br />
folgen<strong>de</strong>n Nacht aber stand <strong>de</strong>r Herr bei ihm und sprach: Sei gutes Mutes! <strong>de</strong>nn wie du von<br />
mir in Jerusalem gezeugt hast, so mußt du auch in Rom zeugen“ (V. 11). In gnädiger Weise<br />
erkennt <strong>de</strong>r Herr Seinen lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Knecht an. Aber in unauslöschlichem Haß „rotteten sich<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 210
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
die Ju<strong>de</strong>n zusammen, verfluchten sich und sagten, daß sie we<strong>de</strong>r essen noch trinken wür<strong>de</strong>n,<br />
bis sie Paulus getötet hätten.“ Mehr <strong>als</strong> 40 von ihnen zettelten eine Verschwörung an, in<br />
die die Hohenpriester und Ältesten verwickelt wur<strong>de</strong>n und sich zu trügerischem Han<strong>de</strong>ln<br />
verleiten ließen. Sie wollten ihren Einfluß bei <strong>de</strong>m Obersten geltend machen, um ihren<br />
teuflischen Plan ausführen zu können, aber sie wer<strong>de</strong>n beschämt, und Paulus entgeht ihnen.<br />
Aber wie muß es sein Herz getroffen haben, <strong>als</strong> er durch einen nahen Verwandten von ihrer<br />
Bosheit erfuhr! Er wird nun <strong>de</strong>m römischen Statthalter übergeben, und da er sich wegen <strong>de</strong>r<br />
ungerechten Willfährigkeit dieses Mannes gegenüber <strong>de</strong>n Hohenpriestern auf <strong>de</strong>n Kaiser<br />
beruft, besteigt er das Schiff, das ihn nach Rom bringen soll. Der in Kap. 27 beschriebene<br />
Schiffbruch gibt ein Bild vom völligen Zusammenbruch einer irdischen Ordnung, die auf<br />
Er<strong>de</strong>n Sicherheit geben soll, und wobei sich die Mitreisen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Paulus sicher ans Land<br />
retten konnten.<br />
Als Gefangener <strong>de</strong>r Nationen, in <strong>de</strong>ren Hand die Macht, die Gott <strong>de</strong>m Menschen gegeben<br />
hatte, nun lag, gelangt Paulus nach Rom. Hier ist er abgeschnitten von allem, was er<br />
auf Er<strong>de</strong>n schätzte. Zweifellos wird nun seine ganze Aufmerksamkeit auf die herrlichen<br />
Augenblicke gelenkt, die er vor vielen Jahren im dritten Himmel verbringen durfte; <strong>de</strong>nn<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> konnte ihn nun nichts mehr hin<strong>de</strong>rn. Die Vollkommenheit und die<br />
Schönheit jener Szene konnten nicht vergrößert wer<strong>de</strong>n, aber während vieler Jahre war<br />
er je<strong>de</strong>r Art von Erziehung unterworfen gewesen, damit er allen irdischen Neigungen<br />
entfrem<strong>de</strong>t und in je<strong>de</strong>r Weise mit <strong>de</strong>r himmlischen Berufung eines Menschen in Christo“<br />
in Übereinstimmung gebracht wür<strong>de</strong>; und wir wer<strong>de</strong>n sehen, wie vollkommen und <strong>de</strong>utlich<br />
er das darstellte, was er einst erfahren hatte, und wie die Erziehung, <strong>de</strong>r er unterworfen<br />
gewesen war, ihn für <strong>de</strong>n Dienst zubereitet hatte, so daß er im Innern wie im Äußeren in<br />
vollem Einklang mit seiner Lehre stand. Er verkündigte nicht nur himmlische Gedanken,<br />
son<strong>de</strong>rn er war selbst ein Himmlischer.<br />
Es ist nicht leicht, die Gefühle <strong>de</strong>s Apostels zu verstehen, <strong>als</strong> er vor <strong>de</strong>m Herrn alles das<br />
verwirklichte, was er erlitten hatte. Er hatte eine ganz beson<strong>de</strong>re Erziehung durchgemacht.<br />
Seine Gefühle für Israel waren nicht nur die eines Mannes für seine Familie, son<strong>de</strong>rn für<br />
das Volk Gottes, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Christus hervorgegangen war, und er klammerte sich bis<br />
zuletzt daran, in <strong>de</strong>r Hoffnung, daß Jerusalem <strong>de</strong>r große Mittelpunkt <strong>de</strong>s Christentums<br />
wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, aber Gott ließ es geschehen, daß er am eigenen Leibe verspürte, daß je<strong>de</strong><br />
solche Hoffnung eitel war. Nach<strong>de</strong>m nun je<strong>de</strong> Hoffnung, daß Israel in Jerusalem teilhaben<br />
sollte, zerstört ist, wer<strong>de</strong>n ihm, <strong>de</strong>m Gefangenen, in Rom, <strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r<br />
Nationen, die Schönheit und die Größe <strong>de</strong>r Kirche <strong>als</strong> <strong>de</strong>m Leibe Christi geoffenbart.<br />
Die Erziehung hatte ihre Wirkung getan; sie hatte das, was irgendwie das große, ihm<br />
geoffenbarte Geheimnis ver<strong>de</strong>cken o<strong>de</strong>r überschatten konnte, beseitigt. Sein natürlicher<br />
Wunsch, Israel gesegnet zu sehen, war vernichtet wor<strong>de</strong>n, und sein Herz war auf die großen<br />
Offenbarungen, die ihm im Paradiese gegeben wor<strong>de</strong>n waren, gerichtet. Niemand, <strong>de</strong>r<br />
nicht etwas Ähnliches erfahren hat, kann verstehen, welche Wirkung eine so vollständige<br />
Beseitigung eines Gegenstan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf sich lenken<br />
konnte, weil er die natürlichen Gefühle berührte, hervorrief, so daß die Seele ganz frei<br />
ist, <strong>de</strong>n nunmehr einzigen Gegenstand ohne Störung betrachten zu können. Wenn Paulus<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 211
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
begehrt hatte, daß sein Volk an <strong>de</strong>n Segnungen <strong>de</strong>r Kirche teilhaben sollte, so hatte er nun<br />
auf schmerzliche Art erfahren, daß es Christo hartnäckig wi<strong>de</strong>rstand, und darum befand er<br />
sich jetzt <strong>als</strong> Gefangener in Rom und konnte in einer wolkenlosen Atmosphäre die ganze<br />
Schönheit und Größe <strong>de</strong>s großen Geheimnisses betrachten.<br />
Es ist sehr anziehend, die Wirkungen <strong>de</strong>r Erziehung an unserem Apostel zu sehen. Wir<br />
hören keine Worte <strong>de</strong>r Enttäuschung, son<strong>de</strong>rn jetzt, aus <strong>de</strong>m Gefängnis in Rom, schreibt er<br />
<strong>de</strong>n Brief an die Epheser. Manche behaupten, daß es ein Rundschreiben war, aber das ist<br />
von nebensächlicher Be<strong>de</strong>utung; wichtig ist, daß wir in diesem Brief die vollkommenste<br />
Offenbarung <strong>de</strong>s großen Geheimnisses – Christus und die Kirche – haben. Wenn Israel,<br />
Gottes irdisches Volk, einst <strong>de</strong>r Mittelpunkt aller Wege Gottes auf Er<strong>de</strong>n war, so trifft<br />
das auf die Kirche, <strong>de</strong>n Leib Christi, jetzt in unendlich viel größerem Maße zu. Nach <strong>de</strong>r<br />
Auflösung je<strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s, das ihn noch mit Israel verknüpfte, wird <strong>de</strong>r Apostel vom Geiste<br />
dahin geführt, das Geheimnis Gottes, das seit Grundlegung <strong>de</strong>r Welt verborgen gewesen<br />
war, völlig und bis in die praktischen Einzelheiten zu erfassen.<br />
Dies Geheimnis besitzt zwei große Beson<strong>de</strong>rheiten: zum einen, daß wir alle – Ju<strong>de</strong>n wie<br />
Hei<strong>de</strong>n – zusammen erhoben und in Christo in die himmlischen Örter versetzt wor<strong>de</strong>n<br />
sind; zum an<strong>de</strong>ren, daß dieselbe Macht, die Christum auferweckt hat, auch uns auferweckt.<br />
Diese Macht steht vollkommen außerhalb und über allem was menschlich ist; und <strong>de</strong>shalb,<br />
weil diese Macht in uns wirksam ist, sollten wir zu Ihm hin wachsen, <strong>de</strong>r das Haupt aller<br />
Dinge ist. Das sollte einen absoluten und entschie<strong>de</strong>nen Sieg über alle Macht <strong>de</strong>s Teufels<br />
herbeiführen, <strong>de</strong>r uns nicht nur die Höhe zeigt, zu <strong>de</strong>r wir aus allem was hier ist erhoben<br />
sind, son<strong>de</strong>rn die unendliche sittliche Überlegenheit, in die wir hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> versetzt<br />
sind, <strong>de</strong>m Schauplatz unserer einstigen Entfremdung von Gott. Wir sind durch die größte<br />
Macht, die Macht, die Christum auferweckte, in die höchste Höhe gebracht wor<strong>de</strong>n, und weil<br />
wir nun <strong>de</strong>n himmlischen Charakter tragen, sind wir berufen, von Christo zu zeugen, und<br />
zwar im höchsten Kreise, <strong>de</strong>r Versammlung, ebenso wie in <strong>de</strong>n niedrigsten persönlichen<br />
Umstän<strong>de</strong>n, und sind zugleich <strong>de</strong>n Ränken und <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>s Teufels überlegen. Wie<br />
überwältigt muß <strong>de</strong>r Apostel gewesen sein, <strong>als</strong> <strong>de</strong>r Geist ihm dies alles in inspirierten<br />
Worten vorstellte. Wie wird er Gott gedankt haben für die Erziehung, <strong>de</strong>r er unterworfen<br />
wor<strong>de</strong>n war, damit er ein Gefäß wür<strong>de</strong>, das geeignet war, die größten Mitteilungen, die<br />
ein Mensch jem<strong>als</strong> empfing, weiterzugeben. Wir erkennen nur schwach, welche Mühe <strong>de</strong>r<br />
Herr Sich mit uns gibt, um uns für Sein Werk einigermaßen geeignet zu machen. Nur Er<br />
weiß, was geeignet ist, und daß diese Eignung durch nichts an<strong>de</strong>res <strong>als</strong> die Erziehung, die<br />
Er, <strong>de</strong>r alle Dinge kennt, uns zuteil wer<strong>de</strong>n läßt, erreicht wird. Wie rührt es uns, wenn wir<br />
<strong>de</strong>n Apostel schreiben sehen „welches die Verwaltung <strong>de</strong>s Geheimnisses sei, das von <strong>de</strong>n<br />
Zeitaltern her verborgen war in Gott“, und durch das <strong>de</strong>n Engeln die mannigfaltige Weisheit<br />
Gottes kundgetan wird. (Eph 3,9+10): „auf daß jetzt <strong>de</strong>n Fürstentümern und Gewalten in<br />
<strong>de</strong>n himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan wer<strong>de</strong> die gar mannigfaltige<br />
Weisheit Gottes.“<br />
Die letzten Lebensjahre <strong>de</strong>s Apostels scheinen in zwei Teile geteilt zu sein: in <strong>de</strong>m einen<br />
wur<strong>de</strong> er in die Höhe geführt und in die Segnungen <strong>de</strong>r Geheimnisse eingeführt, und er<br />
teilt seine persönlichen Erfahrungen hierin <strong>de</strong>n Philippern mit; in <strong>de</strong>m zweiten sehen wir<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 212
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
<strong>de</strong>n furchtbaren Abfall (2. Timotheus), wie er verlassen wur<strong>de</strong> (Kap. 4), und die Hilfe <strong>de</strong>s<br />
Herrn in einer solchen Zeit.<br />
Es ist interessant und nützlich für uns, daß wir im Brief an die Philipper die Erfahrungen<br />
<strong>de</strong>s Apostels zu dieser Zeit fin<strong>de</strong>n. Mir scheint, es sind zwei Teile: zunächst – <strong>de</strong>r Anfang<br />
seiner Gefangenschaft, <strong>als</strong> er die gesegneten Ergebnisse seiner Berufung durch Gott genoß,<br />
wie sie im Epheserbrief beschrieben sind; während er zum Schluß, <strong>als</strong> alle in Kleinasien<br />
ihn verlassen hatten und das Abweichen von <strong>de</strong>r Wahrheit fast überwältigend gewor<strong>de</strong>n<br />
war, in beson<strong>de</strong>rer Weise vom Herrn gestärkt und ermuntert wur<strong>de</strong> und so für uns ein<br />
Vorbild ist. Bei<strong>de</strong>s ist für uns von großem Interesse. Das eine zeigt uns, welch eine erhabene<br />
Glückseligkeit auch unter <strong>de</strong>n schwierigsten Umstän<strong>de</strong>n unser Teil ist. Der Gefangene in<br />
Rom sieht und schreibt nicht nur von Dingen von unendlicher Größe, son<strong>de</strong>rn vom Heiligen<br />
Geist geleitet berichtet er uns auch seine Erfahrungen zu dieser Zeit. In Phil 1 ist es <strong>de</strong>r<br />
sehnlichste Wunsch seines Herzens, „bei Christo zu sein, <strong>de</strong>nn es ist weit besser“; aber da es<br />
für die Gläubigen besser ist, daß er bleibt, weiß er, daß er bleiben wird; aber jetzt wie immer<br />
ist es seine Hoffnung, daß Christus in seinem Leibe hoch erhoben wer<strong>de</strong>, sei es durch Leben<br />
o<strong>de</strong>r durch Tod.<br />
Kap. 2. Christo gleichgesinnt zu sein, gleich Ihm ein Knecht zu sein, erfüllte seine Freu<strong>de</strong>.<br />
In Kap. 3 ist Christus sein Ziel; er gibt alles, was <strong>de</strong>r Natur ein Gewinn ist, auf für Christum,<br />
er vergißt die Dinge, die dahinten sind und jagt <strong>de</strong>m Ziel nach, <strong>de</strong>r Berufung Gottes droben;<br />
<strong>als</strong> Himmelsbürger schaut er aus nach Ihm, <strong>de</strong>r kommt, um seinen Leib <strong>de</strong>r Niedrigkeit<br />
umzugestalten in einen Leib <strong>de</strong>r Herrlichkeit, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m verherrlichten Leib Christi gleich ist.<br />
Schließlich, in Kap. 4 zeigt er, daß er gelernt hat, sich zu begnügen mit <strong>de</strong>m, worin er sich<br />
befin<strong>de</strong>t, und daß er alles vermag in Dem, Der ihn kräftigt. Daher begehrt er, bei Christo<br />
zu sein, aber auch ein Knecht wie Er zu sein; Christus ist sein einziges Ziel, aber auch die<br />
Kraft, die ihn über alles hier hinweg trägt. Diese vier Stücke sind das Ergebnis <strong>de</strong>r zwei<br />
Seiten <strong>de</strong>r Berufung.<br />
Bevor wir <strong>de</strong>n ersten Teil seiner Gefangenschaft verlassen, wollen wir noch einen<br />
Augenblick bei <strong>de</strong>r Anspielung auf <strong>de</strong>n Kampf, <strong>de</strong>n er um die Kolosser hatte, in Kol 2,1<br />
verweilen. Hier wird uns ein Blick in sein Inneres gewährt, wie er <strong>als</strong> Gefangener für <strong>de</strong>n<br />
Segen <strong>de</strong>r Seelen rang und vom Herrn dazu gebracht wur<strong>de</strong>, die Anfänge eines Sauerteigs<br />
bloßzulegen, <strong>de</strong>r die Kirche überall durchdrungen hat, aber auch <strong>de</strong>n einzigen Weg zu<br />
zeigen, auf <strong>de</strong>m sie davor bewahrt bleiben konnte. Es ist sehr ermutigend, sich gleichsam<br />
neben <strong>de</strong>n Apostel in seinen Ketten zu versetzen und bis zu einem gewissen Maße <strong>de</strong>n<br />
Kampf zu verstehen, <strong>de</strong>n er durchlebte, um die Gläubigen vor diesem bösen Sauerteig, einer<br />
Mischung aus Religiosität und Verstand, zu bewahren. Welcher Gegensatz besteht zwischen<br />
seinem Leben mit <strong>de</strong>m Herrn, das so gesegnet und so strahlend war, und seinen Umstän<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Menschen! Wie herrlich ist es, zu wissen, daß das Festhalten am Haupte, –<br />
Christus alles und in allem – uns von diesem Sauerteig reinigt und bewahrt.<br />
Die letzte Zeit seiner Gefangenschaft enthüllt uns einen ganz an<strong>de</strong>ren Zustand <strong>de</strong>r Dinge<br />
<strong>als</strong> <strong>de</strong>r erste Teil seiner Gefangenschaft. Man nimmt an, daß <strong>de</strong>r -i. Brief an Timotheus<br />
nach <strong>de</strong>r 1. Gefangenschaft geschrieben wur<strong>de</strong>, und vieles spricht dafür; es ist offenbar, daß<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 213
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
zwischen <strong>de</strong>m 1. und <strong>de</strong>m 2. Brief an Timotheus eine <strong>de</strong>utliche Verän<strong>de</strong>rung eingetreten<br />
ist. Im 1. Brief beschäftigt sich <strong>de</strong>r Apostel mit <strong>de</strong>r Ordnung, in<strong>de</strong>m er an Timotheus nach<br />
Ephesus schreibt, im zweiten dagegen mit <strong>de</strong>r Unordnung, und wie <strong>de</strong>r Mensch Gottes<br />
in einer solchen Zeit wan<strong>de</strong>ln soll. Wir bemerken, daß Paulus im 1. Brief, in Verbindung<br />
mit <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Versammlung zwei große drohen<strong>de</strong> Übel anprangert, nämlich das<br />
Prinzip <strong>de</strong>s Katholizismus in Kap. 4, und <strong>de</strong>n Radikalismus in Kap. 6; mit an<strong>de</strong>ren Worten:<br />
Religion in Unabhängigkeit von Gott einerseits, die Meinung, daß die Gottseligkeit ein<br />
Mittel zum Gewinn sei an<strong>de</strong>rerseits. Das eine erhöhte <strong>de</strong>n Menschen unter <strong>de</strong>m äußeren<br />
Mantel christlicher Religion, beim an<strong>de</strong>ren war das menschliche Fortkommen alles.<br />
Im 2. Brief an Timotheus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Zustand während <strong>de</strong>s En<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r zweiten Gefangenschaft<br />
<strong>de</strong>s Paulus beschreibt, befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Apostel in ganz an<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n <strong>als</strong> am Anfang<br />
seiner ersten Gefangenschaft, <strong>als</strong> er schrieb: „ich will aber, daß ihr wisset, Brü<strong>de</strong>r, daß meine<br />
Umstän<strong>de</strong> mehr zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Evangeliums geraten sind“ (Phil 1,12).<br />
Der 2. Timotheus-Brief wur<strong>de</strong> nach seiner ersten Verantwortung (4,16) geschrieben, bei <strong>de</strong>r<br />
keiner <strong>de</strong>r Gläubigen ihm beigestan<strong>de</strong>n hatte. Er beginnt, in<strong>de</strong>m er sagt: „Gott hat uns nicht<br />
einen Geist <strong>de</strong>r Furcht gegeben, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Kraft und <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit“,<br />
und kündigt im gleichen Kapitel an, „daß alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt<br />
haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes“. Wenn wir uns vor Augen halten,<br />
daß Kleinasien das Gebiet war, wo er hauptsächlich gewirkt hatte, können wir uns einen<br />
Begriff von <strong>de</strong>m Kummer machen, <strong>de</strong>n dieser Abfall ihm bereitete. Wie rührend. hängt sein<br />
Herz an einem einzelnen dort, <strong>de</strong>nn er schreibt: Der Herr gebe <strong>de</strong>m Hause <strong>de</strong>s Onesiphorus<br />
Barmherzigkeit“.<br />
Aber Paulus ist nicht entmutigt. Wenn er uns im Epheserbrief zu <strong>de</strong>n herrlichen Höhen <strong>de</strong>r<br />
göttlichen Berufung geführt hat so ist er es jetzt, <strong>de</strong>r uns in <strong>de</strong>r schlimmsten Verwirrung<br />
stärkt und leitet, wo Lieblosigkeit und äußerster Verfall in <strong>de</strong>r Versammlung vorherrschend<br />
sind, wo „statt <strong>de</strong>s Gürtels ein Strick, . . . Brandmal statt Schönheit“ ist (vgl. Jes 3,24)In<br />
wenigen Sätzen, reich an göttlichem Segen, belehrt er Timotheus, und mit ihm alle, die<br />
Christo treu bleiben möchten, was in einer solchen Zeit zu tun ist. Seine Belehrungen lassen<br />
sich in zwei Gruppen aufteilen: 1. Stark in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, d. i. in Christo Jesu, sollte Timotheus<br />
die Dinge, die er von <strong>de</strong>m Apostel empfangen hatte, „treuen Männern (anvertrauen), welche<br />
tüchtig sein wer<strong>de</strong>n, auch an<strong>de</strong>re zu lehren“. 2. Er sollte sich vollständig von <strong>de</strong>n Gefäßen<br />
<strong>de</strong>r Unehre abson<strong>de</strong>rn. „Wenn sich nun jemand von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur<br />
Ehre sein, geheiligt, nützlich <strong>de</strong>m Hausherrn, zu je<strong>de</strong>m guten Werke bereitet“ (2.Tim 2,21).<br />
Wie <strong>de</strong>r Apostel von Gott zubereitet war, ein geeignetes Gefäß für die Offenbarung <strong>de</strong>r<br />
Schönheit und Herrlichkeit <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s von Gottes Hauptinteresse auf Er<strong>de</strong>n zu sein,<br />
so wird er auch jetzt belehrt, uns vor <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n schweren Zeiten zu warnen. „Dieses<br />
aber wisse, daß in <strong>de</strong>n letzten Tagen schwere Zeiten da sein wer<strong>de</strong>n“ (Kap 3,1). Das Ziel<br />
<strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> wird dasselbe sein wie bei Jannes und Jambres; wie jene Mose wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n,<br />
so wi<strong>de</strong>rstehen die Fein<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Tagen <strong>de</strong>r Wahrheit. Ihr Charakter wird mit <strong>de</strong>n<br />
Worten: „die eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen“ gekennzeichnet,<br />
und: „die immerdar lernen und niem<strong>als</strong> zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit kommen können’,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 214
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Paulus<br />
wodurch ange<strong>de</strong>utet wird, was für Menschen diese sind. Unsere erste Hilfsquelle ist die<br />
Lehre und das Betragen <strong>de</strong>s Paulus (s. V. 10–11) nicht nur die Lehre, welche alle, die in<br />
Asien waren, verlassen hatten, son<strong>de</strong>rn die Erziehung, die er erfahren hatte, war Beweis<br />
genug, daß er sich auf <strong>de</strong>m rechten Pfa<strong>de</strong> befand. Das Zweite ist: Du aber bleibe in <strong>de</strong>m, was<br />
du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast,<br />
und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu<br />
machen zur Seligkeit durch <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>r in Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott<br />
eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung<br />
in <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, auf daß <strong>de</strong>r Mensch Gottes vollkommen sei, zu je<strong>de</strong>m guten Werke<br />
völlig geschickt“. (V. 14–17).<br />
Nach<strong>de</strong>m uns <strong>de</strong>r Apostel auf die letzten Tage vorbereitet hat, teilt er uns mit, daß sein Lauf<br />
zu En<strong>de</strong> ist. Er sagt: „Ich wer<strong>de</strong> schon <strong>als</strong> Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines<br />
Abschei<strong>de</strong>ns ist vorhan<strong>de</strong>n. Ich habe <strong>de</strong>n guten Kampf gekämpft, ich habe <strong>de</strong>n Lauf<br />
vollen<strong>de</strong>t, ich habe <strong>de</strong>n Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit,<br />
welche <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht<br />
allein aber mir, son<strong>de</strong>rn auch allen, die seine Erscheinung liebhaben“ (Kap. 4, 6–8). Welch<br />
ein gesegnetes En<strong>de</strong> seines großen Dienstes! Und dann kann er in <strong>de</strong>r Ruhe und <strong>de</strong>m<br />
Vertrauen eines Menschen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Willen Gottes völlig unterwürfig ist, daran <strong>de</strong>nken, wie<br />
nützlich es wäre, wenn er Timotheus bei sich hätte: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen-,<br />
und: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir“. Nichts wird übersehen: „Den Mantel, <strong>de</strong>n ich<br />
in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, beson<strong>de</strong>rs die<br />
Pergamente“. So beschließt dieser teure, geehrte Knecht seinen Lauf, Wenn sein Anfang in<br />
Apg 9 gekennzeichnet war durch das Licht, das aus <strong>de</strong>m Himmel auf ihn schien, so umgibt<br />
ihn bei seinem Hingang eine Schönheit und sittliche Größe, die niem<strong>als</strong> übertroffen wur<strong>de</strong>,<br />
außer von <strong>de</strong>m vollkommenen Herrn, Dem er diente. Die Trübsal hatte Geduld bei ihm<br />
bewirkt; ja, die Geduld hatte ein vollkommenes Werk getan. In wie gesegneter Weise war<br />
die göttliche Erziehung wirksam gewesen, so daß Christus in seinem Leibe, durch Leben<br />
o<strong>de</strong>r durch Tod, verherrlicht wur<strong>de</strong>.<br />
Während wir <strong>de</strong>m Herrn danken, daß Er <strong>de</strong>r Kirche einen solchen Diener gegeben hat,<br />
möchten wir von diesem Diener lernen, nur auf Ihn zu schauen, Der uns auf <strong>de</strong>mselben<br />
Pfa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glaubens zu führen vermag.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 215
Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
1. Mose<br />
1,14 . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
9,22.25 . . . . . . . . . . . 22<br />
12,1 . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
15 . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
17,19 . . . . . . . . . . . . . 30<br />
35,16 . . . . . . . . . . . . . 40<br />
48,7 . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
300. . . . . . . . . . . . . . .95<br />
2. Mose<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
6 . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
17,9 . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
25 . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
32,11–13 . . . . . . . . . . 72<br />
4. Mose<br />
11 . . . . . . . . . . . . 73, 77<br />
13,16 . . . . . . . . . . . . . 78<br />
27,12 . . . . . . . . . . . . . 74<br />
27,18–22 . . . . . . . . . . 79<br />
5. Mose<br />
32. . . . . . . . . . . . . . .188<br />
34 . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
Josua<br />
3,7 . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
4,14 . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
15 . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
Richter<br />
6,8–10 . . . . . . . . . . . . 85<br />
14 . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
1. Samuel<br />
7,5.6 . . . . . . . . . . . . 113<br />
7,6 . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
8,4 . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
10,17 . . . . . . . . . . . . 113<br />
15. . . . . . . . . . . . . . .132<br />
16. . . . . . . . . . . . . . .116<br />
17. . . . . . . . . . . . . . .117<br />
18. . . . . . . . . . . . . . .118<br />
19. . . . . . . . . . . . . . .119<br />
20. . . . . . . . . . . . . . .121<br />
21. . . . . . . . . . . . . . .122<br />
22. . . . . . . . . . . . . . .123<br />
23. . . . . . . . . . . . . . .124<br />
24. . . . . . . . . . . . . . .126<br />
25. . . . . . . . . . . . . . .126<br />
26. . . . . . . . . . . . . . .127<br />
27. . . . . . . . . . . . . . .128<br />
27,1 . . . . . . . . . . . . . 149<br />
28,1.2 . . . . . . . . . . . 129<br />
29.30 . . . . . . . . . . . . 129<br />
2. Samuel<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
3 . . . . . . . . . . . . . . . . 133<br />
4 . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
5 . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
6 . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />
11. . . . . . . . . . . . . . .138<br />
11,1 . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
12. . . . . . . . . . . . . . .139<br />
13. . . . . . . . . . . . . . .139<br />
15ff . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
15. . . . . . . . . . . . . . .140<br />
16. . . . . . . . . . . . . . .140<br />
17. . . . . . . . . . . . . . .140<br />
18. . . . . . . . . . . . . . .140<br />
21. . . . . . . . . . . . . . .140<br />
22,30 . . . . . . . . . . . . 204<br />
23. . . . . . . . . . . . . . .142<br />
24. . . . . . . . . . . . . . .141<br />
1. Könige<br />
3,3 . . . . . . . . . . . . . . 165<br />
17. . . . . . . . . . . . . . .144<br />
17,1 . . . . . . . . . . . . . 145<br />
19,4 . . . . . . . . . . . . . 149<br />
19,16 . . . . . . . . . . . . 154<br />
2. Könige<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />
2,23 . . . . . . . . . . . . . 156<br />
5 . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />
8 . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />
13,14 . . . . . . . . . . . . 162<br />
16. . . . . . . . . . . . . . .173<br />
18,2 . . . . . . . . . . . . . 166<br />
18,4 . . . . . . . . . . . . . 164<br />
18,7 . . . . . . . . . . . . . 165<br />
18,13 . . . . . . . . . . . . 166<br />
18,17 . . . . . . . . . . . . 170<br />
19,29 . . . . . . . . . . . . 178<br />
20,3 . . . . . . . . . . . . . 167<br />
20,6 . . . . . . . . . . . . . 170<br />
20,13 . . . . . . . . . . . . 169<br />
1. Chronika<br />
12,38 . . . . . . . . . . . . 134<br />
13. . . . . . . . . . . . . . .135<br />
14,15 . . . . . . . . . . . . 136<br />
15. . . . . . . . . . . . . . .136<br />
16 . . . . . . . . . . . . . 135 f.<br />
16,7–36 . . . . . . . . . . 136<br />
16,43 . . . . . . . . . . . . 137<br />
17. . . . . . . . . . . . . . . 137<br />
18. . . . . . . . . . . . . . . 137<br />
21. . . . . . . . . . . . . . . 141<br />
22. . . . . . . . . . . . . . .142<br />
23. . . . . . . . . . . . . . .142<br />
33. . . . . . . . . . . . . . .142<br />
2. Chronika<br />
14. . . . . . . . . . . . . . .139<br />
29,3 . . . . . . . . . . . . . 165<br />
30,26 . . . . . . . . . . . . 165<br />
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Die Erziehung in <strong>de</strong>r Schule Gottes (J.B.S.)<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
31,20 . . . . . . . . . . . . 166<br />
32,1 . . . . . . . . . . . . . 166<br />
Psalmen<br />
3 . . . . . . . . . . . . . . . . 140<br />
3,5 . . . . . . . . . . . . . . 140<br />
7,16 . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
25,9 . . . . . . . . . . . . . 103<br />
34. . . . . . . . . . . . . . .123<br />
51. . . . . . . . . . . . . . .138<br />
52. . . . . . . . . . . . . . .123<br />
54. . . . . . . . . . . . . . .125<br />
56. . . . . . . . . . . . . . .130<br />
57. . . . . . . . . . . . . . .123<br />
99 . . . . . . . . . . . . . . .107<br />
139,14 . . . . . . . . . . . 143<br />
142 . . . . . . . . . 123, 125<br />
Sprüche<br />
23,23 . . . . . . . . . . . . 101<br />
26,7 . . . . . . . . . . . . . 166<br />
27,21 . . . . . . . . . . . . 170<br />
Jesaja<br />
3,24 . . . . . . . . . . . . . 214<br />
38 . . . . . . . . . . . . . . .167<br />
38,10–12.14 . . . . . . 168<br />
38,14 . . . . . . . . . . . . 168<br />
38,15 . . . . . . . . . . . . 169<br />
Jeremia<br />
32,15 . . . . . . . . . . . . 187<br />
Hesekiel<br />
12,22 . . . . . . . . . . . . 196<br />
Daniel<br />
4,14 . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Matthäus<br />
13,12 . . . . . . . . . . . . 102<br />
29. . . . . . . . . . . . . . .166<br />
Markus<br />
10 . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
Lukas<br />
4 . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />
5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
5,8 . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
7 . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
9,30.31 . . . . . . . . . . . 72<br />
18,14 . . . . . . . . . . . . 103<br />
Johannes<br />
4 . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
12. . . . . . . . . . . . . . .172<br />
12,41 . . . . . . . . . . . . 171<br />
13 . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
16,2 . . . . . . . . . . . . . 199<br />
21,18.19 . . . . . . . . . . 62<br />
Apostelgeschichte<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />
9 . . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />
9,1 . . . . . . . . . . . . . . 200<br />
9,26 . . . . . . . . . . . . . 202<br />
10. . . . . . . . . . . . . . .177<br />
11,20 . . . . . . . . . . . . 202<br />
11,29 . . . . . . . . . . . . 203<br />
12 . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
12,25 . . . . . . . . . . . . 203<br />
13. . . . . . . . . . . . . . .203<br />
13,14 . . . . . . . . . . . . 204<br />
13,40.41 . . . . . . . . . 204<br />
14,27–28. . . . . . . . .205<br />
15,1–2 . . . . . . . . . . . 205<br />
16 . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
16,13 . . . . . . . . . . . . 206<br />
17. . . . . . . . . . . . . . .207<br />
18. . . . . . . . . . . . . . .208<br />
20,16 . . . . . . . . . . . . 209<br />
22,17 . . . . . . . . . . . . 202<br />
22,20 . . . . . . . . . . . . 199<br />
26,16 . . . . . . . . . . . . . 94<br />
28. . . . . . . . . . . . . . .172<br />
Römer<br />
4,17.18 . . . . . . . . . . 187<br />
2. Korinther<br />
12. . . . . . . . . . . . . . .203<br />
Galater<br />
1,17 . . . . . . . . . . . . . 201<br />
1,18 . . . . . . . . . . . . . 202<br />
1,21 . . . . . . . . . . . . . 202<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />
5 . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />
Epheser<br />
3,9.10 . . . . . . . . . . . 212<br />
4,13 . . . . . . . . . . . . . 201<br />
5,14 . . . . . . . . . . . . . 130<br />
6 . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
Philipper<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />
1,12 . . . . . . . . . . . . . 214<br />
2,12 . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
2,20.22 . . . . . . . . . . 206<br />
Kolosser<br />
2,1 . . . . . . . . . . . . . . 213<br />
1. Thessalonicher<br />
2,14–16 . . . . . . . . . . 207<br />
2. Timotheus<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
2,20 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
2,21 . . . . . . . . . . . . . 214<br />
4,17 . . . . . . . . . . . . . 208<br />
Hebräer<br />
2,10 . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
4,12–13 . . . . . . . . . . . . 8<br />
8,5 . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
Jakobus<br />
5,11 . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
5,17 . . . . . . . . . . . . . 144<br />
1. Petrus<br />
4,1 . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
1. Johannes<br />
5,5.10 . . . . . . . . . . . 201<br />
Judas<br />
9 . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
11. . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
Offenbarung<br />
2,14 . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
3,8–9 . . . . . . . . . . . . . 21<br />
3,14–21 . . . . . . . . . . 185<br />
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